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RIJKSUNIVERSITEIT TE UTRECHT
2671 606 2
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COMPENDIUM
DER
OPERATIONSLEHRE
FtJR
THIEHRÄ^ZTE
I
Draquo; L. FORSTER
PROFESSOR AM K. K. THIERARZNEMNSTIT1ITK IN WIEN.
WIEN 1867. WILHELM BEAU MÜLLER
K. K. HOP- UNO TtNIVERSITÄTBBUCHHÄNDMtR.
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Vorwort.
#9632; . .
jjei selbst nur oberflächlicher üurehsicht des vorliegenden Compendiums, bei dessen Bearbeitung wohl die meisten Werke über Chirurgie und Operationslehre, besonders aber jene von Flertwig und Hering benützt wurden, dürfte es auflallen, dass sowohl die topographische Anatomie, als auch die ge-burtshilflichen und die Hufbperationen gänzlich hinweggelassen wurden.
Dieser Vorgang findet darin seine Erklärung, dass das vor­liegende Werk einzig und allein die Bestimmung hat, den Hörern der Tbierheilkunde am hiesigen Instilute bei den Vorträgen über Operationslehrc, bei welchen die oben genannten, ander­weitig ihre Erörterung findenden Abschnitte gleichfalls hinweg­gelassen werden, als Leitfaden zu dienen.
Wien, im Juni 1867.
Dr. Forster.
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Inhalt.
jkllgemeineT' Theil.
Begrill' einer ehil'orgiüclien Opeiatiou, Operationslclire. pag. 3. — Aufgabe der Oiioratioiislclnc. Eigenschaften eines Operateurs. 4. — EiflÜieilung der Ope­rationen. 5. — Operationsacte. 7. — Operationsmethode. Wirkungen und Zweck der Operation. 8. — Anzeigen und G-egenanzeigen. Yorhereitongeu. lt;). — Wahl der Methode, der Zeit. 10. — Vorbereitung des Thieres. Ope-rationsloeale. 11. — Operationsapparat. Lagerung dos Thieres. 12. — Ge­hilfen. Verhalten während der Operation. Ungtlnstige Ereignisse. 13. — Naehhehandlnng. Zwangsmittel. 14. — Xarkotisiren. oo. — Elementare Ope­rationen. 10. — Trennung. Blutige Trennung. Schneiden. 41. — Stoelion. 49. — Schaben, Bohren, Mcisseln. 52. — Sägen. Mehr woniger unblutige Trennungsarten. Ligatur. 53. Ausrcisscn. Abquetschen. 57. — Aetzon. 58. — Brennen. 61. — Legen eines Fontanelies. 72. — Einziehen eines Eiterban­des. 77. — Impfen. 86. — A'-upunetur. 07. — Vereinigung. Troukono Naht. 100. — Blutige Naht. 101. —
Besonclerer Theil.
Operationen an dem Knochensysteme: Trepanation. 117. — Amputation. 127.
—nbsp; Beinhautsohnitt. 136. —
Operationen an den Muskeln, Sehnen und Bändern: Durchsohneidong von
Muskeln, Sehnen und sohnigen Ausbreitungen. 141. — Durchschneidung des
Nackenbandes. 172. — OperatiTeBeseitigung derSohnen- and Gelenksgallen. 173.
Operationen an dem Nervensysteme: Operative Beseitigung dos G-ehirnblasea-
wunnes. 182. — Anbohrung der Riechkolben duminkollerischer Pferde. 189.
—nbsp; Nervenschnitt. 192. —
Operationen an den Blutgefässen: Blntentziehungen. 200. — Infusion und
Transfusion. 233. — Blutstillung. 230. — Unterbindung der Gefasse. 245. Operationen an den Respirationsorganen: Eröffnung des Luftsackes. 254. —
Eröfinung der Luftröhre. 263. — Theilweise Abtragung des Giesskannenknor-
pels. 276. — Brustsüoh. 277. — Operationen an den Verdannngsorganen: Operationen an den Zähnen. 283. —
Operationen an der Ohrspeicheldrüse und an ihrem Ausfuhrungsgange. 311.
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—nbsp; Entfernung fremder, im Schhmde stecken gebliebener Körper. 316. — Bauelistich. 337. — Entfernung der im Jlagen der Wiederkäuer angesam­melten Gase. 330. — Panseuschnitt. 336. — Darmstich. 340. — Magen­stich. 345. — Bruchopcrationoii. 346. — Operationen am Mastdarme und am After. 373.
Operationen an den Harn- und Geschlechtsorganen: Kathoterisiren. 381. — Harnblasonstich. 388. — Harnröhrenschnitt. 392. — Blasenschnitt 400. — Lithotritie. 411. — Amputation des mäimliclien Gliedes. 412. — Amputation des Tragsackcs. 423. —Castration. 427.—Castration männlicher Thiorc. 431.
—nbsp; Castration weiblicher Thiere. 486. — Operation dor Hydrocole. 514. — Operationon an dem Euter. 515. —
Operationen an den Sinnesorganen u. z. am Auge: Entfernung fremder Körper aus dem Auge. Trennung verwachsener Lider. 518. — Operation dos Eetropiums. 510. — Des Eutropiuras. 520. Abtragung des BlinzknorpeU. 520. Operation der ThränonfistoL des Pterygiums. 521. — Function dos Aug­apfels. 522. — Irideotomie. 524. — Operation des grauen Staaros. 526. — Exütirpation dos Augapfels. 531. —
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Allgemeiner Theil.
Förster. Opcralionslehre für Thierärzte.
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ßegriif einer chirorgiscben Operation.
Jede mechanische Hilfeleistung, welche mit der Hand allein oder mit Zuhilfenahme von Instrumenten, Verbänden oder chirurgischen Maschinen ausgeführt wird, um Krankheiten unserer Hausthiere zu verhüten, bestehende entweder vollständig zu heilen oder bloss ein­zelne, im Verlaufe derselben auftretende, nicht selten Gefahr drohende Erscheinungen zu beseitigen, um Thiere zu gewissen ökonomischen Zwecken tauglicher zu machen, oder um ihnen ein schöneres, mitun­ter bloss ein dem herrschenden Geschmacke mehr entsprechendes An­sehen zu verleihen und so ihren Verkaufswerth zu erhöhen, wird als chirurgische Operation im weiteren Sinne bezeichnet. Im gewöhnlichen Sprachgebrauche bedient man sich dieses Ausdruckes vorzugsweise für jene mechanischen Hilfeleistungen, bei welchen eine absichtliche Verwundung der organischen Theile stattfindet.
Operationslehre. Derjenige Theil der Thierheilkunde, welcher von der kunstge-mässen Benützung der chirurgischen Heilmittel, d. h. von den Opera­tionen handelt, bildet die Operationslehre. Diese zerfällt, je nachdem die Operationen mit Trennung des Zusammenhanges und mit Blutung verbunden sind, oder nur in einer andauernden oder vor­übergehenden Berührung der organischen Flächen beruhen, in die Lehre von den blutigen und in jene von den unblutigen Opera­tionen, in die Akiurgie oder, da eine mit Blutung verbundene Tren­nung der Theile auch durch stumpfe Werkzeuge hervorgerufen wer­den kann, passender in die Haematurgie und in die Anaema-t u r g i e.
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Aufgabe der Operationslehre.
Die Operationslehre hat die Aufgabe, die einzelnen Operationen in ihrer geschichtlichen Ausbildung und mit allen Methoden, nach welchen sie ausgeführt werden können, zu beschreiben, die Vor- und Nachtheile der einzelnen Methoden vergleichsweise zu besprechen, die Anzeigen für die Vornahme derselben, sowie die Gegenanzeigen aus­einanderzusetzen, ihre Eingriffe auf den Organismus als verwun­dende Potenz zu würdigen und mit ihren heilbringenden quot;Wirkungen zu vergleichen; die während der Ausführung der Operation selbst mög­licherweise nothwendig werdenden Abänderungen in dem Operations­verfahren zu erwähnen und die bei derselben unerwartet auftretenden ungünstigen Ereignisse, so wie die dagegen anzuwendenden Hilfsmittel zu erörtern, endlich die Behandlung des operirten Thieres mit besonderer Eücksichtnahme auf den Theil, au welchem die Operation verrichtet wurde, so wie auch die im weiteren Verlaufe etwa zum Vorscheine kommenden Zufälle anzugeben.
Der allgemeine Theil der Operationslehre beschäftiget sich mit den Operationen überhaupt, ohne auf einen einzelnen oder einen besonderen Theil des Körpers, an welchen sie ausgeführt werden, Bücksicht zu nehmen, während der besondere Theil die einzelnen Operationen berücksichtiget.
Vorkenntnisse und Eigenschaften eines Operateurs.
Die Ausführung von Operationen setzt von Seite des Thierarztes ausser den nöthigen theoretischen und praktischen Kenntnissen gewisse körperliche und geistige Eigenschaften voraus. Die no thwendigen Hilfe­leistungen erfordern mitunter physische Kraft und körperliche Geschick­lichkeit und können mit möglichster Vollkommenheit nur von Jenem ausgeführt werden, der einen kräftigen, gewandten und in mechani­schen Verrichtungen geübten Körper mit scharfen Sinnen, namentlich mit gutem Gesichte und feinem Tastgefühle besitzt; die Vornahme vieler Operationen, für welche nur allgemeine, bei dem speciellen Falle nach Erforderniss erst zu modificirende Hegeln gelten, die sieh mit­unter einstellenden unerwarteten Ereignisse setzen Muth und Ent­schlossenheit, Erfindungsgabe, Geistesgegenwart, Euhe und schnellen TJeberblick voraus.
Von den einzelnen Fächern der Thierheilkunde sind es ausser der Chirurgie und der Operationslehre selbst besonders die chirur­gische und pathologische Anatomie, die Physiologie und Pathologie nebst der Therapie, deren genaue Kenntniss einem wissenschaftlich
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gebildeten Operateur nie fehlen darf. Dass die nöthige Fertigkeit im Operiren bloss durch häufige Uebung an todten und lebenden Thieren erlangt werden könne, ist wohl leicht ersichtlich.
Eintheilung der Operationen.
Sämmtliche Operationen hat man mit Eücksichtnahme auf Aus­führung, Zeit der Vornahme, Zweck u. s. w. mannigfach, jedoch ohne besonderen Nutzen für die Praxis, abgetheilt. Man unterscheidet in dieser Beziehung:
1.nbsp; nbsp;Einfache und zusammengesetzte Operationen; erstere z. B. das Impfen bestehen in einfachen, leicht und schnell ausführ­baren Verrichtungen und werden meistens mit einem einzigen Instru­mente vorgenommen, während bei letzteren wie z. B. bei der Trepa­nation das Gegentheil der Fall ist.
2.nbsp; nbsp; Blutige und unblutige Operationen; die blutigen Operationen, welche wieder, in allgemeine und besondere zer­fallen, je nachdem sie an verschiedenen oder nur an einzelnen Kör­perstellen verrichtet werden, bringen unmittelbar Veränderungen, die von Blutung begleitet sind, in der Form und in dem Zusammenhange der organischen Theile hervor, die unblutigen dagegen haben eine augenblickliche Trennung des organischen Zusammenhanges nicht zur Folge. Zu ersteren gehören z. B. alle Schnitt- und Stichoperationen, zu letzteren z. B. die Einrichtung von Knoehenbrüchen, das Zurück­bringen vorgelagerter Eingeweide, das Catheterisiren u. s. w.
3.nbsp; Manual- oder Hand-Operationen, Verband-Opera­tionen und Instrumental-Operationen. Jene zu Heilzwecken dienenden mechanischen Hilfeleistungen, welche nur mittelst der Hände ausgeführt werden, wie z. B. die Eeposition von Vorfällen, Brüchen, die Untersuchung kranker Theile durch das Gefühl u. dgl., werden Manual-Operationen genannt; bedient man sich dagegen dabei der chirurgischen Instrumente, wie diess z. B. bei der künstlichen Eröffnung der Luftröhre, des Schlundes, des Luftsackes u. s. w. der Fall ist, so sind dieses Instrumental-Operationen. Die kunst-gemässe Anlegung eines Verbandgeräthes heisst eine Verband-Opera­tion z. B. die Vereinigung einer Wunde durch Binden u. s. w.
4.nbsp; Nothwendige, nützliche oder Heil-Operationen, Mode- oder Luxus-Operationen. Nothwendige Operationen werden vorgenommen, um ein Leiden zu beseitigen, welches mit dem Leben unverträglich ist, z, B. die Stillung bedeutender Blutungen, der Luftröhrenstich bei Erstickungsgefahr, die Entfernung fremder, im
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Schlünde steckengebliebener Körper u. s. f. Nützliche Operationen sind jene, durch welche Krankheiten beseitiget werden sollen, die den Gebrauch oder die Thätigkeit gewisser Theile, jedoch in einer, das Leben nicht gefährdenden quot;Weise hindern z. B. der Sehnen- und Ner-venschnitt, oder welche, auch unter dem Namen Gebrauchs-Opera­tion an bekannt, ausgeführt werden, um die Thiere zu gewissen Dienstleistimgen geeigneter zu machen, z. B. die Castration. M o d e-oder Luxus-, auch formverbessernde Operationen, zu denen z. B. das Verkürzen der Ohren und des Schweifes, die operative Be­seitigung von Abzeichen, der Schweiftnuskelschnitt u. a. gerechnet werden, sollen den Thieren ein schöneres Aussehen, verleihen. Eine Eintheilung sämmtlicher Operationen in der ebengenannten quot;Weise er­scheint jedoch aus dem Grunde nicht zulässig, da manche der, zu den Gebrauchs- oder Luxusoperationen gezählten operativen Eingriffe mit­unter vorgenommen werden, um Krankheiten zu beseitigen; so wird z. B. die Castration nicht selten durch Entartungen des Hodens, durch Hemien, das Schweifstutzen durch Brüche der Schweifwirhel, Fistel-geschwüre u. dgl. geboten.
8. Radikal- und Palliativ-Operationen. Radikal-Operationen nennt man diejenigen, durch welche die Ursachen der vorhandenen Anomalie, wie es bei rein örtlichen Leiden der Fall ist, mit dem Leiden selbst beseitiget werden, Palliativ-Operationen dagegen solche, durch welche nur ein Symptom der Anomalie ent­fernt wird. So kann man z. B. die Operation der Nabel-, Bauch- und Flankenbrüche entweder in der quot;Weise vornehmen, dass man den äus-seren Bruchsack abbindet, abnäht oder abklemmt, um eine Verwach­sung der Haut mit den unterliegenden Gebilden zu vermitteln und so ein neuerliches Austreten der Eingeweide aus ihrer Höhle zu ver­hüten, was jedoch bei dem Bestehen der Bruchöffnung nicht immer gelingt, (Palliativ-Operation) oder man heftet den Bruchring und behebt durch die eintretende Verwachsung der Ränder desselben die Möglichkeit eine Recidive (Eadikal- Operation). Eben so ge­hören z. B. die Function der Gallen, jene des Hodensackes bei serö­sen Ergüssen in die Scheidenhaut, der Nervenschnitt u. a. m. zu den Palliativ-Operationen, da durch sie nicht das Leiden selbst, sondern nur ein, die Verrichtung der Theile hemmendes Symptom beseitiget wird.
6. Regelmässige und unregelmässige Operationen. Er-stere, wie z. B. der Aderlass, der Luftröhrenschnitt, der Pansenstich u. dgl. werden meist in gesunden Theilen, nach bestimmten Regeln ausgeführt und es ereignen sich dabei selten unvorhergesehene Zu-
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fälle, während bei letzteren, welche häufig in mehr weniger veränder­ten Gebilden vorgenommen werden müssen, mannigfaltige Schwierig­keiten eintreten können, die eine Modification des ursprünglich ent­worfenen Operationsplanes erheischen, wie diess z. B. bei der Ent­fernung von Neubildungen nicht selten der Fall ist.
7.nbsp; Dringende oder unaufschiebbar e und aufschiebbare Operationen. Mit dem ersteren Namen werden solche Operationen be­zeichnet, welche unverweilt ausgeführt werden müssen, wenn sie von dem gewünschten Erfolge begleitet sein sollen, z. B. die Unterbindung verletzter grösserer Arterien, der Bruchschnitt bei eingeklemmten Brüchen, der Luftröhrenstich bei heftigen Athmungsbeschwerden; bei anderen Operationen steht es dem Thierarzte frei, die Zeit zur Aus­führung derselben nach seinem Gutdünken zu wählen z. B. bei der Castration.
8.nbsp; nbsp;Einen anderen Eintheilungsgrund gibt endlich die anatomische Beschaffenheit der bei der Operation betheiligten Gebilde ab und man unterscheidet in dieser Beziehung O p e r a t i o n e n an denKnochen, Muskeln, Nerven, Gefassen u. s. w.
9.nbsp; nbsp;Mit Rücksichtnahme auf die Körpergegenden hat man Opera­tionen am Kopfe, Halse, Bauche u. s. f., endlich
10.nbsp; nbsp;theilt man die Operationen nach dem Zwecke ein u. z. in Operationen, durch welche
a)nbsp; nbsp;normwidrig getrennte Theile wiedervereiniget,
b)nbsp; normwidrig verwachsene Theile getrennt,
c)nbsp; nbsp;dem Thierorganismus schädliche Verbindungen und Berührun­gen aufgehoben;
d)nbsp; nbsp;aus ihrer normalen Angrenzimg gewichene Körpertheile in ihre vorige Lage zurückgebracht;
e)nbsp; fremde Stoffe dem Thierorganismus angeeignet,
f)nbsp; nbsp;die physiologischen Verrichtungen der Geschlechtsorgane ver­nichtet, und
g)nbsp; nbsp;die gesunde oder abnorme Gestalt, Richtung und Bewegung der Theile verändert werden.
Operations-Akte.
Fast sämmtliche Operationen bestehen aus einer Reihe einzelner, auf einander folgender Hand Wirkungen, welche in kleineren Gruppen zusammengestellt, die Operations-Akte oder Momente darsteilen; die einzelnen Handwirkungen, aus welchen alle Operationen zusam­mengesetzt sind, heissen Elementarverfahren.
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Operations-Methoden und Operations-We is en.
Ein und derselbe Zweck lässt sieh bei vielen Operationen auf mehrfache Weise erreichen und diese verschiedenen Arten der Durch­führung einer Operation werden als Operations-Methoden be­zeichnet , indess muss diese Aenderung einen wesentlichen Theil der Operation betreffen, um den Namen einer Methode zu verdienen; un­wesentliche Abänderungen, die sich z. B. bloss auf die anzuwendenden Instrumente oder auf einzelne Handgriffe beschränken, führen den Namen Operations-Weisen oder Varianten.
Wirkungen der Operationen.
Jede grössere Operation bedingt, obschon sie ihrem Wesen nach ein Heilmittel ist, gleichzeitig eine Verletzung des Körpers und übt somit nothwendig nachtheilige Wirkungen auf den Gesammtorganismus aus, welche sowohl primär als sekundär, mechanisch und dynamisch sind. Die primären Wirkungen sind fast rein mechanisch und bestehen, je nach den verschiedenen näheren Zwecken der Operationen, in Abänderung der Form, der Masse oder der Lage der Organe; die se­kundären dagegen, welche theils während, theils erst nach dem opera­tiven Eingriffe auftreten, sind in der Eeaction des Organismus gegen diese Eingriffe begründet und äussern sicli ursprünglich durch Schmerz, Blutung, Contraction der getrennten organischen Faser, später durch erhöhte oder verminderte Lebensthätigkeit, wie z. B. durch Entzün­dung, Eieber, durch Lähmung, Brand, Schwund; selbst Veränderungen in der Körperform, wie in dem Charakter der Thiere können als Eolgen von Operationen beobachtet werden.
Zweck der Operationen. Durch einen jeden operativen Eingriff sucht man sowohl einen allgemeinen, als auch einen besonderen Zweck zu erreichen. Ersterer, welcher eine Operation überhaupt erheischt, kann, wie oben bereits angegeben wurde, sich theils auf Erhaltung des Lebens, auf Beseitigung von Krankheiten oder auf Erreichung gewisser ökonomi­scher Vortheile beziehen, während der letztere, der mit Ausnahme jener Eälle, in denen gesunde Thiere Operationen unterzogen werden, sich nach der vorhandenen Krankheit richtet und die Art der Opera­tion bestimmt, das Zustandekommen gewisser Veränderungen auf mechanischem Wege anstrebt; bald sollen z. B. Theile getrennt oder vereiniget, bald fremde Körper entfernt oder verlorengegangene Ge­bilde ersetzt, bald die Form und Lage eines Theiles abgeändert, bald
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ein pathologischer Zustand hervorgerufen oder eine Untersuchung er­krankter Partien vorgenommen werden tu s. w.
Anzeigen und Gegenanzeigen.
Die Anzeige oder Indication ist die Bestimmung, dass eine Operation in einem gegebenen Falle gemacht werden solle ; sie ist das Resultat einer genauen Erwägung aller Umstände und begreift somit bereits alle Momente in sich, welche die Operation ausschliessen könnten; in den Werken über Operationslehre jedoch sind die Indica-tionen gewöhnlich Aufzählungen von Krankheiten, bei denen eine be­stimmte Operation ausführbar ist, wodurch auch gleichzeitig eine An­gabe jener Momente nothwendig wird, welche bei Vorhandensein der ge­nannten Krankheiten die Vornahme derOperation verbieten. (Gegen­anzeigen oder Contraindicationen).
Ein operatives Verfahren wird im Allgemeinen dort angezeigt sein, wo abnorme Prozesse, welche das Leben gefährden oder die Brauchbarkeit oder Schönheit des Thieres beeinträchtigen, durch dasselbe entweder nur einzig und allein odor doch sicherer, schneller und mit weniger Kosten, als durch andere Mittel, behoben werden können, wobei jedoch wohl zu berücksichtigen ist, dass der mit der Operation nothwendiger Weise verbundene, verletzende Eingriff nicht nachthei­liger wirke, als die vorhandene Krankheit.
Während man durch die Operation meistens eine vollständige Beseitigung der vorhandenen krankhaften Zustände zu erreichen sucht, führt man mitunter Operationen bloss als Palliativmittel aus u. z. geschieht dieses dort, wo durch dieselben _ ein Symptom einer Krankheit beseitiget werden kann, welches augenblickliche Lebensge­fahr bedingt, wo eine erfolgreiche Behandlung des kranken Thieres ohne operativen Vorakt nicht eingeleitet werden kann, oder wo end­lich die eigentlich angezeigte Eadikal-Operation gar nicht oder nur mit grosser Gefahr für das Thicr ausführbar ist.
Der Erfolg einer Operation hängt von mannigfachen, theils im Thiere selbst, theils in Aussenverhältnissen begründeten Umständen ab, zu denen z.B. zu hohes oder zu jugendliches Alter, vorhandene Krank-heitsanlagcn, zu bedeutende Entwickelung des Uebels, Mangel an Pflege u. s. w. zu zählen sind, deren einzelne als Gegenanzeigen be­trachtet werden müssen.
Vorbereitu ngen. Jede Operation erheischt) damit sie möglichst kunstgemäss aus­geführt werde und dem Zwecke entspreche, gewisse Vorbereitungen
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die sich theils auf den Operateur, theils auf das kranke Thier bezie­hen. Zu diesen gehören:
a)nbsp; nbsp;die Bestimmung der Operationsmethode,
b)nbsp; die Wahl der Zeit zur Operation,
c)nbsp; nbsp;die Vorbereitung des kranken Thieres,
d)nbsp; nbsp;die quot;Wahl des Operationslokales,
e)nbsp; nbsp;die Herrichtung des erforderlichen Instrumenten- und Ver­bandapparates, so wie der etwa nöthigen Zwangsmittel,
f)nbsp; die Lagerung des zu operirenden Thieres und
g)nbsp; nbsp;die Anstellung der Gehilfen.
quot;Wahl der Methode.
a)nbsp; nbsp;Gibt es mehrere Methoden , eine Operation auszuführen, so ist diejenige als die zweckmässigste anzusehen, durch welche in der kürzesten Zeit, mit der geringsten Verwundung , mit dem geringsten Schmerze und mit den einfachsten Instrumenten der Zweck der Opera­tion sicher erreicht werden kann, und diese wird somit, wenn sie in einem gegebenen Falle anwendbar ist, den übrigen Methoden vorzuziehen sein. Da jedoch ein und dieselbe Methode eines speciellen operativen Eingriffes nicht für alle Fälle passt, muss der Operateur eine genaue Kenntniss aller oder wenigstens der wichtigeren Methoden der auszu­führenden Operation besitzen, um nöthigenfalls bei dem Eintritte un­vorhergesehener Zufälle den ursprünglichen Operationsplan dem indi­viduellen Falle entsprechend abändern zu können.
Wahl der Zeit.
b)nbsp; Die Wahl der Zeit steht dort, wo das Uebel mit jedem Momente längeren Bestehens grössere Gefahr droht, dem Operateur nicht frei und es kann und muss in solchen dringenden, einen Aufschub nicht gestattenden Fällen eine Operation freilich zu jeder Zeit vorgenommen werden, wie z. B. die Unterbindung grosser blu­tender Gefässe, der Luftröhrenstich , der Schlundschnitt, der Pansen­stich u. a. m. während es in anderen Fällen u. z. vorzugsweise bei Gebrauchs- und Luxusoperationen dem Thierarzte freigestellt bleibt, eine günstige Zeit zur Ausführung der Operation zu wählen und hiebei auf das Alter und das Allgemeinbefinden des Thieres, auf etwa herrschende Krankheiten, auf die Jahres- und Tageszeit, auf die Witterung Rücksicht zu nehmen.
In Betreff des Alters ist zu bemerken, dass die Ausführung mancher Operationen vor, anderer dagegen erst nach Erreichung des vollendeten Wachsthumes günstigere Resultate verspricht; Thiere, die
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in einem Bchlechten, herabgekommenen Nährzustande sich befinden, besitzen weniger Ertragsfähigkeit und werden somit bedeutendere operative Eingriffe meist schwieriger überstehen, als gutgenährte, kräftige Individuen. Erkrankungen des Thieres, welche mit jenem Leiden, dessentwegen ein operatives Verfahren eingeleitet werden soll, in einem Wechselverhältnisse nicht stehen, sollen, wo möglich, früher behoben werden und rechtfertigen somit einen Aufschub der Operation, welcher mitunter durch etwa herrschende Krankheiten gleichfalls noth-wendig werden kann.
Zu grosse Hitze oder Kälte, schnell wechselnde WitterungsVer­hältnisse äussern auf operirte Thiere nicht selten einen ungünstigen Einfluss und es wird das Frühjahr, oder überhaupt die Zeit, in welcher man die beständigste, warjne, jedoch nicht allzuheisse Witte­rung erwarten kann , immer am zweckmässigsten gewählt; da indess häufig auch bei ungünstiger Witterung grössere Operationen vorzuneh­men sind, so suche man die möglich werdenden nachtheiligen Ein­wirkungen zu verhüten und das operirte Thier in thunlichst günstige Verhältnisse zu versetzen.
Eücksichtlich der Tageszeit sind die Morgenstunden vorzuziehen; wählt man spätere Nachmittagsstunden, so kann die Operation sich durch zufällige Umstände bis zum Dunkelwerden verzögern, und etwa eintretende ungünstige Ereignisse, vorzugsweise Blutungen können während der Nacht leicht übersehen werden.
Vorbereitung des Thieres.
c)nbsp; Eine Vorbereitung des Thieres, welche bei kleineren Opera­tionen entbehrlich, in dringenden Fällen jedoch unzulässig ist, ist besonders bei derartigen operativen Eingriffen angezeigt, bei deren Ausführung die Thiere niedergelegt werden müssen; sie besteht in der Entziehung des Futters und des Getränkes, um Ueberfüllungen der Gedärme und der Harnblase mit ihren Folgen zu vermeiden. Ausserdem sind in speciellen Fällen besondere Vorbereitungen an den Parthien des Körpers, an denen operirt werden soll, nothwendig, die am betreffenden Orte näher erörtert werden. Aderlässe, .Purgir-mittel u. dgl. voranzuschicken, wird wohl nur äusserst selten wirklich am Platze sein; nicht selten ist ein derartiges vorbereitendes Verfah­ren insofeme schädlich gt; als es die Thiere schwächt und sie dem opera­tiven Eingriff gegenüber minder ertragsfähig macht.
Operationslokale.
d)nbsp; Das Lokale, in welchem die Operation ausgeführt wird, soll möglichst hell und geräumig sein. Im Stalle selbst, wo der Eaum
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immer mehr weniger bfeengt ist, #9632;wird man daher entweder bloss kleinere Operationen oder grössere nur dann, wenn das Thier nicht transportabel ist, vornehmen; ein grösseres Locale, z. B. eine Reit­schule oder ein freier Platz gestattet eine freie Bewegung des Opera­teurs und seiner Gehilfen und wird sich daher für grössere Thiere am besten eignen. Eine gehörige Beleuchtung ist von grosser Bedeu­tung ; am günstigsten ist gut auffallendes Tageslicht, in dessen Ermangelung Wachsstöcke, mittelst welcher die Punkte, an denen der Operateur gerade arbeitet, entsprechend beleuchtet werden, einem anderen Beleuchtungsmateriale vorzuziehen sind. Oper ationsapparat.
e)nbsp; Alle zur Operation nöthigen und durch dieselbe geforderten Instrumente müssen vorher besorgt ..und geordnet werden, und selbst diejenigen bei der Hand sein, welche im Falle der möglichen Abän­derung des ursprünglichen Operationsplanes nothwendig sind, indess soll der ganze Instrumentenapparat so einfach als möglich sein. Zu­sammengesetzte Instrumente, welche sehr leicht unbrauchbar werden und, da sie in der Regel nur für ganz specielle Zwecke bestimmt sind, bei unvorhergesehenen Complicationen im Stiche lassen, bediene sich der Operateur nur dort, wo sie von besonderem Vortheile sind. Ebenso müssen diejenigen Geräthschaften, welche zur Bekäm­pfung der möglicherweise auftretenden ungünstigen Ereignisse erfor­derlich werden können, in Bereitschaft gesetzt sein. Auch der Ver­band muss möglichst einfach und dem Zwecke entsprechend sein. Da es ausserdem bei der Ausübung der meisten; Operationen an Haus-thieren Haupterforderniss ist, dieselben zu einem ruhigen Verhalten zu zwingen, so werden auch die für den speciellen Fall anzuwenden­den Zwangsgeräthschaften vorgerichtet werden müssen. Selbstverständ­lich muss der ganze Operationsapparat in vollkommen brauchbarem Zustande sich befinden, da z. B. schlechte Instrumente die Operation verzögern und erschweren, ja selbst den Erfolg derselben zweifelhaft machen, mangelhafte Zwangsgeräthschaften nicht die hinreichende Sicherheit gewähren u. s. w.
Lagerung des Thieres.
f)nbsp; Die Lagerung des Thieres muss dem Zwecke der Operation, der Bequemlichkeit des Operateurs und seiner Gehilfen angemessen und der zu operirende Theil, so viel als möglich, von allen Seiten leicht zugänglich sein.
Im Allgemeinen werden bloss oberfläehliclie, leichter ausführ­bare Operationen im Stehen des Thieres vorgenommen; zu schwierigeren
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längere Zeit in Anspruch nehmenden oder leicht bewegliche, sehr em­pfindliche Theile betreffenden Operationen dagegen werden dieThiere, um einestheils eine schnelle und gelungene Ausführung der Operation selbst zu ermöglichen, anderstheils aber den Operateur und die Gehilfen vor Beschädigungen sicher zu stellen, meistens niedergelegt und eine Ausnahme von dieser Eegel tritt nur dann ein, wenn mit Eücksicht-nahme auf den vorhandenen Krankheitsprozess das Niederlegen unzu­lässig ist. Die Befestigung des Thieres findet mit Bezug auf die Thier-gattung, auf die Operationsstelle u. s. w. in verschiedener quot;Weise statt.
Gehilfen.
g) Fast bei den meisten Operationen sind Gehilfen unentbehrlich, welche thcils das Niederlegen und Festhalten der Thiere zu besorgen haben, theils den Operateur bei der Operation selbst unterstützen. Da das Gelingen einer Operation nicht selten eben so sehr von den Gehilfen, als von dem Operateur abhängt, so werden diese, deren ^ahl je nach der Art des operativen Verfahrens eine verschieden grosse ist, früher über ihr Verhalten unterrichtet und namentlich mit den Handgriffen, welche sie auszuüben haben, genau bekannt gemacht werden müssen. Bei besonders wichtigen Operationen wird die Hilfe eines Kunstgenossen dem Gelingen sehr förderlich sein. Verhalten während der Operation.
Ueber das Verhalten des Operateurs während der Operation selbst lässt sich nur wenig allgemein Giltiges anführen. Bei Opera­tionen an gesunden Theilen kann der Operateur, der mit der topo­graphischen Anatomie vollkommen vertraut sein muss, rasch und schnell handeln; dort jedoch, wo durch vorhergegangene Krankheits-processe die Gebilde mannigfache Veränderungen, welche selbst eine Modificirung des ursprünglichen Operationsplanes erheischen können, erlitten haben, wird ein langsames und bedächtiges Vorgehen von Seite des Operateurs weit geeigneter sein, um dem Auftreten unvor­hergesehener Zufälle vorzubeugen. .
Ungünstige Ereignisse.
Die wichtigsten üblen Ereignisse während einer Operation sind:
a) Heftige Blutungen, welche mitunter durch fleissiges Beinhalten des Operationsfeldes von ergossenem Blute, durch vorsich­tiges Aufsuchen von Pulsation in der Schnittlinie u. dgl. verhütet, durch die Unterbindung, durch das Glüheisen u. s. w. gestillt werden können. Derartige Blutungen können, ganz abgesehen von dem Blut­verluste, durch die Lokalität eine ausnahmsweise Wichtigkeit erlangen, z. B. durch Eindringen des Blutes in die Luftröhre u. dgl.
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b)nbsp; Krämpfe oder Bewusstlosigkeit, Erscheinungen, die bei kleinen Thieren hie und da auftreten und eine Unterbrechung der Operation nothwendig machen.
c)nbsp; Zufällige Nebenverletzungen anderer wichtiger Organe, Vorfälle u. dgl., welche nach den Regeln der Chirurgie behandelt werden müssen. Diese lassen sich nicht selten dadurch ver­meiden, dass die, das Instrument führende Hand, wo es thunlich, an einem Theile des kranken Thieres fixirt und derart bei unvennuthe-ten Bewegungen gesichert wird.
d)nbsp; Eintritt vonLuft in dieVenen, welcher bei grösseren Thieren besondere Nachtheile nicht erzeugt, bei kleineren Thieren je­doch Lebensgefahr bedingt.
Besorgung des Verbandes. Die Anlegung des Verbandes ist als eine Fortsetzung der Opera­tion zu betrachten; der Zweck desselben ist entweder bloss Schutz der Wunde oder Erzielung der Heilung durch eine andauernde me­chanische Einwirkung. In welcher Weise der Verband im Allgemeinen angelegt werden müsse, um dem Zwecke zu entsprechen, ist Gegenstand der Bandagenlehre.
11nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Nachbehandlung.
Ist überhaupt eine Nachbehandlung nothwendig, so hat dieselbe dem Zwecke und den Folgen der Operation zu entsprechen und wird nach den in der Chirurgie gegebenen Regeln eingeleitet. Ein beson­deres Augenmerk ist auf die, nach der Operation nicht selten ein­tretenden ungünstigen Ereignisse zu richten, da diese mitunter den günstigen Erfolg der Operation zu verzögern oder selbst vollständig zu vereiteln, wie diess z. B. von dem Eintritte von Nachblutungen, zu heftiger Entzündung, von Brand u. s. w. gilt.
Zwangsmittel.
TJm eine Operation oder eine quot;Untersuchung an Thieren schnell, sicher und gefahrlos ausführen zu können, muss der Thierarzt nicht selten zu gewissen Hilfsmitteln seine Zuflucht nehmen, mittelst derer er die Thiere zu bewältigen im Stande ist. Diese Mittel, unter dem tarnen der Zwangsmittel gekannt, sind mannigfach und müssen der Thiergattung, dem Individuum, der Operation und den äusseren Verhältnissen entsprechend gewählt werden.
Obschon es in manchen Fällen gelingt, die Thiere durch Güte, durch Bedecken-der Augen, durch Führen im Kreise, durch Einbringen
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eines schweren Körpers z. B. einer an einem Faden befestigten Blei­kugel in das Ohr, oder einer unangenehm schmeckenden Substanz in das Maul, durch Vorhalten eines, mit Petersilienöl befeuchteten Tuches vor die Nase, durch Beklopfen der Zähne mit einem Schlüssel u. dgl. zu einem ruhigen Verhalten zu bewegen, so wird man doch dort, wo die Operation oder die Untersuchung längere Zeit in Anspruch nimmt oder einen lebhafteren Schmerz hervorruft, wirksamere Mittel ge-. brauchen müssen, zu welchen die Erregung eines starken Schmerzes an einem von der Operationsstelle mehr weniger entfernten Körper-theile, die Anwendung mechanischer Gewalt und endlich jene betäu­bend wirkender, die Empfindlichkeit vorübergehend aufhebender Sub­stanzen gehören.
Bremsen.
In die Kathegorie der Zwangsmittel, mittelst welcher bei Thieren ein stärkerer Schmerz, als der durch die Operation bedingte hervor­gerufen wird, um die Aufmerksamkeit der Thiere einigermassen ab­zulenken, sind die Bremsen, deren man mehrere Formen unter­scheidet, einzureihen.
Die hierorts ausschliesslich benützte Strick- oder Stock­bremse, bei deren Anwendung wir nie irgend welchen Fachtheil auftreten zu sehen Gelegenheit hatten, besteht, wie bekannt, aus einem etwa neun Zoll langen, spatelfdrmigen Holze, dessen breiterer Theil behufs des Durchziehens einer starken, zweifachen Eebschnur doppelt durchbohrt ist. Um ein Pferd an der Vorderlippe zu bremsen, streift man die durch das Zusammenknüpfen der Schnur gebildete Schleife auf die aneinandergelegten Finger einer Hand, fasst mit derselben die Lippe, zieht sie etwas vor, lässt die Schleife auf den erfassten Theil der Lippe gleiten, wobei man mit der freien Hand nachhilft, und dreht nun den Stiel der Bremse um die Achse der Schleife so länge herum, bis der erforderliche Grad der Zusammenschnürung er­reicht ist. Soll ein gebremstes Pferd niedergelegt werden, so muss der Bremsenstiel immer an der nach oben zu liegen kommenden Seite der Backe sein, und wird daselbst mittelst der, an dem hinteren Theile der Bremse angebrachten Bändchen an das Backenstück der Trense oder der Halfter festgebunden. Andere Thierärzte halten es für zweck-mässiger, die Bremse einem Gehilfen zu übergeben damit dieser durch Vorwärts- oder Zurückdrehen einen verschiedenen Grad der Zusam­menschnürung, je nachdem es die einzelnen Operationsmomente er­heischen, hervorzubringen im Stande sei, durch welches Verfahren
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zwar die Zahl der erforderlichen Gehilfen um einen vermehrt, dagegen die Abstumpfung des gebremsten Theiles in Folge des andauernd gleichen Druckes vermieden wird. In Ermangelung einer Stockbremse wird eine Band- oder Strickschleife um die Vorderlippe gelegt und mittelst eines durchgesteckten Holzes zusammengedreht. Selbstverständ­lich darf die Bremse nicht früher angelegt werden, bis sämmtliche Vorbereitungen zur Operation getroffen sind, damit der gefasste Theil nicht zu lange gequetscht werde, weil durch Ausserachtlassung dieser Massregel einestheils der eigentliche Zweck des Bremsens vereitelt, anderstheils zur Entstehung von Lähmung, Brand u. dgl. Veranlassung gegeben wird. Nach Abnahme der Bremse ist die gequetschte Parthie sanft zu reiben.
Andere Arten der Bremsen, welche jedoch zu den, wenigstens
hierorts' vollkommen entbehrlichen Zwangsgeräthschaften gerechnet
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werden müssen, sind: die polnische Bremse, d. i. ein hinreichend langer Strick, welcher durch das Maul über das Genick gelegt, an den Enden zusammengeknüpft, und an der Backe mittelst eines durch­gesteckten Stockes zusammengedreht wird, wodurch die Maulwinkel stark nach oben gezogen werden, was man auch in einer anderen Weise derart erreicht, dass man ein Ende des Strickes durch die, am anderen Ende angebrachte Schleife hindurchfiihrt und die Theile nun zusammenschnürt; die eiserne Bremse, welche einem Zirkel glei­chend aus zwei, an einem Ende durch ein Cbamier mit einander ver­bundenen, an dem anderen Ende freien Stäben besteht, die mittelst eines Riemens oder eines Ringes einander genähert, die zwischen ihnen liegenden Theile z. B. die Lippe, das Ohr zusammendrücken.
Obschon die polnische Bremse, da sie einen starken Druck auf die Maulwinkel, die Backen und das Genick ausübt, sehr kräftig wirkt und aus diesem Grunde bei sehr bösen Pferden besonders anempfoh­len wird, so ist doch der Gebrauch derselben, indem sie bei unvor­sichtiger Anwendung leicht Zerreissungen des Maulwinkels oder bran­diges Absterben der zu heftig gedrückten Hautstellen veranlasst, nur in dem äussersten Nothfalle zu benützen.
Auch bei dem Rinde wird mitunter Schmerz durch Druck an der Nasenscheidewand mittelst der blossen Einger oder mittelst einer eisernen Bremse erzeugt, welche die Gestalt eines grossen Tasterzir­kels mit abgerundeten Enden hat, dessen Schenkel durch eine, zwischen den geraden Theilen derselben angebrachte Eeder geöffnet und durch eine Schraube, die vor der beginnenden Schweifung quer durch beide Schenkel geht, geschlossen werden können.
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Um bei Geburten, bei Vorfällen des Tragsackes u. dgl. das Drän­gen soviel als möglich zu verhindern, legt man dem Rinde mitunter einen starken Strick um den Leib und dreht denselben mittelst eines durchgesteckten Stockes wie bei der polnischen Bremse zusammen.
Auch an den Hintergliedmassen des Rindes, seltener des Pferdes, #9632;wird hie und da eine Art polnischer Bremse, die sogenannte Schen­kelbremse, ohne irgend welohe üblen Folgen hervorzurufen, ange­wendet, um eine Untersuchung oder eine Operation an den Endthei-len der Gliedmasse leichter ausführen zu können. Zu diesem Behufe wird ein mittelstarker, ungefähr S—6' langer, zusammengeknüpfter Strang doppelt um den Unterschenkel, etwa 3—4quot; über der Ferse angelegt, und mittelst eines, durch beide Strickenden durchgesteckten Stockes so lange zusammengedreht, bis er einen hinreichend starken Druck auf die Achillessehne ausübt, worauf die Thiere sich den Fuss
gutwillig herausheben lassen sollen.
Z ä u m u n g.
In Betreff der Z ä u m u n g der zu operirenden Pferde genüge es zu erwähnen, dass man hiezu eine starke, feste, einfache Trense, seltener einen Kappzaum wählt; bei Operationen im Maule ist eine Halfter der Trense, deren Mundstück hindernd im Wege steht, vor­zuziehen.
Maulgitter. — Halskranz.
Um die Maulhöhle der grösseren Hausthiere ungefährdet unter­suchen oder in dieser Operationen vornehmen zu können, hält man die Kiefer durch das Maulgitter, von welchem verschiedene Formen existiren, oder durch die Maulschraube von einander entfernt, während man bei kleineren Thieren z. B. bei Hunden beide Kinnbacken von einem Gehilfen mittelst eingelegter Bandschleifen auseinander ziehen lässt. Um Seitwärtsbewegungen des Kopfes und Halses zu verhindern, legt man den grösseren Hausthieren einen Halskranz auf, oder wen­det den Richtspam an u. dgl.
Niederbinden des Kopfes. Je nachdem ein Thier im Stehen operirt oder hiezu nieder­gelegt werden soll, werden verschiedene Zwangsgeräthschaften Ver­wendung finden müssen. Bei geringfügigen Operationen oder bei Un­tersuchungen am Vordertheile genügt es mitunter, den Kopf des ste­henden, etwa früher gebremsten Pferdes möglichst herunterzuziehen und ihn in dieser Stellung, wTenn die Art des operativen Eingriffes
Foratep. Operalionslehre für Thierarzle.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2
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es zulässt, bis zur Beendigung desselben zu erhalten, #9632;währenddem bei Manipulationen am Hintertheile der Kopf möglichst gehoben wer­den muss; gleichzeitig kann auch Kopf und Hals des Thieres etwas nach jener Seite, an welcher der Operateur steht, gezogen und dadurch die Gefahr, geschlagen zu werden, gleichfalls gemindert werden.
Vor dem Aufsteigen des Pferdes und vor dem Hauen mit den Vorderfüssen kann man sich auch durch das Niederbinden des Kopfes einigermassen sichern, wobei die, von der Halfter ausgehen­den Stricke, durch welche der Kopf des Pferdes gesenkt erhalten wird, entweder an Hingen, die an der Wand oder laquo;an der Krippe in gleicher , Höhe mit der Brust des Thieres angebracht sind, angebunden oder durch diese bloss durchgezogen und von Gehilfen festgehalten werden; in einer anderen Weise kann dieses Niederbinden ausgeführt werden, indem man einen, von dem Kinnriemen der Halfter ausgehenden, etwa zehn Fuss langen Strick längs des vorderen Bandes des Halses zwischen den Torderfiissen hindurch zum Bauchgurte führt, denselbeu zwischen diesem und dem Leibe durchsteckt, über die Aussenseite des Gurtes von rück- nach vorwärts umschlägt, in der früheren Richtung zum . Hinge der Halfter zurück- und durch denselben hindurchführt und den, durch einen allmäligen, jedoch kräftigen Zug an dem Strickende so weit, dass das Maul der Brust möglichst genähert ist, herabgezogenen Kopf des Thieres durch Knüpfen einer Schleife an der Halfter in der gegebenen Stellung erhält.
Beim Binde ist die Befestigung des Kopfes von besonderem Be­lange, um sich vor Stössen mit den Hörnern zu sichern. Man bindet zu diesem Zwecke den Kopf des Thieres an eine Wand oder an einen Baum oder überhaupt an einen feststehenden Körper, um welchen man die an den Hörnern befestigten Stricke schlingt, ihre Enden knüpft, und mittelst eines Knebels zusammendreht, doch muss auch hier zwischen den Kopf und den harten Gegenstand ein weicherer Körper z. B. ein gedrehter Strohwisch o. dgl. gebracht werden, um Beschädigungen an der Stime zu verhüten.
Kniefessel. In anderen Fällen lässt man einen Vorder- oder einen Hinter-fuss in der bei dem Hufbeschlage üblichen Weise durch einen ver­lässlichen Gehilfen aufheben und festhalten und zwar meist, wenn die Operation es gestattet, an der Seite, an welcher operirt wird; ebenso kann man um Vorarm und Fessel des im Vorder knie so stark, dass die Ballen dem Ellbogen möglichst nahe stehen, gebeugten Fusses
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einen Eiemen oder einen starken Strick befestigen, der ein Nieder-steilen des betreffenden Fusses unausführbar macht, oder man schleift um den aufgehobenen Fessel einen dickeren Strick und übergibt das über den Widerrist des Pferdes geführte freie Ende desselben einem Gehilfen, welches Verfahren aus dem Grunde vorzuziehen ist, weil der Fuss im Falle der .Nbthwendigkeit sogleich losgelassen werden kann.
Eine nicht sehr empfehlenswerthe, aber trotzdem häufig genug geübte Methode, den Yorderfuss aufgehoben zu erhalten, besteht darin, dass ein zusammengeknüpfter Strick oder ein Strohseil auf den stark gebeugten Fuss angelegt und nun ein Holz vor dem Einge und hin­ter der Kniekehle durchgesteckt wird.
Um den vorwärts gezogenen Hinterlüss festzuhalten, bindet man den, an dem Fessel oder an dem Schienbeine angeschleiften Strick entweder an die seitlichen Einge einer ßauchgurte fest, oder man fuhrt das freie Ende desselben zwischen den Vorderfüssen durch über die entge­gengesetzte Schulterspitze nach dem Widerriste und lässt es an der, dem gefesselten Fusse entsprechenden Seite durch einen Gehilfen halten.
Um den Hinterfuss eines Eindes gehoben zu erhalten, stellt man das Thier nach Her twig's Angabe mit der, dem gesunden Hinter-fusse entsprechenden Seite gegen eine Wand, schiebt einen gegen 12—16 Fuss langen, 4—Squot; dicken, an der Oberiläche glatten Baum von vor- nach rückwärts oder auch in umgekehrter Eichtung zwischen den Hinterbeinen des Thieres so durch, dass derselbe schräg gegen den aufzuhebenden Fuss an die innere Fläche des Unterschenkels an­liegt und mit dem entgegengesetzten Ende die Erde berührt. Wird nun der Baum an dem höher gehaltenen Theilo gehoben und nach ausseu bewegt, so findet an dem Fusse eine gleiche Bewegung statt, und derselbe kann während der Operation leicht in der gegebenen Lage erhalten werden. Eben so lässt sich das Aufhalten des Fusses mittelst eines hinreichend langen Sackes bewerkstelligen, dessen Mitte an die hintere Seite des Schienbeines und um den Fessel des zu he­benden Fusses gelegt wird; die an der vorderen Seite der Gliedmasse gekreuzten Enden des Sackes werden über den Eücken des Thieres geführt und daselbst von zwei kräftigen Männern, die sich nöthigen-falls gegen die Hinterbacken des Eindes stemmen können, festgehalten.
Spannen der Hinterfüsse. Das bei Untersuchungen durch den Mastdarm oder durch die Scheide, oder bei Operationen am Hintertheile nicht selten nothwen-
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dig werdende Spannen der Hinterfüsse führt man in der Weise aus, dass man an jeden Hinterfuss einen Fesselriemen anschnallt, ein langes Seil zweimal durch die Ringe der Riemen durchsteckt und, nachdem man die freien Enden des Strickes zwischen den Vorderfüs-sen hindurch geführt hat, sie über dem Halse knüpft, oder man schleift an jeden einzelnen Hinterfuss ein Seil an, zieht die freien Enden der­selben zwischen den Vorderfüssen durch, führt jedes einzelne Seil sodann um den Vorarm seiner Seite, dicht unter dem Ellbogen, herum und vereiniget die Enden beider Seile, nachdem man früher das Pferd, um die Hinterfüsse mehr unter den Leib zu bekommen, etwas zurück­treten Hess, durch eine leicht aufriehbare Schleife. Eben so kann das Strickende an einem aufgelegten Kummet befestiget werden.
Bei dem Rinde kann man sich der Hinterfüsse auch in der Weise versichern, dass man um beide einen Strick schlingt und sie derart zusammenbindet, oder dass man zwei, mittelst eines ganz kurzen Seiles mit einander verbundene Pesselriemen anlegt und so das Schla­gen nach vorwärts unmöglich macht.
Befestigen des Thieres an einer Wand.
Mitunter werden die zu operirenden Thiere der Länge des Kör­pers nach an einer Wand befestiget, was bei Pferden seltener, bei Rindern dagegen häufiger geschieht. Zweckmässiger und sicherer bleibt es immer, Pferde, bei denen eine derartige Befestigungsweise dem Wesen der Operation zufolge nothwendig stattzufinden hätte, niederzulegen, da man hiebei Beschädigungen des Thieres, die bei dem Peststellen an eine Wand leicht verursacht werden können, vermeidet. Hat man eine sogenannte Operationswand, deren es mehrere Arten gibt, zur Verfügung, was jedoch höchstens an Thierarzneischu-len der Pali ist, so mag man sich derselben bedienen, obschon auch der Gebrauch einer solchen zeitraubender und für gewisse Zwecke weniger passend ist, als das Niederlegen des Pferdes.
Um ein Rind in der genannten Weise zu befestigen, stellt man dasselbe mit der, der Operationsstelle entgegengesetzten Seite des Kör­pers an eine Wand und hält es in dieser Stellung durch einen, an der freien Seite in der Höhe der Hälfte des Vorarmes und des Unter­schenkels angelegten glatten Baum oder ein in derselben Richtung gezogenes, an Ringen in der Wand angeknüpftes Seil fest.
Umständlicher ist das von Prinz vorgeschlagene Verfahren, bei welchem das Thier an vier Ringen, welche in eine Mauer eingelassen und derart vertheilt sind, dass ein Ring der Wurzel der Hörner, der
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zweite dem Buggelenke, der dritte dem Hinterknie und der vierte der Keule entspricht, befestiget wird. Nachdem der Kopf des Thieres mittelst eines kurzen, starken, um die Wurzel der Hörner geschlun­genen Strickes an dem ersten Einge festgebunden ist, wird ein, an dem zweiten Einge geknüpftes langes Seil quer über die Brust, über die äussere Seite und über die Hinterbacken zu dem dritten Einge geführt und dort entweder gebunden oder durch Gehilfen fest­gehalten, während ein von dem vierten Einge ausgehender und zwischen den Vorder- und Hinterbeinen durchlaufender Strick das Niederlegen des Thieres verhindern soll; um das Schlagen mit dem auswendigen Hinterfusse unmöglich zu machen, soll der Vorderfuss dieser Seite aufgehoben und an dem entsprechenden Home festgebunden werden,
Niederlegen des Thieres.
Das sicherste Mittel, um vor Beschädigungen geschützt zu sein und um Operationen, besonders wenn diese mit einem bedeutenderen Schmerze verbunden sind, einen grösseren Zeitaufwand in Anspruch nehmen oder an Körpertheilen, an denen gefährliche Nebenverletzun­gen zu befürchten sind, vorgenommen werden sollen, an den grösseren Hausthieren möglichst vollkommen ausführen zu können, bleibt das Niederlegen der Thiere, welches Verfahren, mit der erforder­lichen Vorsicht ausgeführt, wohl nur äusserst selten, wie diess die hierorts gemachten, langjährigen Erfahrungen beweisen, die später zu erwähnenden Nachtheile nach sich zieht.
Das Niederlegen kann in einer verschiedenen Weise voll­führt werden und es ist bei der Wahl der einen oder der anderen Methode auf die Individualität des Thieres, so wie auf einzelne Aus-senverhältnisse Eücksicht zu nehmen.
Was den Platz, auf welchem das Thier geworfen werden soll, betrifft, so eignet sich hiezu ein weicher, sandiger oder mit Gras be­wachsener, von spitzen, vorragenden oder harten Körpern vollkommen freier Boden, ein trockener Dunghaufen oder ein eigends hergerichte­tes, etwa 10' langes, 8' breites und 1' hohes Strohlager; an Gehilfen b'enöthiget man vier bis sechs, obschon es auch Wurfmethoden gibt, bei welchen ein einziger Mann ein Pferd niederzulegen im Stande sein soll. Die zu dem Werfen und zu dem Befestigen der gelegten Thiere nöthigen Geräthschaften werden mit dem Namen des Wurf­zeuges oder des Wurfapparates bezeichnet, und sind je nach den verschiedenen Methoden mehr weniger zusammengesetzt.
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Eine sehr einfache und bei wilden Pferden allein anwendbare Wurfmethode besteht nach der Angabe von Strauss darin, dass ein Ende eines wenigstens vier Klafter langen Seiles von einem Gehilfen zwischen den Vorder- und Hinterfiissen unter dem Bauche des zu le­genden Thieres durchgeworfen oder durchgeführt, von einem an der entgegengesetzten Seite postirten Gehilfen alsogleich aufgehoben, vor den Vord erfassen wieder zurückgegeben, von dem ersten Gehilfen übernommen und in eine Zugschleifc geschürzt wird. Während hierauf das Pferd am Kopfe und Schweife festgehalten wird (was jedoch bei wilden Pferden nur schwer ausführbar sein dürfte) werden mittelst des Seiles die Vorderfüsse zusammen und nach rückwärts unter den Bauch gezogen und so das Pferd zum Falle gebracht; hierauf werden mit demselben Seile die Hinterfüsse an die vorderen angeschleift und mittelst einer einfachen Schlinge befestiget.
Wurfmethode nach Balassa.
In ähnlicher Weise wird das Thicr bei der von Balassa ange­gebenen Methode, welche jedoch nur bei zahmen Pferden anwendbar ist, niedergelegt. Das hiezu erforderliche Wurfzeug besteht aus einem breiten Eückengurto, der an dem Bauchtheile mit vier starken Ringen versehen ist und durch einen Schweif- und einen Brustriemen in seiner Lage erhalten wird. Für die Vorderfüsse sind zwei Fesselriemen be­stimmt, an deren Ringen die Zugstränge durch die mittleren zwei Ringe des Rüekengurtes geführt, von zwei Männern zu beiden Seiten angezogen werden und so unter gleichzeitiger Nachhilfe an den Mähnen das Niederlegen des Pferdes erfolgt. Um die Hinterfüsse zu befestigen, wird der obere derselben mit einer Fesselschelle versehen und mit einem Zugstrange an dem äusseren Ringe des Rückengurtes festgebunden, das Pferd umgewendet und nun auf der anderen Seite in gleicher Weise vorgegangen.
Ungarische Wurfmethode.
Zu dem Werfen auf ungarische Art, welches Strauss für die beste und sicherste, wenn auch nicht die kunstvollste Methode, die selbst bei hochträchtigen Stuten ohne Rücksicht, wann und wie sie gefüttert wurden, gefahrlos angewendet werden kann, erklärt, braucht man ein etwa vier Klafter langes Seil, an welchem durch die Schür­zung eines einfachen Knotens eine unbewegliche Schlinge u. z. für die sogleich zu erwähnende erste Art des Werfens an einem Ende, für die zweite dagegen in der Mitte des Seiles gebildet wird, welche gross genug ist, um über den Kopf des Thieres' geschoben, am Grunde
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des Halses sehr locker anzuliegen. Das Yerfahren bei dem quot;Werfen selbst ist, je nachdem die Thiere sich zukommen lassen oder nicht, ein dreifaches.
Sind die Thiere so unvertraut, dass eine Manipulation an den Hin-terfiissen nur mit Gefahr, geschlagen zu werden, ausführbar wäre, so wird das auf den Hals angeschleifte Seil am Boden hinter dem Thiere herum, auf der entgegengesetzten Seite wieder an den Hals vorwärts gebracht, das Ende des Seiles daselbst durch die Schleife geführt, das Pferd nun mittelst eines, in der Richtung der Längenaxe des Körpers ausgeübten raschen Zuges nach rückwärts auf die Eachhand gesetzt und sodann durch Anziehen an den Mähnen vollends in die Seitenlagc gebracht. Das Seil muss bei dieser, hierorts in entsprechenden Fällen mit Vortheil nicht selten gebrauchten, so wie bei der zweiten Art des Werfens in die Fesselbeuge des Hinterfusses zu liegen kommen, wi­drigenfalls es über das Schienbein und das Sprunggelenk hinauf glei­ten würde.
Bei gefügigen Thieren dagegen werden beide Enden des am Halse liegenden Wurfseiles zwischen den Vorder- und Hinterfüssen durchge­führt, jedes um den, seiner Seite entsprechenden Hinterfuss herum nach vorwärts gebracht, durch die Halsschleife durchgesteckt und nun durch Zug an jedem einzelnen Ende in der oben angegebenen Weise das Thier gelegt. Beide eben beschriebenen Arten des Werfens führen, so wie alle jene Methoden, bei denen weder Fesselriemen noch Fessel­schellen in Anwendung kommen, jedoch den Nachtheil mit sich, dass das Seil die Haut an der hinteren Fesselfläche der Hinterfüsse quetscht oder selbst abschürft, wesshalb man dort, wo es statthaft ist, an den Hinterfüssen Fesselschellen anlegt, das Seil durch die Ringe dersel­ben hindurchführt und in der oben bemerkten Weise verfährt.
Eben so kann man kurze, mit gepolsterten Schleifen versehene Zugseile an den Hinterfesseln anlegen, durch zwei, an dem Bauch-theile des breiten Rückengurtes angebrachte Ringe hindurch zwischen den Vorderfüssen vorwärts führen , und, während zwei Gehilfen das Thier durch Zug an diesen Stricken auf die 'Nachhand niedersetzen, durch einen dritten Gehilfen mittelst eines, in dem, am oberen Theile des Gurtes vorhandenen Ringe befestigten und über den Rücken lau­fenden Seiles dasselbe in die Seitenlage bringen lassen.
Russische Methode.
Bei dem in Russland üblichen Verfahren wird die, an dem Ende eines etwa zehn Ellen langen Seiles geknüpfte, unbewegliche und an
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dem untersten Theile mit einem festgenähten Binge versehene Schleife derart auf den Hals des Thieres gebracht, dass der Ring nach aussen und in der Gegend des Ellbogens liegt, das Seil hierauf unter dem Bauche durchgeführt, um den Fessel des Hinterfasses derjenigen Seite, auf -welche das Pferd gelegt werden soll, von aussen nach innen geschlun­gen, von da zum Ringe geführt, durch denselben nach oben durch­gesteckt, und nun über den Rücken zur Hüfte, an welcher derjenige steht, welcher das Pferd werfen will, geleitet; dieser fasst das Seil, zieht den früher etwas gehobenen inwendigen Hinterfuss nach vor-und einwärts gegen den Ring zu, bringt den, mittelst der Trense so viel als möglich nach aussen, d. h. nach der, nach dem quot;Werfen auf­wärts sehenden Seite, und zieht endlich gleichzeitig sowohl an dem Seile als an den Trensenzügeln, wobei er zugleich mit seiner eigenen Schwere auf das Hintertheil des Pferdes wirkt; während das Pferd fällt, drückt der beim Kopfe stehende Gehilfe diesen gegen den Boden; das Seil wird nun noch einmal um den inwendigen, sodann um den auswendigen Hinterfuss geschlagen, durch den Ring gezogen und da­selbst befestiget; nachdem in gleicher Weise an den Vorderfüssen vor­gegangen wurde, ^wird das Seilende einem Gehilfen zum Halten über­geben. Da die eben beschriebene Pesselungsweise jedoch für das Thier gefährlich werden kann, so soll es nach Jessens Ansicht vortheil-hafter sein, bloss den oberen Hinterfuss an den Ring ziehen, den un­teren dagegen mit den Yorderfüssen zusammenbinden zu lassen.
Methode von Rohard.
Das Verfahren von Rohard soll die Vortheile darbieten, dass ein einziger Gehilfe, welcher die Zügel hält, erforderlich ist und dass das Thier, indem es an der Vorderseite dessen, der es wirft, gleich­sam hinabgleitet, nicht mit seiner ganzen Schwere zu Boden fällt und desshalb auch Beschädigungen weniger ausgesetzt ist. Man benöthiget zu dieser Methode ein 22—25' langes Seil, an dessen Ende mittelst eines doppelten, und zwar eines festen oberen und eines beweglichen unteren Knotens eine Schleife gebildet ist, welche dem Pferde wie ein Kummet derart aufgelegt wird, dass die Knotenraquo; unterhalb der Schulterspitze der nach aufwärts gekehrten Seite (am geworfenen Pferde gedacht) zu liegen kommen; das Seil wird nun von rück- nach vorwärts um die einander so viel als möglich genäherten Vorderfüsse u. z. unter dem Ellbogen herumgeführt, das Ende unter dem Seile durchgesteckt, letzteres um den Fessel des inwendigen Hinterfusses von aussen nach innen geschlungen und zu dem Widerriste geleitet.
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Der etwas hinter der Schulter der inwendigen Seite stehende Opera­teur fasst, indem er den umschlungenen Hinterfuss etwas hebt und nach vorne zieht, das Seil so nahe am Körper des Thieres als mög­lich, stützt die Vorarme hinter dem Widerriste auf und bringt, wäh­rend gleichzeitig durch den Gehilfen Kopf und Hals stark nach aussen abgebogen werden, das Pferd durch einen kräftigen Zug zum Fallen. Die Füsse werden sodann durch Knüpfen mehrerer Kno­ten gefesselt erhalten.
Niederlegen nach Earey.
Bei Pferden, welche sich auf keinerlei Weise an die Hinterfüsse kommen lassen, kann man das von R a r e y gebrauchte Verfahren, um böse Pferde zu bändigen, in Anwendung bringen, bei welchem der linke Vorderfuss mittelst eines, an einem Ringe des Bauchgurtes befe­stigten Riemens aufgebunden wird; ein zweiter, frei unter der Brust des Pferdes durchgehender, am Fesselgelenke des rechten Vorderfusses befestigter Riemen ruht in der rechten Hand des Operateurs, wäh­rend die linke die Zügel hält. Ist der rechte Fuss in Folge des län­geren Stehens bei aufgebundenem linken Vorderfusse ermüdet, so wird das Pferd zum Vorschreiten veranlasst und der rechte Vorderfuss in dem Momente, als er gehoben wird, durch einen Zug an dem er­wähnten Riemen gebeugt, so dass das Pferd auf die Vorderkniee fallen muss, und mit der Nase fast die Erde berührt. Ist es bei den Versu­chen, sich zu erheben, wiederholt auf die Kniee gestürzt, so verharrt es länger in dieser Stellung und kann dann leicht auf die rechte Seite gelegt und gefesselt werden.
Kleinere und schwächere Pferde können auch in der Weise ge­worfen werden, dass man an den linken Vorderfuss eine Kniefessel
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anlegt, sich an dieselbe Seite des Thieres stellt, die rechte Hand auf die Lendengegend stemmt und den Kopf mittelst des Zügels so nach rechts zieht, dass das Kinn dem Rücken fast genähert ist, wor­auf sich das Thier sanft zu Boden fallen lässt.
In Ermangelung eines eigenen Wurfzeuges kann man Pferde auch in der Weise niederlegen, dass man die Vorder- und eben so auch die Hinterfüsse mittelst kurzer, um die Schienbeine gelegter Stränge aneinander bindet, ein etwa 18' langes Seil an dem, die Vorderbeine vereinigenden Stricke festknüpft, und das freie Ende des­selben zwischen den Hinterfüssen durchführt, um den daselbst vor­handenen Strang umschlägt, es nach der äusseren (im Liegen des Thie­res nach oben gerichteten) Seite leitet und durch den, von den Gehil-
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fen ausgeübten Zug die Füsse des Thieres einander derart nähern lässt, dass dasselbe sich nicht mehr stehend zu erhalten vermag, und bei gleichzeitigem Zusammenwirken der am Kopfe und am Schweife angestellten Gehilfen niederfällt. Eben so kann man für den Fall, als man nur kürzere Stricke zur Disposition hätte, einen derselben an dem, die Vorderfüsse verbindenden Strange, den zweiten an jenem der Hinter-füsse befestigen, ersteren zwischen den Hinter-, letzteren zwischen den Vorderfüssen durchfuhren, durch Anziehen nach entgegengesetzten Eich-tungen alle vier Füsse einander unter dem Leibe nähern und so den Fall des Thieres veranlassen, welches Verfahren jedoch eine grössere Anzahl von Gehilfen erfordert, als das erstere, und ausserdem den Uebelstand hat, dass bei nicht gleichzeitig erfolgendem Zuge an den Enden der Seile die Thiere leichter Schaden nehmen können, was über­haupt für alle jene Methoden, zu denen mehr als ein Seil und dem­nach ein meist in entgegengesetzten Ejohtungen wirkender Zug erfor­derlich ist, angenommen werden muss.
Deutsche quot;W urfmethode.
Obsehon die eben beschriebenen Methoden, Pferde niederzulegen, in gewissen Fällen angewendet werden können, ja sogar mitunter an­gewendet werden müssen, zieht man für gewöhnlich doch jene Ver­fahren vor, bei welchen an sämmtliche Fessel Riemen geschnallt wer­den, durch deren Binge das Seil gezogen wird.
Das hierorts benützte Wurfzeug besteht aus vier Fesselriemen, aus dem Wurfseile und aus dem Eückengurte. Die Fesselriemen sind l1/)^-2quot; breit, 16—-ISquot; lang, aus doppeltem, starkem, jedoch geschmei­digem Leder gefertiget, an der Innenseite entweder gepolstert oder mit Fell gefuttert, haben an einem Ende eine starke Schnalle, an den an­deren eine mit Löchern versehene Strippe, in der Mitte einen halb­ovalen Ring von zähem Eisen; das 1quot; dicke, 16' lange, an einem Ende etwas verdünnte und mit Leder überzogene quot;Wurfseil ist mit dem an­deren Ende an dem Ringe eines Fesselriemens, welcher der Hauptfes­sel genannt wird, befestiget; an dem Rückengurte ist an der Seite, an welcher sich die Schnalle befindet, ein Ring angebracht, an wel­chem ein Strang festgeknüpft ist. Bei der Anwendung dieses Wurf-zeuges wird, nachdem das Pferd gebremset ist und der Kopf des­selben durch einen starken Gehilfen mittelst der Trense hoch gehalten wird, der Rückengurt in der Weise angelegt, dass Schnalle und Ring an die äussere d. h. an die, am geworfenen Thiere nach aufwärts ge­richtete Seite zu liegen kommen, damit der Zug an dem Stricke über
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den Rücken weg stattfinde und dadurch kräftiger und zugleich nach der Tiefe wirke, hierauf wird der Hauptfessel an dem äusseren Vor-derfusse, welcher so lange aufgehoben gehalten werden muss, bis sänuntliehe Fesselriemen angelegt sind, derart angeschnallt, dass die Schnalle, was auch bei dem Anlegen der übrigen Fesselriemen beach­tet werden muss, nach auswärts, der Ring nach einwärts, unter den Leib gerichtet ist; sind sänuntliehe Fesselriemen an den Füssen befestiget, so wird der Vorderfuss niedergelassen, das Ende des Seiles von dem Hauptfessel aus zu dem Ringe des Fesseis des auswendigen Hinter-fusses geführt, durch denselben von aussen nach innen, sodann durch den Ring des inwendigen Hinterfesseis von innen nach aussen, dann durch jenen des inwendigen Vorderfesseis von aussen nach innen, endlich wieder durch den Ring am Hauptfessel in entgegengesetzter Richtung durchgesteckt und das Seil durch Nachziehen straff gespannt, sodann von den Gehilfen und zwar von dem, dem Pferde zunächst stehenden so nahe am Fusse als möglich erfasst und das Thier durch einen nach rückwärts erfolgenden raschen und gleichmässigen Zug nie­dergelegt, wozu gleichzeitig sowohl der den Strang der Rückengurte hal­tende, als auch der an der inneren Seite des Hintertheiles postirte Gehilfe beitragen, welcher letztere, mit einer Hand die Schweifrübe erfassend, die andere gegen die Hüfte des Thieres stemmend, bei dem zum Anziehen gegebenen Zeichen das Hintertheil zuerst massig stark nach der entgegengesetzten Seite, als wohin das Thier fallen soll, stösst, unmittelbar darauf aber dasselbe an der Schweifrübe gegen sich zieht, durch welche Manipulation das Pferd mit dem Vordertheile zuerst zu Boden kömmt und sich weniger leicht beschädiget. Gleichzeitig wirkt auch der Gehilfe, dem der Posten am Kopfe des Thieres ange­wiesen wurde, mit, indem er diesen Körpertheil gegen sich und zur Erde niederzieht; liegt das Thier, so hält er den Kopf in der Weise, dass das Genick auf dem Boden aufrecht und das Maul nach oben steht, wesshalb er das eine Knie neben dem Genicke, den anderen im Kniee gebeugten Fuss an die Stirne des Pferdes setzt, den Arm derselben Seite um den Kopf legt, mit der anderen Hand dagegen die Trensen­zügel unter dem Kinne zusammenfasst.
Statt des Rückengurtes wird nach H e r t w i g's Angabe ein aus hänfenen Bindfäden geflochtener, etwa 18' langer, 3quot; breiter, an einem Ende mit einer länglichen Schleife versehener Gurt, der Beigurt, mit seinem mittleren Theile zwischen die Vorderfüsse unter die Brust gelegt; beide Enden desselben werden an der auswendigen Seite des Halses und der Rippen, oder vor und hinter dem Schulterblatte zum
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Widerriste und über denselben hinweg nach der Seite des Stroh­lagers geführt und daselbst von einem Gehilfen etwa 4—5' vom Pferde entfernt, massig gespannt gehalten.
Um die Füsse des gelegten Thiores beisammen zu halten, -wird das Seil in der Nähe des Tessels in der Länge von 3' doppelt gelegt, dieser Theil zwischen den Vorder- und Hinterfüssen von oben nach unten durchgeführt, der Best des Seiles durch denselben durchgesteckt, die so entstandene Schleife über einem festen Strohbauschen festgezo­gen und das Ende des Seiles von den Gehilfen massig gespannt ge­halten; um die Bewegungen des Thieres th unliebst zu beschränken, setzt sich ausserdem ein Gehilfe auf die Schulter, ein zweiter auf die Hinterbacke.
Bei dem Entfesseln werden zuerst die Fesselriemen der unten liegenden Füsse, sodann von zwei Gehilfen gleichzeitig jene der oberen Füsse losgeschnallt, wobei jedoch das Thier am Hintertheile und an der Schulter zu Boden gehalten werden muss; sind sämmtliche Füsse frei gemacht, so wird der Kopf des Thieres los gelassen, die Zügel verlängert und die Gehilfen, welche ^an der Schulter und an der Hüfte postirt waren, treten einige Schritte zurück, um aus dem Be­reiche der Hinterfüsse zu kommen; hat sich das Thier erhoben, so wird es, was besonders nach länger dauernden Operationen höchst nothwendig ist, um Verkühlungen zu vermeiden, trocken abfrottirt und wohl zugedeckt in den Stall gebracht.
Anstatt des eben beschriebenen quot;Wurfzeuges bedient man sich hie und da z. B. an der Stuttgarter Schule des von Hör dt angege­benen Wurfapparates, welcher aus zwei Seilen von 16' Länge, deren jedes an einem Ende mit einer Schleife versehen ist, aus zwei Fessel­riemen und aus einer breiten ledernen, mit einer Schnalle und zwei, in entsprechender Entfernung von einander festgenähten, halbovalen Ringen versehenen Bauchgurte, die jedoch bloss bei Operationen am Bauche und an den Füssen unumgänglich nothwendig ist, besteht. Soll ein Pferd nach dieser Methode gelegt werden, so lässt man ein Seil an den Fessel des inneren Vorderfusses, das zweite an jenen des äusseren Hinterfusses anschleifen und nun das vom Vorderfusse aus­gehende Seil durch den Ring des am inneren Hinterfüsse angelegten Fesselriemens von aussen nach innen, jenes des äusseren Hinterfusses durch den Ring des, am äusseren Vorderfusse festgeschnallten Riemens von innen nach aussen durchziehen und beide Seile unter dem Leibe des Thieres derart kreuzen, dass das au dem inneren Vorderfusse be­festigte Seil unterhalb des zweiten zu liegen kömmt; das Thier wird
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nun durch einen nach entgegengesetzten Richtungen durch je zwei bis drei Menschen ausgeübten Zug an den Seilenden und unter gleichzei­tiger Unterstütz ang von Seite der am Schweife i^nd am Kopfe postir-ten Gehilfen niedergelegt und die Füsse desselben durch Umwieke-lung des freien Seilendes um den Fessel des angeschleiften Fusses befestiget.
Ausbinden eines Fusses.
Soll an einer oder der anderen Gliedmasse operirt werden, so benützt man die Spannleine, einen mit dem quot;Wurfseile fast gleich langen Gurtenstreifen oder statt dessen einen starken Strick; derselbe wird auf die Hälfte zusammengelegt und eine Schlinge gebildet, wel­che man auf den Fessel oder auf das Schienbein des zu operirenden Fusses, den man später von den übrigen Gliedmassen losschnallt, an­streift; die Enden der leine, die stets von der unteren Fläche des Fusses auszugehen haben, müssen wenigstens von drei Gehilfen fest­gehalten werden, deren zwei das äussere, d. h. bei Vorderfüssen das vordere, bei Hinterfüssen das hintere Ende übernehmen und damit die Gliedmasse möglichst gestreckt erhalten, während der Gehilfe am inneren Ende die Leine massig spannt; ein vierter Gehilfe stellt sich mit ausgespreizten Fassen über den Fuss, umfasst denselben am Fessel mit beiden Händen und hält, nachdem er sich auf die Schulter oder auf den Schenkel gesetzt hat, die Gliedmasse in der erforderlichen Lage fest.
Auch des Spannstockes oder des Fesselriemenstockes kann man sich bei Operationen an den Extremitäten, besonders bei jenen an der inneren Seite derselben nach Her twig's Ausspruche mit Vortheil bedienen. Der Spannstock, ein 2' bis 21// langer, 2quot; dicker, runder und glatter, an jedem Ende mit einem festgemachten, 18quot; langen, zum Schnallen gerichteten Riemen von doppeltem Leder versehener Stab aus hartem Holze wird sowohl an dem zur Operation bestimmten, ajis dem Fesselriemen gelösten Vorderfusse, als auch über dem Sprung­gelenke des Hinterfusses derselben Seite festgeschnallt und so die Gliedmasse in der erforderlichen Lage erhalten.
Zur Vornahme von Operationen am Bauche oder an den Ge-schlechtstheilen männlicher Pferde werden die niedergelegten Thiere hierorts ausschliesslioh in die Rückenlage gebracht und mittelst des Rüekengurtes und der Zugstränge in derselben gehalten. Der Eücken-gurt, dessen Länge der Entfernung einer Kniescheibe von der anderen, jedoch über die Lende gemessen, entspricht, ist ein 4quot; breiter, an den
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Eändern abgenähter, und an jedem Ende mit einem starken halbrun­den Ringe versehener Streifen von doppeltem Kuhleder.
In jedem Ringe ist einer der vier Zugstränge, mittelst deren die Hinterfiisse am Gurte befestiget werden, eingeschleift, während die zwei anderen Stränge zur Vereinigung der Füsse derselben Seite verwendet werden. Man schleift zu diesem Zwecke die Schlinge eines Zugstranges an den Fessel des oberen Vorderfusses an, legt an dem Hinterfusse derselben Seite eine Fesselschelle, das ist, einen breiten, bloss die hintere und die Seitenflächen der Fessel bedeckenden, an beiden Enden mit halbrunden Ringen versehenen Fesselriemen um, fuhrt das Ende des Stranges von unten nach oben durch beide Ringe, zieht die Füsse bis zur Kreuzung ihrer Endtheile bei oben liegendem Hinterhufe übereinander, hält den Strick mit der linken Hand, deren Daumen dem Leibe des Bindenden zugekehrt steht, fest, während mau mit der rechten Hand den Strick von unten nach oben um die Fes­sel beider gekreuzten Füsse herumschlingt, mit der linken Hand über­greift, die Umschlingung nochmals wiederholt und zuletzt durch eine einfache Schleife um das Schienbein des Hinterfusses den Strick befe­stiget; das Ende dieses Stranges wird einem Gehilfen, der am Leibe des Pferdes kauert, übergeben und dann auf die angezeigte Art zur Befestigung der unteren Füsse geschritten. Sind sämmtliche Füsse ge­bunden, so wird ein Strang des Rückengurtes zusammengelegt, unter die Lende des Pferde gesteckt, dieses auf den Rücken gewälzt und der Gurt mittelst des Strickes so weit hervorgezogen, dass er zu bei­den Seiten des Leibes gleich weit vorsteht; hierauf werden die Enden der Gurtenstränge von aussen nach innen über die Schienbeine der Hinterfiisse nach den Ringen hinab, hier von innen nach aussen durch dieselben geführt und diese Umschlingung nochmals wiederholt, wo­rauf an beiden Stricken so lange beiderseits gleichtnässig angezogen wird, bis die Schienbeine eine wagrechte Stellung zu beiden Seiten des Leibes einnehmen.
Andere Thierärzte ziehen es vor, die zu kastrirenden Pferde in der Seitenlage zu befestigen; der rechte Hinterfuss des auf der lin­ken Seite liegenden Thieres wird an den unteren Theil des Vorarmes des rechten Fusses festgebunden und derart die Operationsstelle frei­gelegt, oder es wird ein starker, an dem auf die Mitte der Rippen treffenden Theile der rechten Seite mit einem Ringe versehener Gurt angelegt, an beiden Vorderfüssen und an dem linken Hinterfusse die Fesselriemen in der oben angegebenen Weise angeschnallt und das Seil durch die Ringe derselben gezogen, während der rechte Hinterfuss
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einen eigenen Fesselriemen, an welchem ein mittelstarker, 18' langer Strick, dessen freies Ende in der Eichtung von hinten nach vom durch den oben erwähnten Ring des Bauchgurtes gezogen #9632;wird, befe­stiget ist, erhält. Durch gleichzeitigen Zug an dem Hauptseile sowohl, als auch an dem, vom rechten Hinterfusse ausgehenden Stricke wird das Pferd gelegt, und nun, nachdem die drei Fiisse in bekannter Weise an einander gefesselt wurden, der freie Hinterfuss am Sprunggelenke von rückwärts erfasst, nach vorn und gegen die Brust gedrückt und, nachdem durch gleichzeitiges Anziehen am Stricke der Huf bis zur Hälfte des Vorarmes des rechten Fusses gebracht ist, mit einem auf­ziehbaren Knoten an dem Ringe festgebunden (Hertwig).
Niederlegen des Rindes.
Ziemlich selten werden Rinder zur Vornahme von Operationen niedergelegt werden müssen, da es bei dieser Thiergattung meist hin­reicht, sich des Kopfes in entsprechender Weise zu versichern, um am stehenden Thiere operiren' zu können.
Das Niederlegen kann gleichfalls auf verschiedene Art ausgeführt werden und man kann sich hiezu entweder im Nothfalle des auch beim Pferde gebräuchlichen deutschen Wurfzeuges bedienen, dessen Fesselriemen jedoch wegen Kürze des Fessels stets oberhalb des Fes­selgelenkes befestiget werden müssen, oder man legt eine, in der Mitte eines etwa 3S' langen Seiles gebildete Schlinge um die Hör­ner, führt beide Enden des Strickes zwischen den Vorder- und Hin-terfüssen durch nach aussen, bringt jedes derselben um den seiner Seite entsprechenden Hinterfuss herum nach vorwärts, steckt es durch die Schlinge an den Hörnern und legt nun durch Anziehen an den Enden das Thier nieder.
Höchst einfach und leicht ausführbar soll die von Ryehner beschriebene Methode, Rinder niederzulegen, sein. Diese besteht da­rin, dass man an den inneren Hinterfuss einen Hauptfessel anlegt, das Seil unter dem Bauche durch nach der entgegengesetzten Seite, über die auswendige Schulter hinweg und über den Nacken nach dem inwendigen Home führt, unter demselben hindurch nach vorwärts um die Stirne schlingt und von einem Gehilfen halten lässt, während ein zweiter Gehilfe sich des Kopfes versichert; ein dritter Gehilfe erfasst, an der auswendigen Seite stehend, den Strick so nahe am Fusse als möglich und zieht letzteren, sich mit Brust und Schulter fest gegen die Flanke des Thieres stemmend, gegen sich, und unter
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den Bauch und legt so, unter gleichzeitigem Mitwirken von Seite der Gehilfen das Thier nieder.
Als die beste Methode, bei welcher sich das Rind von selbst niederlegt, wird das sogenannte Nieder schnüren angeführt, bei welchem man nach Her twigs Angabe in nachstehender Weise ver­fährt: Ein etwa 15 bis 20 Ellen langer Strang wird mittelst der, an einem Ende befindlichen Schleife an den Hörnern des Thieres be­festiget, derselbe sodann längs des Kammrandes bis zur Mitte des Hal­ses geführt und daselbst eine einfache, sich leicht verengernde Schlinge gebildet, indem man das freie Ende des Strickes an der linken Seite des Halses hinab, unter der Kehle hinweg, über die rechte Seite nach aufwärts führt und es hier unter dem festgehaltenen Theile des Stran­ges durchsteckt; die Fortsetzung des Strickes leitet man auf der Wir­belsäule weiter, bildet hinter den Schultern durch TJmschlingung der Brust eine zweite und in der Gegend des zweiten Lendenwirbels eine dritte, sich gleichfalls leicht zusammenziehende Schlinge; das Endstück des Strickes wird nun über die Mitte des Kreuzbeines nach rückwärts geführt und hinter dem Thiere von Gehilfen übernommen, welche, während der am Kopfe postirte Gehilfe das Thier, welches jedoch auch bloss angebunden sein kann, an den Hörnern festhält oder etwas nach .vorwärts bewegt, kräftig nach rückwärts ziehen, wobei Hals, Brust und Bauch durch die sich verengenden Schlingen massig zusammenge­schnürt werden, in Folge dessen das Thier sich sogleich ganz sanft und ruhig niederlegt und leicht in die für die Operation erforderliche Lage gebracht werden kann.
Ungünstige Ereignisse in Folge des Werfens.
Als ungünstige Ereignisse, die besonders bei dem Niederlegen der Pferde bisher beobachtet wurden, und entweder theils durch die Ausserachtlassung der nothwendigen Vorsichtsmassregeln, theils durch die Mangelhaftigkeit des Wurfapparates, theils durch die Ungeschick­lichkeit der Gehilfen bedingt, oder Folgen der heftigen Anstrengun­gen, die das Thier macht, um seiner Bande los zu werden, sind, findet man in den thierärzlichen Schriften nachstehende Zufälle aufgeführt: Hautabschürfungen und duetschungen an den vorspringenden Körper­stellen, Quetschwunden an den Parthien, welche der Reibung von Seite der Stricke ausgesetzt sind und vorzugsweise bei jenen Wurf­methoden, bei welchen Fesselriemen nicht angewendet werden, an der hinteren Fesselfläche entstehen, unvoUkommene Lähmungen einer oder der anderen Gliedmasse, verursacht durch zu lange andauerndes oder
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zu starkes Fesseln, Brüche der Kopfknochen, der Rippen, des Darm-bein-winkels, Zerreissungen des Zwerchfelles, des Magens, des Blind­darmes, der Harnblase, der Leber, des Herzeus in Folge zu heftigen Niederstürzens; Zerreissungen von Sehnen oder Muskeln, von Arterien oder Venen, z. B. der Hohlvene, Brüche der Gliedmassenknochen oder Zertrümmerungen von Wirbeln, besonders der letzten Eücken-und der ersten Lendenwirbel, Vorfälle des Mastdarmes oder der Scheide, Eingeweidebrüche u. dgl. durch Muskelthätigkeit veranlasst u. s. w., Zufälle, deren einige ohne besondere Gefahr für das Thier ablaufen, während andere selbst den Tod zu bedingen vermögen.
Zwangsmittel für kleinere Hausthiere.
Die Bemeisterung der kleineren Hausthiere erfordert meist keine umständlicheren Vorbereitungen und ist höchstens beim Sehweine, welches sich nicht leicht ergreifen lässt und bei dem man sich, wie auch bei dem Hunde und bei der Katze gegen Bisse zu schützen hat, etwas schwieriger.
Schafe und Ziegen lässt man von einem oder von zwei Gehilfen festhalten, oder man bindet die Füsse einer Seite mit kreuzweise überein­ander gelegten Schienbeinen zusammen und legt das Thier auf eine Bank oder auf einen Tisch; bei Operationen an dem Bauche oder am Schweife fasst der sitzende Gehilfe das Schaf mit einer Hand an beiden Vor­der-, mit der anderen an beiden Hinterfiissen und hält es, den Kopf und Rücken desselben theils gegen seine Brust gelehnt, theils auf die Bank gelegt fest; mitunter kann der Operateur selbst das Thier festhalten, indem er dasselbe zwischen seine Beine nimmt.
Schweinen so wie Hunden steckt man einen Holzstab in das Maul, den man dann befestiget, oder man bindet ihnen dasselbe mit einem Bande zu oder legt bei der letzteren Thiergattung einen Maulkorb an und hindert derart das Beissen ; auch diesen Thieren kann man ent­weder die Füsse zusammenbinden oder dieselben, wenn die Operation nicht lange dauert, von Gehilfen halten lassen.
Katzen wickelt man, besonders behufs der Castration, meist der­art in ein Tuch ein, dass ihr Hintertheil sammt dem Hodensacke frei liegt oder man steckt sie in einen Sack oder in einen hinreichend wei­ten Stiefel, um die Operation ungefährdet vornehmen zu können.
Ndeg;arkotisiren. Obsehon es durch die Anwendung der mechanisch wirkenden Zwangsgeräthschaften möglich wird, sich der Thiere derart zu bemei-
Forster Opcralionslehre für Thierärzle.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3
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stern, class die meisten Operationen gefahrlos ausgeführt werden kön­nen, so tritt doch mitunter der von Seite des Thieres ausgeübte Wi­derstand dem vollkommenen Gelingen des operativen Eingriffes hin­dernd in den Weg und man suchte aus diesem Grunde, weniger um den Operationsschmerz zu mildern, durch Verabreichung gewisser, vor­zugsweise narkotischer Substanzen, einen Zustand von Betäubung her­vorzurufen, um während der Dauer desselben die Operationen vorzu­nehmen, indess ergaben diese Versuche wenig aufmunternde Erfolge, da einestheils der erforderliehe Grad von Unempfindlichkeit sich nur selten einstellte, anderstheils in Folge der angewendeten Substanzen unangenehme und unerwünschte Neben- und Nachwirkungen zum Vorscheine kamen. Erst der neuesten Zeit blieb es vorbehalten, Mittel ausfindig zu machen, durch deren Gebrauch es möglich wurde, Thiere in einen höheren Grad von Betäubung, während welcher sie gegen operative Eingriffe nicht reagiren, zu versetzen. Das i;u diesem Zwecke einzuschlagende Verfahren, unter dem Namen des Anästhesirens oder Narkotisirens bekannt, besteht darin, dass -man die Thiere die Dämpfe des Schwefeläthers oder des Chloroforms einathmen lässt.
Anästh esiren d e Mittel.
Obschon noch andere, insgesammt flüchtige kohlenstoffhaltige Körper, wie z. B. die holländische Flüssigkeit oder der Chloräther, der Salzäther, der Schwefelkohlenstoff, das Aceton, das Benzin, das Amylen, das Aldehyd, und andere zu gleichem Zwecke versucht wurden, so setzte man dieselben, da sie sich nicht erprobten, bei Seite und bedient sich bloss des von Jackson und Morton im Jahre 1846 in die menschenärztliche Praxis eingeführten Schwefeläthers, so wie des von Simpson in Edinburgh im Jahre 1847 empfohlenen Chloroforms (des F ormylchlorid s) oder eines Gemenges aus diesen beiden Stoffen. Diese schnell und leicht in Dampfform überge­henden Stoffe werden, in die Luftwege eingebracht, rasch von dem Blute aufgenommen und rufen als Folge der Wirkung des so verän­derten Blutes auf das Gehirn und auf das Nervensystem bald schnel­ler, bald langsamer, meist aber im Verlaufe weniger Minuten, einen Zustand von Bewusstlosigkeit und Unempfindlichkeit, den man als Narkose bezeichnet, hervor; dem meist sehr rasch vorübergehenden Stadium der Aufregung folgt jenes der Abspannung, in welchem die willkührlichen Muskeln dem Einflüsse des Willens entzogen sind, und Unempfindlichkeit neben mehr weniger aufgehobenem Bewusstsein eintritt.
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Nutzen der Narkose. Abgesehen davon, dass man sich dieser genannten Mittel bei einigen Nervenkrankheiten, z. B. beim Starrkrämpfe mit zweifelhaftem Erfolge bedient, wird man mit besonderem Vortheile die Narkose bei derartigen operativen Eingriffen herbeiführen, welche entweder mit heftigen Schmerzen verbunden sind oder an Theilen ausgeführt wer­den sollen, an denen wichtige Nebenverletzungen als Folge der Unruhe des Thiercs zu befürchten sind, z. B. bei Operationen in der Nähe des Auges oder an demselben, oder wo die Muskelthätigkeit dem Gelingen der Operation hindernd in den Weg zu treten vermag, wie dieses bei der Einrichtung von Verrenkungen und Knochenbrüchen, bei der Zurückbringung vorgefallener Gebilde, z. B. der Gedärme, des Tragsackes u. s. w. der Fall ist.
Vorbereitung des T hie res und Inhalationsapparate.
Das Anästhesiren, welches gleichfalls nur nach Vollendung der Verdauung vorzunehmen ist, kann entweder am stehenden Thiere und dann in einem minder vollständigen oder andauernden Grade, in welchem die Empfindlichkeit iudess, wie die Versuche von Seifert erwie­sen haben, trotzdem so herabgesetzt ist, dass bedeutende Operationen wie z. B. die Castration schmerzlos ausgeführt werden können, stattfinden, wobei natürlicherweise Gehilfen zur Hand sein müssen, welche dasThier an den Seiten unterstützen, oder dasselbe wird früher, falls es sich nicht selbst gelegt haben sollte, auf die gewöhnliche Weise geworfen und dann erst der Einwirkung des Anaestheticums ausgesetzt.
Die zum Narkotisiren erforderlichen Vorrichtungen sind verschie­den. In einfachster Weise bedient man sich hiezu eines oder zweier Schwämme, die in die Nasenöffnungen des Thieres gesteckt oder auf den Boden eines weiteren Gefässes, eines aus dichterem Stoffe gear­beiteten Eutterbeutels, eines Maulkorbes oder einer grösseren Rinds-oder Schweinblase gelegt und der Nase des Thieres möglichst nahe gehalten werden.
Die complicirteren Inhalationsapparate, welche früher besonders bei dem Narcotisiren mit Schwefcläther Benützung fanden, sind, obschon bei ihrem Gebrauche geringere Mengen von Aether erforderlich sind, gegenwärtig fast durchgehends bei Seite gesetzt worden, da sie um­ständlich handzuhaben und meist nur am liegenden Thiere zu ver­wenden sind; dieselben, welche häufig wie z.B. jene von Williams, Defays u. And. mit einem eigenen Klappensystemo versehen sind, damit einestheils die ausgeathmete Luft nach aussen gelange, anders-
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theils die erforderliche Menge atmosphärischer Luft in den Apparat
einströmen könne, da die Thiere bei dem Einathmen von blossen
Aetherdämpfen zu unruhig und ängstlich werden , bestehen aus einem
(
II •
Ansatzstücke, welches entweder bloss auf die Nasenlöcher des Thieres
passt oder hinreichend gross ist, um über Nase und Maul gezogen
werden zu können, und aus einem Behälter für den Aether, wozu
eine Glasflasche, ein Blechgefäss, eine Blase u. dgl. dient.
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lnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Erscheinungen während des N ark otisir ens.
• Die bei dem Narkotisiren auftretenden Erscheinungen sind nach­stehende :
Zuerst beobachtet man, besonders bei Hunden, Hustenreiz oder selbst Husten, Angst und Widerstreben, bei Pferden auffallendes
!
Speicheln und häufige Schlingbewegungen, Beschleunigung des Athmens und des Pulses, Zittern am ganzen Körper, Erhöhung der Hauttem­peratur und meist massige Verengerung der Pupille; Pferde, bei denen mitunter der Geschlechtstrieb in nicht unbedeutendem Grade aufgeregt erscheint, wiehern nicht selten; allmälig wird die Eespiration, so wie der Puls langsamer, letzterer weniger deutlich fühlbar, der Blick wird stier, der Augapfel erscheint nach oben und innen gerichtet und ist gegen Berührung mit dem Finger unempfindlich, die Pupille ist erweitert und reagirt selbst gegen grelles Licht wenig, die Lider fallen zu, die Thiere schwanken hin und her, schaukeln sich nach vor- und rückwärts, oder gehen zurück, knicken in den Gelenken haltlos zu­sammen und sinken nieder; liegen bei vollständig aufgehobener Em­pfindlichkeit und quot;Willensthätigkeit regungslos auf dem Boden, ver­harren in der ihnen gegebenen Lage und ertragen selbst bedeutende Ver­letzungen ohne Schmerzäusserung.
Werden die Inhalationen nun unterbrochen und reine Luft ein-geathmet, so kehrt nach wenigen Minuten das Bewusstsein zurück, der Puls wird wieder frequenter, voller, regelmässig, die Thiere erho­len sich wie aus einem Traume erwachend, machen das Maul auf, heben den Kopf; bewegen die Gliedmassen, versuchen aufzustehen, fallen jedoch nieder, erheben sich weiterhin mit dem Vordertheile, ver­mögen jedoch die Nachhand, an welcher sich die Unempfindlichkeit zuletzt verliert, nicht gleich in die Höhe zu bringen; haben sie sich endlich aufgerichtet, so gehen sie schwankend und unsicher, der Blick ist dumm und schläfrig; dieser Zustand von Ermattung dauert 10—IS Minuten, mitunter jedoch bedeutend länger an.
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Dauer des Einathmens.
Die zur Hervorbringung der Narkose nothwendige Zeit ist von dem Thiere, von der Art der Einathmung und von der Stärke des anästhetischen Stoffes abhängig; während die Thiere nicht selten schon nach 2—3 Minuten andauerndem Einathmen des Anaestheticums betäubt werden, müssen die Inhalationen bei anderen Individuen durch S, ja selbst durch 15—30 Minuten fortgesetzt werden, ehe die vollständige Narkose eintritt; schneller stellt sich diese Wirkung ein, je weniger von den Dämpfen beim Einathmen verloren geht, und man wird aus diesem Grunde mit den complicirteren Apparaten rascher zum Ziele gelangen; eben so wird das frühere oder spätere Eintreten der Anästhe­sie von der Art, der Güte und Keinhcit des verwendeten Stoffes abhängig sein.
Dauer der Narkose.
Ebenso verschieden ist die Dauer der Narkose selbst, welche von 5 bis zu 15 Minuten, ja selbst darüber variirt; ist es nothwen-dig, die Thiere durch eine längere Zeit in dem Zustande der Anästhe­sie zu erhalten, so müssen die Inhalationen mit Beachtung der Vor­sichtsmassregel, von Zeit zu Zeit grösseren Mengen von atmosphärischer Luft den Zutritt zu den Lungen zu gestatten, fortgesetzt werden, und B o u 1 e y erhielt die Thiere auf diese Weise selbst eine ganze Stunde lang in der Narkose. Im Allgemeinen gilt die Regel, die Inhalationen auszusetzen und solche operative Eingriffe, welche eine längere Dauer nicht beanspruchen, dann sogleich zu beginnen, wenn die Muskulatur erschlafft ist und die Thiere gegen Stechen, Kneipen u. dgl. nicht mehr reagiren, da die Narkose nach Entfernung des Anaestheticums immer noch etwas zunimmt. Setzt man die Inhalationen, nachdem be­reits die Betäubung eingetreten ist, ohne Unterbrechung fort, so er­reicht dieselbe jenen Grad, bei welchem selbst Reflexbewegungen nicht mehr stattfinden und es geht endlich die momentane Unterdrückung der Nerventhätigkeit in dauernde Lähmung über, so dass der Tod in Folge des Aufhörens der zum Leben nöthigen Functionen, besonders der Respiration oder der Herzthätigkeit eintritt. Während des Nar-kotisirens sind sowohl die Athembewegungen, als auch der Puls auf das Sorgfältigste zu überwachen ; nimmt die Frequenz der Athemzüge und des Pulses bedeutend ab, wird die Respiration unregelmässig, zeitweilig unterbrochen, so droht Gefahr und es sind die Inhalationen alsogleich auszusetzen und die Thiere durch Bespritzen mit frischem Wasser, durch starke Riechstoffe z. B. Ammoniakgas, durch Einleitung künst­licher Respirationsbewegungen u. dgl. zu sich zu bringen.
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Erforderliche Menge des Anaestheticums. Die Menge des Anastheticums, welche erforderlich ist, um den gewünschten Grad von Unemptindlichkeit hervorzurufen, ist von der Art des Stoffes, von dem verwendeten Apparate und von der Indivi­dualität des Thieres abliängig. Hering gibt die zur Hervorrufung der vollständigen Narkose beim Pferde undEinde nothwendigen Quantität des Aethers auf 3 bis 6 Unzen, Seifert auf 2 Unzen an, während nach Letzterem, sowie nach Hey, für Schaf, Ziege und Hund eine Unze ausreicht; soll die Anästhesie länger unterhalten werden, so kann sich der Verbrauch von Aether selbst auf 10 bis 16 Unzen be­laufen; zum Tödten eines Pferdes benöthigte Seifert I1/) Pfund Aether, während Henderson und Cherry ein Pferd, welches bloss 6 Unzen Aether eingeathmet hatte, verenden sahen. Eben so abweichend sind die Angaben der Autoren über das zur Karkose erforderliche Quantum Chloroform, von welchem nach Hey 7 bis 8 Tropfen für einen Hund, 20 Tropfen für ein Pferd ausreichen sollen, während nach der Ansicht anderer Thierärzte für die letztgenannte Thiergattung 2 bis 3 Drachmen, ja sogar 1—3 Unzen benöthiget werden. Am Ge-rathensten dürfte es wohl sein, besonders bei Hunden, welche gegen das Chloroform, dessen Qualität ausserdem nicht immer gleich ist, sehr empfind­lich sind, zuerst bloss geringe Quantitäten zu versuchen und im Noth-falle eine neuerliche Menge nachzugiessen, um den erforderlichen Grad von Betäubung hervorzurufen.
Unterschied zwischen Aether und Chloroform.
Wie bereits oben erwähnt wurde, benützt man zum Anästhesi-ren gegenwärtig fast ausschliesslich den Aether und das Chloroform; welchem von den genannten Stoffen jedoch der Vorzug einzuräumen sei, ist gleichfalls noch nicht vollkommen entschieden. Während einige Thierärzte das Chloroform, welches auch in der Menschenheilkunde viel häufiger, als der Aether angewendet wird, vorziehen, da dasselbe stärker, schneller und sicherer wirkt, keinen Eeiz auf die Luftwege hervorruft und ohne complicirten Apparaten angewendet werden kann, bedienen sich andere des viel billigeren und ihrer Ansicht nach minder gefährlichen Aethers mit Vorliebe. Nicht minder wird von Einigen ein Gemenge von Aether und Chloroform (gewöhnlich 8 : 1) als weniger gefährlich empfohlen. Erwiesener Massen ist das Chloroform für kleinere Hausthiere, besonders für zarte Hunde gefährlicher, als der Aether, und die von Schiff in dieser Beziehung angestellten ver­gleichenden Versuche haben ergeben, dass Thiere, welche durch
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Aether in Scheintod versetzt worden waren, und nicht mehr respirir-ten, durch künstliche Kespiraticm stets wieder zum Leben gebracht wurden, und sich selbst mit Sicherheit überlassen werden konnten, sobald der erste automatische Athemzug erschienen war, während bei dem durch Chloroform bewirkten Scheintode die künstliehe Respiration zwar auch die erloschenen Athemzüge wieder herstellte, aber gleichwohl das Le­ben nicht immer rettete, indem das Athmen wieder aufhörte und der Tod eintrat; auch machte Schiff die Beobachtung, dass Thiere viel grössere Mengen von Chloroform ertrugen, wenn die Temperatur des Körpers durch kalte Umgebungen bedeutend herabgesetzt worden war. Key bemerkte, dass bei mehrere Tage nach einander wiederholter Anwendung von Inhalationen die Betäubung länger andauerte und die Thiere durch eine geraume Zeit einen bedeutenden Schwächegrad er­kennen Hessen; erhält das Narkotisiren bloss bei kräftigen Thieren für zulässig.
Andere A n w end ungs w eis en der anästhesirenden Stoff e. Auch auf anderem Wege versuchte man die anästhesirenden Stoft'e dem Organismus einzuverleiben, um Narkose zu erzeugen, ge­langte jedoch dabei entweder gar nicht oder nur unvollkommen oder mit bedeutender Oei'ahr zum Ziele, welches letztere besonders von der mehrfach angestellten Infusion von Aether in die Venen gilt, durch welches Verfahren wohl Lnempfindlichkeit herbeigeführt, aber wiederholt der Tod des Thieres bedingt wurde. Einführen des Aethers in flüssigem oder in gasförmigem Zustande in den Mastdarm ergab höchst unvollständige Resultate. L e v i suchte durch Auftropfen von Aether auf die Körperstelle, an welcher die Operation vorgenommen werden sollte, eine lokale Narkose beim Pferde hervorzurufen, was ihm jedoch auch nur unvollkommen gelang.
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Elementare Operationen.
M
an bezeichnet mit den Ausdrücken: E lerne n t are 0 p e rat i onen
h: #9632;
oder Elementar-Verfahren die allgemeinsten operativen Vor­gänge, aus deren Zusammentzung alle grösseren Operationen entstehen. Dieselben haben entweder Trennung oder Ver einigung der Ge­bilde zum nächsten Zwecke.
Die Elementarverfahren, welche theils mit mehr, theils mit weniger Blutung verbundene T r e n n u n g e n an den Weichtheilen oder an knöchernen und hornenen Geweben hervorrufen, sind :
das Schneiden,
das Stechen,
das Schaben,
das Bohren,
das Meissein,
das Sägen und Feilen,
die Ligatur,
das Ausreissen,
das Abquetschen,
das Aetzen und Brennen,
das Legen eines Fontanelles,
das Ziehen des Haarseiles,
die Acupunctur und
das Impfen. Eine Vereinigung getrennter Gebilde sucht man dagegen durch
die Anwendung von Klebpflastern und
durch die Anlegung der Naht zu erzielen.
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Dilaquo; Trennung
umfasst die eben aufgezählten, blutigen und mehr weniger unblutigen Trennungsarten.
I, Blutige Trennung.
A. In den Weichtheilen. a) Schneiden.
Den Schnitt, welcher die häutigste aller elementaren Operationen ist und eine blutige Trennung des Zusammenhanges der organischen Gebilde, welche mehr der Fläche, als der Dicke nach stattfindet, dar­stellt, vollführt man mit Messern oder Scheeren, welche Instru­mente ihrer verschiedenen Beschaffenheit nach bald vorwiegend durch Zug, bald mehr durch Druck in Wirksamkeit gesetzt werden.
Die Art des Schneidens ist verschieden, je nachdem man ein oder das andere Instrument in Gebrauch zieht.
1. Schneiden mit Messern.
Die chirurgischen Messer, deren man sich, da sie am allgemein­sten anwendbar sind und die reinsten Schnitte geben, am häufigsten zur Trennung der Weichtheile bedient, werden nach dem Verhältnisse des Griffes zur Klinge u. z.
in Skalpelle, deren Klinge kürzer als das Heft ist und mit diesem in unbeweglicher Verbindung steht,
in Bistouris, welche eine mit dem Hefte beweglich verbundene und in letzteres verbergbare Klinge besitzen und
in eigentliche Messer, bei denen wohl gleichfalls zwischen Heft und Klinge eine unbewegliche Verbindung besteht, die Klinge jedoch das Heft an Länge bedeutend übertrifft, eingetheilt.
Ferner unterscheidet man in Betreff der Form der Klinge und in Betreff der Beschaffenheit der Spitze convexc, gerade, con-cavschneidige, mit scharfem oder mit zugerundetem oder geknöpftem Ende versehene Bistouris und Skalpelle.
Das Skalpell hat den Vorzug vor dem Bistouri, dass es des längeren und festeren Heftes wegen, dessen hinteres, meisselförmig gestaltetes Ende gleichzeitig zur Trennung lockerer Bindegewebslagen, was bei gewissen Operationen von Vortheil ist, verwendet werden
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kann, eine sicherere Handhabung gestattet, während das Bistouriheft, selbst wenn die Klinge festgestellt werden kann, dünn und biegsam ist; dagegen kann bei dem Bistouri die Klinge im Hefte verbor­gen werden und es eignet sich daher dieses Instrument vorzugsweise zur Unterbringung in einer Verbandtasche.
Messerhaltung.
Die Haltung der Messer ist je nach der Grosse und Richtung der zu führenden Schnitte eine verschiedene und man nimmt als Haupthaltungen nachstehende an:
laquo;) Wie eine Schreibfeder, die Schneide der Klinge nach unten oder nach oben gerichtet. Im ersteren Falle legt man den Daumen auf die eine Seite des Charnieres, den Zeige-tingcr auf die andere Seite, jedoch etwas mehr nach vorne und gegen den Rücken der Klinge hin, den Mittelfinger an den unteren Rand der Ferse oder an die Seite der Klinge, je nachdem man seichter oder tiefer schneiden will, der vierte Finger wird, um den, das Messer haltenden Fingern freieren Spielraum zu gewähren, eingeschlagen, oder wie der kleine Finger zur Unterstützung der Hand auf die nebenliogcnden Theile aufgestemmt, welches Verfahren besonders dort von Nutzen ist, wo die Messerzüge der Schonung der unterhalb gelegenen Parthieen wegen sehr sicher geführt werden sollen. Diese Haltung des Messers ist für feinere Operationen, zur Führung kurzer, bemessener Schnitte, welche bloss durch Bewegungen der Finger, nicht aber der ganzen Hand bewirkt werden, die gewöhnliche und dient ebenfalls zur chirurgischen Präparation. Sieht die Schneide nach oben, so kommen Zeigefinger und Daumen an die zwei Flächen des vorderen Endes des Griffes, der Mittelfinger an den Rü­cken der Klinge zu liegen. ß) Man fasst das Messerheft zwischen Daumen einerseits und den übrigen Fingern andererseits mit nach ab- oder aufwärts gekehrter Schneide. Die erstere Haltung wird meistentheils dort angewendet, wo man lange, nicht sehr tief eindringende Schnitte führen will, der letzteren Haltung bedient man sich zum Schneiden auf der Hohlsonde. ;#9632;) Will man mit einem Male in eine beträchliche Tiefe eindrin­gen oder sind derbe, unnachgiebigere Theile zu trennen, wo­zu eine bedeutendere Kraftanwendung erforderlich ist, so
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tässt man das Messer derart in die volle Hand, dass das Griffende an den hinteren Ballen der Hand angestemmt wird, und setzt, um den nothwendigen Druck ausüben zu können, den Zeigefinger auf den Eiicken der Klinge. 6) Ist der abzutragende Theil von bedeutenderer Festigkeit, wie diess z. B. bei dem Home der Fall ist, so wird das Messer mit der vollen Hand gefasst, indem der Daumen von der einen, die übrigen Finger von der anderen Seite das Heft umgreifen. In dieser quot;Weise handhabt man z. B. den Huf-reisser, das Linsenmesser.
Ausdehnung und Eichtung der Schnitte.
Bei dem Gebrauche schneidender Instrumente gilt es als Haupt­regel, mit einem einzigen Schnitte immer so viel zu trennen, als mög­lich ist, ohne eine Verletzung lebenswichtiger Gebilde, die bei vor­sichtigerem Operiren leicht hätten geschont werden können, befürchten zu müssen; man mache daher möglichst lange Schnitte und vollführe kurze, bemessene Messerzüge nur dort, wo grosse Gefässe, Nerven, Gelenke u. dgl. liegen, deren Verwundung thunlichst zu vermeiden ist.
Ausgiebige Schnitte gewähren den Yortheil, dass die in der Tiefe befindlichen Gebilde leichter zugänglich werden, dass die Wundränder glatter und ebener ausfallen, und dass die Wundsekrete unbehindert abfliessen können, wodurch Eiterversenkungen, Hohllegungen u. dgl. und die in Folge dieser Zufälle meist nothwendig werdenden Nach­operationen häutig vermieden werden.
Die Schnitte selbst macht man, wenn nicht besondere Umstände dagegen sprechen, in der Eichtung der Haare oder der natürlichen Hautfalten oder bei tieferem Eindringen in jener der Muskelfasern und bringt sie im Allgemeinen in der Weise an, dass ein zu starkes Klaffen der Wundränder, so wie die Entstehung von auffallenden Narben möglichst verhütet, gleichzeitig aber der Abfluss der Wund­sekrete thunlichst erleichtert werde. Handelt es sich um die Beseiti­gung einer Geschwulst, so wird der erste Schnitt gewöhnlich in der Richtung des grössten Durchmessers derselben geführt. Art des Schneidens.
Die Durchschneidung der Gebilde kann entweder von der Ober­fläche gegen die Tiefe zu, von aussen nach innen, oder in tirn-gekehrter Eichtung, von innen nach aussen stattfinden, wobei die in den oberflächlich gelegenen Theilen hervorgebrachte Trennung eine gleich grosso oder selbst eine grössere Ausdehnung besitzt, als
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jene der tieferliegenden Parthieen, oder es werden die unter der Haut gelegenen Theile von einer sehr kleinen Hautwunde aus, d. h. in subcutaner Weise durchschnitten.
A) Den Schnitt von aussen nach innen (Einschnitt, Inci­sion) macht mau entweder ohne oder mit Bildung einer Hautfalte.
Im ersteren Falle muss die Haut besonders dort, wo sie sehr leicht verschiebbar ist und der Klinge des Messers ausweichen oder Falten bilden würde, gespannt, werden und zwar hat diese Spannung wo möglich zu beiden Seiten der beabsichtigten Schnittlinie und ausser-dem in der dem Schnitte entgegengesetzten Richtung stattzufinden; zu diesem Zwecke setzt der Operateur den, dem kleinen Finger entspre­chenden Hand (den Ulnarrand) der linken Hand, mit welchem die Haut in der zuletzt genannten Richtung angespannt wird, vor dem Anfange des Einschnittes auf, und bewirkt die seitliche Spannung durch Aufsetzen des Daumens auf den einen, des Zeige-, und häutig noch des Mittelfingers auf der anderen Seite, oder man beschränkt sich, was besonders bei beengtem Operationsfelde häufig geschehen muss, bloss auf das letztere Verfahren. Zuweilen z. B. bei grösseren Incisionen ist hiezu die Mitwirkung eines Gehilfen nothwendig, dem man die Spannung der Haut ganz oder theilweise anvertraut.
Der Einschnitt wird nun entweder überall von gleicher Tiefe gemacht oder er ist am Anfangs- und am Endpunkte etwas seichter, als in der Mitte.
Um einen Einschnitt von der erstgenannten Beschaffenheit zu erhalten, wird ein spitzes gerades Messer senkrecht gleich so tief ein­gestochen, als man überhaupt eindringen will, hierauf der Messergriff so gesenkt, dass die Klinge mit der Haut einen spitzen quot;Winkel bil­det, der Schnitt in der beabsichtigten Ausdehnung geführt, der Griff des Messers wieder gehoben, und letzteres in derselben Richtung, in welcher der Schnitt begonnen wurde, ausgezogen. Die auf diese Weise erhaltenen Schnitte sind zwar sehr scharf, rein, am Anfange und am Ende genau begrenzt, indess ist es nicht leicht, gleich beim Einstechen des Messers die richtige Tiefe zu treffen, und ausserdem ist diese Art der Schnittführung nur dort anwendbar, wo die unterliegenden Par­thieen einer besonderen Schonung nicht bedürfen.
Ist das Letztere dagegen der Fall, so wird u. z. am geeignet­sten ein convexos Messer, ohne es einzustechen, über die zu trennen­den Theile mit ganz leichtem Drucke hinweggezogen und ein Schnitt erzeugt, dessen Winkel immer seichter, als die Mitte sind, dem indess durch Nachhilfe gleichfalls eine gleichmässige Tiefe gegeben werden kann.
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Soll der Schnitt mit Bildung einer Hautfalte ausgeführt werden, was selbstverständlich nur dort möglich ist, wo die Haut eine hin­reichende Beweglichkeit besitzt, so hebt man mit den Daumen und Zeigefingern die Haut zu beiden Seiten der Schnittbahn in eine quer durch die Mitte derselben gehende Falte so hoch empor, als die halbe Länge des Schnittes betragen soll, übergibt den mit der rechten Hand gefassten Theil der Falte einem Gehilfen und schneidet die Falte von dem Bande aus gegen den Grund mit dem Messer wo möglich in einem Zuge durch. Dieses Verfahren ist besonders da, wo die Haut eine feste Unterlage nicht besitzt oder wo unter derselben ein wich­tiger und leicht zu verletzender Theil liegt, von besonderem Vortheile.
B)nbsp; Der Schnitt von innen nach aussen, bei welchem die Schneide des Messers gegen die zu trennenden Theile, gewöhnlich also nach aufwärts gerichtet wird, kann entweder aus freier Hand oder un­ter Zuhilfenahme eines Leitungsinstrumentes bewerkstelliget werden, und hat meistens die Erweiterung einer natürlichen oder künstlichen Oefthung zum Zwecke.
Ist eine Oeffnung nicht vorhanden, so kann man entweder eine in der vorher beschriebenen quot;Weise gebildete Hautfalte an ihrem Grunde mit einem spitzen Messer durchstechen, und diese von unten nach oben durchschneiden, oder man führt ein spitzes, nicht selten sichel­förmiges Messer unter der zu durchschneidenden Earthie bis an den Punkt, bis zu welchem sich der Schnitt erstrecken soll, sticht es hier aus und trennt die Theile, die Schneide des Messers gegen sich zie­hend, oder man sticht ein spitzes Messer senkrecht in eine zu trennen­de Höhlenwand, senkt dann das Heft desselben oder jenes des an seiner Stelle eingebrachten geknöpften Messers in der Richtung des Messerrückens, führt das Messer unter den zu durchschneidenden Thei-len, diese von innen nach aussen trennend, fort und bringt am Ende des Schnittes die Klinge wieder in senkrechte Stellung.
Bei einer schon bestehenden Oeffnung bedient man sich meist des Knopfmessers, welches auf dem Finger, seltener des Spitzmessers, welches auf der Hohlsonde unter die zu durchtrennenden Parthieen eingeführt und in der, in den vorhergehenden Zeilen angegebenen quot;Weise gehandhabt wird.
C)nbsp; nbsp;Das Trennen oder das Entfernen des Bindegewebes, um die durch dasselbe vereinigten Theile zu sondern, wird sowohl in der Chirurgie, als in der Anatomie mit dem Namen: Präpariren be­zeichnet.
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1st ein durch normales Bindegewebe angehefteter Hautlappen abzulösen, so ergreift man sein freies Ende mit Daumen und Zeige­finger der linken Hand, oder, wenn dieses nicht gleich möglich, mit einer anatomischen Pincette, spannt das darunter liegende Bindege­webe und den Lappen selbst, indem man ihn emporzieht, und durch­schneidet ersteres mit dem, nach Art einer Schreibfeder gehaltenen convexen Messer von einem Ende bis zu dem anderen in einem Zuge.
Ist der Lappen dagegen mit den unterliegenden Theilen durch ein, in Folge von Krankheitsprozessen verändertes Bindegewebe inni­ger verbunden, so ist die Trennung mittelst mehrerer Schnitte aus­zuführen.
In der Nähe von Gebilden, deren Verletzung eine bedeutende Gefahr bedingen würde, sucht man das Bindegewebe durch stumpfe Instrumente z. B. eine Hohlsonde, einen Skalpellstiel oder mit den Fingern zu trennen, oder hebt dasselbe mit einer Pincette in die Höhe, durchschneidet den emporgehobenen Theil mit dem flach gehal­tenen oder selbst mit der Schneide etwas nach aufwärts gekehrten Messer und nimmt die Hohlsonde zu Hilfe.
Nicht minder vortheilhaft ist es, die zu durchschneidenden Ge­bilde in schwierigen Fällen mit den Fingerspitzen zu fassen, um zu erkennen, was man gefasst hat, und sich darnach benehmen zu können.
D) Durch den Unt erha ut-oder s üb cutanen Schnitt sollen Trennungen der unter der Haut liegenden Gebilde erzeugt werden, ohne die durch denselben hervorgebrachte Wunde der Einwirkung der Luft auszusetzen, da man beobachtet hat, dass die Heilung der­artiger Verletzungen meist sehr schnell erfolge. Zur Erreichung dieses Zweckes macht man in der Haut bloss eine eben nur hinreichend grosse Oeffnung, um das schneidende Instrument einführen zu können; es besteht somit jede subeutane Trennung eigentlich aus einem Ein­stiche und aus einem Schnitte. Da der zu trennende Theil in der Mehrzahl der Fälle ein Muskel oder eine Sehne ist, so hat man die zu subcutauen Schnitten angewendeten Instrumente Myotome oder T e n o t o m e genannt.
Die unter der Haut gelegenen Theile können in der Richtung von aussen nach innen oder in Jener von innen nach aussen durchschnitten werden.
Zu dem subeutanen Schnitte bedient man sich entweder eines einzigen Instrumentes u. z. eines spitzen, sichelförmig gekrümmten Tenotoms, mit welchem man sowohl die Haut, als auch die unter der­selben gelegenen Theile trennt, oder man macht früher den Einstich
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in die Haut mit einem Spifzmesser oder mit einer Lancette und sohiebt dann durch die kleine Wunde ein au der Spitze abgerundetes, ge­knöpftes, schwach concaves Tenotom ein, mit welchem man den Schnitt vollführt.
Form der Schnitte.
DieSchnitte sind entweder geradlinige oder krummli n ige, entweder einfache oder zusammengesetzte, bei welchen letz­teren mehrere gerade oder krumme Schnitte mit einander verbunden werden.
Die zusammengesetzten Schnitte werden nach ihrer Aehnlichkeit mit den Buchstaben des grossen lateinischen Alphabets oder mit an­deren bekannten Formen benannt, und man unterscheidet in dieser Hinsicht V-,T-,L-, halbmond-fdrmigo, Kreuz-, elliptischeS'chnitte u. a.m.
Im Allgemeinen gilt die Eegel, dass man den schwierigsten Schnitt immer zuerst mache, und den zweiten nicht von dem ersten aus beginne, sondern gegen diese ende, dass ferner der tieferliegende Schnitt der Blutung wegen immer früher, als der höher oben anzu­bringende geführt werde.
2. Schneiden mit Scheeren.
Anstatt der Messer kann man sich zur Durchschneidung solcher Theile, welche von zwei Seiten zugänglich sind, der Scheeren bedienen, welche, durch Druck mehr, als durch Zug wirkend, die Gebilde gleich­zeitig fassen, und sich desshalb zur Trennung weicher, nachgiebiger, häutiger Parthieen vorzugsweise eignen.
Früher bediente man sich der Scheeren seltener, da man die Ansicht hatte, dass der mittelst dieser Instrumente ausgeführte Schnitt immer mit öuetsehung verbunden sei, was jedoch bei einer gut gear­beiteten Scheere, mit welcher man eben so reine Schnitte, wie mit einem Messer hervorbringen kann, durchaus nicht der Fall ist.
Von den verschiedenen Formen der Scheeren, welche zu allge­meinen Zwecken bestimmt sind, benützt man gegenwärtig nur die gerade und die der Fläche nach gebogene, (Co op er'sche) Scheere; die Kniescheere, so wie die nach der Kante ge­bogene sind als unnöthig ausser Gebrauch gesetzt.
Die Scheeren werden meistens so gehalten, dass der Daumen und der Mittelfinger in die Ringe, der Zeigefinger aber in die Nähe des Schlosses oder an jenen Schenkel zu liegen kömmt, in dessen Ring der Mittelfinger sich befindet; vortheilhafter ist es aber, den Daumen
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in einen, den Ringfinger in den anderen Ring zu stecken, und den Mittelfinger in der Nähe des letzteren, den Zeigefinger aber gerade an die Schlossschraube anzulegen, da man auf diese Weise die Scheere mit mehr Kraft handhabt, und die mit ihr vorzunehmenden Bewegun­gen vielmehr in seiner Gewalt hat, als diess bei der anderen Art der Haltung des Instrumentes der Fall ist; der fünfte Finger bleibt stets frei, und kann als Stützpunkt benützt werden. Auch mit denScheeren macht man' thunlichst grosse Schnitte und schiebt die Blätter immer etwas über die Stelle, bis zu welcher der Schnitt reichen soll, hinaus, da der zu trennende Theil während des Schliessens der Scheere, während dessen man die Blätter leicht gegen einander drückt, gewöhn­lich gegen die Spitze zurückweicht.
Soll mittelst der Scheere von irgend einer Fläche etwas abge­schnitten werden, so drückt man die Scheerenblätter mittelst des auf das Schloss gesetzten Zeigefingers an; bedient man sich hiezu der Hohlscheere, so ist die convexe Fläche derselben dort anzulegen, wo der Theil abgetragen werden soll.
Hilfsinstrumente zum Schnitte.
Diese sind: die Pincetten, die spitzen und die stumpfen Haken, und die Hohlsonde.
Die zum Fassen sehr beweglicher, dehnbarer, nicht .gespannter Theile oder zum Aufheben und Abziehen von Wundräudern bestimmte anatomische Pincette wird immer mit der freien Hand, also meist mit der linken, geführt und wie eine Schreibfeder gehalten; während der Zeigefinger und der Daumen die Pincette an ihrem dick­sten Theile fassen, und dieselbe gerade nur so stark zusammendrücken, dass die erfasste Parthie nicht ausgleiten kann, um sowohl die Er­müdung der Finger, als auch eine stärkere Quetschung der gefassten Theile zu verhüten, wird der Mittelfinger an eine Branche der Spitze ziemlieh nahe angelegt.
Der spitzen Haken bedient man sich vorzugsweise zum Ergreifen und zum Halten solcher Theile, welche entfernt werden sollen, während die stumpf en Haken oder quot;Wundhaken zum Ab­ziehen und Auseinanderhalten von Wundrändern Anwendung finden.
Die gewöhnliche Hohlsonde, mittelst welcher einestheils die zu durchschneidenden Theile etwas emporgehoben und gespannt, anderstheils die unter diesen liegenden Gebilde geschützt werden, wird an dem hinteren Ende mit Daumen und Zeigefinger gefasst und, entweder durch eine bereits vorhandene oder durch eine früher zu bil-
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dende Oeffnimg eingeführt, unter den Gebilden bis zu dem Punkte, bis zu welchem der Schnitt gemacht werden soll, vorgeschoben, hier­auf ein gerades Messer unter einem spitzen Winkel mit dem Rücken auf die llinne aufgesetzt, und die Trennung der durch Niederdrücken des Griffes der Sonde gespannten Theile durch Vorwärtsschieben des Messers in der Rinne bewerkstelliget, wobei behufs der Vollendung des Schnittes zuletzt der Griff des Messers so gehoben wird, dass die Schneide mit den getrennten Gebilden einen rechten Winkel bildet. Lässt sich das Ende der eingeführten Hohlsonde von aussen leicht erkennen, so kann man ausnahmsweise das Messer auf dieses einste­chen und den Schnitt gegen sich führen.
b) Stechen.
Mit dem Ausdrucke: „Stichquot; bezeichnet man im Allgemeinen eine Trennung des Zusammenhanges, deren Länge und Breite dem Durehmesser des verwundenden Instrumentes entspricht. Man wendet den Stich an, um Theile in ihrem Dickendurohmesser zu durchdringen. Wird von aussen nach innen gestochen, so bezeichnet man das Ver­fahren als Einstich, im entgegengesetzten Falle als Ausstich. Wird der Einstich behufs der Entfernung der in geschlossenen Räumen vorhandenen Flüssigkeiten oder Gase .vorgenommen, so gebraucht man den Ausdruck: „Function oder Far acentes equot;.
Um den Eintritt von Luft in die mittelst des Stiches eröffneten Hohlräume hintanzuhalten, was z. B. bei der Function der Gallen an-gerathen wird, verschiebt man früher mit den Fingern der linken Hand die Haut nach einer oder nach der anderen Seite hin, vollführt den Einstich und lässt die vorhandenen Flüssigkeiten ausströmen. Nimmt nun die Haut nach Aufhebung der Spannung ihre frühere Lage wie­der an, so bedeckt sie die in den tieferen Gebilden vorhandene Wunde und hindert das Eindringen von Luft. Dasselbe' Resultat lässt sich durch die subeutane Function erzielen, indem man ein schmales, spitzes Messer in hinreichender Entfernung von dem zu eröifnenden Hohl­räume einsticht, es unter der Haut bis zu dem Einstichspunkte fort­schiebt und nun erst die Function macht, so dass ein kleiner Kanal entsteht.
Das Verfahren bei dem Stiche ist mit Bezugnahme auf die an­gewendeten Instrumente ein verschiedenes.
1. Stechen mit Nadeln.
Dieses meist zur Erreichung mehr specieller Zwecke Anwen­dung findende Verfahren, zu welchem man Heftnadeln, Acupunctur-nadeln u. and. benützt, wird erst später näher besprochen werden.
Forster Operationslehre fur Thierapzle.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4
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so
2.nbsp; nbsp;Stechen mit dem Messer.
Dieser Stich, zu welchem man ein Spitzbistouri verwendet, welches, wie eine Schreibfeder oder wie eine Lancette gehalten, ent­weder senkrecht oder unter einem Winkel von beiläufig 45deg; einge­stochen, lind in derselben Richtung zurückgezogen wird, bildet häu-flo- den Voract eines Schnittes von innen nach aussen, wie diess z. B. bei der Eröffnung von Abscessen, Quetsehgesohwülsten u. dgl. der Fall ist.
3.nbsp; nbsp;Stechen mit der Lancette.
Tier Lancette bedient man sich zum Aderlasse und zur Erzeu­gung der Hautwunde bei snbcutanen Schnitten, seltener zur Eröffnung von Abscessen, so wie zum Impfen. Das Instrument wird in der Weise gehandhabt, dass man die Klinge recliiwinklig zum Hefte stellt, und dieselbe zwischen den etwas gebeugten Daumen und Zeigefinger nahe­zu der Stelle fasst, bis zu welcher die Spitze eindringen soll, während die übrigen Finger als Stützpunkt der Hand verwendet werden. Nach­dem die Haut an dem entsprechenden Orte mittelst des Daumens und Zeigefingers der freien Hand gespannt wird, sticht man die Spitze des Instrumentes mit einem kräftigen Drucke durch plötzliche Streckung der gebeugten Finger bis zu der erforderlichen Tiefe ein, und erwei­tert im Zurückziehen der Lancette die Oeffuung, falls sie nicht hin­reichend gross sein sollte, durch Senken des hinteren Theiles der Klinge.
4. Stechen mitdem Trocart.
Das Stechen mit dem Trocart weicht von den eben aufgezählten Einstichsverfahren darin ab, dass bei demselben nach der Durchstechung der Wandung einer Höhle oder eines Kanales eine Röhre zurückbleibt, die, zum Theile in dem Hohlräume steckend, die Entfernung der in dem letzteren angesammelten Gase oder Flüssigkeiten ermöglichet.
Man gibt dem Trocart den Vorzug vor den übrigen stechenden Instrumenten in solchen Fällen, wo die Wandung einer Höhle aus mehreren Schichten besteht, durch deren Uebereinanderschiebung das Ausströmen der in dem Hohlräume vorhandenen Substanzen verhin­dert würde; wo man eine Verletzung wichtiger, in der Nähe der zu eröffnenden Höhle gelegener Organe durch das Messer befürchtet; wo man Injectionen in Höhlen vorzunehmen beabsichtiget oder wo man endlich über die Wesenheit einer Geschwulst durch einen Einstich Aufschluss zu erhalten wünscht.
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Die Trocarts werden nach ihrer Grosse und nach der Beschaffen­heit des Griffes, welcher entweder hirnfürmig ist oder einen Ring oder selbst nur ein kleines Knöpfchen bildet, in verschiedener Weise ge­handhabt.
a)nbsp; nbsp;Dünne und lange, mit einem Knöpfchen versehene Trocarts z. B. den Explorativ - Trocart fasst man zwischen Daumen, Mittel-und Ringfinger und setzt den Zeigefinger auf das Knöpfchen.
b)nbsp; nbsp;Bildet der Griff einen Ring, so bringt man in diesen den Daumen und hält die Canule diesem gegenüber unmittelbar hinter der Scheibe zwischen dem Zeige- und Mittelfinger.
e) Einen Zapfspiess mit birnförmigera Griffe fasst man mit sel­tenen Ausnahmen, wie z. B. beim Pansenstiche, in die volle Hand so, dass der Griff an dem hinteren Ballen der Hand, der Daumen und Mittelfinger auf der Scheibe ruhen, und setzt, wenn man die Dicke der zu durchstechenden quot;Wand kennt, den Zeigefinger an derjenigen Stelle der Canule auf, bis zu welcher das Instrument eindringen, soll, während man im entgegengesetzten Falle denselben etwas ober der Mitte der Canule anlegt.
Der auf eine oder die andere Art gehaltene Trocart wird nun, nachdem man die Haut an der Einstichsstelle mit der freien Hand in geeigneter Weise spannt, senkrecht eingestochen und so weit vorge­schoben, bis man, wie es bei dünnen, gespannten Wandungen derEall ist, an dem aufgehobenen Widerstände oder an dem Vordringen von Flüssigkeit oder, bei dickeren Wandungen, an der Möglichkeit, das vor-#9632; dere Ende des Trocarts nach denquot; Seiten zu bewegen, erkennt, dass man in den zu eröffnenden Hohlraum eingedrungen sei, hält hierauf mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand die Canule fest und zieht mit der rechten den Stachel heraus.
Sollte das Ausströmen der Flüssigkeit oder der Gase unter­brochen werden, so beseitiget man mittelst einer in die Canule ein­geführten Sonde die etwa vorhandenen Hindernisse, z. B. Faserstoff-klümpchen, Futterstoffe u. dgl. oder man bewegt die Canule vorsich­tig hin und her, wobei aber stets die Finger der linken Hand die­selbe derart fixiren müssen, dass weder ein Herausgleiten, noch ein zu tiefes Eindringen möglich ist.
Soll die Röhre entfernt werden, so erfasst man dieselbe mit der rechten Hand, während man mit den Fingern der linken Hand die Haut in der Umgebung des Stiches gegen die unterliegenden Gebilde sanft andrückt, um theils eine Zerrung der Haut, theils das Eindrin­gen von Luft zu verhüten, und zieht die Canule vorsichtig heraus.
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B. Tremmig der festen Gebilde. Während man sich zur Trennung der Horngebilde, wie z. B. des Hufes in der Mehrzahl der Fälle des Messers, vorzugsweise des hiezu ausschliesslich bestimmten Einnmessers (des Hufreissers) be­dient, werden Knochen nur dann mit dem Messer getrennt werden können, wenn sie an und für sich weich, schwammig, oder durch vor­hergegangene Krankheitsprozesse erweicht sind; in den meisten Fällen wird die Trennung der letztgenannten Gebilde, seltener jene der erst­genannten durch das Schaben, Bohren, Meissein, Sägen und durch die Anwendung der Kneipzangen bewirkt.
1.nbsp; Das Schaben,
welches in sehr beschränkter Ausdehnung Anwendung findet, wird entweder mit stärkeren Messern oder mit eigenen Schabeisen, welche unter ziemlich starkem Drucke über den Knochen weggezogen wer­den, ausgeführt.
Der F eilen und Raspeln bedient man sich theils zum Ebnen rauher Knochenflächen, theils zur Entfernung von Horn oder vorste­hender Zahnspitzen u. dgl.
2.nbsp; Das Bohren,
d. h. die Anwendung des gewöhnlichen spiralförmigen Bohrers, wurde früher nur zur Erreichung ganz specieller Zwecke benützt, und ist gegenwärtig fast gänzlich aufgegeben worden.
3. Das Meissein.
Auch diese, im Allgemeinen der mit ihrer Anwendung verbun­denen bedeutenden Erschütterung wegen nur selten gebrauchten Schneid­werkzeuge, welche eine rechtwinklig auf ihre Achse stehende, flach oder hohl geschliffene Schneide besitzen, werden bloss zur Trennung von Knochen benützt.
Man setzt den Meissel auf die zu entfernende Parthie meist unter einem spitzen Winkel an und treibt ihn durch, mittelst eines Hammers von Holz oder Blei auf das hintere Ende geführte Streiche vorwärts; sollte sich die Klinge einkeilen, so löset man dieselbe durch Bewegen des Instrumentes in der Eichtung seiner Grundflächen.
4. Die Anwendung der Kneipzangen
findet dort statt, wo Knochensplitter oder Horn zu entfernen sind. Diese Instrumente, welche sich von den Scheeren dadurch unterschei-
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den, dass die Schneiden ihrer Blätter beim Schliessen nicht über ein­ander gleiten, sondern auf einander zu stehen kommen, werden in die volle Hand gefasst und der Druck nöthigenfalls durch Umgreifen der Schenkel, welche, um besser in die Hohlhand zu passen, nicht selten nach aussen gewölbt sind, mit beiden Händen verstärkt.
5. Das Sägen.
Von den verschiedenen Arten der Sägen gebraucht man in der Thierheilkunde bloss die Bogen-, die Blatt- und die Kreissäge, welche letztere, zur Trepanation bestimmt, später näher besprochen werden wird.
Der Bogensäge bedient man sich z. B. zur Entfernung gestielter Knochenneubildungen, zum Absägen zu langer Zähne u. dgl.; der Blattsäge, besonders der als Messersäge bezeichneten Form, vorzugs­weise dort, wo die zwischen mehreren Trepanöffnungen vorhandenen Knochenbrücken zu entfernen sind.
Die Sägen erzeugen durch Eingreifen der Sägezähne eine all-mälige Trennung der Theile und werden sowohl durch Zug, als auch durch Druck in Wirksamkeit gesetzt; der letztere darf jedoch nur so stark sein, dass die Säge die erforderliche Richtung behält, widrigen­falls das Blatt eingeklemmt und bei fortgesetzter Kraft zerbrochen wird.
Die Bogen- und Blattsägen erfasst man einfach an den Hand­griffen mit voller Hand, setzt das Sägeblatt ungefähr mit seiner Mitte entweder senkrecht oder schief auf den Knochen und den Daumen der anderen Hand, mit der Nageliläche dem Blatte zugewandt, zur Leitung desselben neben diesem auf, zieht hierauf die Säge mit leich­tem Drucke zuerst au sich, stösst sie dann von sich, und wiederholt dieses in kurzen Zügen so .lange, bis eine Leitungsrinne für das Säge­blatt gebildet ist, dann entfernt man den leitenden Daumen, und hält mit der ganzen Hand den Theil, an welchem gesägt wird, fest, lässt nun die Säge so lange in längeren Zügen und mit stärkerem Drucke wirken, bis das zu durchsägende Stück des Knochens nur mehr durch eine dünne Knochenbrücke mit dem übrigen Theile zusammenhängt, wo­rauf der Druck vermindert und in kurzen Zügen der Knochen vollends durchsägt wird.
II. Mehr weniger unblutige Trennungsarten.
1. Die Ligatur. {Alibindung, Unterhindung.) Dieses Elementarverfahren, welches darin besteht, dass ein hin­reichend starker fadenförmiger Gegenstand um eine Gewebsparthie ge-
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führt und so fest geschnürt wird, dass die Ernährung derselben an der Stelle, wo die Einschnürung stattfindet, und auch darüber hinaus aufgehoben wird, und hicmit ein Absterben der abgeschnürten Theile erfolgt, wird angewendet, um entweder Neubildungen oder entartete Körpertheile zu entfernen (Abbinden), oder Trennungen der Gewebe hervorzurufen (Durchbinden) oder Oeifnungen und Kanäle zu ver-schliesseu (Zubinden oder TJntcrbinden).
Wird eine ganze Gewebsparthie ohne Tsolirung der einzelnen sie zusammensetzenden Gewebstheile in die Schlinge gefasst, so nennt man dieses eine Massen Unterbindung, im entgegengesetzten Falle eine isolirte Unterbindung. Als Beispiel des erstgenann­ten Verfahrens kann die Unterbindung des ganzen Samenstranges, als Beispiel des zweiten jene der Samenarterie allein dienen.
Matcriale zur Ligatur. Das zur Abschnürung verwendete Materialc muss im Verhält­nisse zu dem abzuschnürenden Gebilde stehen; es muss hinreichend stark sein, um den nöthigen Widerstand leisten zu können. Man ge­braucht zur Abschnürung Seiden- oder Zwirnfaden, Bändchen, lleb-schnüre, Metalldrähte u. z. gut ausgeglühten, zähen Eisen- und Mes-singdraht, seltener Blei- oder Silberdraht.
ji'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Operationsverfahren.
Die Operation selbst besteht aus zwei Akten, in deren erstem die Ligatur angelegt, im zweiten zusammengeschnürt wird.
Anlegung der Ligatur. Diese kann mit Eücksichtnahme auf die Beschaffenheit des zu umschlingenden Thciles in einer ver­schiedenen Weise ausgeführt werden.
Beim Abbinden wird die Ligatur, wenn der abzuschnürende Theil cylindrisch oder gestielt ist, entweder aus freier Hand angelegt, oder es geschieht dieses an solchen Stellen, wo in der Tiefe oder in Höhlen operirt werden muss, unter Zuhilfenahme eigener Instrumente, der sogenannten Schi ing cnführer. Hat das abzuschnürende Gebilde dagegen eine breitere Basis, so schneidet man, falls dasselbe von der äusseren Haut bedeckt ist, letztere an der Ligaturstelle zuerst ein, und fasst nur die inneren Gewebe in die Schlinge, oder man durch­sticht die Geschwulst einfach oder mehrfach parallel mit der Ober­fläche, an welcher sie aufsitzt, mit einer starken Wundnadel, und schnürt nun das Gebilde mittelst der, durch dasselbe durchgezogenen Fäden in mehreren Parthieen ab, da eine möglichst vollständige Auf-
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hebung der Circulation nur auf diese Weise erreichbar ist. Pührt man z. B. einen doppelten Faden durch die Basis der Geschwulst und bindet je zwei Fadenenden nach entgegengesetzten Kichtungen zusammen, so erhält man zwei Schlingen ; zieht man zwei Doppelliga­turen kreuzweise hindurch, so entstehen vier Schlingen u. s. w. Aus­nahmsweise wird die Ligatur subcutan angelegt, indem man den Fa­den mittelst einer Wundnadel mit oder ohne vorheriger Bildung einer Hautfalte an der Basis der Geschwulst unter die Haut bringt, dann möglichst weit unter der Haut um die Geschwulst führt, die Nadel aussticht, dieselbe durch den Ausstich von Neuem einbringt, weiter um die Geschwulst führt, und in derselben Weise vorgeht, bis man endlieh den Faden durch den ersten Finstichspunkt wieder heraus­zieht und so die ganze Geschwulst in eine Schlinge gefasst hat.
Soll die Wand eines Fistelganges z. li. bei einer Mast­darmfistel mittelst einer Ligatur durch trennt werden, so führt man das Unterbindungsmateriale, meist einen Bleidraht, mittelst einer Oehr-sonde, einer Zapfspiessnadel oder eines ähnlichen Instrumentes hin­durch.
Auch das Anlegen einer Ligatur um ein Gefäss, um
einen Ausführungsgang geschieht in verschiedener Weise, je nachdem das Gebilde an einem Punkte seines Verlaufes (in der Con-tinuität), oder an der Durchschnittsstelle unterbunden werden soll.
Zusammenschnüren der Ligatur. Die Schlinge wird entweder u. z. in dem Falle, als vorauszusehen ist, dass mit einma­ligem Schnüren der Zweck der Operation erreicht werden kann, so­gleich hinreichend fest zusammengezogen oder es wird im entgegen­gesetzten Falle der Faden unmittelbar nach der Anlegung bloss bis zu einem gewissen Grade zusammengeschnürt, und erst im weiteren Verlaufe das Zusammenschnüren verstärkt.
Immer ist jedoch zu berücksichtigen, dass die Schlinge unmittel­bar nach der Anlegung nie sogleich so stark zusammengezogen wer­den darf, dass der Theil vollständig durchschnitten wird, und man hat somit, um den rechten Grad des Zusammenschnürens zu treffen, die Beschaffenheit des Gewebes zu beachten. Der ausserhalb der Schlinge gelegene Theil kann entweder, wenn es zulässig ist, sogleich abge­schnitten werden, oder man lässt ihn so lange im Zusammenhange mit dem anderen, bis er in Folge der aufgehobenen Ernährung abge­storben ist.
Behufs der Zusammenschnürung schürzt man den Faden in einen einfachen Knoten, wenn man denselben nicht, wie es häufig der Fall ist,
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bereits in Form einer Kastrirschlinge angelegt- hat, und zieht nun die Ligatur hinreichend fest zusammen, indem man je ein Fadenende um den vierten und fünften Finger schlingt, dann in die volle Hand fasst, und die Zeigefinger zur Direction des Zuges zu beiden Seiten des Knotens auf den Faden setzt, worauf ein zweiter einfacher Knoten gebildet wird.
Um bei resistenten Gebilden einen hinreichend starken Zug aus­üben zu können, versieht man nicht sei ton. beide Enden des Fadens mit hölzernen Knebeln.
Hat man sich eines Drahtes zur Ligatur bedient, so dreht man beide Enden desselben mit einander so stark zusammen, dass der Draht auf die von ihm umfassten Gebilde einschneidend wirkt, und wiederholt die Drehungen täglich bis zur vollständigen Erreichung des Zweckes. Bei tiefer Lage der abzusclmürenden Gebilde nimmt man zu eigenen Instrumenten, den yehlingenschnürern, mitunter seine Zuflucht.
Von den verschiedenen, mit diesem Namen bezeichneten Instru­menten findet die Doppelröhrc von Levret, welche aus zwei, nach Erforderniss langen, 2—3'quot; weiten, der Länge nach aneinander gelötheten und an der äusseren Seite des hinteren Endes mit je einem kleinen Einge versehenen Metallröhrchen besteht, noch die meiste An­wendung u. z. vorzugsweise zum Abbinden gestielter Polypen, die, in Höhlen sitzend, schwerer zugänglich sind. Durch jedes Eöhrchen wird das Ende eines gut ausgeglühten Drahtes oder eines starken Seiden­fadens derart, dass vor dem vorderen Ende des Ilöhrchens eine Schlinge, welche um die Neubildung gelegt wird, entsteht, durchgeführt, hierauf die Schlinge durch straffes Anziehen der Faden- oder Drahtenden und nachheriges Befestigen derselben an den Hingen der Eöhre verengert, der Stiel der Neubildung durch Drehung der Eöhre um ihre Axe eingeschnürt, das Instrument an der Operationsstelle befestiget und das Drehen öfters bis zur gänzlichen Abschnürung der Geschwulst wiederholt.
Eeicht eine einmalige Zusammenschnürung zum Ab- oder Durch­binden nicht hin, so muss man anstatt des zweiten Knotens eine Schleife bilden, die man, wenn die Schlinge fester zusammengezogen werden soll, öffnet und dann sowohl den ersten Knoten, als auch die Schleife fester zuzieht, oder man legt eine neue Schlinge dicht neben der früheren an, oder man bringt die Fadenenden mit den oben er­wähnten Schlingenschnürern, mittelst welcher die Schlinge beliebig fester zugezogen werden kann, in Yerbindung.
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2. Das Ausreissen, Abreissen. (Arrachement) Dieses Verfahren, welches darin besteht, dass ein Gebilde durch einen, mit der blossen Hand oder mit Zuhilfenahme besonderer zan-geuförmiger Instrumente ausgeübten raschen und kräftigen Zug aus seinem Zusammenhange mit anderen Theilen gelöset wird, findet im Allgemeinen eine beschränkte Anwendung. So können z. B. Polypen, wenn sie einen dünnen Stiel haben und auf einer festen Unterlage aufsitzen, durch Ausreissen entfernt werden; ebenso werden, obschon selten, Lämmer und Kälber durch Abreissen der Hoden entmannt; das Ausreissen der Hornsohle wurde gleichfalls früher geübt.
Auch das Abdrehen der Gebilde ist hieher zu zählen, wobei man den mit der Hand oder mit eigenen Instrumenten erfassten Theil so lange um seine Achse dreht, bis er abroisst; dieses Verfahren wird besonders bei der Castration männlicher und weiblicher Thiere geübt. Mitunter vollführt man an Gewebsparthieen, die man abreissen will, früher einige Drehungen, ehe man einen kräftigen Zug wirken lässt.
3. Das Abquetschen, (ßemsement.) Obschon man in früheren Zeiten das Zerquetschen der Ge­bilde z. B. bei der Castration männlicher Thiere nicht selten übte, so ist dieses Verfahren doch viel zu roh und führt mitunter zu bedenk­liche Folgen nach sich, als dass es noch gegenwärtig in Anwendung gezogen werden sollte.
Lineare Ab quet schung.
Eine besondere Art des Abquetschens, welche auch in der Thier-heilkunde, wenn gleich nicht mit sehr aufmunterndem Erfolge versucht wurde, ist die von Chassaignac im J. 1806 bekannt gemachte linienförmigeD urch- oder Abquetschung, das Ecrasement 1 i n e a i r e.
Diese besteht der Hauptsache nach darin, dass das zu entfernende Gebilde mittelst einer, aus zahlreichen, unter einander beweglich ver­bundenen Gliedern bestehenden Kette, die um den abzuquetschenden Theil in Form einer, durch besondere schrauben- oder hebeiförmige Vorrichtungen zu verengernden Schlinge gelegt wird, je nach der Ee-sistenz und Dicke der Paithie bald rascher, bald langsamer beseitiget werden kann.
Die Vortheile, welche diesem Verfahren, zu dem man sich eines eigenen, von dem Erfinder angegebenen, aber bereits mannigfach ab­geänderten Instrumentes, des Ecraseurs, bedient, zukommen sollen,
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von welchen übrigens nur die beiden zuerst zu nennenden als wirklich bestehend zugegeben werden können, sind: Verhütung des Eintrittes von Blutungen während oder nach der Operation, relativ geringer Um­fang der gesetzten Wunde, massige Entzündung und rasche Heilung. Bei dem Gebrauche wird die Kette des Instrumentes genau so wie eine Ligatur entweder äusserlich um den abzuquetschenden Theil herumgelegt oder mittelst einer stärkeren Nadel durch Parenchyme durchgeführt, falls die Masse, wie diess z. B. bei grösseren Neubil­dungen der Fall ist, für die Abquetschung mit einem Male zu umfang­reich sein sollte, dieselbe hierauf mit den Stangen in Verbindung ge­bracht und die Schlinge nun durch Hebelbewegungen oder durch Umdrehungen der Schraube ganz allmälig zusammengeschnürt; wird die Verengerung der Schlinge zu rasch ausgeführt, so entsteht an den Trennungsflächen eine ebenso bedeutende Blutung, wie nach einem Schnitte und es geht der Hauptvortheil des Verfahrens, nämlich die fast unblutige Trennung, verloren.
4. Das Aetzen und Brennen. (Die Cauterisation.) Beide Verfahren, welche in Rücksicht auf ihre Endwirkung Aehnlichkeiten darbieten, unterscheiden sich von einander dadurch, dass eine Beschränkung der quot;Wirkung der auf chemischem Wege und lang­sam thätigen Aetzmittel nicht so in der Macht des Thierarztes liegt, als diess bei der Anwendung der in physikalischer Weise wirkenden Brennmittel mehr weniger der Fall ist, und dass durch Aufnahme der zum Aetzen verwendeten Mittel in das Blut sich mitunter Allge­meinerscheinungen entwickeln, die man hervorzurufen durchaus nicht beabsichtigte.
A, Das Aetzen.
Die Operation des Aetzens besteht in der kunst-gomässen äusseren Anwendung derartiger chemisch wirkender Stoffe, welche, mit organischen Theil en in Berührung gebracht, das Gewebe mehr weniger rasch zerstören.
Geschichte der Operation.
Der Gebrauch der Aetzmittel (Cauteria potentialia) war in früheren Zeiten, in denen man sich aus Furcht vor Blutungen der schneidenden Instrumente zu bedienen häufiger scheute, ein viel verbreiteterer, als diess gegenwärtig, wo man dem Messer oder dem Brenneisen den Vorzug gibt, der Fall ist.
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#9632;Zweck. Man benützt die Aetzmittel, um Tlieile zu zerstören, in Wunden eingedrungene thierische Gifte- oder in Geschwüren sich entwickelnde Ansteckungsstoffe unschädlich zu machen, Trennungen zu bewirken oder um Eeizung, Entzündung und Eiterung hervorzurufen.
Eintheilung der Aetzmittel und Anwendungsweise der­selben.
Die Aetzmittel werden theils nach ihrer verschiedenen Beschaffen­heit, theils nach den verschiedenen, durch das Aetzen zu erreichenden Zwecken in fester, festweicher und flüssiger Form ange­wendet und die Applikation derselben ist je nach dem Aggregations--zustande der Substanz eine mannigfache.
Vor Allem ist vor der Anwendung des Aetzraittels die betreffende Stelle von etwa vorhandenem Eiter u.dgl. durch Abwischen mit Werg zu reinigen, eine möglicherweise eingetretene Blutung früher zu stillen und die Umgebung durch Aufstreichen von Wachssalbe, Fett, Theer oder ähnlichen Stoffen gegen die ätzende Wirkung des in Gebrauch gezogenen, mehr weniger leicht zerfliessenden Mittels nöthigenfalls zu schützen.
Die in fester Form oder in Substanz gebräuchlichen Aetz­mittel sind entweder in besondere Formen u. z. meistens in jene ver­schieden starker Stängelchen gebracht, wie diess bei dem Höllensteine und bei dem Aetzkali der Fall ist, oder man bedient sich derselben in der Form von verschieden grossen Stückchen oder endlich in jener eines Pulvers. Ersteres gilt z. B. von dem weissen Arsenik, von dem Aetzsublimat, letzteres von dem rothen Präoipitate, dem gebrannten Alaune u. a. m.
Die geformten Aetzmittel befestiget man in einem Federkiele oder in einem eigenen Aetzmittelhalter und betupft oder bestreicht damit mehr odei weniger nachdrücklich die zu ätzende Stelle (Aetzen aus freier Hand), oder man legt ein Stückchen Aetzkali oder Höllenstein auf die von Haaren entblösste Haut, wie diess bei der in der Thierheilkunde äusserst selten stattfindenden Eröffnung der Ab-scesse mittelst des Aelzmittels geschieht, und bringt zum Festhalten des Mittels und zum Schütze der angrenzenden Theile ein Klebepflaster darüber an,' oder man führt Stückchen von Aetzsublimat, weisscra Arsenik u. dgl. in eine, an der zu beseitigenden Neubildung oder an der Haut gemachte Wunde ein und lässt sie, je nachdem man, wie diess z. B. bei Buglähmen hie und da der Fall ist, eine starke Heizung mit darauffolgender
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Entzündung und Eiterung und eine dadurch bedingte Ableitung, oder, wie man es bei Neubildungen herbeizuführen sucht, ein Absterben des Gebildes bezweckt, kürzere oder längere Zeit darin liegen; die pulver-förraigen Aetzmittel werden auf die zu ätzenden Stellen, ausnahms­weise, wie es bei der Castration mit Kluppen geschieht, auf die, die Compression erzeugenden Instrumente einfach aufgestreut.
Von den fest weichen Formen werden die Pasten und die Salben vorzugsweise gebraucht.
In ersterer Form wendet man besonders solche Aetzmittel, #9632;welche tiefer eingreifen sollen, z. B. Kalk, Arsenik, Chlorzink an, und versetzt die ebengenannten Stoffe, um sie in Pastenform zu bringen, mit Substanzen, die mit Wasser abgerührt, einen Teig geben, -wie mit Mehl, arabischem Gummi, Seife u. dgl. oder man mengt ein in Wasser leicht lösliches Aetzmittel bei, wie z. B. Aetzkali, welches dein Aetzkalkc zugesetzt (auf 6 Theile Kalk 5 Theile Aetzkali) die sogenannte WienerAetzpaste bildet. Andere derartige Formen sind z. B. die Arsenikpaste, die Chl orzin kpast e oder die Paste von Canquoin (durch Mischen von einem Theile Chlorzink mit einem bis vier Theilen Mehl), die Aetzsublimatpaste (Sublimat mit Stärkmehl und Tragantgummi) u. a. m.
Diese Gemenge -werden mit Wasser oder Weingeist zu einem steifen Teige angerührt, mittelst eines Spatels etwa 2—3'quot; dick auf die zu ätzende Stelle aufgetragen und dann nöthigenfalls ein Klebe­pflaster darüber gelegt, oder es werden, wie dieses bei Anwendung der bei Sehnenscheideneröffnungen von französischen Thierärzten als besonders -wirksam empfohlenen Aetzsublimatpaste geschieht, Kegel von beiläufig einem Zoll Länge geformt und diese in die vorhandenen Fistelgängc eingeführt.
Die in Salbenform gebrachten Aetzmittel werden gleichfalls entweder mittelst des Spatels auf die betreffenden Partien aufgetragen oder es wird das mit dem Mittel bestrichene Werg auf die Theile aufgelegt, in Kanäle oder Oeffuungen eingeführt u. s. w.
In die Gruppe der flüssigen Aetzmittel gehören die starken Säuren,quot; wie die Schwefel-, die Salpeter-, die Salzsäure, welche mit Rücksicht auf die Schnelligkeit der Wirkung und auf die Festigkeit der nach ihrem Gebrauche zurückbleibenden, sich sehr stark zusammen­ziehenden Narben in bestimmten Fällen sich zur Anwendung vorzugs­weise eignen sollen, die Spiessglanzbutter, die Lösungen von Sublimat, Zinkchlorür u. a. m.
Man trägt diese Aetzmittel, je nachdem sie organische Substanzen
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rascher oder langsamer zerstören, entweder mittelst eines Holz- oder Glasstäbchens oder mittelst eines Pinsels aus Werg, (Jharpie oder der­gleichen auf, oder spritzt sie mittelst einer Spritze, wozu sich eine solche von Glas am besten eignet, in Kanäle und Hohlräume ein.
B. Das Brennen.
Die Operation des Brennens besteht in dor Anwen­dung höherer Wärmegrade auf irgend einen Theil des Thierkörper s.
Sie kann ausgeführt werden, indem man erhitztes Metall auf den Körpertheil einwirken lässt, oder einen brennbaren Gegenstand, z, B. Watte, Schicsspulver, Phosphor, Terpentinöl, Weingeist u. dgl. auf demselben abbrennt oder ihn mit siedenden Flüssigkeiten in Be­rührung bringt.
Geschichte der Operation.
Die Anwendung der Wärme in ihren verschiedenen Graden zur Erreichung von Heilzwecken ist unstreitig eine der am längston ge­kannten Operationen, deren Geschichte sich bis in das grauestc Alter-thum verliert, indem die ältesten Schriftsteller derselben als eines längst bekannten und sehr gebräuchlichen Mittels, das bei ihnen in hohem Ansehen stand, erwähnen. Apsyrtus, Hierocles, Hippo­crates Hippiater, Tiberius, Columella,Yegetius, llusius u. And. empfahlen das Brennen als das mitunter einzig wirksame Mittel bei den verschiedenartigsten äusserlicheu und innerlichen Krank­heiten z. B. bei Sprunggelenksübeln, bei Drüsengeschwülsten, bei Hüft- und Lendenlahme, bei Krankheiten der Ohrdrüsen, bei Knochenneubildungen, bei Wurm, bei Schlangenbissen, bei Augenentzündungen, bei Wasser­sucht, Gallen, Lähmungen u. a. m. und an den verschiedensten Korperstcllcn, wie an der Nase, an dem Schulterblatte, an den Lippen, am Ellbogen, am Kniee, an den Schienbeinen, am Rücken, an der Brust, ferner bei einigen Operationen z. B. bei der Castration, und der häufig durchaus nicht gerechtfertigte Gebrauch desselben erhielt sich bis gegen Ende des 15. Jahrhundertes, zu welcher Zeit die Aetzmittel bekannter wui'den und eine beschränktere Anwendung des Feuers bedingten. Gegen die Mitte des 17. Jahrhundertes wurde jedoch dieses nie gänzlich aussei-Gebrauch gesetzte Heilmittel bei den Thierärzten wieder beliebter und wird auch gegenwärtig noch in mehreren Ländern z. B. in Frankreich, England in ausgedehntestem Masse angewendet.
Gewöhnlich bediente mau sich zum Brennen der aus verschiedenen
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Metallen z. B. aus Kupfer, Silber, Eisen gefertigten Brennkolben, sel­tener der Brenncylinder oder derJJoxa, obschon Vegetius auch von geschmolzenem Blei als von einem zu seiner Zeit gebräuchlichen Mittel gegen Polypen der Thiere spricht. In Betreff des zu den Brennkolben verwendeten Metalles waren die Ansichten der einzelnen Thierärzte gleichfalls gethcilt; so gaben z. B. Ve ge tius, Solleysel, Markam dem Kupfer, welches Lafosse als zu heftig wirkend für ungeeignet hielt, den Vorzug, während Andere sich silberner Brcnnkolben bedienten, weil ihrer Meinung nach die Narbe sich nach dem Brennen mit Silber weniger langsam bildete und desshalb weniger auffallend wurde.
Die Orientalen, besonders die Araber, halten das Brennen für eine Art Universal-Heilmittel und es tragen aus diesem Anlasse viele ihrer Pferde Brandmale an sich. Auch die Engländer wrendeten im verflossenen Jahrhunderte das Feuer noch häufig bloss in dem Wahne an, um junge Pferde in den Gelenken sicherer und freier zu machen und um die Entstehung von Gallen, Knochenneubildungen u. dgl. zu verhüten.
Die zweckentsprechendste und für die überwiegende Zahl der Pälle gewiss ausreichende Art, höhere Hitzegrade anzuwenden, ist das Glüheisen; nur in seltenen Fällen wird man sich der Brcunoylinder, leicht brennbarer flüssiger oder fester Körper oder siedender Flüssig­keiten bedienen.
a) Das Glüh eisen. (Caiiterium actuale.) Das Brennen mit demGlüh eisenbeste h.t darin,dass man ein glühendes Eisen mit dem Thierkörper in mittel­bare oder unmittelbare Berührung bringt oder die aus demselben ausström ende Hitz e durch b 1 o sso Annäher ung des Eisens auf den Körpertheil einwirken lässt.
Die zu diesem Verfahren gebräuchlichen und mit den Namen Glüh eisen, Brenneisen bezeichneten Instrumente sind gegenwärtig fast durchgehends aus weichem Stabeisen angefertiget, da diesem Metalle nicht nur des geringen Preises und der leichten Verarbeitung, sondern besonders seiner Eigenschaft wegen, bei den verschiedenen Hitzegraden eine verschiedene Farbe anzunehmen, der Vorrang vor den früher ge­bräuchlichen Metallen z. B. Kupfer, Silber, Stahl unbestritten einzu­räumen ist.
An jedem Brenneisen unterscheidet man als wesentliche Be-standtheile: den Brcnnkolben, den Stiel und den Griff; der letztere ist mit dem Stiele entweder in fester Verbindung oder er' kann ab-
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genommen werden, in welchem Falle er am Stiele mit einer Schraube befestiget wird. Der Brennkolben, (der vorderste Theil des Glüheisens) steht entweder in der Richtung des Stieles oder er ist unter einem stumpfen oder rechten Winkel vom Stiele abgebogen und zeigt eine verschiedene Form. Der etwa 10—13quot; lange Stiel ist rundlich oder länglich vierkantig geschmiedet, wodurch das Gewicht des Inslruraentes vermindert wird, ohne dass der Festigkeit Eintrag geschieht.
In Betreff der Form unterscheidet man messer-, bell-, keilförmige oder prismatische, stilet- und zapfenförmige, knöpf-, oliven-, bim-, thaler-, ringförmige und andere Brenneisen, deren einige zu ganz besonderen Zwecken angewendet werden.
Der mit dem Thierkörper in Berührung kommende Theil des Gliiheisens muss glatte Flächen besitzen und hinreichend .stark sein, um die Hitze nicht zu rasch ausströmen zu lassen. Bereits gebrauchte Brenneisen sind vor der neuerlichen quot;Verwendung gehörig abzufeilen und abzuraspeln, damit sie die durch das Erhitzen erzeugten Uneben­heiten und Rauhigkeiten verlieren, durch welche zu dem Aufreissen der Haut nicht selten Veranlassung gegeben wird.
Die Erhitzung der Eisen wird entweder mittelst Holz- oder Steinkohlen bewerkstelliget, obschon durch letztere das Metall zu stark angegriffen wird.
Wirkungsweise. Die durch das Glüheisen hervorgerufenen Erscheinungen sind mit Rücksichtnahme auf den Hitzegrad, den das Eisen besitzt, auf die Art und Dauer der Einwirkung, auf die Applikationsstelle u, s. w. verschieden.
Der Hitzegrad, den man dem Brenneisen gibt, ist nach dem Zwecke ein dreifacher; man unterscheidet drei Abstufungen, welche nach der Färbung, die das Metall zeigt, als braun-, roth- und weiss-glühendes Eisen bezeichnet werden.
Während das den höchsten Hitzegrad besitzende weissglühende Eisen im Augenblicke alle Thcile, mit denen es in Berührung kommt, verkohlt, verursacht das am schwächsten wirkende schwarz- oder braunglühende Eisen bei leichter Berührung eine Entzündung, bei längerer Berührung einen seichten Schorf, in dessen Umgebung sich eine ausgebreitetere Entzündung einstellt; etwas stärker wirkt das roth glühende Eisen.
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Zweck der Anwendung des Glüheisens. Das Glüheisen wendet man zu Terschiedenen Zwecken an u. z.;
1.nbsp; nbsp;Als Mittel zur Stillung von Blutungen parenchyma-töser Natur, so wi c von jenen aus Höhlen oder aus grösseren Arterien, wenn eine andere Methode, der lilutung Einhalt zu thun, nicht a usreichend oder nicht ausfuhrbar erscheint, ferner zur V e r-s chliessung frischer oder veraltet er Trennunge n des Zu­sammenhanges an Ausführ ungs gangen oder au Hohl­räumen, so z. B. bei Fisteln und Wunden des Ohrspcioheldrüsen-gauges, der Kapselbänder und der Sehnenscheiden. h)a es sich hier bloss darum handelt, durch einen festhaftenden Schorf das weitere Aus­strömen der betreffenden Flüssigkeiten zu verhindern, so muss das Eisen, welches je nach dem Orte, an welchem es angewendet wird, draht-, zapfen-, kegel-, knopfförmig, prismatisch u. dgl. sein kann, immer jedoch an der Oberfläche möglichst glatt sein muss, im we iss­glühenden Zustande benützt werden; besitzt dasselbe einen ge­ringeren Hitzegrad, so bekömmt der gebildete Schorf nicht die erfor­derliche Dicke, er bleibt feucht, hängt sieh an das Eisen an und wird leicht abgerissen, wodurch natürlich der Erfolg der Operation vereitelt wird. In denjenigen Fällen, in denen die Eildung eines festhaftenden, dicken Schorfes selbst nach wiederholtem Berühren der betreffenden Stelle mit dem Glüheisen nicht gelingen will, bestreut man diese mit kohlenstoffreichen Substanzen z. 15. mit geschnittenen Haaren, mit ge-raspeltem Hörne, mit Zucker, Harz, Pech u. dgl. in der Dicke von 1 — 2 Linien und wendet dann das Eisen neuerdings an.
2.nbsp; nbsp;Als Zerstörungsmittol einzelner Neubildungen oder kleiner, nach der Beseitigung grössorer Afterbildungen durch eine andere Operationsmethode zurückgebliebener Parthicn solcher, deren Hiuwegnahme mittelst des Messers zeitraubend und unsicher wäre, ferner zum Durchbrennen gesunder oder erkrankter Ge­bilde z. B. der männlichen Ruthe, des Samenstranges, wo die Hitze gleichzeitig als blutstillendes Mittel dient; weiters bei vorgifteten Wunden, bei Wurmbeulen, bei Milzbrandkarbunkeln, so wie ausnahmsweise zur Eröffnung von Abscossen. In allen den aufgezählten Fällen werden die verschiedenen Formen der Brenn­eisen in weissglühendem Zustande angewendet.
3.nbsp; nbsp;Als Reizmittel, um eine regere Entzündung hervorzurufen, z. B. bei Geschwüren, um die Nerventhätigkeit in gelähmten Theilen zu erregen z. B. bei unvollkommenen Lähmungen, odor um die Re­sorption in der Haut und in tiefer liegenden Gebilden zu befördern,
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z. B. bei Sehnenklapp, Gallen, Knochenneubildungen u. dgl.; hiezu bedient man sich des braun- und des rothglühenden Eisens. Mitunter liegt es auch in der Absicht des Thierarztes, durch die in Folge des Brennens entstandenen und sich allmälig immer stärker zu-aammenziehenden Warben einen fortdauernden Druck auf die darunter liegenden Theile auszuüben und so theils die Eesorption zu bethätigen, theils Ausdehnungen zu verhindern z. B. bei Gallen.
Als sogenanntes ableitendes Mittel u. z. entweder um eine bloss leichte Entzündung in der Haut zu bewirken, zu welchem Be­hüte das braun warme Eisen nur leicht über die Überfläche des Körpcrtheiles geführt wird, oder um einen Schorf zu erzeugen, unter dem eine eiternde Fläche entsteht. Zu diesem Zwecke wird das Brenn­eisen im rothglühenden Zustande bei verschiedenen innerlichen und äusserlichen Krankheiten des Gehirnes und Rückenmarkes, der Lungen, der Gelenke u. s. w. empfohlen.
5. Ebenso bedient man sich der Brenneisen, umThiere zu zeichnen, wie diess z. B. bei Militär-, bei Gestütspferden geschieht.
Arten der Anwendung. Bas Glüheisen kann entweder mit der Körperoberfläche in un­mittelbare Berührung gebracht wei-den (das unmittelbare Brennen, die häufigste Anwen dungs weise), oder man führt das Eisen zwischen den auseinandergehaltenen Wundrändern eines Haufschnittes in die tiefer liegenden Gebilde ein, welches Verfahren, von Nanzio im J. 1836 gegen Eheumatismus, hartnäckige Bug- und Hüftlähmen u. dgl. empfohlen und als snbeutanes Brennen bekannt, selten angewendet wird, oder man legt auf die Haut eine Speckschwarte und bewegt auf dieser das Eisen hin und her (das von französischen Thierärzten u. z. von Solleysel (1664) angegebene Brennen auf der Speck­schwarte, welches als ein Mittel zur Verhütung zu auffallender Narben empfohlen, sich nicht besonders bewährt hat), oder man nähert ein flaches, braunrothes Eisen der Körperoberfläche bis auf die Entfernung einiger Zolle und ruft durch die ausströmende Hitze da­selbst künstlich eine Hautentzündung hervor, reizt mittelst desselben schlaffe Geschwiu-e oder beschleuniget und verstärkt in dieser Weise die Wirkung der auf der kranken Stelle eingeriebenen Arzneimittel, z. B. der Canthariden-, der Scharfsalbe u.dgl. (das als annäherndes Brennen, objective Cauterisation, Distanz- oder Schein­feuer bezeichnete, jedoch nur selten gebrauchte Verfahren), oder man drückt endlich einen Hammer mit breiter, ebener Bahn, der durch
Forster. Opcralionslehre iür Tliierärzte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 5
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längere Zeit in siedendes Wasser eingetaucht worden war, wiederholt gegen die entsprechende Körperparthie an und erhält ihn durch eine kürzere oder längere Frist auf seinem Platze, bis die ge-wünschte Wirkung eingetreten ist, (das gleichfalls selten anwendbare Brennen mit dem siedheissen Eisen).
Eine besondere Art des Brennens mit erhitzten Metallen ist die von Midde Idorpf (18S4) empfohlene Galvanokaustik, wobei die Erhitzung durch Oalvanismus geschieht, indem die Instrumente, mit welchen man brennen will, mit den Leitungsdrähten einer durch verschiedene Combination ihrer Elemente in verschiedener Stärke wirkenden galvanischen Batterie in Verbindung gesetzt werden. Die Instrumente bestehen im Wesentlichen aus einem Platindrahte oder au;* besonders geformten Platinstücken, welche bei Schliessung der Kette erglühen und die eigentlichen Brenner sind, ferner aus einem Leitimgsstücke, mittelst dessen das Platin mit den Leitungsdrähten der Batterie verbunden wird, und aus einem Handgriffe zur Handhabima, des Brennstückes. Als Vorzüge dieses Verfahrens werden die Verhütung des Eintrittes von Blutungen und die Möglichkeit, den Brenner kalt an die Stelle, an welcher gebrannt werden soll, bringen, und den­selben erst dann plötzlich durch Schliessung der Kette erhitzen zu können, angeführt. Die mit der Gral\-anokaustik hierorts (im J. 1838) freilich in zu geringer Zahl, um ein giltiges Endurtheil abgeben zu können, an­gestellten Versuche haben ergeben, dass sich dieses Verfahren wegen des zu hohen Preises des Apparates und der zu der jedesmaligen An­wendung desselben erforderlichen Flüssigkeiten, so wie wegen der mit seinem Gebrauche nothwendig verbundenen Umständlichkeit, und der sich mitunter einstellenden Uebelständc, wozu z. B. das Reisscn und Schmelzen des Drahtes, das Ankleben desselben au den Geweben, wodurch ein Losreissen des Schorfes und das Auftreten von Blutungen bedingt werden kann, u. a. ra. gehören, zu einer häufigeren Verwen­dung in der Thierhcilkunde nicht eignen, sondern bloss in ganz spe-ciellen Fällen den gebräuchlichen Verfahren vorzuziehen sein dürfte.
Wah 1 der St e Ho , Vorbereitung und T, n gern ng des Thiere s.
U chilf en. In Betreff der Körperstellen, an welchen das Brennen vorge­nommen werden kann, ist zu bemerken, dass es wenige Parthien des Thierkörpers gibt, an welchen das Glüheisen nicht angewendet werden könnte. So brennt man z. B. beim Pferde an der Schulter u. z. ent­weder in grösserer Ausdehnung oder bloss an der Schulterspitze bei
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langwierigen Ünglähmen, an der Hüfte bei eben solchen Hüftlähmen, am Kniee bei Geschwülsten, an der Kniescheibe bei Verrenkungen derselben, am Fessel, am Schienbeine, am Sprunggelenke, an der Krone, an der Lende, am Widerriste u. s. f.; beim Rinde, bei welcher Thier • gattung indess von dem Olüheisen nur in seltenen Fällen Gebrauch gemacht wird, an der Brust, an den Gliedmassen u. s. w. Soll es als ableitendes Mittel dienen, so applioirt man es von dem leidenden Theile mehr weniger entfernt, um nicht eine Verschlimmerung des vor­handenen Krankheitszustandes herbeizuführen; ebenso ist zu beachten, dass in allen denjenigen Fällen, in denen das Einströmen der Hitze in Gebilde, die der zu brennenden Stelle nahe liegen, nachtheilige Folgen hervorzurufen vermöchte, dieselben durch Bedecken mit nassen Lappen, durch Einführen des Eisens durch eine Bohre oder in ähn­licher Weise zu schützen seien.
Die Vorbereitung des zu brennenden Theiles besteht in der Reinigung desselben von etwa anklebenden, früher gebrauchten Salben, von reicher angesammeltem Eiter, von Blutgerinnseln u. dgl.
Pferde können, nachdem sie gebremset sind, entweder im Stehen, im Liegen oder an die Operationswand befestiget, gebrannt werden. Phlegmatische Thierc operirt man besonders dann, wenn nur gelinde Grade des Brennens in Anwendung kommen sollen, im Stehen; soll jedoch das Feuer in grösscrer Ausdehnung und Tiefe, in der Nähe sehr wichtiger Organe, an besonders empfindlichen Stollen gegeben werden, so ist es gerathener, die Thiere niederzulegen, um mit mehr Sicherheit, Auf­merksamkeit und Bccjuemliehkeit operiren zu können.
Soll ein Pferd an der inneren und an der äusseren Seite einer und derselben Gliedmasse gebrannt werden, so vollführt man die Ope­ration früher an der Innenseite, weil im entgegengesetzten Falle die gebrannte Parthie an der Streu stark gerieben würde und üble Folgen zu befürchten wären.
ISebst den zum Halten desThieres erforderlichen Gehilfen benöthiget, man solche, welche das Erhitzen und Zutragen der Glüheisen besorgen.
Ausführung der Operation. Die Handhabung des Eisens ist je nach dem Zwecke, den man durch das Brennen zu erreichen sucht, eine verschiedene.
SollenBlutungen gestillt oder kleine Oeffnungen zu­gebrannt werden, so drückt man das weissglühende Eisen mehrere Sekunden lang gegen die betreffende Stelle gelinde an und entfernt dasselbe sodann vorsichtig, um den entstandenen Schorf nicht abzureissen.
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In gleicher Weise verfährt man bei der Anwendung des Glüheisens behufs der Zerstörung von Neubildungen oder von thieri-schen Ansteckungsstoffen in Wunden und Geschwüren.
Soll das Feuer als R e i z - oder als Ableitungsmittel dienen, so kann es auf zweierlei Weise u. z. als Distanzfeuer oder mit wirklicher Berührung der Theile gegeben werden.
Im ersteren Falle wird das erhitzte Eisen je nach der Empfind­lichkeit des Theiles und nach dem Hitzegrade in der Entfernung von 2 bis 6 Zoll von der betreffenden Körperstelle so lang gehalten oder langsam hin und her bewegt, bis sich eine grössere Empfindlichkeit und eine merkliche Temperaturerhöhung an derselben wahrnehmen lässt. Dieses Verfahren ist jedoch in der Mehrzahl der Fälle, in denen sich dasselbe überhaupt zur Anwendung eignet, täglich wenigstens einmal, nach Erforderniss selbst bis zu viermal zu wiederholen und durch längere Zeit fortzusetzen, daher wohl viel zu umständlich.
Brennt man auf der Speckschwarte, so wird das Eisen auf der­selben, die mit der Fettseite gegen die Haut gekehrt ist, in gleicher Weise wie bei dem unmittelbaren Brennen so lange applicirt, bis kleine Tropfen aus der durch das heisse Fett mehr weniger verbrühten Haut zum Vorscheine kommen.
Bei dem nnmittelbaren Brennen gibt man das Feuer entweder in Form Ton Strichen oder Punkten oder in beiden Formen zugleich; die häufigste Anwendung findet jedoch das Strichfeuer.
Die Figuren, welche durch die gezogenen Striche entstehen, sind verschieden und man hat besonders in früheren Zeiten sein Augenmerk vorzugsweise darauf gerichtet, regelmässige Figuren z. B. die eines Dreieckes, eines Sternes oder eines Malteserkreutzes an der Schulter­spitze oder an der Hüfte, jene eines Tannenzweiges an den Gelenken und an der Schulter u. s. w. zu brennen, um regelmässige, weniger entstellende Narben zu erhalten; heutzutage zieht man immer die ein­fachen Formen den complioirten mit Recht vor.
Als Hauptregel in dieser Beziehung ist zu beachten, dass die Striche, welche den leidenden Theil gleichmässig zu bedecken haben, dort, wo es thunlich ist, schräg zu ziehen sind, weil die Narben durch die Haare sich dann leichter verdecken lassen; dass die Zwischen­räume zwischen den einzelnen Strichen hinreichend (wenigstens einen halben Zoll) breit seien, widrigenfalls ein brandiges Absterben der zwischen den Brandstellen gelegenen Hautparthieen und das Zurück­bleiben sehr entstellender haarloser Narben zu befürchten ist, und dass ferner die Striche nie unter einem Winkel zusammenstossen dürfen.
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sondern immer da, avo sie einander sich nähern, eine etwa 2 bis 3 Linien breite Hautbrücke zu belassen ist, weil im entgegengesetzten Falle das eben angeführte ungünstige Ereigniss eintreten würde.
Bei der Ausführung der Operation zeichnet man sich mit dem, früher durch Abreiben auf einem Brette von den Schlucken und Kohlen-theilchen gereinigten messer-, bell-, keil- oder knopffdrmigen Eisen die Figur, welche die Striche bilden sollen, leicht vor, und führt so­dann das Eisen je nach dem stärkeren oder geringeren Hitzegrade ent-weder schneller oder langsamer unter ganz leichtem ürueke stets von oben nach unten, und wiederholt dieses so lange, bis an den gebrannten Stellen kleine Tröpfchen einer klaren, serösen Flüssigkeit zum Vor­scheine kommen und die Haut etwas anschwillt. Gleichzeitig zeigt sieh an letzterer eine Farbenänderung, die als Zeichen des hinlänglichen Brennens beachtet werden soll, und zwar wird die Haut entweder goldbraun und zeigt an der gebrannten Stelle keine Vertiefung (aus­reichender Grad, wo man Ausschwitzung ohne Eiterung wünscht), oder sie wird strohgelb und erhält eine seichte Vertiefung (bei stärkerem Brennen, wenn Eiterung eintreten soll, wie z. B. bei Gallen).
Will man Punkte brennen, so ist das Verfahren dasselbe, nur hat man sich hiebei zu hüten, das Eisen zu lange au einer und der­selben Stelle liegen zu lassen oder einen stärkeren Druck auszuüben, da hiedurch die Haut durchgebrannt wird, wenn man dieses nicht, wie es z. B. bei dem Brennen an Knochenneubildungen mitunter der Fall ist, ausdrücklich beabsichtiget; man berührt daher die zu brennende Parthie ruhig während 2 bis o Sekunden je nach dem Hitzegrade des Eisens und nach der bei dem Brennen überhaupt imuner zu berück­sichtigenden Dicke der Haut.
In Folge des an mehreren Stellen gleichzeitig vorgenommenen Brennens will man besonders bei edlen Pferden sehr nachtheilige Folgen beobachtet haben, wesshalb eine Vertheilung der Operation auf verschiedene Zeiten z. B. in Zwischenräumen von 14 Tagen ange-rathen wird-
Erscheinungen nach demBrennen und jSTachbeh andlung.
Die nach dem Brennen noch durch 1 bis 2 Tage an der ge­brannten Stelle aussickernde klebrige Flüssigkeit vertrocknet allmälig zu Schorfen, welche sich selten schon nach vierzehn, meist erst nach zwanzig bis dreissig Tagen ablösen und weisse, erst nach längerer Zeit dunkler werdende Farben hinterlassen.
Ob der Krankheitszustand, dessentwegen man das Feuer ange-
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gewendet halte, durch dasselbe eine günstige Acnderuug erlitten habe oder nicht, kann erst nach Ablösung der Schorfe und gänzlich erfolgter Absch-wellung der Theile, somit nach drei bis vier Wochen, selbst noch später, beurtheilt -werden.
Der durch das weissglühende Eisen z. B. an Neubildungen er­zeugte feste Schorf stösst sich durch Eiterung los und der entstandene Substanzverlust füllt sich allmälig durch Granulationen aus.
Eine besondere Nachbehandlung ist in der Regel nicht nöthig und es reicht meist hin, dem Thiere Kühe zu gönnen und das Reiben oder Kneipen der gebrannten Stelle durch Anbinden desselben, durch Umwicklung des Theiles mit Leinwand u. s. w. zu verhindern.
Stellt sich nach Vollendung der Operation eine geringere Wirkung ein, als man wünschte, so bestreicht man die gebrannten Stellen ent­weder sogleich nach dem Brennen oder nach Ablauf von drei bis vier Tagen, wenn bis dahin nicht eine hinreichende Reaction eingetreten ist, mit Lorbeeröl, Terpentinöl, Scharfsalbe oder anderen ähnlich wir­kenden Substanzen.
Ist im ßegentheile die Wirkung eine zu heftige, erreicht die Entzündung eine zu bedeutende Höhe, so nimmt man zu kalten Um­schlägen oder zu Waschungen mit Goulavd'schem Wasser seine Ziifiucht.
Um das Loslösen der Schorfe zu befördern, sind Bestreichungen der gebrannten Stellen mit Fett, Üel oder dgi. im gegebenen Falle geeignete Mittel.
Ungünstige Ereignisse während und nach der Ope­ration. Da das Brennen vorzugsweise zu denjenigen Operationen gehört, in deren Ausführung man nur durch häufige Uebung die erforderliche Fertigkeit und Sicherheit sich aneignen kann, so geschieht es nicht selten, dass minder Geübte entweder zu schwach oder zu stark brennen, und im ersteren Falle somit die Wirkung eine zu geringe, im letzteren dagegen eine zu heftige wird, und Platzen der Haut, welches ungünstige Ereigniss überdiess auch in Folge einer zu früh­zeitigen Verwendung des Thieres eintreten kann, langwierige Eiterung, brandiges Absterben der gebrannten Haut-parthieen, auffallende Narben u. dgl. bedingt.
Das Durchschneiden der Haut erfolgt nicht selten bei Anwendung von Brenneisen mit verhältnissmässig zu scharfer Schneide oder bei mangelhafter Führung derselben.
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Blutungen treten im Allgemeinen selten ein; meist sind sie eine Folge des Abrcissens des an das Eisen anklebenden Schorfes, jedoch nie von besonderem Belange.
Zu frühes Losreissen der Schorfe wird gewöhnlich durch lleiben der gebrannten Stelle, durch Kneipen u. dgl. veranlasst und kann dann ebenso wie das brandige Absterben von Haut-parthieen entstellende Narben veranlassen.
b) Andere Methoden des Brennens.
Zu diesen gehören: die Anwendung der Brenncylinder oder anderer leicht brennbarer flüssiger oder fester Körper, ferner jene siedender Plüssigkeil en.
Der B renne y linder oder die Moxa,
Als Br enncy linder oder M ox e bezeichnet mau Cylinder oder Kegel, welche ans leicht brennbaren S'.ibstamen gefertiget, auf der Haut selbst in der Absicht abgebrannt werden, um einen oberfläch­lichen Schorf zu erzeugen.
Am häufigsten bedient man sich als Moxe eines Cylinders aus Watte oder quot;Werg, welcher von aussen mittelst einer #9632;Umhüllung von Leinwand oder^durch Umwickeln eines Bindfadens zusammengehalten und gewöhnlich mit einem leicht entzündbaren Steife, z. B. mit Ter­pentinöl, Weingeist oder Kamphergeist getränkt wird.
Die Brenncyliuder, welche gegenwärtig wohl nur äusserst selten angewendet werden, gebrauchte man bei Koller, Schlagflüssen, Läh­mungen, bei der Bückenmorksdarre, bei chronischen Kheumatismeu, bei quot;Verstauchungen und setzte sie dem Pulle entsprechend z. B. längs des Kammrandes, neben der Wirbelsäule, an den Hintorbacken an.
Das Brennen mittelst des Brcnncylinders kann entweder am stehenden oder am liegenden Thiere vorgenommen werden, indess bleibt die Ausführung der Operation immer eine sehr schwierige und nicht gefahrlose. Die iloxe wird an der entsprechenden Stelle auf­gesetzt, mit einer Zange, mit einem Holzstäbchen oder mit einem starken Bindfaden in ihrer Lage erhalten und nun angezündet. Werden mehrere Moxen an einem Körpertheile abgebrannt, so ist auch hier die Vorsicht nicht aussei' Acht zu lassen, class zwischen den einzelnen gebrannten Stellen sich eine hinreichend breite Hautbrücke betinde, widrigen­falls man die bei der Anwendung des Clüheisens angegebenen Folgen gleichfalls zu gewärtigen hätte.
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Statt der Moxen wendet mau Schiesspulver, Schwefel, Phosphor u. dgl. an, welche Stoffe sich besonders dort eignen sollen, wo in tiefen und engen, dem Glüheisen nicht leicht zugänglichen Kanälen gebrannt werden soll.
Das Abbrennen von Weingeist, Terpentinöl, Kamphergeist u. dgl. auf grösseren oder kleineren Körperparthieen, welches früher z. B. bei der Eüekenmarksdarre, bei Harnverhaltung, bei Koliken in der Weise vorgenommen wurde, dass man die betreffende Stelle mit den genannten Flüssigkeiten entweder bloss befeuchtete oder übergoss and letztere anzündete, durch einige Secunden brennen liess und die Flamme dann durch Auflegen eines nassen Tuches löschte, wird der damit verbun­denen Feuersgefahr und der unsicheren quot;Wirkung wegen heut zu Tage wohl nur in den seltensten Fällen angewendet, was auch von dem Gebrauehe siedender Flüssigkeiten gelten dürfte.
5. Das Legen eines Pontanelles.
Mit diesem Ausdrucke bezeichnet man jenes ope­rative Verfahren, durch welches ein fremder Körper durch eine einzige, absichtlich er zeug te Haut wunde in das Unterhautbindegewebe eingebracht wird, um Ent­zündung und Eiterung zu erregen, letztere eine kürzere oder längere Zeit hindurch zu erhalten unfl auf diese Weise ableitend zu wirken. Das Fontanell besitzt somit eine gleiche Wirkung wie das Eiterband, nur wirkt dasselbe meist schwächer, da es eine geringere Ausdehnung hat.
Ist der einzuführende fremde Körper ein Stück Leder, so heisst das Verfahren auch das Leder stecken, bedient man sich dagegen der weissen oder schwarzen jNTiesswurz zu dem erwähnten Zwecke, so wird es Gillwurz-, Niesswurz-, Christwurz-, oder kurzweg Wurzelstecken genannt.
Geschichte der Operation. Der Gebrauch des Fontanells ist sehr alt, da in den ältesten Schriften desselben, besonders aber des Niesswurzsteckens bereits Er­wähnung geschieht. Columella beschreibt das Verfahren, welches darin bestand, dass in eine Wunde an der Ohrmuschel ein Stückchen Niesswurz gesteckt wurde; er empfiehlt dasselbe bei verschiedenen Krankheiten des Rindes, vorzugsweise aber bei der Bräune des Schweines. Apsyrtus legte bei Krankheiten, die mit Nasenausfluss verbunden waren, ein an einem Hanfstengel befestigtes Stück der
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Wurzel in eine quot;Wunde ;iu der Brust ein, verhinderte durch ein Heft der Naht das Herausfallen desselben und liess es so lange liegen, bis es ausgestossen wurde. Vegetius trennte das Unterhautbindegewebe mit einer kupfernen Nadel und brachte dann die schwarze Niesswurz in die gemachte Höhlung, am ödematöse Geschwülste an der Unter­brust zur Zertheilung zu bringen. Später, als der Gebrauch des Glüh­eisens ein allgemein verbreiteter wurde, benützte man dasselbe zur Erzeugung der Fontanelle; so wurde z.B. beim iStarrkrampfe der Hals des Thieres mit einem zugespitzten Glüheisen durchbohrt, in die ge­machte Oeff'nung jederseits ein Stück Schnur oder Haare gtesteckt und diese Körper durch fünfzehn Tage an ihrer Stelle belassen; um das Ausfallen der Schweilhaare hintanzuhalten, wurde die Haut des Schweifes eingeschnitten, dann wurden quer über diesen Schnitt mit dem Glüheisen Striche gezogen und in jeden derselben Stückchen Holz eingelegt.
Ein anderes, besonders bei Bug- und Hüftlähmen gebräuch­liches quot;Verfehren, um Eiterung hervorzurufen, bestand darin, dass man durch einen Einschnitt eine Sehwanenfeder zwischen Haut und Unter-hautbindegewebe einführte, nachdem man früher durch die Hautwunde Luft eingeblasen hatte; später ersetzte man die Feder durch eine ge­drehte Schnur aus Pferdehaaren oder durch ein Stück Tafft, welches man mit Hilfe einer besonderen Nadel an den entsprechenden Platz brachte. Zur Bildung der Hautfalte bediente man sich mitunter einer gefensterten Zange, führte durch diese ein Giüheisen oder ein Stile und zog das Eiterband nach. Bei Halsleiden zog man unter der Haut an der Kehle einen Faden durch.
Mark am (1S56) gab die erste Beschreibung des Haarseilziehens und gleichzeitig auch jene des eigentlichen Ledersteckens; nebstbei erwähnte er noch einiger besonderer Arten des Fontanells. So Heys el bediente sich einer halb aus Pferdehaaren, halb aus Hanf geflochtenen, mit einem Kcizmittel bestrichenen Schnur oder statt dieser eines Binges von Blei.
L af o s s e machte die heut zu Tage noch gebräuchliche Eiterband­nadel bekannt und beschrieb das Verfahren selbst genau. Das nicht selten mit Erfolg geübte Ziehen eines Eiterbandes am Sprunggelenke bei Späth, so wie jenes durch den Strahl bei chronischer Hufgelenks-lähme sind von S e w e 11 in London zuerst empfohlen worden.
Das Fontanellsetzen, welches noch vor nicht langer Zeit äusserst häufig geübt wurde, ist gegenwärtig viel seltener in Gebrauch und könnte sogar ohne Nachtheil vollkommen aufgegeben werden.
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Anzeigen und Gegen anzeigen.
Die Anzeigen zu dieser, im Verhältnisse zu früher gegenwärtig mit Hecht selten geübten Operation sind entzündliche Leiden ver­schiedener Orgaue, vorzugsweise der Kopf-, Brust- und Baueheinge weide; eben so benützt man das FontaneU noch hie und da bei lange be­stehenden abnormen Secretionen, deren plötzliche Unterdrückung man für gefährlich hält, z. B. bei langwieriger Mauke, bei 8trahlkrebs, so wie als Vorbauungsmittel gegen Seuchen z. B. gegen Kinderpest und Milzbrand, in welch letztgenannter Hinsicht es besonders von älteren Thierärzten, wie von Lau eisi, Itamazzini und and. als ein sehr wirksames Mittel empfohlen wurde.
iSachtheilig wirken Fontanelle bei herabgekommenen, sehr ge­schwächten Thieren.
Gerüthschaften.
Die zum Foutanellsetzen nothweudigen Geräthschaften bestehen in einem geraden spitzen oder in einem geballten Bistouri oder in einer sogenannten Fontanellscheere, welche kurze, breite, spitze, coneavschnei-dige Blätter hat. Jedoch nur an solchen Korperstellen, an denen sich die Haut in eine .Kalte aufheben lässt, anwendbar ist, ferner in Sub­stanzen, welche in das Untei'hautbindegewehe eingebracht werden sollen und die entweder bloss als fremde Körper wirken oder gleichzeitig noch besondere Eigenschaften, die ihre Wirkung mehr weniger ver­ändern, besitzen.
Als solche wählt man bei dein Lederstecken eine aus Leder oder Filz geschnittene, ein bis zwei Zoll im Durchmesser haltende und in der Mitte mit einer l/j—%quot; weiten Oeflhung versehene Scheibe, welche gewöhnlich mit Werg, das später meist zur Verstärkung der Wirkung mit einem Keizmittel, z. B. mit Scharfsalbe, Terpentinöl, Lorbeeröl oder dgl. bestrichen wird, derart umwickelt wird, dass dieses schliesslich in Form eines, das Herausziehen aus der Wunde erleich­ternden Zapfens aus der Oeltiuiug hervorsteht; das Anbinden einer mit einem Holzkuebel verseheneu Schnur au die Scheibe ist aus dem Grunde im Allgemeinen nicht entsprechend, weil es an solchen Stellen, zu welchen das Thier mit den Zähnen gelangen kann, zu einem Heransreissen des fremden Körpers mitunter Veranlassung gibt.
Zu dem Wurzel st ecken, welches man vorzugsweise bei Hindern vornimmt, verwendet man entweder die \\eisse oder die schwarze iNiesswurz. Erstere wird in Stückchen von 1quot; Länge, l/.i^Uquot; Breite und 2—3'quot; Dicke geschnitten, und deren 1—2 unter die Haut gebracht.
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während man von letzterer mehrere Wurzelfasern mittelst eines Bind­fadens zu einem kleinen Bündelchen zusammenbindet und dieses dann an Ort und Stelle bringt. Beide Wurzeln werden, wenn sie sehr trocken sind, vor der Operation durch einige Zeit in quot;Wasser liegen gelassen. Wohl nur selten bedient man sich anderer Substanzen, um eine starke Heizung hervorzubringen, zu denen z. B. der Pfeffer, der Senf, die Kalmuswurzel, der Arsenik, der Sublimat u. m. a. gehören.
Operationsstellen. l)a Fontanelle bei den verschiedenartigsten Krankheiten Be­nützung fanden und auch heut zu Tage noch hie und da finden, so sind selbstverständlich die Körperstellen, an welchen sie gelegt werden, sehr zahlreich, obgleich sich mehrere derselben hiezu durchaus nicht eignen. Obschon man gegenwärtig Fontanelle, wenn man überhaupt von denselben Gebrauch machen will, beim Pferde fast aussehliesslich nur an der Unterhrust, und zwar in der Gegend des Schaufelknorpcls, beim Binde im Triele anbringt, so trifft es sich doch mitunter, dass aus besonderen Ursachen auch andere Körperstellcu hiezu gewählt werden. Diese sind: die Mitte des Kehlgauges, die Vorderbrust, die Schulter, die Hüfte, der hintere Band der Hinterschenkel, ausserdem die Mitte der Stirne, die Backe, die Seitenthcile des Halses u. a. m. Immer hat man jedoch darauf Bücksicht zu nehmen, eine derartige Stelle zu wählen, an welcher eine Entstellung des Thieres durch zu­rückbleibende Narben oder eine Verminderung der Diensttauglichkeit z. B. durch erhöhte Empfindlichkeit nicht zu befürchten ist.
Lage r u n g des T h i e r e s. Die Operation wird am stehenden Thiere vorgenommen, nachdem dasselbe gebremset und allenfalls ein Vorderfuss aufgehoben ist; bei dem Legen eines Fontanelies unter dem Bauche, au der Hüfte oder am Hinterschenkel ist es rathsam, die Hinterfüase zu spannen.
Operationsve rfahren. Um ein Leder zu stecken, bildet man an solchen Stelleu, an denen dieses thuulich ist, unter Mitwirkung eines Gehilfen eine Haut­falte und durchschneidet diese mit dem Messer oder mit der Fontanell-scheere, so dass eine der Längeurichtung des Körpers oder dem Striche der Haai-e nach verlautende Wunde von 1'/r ' 2quot; Länge entsteht, löset hierauf die Haut mit dem Finger, seltener mit dem Skalpellhefte, mit einer stumpfen Eiterbandnadel oder mit einem ähnlichem Instrumente
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von dem Zellgewebe ringsum in so weit los, als es der Umfang des Leders erfordert, schiebt dieses letztere, auf die Hälfte zusammengelegt, in den gebildeten Hohlraum ein, breitet es sodann auseinander und liisst den Wergzapfen oder den Bindfaden in der beiläufigen Länge eines Zolles zur Wunde heraushängen.
Ungeeignet erscheint bei senkrechter Lage der Hautwunde das Trennen des Zellgewebes nach abwärts, da hieduroh wohl das Heraus­fallen des Leders, nicht aber die Ansammlung von Eiter mit ihren JFolgcn vermieden wird, während bei der Bildung der Tasche nach aufwärts der Eiter leicht abfliessen kann. Lässt sich eine Falte nicht bilden, so spannt man die Haut und macht den Schnitt in der er­forderlichen Länge.
In gleicher Weise verfährt man, wenn man sich der weissen Niesswurz bedient; wendet man jedoch die schwarze Niesswurz an, so durchsticht man die Haut und das Zellgewebe mit einem Pfriemen oder macht einen bloss '/kquot; langen Hautschnitt, trennt mittelst einer dicken Sonde das Zellgewebe in geringem Umfange los und schiebt das mit einem Faden, welcher aus der Wunde heraushängen gelassen wird, versehene ßündelcheu in die gemachte Höhlung ein.
Nachbehandlung.
Obschon bei bedeutenden inneren Erkrankungen die Wirkung mitunter ausbleibt, so beachtet man doch im Allgemeinen meist schon kurze Zeit nach der Operation die Entwickolung einer, besonders nach Anwendung der Niesswurz rasch sich vergrössernden Entzündungs-schwnlst und das Ausfliessen einer anfangs serösen, bald aber gerinn­fähiger werdenden Flüssigkeit, welche nach einigen (2—3) Tagen eitrig wird, nicht selten in reichlicher Menge zum Vorscheine kömmt und eine täglich ein- bis zweimal vorgenommene Reinigung durch ge­linden Druck und durch Abwischen mit einem Schwämme nothwendig macht; gleichzeitig sucht man die Anätzung der Haut und das Aus­fallen der Haare als Folgen der Einwirkung des abfliessenden Eiters durch täglich erneuertes Bestreichen der Umgebung des Geschwüres mit Fett, Oel u. dgl. zu verhüten.
Stellt sich ein zu geringer Grad von Reizung ein, so kann man denselben verstärken, indem man den zur Fontanellbildung benützten frem­den Körper herausnimmt, ihn mit einem der oben angegebenen Reizmittel neuerdings bestreicht und abermals an seinen früheren Platz bringt.
Wie lange der fremde Körper, der zum Fontanellsetzen benützt wurde, unter der Haut zu belassen sei, hängt einestheils von der
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Beschaffenheit desselben, anderstheils von dem vorhandenen Krankheits­zustande ab. Bediente man sich einer Scheibe von Leder oder Filz, so entfernt man diese meist nach 8 bis 10 Tagen, um Verdickung der Geschwürsränder, langwierige Eiterung und autfallende Narben, die Folgen eines zu langen Venveilens des reizenden Stoffes im Geschwüre, zu vermeiden. Die schwarze Niesswurz ruft, wenn sie in etwas be­deutenderer Menge angewendet wird und längere Zeit liegen bleibt, besonders bei Pferden heftige örtliche Erscheinungen hervor, wesshalb dieselbe nach Hertwigs Erfahrungen nicht selten schon nach 24 Stunden, gewöhnlich jedoch nach 2 Tagen herauszunehmen ist. Die örtlichen, durch die weisse Niesswurz bedingten Veränderungen sind zwar nie so heftig, wie bei der schwarzen, und sie kann durch 8 bis 10 Tage liegen gelassen werden, indess treten bei dem Gebrauche der­selben mitunter Nervenzufalle, Zuckungen, Würgen, Erbrechen, bei trächtigen Thieren selbst Verwerfen ein, welche Erscheinungen bei Grünfütterung sich rascher einstellen und eine alsbaldige Beseitigung der Wurzel erheischen.
Xachdem der fremde Körper entfernt wurde, was mittelst des Fingers, mittelst einer Kornzange oder dgl. geschieht, verheilt das Geschwür bei täglicher Eeinigung in kurzer Zeit vonselbst.
Ungünstige Ereignisse. Als solche werden brandiges Absterben der Haut, welches, wie bereits erwähnt, besonders durch unzweckmässige Anwendung der schwarzen Niesswurz hervorgerufen wird, Eiter Versenkungen und Hohl­geschwüre, bedingt durch vernachlässigte Reinigung, Schwieligwerden der Geschwürsränder als Folgen des zu langen Liegenlassens des Leders, entstellende Narben, Nervenzufälle, durch die weisse Niesswurz ver-anlasst, angeführt.
6. Das Einziehen eines Eiterbandes, U nter Haarseil- oder Eiterbandziehen versteht man jenes operative Verfahren, durch welches mittelst be­sonderer Instrumente ein verschieden breites und langes Band oder auch nur ein oder mehrereFäden durch einen Körpertheil, u. z. durch einen bereits bestehenden oder durch einen erst zu bildenden Kanal hindurchge­zogen werden, um Entzündung und Eiterung hervorzu­rufen, und so entweder ableitend zu wirken, benach­barte Theile zur Verwachsung zu bringen, krankhafte
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Bildungen zu zerstören oder endlich um angesammelte Flüssigkeiten zu entleeren,
Ges chic ht lieh es.
Was die Ueschichte dieser Operation anbetrifft, so fällt diese mit jener des Fontanellsetzcns zusammen und fand dort bereits Erwähnung. Der Name Haarseilziehcn rührt von dem früher allgemein ge­bräuchlichen Einziehen einer entweder zur Gänze, oder bloss zur Hälfte aus llosshaarcn geflochtenen Schnur her, welches Verfahren jedoch heut zu Tage allgemein bei Seite gesetzt wird, wie überhaupt Eiterbänder gegenwärtig eine viel beschränktere Anwendung finden, als diess noch vor wenigen Jahren der Fall war.
Eine ältere, von Schreger erwähnte Methode, ein Haarseil zu ziehen, bestand darin, dass man durch die in der Haut gemachten Einschnitte ein breites plattes' Stäbchen von Holz oder Fischbein ein­führte, mit demselben das Zellgewebe trennte und hierauf eine Schnur aus Haaren oder aus Hanf einschob; ein Verfahren, welches gleich­falls nur in geschichtlicher Beziehung zu bemerken ist.
Geräthsch aft en.
Das Ziehen der Eiterbänder kann mit Bücksicht auf die Korper­stelle und auf den Zweck der Operation mittelst verschiedener Instru­mente ausgeführt werden.
Zieht man Eiterbänder, um, wie es noch am häufigsten geschieht, eine Ableitung hervorzurufen, so benöthiget manhiezu: eine Scheere zum Abscheercn der Haare, ein gerades oder ein geballtes Bi­stouri zum Hautschnitte, eine Ei terbandnadol, ein B and, ferner gewöhnlich zwei kleine Knebel von Holz oder zwei Strohbäusch-c h e n, die mittelst Bindfaden an die Enden des Bandes befestiget werden; bei Hunden, deren Haut leicht in eine hohe Falte empor­gehoben werden kann, reicht eine grosse Wundheftnadel hin. Wird ein Eiterband durch einen Fistelgang geführt, so geschieht dieses, wenn der Gang zwei in einer geraden Linie liegende Oeffnungen be­sitzt, mitunter mit einer Oehrsondc, ist dagegen bloss eine einzige Oeffnung vorhanden, mit einer Zapfspiessna del; werden bloss einige Fäden durch ein Gebilde durchgezogen, wie diess z. B. aus­nahmsweise bei den Gallen geschieht, so reicht man gleichfalls mit einer Wundheftnadel von geringerer Breite aus.
Die meist aus weichem Eisen gearbeiteten, nur vorne gehärteten, aber gut polirten Eiterband nadeln sind entweder mit einem Hefte
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versehen oder nicht. Das Heft kann bei einigen entfernt werden und die Verbindung zwischen der Nadel und dem Hefte wird durch eine Stellschraube vermittelt oder beide Theile sind unbeweglich mit ein­ander verbunden.
In Betreff der Beschatfenheit der Spitze lassen sich drei Arten von Kiterbandnadeln, u. z. die deutsche, die französische und die eng­lische unterscheiden, unter denen die erstgenannte die verbreitetste Anwendung findet.
Die 8 bis IS Zoll lange de ut sehe Eiterbandnadel besitzt ein vorderes, spatelfönniges, gegen einen Zoll breites Ende, dessen obere Fläche etwas aufgebogen ist, dessen Seitenränder und Spitze stumpf erscliei-nen, und trägt das Oelir am hinteren Ende: die französische Nadel hat ein myrthenblatlfdrmiges, am Rande und an der Spitze scharfes und schneidendes vorderes Ende und nebst dem am hinteren Ende ange­brachten Gehre noch ein zweites hinter der Spitze, während bei der englischen Nadel sich an der Spitze des mit scharfen Rändern ver­sehenen vorderen erweiterten Theiles ein längliches Knöpfchen befindet und das hintere, von dem quergestellten Ochrc durchbohrte Ende der­selben in dem vier Zoll langen Handgriffe mittelst einer Stellschraube zu befestigen ist; mitunter ist dasselbe gespalten und daseinzuziehende Band wird sodann in dem Spalte mittelst eines verschiebbaren Ringes eingeklemmt.
Die verschiedene Wirkungsweise der einzelnen, oben angeführten Formen der Kiterbandnadel ist aus der abweichenden Beschaffenheit des vorderen Endes leicht erklärlieh.
Während die am Rande und an der Spitze stumpfe deutsche Eiterbandnadel das Tnterhautbindegewebe nur auseinanderdrängt und zerreisst, trennt die französische dasselbe sowohl mit der Spitze als mit den Rändern, die englische jedoch bloss mit letzteren. Die Aus­führung der Operation kann somit mit der französischen Nadel am raschesten stattfinden, indess ist bei der Handhabung derselben, be­sonders von Seite ungeübter Individuen und hei unruhigen, widersetz­lichen Thieren, die Möglichkeit des zu tiefen Eindringens der Spitze in die tiefer gelegenen Gebilde und des Auftretens der hiedurch bedingten, oft nicht unbedeutenden Folgen gegeben; Ereignisse, welche bei dem Gebrauche der langsamer vordringenden deutschen und englischen Eiterbandnadel nicht zu befürchten sind.
Als weiteren, mit der Anwendung der französischen Eiterband­nadel verbundenen Vortheil führt man das Hinwegfallen der Noth-wendigkeit der vorherigen Bildung der Ein- und AusstichsöiFnung an.
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da die Spitze der Nadel leicht durch die Haut dringt, indess fällt dieser Yorzug hinweg, da die durch die Nadel allein erzeugten Wunden stets zu klein sind und demzufolge ein Einklemmen des Bandes, eine schwielige Verdickung der Wundräudcr und eine Behinderung des Abflusses des Eiters bedingen, wesshalb die ursprünglichen Oeffnungen immer noch nachträglich mit dem Bistouri erweitert werden müssen.
Um ein Eiterband durch den Strahl zu ziehen, gebraucht man eine eigene, ursprünglich von Sewell angegebene Nadel, welche, etwa im dritten Thcile eines Kreises gekrümmt, an dem vorderen erweiterten Ende scharfspitzig und scharfschneidig ist, an dem hinteren Ende ' ein quergestelltes Oehr besitzt und in einem Handgriffe mittelst einer Stellschraube befestiget -werden kann.
Da jedoch eine derartige Nadel, deren Oehr am hinteren Ende angebracht ist, durch den gebildeten Stichkanal vollständig durchge­zogen werden muss, um das Band einführen zu können, so wenden wir, um dieses zeitraubenden und mitunter mühsamen Verfahrens überhoben zu sein, eine in der angegebenen quot;Weise gekrümmte, jedoch hinter der Spitze mit einem Oehre versehene und mit dem Hefte unbeweglich ver­bundene Eiterbandnadel an.
Die Zapfspiessnadel, welche in bestimmten Fällen z. B. bei unvollkommenen Fisteln, die Stelle der Eiterbandnadel vertritt, ist eben so lang wie diese und besteht gleichfalls aus zwei zusammenzu­schraubenden, jedoch cylindrischeu Theilen, deren vorderer eine drei­flächig zugeschliffene, sehr feine Spitze besitzt, während der hintere an seinem rückwärtigen Ende das der Länge nach gestellte Oehr trägt. Bei vollkommenen Fisteln, d. h. bei solchen, die einen beiderseits offenen Fislelgang bilden, kann man sich auch einer Oehrsonde zum Durchziehen des Bandes bedienen.
Der zum Durchziehen bestimmte Körper ist meist ein '/^ bis einen Zoll breites Zwirn-, Woll- oder Baumwollband, bei kleinen Thioren mitunter ein, einen Zoll breiter, an den Bändern ausgefranster Leinwand­streifen, seltener ein einfacher oder ein mehrfach zusammengelegter Zwirn- oder Seidenfaden. In Betreff der Länge des Bandes ist zu bemerken, dass dasselbe die doppelte Länge des Kanales, durch -welchen es gezogen werden soll, besitzen müsse, damit es einestheils hin- und hergezogen, anderstheils an den Enden zusammengeknüpft oder mit Knebeln versehen werden könne.
Damit das Band kräftiger -wirke, wird dasselbe gewöhnlich mit einem Beizmittel z. B. mit Terpentinöl, Scharfsalbe, Cantharidensalbe u. dgl. bestrichen, oder es -werden, was jedoch fast ausschliesslich nur
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beim Rinde gebräuchlich ist, Stückchen der schwarzen oder weissen Jrtesswurz oder der Seidelbastrinde aul' dasselbe aufgeheftet. Üperationsstellen.
Die Stellen, an welchen Eiterbänder zu ziehen sind, werden entweder durch den Sitz der Krankheit bestimmt oder sie bleiben der Wahl des Thierarztes überlassen; im letzteren Falle zieht man im Allgemeinen jene vor, welche laxes und reichliches Zellgewebe besitzen und wo somit eine ausgiebige Eiterung zu erwarten ist.
Wo es thunlich ist, gibt man dem Kanäle, durch welcheu das Band hindurchgeführt wird, eine senkrechte Richtung, damit der Eiter unbehindert abfliessen könne. Ferner vermeidet man an solchen Körper-parthieen, an denen sich ein Hautmuskel vorfindet, das Band unter diesem, d. h. zwischen dem Hautmuskel und der darunter liegenden Muskelschichte durchzuziehen, da hiedurch eine zu heftige Entzündung Lind Anschwellung, so wie Eiterversenkungen bedingt werden, obschon H e r t w i g gerade durch dieses Verfahren eine mehr in die Tiefe greifende Wirkung des Haarseiles erzwecken und die Entstehung von entstellenden Schwielen verhindern will.
Eiterbänder können zwar an den verschiedensten Körperstellen gezogen werden, indess geschieht diess am häufigsten an den nach­stehenden Thcilen, u. z.:
An der Ganasche, vom vorderen Rande des äusseren Kau­muskels parallel mit der Jochleiste nach aufwärts in der Länge von S bis 6 Zoll bei Augeneutzündungen;
hinter den Ohren am Halse einer- oder beiderseits in der Länge von 6 bis 10 Zoll, u. z. entweder in der Gegend des ersten oder zweiten Halswirbels oder längs der Seite des Halses bei Dummkoller und Hirnentzündung;
an der Vorder- und Seitenbrust, beim Rinde auch durch den Triel in der Länge von 8 bis 10 Zoll bei Entzündungen der in der Brusthöhle eingeschlossenen Athmungsorgane;
an der Schulter, u. z. vor oder besser hinter der Gräte, parallel mit dieser und in gleicher Höhe mit der Bugspitze beginnend in der Länge von 6 bis 8 Zoll bei Buglähmen;
an der Hüfte in derselben Ausdehnung, u. z. etwa drei Zoll vor dem grossen Ilmdrehcr beginnend und von da nach aufwärts gehend, bei Hüftlähmen.
an der Lende, meist beiderseits in der Entfernung einer Hand­breite von der Wirbelsäule und in der Länge von 8 bis 10 Zoll bei Lähmungen, bei Kreuzlähme;
Forster. Operationslehre für Thierarzte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Q
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am hinteren Rande der Hinterschenkel in einer Aus­dehnung von 5 bis 6 Zoll bei Entzündungen innerer Organe, bei Dummkoller;
an der inneren Fläche des Sprunggelenkes bei be­ginnendem Spathe und endlich
durch den Horn- und Fleischstrahl bei chronischer Hufgel enkslähme.
Unter den kleineren Hausthieren ist es fast ausschliesslich nur der Hund, bei welchem mitunter Eiterbänder u. z. an der inneren und äusseren Fläche der Ohrmuschel, im Genicke oder unter der Brust gezogen werden.
Lagerung des Thieres. In Betreff der Lagerung des Thieres ist zu bemerken, dass man die Operation im Stehen oder Liegen desselben vornehmen kann. Bei weniger empfindlichen Thieren oder an eben solchen Stellen kann das Ziehen des Eiterbandes an dem stehenden Pferde, dessen man sich selbstverständlich durch Anlegen der Bremse, Aufheben eines Vorderfusses, selbst durch Spannen der Hinterfüsse in entsprechender Weise versichert hat, ausgeführt werden; wird dagegen an solchen Körpertheilen operirt, an denen in Folge der Unruhe des Thieres eine Verletzung wichtiger Gebilde zu befürchten ist, so legt man dasselbe nieder, wie es z. B. beim Ziehen eines Haarseiles am Sprunggelenke stets geschieht.
Ausführung der Operation.
Behufs der Ausführung der Operation selbst fasst man an dem tiefstgelegenen Punkte des zu bildenden Kanales die Haut, wenn es zulässig ist, in eine quere Falte, welche man entweder vom Rande oder vom Grunde aus durchschneidet, oder man bildet nach vorherigem Spannen der Haut eine das Gewebe derselben vollständig durchdrin­gende, möglichst senkrecht gestellte, beiläufig einen Zoll lange quot;Wunde, ergreift hierauf die mit dem Bande versehene Eiterbandnadel je nach ihrer Länge entweder in der Mitte oder dem hinteren Ende zu mit der vollen rechten Hand, führt sie durch die Eingangsöffnung unter die Haut in der Weise ein, dass die flache Seite des vorderen breite­ren Theiles gegen die Muskulatur, die Spitze gegen die Haut ge­richtet ist, schiebt sie im Zellgewebe, wobei man den Lauf derselben mit den Fingern der linken Hand verfolgt, in der voraus bestimmten Richtung langsam und mit sanftem Drucke derart fort, dass man mit
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ihrer Spitze weder die Haut, noch die tiefer liegenden Gebilde an­sticht; hat der gebildete Kanal die erforderliche Länge erlangt, so durchsticht man, wenn die Kadel eine scharfe Sjntze besitzt, durch rasches Vorschieben derselben die Haut, oder man drückt das hintere freie Ende der ISTadel gegen den Körper des Thiores, bewirkt hiedurch ein Vordringen der Spitze desselben und macht nun hinter dieser mit dem geballten Messer die quere Ausstichsöfl'nung, zieht die Nadel durch den Kanal hindurch und bringt so das Band an seinen Platz. Die Enden des Bandes werden dann entweder zusammengeknüpft oder iStrohbäuschchen oder kleine Holzknebcl an dieselben derart befestiget, dass jederseits ein, die Hälfte der ganzen Länge des Wundkanales betragendes Stück des Bandes frei vorsteht. Das letztere Verfahren ist aus dem Grunde zweckmässiger, da hiedurch dem Ausreissen des Bandes und der dadurch bedingten Entstehung auffallender Narben sicherer vorgebeugt wird.
Das Ziehen des Eiterbandes von unten nach aufwärts hat, wo es überhaupt zulässig ist, den Vortheil, dass, wenn die Nadel bei dem Vorschieben in Folge der Unruhe des Thieres eine falsche Richtung bekömmt und ein blind endigender Gang entsteht, sieh der Eiter in demselben nicht ansammelt, sondern leicht abfliesst, was bei der Bil­dung des Wundkanales von oben nach abwärts nicht möglich ist und zu Eiterversenkungen, starken Anschwellungen u. dgl. Veranlassung gibt.
Bedient man sich einer Eiterbandnadel mit einem nicht abnehm­baren Griffe, so schiebt man die Spitze derselben durch die Ausgangs-offnung nur so weit vor, dass man das Band in das vorne angebrachte Oehr einführen kann und zieht die Nadel auf dem von ihr gebildeten Wege wieder zurück.
Bei dem Ziehen eines Haarseiles mittelst der Zapfspiessnadel führt man diese in der durch den Fistelgang gegebenen Eichtung ein, stösst die Spitze durch die den Gang absehliessenden Weichtheile, und legt das Band, eine runde Schnur, einzelne Fiiden od. dgl. ein, oder man schiebt eine Oehrsonde so weit vor, dass das Knöpfchen derselben unter den Weichtheilen vorspringt, und schneidet sodann mit dem Bistouri auf dieses ein.
Bei Hunden erhebt man eine Hautfalte, deren Höhe der halben Länge des zu bildenden Wundkanales entspricht, durchsticht diese am Grunde mit einer starken Wundnadel, in deren Oehr das Eiterband eingefädelt ist, und knüpft nun die Enden des Bandes zusammen.
Soll ein Eiterband am Sprunggelenke gezogen werden, so wird das Pferd auf die dem kranken Eussc entsprechende Seite gelegt, die
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Rosenyene durch einen am oberen Ende des Sprunggelenkes ausge­übten Druck zum Anschwellen gebracht, sodann nach Hertwigs An­gabe mittelst des geballten Bistouri die Haut zuerst am Anfange des Schienbeines unter dem kranken Sprunggelenke in einer Länge von beiläufig einem Zolle, hierauf in gleicher Ausdehnung neben dem in­neren Knorren des Unterscheukelbeines über dem Sprunggelenke durch­schnitten, nun das Band mittelst einer kleinen deutschen Eiterband­nadel von unten nach oben durchgezogen und die Enden desselben mit Strohbäuschchen versehen.
Behufs des Ziehens eines Haarseiles durch den Strahl muss das Hufhom durch Einschlagen des Hufes erweicht und der Hornstrahl so dünn ausgeschnitten werden, dass nur eine ganz dünne Hornplatte zurückbleibt; hierauf entfernt man unmittelbar über den Ballen u. z. da, wo die Beugesehnen eben hinter dieselben treten, die Haare mit der Seheere, macht gerade in der Mitte über den Ballen einen zoll­langen queren Einschnitt mit dem gebauchten Messer, streckt den Fuss durch Erfassen an der Zehe im Kronengelenke möglichst stark, führt die Eiterbandnadel, mit der convexen Fläche gegen die Beuge­sehnen gekehrt, durch die gemachte Hautwunde ein und schiebt sie, dem Verlaufe der Hufbeinsbeugesehne entsprechend, in gerader Linie vorwärts; ist die Spitze der Nadel bis gegen die Mitte des Strahles gekommen, so hebt man den Griff etwas gegen die Beugesehne, drückt dadurch die Spitze mehr gegen die äussere Fläche des Strahles und sticht sie an der Vereinigungsstelle der Strahlschenkel heraus. (Hert-w i g). Hat man sich der von S e w e 11 angegebenen Kadel bedient, so entfernt man das Heft, fädelt das Band ein, erfasst die Nadel an der Spitze, zieht dieselbe durch den gebildeten Gang hindurch und bringt so das Band an den entsprechenden Platz; hat man dagegen eine Eiterbandnadel mit feststehendem Griffe gebraucht, so wird das Band in das vorne befindliche Oehr gefädelt und durch Zurückziehen der Nadel an Ort und Stelle gebracht.
Schliesslich trägt man den Hornrand an der Stelle, an welcher das Eiterband aus dem Strahle hervortritt, mit dem geknöpften Bistouri etwas ab, damit der Eiter den gehörigen AbÜuss habe, knüpft beide Enden des Bandes so zusammen, dass zwischen diesem und dem Hufe ein drei bis vier Finger breiter Raum bleibt, und schlägt einen feuchten Lappen um den Huf.
Soll das eingelegte Band stärker reizen, so wird es meist so­gleich nach dem Einziehen mit einem der oben angegebenen
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Mittel bestrichen, welches quot;Verfahren auch im weiteren Verlaufe nöthi-genfalls wiederholt werden kann.
Nachbehandlung.
Ist das Thier in den Stall zurückgebracht, so hat man zu ver­hüten, dass dasselbe das Band mit den Zähnen herausreisse oder sich an den operirten Stellen reibe, zu welchem Zwecke man mitunter einzelne Zwangsgeräthe, z. B. einen Kichtsparren, bei Hunden einen Maulkorb anlegen muss.
Vom zweiten oder dritten Tage an lässt man das Band täghch ein- bis zweimal hin- und herziehen, um die reizende Wirkung des­selben zu erneuern und den Abfluss des Eiters zu befördern, welchen letzteren Zweck man auch durch einen mit der Hand längs des quot;Wund-kanales ausgeübten gelinden Druck erreicht. Die mit dem Eiter in Berührung kommenden, täglich mit lauwarmem Wasser zu reinigenden Körperstellen werden mit Fett, Oel od. dgl. bestrichen.
Die Zeit der Herausnahme des Bandes hängt von dem Krank­heitsprozesse, dessentwegen das Eiterband gezogen wurde, ab, und es ist im Allgemeinen zu bemerken, dass man dasselbe nie länger, als nöthig ist, liegen lasse, da hiedurch schwielige Verdickungen des Kanules, Durchbohrungen der Haut u. dgl. voranlasst werden.
Man entfernt das Band am 8., 10.; ja selbst, wie es z. B. mit unter bei der Anwendung des Haarseiles gegen Hufgelenkslähme ge­schieht, erst am 21. Tage.
Die Beseitigung des Bandes geschieht in der Weise, dass man den Knoten oder das Strohbäuschchen an dem oberen Ende abschneidet und das Band nach unten herauszieht; die weitere Behandlung hat nach den Regeln der Chirurgie zu geschehen.
Ungünstige Ereignisse.
Als ungünstige Ereignisse, die bei dieser Operation eintreten können, werden angeführt:
Verletzungen von Gefässen und dadurch bedingte, wenn auch meist nicht bedeutende Blutungen; Verletzungen von Nerven, z.B. des grossen Gänsefusses beim Ziehen des Eiterbandes an der Ganasche mit darauffolgender Lähmung einzelner Parthien, z. B. der Lippen; Verletzungen der Beugesehne heimziehendes Bandes durch den Strahl; sehr starke Ansch we lluugen und Eiter­versenkungen, welche vorzugsweise durch das unter den Haut­muskel gebrachte Haarseil hervorgerufen werden sollen; Ausreis-
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sen des Bandes von Seite des Thieres oder durch Hängen­bleiben an vorragenden Gegenständen; schwieligeVerdickungen des Wundkanales, Bildung kleiner Abscesse längs des Ver­laufes desselben, bedingt durch vernachlässigte lleinigung n. a. m.
\his Impfeu.
Als Impfung (Inoculation) bezeichnet man im All­gemeinen jenes operative Verfahren, mittelst dessen die Produkte einer contagiösen Krankheit auf ein ge­sundes Thier übertragen werden, um dieselbe Krank­heit, welcher das Contagium seine Entstehung ver­dankte, hervorzurufen.
Der Zweck der Impfung ist ein verschiedener; man impft, um entweder die Uebertragungsf ähigkeit einer Krankheit auf andere Thiere, wie diess bei den, des Versuches wegen vorgenommenen Impfungen der Fall ist, sicherzustellen , oder um einen gutartigeren Verlauf der Krankheit, als nach natürlicher Ansteckung beobachtet wird, zu er­zielen oder um bei herrschenden Seuchen eine gleichzeitige Erkrankung der noch wirklich oder bloss anscheinend gesunden Thiere einer Heerde hervorzurufen und derart die Seuchendauer abzukürzen. Besonders aus den zuletzt angeführten Gründen werden Impfungen solcher Krank­heiten, von denen die Thiere höchstens einmal in ihrem Leben befallen werden, wie dicss z. B. bei der Schafpockenseuche geschieht, in aus­gedehntem Maasse unternommen.
Obschon das Verfahren bei der Inoculation ein verschiedenes sein kann, soquot; vollführt man die Operation fast ausschliesslich in der Weise, dass man den mit dem Contagium imprägnirten Stoif entweder unter die Oberhaut oder in das TJnterhautbindegewebe bringt.
Von den mannigfachen, einerjücbertragung durch Impfung auf andere Thiere fähigen Krankheiten sind es vorzugsweise die Schafpocken, die Lungenseuche und die Einderpest, die ein allgemeineres Interesse erregen und deren Impfung eine bei Weitem grösserc und gewichtigere Bedeutung erlangt hat, als dieses von anderen Krankheiten z. B. dem Milzbrände, dem Eotze, der Maul- und Klauenseuche u. a. m. gilt, aus welchem Grunde auch bloss die Einimpfung der zuerst aufgezählten Krankheiten liier eine eingehendere Behandlung findet.
A. Das Einimpfen der Schafpoeken.
Unter Einimpfung der Schafpocken versteht man jenen Vorgang, bei welchem die in den Pocken des
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Schafes enthaltene Flüssigkeit in die oberflächlich verwunde t e Haut eines zweiten Schafes eingebracht wird, um entweder durch die nach der Impfung meist in gelinderem Grade und gewöhnlich bloss lokal auftre­tende Krankheit die Thierevor natürlicher Ansteckung zu sichern oder um bei bereits herrschender Seuche die Dauer derselben abzukürzen, indem man die ganze Heerde zu gleicher Zeit der künstlichen Ansteckung unterwirft.
Geschichte der Operation.
Die vor Einführung der Impfung besonders in Piemont und in Languedoc gebräuchliche Methode, die Pocken in einer Schaf heerde zum Ausbruche zu bringen, bestand darin, dass man die Haut eines an den Pocken eingegangenen Thieres im Stalle aufhängte oder unter die Heerde legte, indess bot dieses Verfahren, welches eine natürliche Ansteckung hervorrief, nie die Vortheile, welche durch die eigentliche Impfung erzielt werden. Diese letztere Operation, im J. 1763 von Chalette zuerst erwähnt, im J. 176ä von Bourgelat empfohlen, wurde in Prankreich durch Morel, Tessier, Huzard, in Deutsch­land durch Meckel, Busch, Salmuth, Sick, Pessina, Waldinger, Liebbald, Krüger u. A. allgemeiner bekannt; ge­genwärtig wird die Impfung in einzelnen Ländern, so z.B. in mehreren Provinzen Oesterreichs, in denen die Pocken häufiger aufzutreten pflegen, Jahr aus, Jahr ein, mit grossem Vortheile geübt.
Impfstoff.
Früher gebrauchte man Blut, Pockeneiter und Schorfe zur Impfung ; da jedoch bei Anwendung der eben genannten Stoffe die erwünschten Eesultate nicht erzielt wurden, so verwendet man gegenwärtig aus-schliesslich die klare, einer reifen Pocke entnommene Lymphe, welche man entweder unmittelbar vqn einem Schafe auf das andere überträgt oder sie in entsprechender Weise bis zu dem geeigneten Zeitpunkte aufbewahrt; das erstere Verfahren ist, wo es anwendbar erscheint, stets vorzuziehen, da es bei sonst gleichen Umständen immer einen sichereren Erfolg erwarten lässt.
Die Lymphe kann entweder in flüssiger oder in trockener Form aufbewahrt werden, stets sind jedoch, um einer allzu raschen Zer­setzung derselben vorzubeugen, Luft, Hitze, Kälte und andere schädliche Agentien abzuhalten.
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Die Aufbewahrung des Impfstoffes in flüssiger Form gesebielit in kleinen Phiolen, deren feines Ende zugeschmolzen wird, in Haar­röhrchen, deren offene Enden mit Wachs verschlossen werden, in kleinen, i1/^' langen, 2'quot; weiten Glaskolben, welche zugestöpselt und versiegelt werden, oder in anderer mehr weniger zweckmässiger Weise ; behufs der Aufbewahrung desselben in trockener Form fangt man ihn in kleinen Flocken von Baum- oder Schafwolle auf, die man zwischen zwei, genau auf einander imssende, matt geschliffene Glasplatten, die so­dann mit Wachs verklebt werden, legt, oder man taucht die Spitze kleiner Elfenbeinlancetten oder zugesohuittener Federkiele in die Lymphe ein, oder tränkt Baumwollfäden mit derselben u. s. f., indess muss ein derartiger Impfstoff vor dem Gebrauche durch Wasserdämpfe aufge­weicht werden und wirkt viel unsicherer , als der in flüssiger Form aufbewahrte.
Instrumente.
Zur Impfung der Öchafpocken benutzt man gegenwärtig fast einzig und allein die Impfnadeln und unter diesen meist jene von Sick, deren Spitze sowohl in Bezug auf die Form, als auch auf die Grosse einem der Länge nach durchschnittenen Gerstenkorne gleicht und ge­wöhnlich mit einer Längsfurche, in der sich eine grössere Menge Impf­stoffes ansammelt, versehen ist; das hintere Ende des beiläufig 2quot; langen Stieles wird von einem runden oder kantigen Hefte oder von einer aus zwei Schalen bestehenden Handhabe aufgenommen. Hie und da wird die von Pessina angegebene Impfnadel angewendet, welche, meist mit einer zweischaligen Hülse versehen, etwa S'/V' lang, schmal, pfriemenförmig, fein zugespitzt ist und an ihrer flachen Seite eine bis zur Spitze verlaufende Furche besitzt.
Operationsstelle.
Die Impfung kann zwar an verschiedenen Körperparthieen vorge­nommen werden , indess hat die Erfahrung gelehrt, dass nicht jede Stelle sich gleich gut hiezu eigne.
Das Impfen an der inneren Seite der Hinterschenkel, wie Sal-m u t h n. And. angerathen haben, ist wegen der beim Gehen stets stattfindenden Keibung und der dadurch behinderten regelmässigen Ent-wickelung der Pocke, sowie wegen der in der Nähe gelagerten Lymph­drüsen und wegen der Schenkelbinde, deren Verletzung eine heftige Entzündung, Eiterung, selbst Brand bedingen kann, im Allgemeinen zu unterlassen und es ist höchstens dann diese Körperstelle zu wählen.
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wenn die Impfling am Schweife oder am Ohre nicht zulässig erscheint. Auch die innere Fläche der Yorderschenkel, die Schulter, die Aussen-fläche der Hinterschenkel, so wie die von französischen Thierärzten empfohlene untere Fläche des Bauches sind durchaus mehr weniger ungeeignete Korperstellen.
Die innere Fläche des Ohres u. z. beiläufig die Mifte derselben wird nicht selten als Impfstelle benutzt, indess bleiben die sich hier entwickelnden Pocken meist klein und ausserdem geschieht es nicht selten, dass Theile des Ohrknorpels in Folge von Vereiterung verloren gehen, welcher Umstand in Schäfereien, in denen man die Thiere an den Ohren zu zeichneu pflegt, zu berücksichtigen ist.
Die meisten Thierärzte und Oekonomen halten jedoch die von P e s s i n a vorzugsweise anempfohlene untere Fläche des Schweifes für die geeigneteste Stelle zur Impfung, indem hier die wenigste Reibung und Quetschung stattfindet und die Pocke ihre vollkommene Entwickelung zu erlangen vermag. Man wählt somit meist diesen Körpertheil und macht bloss dort eine Ausnahme, wo ein zu kurzer Stumpf des Schweifes vorhanden ist, wie diess bei weiblichen Thiereu nicht selten der Fall ist.
Operationsverfahren.
Die Mehrzahl der früher gebräuchlichen Impfmethoden, zu denen z. B. das Einschieben eines Schorfes in eine mit dem Bistouri gemachte Hautwunde, das Durchziehen von, mit Lymphe getränkten Wollfaden durch eine Hautfalte in Form eines Eiterbandes, das Einreiben von Impfstoff auf eine wund gemachte Hautstelle gehören, sind mit Recht der Vergessenheit anheimgefallen, da sie theils zu umständlich, theils zu unsicher waren, während das gegenwärtige Verfahren, durch welches^ in der Mehrzahl der Fälle die gewünschten Resultate erzielt werden, auch sehr rasch ausgeführt werden kann, was besonders dort, wo eine bedeutende Anzahl von Thieren geimpft werden muss, von Belang ist.
Die sehr einfache Handhabung der Impfnadel besteht darin, das s man die Nadel mit dem Zeige- und Mittelfinger an der unteren, mit dem Daumen an der oberen Seite des Heftes fasst, dieselbe, die Furche nach aufwärts gewendet, horizontal einsticht, unter der Oberhaut ganz oberflächlich in einer beiläufigen Länge von 1'/.—2quot;' vorschiebt, sie sodann, was jedoch nicht unbedingt nothwendig und mitunter selbst schwierig ausführbar ist, umdreht, so dass die obere Fläche nun nach abwärts gekehrt ist, und sie schliesslich unter einem leichten Drucke gegen die Lederhaut herauszieht.
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Behufs der Impfung am Schweife erfasst der Gehilfe mit der linken Hand die Vorder-, mit der rechten die Hinterfüsse des Impflings und legt denselben mit dem llücken auf die vorgerichtete Bank derart, dass der Hinturthcil des Körpers gegen den Operateur, die kahle untere Fläche des Schweifes nach oben gewendet ist; am sichersten wird das Thier gehalten, wenn der auf der Bank sitzende Gehilfe den Vorder-theil desselben gleichzeitig gegen seine Brust drückt. • Der Impfer fasst nun den Schweif von der bewollten Fläche her mit der linken Hand, spannt mit den Fingern derselben die Haut nach den Seiten hin an und sticht nun die in die Lymphe getauchte INadel in der Entfernung von 2—2*4quot; vom After in der erwähnten Weise und zwar meist in querer, nach Pcssina's Angabe in der Längenrichtung des Schweifes ein. Obschon ein einziger Impfstich ausreicht, so macht man doch, um thcils eine sicherere Haftung, theils eine grössere, lymphreichere Pocke zu erzielen, gewöhnlich noch einen zweiten, vom ersten etwa V^quot; entfernten Einstich.
Um am Ohre zu impfen , wird das Schaf zur linken Seite des Operateurs entweder stehend oder auf dem Hintertheile sitzend und den Vorderthcil in die Höhe gerichtet festgehalten; der Impfer, auf einem Stuhle sitzend, fasst nun mit der linken Hand das rechte Ohr des Thieres so, dass der Daumen an die innere Fläche zu liegen kömmt, biegt dasselbe über den Zeigefinger, welcher beiläufig 1 Vaquot; von der Spitze des Ohres entfernt an der äusseren Fläche angelegt wird, und sticht nun die Nadel gerade über dem unterlegten Finger ganz flach unter die Oberhaut der inneren Fläche des Ohres ein.
Zerreisst die Oberhaut, bevor die Nadel in der erforderlichen Länge eingestochen ist, so macht man in einiger Entfernung von der ursprünglichen Stelle einen neuerlichen Einstich.
Impft man von einem Thiere auf das andere, so hat man, was besonders aber bei der Impfung mit Lymphe natürlicher Blattern zu beachten ist, dafür Sorge zu tragen , dass der Impfling dem pocken­kranken Schafe nicht zu nahe komme, um die in Folge der Flüch­tigkeit des Contagiums leicht möglich werdende Ansteckung auf na­türlichem Wege zu verhüten ; aus' eben diesem Grunde sind die Impf­linge von dem noch nicht geimpften Theile der Heerde abgesondert zu halten.
Eine besondere Nachbehandlung der geimpften Thiere ist bei einem regelmässigen Verlaufe der Krankheit nicht erforderlich.
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Ungünstige Ereignisse.
Als solche beobachtet man : Blutungen, bedingt durch zu tiefes Einstcohen, in Folge deren die Impfung nicht haftet, welcher letztere Zufall auch eine Folge eines schlechten Impfstoffes, eines rohen Verfahrens bei der Operation, des Fehlens der Empfänglichkeit für das Contagium, des Reibens oder Kneipens der Impfstelle, des Vereiterns des Impfstiches u. s. W. sein kann und eine wiederholte Impfung er­heischt; wohl nur äusserst selten Anstechen der mittleren Schweifarterie' bei sehr unruhigen Thieren ; heftige Entzün­dung an der Impifstelle, die sehr bedenkliche Zufälle, ja selbst den Tod nach sich ziehen kann; den Ausbruch allgemeiner Blattern; Caries der Schweif wirb el, endlich Starrkrampf, welcher letztere im A.llgemeinen selten und gewöhnlich erst während der Abheilung einzutreten pflegt.
B. Das Einimpfen der Lunge nseuche.
Diese Operation besteht in der Einführung einer mit dem, bei der Lungenseuche sich entwickelnden An­steckungsstoffe imprägnir t en Flüssigkeit in das Unter­hautbindegew ebc oder bloss unter die Oberhaut, um die in eincrHeerde ausgebroch ene Seuche schneller und mit geringerem Verluste zu tilgen.
Indess wird die Impfung von Einigen auch als ein He ilmittel der Lungenseuche angesehen, indem sie in vielen Fällen die Krank­heit, die schon in der Entwicklang begriffen ist, coupiren und eine leichtere Heilung ermöglichen soll, während Andere eine wesentliche Verschlimmerung des bereits sich entwickelnden Leidens als eine un­ausbleibliche Folge der Inoculation beobachtet haben wollen und die Operation daher nur bei vollkommen gesunden Thieren für zulässig erachten.
Geschichtliches.
Obschon bereits im J. 1819 Hausmann in Hannover die Inoculation als Schutzmittel gegen die Lungenseuche ansah und auch Desaive im J. 1836 Schutzimpfungen gegen diese Krankheit vor­genommen zu haben scheint, so sind diese Versuche doch weder in ausreichender llenge angestellt, noch auch besonders bekannt geworden und es gebührt somit dem Dr. Willems zu Hasselt in Belgien das Verdienst, derartige Versuche im Grossen angestellt, sein Verfahren
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hiebei im J. 1852 öfFentlich bekannt gemacht und demselben die möglichste Verbreitung gegeben zu haben, wesshalb er als der eigent­liche Urheber der Schutzimpfung der Lungenseuche angesehen werden muss. Trotzdem, dass die Ansichten über den Worth dor Impfung noch immer sehr verschieden sind, fand dieselbe seit dem J. 1852 besonders in jenen Ländern , wo die Mästung des Eindes in grossem Massstabe betrieben wird, wie z. 13. iu Holland, Belgien zahlreiche Anhänger und wird dort, wie nicht minder in Nbrditalien und Südtirol häufig geübt.
Impfstoff.
Zur Impfung benützt man die in der Lunge eines im ersten oder fieberlosen Stadium der Lungenseuche geschlachteten Kindes enthaltene Flüssigkeit, welche man duvcli Zerschneiden und gelindes Drücken der betreffenden Lungenstücke gewinnt. Diese Lymphe wird durch eine kurze Zeit stehen gelassen, der flüssige Theil von dem entstandeneu Gerinnsel abgegossen, filtrirt und im frischen Zustande, in welchem er klar und weingelb ist, verwendet. Doch auch die, in den durch die Impfung hervorgerufenen Geschwülsten enthaltene Lymphe wurde wie­derholt zur Weiterimpfung mit Erfolg gebraucht.
Durch eine entsprechende Aufbewahrung in kleinen, beiderseits zugeschmolzenen Gläschen soll sich, besonders bei gleichzeitiger Abhaltung der AVärme der Impfstoff durch eine längere Zeit aufbewahren lassen ; im Sommer geht er jedoch oft schon binnen 4 bis 6 Tagen in Fäul-niss über, wird trübe, gerinnt zum Theile, riecht nach Schwefelwasser­stoff und darf dann zur Impfimg nicht verwendet werden.
Man hat wohl auch Impfversuohe mit anderen, vonlungeseuohe-krankon Thieren herrührenden Flüssigkeiten z. B. mit Maul- und Xasen-schleim, mit Blut aus der Halsvene angestellt, indess ergaben diese Versuche nur unvollständige Eesultate und hatten meistens keine, in höchst seltenen Fällen eine sehr geringe Wirkung zu Folge.
Instrumente.
Als Impfinstrumente lassen sich Impfnadeln, Lancetten, das Impf in s tr ument von Sticker, selbst ein zweischnei­diges Seal pell verwenden, je nachdem man die Operation in einer oder in der anderen Weise auszuführen gesonnen ist.
Das Im pf i u st ru ment vou Sticker, 'dessen Vortheil darin be­stehen soll, dass bei dem Gebrauche desselben nicht, wie es bei den Impfnadeln der Fall ist, schon während des Durchstechens durch die Haut der Impfstoff abgestreift wird, ohne in die Wunde zu gelangen, hat eine Länge von 51/iquot;und
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besteht aus dem vorderen, stechenden Theile, der eine hohle, stählerne , hinter der etwas gekrümmten seharfen Spitze mit einer kleinen Öffnung versehene Nadel darstellt, und aus der Handhabe, welche in ihrem hohlen Inneren einen, mit der Nadel in Verbindung stehenden elastischen Sack verbirgt, der mittelst eines zur Seite der Handhabe vorragenden Druckers zusammengepresst werden kann. Geschieht dieses, wenn die Spitze der Nadel in eine Flüssigkeit einge­taucht ist, so dringt beim Aufhören des Druckes die letztere in den sich wieder ausdehnenden Behälter und kann aus diesem durch neuerlichen Druck entweder tropfenweise oder in einem Strahle' ansgepresst werden.
Operationsstelle und Operationsverfahren.
Gegenwärtig verrichtet man die Operation an der Schweifquaste und zwar an der Rüekenseite derselben, einige Zolle von der Spitze entfernt oder, der nicht selten zu heftigen Wirkung wegen jedoch nur in Ausnahmsfällen und bloss bei Gebirgsvieh, am Triele u. z. am oberen und mittleren Theile desselben meist an zwei, ungefähr vier Finger breit von einander entfernten Stellen. Impfungen an dem oberen Ende des Schweifes, an der Schulter, au der Xase, an den Seitentiächen des Halses ergaben meist in der Mehrzahl der Fälle höchst ungünstige Resultate.
Die Ausführung der Operation selbst geschieht mit Rücksicht auf die gebrauchten Instrumente und auf die Impfstelle in einer mehr weniger abweichenden Weise.
Behufs der Impfung am Schweifo werden die Haare an der Impfstelle abgeschoren oder abrasirt; der Operateur erfasst mit der linken Hand die Schweifspitze, während ein Gehilfe, der sich an die Hüfte anlehnt, gleichzeitig den Schweif festhält, um jede Bewegung des­selben zu verhindern, spannt diellaut und macht mit der in der rechten Hand gehaltenen, in die Lymphe getauchten Lancette oder mit der Impf­nadel zwei kleine oberflächliche Stichwunden und führt nun die Spitze des Instrumentes in die oberflächlichen Hautschichten oder selbst bis in das Unterhautzellgewebe ein, in welchem letzteren Falle eine sichere, aber auch stärkere Wirkung zu erwarten ist. In anderer Weise wird mitunter vorgegangen, indem man das Instrument z. B. eine Lancette, ein zweischneidiges Skalpell, welches in den Impfstoff getaucht wurde, auf die Stelle, an -welcher geimpft werden soll, senkrecht aufstellt, in dem Augenblicke, in welchem die Lymphe von der Klinge abtiiesst, einsticht und nun durch eine drehende Bewegung desselben das Ein­dringen der Flüssigkeit unter die Haut befördert.
Bedient man sich des Sticker'schen Instrumentes, so wird der Schweif in gleicher Weise erfasst, die Haare etwa zwei Zoll vom Ende desselben etwas gescheitelt, die Spitze des mit Lymphe gefüllten In-
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strumentes daselbst durch die Haut gestossen, in der Eichtung gegen, das Ende hin einen Zoll weit unter der Haut vorgeschoben, nun der Drücker der Handhabe niedergedrückt, sodann die Nadel langsam und etwas gedreht herausgezogen und die AVundränder einander durch einen leichten Druck mit dem Daumen genähert.
Um das Peitschen mit dem Schweife, wozu die Thiere durch die In­sekten besonders zur Sommerszeit veranlasst werden, zu verhüten, bindet man denselben an.
Soll am Triele geimpft werden, so bückt sich der Operateur an dem rechten Vorderfusse des am Kopfe festgehaltenen Thieres herab, fasst mit der linken Hand die untere Falte des Triels an der vorderen Spitze mit den Fingern, sticht mit der rechten Hand die gefüllte Xadel in die Mitte der Falte hinein, schiebt sie zwischen beiden Hautplatten vor, entleert sie und zieht dieselbe dann unter leichter Drehung heraus.
Die Auseinandersetzung der durch die Impfung hervorgerufenen Yeränderungen gehört so wie die Eohandlung der geimpften Thiere in das Gebiet der specicllen Krankheitslehre.
Ungünstige Ereignisse.
Zu diesen gehören: Starke Anschwellungen, die bei der Impfung am Schweife häufig die Yornahme von Scarificationen noth-wendig machen, ja sogar in Folge des eintretenden Erandes den theilweisen Verlust des Schweifes nach sich ziehen; eben so beobachtet man in derartigen Fällen mitunter bedeutende Geschwülste am Kreuze, neben dem After u. s. w., die wie jene, bei der Triel-impfung nicht selten auftretenden Geschwülste, durch ihre weiteren Veränderungen den Tod des Thieres bedingen können. Auch Lymph-gefäs sentzündungen mit Ab s cessbildung werden mitunter wahrgenommen. Diese unerwünschten Folgen sind meist durch eine üble Beschaffenheit der zur Impfung verwendeten Lymphe, durch eine unzweckmässige Behandlung der Thiere, durch grosse Hitze u. dgl. veranlasst.
C. Die Einimpfung der Rinderpest.
Die Einimpfung des Einderpest - Contagiums, welche seit der Mitte des vorigen Jahrhunderts wiederholt von verschiedenen Thierärzten Englands, Hollands, Deutschlands und Frankreichs als Schutzmittel gegen diese Krankheit, von Salchow im .1. 1779 sogar als Ausrot­tungsmittel derselben anempfohlen wurde, hat den gehegten Erwartungen
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durchaus nicht entsprochen, indem die Erfahrung lehrte, dass das durch die Impfung heryorgerufene Leiden bei dem einheimischen Viche in einer keineswegs milderen Form verlaufe, als dieses nach natürlicher Ansteckung erfolgt, und dass die Sterblichkeit in beiden Fällen bei­nahe gleich bedeutend sei. Weiters kam hiebei der Uebelstand, den man auch der Einimpfung der Schafpocken von nicht wenigen Seiten zum Vorwurfe gemacht hat, zu berücksichtigen, dass durch die, auch in seuchefreien Zeiten fortgesetzte Impfung die Gefahr der Verbreitung der Seuche und der in Polgc dessen unausbleiblichen Verluste stets unterhalten würde. Für unsere Länder kann somit die Inoculation der Einderpest nie als ein Schutzmittel gegen diese Krankheit, sondern höchstens dazu dienen, um die in grosser Verbreitung herrschende Seuche abzukürzen, indem man die anscheinend noch gesunden Thicre einer gleichzeitigen Ansteckung unterwirft. Mit reelem ^Nutzen wird dieselbe nur in jenen Ländern ausgeführt werden, in denen die Ein­derpest originär entsteht und in denen sie überhaupt einen milderen Verlauf zeigt, als diess bei uns der Fall ist, und diesem, schon von Viborg im J. 1813 aufgestellten Grundsatze enstprechend, werden in Süd-Eussland seit 18Ö3 systematisch fortgesetzte, umfassende Ver-su ehe unter J e s s e n's vorzugsweiser Leitung vorgenommen.
Impfstoff und Instrumente.
Zur Impfung bedient man sich der Thrän e nflü ssi gkeit oder des Maul- und Nasenschleimes solcher Thiere, bei denen die Einderpest in einer milden Form aufgetreten ist und sich noch in den ersteren Stadien befindet, und sammelt diesen Impfstoff in Haarröhrchen, was jedoch, da das Thier hiezu geworfen werden muss, zeitraubend und der leichten Zerbrechlichkeit des Glases wegen auch unsicher istraquo; oder man tränkt quot;Wollfaden mit der Flüssigkeit und verwendet diese als solche oder man legt sie vor dem Gebrauche in Wasser, da der Impfstoff ohne Beeinträchtigung seiner Wirksamkeit etwas verdünnt werden kann. Selbstverständlich muss er vor der Einwirkung schäd­licher Einflüsse geschützt werden, was Jessen dadurch erzielt, dass er die Haarröhrchen in einem mit Kohlenpulver gefüllten und mit Siegellack verklebten Schilfrohre und dieses dann in einem mit doppelten Wänden, deren Zwischenräume mit kaltem Wasser angefüllt werden, versehenen Blechkasten unterbringt, während die Wollfäden in, mit eingeschlilfenen Stöpseln versehenen , mit Wachs verklebten und mit Blase verbundenen Glasfläschchcn aufbewahrt werden.
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Der in dieser Weise geschützte Impfstoff zeigt sich, wie die Er­fahrung lehrt, noch nach Monaten vollkommen wirksam.
Die zur Impfung verwendbaren Instrumente sind entweder schwach gekrümmte, 21/4quot; lange, ilA,—2'quot; breite, in der Nahe des Oehres V)'quot; dicke zweischneidige Nadeln, eine kleine Haarseiluadel, die Impfnadcl von 8ick oder das Impfinstrument von St ick er, welches letztere sieh nach Raup ach hiezu am vorzüg­lichsten eignen soll, da die Operation mit demselben sehr rasch und ohne weitläufige Vorbereitungen ausgeführt werden kann. Wird mit der S i c k'schen Nadel geimpft, so bedarf man ausserdem eines B i-stouris zum Hautsolmitte.
Operation s stelle und Operationsverfahren.
Die Impfung wurde früher und wird noch gegenwärtig an ver­schiedenen Körperstellen z. B. an den Hinterbacken u. z. eine Hand­breit vom Schweife entfernt, an der rechten Schulter, an der linken Seite des Halses, am Triele, am Bücken, an der haarlosen inneren Fläche des Schweifes in der Entfernung einer Spanne vom After meist in der quot;Weise ausgeführt, dass man 7 bis 8, auch mehr mit Nasenaus- . fluss getränkte Baumwollfäden mittelst einer Nadel durchzieht oder dieselben in eine Hautwunde einlegt.
Jessen impft mit der Sick'sehen Nadel, die mit dem Impf­stoffe gefüllt, zwischen den Rändern eines 21/2/quot; grossen Hautsclmittes einen halben Zoll weit in das subeutane Bindegewebe eingeführt, um­gekehrt und dann langsam wieder herausgezogen wird. Obschou diese Methode vollkommene Sicherheit gewährt, so hält sie doch II a up ach bei Impfungen in grösserem Massstabe aus dem Grunde für nicht praktisch, da jedes einzelne Thicr geworfen und gefesselt werden muss, ein Vorgang, der nicht nur zeitraubend, sonddrn auch für die dabei beschäftigten Individuen gefährlich ist; weiters ist die Sick'sche Nadel zu schwach und bricht bei unvorhergesehenen Bewegungen dos Thieres leicht ab.
II a up ach bedient sich mit Vortheil des S ticke r'schen Impf­instrumentes in nachstehender quot;Weise: Der Impfer erfasst mit der linken Hand an der zur Impfung bestimmten Stelle des stehenden, mittelst eines um die Hörner geschlungenen Seiles kurz angebundenen Thieres eine Hautfalte, zieht dieselbe gegen sich und stösst die Spitze des ge­füllten, mit der rechten Hand gehaltenen Instrumentes in der Richtung von oben nach unten rasch durch die Haut, schiebt diese ohne Ver­letzung der unterliegenden Muskulatur beliebig weit im Bindegewebe
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vor, entleert den Inhalt des Instrumentes, lässt die Hautfalte los und zieht die Nadel schnell heraus; bei diesem Verfahren kommen sehr selten einige Tropfen Blutes zum Vorscheine.
Nach dem Einziehen von Fäden beobachtet man mitunter die Entstehung von kleinen Abscessen.
Die Acapnnctar.
Diese auch mit dem Namen des Nadelstechens be­zeichnete Operation besteht darin, dass man Nadeln durch die Haut in die unter ihr liegenden Weichtheile einsticht und in denselben eine kürzere oder längere Zeit liegen lässt, um einen Reiz hervorzurufen.
Werden die eingestochenen A cupunotur - Nadeln mit einem elektrischen Apparate in Verbindung ge­setzt, so dass durch jene eine elektrische Einwirkung vermittelt wird, so nennt man di c se Oper ation E lek tro-p u n c t u r.
Geschichtliches.
Dieses Verfahren, in China und Japan längst gekannt und bei den verschiedenartigsten Krankheiten der Menschen angewendet, wurde durch den Leibarzt des Kaisers von Japan, Ten Rhyne, im J. 1683 in Europa bekannt gemacht, gerieth jedoch wieder in Vergessenheit, bis Berlioz in Paris im J. 1816 von Neuem die Aufmerksamkeit auf dasselbe lenkte, in Folge dessen in den nächsten Jahren zahlreiche Versuche an Thieren angestellt wurden. Als Heilmittel gegen Krank­heiten der Thiere wurde die Aeupunctur von Girard dem Sohne im Jahre 1825 mit nicht besonderem Erfolge, später von B o u 1 e y dem Jüngeren, Prevost, Hayne, Hertwig u. And. versucht, findet jedoch gegenwärtig eine äusserst beschränkte Anwendung, was von der Elektropunotur gleichfalls gilt.
Wirkungsweise und Anzeigen.
Die Wirkung der Nadeln ist eine verschiedene, je nachdem sie seichter oder tiefer eingestochen und eine kürzere oder längere Zeit an ihrer Stelle belassen werden.
Die durch das Einstechen gegebene Verletzung und die Gegen­wart eines fremden Körpers bedingen eine Reizung, welche mitunter mehr weniger heftige entzündliche Anschwellungen zur Folge hat;
Förster. Operationslehre für Thicrärzte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;7
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auch der Eintritt von Eiterung wurde bei mehrtägigem Liegenlassen der Nadeln beobachtet.
Die Krankheiten, bei welchen die Aoupunctur versucht wurde, sindquot;: Lähmungen, Starrkrampf, Veitstanz, Kreuz-, Schulter- und Hüft-lähmen, Eheumatismen, Sehnenklapp, indess können der einfachen Acu-punctur besondere und sichere AVirkuugen gegen einzelne Krankheiten nicht wohl zugeschrieben werden; die ungleich kräftiger wirkende Electropunctur wurde in wenigen Fällen bei Lähmungen versucht.
Instrumente.
Zu dieser Operation bedient man sich der s ogen annt e n Acu-punetur-Nadeln, in deren Ermangelung man indess auch starke Nähnadeln, welche jedoch, um ihre Sprödigkcit zu verlieren, vor dem Gebrauche ausgeglüht werden müssen, verwenden kann.
Die aus reinein, aber nicht zu sprödem Stahle gefertigten, 1—4quot; langen stricknadeWicken A cu pun c t ur - Na d e 1 n besitzen eine sehr feine Spitzenntl haben an dem stumpfen Ende ein verschieden geformtes Köpfchen, welches das leichtere Einstechen der Nadel ermöglichet. Dieses Köpfchen ist entweder schrau­ben- oder knopflonnig, prismatisch oder cylindrisch und meist der Quere nach durchbohrt, um einen Faden hindurchziehen zn können, auf welchen sämmtliehe eingestochene Nadeln angereiht werden, um das Herabfallen einzelner derselben nach der Operation zu verhüten. Zur Elektropnnctur hat man Nadeln mit einem ringförmigen Ende, in welches die Leitungsdrähte des magneto - elektrischen Apparates eingehängt werden ; die Spitzen dieser Nadeln werden nicht selten in der Ausdehnung einiger Linien gnlvanisfh vergoldet, um das Rosten hintanzuhalten.
Operationsstelle und quot;Verfahren.
Die Nadeln können an den verschiedensten Körperstellen, wie es das eben zu bekämpfende Leiden erlieischt, eingestochen werden, indess muss immer eine dickere Lage von Weichtheilen vorhanden sein ; solche raquo;Stellen, an denen grössere Gefäss- und Nervenstämme verlaufen, meidet man thunlichst, obschon Versuche ergeben haben, dass das Ein­stechen von Nadeln in Arterien, in das Herz, in das Gehirn, in die Lungen u. s. w. einen wesentlichen Nacbtheil nicht hervorrufe.
Die Tiefe, bis zu welcher die Nadeln eindringen sollen, richtet sich nach der Operationsstelle und nach dem Krankheitszustandc; nach Hertwig's Meinung soll man die Spitze derselben fast immer bis in die Nähe der Knochen gelangen lassen.
Das Einstechen der Nadeln geschieht auf verschiedene Weise.
Nachdem das Thier in entsprechender quot;Weise befestiget ist, um Zu heftige Bewegungen, in Eolge deren die Nadeln entweder sogleich
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wieder herausfallen oder verbogen werden, zu verhindern, fasst man die Nadel zwischen Daumen und Mittelfinger, setzt den Zeigefinger auf das Köpfchen derselben und sticht sie, während man an der Operations­stelle gleichzeitig mit den Fingern der anderen Hand die Haut etwas spannt, entweder mit einer drehenden Bewegung allmälig oder mit einem einzigen kräftigen Drucke entweder in senkrechter oder in etwas schiefer Eichtung rasch bis zu der gehörigen Tiefe ein.
Hiezu kann man sich auch einer eigenen Handhabe bedienen, an deren unterem Ende eine das Köpfchen der Nadel aufnehmende Metallhülse angebracht ist, da mit Zuhilfenahme dieses Instrumentesein kräftigerer Druck ausgeübt werden kann.
Diese Art des Einstcchens der Xadeln ist jedocäi nur bei kleineren Thieren oder an Körperstellen, an denen die Haut dünner ist, aus­führbar ; ist die Haut dagegen dick, wie z. B. am Eücken, so ist das Eintreiben der mit der linken Hand gehaltenen Nadel mittelst eines glatten Holzes, eines Aderlassschlägels, mit welchen Werkzeugen man einen leichten Schlag auf das Köpfchen der Nadel führt, vorzuziehen, da hiedurch der schmerzhafteste Moment der Operation, das Durch­stechen der Haut, während dessen die Thiere sehr unruhig werden, möglichst abgekürzt wird.
Die Anzahl der Nadeln, welche man einsticht, und die Zeit, durch welche hindurch man dieselben liegen lässt, sind höchst ver­schieden und von der räumlichen Ausdehnung des Krankheitszustandes so wie von den zu erreichenden Zwecken abhängig. Man hat selbst bis zu fünfzig Nadeln in der Entfernung von Vi—-1quot; vo:n einander eingestochen und dieselben V-)-—4 Stunden, in Ausnahmsfällen selbst 1—10 Tage, wie es z. B. Hayne bei Kreuzlähme gethan, stecken gelassen. Werden die Nadeln nach kurzer Zeit entfernt, so muss man sie entweder sogleich oder nach Ablauf einiger Stunden neben den früheren Einstichspunkten neuerdings appliciren und diesen quot;Vorgang nach Erforderniss täglich ein- oder mchrmale, selbst durch mehrere Tage nach einander wiederholen. Sind sämmtliche Nadeln eingestochen so reiht man dieselben an einen an der Mähne oder an dem Geschirre zu befestigenden Faden, um das Herabfallen der durch die Bewegungen des Thieres herausgetriebenen Nadeln und die in Folge dessen leicht möglichen Verletzungen zu verhüten.
Nachbehandlung und ungünstige Ereignisse.
Eine besondere Nachbehandlung ist nicht nothwendig, höchstens werden mitunter, um die durch die Nadeln verursachte Heizung zru
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steigern, erregende Heilmittel in Form -ron 'Wasebungen oder Einrei­bungen angewendet.
Die Entfernung der Nadeln vollführt man, indem man dieselben mit der rechten Hand unter leichter Drehung herauszieht, gleichzeitig aber mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand die Haut gegen die unterliegenden Theile andrückt, um eine Zerrung zu vermeiden. Als ungünstiges Ercigniss lässt sich höchstens das Abbrechen einer Nadel erwähnen; da der abgebrochene und steckengebliebene
Theil mitunter Entzündung und Eiterung erregt, so ist die Entfernung
desselben mittelst eines Einschnittes gerathen.
Die Vereinignng.
Um getrennte Theile so lange aneinanderzuhalten, bis eine orga­nische Vereinigung derselben erfolgt ist, wendet man verschiedene Verfahren an, die als trockene und als blutige Naht bezeichnet werden.
A. Die trogkene oder unblutige Naht.
Die trockene oder unblutige ISTaht, mit welchem Namen man die Anwendung von Binden, Klebpflastern, Collodium u. dgl. be­legt, liefert für sich allein angewendet, nur in Ausnahmsfällen die gewünschten Erfolge, da die Unruhe der Hausthicre , die Widerspen­stigkeit derselben gegen jeden nur einigermassen stärkeren Druck, wie nicht minder die Behaarung der Haut und die kräftige Wirkung des Hautmuskels der Vereinigung der getrennten Theile hindernd entge­gentreten, indess ist sie ein durchaus nicht zu verachtendes Unter­stützungsmittel der blutigen Naht, indem durch dieselbe der verwun­dete Theil in einer gewissen, die Vereinigung befördernden Stellung er­halten werden kann und gleichzeitig auch eine Beschränkung der allzu heftigen, auf die Heilung störend einwirkenden Bewegungen desselben erzielbar wird.
Die trockene Naht für sich allein benützt soll sich dort eignen, wo die getrennten AVeiehtheile eine feste, wenig beweg­liche Unterlage besitzen und der verwundete Theil derart gestaltet ist, dass die angelegten Binden eine möglichst unverrückte Lage behalten, wie man dieses an der Brust- und Bauchwandung , an den unteren Parthieen der Gliedmassen beobachten kann ; wo zur Vereinigung der verwundeten Gebilde gleichzeitig ein Druck in die Tiefe erforderlich ist, wie z. B. bei Gelenks-, bei gelappten, bei Hufwunden, bei bloss-
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gelegten Sehnen und Knochen, ferner bei sehr tiefen, stark klaffenden Querwunden der Muskulatur , wo die blutige Naht nicht anwendbar, die gegenseitige Annäherung der getrennten Theile jedoch wünschens-werth ist und der getrennte Theil eine derartige Form besitzt, welche die Anlegung von Verbänden gestattet, wie z. B. bei Wunden an der Hose, an der Vorderbrust u. s. w.
Die Anlegung der in speziellen Fällen stets genau anzupassen­den Bandagen ist Gegenstand der Verbandlehre und kann somit hier eine weitere Erörterung nicht finden.
B. Die blutige Natit.
Mit dem Namen der blutigen Naht bezeichnet man jenes operativeVerfahren, durch weiches man getrennte Weich theil e mittelst Nad el undFadeu vollständig oder wenigstens theilweise zu vereiuigen sucht.
Die Zwecke, die man durch diese Operation zu erreichen strebt, sind entweder Heilung der Trennungen des Zusammenhanges auf erstem Wege, was jedoch bei den Hausthieren verhältnissmässig selten beobachtet wird; Abhaltung des Luftzutrittes zu den Wunden, Erzie­lung einer, die Verwachsung der getrennten Gebilde begünstigenden Lage der Theile, Befestigung von Verbandstücken in der Wunde oder endlich eme Verschliessung natürlicher Oeffnungen.
Geschichtliches.
Obschon der Ursprung dieser Operation bis in die ältesten Zeiten versetzt werden muss, so findet man doch erst bei Gels us und Ga­len eine ausführlichere Beschreibung der Knopf-, Kürschner-, Bauch-und Darmnaht; Abulkasem machte die umschlungene, Guy von Chauliac die Zapfennaht bekannt, während Lanfranchi zuerst das Bestreichen der Heftfäden mit Wachs empfahl. Die Darmnaht be­treifende Versuche wurden an Thieren in neuerer Zeit von Jobert, Lambert, Denan u. A. vorgenommen.
Anzeigen und Gegenanzeigen.
Die blutige Naht, welche das zuverlässigste Vereinigungsmittel ist, kann, wie schon aus den oben angegebenen Zwecken, die man durch dieselbe zu erlangen sucht, hervorgeht, in sehr verschiedenen Fällen angewendet werden; zur Vereinigung getrennter Theile findet sie jedoch vorzugsweise an solchen Körperstellen Benützung, an denen in Folge gewisser Bewegungen die Wundränder auseinander gerissen
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werden, weiters bei queren und bei Wanden, welche mit Zuriicklas-sung einer möglichst wenig auffallenden Narbe geheilt werden sollen, wie z. B. bei quot;Wunden des Lides, des Nasenflügels u. s. w.
Gegenangezeigt ist die Naht bei starker Entzündung der verletzten Theile , bei Wunden, welche so tief dringen , dass eine vollkommene Annäherung der Wundränder nicht möglich ist und sich somit unter den nur oberflächlich vereinigten Theilen Blut und Eiter ansammeln würde, bei Wunden mit starker Quetschung und bedeu­tendem Substanzverluste, weiters bei solchen, in denen sich noch fremde Körper belinden und schliesslich endlich bei vergifteten Wunden.
Allgemeine Regeln für die Ausführung der Naht.
1.nbsp; Bevor man zur Anlegung der Naht schreitet, ist die Wunde von allen fremden Körpern, selbst von Blutgcrinnseln zu reinigen und die Wundränder sind, falls sie zackig und uneben wären, zu reguliren. Eine vollständige Blutstillung wird nur dann erfordert, wenn die ver­wundeten Gebilde nicht überall genau gegen einander gedrückt werden können, da, wenn letzteres ausführbar, die Naht selbst als Blutstillungs­mittel wirkt.
2.nbsp; Die wunden Theik sind aneinander zu passen , um die ent­sprechenden Punkte der einander zugekehrten Wundränder zu erken­nen, da so viel wie möglich gleichartige Gebilde in gegenseitige Be­rührung zu bringen sind.
3.nbsp;Der Einstich hat ungefähr so weit von dem Wundrande entfernt zu geschehen, als die Nadel tief dringen soll und eben so weit von dem Wundrande entfernt, hat auf der entgegengesetzten Seite der Aus­stich stattzufinden. Je tiefer die Wunde ist, die vereiniget werden soll, desto entfernter vom Wundrande muss ein- und ausgestochen werden. Die getrennten Theile dürfen ferner nie unter einem allzu spitzen Winkel gegen ihre Oberfläche durchstochen werden, weil man sie sonst nicht in gehöriger Dicke umgreift.
4.nbsp; nbsp;Die Nadel muss so tief als möglich durch die Wunde hin­durchgeführt werden, damit nicht im Grunde derselben ein Raum für Ansammlung von Blut und Eiter bleibe.
5.nbsp; Das erste Heft wird an jener Stelle angebracht, an welcher die Vereinigung am genauesten werden soll; erstreckt sich z. ß. die Trennung des Zusammenhanges auf den Rand eines Theiles , wie des Augenlides, des Nasenflügels , so legt man das erste Heft am freien Winkel der Wunde an , da hiedurch Zerrungen und Verschiebungen
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der verletzten Theile und die Entstehung eines vorspringenden Rauaes am zweokmassigsten vermieden verden.
6.nbsp; nbsp;Die einzelnen Hefte, deren Zahl nach der Länge der Wunde, nach der Zuriickziehungsfahigkeit der getrennten Theile u. s. w. eine verschieden grosse ist, müssen im Allgemeinen so vertheilt werden, dass die Wundränder in ihrer ganzen Ausdehnung sich genau anein­ander legen, und die Wunde in den Zwischenräumen nicht klafft.
7.nbsp; Da durch die Hefte die getrennten Theile bloss in gegensei­tiger Berührung erhalten werden sollen, so darf der Faden weder zu locker, noch zu fest gebunden werden, da im ersteren Falle die Wund­flächen nicht genau aneinander gehalten werden, im letzteren dagegen der Faden einschneidet ; immer hat man darauf Rücksieht zu nehmen, welchen Grad die vorhandene Enlzündung bereits erlangt habe.
8.nbsp; nbsp;Beim Knüpfen der Knoten , was je nach Umständen sogleich nach dem Durchziehen eines jeden einzelnen Heftes z. B. bei star­ker Retraction der Wundräuder, oder erst, nachdem alle Hefte durch­geführt sind, zu geschehen hat, sind die Wundränder durch einen Ge­hilfen gegen einander zu drücken ; die Knoten selbst sollen wo mög-lich an der Seite der Wunde liegen. In Fällen, in denen eine spätere Lockerung der Hefte voraussichtlich nothwendig werden dürfte, bildet man statt des zweiten Knotens eine Schleife, welche nöthigenfälls ge­öffnet und so das Heft gelockert werden kann.
9.nbsp; nbsp;Wird ein grösseres Thier behufs der Anlegung der Naht geworten , was in der Mehrzahl der Fälle besonders dann zu geschehen pflegt, wo es sich um eine ganz genaue Vereinigung der Theile handelt, so ist es in vielen Fällen rathsam, nach Beendigung der Operation noch während des Liegens desThieres den verwundeten Theil mit einer Binde zu umgeben und so das bei dem Aufstehen leicht mögliehe Ausreissen der Hefte zu verhüten.
10.nbsp; Die Entfernung der Hefte hat stattzufinden, sobald der Zweck der Operation erreicht ist, da ein zu langes Liegenlassen der Fäden Eiterung in den Stichkanälon hervorruft. Nicht selten beseitiget man nicht alle Hefte auf einmal, sondern bloss einzelne derselben, was be­sonders bei tieferen Wunden zu geschehen pflegt.
11.nbsp; Die Nachbehandlung besteht in der nochmaligen Reinigung der Wunde und in der Befestigung des 'Thieres in einer derartigen Weise, dass dasselbe weder durch Kneipen noch durch Reiben an der Wunde die Hefte zerren oder diese sogar ausreissen könne, was auch, wenn es überhaupt zulässig ist, durch das Anlegen einer Binde verhütet
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werden kann. Im Uebrigen verfahrt man nach den in der Chirurgie angegebeneu Regeln.
Arten der Nähte.
Obschon es eine bedeutende Anzahl von Formen der Naht gibt, so finden bloss wenige derselben u. z.
1.nbsp; die Knopf-,
2.nbsp; die Zapfen-,
3.nbsp; die umschlungene,
4.nbsp; die Kürschner- und
5.nbsp; die Darmnaht
in der Thierheilkunde eine mehr oder weniger verbreitete Anwendung.
1. Die Knopfnaht.
Die Knopf-, Knoten-, Bund- oder unterbrochene Naht, welche aus einem einzigen Hefte oder aus mehreren einzelnen, mit einander nicht in Verbindung stehenden und je nach der Ausdehnung der Wunde und der Zurückziehungsfähigkeit der verletzten Gebilde in verschie­dener Zahl anzulegenden Heften besteht , ist die einfachste und am allgemeinsten anwendbare Naht , die höchstens dort nicht ausreicht, wo die getrennten Theile sich so stark zurückzuziehen vermögen, dass das Ausreissen der einzelnen Hefte zu befürchten ist, wie z. B. bei durchdringenden Bauchwunden.
Instrumente.
Ausser den zu der etwa nothwendig werdenden Regulirung der Wundränder überhaupt erforderlichen Instrumenten, wie Pincette Scheere, Bistouri u. dgl. und ausser den Reini gu ngsger ä th-schaften benöthiget man zu dieser Form der blutigen Naht Wund­heftnadeln, Fäden oder Bändchen und in Ausnahmsfällen den Nadelhalter.
Die zur Knopfnaht gebräuchlichen Nadeln sind aus gehärtetem Stahle verfertiget, gut polirt, mehr oder weniger stark im Abschnitte eines Kreises ge­krümmt, an der Spitze lanzenförmig, zweischneidig, an dem hinteren Ende mit einem entweder der Länge oder der Quere nach angebrachten Oehre versehen nnd von verschiedener Länge und Breite. Die Grosse und Stärke der zu wählen­den Nadel hängt von der Tiefe und Beschaffenheit der verletzten Gebilde und von der Tiefe der Wunde ab; im Allgemeinen soll die Nadel die doppelteLänge der Tiefe der Wunde besitzen. Zum Heften bedeutender Wunden z. B. der
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Baucliwunden nach dorn Flankensclinittc bei Kühen, bedient man sich bei grös-sereu Hausthieren auch solcher Nadeln, welche in einem Hefte festgemacht sind, und das Oehr hinter der Spitze tragen, da dieselben sicherer und kräftiger haud-zuhabeu sind. Wählt man statt des Fadens einen Bleidrnht, so bedient man sich zum Nähen mitunter gerader dreiscbneidiger Nadeln, welche statt des Ochrs am hinteren Ende eine innen mit einem kurzen Schraubengewinde versehene Hülse haben, in welche der Draht eingeschraubt wird.
Muss man an Körperstellen nähen, wo die Hand mit der Nadel nicht gut beikommen kann, z. B. in Höhlen oder in Kanälen; ist der Widerstand, den die zu heftenden Theile leisten, ein bedeutender oder sind die Nadeln so klein, dass sie mit den Fingern nicht hinreioliend fest gehalten werden können, so be­dient man sich zur Haltung und Führung der Nadeln einer Pincette, einer Kornzange oder eigener Instrumente, der sogenannten Nadelhalter. Diese bestehen gewöhnlich aus einem cylimlrischen, gespaltenen Stahlstabe, dessen nach hinten vereinigte Theile mit einem Handgriffe versehen sind und dessen vordere, an der Innenfläche gezähnte oder gekerbte Enden , zwischen welche die Nadel gesteckt wird, durch einen Ring oder durch eine verschiebbare Hülse gegenein­ander gedrückt werden können.
Als Materiale zum Heften verwendet man je nach der Beschaffenheit der zu vereinigenden Theile entweder gewachste einfache Fäden von ungebleichtem Zwirn oder von Seide, oder legt mehrere solche Fäden derart nebeneinander, dass sie ein schmales Bändchen bilden, oder bedient sich flacher Zwirn- oder Seidenbau d ehe n.
Operations verfahren.
Bei der Anlegung der Knopfnaht kann man entweder beide Wundränder mit einem Haie durchstechen, was jedoch bloss bei ober­flächlichen Wunden zulässig ist, oder man durchsticht jeden Wundrand für sich. Im ersteren Falle werden die Ränder mit der freien Hand oder von einem Gehilfen in genaue Berübrung gebracht und die Wund­nadeln, welche man zwischen Daumen, Zeige- und Mittelfinger so hält, dass der Daumen an der coneaven, Zeige- und Mittelfinger an der con-vexen Seite derselben, wenn man, wie es gewöhnlich der Fall ist, gegen sich, oder an der convexen Seite, wenn man von sich sticht, anliegen, durch beide Wundränder bindureh geführt, wobei man, um das Ausstechen der Xadel zu erleichtern , mittelst des Daumens und Zeigefingers der linken Hand, mittelst einer Pincette u. dgl. einen massigen Gegendruck gegen die raquo;Spitze ausübt. Die hervordringende Nadel wird nun erfasst, nebst einem hinreichenden Theile des Fadens ausgezogen und dann mit Zurücl;lassung des letzteren entfernt. Soll ein Wundrand nach dem anderen durchstochen werden, so fasst man mit den zwei ersten Fingern der linken Hand die eine Wundlefze derart, dass der Daumen auf die Haut zu liegen kömmt und durch-
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stir-ht nun diese von aussen nach innen so, dass die Spitze zur Seite des Zeigefingers herauskömmt, nun wird der Daumen auf die innere Fläche der anderen Wundlofze, der Zeigefinger auf die äussere Fläche derselben gelegt, und die Nadel von innen nach aussen durchgeführt. Gewöhnlich fädelt mau so viele Nadeln ein, als man Hefte anlegen will; mau kann aber auch mit einer Nadel, in welche ein langer Faden eingefädelt wurde , alle Hefte nach einander anlegen, indem man zwischen den einzelnen Aus- und Einstdohspunkten immer ein Stück Faden schlingenfdrmig liegen lässt und diese Schlingen dann durchschneidet oder das Abschneiden des Fadens nach jedesmaligem Durchziehen desselben vornimmt; das erstereVerfahren ist indessbloss bei dem Heften von seichteren Wunden zulässig und wird überhaupt auch aus dem Grunde nur selten angewendet, da stets ein zu grosser Abschnitt des Fadens durch den gebildeten Stichkanal hindurchgezogen werden muss.
Nachdem die Hefte in erforderlicher Anzahl angelegt sind, lässt man die Wundränder durch einen Gehilfen aneinanderdrüeken und knüpft jeden Faden für sich in zwei einfache Knoten oder bildet, wenn eine Lockerung der Hefte voraussichtlich nothwendig werden dürfte, statt des zweiten Knotens eine Schleife und schneidet die Enden des Fadens etwa einen Zoll vom Knoten entfernt ab. Dass alle Knoten wo möglich an der Seite der Wunde liegen sollen, wurde bereits er­wähnt.
Hat die Naht ihren Zweck erfüllt und sollen die Hefte entfernt werden, was gewöhnlich am 4. oder S. Tage geschieht, so schiebt man ein Blatt der Scheere unter den Faden, durchschneidet diesen in der Nähe der Stichöifnung derjenigen Wundlefze, auf welcher der Knoten nicht liegt und zieht ihn vorsichtig heraus. Sind die Heft-bändchen durch Blut u. dgl. an der Haut festgeklebt, so befeuchtet man dieselben vor dem Ausziehen behutsam mit lauem Wasser, um die Krusten zu erweichen und das Aufreissen der Wunde zu verhüten.
Bei tiefen Wunden ist es oft leichter, die Nadel von innen nach aussen zu führen, zu welchem Behufe man entweder einen Faden an beiden Enden mit Nadeln versieht, oder man sticht, wenn man nur eine einzige Nadel verwendet, durch, fädelt sodann die gebrauchte Nadel an das entgegengesetzte, in der Wunde vorfindliche Ende des Bändchens und sticht nun den zweiten Wundrand dem ersten Ein­stichspunkte gegenüber, gleichfalls von innen nach aussen durch.
Bedient man sich einer mit einer festen Handhabe versehenen Nadel, so sticht man dieselbe durch die getrennten Theile von aussen
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nach innen oder umgekehrt durch, bringt das Band hierauf erst in das hinter der Spitze befindliche Oehr und zieht nun die Nadel sammt dem Bande zurück.
Bei einigen quot;Wunden, z. B. bei Querwunden der Ohrmuschel legt Strauss auf die Wundränder einen 5quot;' breiten , dünnen und bieg­samen Holzspahn und knüpft die Fadenenden über demselben, da durch dieses Verfahren, welches übrigens gegenwärtig keine Anwen­dung findet, die Wundränder ganz genau aneinander gehalten werden sollen.
Gleichfalls nur ausnahmsweise z. B. bei dem Heften von Längs­wunden des Schlundes, von Darmwunden und auch in diesen genann­ten Fällen ohne besonderen Vortheil macht man von einer Form der Naht Gebrauch, welche sich von der Knopfnaht dadurch unterscheidet, dass die Enden der durchgezogenen Fäden nicht in Knoten geknüpft, sondern einfach zusammengedreht und sodann im unteren Wundwinkel befestiget werden.
Aehnlich verfahrt man bei der D r a h t n a h t , bei welcher die Enden des durch die Gebilde hindurchgeführten Drahtes einfach um­gebogen oder zusammengedreht werden.
2. Die Zapfen- oder Bauchnaht.
Diese Form der Xaht, welche mitunter bei grossen, tiefen, stark klaffenden Muskclwundeu, z. B. bei Querwunden der Bauchwand, wo man das Ausreissen der Hefte befürchtet, angelegt wird, besteht gleich­falls aus einzelnen, unter einander nicht im Zusammenhange stehen­den Heften, welche nicht unmittelbar auf der Haut, sondern über eigenen Cylindern geknüpft werden, in Folge dessen sie nicht so stark in die Haut einschneiden, als diess bei der Knopfnaht der Fall ist, während gleichzeitig die quot;Wundränder gleiehmässiger gegen einander ge­drückt werden, iudeas hat diese Xaht den Nachtheil, dass man ein­zelne Hefte derselben nicht für sich entfernen kann.
Instrumente.
Man benöthiget zur Zapfenuaht nebst starken und breiten , ge­krümmten Wundnadeln und Faden noch Cylind er oderZapfen.
Die Zapfen hestehen entweder ans test gewickelter Leinwand,nbsp; nbsp;aus mit
Leinwand Überzogenen Holzstäbchen u. dgl., sind für grö.ssere Tbiercnbsp; 4 bis 6,
für kleinere 3 bis 4 Linien stark und stets etwas länger, als die znnbsp; heftende Wunde.
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Anlegung der Naht.
Das hiebe! einzaschlagende Verfahren ist ein doppeltes u. z. das ursprüngliche, fast gänzlich ausser Gebrauch gekommene, und das von Garangeot moditicirte, bei welchem die Knopf- mit der Zapfen-naht vereiniget wird.
Bei dem ersteren Verfahren tührt man die erforderliche Anzahl Doppelfäden (wenigstens drei) , welche mit der Schlinge durch das Oehr der Nadel gezogen wurden, in gleicherweise wie bei der Knopf­naht durch die Wundlippen so hindurch , dass die Schlingen sämrat-lich auf einer Seite , die Enden der Fäden auf der anderen Seite der Wunde liegen, steckt durch die ersteren einen Zapfen hindurch, zieht die Fadenendon straffer, legt zwischen diese auf dem entgegengesetzten Wundrande den zweiten Zapfen und knüpft sie nun, während ein Ge­hilfe die Wundränder ancinanderdrückl, über dem Cylinder so, dass man statt des zweiten Knotens zuerst eine aufzichbare Schleife , erst nach vollständiger Anlegung der Naht einen doppelten Knoten macht.
Das zweite Verfahren unterscheidet sich von dem eben beschrie­benen darin, dass man statt des doppelten ein dreifaches Fadenbänd-chen, von denen jenes, -welches das Knopfnahtheft vorstellt, eine andere Farbe oder eine geringere Dicke besitzt, durchzieht, zwischen die gleich­artigen iiändchen die Zapfen in der oben erwähnten Weise befestiget, die Enden des dritten Fadens aber entweder über der Wunde inner­halb der Zapfen wie bei der Knopfnaht knüpft, oder sie über die Cy­linder führt und dann erst vereiniget.
Da die Hefte der Zapfennaht weder einschneiden noch stark drücken, so können sie länger als jene der anderen Nähte, ausnahms­weise sogar bis zum zehnten Tage liegen bleiben. Behufs der Entfer­nung schneidet man die Fäden an der Innenseite eines Zapfens durch und zieht dieselben mit dem anderen Zapfen heraus.
3. Die umschlungene Naht.
Die umschlungene, umwundene, Achter- oder Hasen­scharten-Naht weicht von den übrigen Formen der Nähte darin ab, dass man die Wundränder mit einer oder mehreren geraden Na­deln durchsticht, diese letzteren jedoch liegen lässt und so mit Faden umwindet, dass die getrennten Theile untereinander in möglichst ge­naue Berührung gebracht und in derselben erhalten werden.
Sie eignet sich, da sie die Theile am besten vereiniget und am
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sichersten zu unmittelbarer Venvaohsung führt, vorzugsweise bei Wun­den, die mit Zurücklassung einer wenig sichtbaren Narbe geheilt werden sollen z. B. bei Wunden der Augenlider, der Nasenflügel, der Lippen, ferner zur Verschliessung von Aderlasswunden, zu welchem letzteren Zwecke sie auch allgemeine Anwendung tindet; bei tiefen Wunden ist sie nicht anwendbar.
Instrumente.
Zu dieser Naht werden Stecknadeln oder eigene (Lanzen-) Nadeln, ferner Zwirn-, Seiden- oder Baumwollfaden, oder statt dieser Mähnen- oder Seh we if ha are (beim Aderlasse) er­fordert.
Zum Heften feinerer Theile wendet man entweder gewöhnliehe Stecknadeln oder die sogenannten Ivarlsbader Insektenna-deln an, da diese eine gleichförmige Dicke und eine feinere Spitze besitzen ; bei Verletzungen gröberer Theile muss man jedoch stärkere Nadeln wählen, um dem Verkrümmen derselben und der dadurch be­dingten Zerrung der Wundränder vorzubeugen, und gebraucht in diesen Fällen entweder grosse Stecknadeln oder die Lanzennadeln.
Diese letzteren sind aus der Lanze und aus dem Stifte zusammengesetzt. Die aus feinem Stallt gearbeitete Lanze ist zweischneidig und geht am stumpffn Ende in eine Hülse über, in welche der 8 bis 4quot; lange . '/a — !•quot; dicke, runde, glatte Stift aus Packfong, Messing oder aus einem anderen biegsamen Metalle entweder eingesteckt oder eingeschraubt wird. Indess haben diese Nadeln den Uebelstand, dass die Lanzen bald zu fest am Stifte stecken und das Abnehmen derselben dadurch erschwert wird, bald aber zu locker sind und demzufolge d:is Durchstechen der Theile Schwierigkeiten unterliegt. Im Nothfalle lassen sich die­selben auch durch starke, früher ausgeglühte und an einem Ende scharf zuge­spitzte Stricknadeln ersetzen. Durch Bestreichen der Nadeln und Stifte mit Oel oder Fett erleichtert man das Durchstechen wesentlich. Die Fäden, mit welchen die Nadel umschlungen wird, müssen der Dicke der Nadel entsprechen; Je stär­ker die Nadel ist, desto dicker rauss der Faden sein, widrigenfalls derselbe an den Stichkanälen einschneidet und auch zu oft um die Nadel gewickelt werden müsste.
Anlegung der Naht.
Nachdem man die Wundränder in möglichst genaue Berührung mit einander gebracht und sie über die angrenzenden Theile etwas emporgezogen hat, hält man sie entweder selbst mit den Fingern der linken Hand fest oder lässt sich hierin von einem Gehilfen unter­stützen, fasst die Nadel zwischen Daumen und Mittelfinger (bei den
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Lanzennadeln derart, dass diese Pinger an der Vereinigungsstelle der Lanze mit dem Stifte liegen), legt die Spitze des Zeigefingers an das Köpfchen der Nadel oder auf das hintere Ende des Stiftes , setzt sie schräg an die Haut an und durchsticht heide Wundränder mit einem Male. Der Ein- und Ausstichspunkt müssen gleich weit von der Wunde u. z. so weit, als die Xadel tief eindringen soll, entfernt sein und, da der Druck der Jsadel ein viel stärkerer ist, als jener des Heftes der Knopfnaht, immer etwas weiter vom Wundrande angebracht wer­den, als dieses bei der Knopfnaht nothwendig ist. Lassen sich beide Wnndlefzen nicht auf einmal durchstechen, so durchsticht man den ersten Wundrand, schiebt die Kadel nahe bis zur Hälfte ihrer Länge in demselben vor und lässt erst dann die Spitze der Nadel in den zweiten Wundrand eindringen.
Wölbt sich die Haut beim Ausstiche kegelförmig vor, so beför­dert man das Durchdringen der Spitze der Nadel durch einen mit den Fingern der linken Hand ausgeübten massigen Gegendruck. Sollte sich eine Nadel bei dem Einstechen umbiegen, so ist sie sogleich zu entfernen. 1st der Ausstich vollendet, so schiebt man die Nadel oder den Stift so weit vor, dass die Enden auf beiden Seiten in gleicher Länge vorstehen und nimmt bei der Lanzennadel die Lanze ab. Falls die Hautränder so stark klaffen sollten , dass eine gleichmässige Be­rührung derselben nicht erfolgen kann . so biegt man die Enden der Stifte oder Xadeln etwas auf. Meist führt man alle Nadeln u. z. in der beiläufigen Entfernung von Vr-lquot; yon einander durch (wenn nicht, wie z. B. beim Aderlasse eine einzige ausreicht) , ehe man zur Anlegung des Fadens, welche in verschiedener Weise ausgeführt wer­den kann, sehreitet.
Bei Aderlasswunden legt man um die Stecknadel entweder eine von Rosshaar oder Faden gebildete einfache Schlinge, die man mit einem Knoten schliesst, eine- chirurgische Schlinge oder macht eine auf der Wunde sich kreuzende Achtertour.
Sind inehrere Nadeln angelegt worden, so führt man den Faden entweder um eine einzelne Nadel oder um zwei , oder endlich um sämmtliche Nadeln.
Bei dem ersten Verfahren legt man denFaden mit seinem mitt­leren Theilc parallel mit der Nadel quer über die Wunde, führt die Fadenenden links und rechts unter der Nadel durch, kreuzt sie, zieht sie in dem Masse an, dass die Wundränder einander auf das Genaueste berühren, macht mit den gekreuzten Enden denselben Weg wieder zurück, kreuzt sie nochmals, umgeht nun die Nadel mit einigen, einem
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liegenden Achter (oo) gleichenden, sogenannten Achtertouren, -welche die Wunde decken, knüpft schliesslich die Fadenenden in einen dop­pelten Knoten und schneidet den East derselben kurz ab.
Will man zwei Tadeln mit einem Bändchen umwickeln, so fuhrt man dasselbe von der ersten Nadel zur zweiten derart, dass die Fa­denenden sich auf der Wunde selbst kreuzen und zwischen den Na­deln eine Achtertour entsteht; will man dagegen mit einem Faden alle Nadeln umschlingen, so legt man in der oben angegebenen Weise den Faden um die erste Nadel , führt ihn zu der zweiten, unten- oder überliegenden, indem man die Fadenenden im Zwischenräume zweier Nadeln über der Wunde kreuzt, umwickelt nun die zweite Nadel in gleicherweise wie die erste, geht nun zur dritten Nadel über und fahrt so fort, bis alle Nadeln umschlungen sind , worauf man den Knoten knüpft. Indess hat die letztere Art der Anlegung des Fadens den Nach­theil, dass die Selbstständigkeit der einzelnen Hefte verloren geht, in­dem ein einzelnes derselben nicht entfernt werden kann, und dass die Wunde bei strafferem Anziehen des Fadens in der Länge verkürzt wird, was theils Klaffen der Wundränder, theils Heilung mit Ver­kürzung zur Folge hat.
Um das Einstechen der Nadelspitzen in die Haut zu verhüten, biegt man dieselben um, oder zwickt sie ab, oder legt eine Uompresse unter.
Nach zwei bis sieben Tagen entfernt man die Xadeln , indem man sie an ihrem Kopfende fasst, und unter Entgegenhalten mit den Fingern herauszieht, worauf auch die meist untereinander verklebten Fäden behutsam beseitiget werden.
4. Die Kürschner- oder überwendliehe Naht.
Diese Form der Naht, welche sich von der Kuopfnaht dadurch unterscheidet, dass sie nicht aus einzelnen, von einander getrennten Heften besteht, indem der Faden eine ununterbrochene Spirallinie um die Längenachse der Wunde beschreibt, wird mit denselben Instru­menten, wie die Knopfnaht ausgeführt, findet jedoch eine sehr be­schränkte Anwendung, da einestheils die Lockerung, das straffere An­ziehen oder die Entfernung einzelner Hefte unmöglich ist, anderstheils die Wundränder meist verzogen werden. Man wendet sie höchstens nach dem Ohrenstutzen, ferner mitunter bei oberflächlichen Wunden und nach der Castration weiblicher Schweine, so wie nach jener der Hühner an.
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Anlegung der Naht. Sind die Wundrandor einander genähert und mittelst des Zeige-iingers und Daumens der linken Hand etwas in die Höhe gehoben, so durchsticht man die 'Wimdlippen in derselben Weise, wie bei der Knopfnaht, in der Nähe eines quot;Wundwinkels von rechts nach links, zieht den Faden, der beiläufig dreimal so lang als die Wunde sein muss, fast bis zu seinem Ende vor, macht einen Knoten, führt hierauf die Nadel nebst dem Faden schräg über die Wundspalte wieder zu der, der rechten Hand des Operateurs entsprechenden Wundlippe zurück, um sie von dieser Seite aus in einer Entfernung von V2—lquot; Ton dem ersten Hefte abermals schräg durchzustechen, und wiederholt die­ses bis zur gänzlichen Vereinigung der AVundränder, worauf man auch am zweiten Wundwinkel einen Knoten schürzt. Der Faden bildet so­mit Spiralwindungen, welche zum Theile in, zum Theile auf der Wunde liegen. Eehufs der Entfernung werden die über der Wunde befindli­chen Schlingen durchsclmitten und die Fudenstücke einzeln ausgezogen.
5. Die Darmnaht.
Die Anlegung der Naht bei Verwundungen des Darmes ist nicht selten, besonders wenn eine vollständige quere Trennung stattgefunden hat, mit bedeutenden Schwierigkeiten verbunden und selbst dort, -wo sie sich als ausführbar erweiset, nur ausnahmsweise von Xufzeü , da die stattgehabte Verletzung, wenn sie bedeutender ist, meist schon an und für sieh den Tod des Thieres bedingt.
Die getrennten Theile können mittelst einer oder der anderen Form der Naht vereiniget werden, und man legt entweder die Knopf­oder die Kürschnernaht oder andere, vorzugsweise als Darmnaht bezeichnete Formen, wie z. B. die Schlingennaht, die Naht von Lem-b ert u. ra. And. an.
Instrumente.
An Instrumenten benöthiget man bloss feine gerade Nadeln und gewachste Zwirn- oder Seidenfäden.
Ausführung der Operation.
Wendet man die Schlingennaht an, so erfasst man denver­letzten Darm mit der linken Hand, hält die Wuhdränder gleichmässig gegen einander, durchsticht sie mit der Nadel, in deren Oehr
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man den Faden so'eingefädelt hat, dass beide Enden eine gleiche Länge besitzen, und diese nun durch einen Knoten vereiniget hat, in der Nähe eines quot;VVundwinkels gleichzeitig, zieht den Doppelfudcn bis gegen den Knoten durch dieselben, steckt die Nadel zwischen beiden Fäden durch und bildet so eine Schleife, welche man an den quot;Wuudrändern straff anzieht; dasselbe Vcrfohren wiederholt man in Entfernungen von 2—3 Linien, längs der ganzen quot;Wunde, führt zum Schlüsse die Nadel durch die letzte Schlinge zurück, befestiget den Faden an dieselbe mit einem Knoten, leitet das freie Fadenende, welches stets hinreichend lang gelassen werden muss, durch den unteren quot;VVundwinkcl aus der Wunde hervor und befestiget es mit irgend einem Klebemittel an der Haut.
Ist der Darm vollständig getrennt, so kann man den Versuch machen, eine Vereinigung der verwundeten Gebilde durch die von Lembcrt angegebene Naht, welche am wenigsten reizt, eine sehr genaue Berührung der Wundränder ermöglichet und dcsshalb den übrigen Nähten vorzuziehen ist, ausserdem aber auch bei unvollstän­diger Trennung des Darmes, und zwar sowohl bei Längen-, als bei Querwänden angewendet werden kann, zu erzielen. Zu diesem helmfe fixirt man den einen Wundrand mit dem Daumen und Zeigefinger der linken Hand, indem man den letzteren in die Höhle des Darmes bringt, sticht die mit einem einfachen gewachsten Seidenfaden versehene Nadel etwa 2'/, Linien vom Wundrande entfernt durch die seröse und die Muskolhaut, schiebt sie parallel mit der Längenachse des Darmrohres etwa zwei Linien weit zwischen der Muskel- und Schleimhaut vor­wärts und sodann wieder aus der serösen Haut hervor. Ist dieses ge­schehen, so verfährt man an dem zweiten Darmstücke in derselben Weise, indem man an der entsprechenden Stelle desselben, nämlich genaii dem Ausstichspunkte am ersten Darmstüokc gegenüber dieselbe Nadel in der oben angegebenen Entfernung vom Wundrande einsticht, zwischen Muskel- und Schleimhaut vorwärts schiebt, durch die seröse Haut aussticht und nun die Nadel entfernt.
Hat man die erforderliche Zahl der Hefte u. z. in Zwischenräumen von 3—4 Linien angelegt, so lässt man durch einen Gehülfen mittelst einer Sonde bcideAVundrändcr nach innen umschlagen und knüpft die straff angezogenen Enden eines jeden Fadens zusammen. Die mit den serösen Flächen aneinander liegenden Wundränder bilden im Innern des Darmes eine vorspringende Leiste, während sich an der Aussentläche eine leichte Furche zeigt. Um den verletzten Darm in der Nähe der Bauchwand zu halten, kann durch das (iekröse desselben eine einfache Förster. Operationslchre Tür Tliierarzte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 8
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Fadenschlinge, die nicht geknüpft wird, gezogen, das Ende der­selben durch einen. quot;Winkel der äusseren Wunde geführt und an der Haut befestiget werden.
Um bei vollkommen getrenntem Darme das Anlegen der Naht zu erleichtern, hat man gerathen, in das vordere Ende des Darmes einen Cylinder aus Kartenpapier einzuführen und das hintere Ende in der Länge von etwa einem Zolle über denselben hinauf zu schieben, indess ist dieses Verfahren umständlich und unsicher, und wird desshalb gegenwärtig nicht mehr geübt.
Andere Formen der Nähte, so z.B. die Schusternaht dienen zu ganz speciellen Zwecken und finden desshalb am geeigneten Platze Erwähnung.
Ungünstige Ereignisse bei der blutigen Naht.
Diese sind, wenn man von zufalligen Verletzungen von Nerven, Gelassen u. dgl, absieht, nur insofern von Bedeutung, als sie den Zweck der Operation mitunter zu vereiteln vermögen.
Als solche lassen sieh Verbiegen oder Abbrechen der Nadel, das in Folge eines zu festen Zusammenziehens oder einer bedeutenden Anschwellung eintretende Einschneiden der Hefte, dem man durch Lockerung derselben abhelfen kann, Eiterung im Stichkanalc, Aufreissen der Wunde bei unvorsichtiger Ent­fernung der Hefte anführen.
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Besonderer Theil.
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Operutiuucii au dem Kiiociieiisysleuie.
Zu diesen ziihlcn wir die Trepanation, die d urch Kn oohe n-ueubildungen gebotenen oijcrativen Eingriffe, so wie die bei TLieren nur in Ananalunsfülleu geübten Amp a tationen.
I. Die Trepanation.
Unter Tripanireu versteht man gegenwärtig allge­mein das Aussägen eines kreisförmigen Stückes aus den Knochen des Kopfes, um zunächst eine der Höhlen des genannten Körpertheilcs zu eröffnen; es stelltdaher dieseOperationeigeutlichuureinenVorakteineschirur-gischen Heilverfahrens dar.
In früheren Zeiten wurde die Trepanation' auch an anderen Knochen, z. B. an dem Sohulterblatte bei Eiterversenkungen in Eolge von Widerristdrücken, an den Wirbeln bei dem sogenannten Winddorne, so wie an dem Hornschuhe bei Hufentzündungon vorgenommen.
Geschichtliches. Obschon die Trepanation an Menschen bereits in den ältesten Zeiten gekannt war und schon von den Priestern des Aeskulap geübt worden sein soll, so wurde sie doch erst im Jahre 1749 von Lafosse dem Vater bei Pferden an den Stirn- und Kieferbeinen vorgonoinmen, um den Eotz dieser Thiere zu heilen. Chabert empfahl dieselbe bei Schafen, in deren Stirnhöhlen sich Bremsenlarven entwickelt haben. In späteren Zeiten wurde die Operation behufs der Eireichung ver­schiedener anderer Zwecke ausgeführt und in den letzten Jahren besonders von Greaves und Haub.ner bei chronischen Nasen-ausflüssen der Pferde angerühmt, um eine bestimmte Diagnose des Leidens stellen und im Falle der Möglichkeit einer Heilung diese beschleunigen zu können.
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Anzcigcu nur Vornahme dur Operation. Als solclie werden angeführt:
1.nbsp; nbsp;Brüche der Knochen des Kopfes mit Splitterung, mit Eindruck oder mit Yersehiebung der Brachenden, so wie die in Folge derselben in den Höhlen des Kopfes uuftretenden Ansamm­lungen von Eiter oderülut. Indess werden Brüche der Schädel­knochen ans dem Grunde nur selten eine Anzeige zur Trepanation abgeben, da sie an und für sich bei den Hausthieren nicht so häufig vorkommen, oder, wenn sie zugegen sind, den Tod des Thieres ent­weder gleich oder doch nach kurzer Zeit herbeiführen, so dass ein gün­stiger Erfolg der Operation nicht zu erwarten ist.
2.nbsp; Er ein de Körper, die in die Knochen oder in' die Höhlen eingedrungen sind, und auf eine andere Weise nicht entfernt werden können, z. B. Kugeln, abgebrochene Spitzen stechender Instrumente und dgl.
3.nbsp; Neubildungen oder Parasiten, die sich in den Kopf­höhlen entwickelt haben, wenn deren Beseitigung auf den gewöhnlichen Wegen nicht statthaft, erscheint, z. B. Krebse, Polypen, Bremseularven, Gehirnblascmvürmcr, Pentastomen u. dgl.
4.nbsp; nbsp; Chronische Xasenausf Hiss e bei Pferden, deren eigentliche Ursache auf eine andere Art nicht zu ermitteln ist oder bei denen man die Arzneimittel in unmittelbare Berührung mit den erkrankten (jebilden zu bringen wünscht; wohl die häufigste und auch gerechtfertigste Anzeige zur Trepanation.
5.nbsp; Zahnkrankheiten, welche die Entfernung des kranken Zahnes erheischen, wo dieselbe aber mittelst der Zahnzange nicht aus­führbar ist.
6.nbsp; Endlich wurde die Trepanation noch vorgeschlagen, um bei Pferden, die an Eummkoller leiden, die Riechkolben anbohren und die in denselben angesammelte seröse Flüssigkeit entleeren zu können.
Instrumente und Gerathschaften.
ISTebst den zur Ausführung der Trepanation selbst, d. h. zum Aussägen des Knochenstückes erforderlichen Instrumenten benöthiget man auch jene, die zur Erreichung des eigentlichen Zweckes der Operation, welcher den vorhandenen Anzeigen zu Folge ein verschie­dener sein kann, erheischt werden.
Zu einem vollständigen Trepanations-Apparate rechnet man: eine Scheere zum Absoheeren der Haare, ein geballtes Bistouri
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oder ein eben solches Skalpell zum Trennen der Weichtheile, eine Pincette, einen scharfen Hacken oder Nadel und Faden zum Erfassen und Hallen der Hautlappen, ein Schabeisen zum Abschaben der Beinhaut, einen E.o gen- oder Handtrepan sammt der Trepan-krone (dem Kronentrepan) zum Aussägen des Knochenstückes, eine Knochenschraube und einen Knochenhebel zum Heraus­heben der Knochenscheibe, ein Linsenmesser und eine Linsen­zange zum Ebnen der Ränder der gemachten Oeffnung, eine M e is s e 1-sende oder einen spitz zugeschnittenen F e d e r k i e 1 zum Sondiren der Sägefurche und zur Beseitigung der in derselben angesammelten Späne, eine kleine Bürste zum Eeinigen der Zähne der Krone, einen Me is sei und Hammer, oder eine kleine Säge zur Vergrösserung der Oeffnung im Knochen; ausserdem werden Reinigungs- und Ver-bandgeräthe erfordert.
Indess kann dieser Apparat #9632;wesentlich vereinfacht werden, da einzelne der genannten Instrumente ohne Naohtheil durch andere er­setzt werden können. So kann man sich z. B. anstatt eines eigenen Schabeisens eines stärkeren Bistouris oder des an dem geballten Messer quot;#9632;leichzeitig angebrachten, eine über das hintere Ende des Heftes vor­stehende Stahlplatte bildenden Knochenschabers, anstatt des Knochen­hebels einer Eiterbandnadel bedienen u. s. w., ja es lässt sich sogar im Nothfalle die Trepanation mittelst des von den Tischlern gebrauchten Contrumbohrers ganz gut ausführen.
Das Schabeisen (Knochenschaber, ßugine) besteht aus einem, in einem Grifte befestigten stählernen Stabe, an dessen vorderem Ende eine mit scharfen Kanten versehene drei-, vier-, am häuligsten aber fünfkantige Stahlplatte befe­stiget ist. Zum Gebrauehc nimmt man das Schabeisen in die volle Hand, setzt eine der scharfen Kanten senkrecht auf den Knochen und schabt damit die Beinhaut ab.
DerKronentrepanbesteht aus der Trepankrone, aus der Pyramide und aus deraHandgriffe, mittelst dessen die Krone gedreht wird; dieser letztere ist entweder bogenförmig (beim B ogen trepan e) oder quer zur Krone gestellt (bei dem Handtrepane).
An dem, einem Wendel- oder Fassbohrer gleichenden und aus Eisen ge­fertigten Trepanbogen kann man ein oberes und ein unteres Ende, einen oberen und einen unteren wagrechten Arm und ein Mittelstiick unterscheiden. An dem oberen Ende findet sich die drehbare, halbkugel- oder knopfförmige Druckscheibe von Holz oder Horn, welche zum Festhalten des Instrumentes bestimmt ist; das Mittelstück trägt gleichfalls eine, sich wie um eine Achse um dasselbe drehende Hülse — die Drehhülse oder die Olive — aus demselben Materiale, aus dem die Druckscheibe gearbeitet ist; diese letztere sowohl, als auch die Olive müssen sich leicht um ihre Achse bewegen, um nicht durch
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Keibung die Handbaboug lies Instrumentes zu ersehweren. Das untere Ende bildet eine Kapsel zur Aufnahme des Kronenstieles, welcher entweder einge­steckt und durch eine Kiiifallledcr festgehalten oder durch eine seitlich ange­brachte Stellschraube festgeschraubt wird.
Der Griff des'Hand trepan s besteht aus zwei The'len u. z. aus einem wagrechton, welcher, ans Horn oder Holz gearbeitet, als Handhabe dient und aus einem senkrechten .Stücke von Metall, welches, wie das untere Ende des Trepanliogens geformt, den Kronenstiol aufnimmt. (Die neueren Handtrepane sind aus einem Stücke gearbeitet und der von der Mitte des Querstiickes abgehende* senkrechte Theil, welcher in seiner Höhlung die Pyramide enthält, trägt au seinein unteren Ende gleichzeitig die Krone.)
Die Trcpankrone oder Kreissäge stellt einen, an der Aussenfläche glatten, seltner gerieften, hohlen stählernen Cylinder dar, an dessen unterem Rande die Sägezähne angebracht sind. Diese stellen rechtwinkelige Dreiecke dar, und es sehen entweder dieselben mit den Spitzen und den senkrechteu Kanten Bämmtlich nach einer Richtung oder es stehen je zwei Zähne mit den längereu Seiten gegen einander; bei der ersteren Stellung der Zähne muss die Krone von rechts nach links gedreht werden, während mau im letzteren Falle dieselbe nach rechts oder nach links bewegen kann.
Nach oben hat die Krone einen Stiel — den Kronenstiel —, an dem sich der in die Hülse des Trepanbogens oder des Handtropans passende Zapfeu befindet. Ein weiterer wesentlicher Eestaudtheil der Krone ist die Pyramide, (das Männchen), welche einen in der Längenachse derselben befindlichen, etwa eine Linie über den Zalmrand vorstehenden Stachel darstellt, der im Anfange des Sägens, ehe noch eine Furche gebilcle t 1st, der Säge als Stützpunkt dient, um das Abgleiten der Krone nach den Seiten hin zu verhüten. Während bei den Kronen älterer Form das Männchen mittelst eines eigenen Instrumentes — des Pyram idenschlüssels — einer herzförmigen, durchbrochenen Hand­habe, welche an dem einen Ende eine viereckige Hülse bildet, die auf-das Männchen passt, ein- und ausgeschraubt werden muss, ist das Männchen an den Kronen neuerer Form im Stiele verschiebbar und durch eine Schraube festzustellen.
Der Perforativtrepan oder derVorbohrer bildet an seinem unteren Ende eine vierseitige Pyramide, welche aus zwei schmalen und. zwei breiten Flächen, durch deren Zusammenstossen zwei stumpfe, zwei scharfe Kanten und eine scharfe Spitze entstehen, zusammengesetzt wird; er ist bestimmt, eine kleine Ocffnuug in dem Mittelpunkte, der auszusägenden Knoehenscheibe zu erzeugen, die zur Fixirnng der Pyramide nothwendig ist. Bei dem Gebrauche der Kronen neuerer Form benöthiget man dieses Instrument nicht, da bei denselben das Männchen nach Art des-Vorbohrers geschliffen ist, so dass die erwähnte Oeffnung im Knochen durch das Männchen selbst und nicht erst durch den Perforativ­trepan gemacht wird.
Die Knochenschraubc, oder der ßodenzieber (Tirefond), eine Art doppelter Schraube, ist so wie der Knochenhebel zum Herausheben des aus­gesägten Knochenstückes bestimmt.
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Mit dem Lin sen in esser werden die Bänder der Oefihnng geebnet; das­selbe stellt eine gleichbreite Messerklinge dar, deren eine Fläche schwach gewölbt ist, um sich an den Knochenrand genau anlegen zu können, während die zweite flach und eben ist; der vordere, etwas schief verlaufende Eand ist scharf, der hintere stampf; das untere, qaer aligestutzte Ende der Klinge hat eiue kurze Schraube, auf welche ein coavex-coueaves Scheibclien, - - die Linse — aufge­schraubt wird.
Auch die Linse nzange, welche an der Siiitze eineraquo; ihrer Blätter ein gleiches Scheibchen trägt, kann zum Abzwicken etwa vorhandener Knochen-sjiitzen gebraucht werden.
Ist ein grösseres Stück des Knochens zu eutfernen, so geschieht diesraquo; am zweckmässigsten mit einer Stichsäge, d. h. mit einer kleinen inessertor-migen Säge, deren Blatt sehr schmal ist, mit welcher die zwischen den ein­zelnen TrepanattonsSfihungen übriggebliebenen Enocheubrttcken herausgesägt werden.
Opera tionss teilen.
Die Stellen, an welchen die Trepanation vorgenommen wird, sind nach den Anzeigen verschieden.
Wird z. B. wegen ICnochenbrücheu tropaniit, so setzt man die Trepankrone am Bande der Verletzung an; ist ein Zahn auszukeilcn, so hat man an. der, dem Zalmlache des kranken Zahnes entsprechenden Stelle des Kiefers zu operiren u. s. w.
An dem Schädel der. Thiere ist die Operation nach Hertwigs Angabe fast nur auf dem vorderen Thoile der Yorderhauptbcine und auf den Stirnbeinen u. z. auf diesen letztereu von der Mittellinie der Stirnc bis auf die Entfernung eines halben Zolles vom Augenhöhlen­rande, und von der Kranznaht bis zu den Nasenbeinen ausführbar. Will man die Stirnhöhle eröffnen, so denkt man sich von dem oberen Ende eines Augenbogcus zu jenem des anderen eine gerade Linie gezogen, tmd setzt die Krone beiläufig 3/4 Zoll von der Mitte der Stirne entfernt an. Will man sich einen Zugang in die Kiefer­höhle verschaffen, so trepauirt man etwa 1/2—I Zoll über dem llande der Jbchleiste; will man die Nasenbeine durchsägen, so kann dieses zwar in ihrer ganzen Länge geschehen, indess ist in Betreff der Breite zu beachten, dass jederseits etwa einen Zoll von der Mittellinie der Nase entfernt an der inneren Fläche die obere Nasenmuschel mit dem Nasenbeine vereiniget ist.
An Knochen, die eine ungleiche Dicke besitzen oder von starken Muskellagen bedeckt sind, ferner an solchen, von deren unteren Fläche bedeutendere Knochenfortsätze abgehen, nimmt man die Operation nur in dringenden Fällen vor; auch solche Stellen der Schädelknocheu,
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wo eine Naht sich befindet oder wo ein Blutleiter liegt, sind hiezu wenig geeignet.
Lagerung des Thieres und Gehilfen Obschou die Operation nachHerings Ansicht auch am stehenden Thiere vorgerLommen werden kann, so wird es doch im Allgemeinen ge-rathener erscheinen, dasselbe niederzulegen und so zu lagern, dass die zu trepanirende Stelle von allen Seiten, besonders aber wo möglich von oben her frei zugänglich sei. Ein (Ichilfe hält den, auf einem mit einer Decke bedeckten 8trohbim.de aufruhenden Kopf fest und drückt denselben gegen den Hoden, um die Bewegungen dieses Körpertheiles thunliehst zu beschränken; ein anderer Gehilfe hält die losgelösten Hautlappen, ein dritter ist mit der Zureichung und Eeinigung der Instrumente betraut.
Ausführung der Operation.
Hie Operation selbst zerfällt in drei Akte; im ersten wird die Stelle des Knocbens, an welcher die Trepanation stattünden soll, blossgelegt, im zweiten erfolgt die Aussägung des Knochenstückes, im dritten endlich werden die Massnahmcn getroffen,. welche zur Er­reichung des Zweckes, dessentwegen trepanirt wurde, uothwendig sind.
E rster Akt: Bio sslegung der auszusägen den Kno eben­ste lie. Nachdem die Haare an der betreffenden Stelle mittelst der Scbeere beseitiget sind, wird die Haut in Form eines Kreutzes, eines V, eines T oder eines L je nach der Form und ürößse des auszusä­genden Knocbensfückes so durchschnitten, dass jeder einzelne Schnitt in einem Zuge bis auf die Beinhaut geführt wird, wobei man jedoch dort, wo lose Knochenstücke zugegen sind. Acht zu geben hat, die­selben nicht einzudrücken. Liegen an der Operationsstelle Muskeln, so sind diese, wenn es zulässig ist, möglichst zu schonen. quot;Welche Form der Hautschaitt zu erhalten hat, hängt von Umständen ab. So wird man den V-förmigen Schnitt dort vorziehen; wo man die Gewissheit hat, mit einer einzigen Krone auszureichen, während man den T- oder den -|- - Schnitt dann machen wird, wenn der Knochen in Aveiterem Umfange verletzt ist, oder grössere Parthieen desselben zu entfernen sind. Bei den letztgenannten Arten der Schnitte ist nicht minder zu berücksichtigen, dass man zum Halten der Hautlappen einen eigenen Gehilfen benöthiget.
Ist der Schnitt ausgeführt, so trennt man die an der Spitze mit einer Pincette oder mit einem scharfen Haken erfassten und etwas
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in die Höhe gehobenen Lappen mit dein Bistouri oder dem Skalpelle von- der Beinhaut los, schlägt sie zurück und lässt sie von einem Gehilfen mittelst der erst genannten Instrumente oder mittelst eines durchgezogenen und in eine Sclileite geknüpften Fadens von den unterliegenden Theilen abziehen. Hierauf wird die Beinhaut. rings um die aufgestellte Krone oder, nachdem man den Umfang der letzteren durch gelindes Eindrücken der Zähne derselben angedeutet hat, kreuz­förmig durchschnitten und im ersteren Falle gegen den Mittelpunkt des auszusägenden Knochenstückes, in dem letzteren dagegen von der Spitze der Lappen aus gegen den bezeichneten Umkreis hin mit einem starken Hesser, mit dem an dem Skalpelle angebrachten Knocheu-schaber oder mit dem Schabeisen, dessen eine scharfe Xante man senk­recht auf den Knochen aufsetzt, von diesem abgetrennt, damit die Bein­haut auf dem bleibenden Knochenrande beim Sägen nicht zerrissen oder abgelöst werde.
Zweiter Akt: Aussägung eines Knochens tüok es. Hat man den Knochen blossgelcgt und die Wunde gerciniget, so setzt man, wenn man sich einer Krone mit eingeschraubter Pyra­mide bedient, dieselbe auf den ersteren, und bezeichnet durch Ein­drücken der Spitze dos Männchens den Mittelpunkt der zu entfernenden Knochenscheibo, ergreift hierauf den Trepaubogen mit eingesetztem Vorbohrer au seinem unteren Ende wie eine Schreibfeder, bringt die Spitze des Vorbohrers auf das bemerkte Centrum, legt die hohle Fläche der linken Hand auf die Druckscheibe und hält so das Instrument in seiner senkrechten Stellung, während der Drehgriff in der Mitte des Bogens mit Daumen, Zeige- und Mittelfinger der rechton Hand erfasst und im Kreise von rechts nach links so lange bewegt wird, bis ein zur Aufnahme der Pyramidenspitze hinreichend grosses Loch im Knochen erzeugt ist, worauf man den Vorbohrcr mit der Krone vertauscht und den Bogen so auf die Operationsstelle aufsetzt, dass die Krone, deren Männchen in die vorgebohrte Oeft'nung gebracht wird, senkrecht zum Knochen steht, und nun die Drehbewegungen in der oben angegebenen Weise so lange fortsetzt, bis der Sägerand der Krone im Knochen eine hinreichend tiefe Furche, welche für sieh allein schon das Abgleiten des Instrumentes nach einer oder der anderen Seite hin verhindert, gebildet hat. jSTun hebt man die Krone aus, indem man den Bogentrepan wie- beim Aufsetzen mit der rechten Hand fasst, entfernt die Pyramide, welche zur Leitung der Krone nicht mehr er­forderlich ist, mittelst des Schlüssels, bildet in der durch dieselbe ge­machten Oeffnung mittelst der Schraube des Bodenzichors ein etwa
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l'/o—2' Linien tiefes Gewinde, bringt die Krone in die vorluindene Furche, welche man mittelst eines VVer^büuschehens früher gerciniget hat, wieder ein und setzt das Sägen unter Vermeidung eines zu starken Druckes fort, liieibt die Krone während des Drehens plötzlich stecken, was eine Folge des ungleichiuässigen Druckes auf die Druckscheibe, der Unruhe des Thiercs oder, wie schon bemerkt, der Ansammlung von Knoehenspänen sein kann, so macht man eine halbe oder ganze Drehung zurück und sucht so das Instrument ohne Anwendung von Gewalt wieder in Gang zu bringen, oder mau hebt die Krone aus, und entfernt mittelst der Bürste die Späne.
Greift jedoch die Säge aus dem (laquo;runde nicht mehr an, weil die durchsägte l'arthie den inneren Kaum der Krone bereits ausfüllt, wie diess z. B. bei der Trepanation au der Jochleiste oder an den Backen­zähnen sich ereignen kann, so muss man früher eine Schichte des Knochens absprengen.
Eben so rauss die Tiefe der gebildeten Furche mit einem zuge­spitzten Federkiele oder mit einer Meisselsondc untersucht werden; zeigt sich diese ungleich lief, so neigt mau den Bogen etwas nach jener Seite hin, an welcher die Furche sichtbar ist, was auch dann zu geschehen hat, wenn der Ivnocheii an einzelnen Stellen schon durch­sägt, das ausgesägte Stück jedoch noch nicht beweglich ist; eben so islt;, wenn die Furche schon eine ansehnliche Tiefe erlangt hat, der Druck auf die Druckscheibe zu massigen, uud die Furche nach Be­seitigung der Krone wiederholt zu untersuchen, damit man nicht plötzlich mit der Krone durch die gemachte üetfnuug in die unter­liegenden Höhlen eindringe.
Ist endlich das Knochenstück grösstentheils umsägt und be­weglich, so dreht man die Schraube des Bodcnziohers in den vorher gebildeten Schraubengang ein und sucht dasselbe durch Hin- und Her­bewegen vollständig zu lösen und herauszuheben. Sollte sich hiebei ein Hinderniss zeigen, was z. B. dort, wo von der unteren Fläche der Knochensoheibe Fortsätze abgehen, nicht selten der Fall ist, so schiebt man ein Ende des Hebels unter das Knochenstück, drückt dasselbe in die Höhe und beseitiget es. Hierauf untersucht man den inneren Knoehenrand, ob sich an demselben Unebenheiten vorfinden; sind solche vorhanden, so werden sie mit dem Linsenmessor weggenommen. Uan fasst hiezu das Instrument so in die volle Faust, dass der Daumen auf das Ende des Griffes zu liegen kömmt, setzt die Klinge, mit der oonvexen Fläche gegen den Sägerand gerichtet, an, drückt mit dem'
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Daumen der anderen Hand die Schneide fest gegen den Knochen und führt das Messer nun längs des Bandes hin.
Benützt man dagegen eine Krone mit verschiebbarer Pyramide, in welchem Falle man weder den Vorbohrer , noch den Pyramidenschlüssel benölhiget, so beginnt man den zweiten Akt der Operation damit, dass man die Pyramide etwas über den /ahnrand der Krone vorschiebt und sie in dieser Stellung durch die am Stiele angebrachte Schraube fixirt, hierauf setzt man das Instrument in der früher erwähnten Weise auf die Operationsstelle auf, dreht dasselbe so lange von rechts nach links, bis die entstandene Furche tief genug ist, um der Krone bei den späteren Umdrehungen die erforderliche Sicherheit zu geben, worauf man die Krone abliebt, die Pyramide zu­rückschiebt und nun weiter in der oben beschriebenen Weise vorgeht.
Indess wird das Ausschrauben oder das Zurückschieben der Pyramide bei der Eröffnung der Nasen-, Stirn- oder Kieferhöhle ohne Nachiheil unterlassen werden können, da eine Verletzung unter dem Knochen gelegener Gebilde nicht zu befürchten ist.
Gebraucht man -einen Hand trepan, so weicht das Verfahren mit demselben nur insofern ab, als man mit diesem Instrumente nicht vollständige Kreisbewegungen macht, sondern dasselbe, nachdem man es am Quergriffe mit der vollen Hand derart erfasst hat, dass der Daumen auf der einen, die drei letzten Finger auf der anderen Seite sich befinden und der Zeigefinger längs des senkrechten Stückes des­selben liegt, abwechselnd von links nach rechts und von rechts nach links nur im Halbkreise bewegt.
Soll ein grössercs Stück des Knochens entfernt werden, so setzt man mehrere Kronen nacheinander auf u. z. entweder so, das die einzelnen Kreise sich zu einem Drittel oder zur Hälfte schneiden, oder dass eine grösscre oder kleinere Brüske zwischen den Trepan-öffnungen bleibt, welche dann mittelst der Stichsäge ausgesägt wird; diese Brücken mittelst Meisscl und Hammer zu entfernen, ist der mit diesem Vorgange verbundenen allzu starken Erschütterung der Theilo und der hiebei nicht selten eintretenden Splitterung der Knochen oder einer' Verletzung der Weichthcile wegen nicht anzurathen.
Dritter Akt: Zwecke rfü llung. AVohl nur in den selten­sten Fällen z. B. bei oberllächlioh gelegenen Bliitaustrctungen ist die Operation mit der Aussägung des Knochenstückes beendiget; meist sind noch weitere operative Eingriffe nothwendig, um den Zweck, dessentwegen trepanirt wurde, zu erreichen. So sind z. B. Knochen­splitter oder von aussen eingedrungene fremde Körper mittelst, einer
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Kornzange, einer Pincette u. dgl. auszuziehen, eingedrückte Knochen­stücke mittelst des Hebels zu erheben, Neubildungen in #9632; irgend einer Weise zu entfernen, Arzneistoffe auf die erkrankten Parlhieen zubringen u. s. f., wobei nach den allgemein giltigen Kegeln vorgegangen wird.
Nachbehandlung.
quot;War die Anzeige zur Operation eine derartige, dass der Zweck der letzteren mit einem Male erreicht werden konnte, wie z. B. dort, wo es sich um eine blosse Untersuchung irgend einer Höhle des Kopfes handelte, so werden die Wundlappeu nach vorhergegangener Peinigung der Wuudflächc mittelst der Knopfnaht vereiniget; erfordern dagegen die Umstände das fernere Offenhalten der quot;Wunde, so legt man, -was nach Eröffnung der Nasen-, Stirn- oder Kieferhöhle indess unterbleiben kann, in die letztere einen lockeren Wergbauschen, über welchem man die Hautlappen mittelst der durch sie durchgezogenen und in Schleifen geknüpften Fäden vereiniget, obschon man, da die Ecken der Hautlappen nicht selten absterben, nach Her twigs An­sicht dieselben dort, wo eine stärker auffallende Narbe nicht von Be­deutung ist, unmittelbar nach der Operation wegschneiden kann, um den Zugang zu den tiefer liegenden Gebilden zu erleichtern.
Die Trepanationswunden am Gesichte, obschon nicht selten an­scheinend bedeutende Eingriffe, sind ohne besondere Bedeutung; die Heilung erfolgt selbst bei Hinwegnahme umfangreicher Knochenstücke veihältnissmässig sehr rasch und mit Zurücklassung nicht sehr sicht­licher Narben. Die durch die Operation im Knochen erzeugte Lücke erscheint bald durch eine feste, fibröse Membran ausgefüllt; dass jedoch, wie Her twig bemerkt, eine etwa einen Quadratzoll im Durchmesser weite Oeffnung im Knochen so rasch (binnen zwei Monaton) durch Knochenmasse ausgeglichen werde, dürfte ganz gewiss nur zu den Ausnahmen gehören, da mehrfachen Erfahrungen zu Folge eine derar­tige Ausfüllung der Trepanationswundc nach 1—2 .fahren noch nicht zu Stande gekommen war.
Ungünstige Ereignisse.
Solche witd man bloss bei der Eröffnung der Schädelhöhlc zu befürchten haben, wo durch unvorsichtige Handhabung des Instrumentes Verletzungen der harten Hirnhaut oder grösserer Arte­rien bedingt werden können. Mitunter sterben kleine Knochen-parthieen im Umfange der Trepanationswunde oder längs des ganzen Bandes derselben a b, wodurch die' Heilung verzögert wird.
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II. Die Amputation.
Mit dem Namen Amputation bezeichnet man die­jenige chirurgische Operation, -welche die Hinwegnahme ganzer Glieder des Thierkörpers oder einzelner Theile derselben sammtihren knöchernen G rundla gen mittelst schneidender Instrumente zum Zwecke hat.
Obschon man sich dieses Ausdruckes auch bedient, um die Be­seitigung anderer hervorragender Körpertheile, wie z. B. der Euthe, der Ohren, der Brustdrüse zu bezeichnen, so kann hier selbstverständlich nur von der Amputation solcher Theile, die eine knöcherne Basis, wie die Gliedmassen, die Hörner, der Schweif besitzen, die Rede sein.
Die Amputation kann entweder in der Continuität eines Theiles vorgenommen werden, wobei der Knochen durchtrennt wird, — Am­putation im engeren Sinne — oder es findet die Lostrennung in einer Gelenksverbindung, also in der Contiguität statt, — Enu-cleation oder Exarticulation.
A) Die Amputation der Clicdmassen,
Obschon Amputationen der Gliedmassen bei unseren Hausthieren nicht schwierig ausführbar sind, so werden dieselben doch verhält-nissmässig nur sehr selten vorgenommen, und man wird, besonders bei den grösseren Thiergattungen, seine Zuflucht zu diesem Yerfahren bloss dort nehmen, wo die Erhaltung des Lebens für eine beschränkte Zeit beabsichtiget wird, wie diess z. B. bei werthvollen weiblichen Zuchtthieren, die sich im Zustande der Trächtigkeit befinden, der Fall ist. Bei dem Pferde, bei welchem die Bewegungsorgane vorzugsweise in Anspruch genommen werden, wird die Operation desshalb einen äusserst geringen Werth haben, da der Verlust selbst nur eines ge­ringen Theiles der Gliedmasse die Diensttauglichkeit aufhebt, während man beim Binde die Schlachtung einer mitunter langwierigen Behand­lung vorzieht. Nur bei dem Hunde wird der theilweise oder selbst gänzliche Verlust einer Extremität nicht von grosser Bedeutung sein, da dieses Thicr, wie die Erfahrung lehrt, durch denselben nicht für alle Fälle gebrauchsuntüchtig wird.
Geschichtliches.
Die Geschichte dieser Operation, welche erst in neuerer Zeit geübt worden zu sein scheint, muss sich lediglich auf die Aufzählung einzelner Fälle beschränken. Fromage de Fcugre machte die Ex-
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articulation des Vordcrfussos im Schultergolenke bei einem ITunde; Cliaumontel amputirtc im Jahre 1792 den Vorderf'uss einer im 7. Monate trächtigen Kuh im Pessel, ebenso Laing, Storry, Dodds, Shield u. And.; Amputationen bei Pferden machten Mauvctte, Steiner, beim Hunde u. z. in der Mitte des Oberschenkels Hering. Durch biisartiges Klauenweh gebotene Exarticulationen der Endthoilc der Extremitäten bei Schafen und hindern kamen ebenso wie jene überzähliger Gliedmassen wiederholt vor.
Anzeigen.
Die häufigste Ycranlassung zur Vornahme der Operation geben Splitt er brüc he, welche mit starker (iuetschung und Zerreissung der Weichtheile verbunden sind, seltener Brand der letzteren, dessen Abgrenzung nicht zu erwarten ist, Os teo sar come, bösarti ges Klauenweh und überzählige Gliedmassen.
Instrumente.
Diese sind, je nachdem der Theil exartikulirt oder amputirt werden soll, etwas verschieden.
Zur Durchsehncidang der Weichtheile benöthiget man ein nach der Grosse des Thicres und nach der Operationsstelle verschieden starkes Bisto uri, ein Skalpell oder ein Ampu tati onsmes scr; zum Durchsägen des Knochens eine Bogensäge, zur Auslösung des­selben ein Bistouri oder ein L o rbeerblattmcsser; ausserdem müssen nebst den Arcrbandgeräthschaftcn auch die Instru­mente zur Blutstillung und zur Naht vorbereitet sein. Bei Absetzung eines grösseren Theiles einer Gliedmasse ist die Anlegung einer Aderpresse anzurathen, wenn die Compression der Gefüsse mittelst der Finget nicht zulässig oder nicht ausreichend ist.
Die Ader presse oder das Tourniquet besteht in einem rings um die Glicdmassc angelegten starken, festen Bande, welches, durch gewisse Vor­richtungen zusammengeschnürt, entweder auf den ganzen Umfang des Gliedes oder nur auf einzelne Punkte rtcsselhcn einen Druck ausübt. Man unterscheidet •Schrauben- und Knebeltonrniquota. Bei den erstcren wird, nachdem der an dem Bande verschiebbare Drnckpolster auf das Gefäss gelegt ist, das Zn-sammensclmüren des Bandes mittelst einer an einem Messinggcstelle angebrachten Schraube bewerkstelliget, während bei letzteren ein Knebel unter dem Bande durchgesteckt, und mittelst desselben das Band zusammengeschnürt wird. Un­geeignet und nur Im Nolhfalle anwendbar erscheinen die Aderpressen, welche einen Druck auf den ganzen Umfung des Theiles ausüben; da durch dieselben
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die Blutströmung so wesentlich beeinträchtiget wird, dass selbst Brand eintreten kann, so dürfen sie nicht länger, als unumgänglich nothwendig ist, liegen ge­lassen werden.
Die Amputationsmesser haben eine lange, starke Klinge mit gerader Schneide, können jedoch durch ein stärkeres Skalpell ganz gut ersetzt werden.
Operationsstelle und Operations verfahren.
Eine allgemein giltige Regel ist, dass der Schnitt in gesunden Gewehen gemacht werde und dass der Stumpf so lang als möglich ausfalle, übrigens müssen doch hinreichend quot;Weichtheile vorhanden sein, um den Knochen zu decken.
Ist das zu operirende Thier niedergelegt, so lässt man, wenn amputirt werden soll, durch, einen Gehilfen die Gliedmasse mit bei­den Händen umgreifen und die Haut möglichst stark zurückziehen; durchschneidet diese nun mit dem in die volle Faust gefassten Messer in Einem Kreiszuge, trennt die zwischen derselben und den unter­liegenden Gebilden bestehenden Verbindungen und durchschneidet nun sämmtliche Muskellagen am Eande der zurückgezogenen Haut gleich­falls mit einem einzigen Zirkelschnitte, worauf sich dieselben, beson­ders nachdem ihr Zusammenhang mit dem Knochen mittelst des Bistouri gelöst worden ist, stark zurückziehen; an der Stelle, bis zu welcher die Muskel zurückgewichen sind, wird nun die Beinhaut rund um den Knochen durchschnitten und letzterer durchgesägt. Eben so kann man den sogenannten Lappenschnitt machen, indem man das Messer an der Stelle, an welcher der Knochen später durchsägt werden soll, bis auf diesen einsticht und die Weichtheile sodann mit einem Zuge durchschneidet.
Bei Auslösung eines Knochens im Gelenke wird dieser in der eben angegebenen Weise blossgelegt, worauf man die Gelenksbänder mit dem Bistouri oder mit dem Lorbeerblattmesser, welches der nach der Fläche gekrümmten Klinge wegen leichter zwischen die Gelenks­enden eindringt, durchschneidet. Einige rathen nach der Exarticulation das Gelenksende des zweiten, das Gelenk bildenden Knochens mit der Säge zu entfernen, damit die Vernarbung rascher erfolge, was auch nach der Abnahme eines überzähligen Theiles einer Gliedmasse, falls an dem Knochen, mit dem dieser in Verbindung stand, eine Erhö­hung sich vorfinden sollte, anempfohlen wird.
Nach dem Durchschneiden der Weichtheile ist die Blutung aus grösseren Arterien durch die Unterbindung, aus kleineren durch Dre­hung oder in einer anderen Weise zu stillen.
Förster Operationslehre für Thierarzte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;v
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Verband und Nachbehandlung.
Tst die Absetzung des Gliedes bewerkstelliget, so wird die Wunde gereiniget, der Knochenstumpf durch die Weichtheile gedeckt, die Naht angelegt und ein schützender Verband angebracht. Die Heilung durch schnelle Vereinigung erfolgt trotz der einfachen Beschaffenheit der quot;Wunde fast nie; es stellt sich gewöhnlich Eiterung ein, nach deren Eintritte die bis zur erfolgten Vernarbung fortgesetzte Anwen­dung gelind zusammenziehender Mittel Platz greifen kann.
Nach vollendeter Heilung kann man den verloren gegangenen Theil der Gliedmasse durch einen verschieden construirten Stelzfuss zu ersetzen versuchen, wie diess wiederholt mit gutem Erfolge ge­schehen ist.
Ungünstige Ereignisse.
Als solche werden Nachblutungen, starke Entzündung,
Eiter Versenkung und Abs cessbildung, Venenentzündung,
Brand und Pyämie bezeichnet.
.-B) Sie Amputation der llöriier.
Zu dieser Operation, welche meist durch Splitterbrüche des Horn-fortsatzes, seltener durch eine sehr abnorme Stellung des Homes ge­boten wird, befestiget man das Thier mit dem gesunden Hörne mittelst eines langen Seiles verlässlich an einen Baum oder an einen Pfosten, durchschneidet mit einem starken Bistouri die Weichtheile am Grunde des Homes derart, dass hinreichend viel Haut zur Bedeckung des Stumpfes übrig bleibt, entfernt mit einer Säge oder mit einer Kneip­zange die Knochensplitter, reiniget die Wunde vom Blute, deckt die­selbe mit dem Hautlappen, dessen Bänder man einander möglichst nähert und bringt darüber ein Harzpflaster oder einen mit Tischlerleim bestrichenen Lappen an.
Steht das Horn mit der knöchernen Grundlage noch in Verbin­dung, so sägt man unterhalb der Bruchstelle zuerst die Hornscheide ringsum durch, ohne die empfindlichen Theile zu verletzen, und beseitiget dann mittelst einiger rascher Züge mit der Säge den Hornzapfen.
C) Die Ampnlation des Schweifes.
Diese auch unter dem Namen des Schweifstutzens oder Coupirens bekannte Operation besteht darin, dass
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ein grösserer oder kleinererTheil de s S ehw eif es mittelst schneidender Instrumente abgetragen wird.
Geschichtliches.
Obschon es unbekannt ist, wann eigentlich der Gebrauch, P f e r-den die Schweife zu verkürzen, entstanden ist, so geht aus dem Um­stände, dass durch eine Entscheidung der im achten Jahrhunderte zu C eich yd in England abgehaltenen Kirchenversammlung dieses rohe und widersinnige Verfahren bereits untersagt wurde, hervor, dass dasselbe schon vor dieser Zeit wenigstens in England vielfältig geübt worden sein rausste, indess scheint dieses Verbot nicht besonders beachtet worden zu sein. Von England aus wurde das Verfahren später auch in Deutschland und Frankreich und durch Kaiser Maximilians Keitcrei im Jahre 1497 auch in Italien bekannt. Während früher die Operation fast ausschliess-lich bei Militärpferden vorgenommen wurde, fand sie von der Mitte des achtzehnten Jahi-hundertes bis gegen das Jahr 1840 vorzugsweise bei Reit- und leichten Ivutschpferden Anwendung und wurde meist mit dem Schweifmuskelschnittc verbunden. Gegenwärtig wird das Schweifstutzen als ein sein sollendes Verschönerungsmittel des Pferdes im Allgemeinen nur selten unternommen und selbst in solchen Fällen nur ein kleiner Thcil der Schweifspitze entfernt.
Markam (1656) hat der Erste eine Beschreibung der Amputa­tion mittelst des Messers gegeben, jenes Verfahrens, wrelches in frühe­ren Zeiten am häufigsten geübt wurde; erst zu Ende des vorigen Jahrhundertes scheint die Coupirseheere, die Lafosse noch nicht ge­kannt haben dürfte, da er derselben nirgends erwähnt, in Gebrauch gekommen zu sein. Huzard (1790) macht dieses Instrumentes nur oberÜächlich Erwähnung, Fromage de Feugre (1810) beschreibt dasselbe ausführlich.
Das Stutzen weiblicher Lämmer, welches früher fast ausschliess-lich in England und Spanien geübt wurde, fand mit der Einführung der Merinos auch in anderen Ländern Nachahmung und wird gegen­wärtig in den meisten Schäfereien, in denen edle Schafe gezogen wer­den, vorgenommen.
Anzeigen zur Operation.
Obschon der Zweck der Operation beim Pferde mitunter bloss die Erzielnng eines höheren Tragens des Schweifes als Folge der Verminderung der Schwere desselben, beim Hunde aber
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gleichfalls eine vielleiclit nur eingebildete Verschönerung des Thieres ist, und die Operation somit häufig bloss als Luxusoperar tion angesehen werden muss, so können doch gewisse, theils durch die Verwendung des Thieres, theils durch Krankheiten bedingte Veranlassungen das Abschlagen des Schweifes nothwendig machen.
So unterwirft man z. B. Pferde, denen der lange Schweif bei ihrer Verwendung lästig oder gefährlich werden könnte, wie diess bei Schiffspferden der Fall ist, der Operation, ebenso Pferde, die die Leine mit dem Sehweife zu erfassen suchen und wegen des hiernach ent­standeneu Kitzels mit den Hinterfüssen ausschlagen (sog. Strangschlä­ger), so wie kitzliche zum Reitdienste verwendete Stuten, die mit dem von Urin benässten Schweife den Reiter besudeln. Bei weiblichen Lämmern verkürzt man den Schweif, um einestheils die Verunrei­nigung desselben durch Harn u. dgl. zu verhüten, anderstheils um das Begattungs- und Wurfgeschäft zu erleichtern; bei Schweinen wird die Schweifspitze abgeschnitten, um Blut zu entleeren.
Krankheitsprozesse, die das Abtragen des Schweifes in verschiedener Länge mitunter erheischen, sind beim Pferde: Caries und Necrose der Seh weifwirb e 1, unheilbare Brüche derselben, nicht zu beseitigende Verkrümmungen der Schweifrübe, unheil­barer, auf die Schweifspitze beschränkter Rattenschweif; beim Rinde: ISTeubildungen von bedeutenderem Umfange, starke, in Folge der Lungenseucheimpfung auftretende Anschwel­lung en, die den Eintritt des Brandes befürchten lassen, ferner der sogenannte Sterzwurm; beim Hunde:Geschwürean der Schweif­spitze.
Unterlassen wird die Operation, wenn sie nicht dringend geboten ist, bei Pferden, an deren Hinterfüssen auffallende Schönheits­fehler vorhanden sind, da diese nach Verkürzung des Schweifes noch stärker sichtbar werden.
Instrumente.
Die Verkürzung der Schweifrübe kann mittelst verschiedener In­strumente u. z. entweder mittelst eines starken Messers oder eines Wirkmessers, wobei man gleichzeitig einen Holzblock, auf welchen der Schweif gelegt wird, und mitunter auch einen hölzernen Hammer, mit welchem man auf das Messer einen Schlag führt, benöthiget, oder mittelst der sogenannten Coupir- oder Englisir-scheere ausgeführt werden. Neb stb ei bedarf man eines Bändchens
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zum Zusammenbinden der Haare, einer Sehe ere zum Äbscheeren der­selben und eines Brenneisens zur Blutstillung. Bei Schafen und Hunden kann die Verkürzung des Schweifes auch mit einer starken Sehe ere vorgenommen werden.
Das zweckmässigste Instrument ist wohl die Conpirsch eere, welche aus zwei, 18—20 Zoll langen, an den vorderen Enden durch ein Charnier mit einander verbundenen Hebeln besteht. Während ein Arm in der Nähe des Char-nieres eine starke, gerad- oder convexsehneidige Messerklinge trägt, besitzt der andere Arm zwei Platten von Messing oder Eisen, zwischen welchen ein so brei­ter Längenspalt bleibt, dass die Klinge in demselben aufgenommen werden kann; zugleich findet sich an dem freien Rande dieser Platten ein halbmondförmiger, mit breiten Lefzen versehener Ausschnitt, in welchem die Schweifrübe gerade Raum findet. Obschon dieses Instrument gewöhnlich nur bei grossen Hausthieren gebraucht wird, so kann es doch, natürlicherweise in kleinerem Massstabe ange-fertiget, beim Schafe und Hunde Verwendung finden.
Zur Blutstillung benützt man das ringförmige Brenneisen, welches an dem vorderen Ende des nach abwärts gebogenen Stieles einen konischen, beiläufig einen Zoll hohen Ring, dessen Oeffnung einen Durchmesser von 6—8 Linien hat, trägt; meist ist zur Seite des Ringes ein Knopf angebracht, mittelst dessen die Blutung aus der mittleren Schweifarterie gestillt werden kann. Jedoch reicht man mit einem gewöhnlichen Knopf- oder birnförmigen Glüheisen gleich­falls aus.
Operationsstelle und Lagerung des Thieres.
Sind Krankheiten Veranlassung zur Abnahme des Schweifes, so ist die Stelle zur Amputation durch den Sitz des Leidens gegeben und es ist nur zu beachten, dass die Abtragung stets in den gesun­den Gebilden zu geschehen habe.
Wird die Operation dagegen bloss als Verschönerungsmittel vor­genommen, so hängt es von dem quot;Willen des Eigenthümers, von der Mode oder von der Individualität des Thieres ab, ob ein grösserer oder kleinerer Theil des Schweifes entfernt werden soll. Während in früheren Zeiten bei Pferden bloss ein gegen 12 Zoll langer Stumpf des Schweifes gelassen wurde, beschränkt man sich gegenwärtig und vorzugsweise dann, wenn die Pferde den Schweif ohnehin schon ziem­lich gut tragen, darauf, nur die Spitze desselben (mitunter nur 2—3 Wirbel) hinwegzunehmen.
Gewöhnlich sucht man den, je zwei Wirbel verbindenden Faser­knorpel zu treffen, da das Durchschneiden desselben leichter und auch mit schwächereu oder stumpferen Instrumenten und ohne Gefahr einer Splitterung des Knochens, welcher letztere Uebelstand jedoch bei dem
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Gebrauche einer guten Englisirscheere gleichfalls nicht eintritt, aus­führbar ist. Auf die iSchnelligkeit des Eintrittes der Heilung ist es nach Hert wigs Ansicht ohne besonderen Einfluss, ob mau den Knor­pel oder den Wirbel durchschnitten hat, indem weder der durch­schnittene Knorpel noch der Knochen direct, sondern erst nachdem sie durch Abblätterung oder durch Eiterung abgestossen sind, über­heilen; wird, wie es gewöhnlich geschieht, das Glüheisen behufs der Blutstillung angewendet, so wird in Folge dessen fast immer nicht bloss der Knorpel, sondern auch der nächste Wirbel ausgeschieden; letzteres geschieht aber rascher, leichter und mit Zurücklassung einer kleineren Lücke bei einem halben, als bei einem ganzen Wirbel.
Bei Hunden und Schafen wird der Schweif so stark verkürzt, dass bloss ein 2 bis 3 Zoll langes Stück desselben zurückbleibt.
Beim Pferde und beim Binde nimmt man die Operation im Stehen vor; dem Pferde wü'd die Bremse angelegt, und ein Yor-derfuss aufgehoben; nöthigenfalls werden auch die Hinterfüsse ge­spannt. Schafe lässt man von einem Gehilfen derart halten, dass das Hintertheil frei steht oder hält sie im ISothfalle selbst, indem mau sie zwischen den Füssen einklemmt.
Operations verfahren.
Die Vorbereitung zur Operation besteht beim Pferde darin, dass man, nachdem die Haare sorgfaltig gekämmt sind, dieselben an der Operationsstelle in einer Querlinie scheitelt, die an dem zurück­bleibenden Stücke der Kiibe befindlichen Haare nach der Sohweifwur-zel zurückschlägt, und sie nun etwa einen Zoll über der Scheitelimgs-stelle mittelst eines rings um den Schweif geführten Bändchens zu­sammenbindet, wodurch gleichzeitig die Arterien zusammengedrückt werden und so eine stärkere Blutung aus denselben verhütet wird. Nachdem hierauf die Haare an der Operationsstelle in der Breite von 4—6 Linien abgeschoren wurden, erfasst ein Gehilfe den Schweif an den nach abwärts hängenden Haaren des abzutragenden Theiles und hält ihn in wagrechter Linie in die Höhe.
Bedient man sich der Englisirscheere, so legt der Opera­teur den mit dem halbmondförmigen Ausschnitte versehenen Schenkel derselben an die untere Fläche der Schweifrübe so an, dass die Klinge gerade oberhalb der von Haaren befreiten stelle sich befindet, und durchschneidet durch kräftiges Herabdrücken des oberen Schenkels der Scheere sämmtliche Theile der Schweifrübe mit einem Male,
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was um so leichter gelingt, wotm man einen Zwischonknorpel getrof­fen hat.
Gebraucht man dagegen das Wirkmesser oder ein anderwei­tiges stärkeres Messer, so legt man den in horizontaler Richtung gehaltenen Schweif auf einen grösseren feststehenden oder auf einen kleineren, an die untere Schweiftiäche angehaltenen Holzblock, setzt die Sohneide des Messers in gerader Richtung auf die Operationsstelle auf und treibt dieselbe durch einen kurzen, mit dem Hammer geführ­ten Schlag durch die Schweifrübe hindurch.
Nicht zu empfehlen ist jenes Verfahren, bei welchem die Sohneide eines starken Messers gegen die untere Fläche der Schweifrübe ge­halten, auf die obere Fläche • derselben mit einem Holzstücke ein star­ker Schlag geführt und so der Schweif abgeschlagen wird, wegen der hiebei immer stattfindenden Quetschung.
Ist das entsprechende Stück des Schweifes entfernt, so schreitet man zur Blutstillung, welche gewöhnlich mittelst des Glüheisens aus­geführt wird. Der Operateur ergreift mit der linken Hand, sieh gleich­zeitig mit dem linken Ellenbogen auf die linke Seite der Croupe stützend, die Schweifrübe von oben her, beugt die Spitze etwas gegen sich und berührt mit dem in der rechten Hand gehaltenen Brenneisen den Stumpf so lange, bis sich ein Schorf gebildet hat. Ist die Blutung gehoben, so werden nach Entfernung des über der Amputationsstelle angelegten Bandes die Haare nach Belieben verschnitten. Anstatt des Brennens rathen einige Thierärzte z. B. Gam gee das Zusammenbin­den der Haare unter dem Stumpfe und das Liegenlassen des Bandes bis zum folgenden Tage an.
Bei den kleineren Hausthieren wird der Schweif entweder auf die eben angegebene Weise gestutzt oder er wird, nachdem man be­sonders bei Schafen die Haut früher gegen die Schweifwurzel hinauf gezogen hat, damit der Stumpf gehörig bedeckt werde, einfach mit dem Messer oder mit einer starken Scheere abgeschnitten und die meist geringe Blutung gewöhnlich sich selbst überlassen.
Nachbehandlung.
In der Mehrzahl der Fälle ist eine besondere Nachbehandlung entbehrlich. Bloss dann, wenn bei Pferden die Entzündung sehr heftig werden sollte, ist es nach H e r t w i g zweokmässig, den Schweif wie nach dem Schweifmuskelschnitte in Rollen zu hängen und lauwarme Bähungen mit schleimigen Abkochungen, so wie Einreibungen mit grauer Quecksilbersalbe anzuwenden.
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Ungünstige Ereignisse.
Als solche werden aufgezählt: Nachblutungen, heftige Ent-zündung mit Ausfallen vieler Haare, langwierige Eiterung als Folge der meist durch den Gebrauch stumpfer Instrumente bedingten Zersplitterung der Wirbel, endlich Starrkrampf, welcher sich mit­unter erst nach quot;W.ochen nach der Operation einstellt und gegen den man das neuerliche Abschlagen des Schweifes u. z. einet Zoll höher versucht hat.
Auch Exostosen werden mitunter mittelst des Meisseis oder mittelst der Säge entfernt, indess ist dieses Verfahren meist nur bei den am Hinterkiefer vorkommenden Exostosen zulässig, da man nach der Amputation der Ueberbeine an den Gliedmassen zuweilen lang­wierige Eiterungen und Verjauchungen mit ihren Folgen auftreten sah.
Die Operation wird, je nachdem die Exostose gestielt ist oder mit breiter Basis auf dem Knochen aufsitzt, in etwas abweichen­der Weise geübt.
Ist das erstere der Fall, so durchschneidet man dicht am Rande des Kiefers die Haut und das Periost mittelst eines Kreisschnittes und sägt den Knochenauswuchs mit einer feinen Säge ab oder man ent­fernt denselben sammt der ihn bedeckenden Haut mittelst Meissel und Hammer, was jedoch der, mit diesem Verfahren verbundenen, mehr weniger starken Erschütterung wegen nur in Ausnahmsfällen angezeigt erscheint; sitzt dagegen die Knochenneubildung mit breiter Basis auf dem Knochen auf, so macht man über dieselbe einen in der Mittel­linie verlaufenden Längenschnitt durch die Haut, löset dieselbe bei­derseits vom Grunde des Ueberbeines bis auf den Kiefer los, durch­schneidet hier mit einem Zirkelschnitte die Beinhaut und meisselt oder sägt dann das TJeberbein weg. Nachdem die Haut durch einige Hefte der Knopfnaht vereiniget ist, bindet man das Thier im Stalle aus, damit es sich nicht reiben könne; die Heilung erfolgt meist bald und ohne auffallende Narbe.
8. Der Beinhautschnitt (Periostotomie). Man bezeichnet mit diesem Ausdrucke dasjenige operative Verfahren, durch welches die, eineKnochen-neubildung bedeckende ßeinhaut mittelst schneiden­der Instrumente durchtrennt wird, um das durch die Neubildung selbstbedingteL ahmen desThieres zu heben.
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Geschichtliches.
Diese Operation, durch welche die bei Knoehenneubildungen gebräuchlichen Mittel entbehrlich gemacht werden sollten, wurde von 8ewell in London im Jahre 183S bei schmerzhaften Ueberbeinen an den Schienbeinen der Pferde empfohlen und von Moulden, Hin­termayer, Schmid und Gielen auch beim Spathe, bei welchem Leiden indess auch S e w e 11 schon die an der inneren Seite des Spr'ing-gelenkes auf den Exostosen liegenden Bänder sowohl, als auch die Beinhaut, jedoch ohne besonderen Erfolg, durchschnitten hat, vorge­nommen. Mayer, Spooner, Hertwig, Haubner u. a. vollführ­ten den Beinhautschnitt bei Ueberbeinen wiederholt mit günstigem Erfolge, indem nicht nur das Lahmgehen verschwand, sondern auch das Ueberbein selbst sich verkleinerte. Wie mehrere andere Operatio­nen, wurde auch der Beinhautschnitt sowohl offen als sub cut an ausgeführt; da jedoch nach dem ersteren Terfahren, bei welchem die Haut in gleicher Ausdehnung mit dem Perioste getrennt wurde, stets bedeutende Wunden, langwierige Eiterungen und auffällige üSTarben folgten, so kam dasselbe bald gänzlich ausser Gebrauch.
Anzeigen zur Operation.
Zum Beinhautschnitte eignen sich alle sowohl frischen, als älte­ren TJeberbeine, bei welchen als Eolge der gewaltsamen Ausdehnung und Zerrung der wenig nachgiebigen Beinhaut Schmerz und dadurch veranlasstes Lahmgehen vorhanden sind. Von besonderem Nutzen ist die Operation vorzugsweise dann, wenn die Geschwulst, vor nicht langer Zeit entstanden, eine bedeutendere Festigkeit noch nicht erlangt hat, da in diesem Falle nicht selten eine auffallende Verklei­nerung derselben beobachtet wird. Auf vollkommen ausgebildete TJeber­beine, bei denen ohnehin der Gebrauch der Gliedmasse nicht beein­trächtiget erscheint, bleibt die Operation ohne Erfolg.
Bei dem Vorhandensein einer heftigen, mit einer starken Ge­schwulst um das Ueberbein verbundenen Entzündung kann nach S e w el l's Angabe der Beinhautschnitt erst dann unternommen werden, wenn diese sich unter Anwendung kalter Umschläge vermindert hat.
Instrumente.
Der zu dieser Operation von Sewell angegebene Instrumenten-Apparat besteht aus einer Zwickscheere zum Durchschneiden der
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Hautfalte, oder statt dieser aus einem Messer, dessen kurze und starke Klinge die Form einer Abscesslancette besitzt; aus zwei kurzen, auf die Fläche gekrümmten und mittelst einer Stellschraube in einem Hefte festzustellenden Ei t erb andnadeln, deren eine spitz ist und zum Trennen dos Zellgewebes dient, während die zweite, an der Spitze mit einem KnÖpfcheu versehene zum Einziehen eines Eiterbandes be­stimmt ist, endlich aus dem Beinha utmesser oder P erio sto tom, welches eine etwa vier Zoll lauge, 2 bis 21/gt; Linien breite, ziemlich starke und mit dem Hefte unbeweglich verbundene Klinge, deren Schneide massig convex, deren Rücken eben so concav, deren Spitze geknöpft ist, besitzt. An Verbandgeräthschaften gebraucht man etwas Werg und eine Binde.
Zum Hautschnitte reicht man indess mit einem geballten Bistouri zum Trennen des Zellgewebes rnit einer gewöhnlichen kleinen Eiter­bandnadel aus.
Ausführung der Operation. Diese beschreibt Ilaubncr in nachstehender Weise: Nachdem das Pferd niedergelegt und derart befestiget wurde, dass die Opera­tionsstelle frei zugänglich ist, wird die Haut unterhalb des Ueberbeines (das Pferd stehend gedacht) in der Länge eines halben Zolles, der Richtung der Haare entsprechend, durchschnitten, und auf dem Ueber-beine mittelst der durch den gemachten Schnitt eingeführten Haarseil­nadel losgelöst. Ist dieses geschehen, so wird das Beinhautmosser, mit seinen Flächen gegen die Haut und gegen den Knochen gekehrt, durch die gemachte OefFnuug eingebracht und ohne Anwendung jed­weder Gewalt so weit unter der Haut vorgeschoben, dass das Knöpf­chen desselben noch etwas oberhalb des Ueberbeines fühlbar wird, hierauf die Schneide des Instrumentes gegen das Ueberbein gerichtet, das Heft in die volle rechte Hand gefasst und die Beinhaut der Länge nach in der Mittellinie des Ueberbeines vollständig durchschnitten, indem man das Messer unter massigem Drucke auf der Neubildung hin- und herbewegt, während die linke Hand das Schienbein des Pfer­des derart umgreift, dass mittelst des oben und hinter dem Knöpfchen der Klinge angelegten Daumens auf dieselbe während des Schnittes ein bald leichterer, bald kräftigerer Druck ausgeübt werden kann, wobei gleichzeitig die übrigen Finger an die untere Fläche zu liegen kommen. Das Anlegen des Daumens hat nach Haubners Ansicht den doppelten Vortheil, dass bei dem Umstände, als dem Messer da­durch ein fester Stützpunkt geboten ist, die Operation besonders bei
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unruhigea Pferden sicherer aasgeführt und dass weitcrs die Beinhaut hiebei an jeder Steile des Ueberbeines vollständig durchschnitten wer­den kann, was ausserdem namentlich an beiden Enden, vorzugsweise bei sehr grossen Ueberbeinen, nicht leicht zu bewerkstelligen ist. Eine vollständige Trennung der Beinhaut bei hohen Ueberbeinen kann man auch, wie Hering bemerkt, dadurch erzwecken , dass man auf der erhabensten Stelle der Exostose den Hautschnitt macht und von da aus die Beinhaut nach beiden Seiton hin durchschneidet. Sollte die vollständige Trennung der Beinhaut nicht gelungen sein, wovon man sich mittelst einer eingebrachten Sonde leicht überzeugen kann, so führt man das Messer, jedoch sogleich mit der Schneide gegen den Knochen gekehrt, neuerdings ein und sucht den früher gemachten Schnitt auf, der meist sehr leicht uufzutinden ist, da sich die Ränder des getrennten Periosts nach beiden Seiten zurückgezogen haben und man den entblössten Knochen fühlt. Gelangt man an eine noch nicht vollständig durchschnittene Stelle der Beinhaut, so führt man das Messer über dieselbe hinweg und durchschneidet sie im Zurückziehen des Instrumentes. Besteht die Neubildung erst eine kurze Zeit, so tritt nach dem Durchschneiden der Beinhaut aus der Wunde eine dicksulzige Masse hervor, deren Beseitigung man durch Streichen und Drücken der Geschwulst so wie durch einen, aus einer Binde beste­henden, massig festen Druckverband befördern kann.
1st die Beinhaut durchschnitten, so schiebt man mittelst der Sonde eine etwa 2—3 Linien starke quot;Werg- oder Charpiewieke in den Wundkanal ein, oder man zieht, nachdem man an dem oberen Ende des Ueberbeines eine zweite, kleine Hautwunde gemacht hat, ein schmales, mit Digestivsalbe bestrichenes Band ein, welches durch acht Tage liegen gelassen und wie ein Eiterband behandelt wird.
Wird die Operation wegen Späth lähme vorgenommen, so ist der Vorgang im Allgemeinen ein gleicher; auch hier wird nach ge­machtem Hautschnitte das Zellgewebe mittelst einer kleinen Haarseil­nadel oder mittelst des Periostotoms selbst getrennt und die Beinhaut sodann entweder durch einen Längenschnitt oder durch mehrere, von oben nach unten strahlenförmig verlaufende, bis in den Knochen selbst dringende Schnitte gespalten; ebenso ist auch hier das Einziehen eines Bandes zulässig.
Nachbehandlung.
Die Nachbehandlung ist eine sehr einfache und beschränkt sich meist darauf, dem Thiere durch einige Tage Ruhe zu gönnen. Erlangt
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die sich immer einstellende Entzündung einen höheren Grad, so kann man sich kalter Waschungen oder Fussbäder oder der Einreibungen von grauer Quecksilbersalbe bedienen. Der durch die Entzündung selbst bedingte, gespannte Gang verliert sich innerhalb 8—14 Tagen, während welcher Zeit auch die Wunde vernarbt ist.
Ungünstige Ereignisse.
Als ein solches findet sich bloss bei dem Spathschnitte die V e r-letzung der Gelenkskapsel, welche jedoch nachtheilige Folgen nicht nach sich zog, verzeichnet.
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Operationen an den Muskeln, Sehnen und Mildern.
Als solche sind die Durchschneidungen der genannton Gebilde und die operative Beseitigung der Sehnen- so wie der Gelenks-Gallen anzuführen.
1. Die Durchschneidung von Muskeln, Sehnen und sehnigen
Ausbreitungen.
Diese Operation besteht in der queren Trennung von Muskeln, Sehnen oder sehnigen Ausbreitungen, welche unternommen wird, um die Stellung oder Haltung gewisser Körpertheile zu ändern und hie-durch entweder die Diensttauglichkeit des Thieres wieder herzustellen oder demselben ein gefälligeres Aussehen zu verschaffen. Je nachdem Muskeln, Sehnen oder Aponeurosen durchschnitten werden, bezeichnet mandieOperationalsMy otomie, Tenotomie und Ap on euro tomie.
Geschichte der Operation.
Die Durchschneidung von Sehnen und Muskeln wurde von Thierärzten viel früher, als von Menschenärzten geübt, indess in roher Weise und ohne bestimmte Anzeigen vorgenommen, indem man sie nicht zu dem Zwecke ausführte, Verkrümmungen und dadurch veran-lasste Verunstaltungen zu beseitigen.
Schon Plinius spricht von dem Herausschneiden eines in der Zunge des Hundes vorfindlichen Gebildes, des sogenannten Tollwur­mes als von einem Verfahren, welches allgemein angewendet wurde, um das Entstehen der quot;VVuth zu verhüten.
Pelagonius (in der Sammlung der quot;Werke griechischer Thier-ärzte aus dem 3. Jahrhunderte) erwähnt, dass man bei Pferden mit sehr beweglichem Schweife die von dem Kreuze entspringenden Mus­keln an dem oberen Theile des Schweifes quer durchschnitt. Dieses Verfahren, welches als die erste Andeutung der unter dem Namen
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des Englisirens bekannten Operation angesehen werden kann, findet sich in den meisten Werken der Thierärzte des Mittelalters angegeben und wurde, in verschiedener Weise modificirt und zu einem anderen Zwecke bestimmt, noch in der neueston Zeit geübt. Marx Fugger (1577) erwähnt dieses bei den Spaniern gebräuchlichen Verfahrens, Dumesnil (1628) besehreibt die Opcralion und bildet ein eigenes Englisirmesser ab, welches dem heutzutage gebräuchlichen gleicht. Das Herausnehmen eines Theiles der Muskeln mit theilweisem Abschlagen der Schweifrübe ist eine Erfindung der Engländer, die jedoch von diesen nicht vor dem 12. Jahrhunderte geübt worden zu sein scheint. La Gue'riniere (1736) gibt an, dass die Operation in fünf bis sechs Einschnitten, die an der unteren Schweiffläche gemacht werden, be­stehe. Garsault (1741) beschreibt dieselbe weitläufiger und erwähnt auch bereits des Aufhängeapparates. Von da ab wurde die Operation bis in die neueste Zeit auch in Frankreich und Deutschland allgemein und nach verschiedenen Methoden geübt, um Pferden ein edleres Aus­sehen zu geben. Um das Schieftragen des Schweifes zu beseitigen, durchschnitt Dieterichs (181 fi) den Seitwärtszieher und den Auf­heber des Schweifes.
Den Sehnenschnitt gegen das Ueberköthen findet man bei S o 1-leysel (16S4) angeführt. Im ersten Dritttheile des vorigen Jahrhun-dertes beschrieb Saunier zwei gleichfalls hier zu erwähnende Ope­rationen, die jedoch bereits früher von Anderen vorgenommen worden sein dürften. Die eine derselben, welche Solleysei gleichfalls an­deutet und die trotz ihrer Ungereimtheit in Deutschland unter dem Namen des Mäusclns häufige Anwendung fand, bestand- in dem queren Durch- und theilweisen Herausschneiden des Aufhebemuskcls der Vorderlippe bei Pferden und sollte einestheils Thieren, welche eine zu dicke STasenspitze hatten, zu einer gefälligeren Gestalt des Kopfes verhelfen, anderstheils aber die Mondblindhcit heilen oder wenig­stens weitere Anfälle verhüten. Als zweite Operation, durch welche die chronische Steifigkeit der Vorderschenkel gehoben werden sollte, führt Saunier das Biossiegen, Hervorziehen und Durchschneiden der sehnigen Fortsetzung, welche von dem unteren Ende des langen Beu­gers des Vorarmes zu der Sehnenhautbinde des letzteren herabgeht und an seiner inneren Seite unter der Haut frei zu fühlen ist.
Später wurden Muskel- und Sehnenschnitte namentlich zur Be­seitigung von Krankheiten, die für schwer oder gar nicht heilbar gehal­ten wurden, versucht.
So empfahl z.B. Lafosse der Jüngere (1802) die Durchsehnei-
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dung der starken Sehnenfortsetzung, welche sich von dem langen Beu­ger des Kegels zur Sehnenhautbinde des Vorarmes fortpflanzt, um die bockbeinige Stellung der Pferde zu beseitigen. Auf diese der Ver­gessenheit bald anheimgefallene Operation machte Dieterichs wie­der aufmerksam.
Abilgaard und Viborg durchschnitten den inneren Schenkel der Befestigungssehne des Schienbeinbeugers (des Back-Schenkelbein­muskels des Schienbeines, Muse, tibialis antious) am Hintersohenkel, da wo derselbe über das Pyramidenbein und somit auch über die, den Späth kenntlich machende Knochenerhöhung hinweggeht, um das Hin­ken zu heben, indess kam dieses Verfahren selten in Anwendung; Lafosse (1846) machte die Operation in subeutaner quot;Weise.
Im Jahre 1809 durchschnitt G o h i e r zu Lyon die Unterstüt-zungsschne des Hufbeinbeugers am Vorderschenkel eines an Sehnen­klapp leidenden Pferdes, indess hatte die Operation nicht den gewünsch­ten Erfolg.
Im Jahre 1811 beschrieb From age deFeugre ein von Do r-feuille geübtes operatives Verfahren, welches, behufs der Heilung einer eigenthümliehen, an den Hinterglicdmassen des Rindes vorkom­menden und durch die Abweichung des oberen Theiles des langen und mittleren Auswärtsziehers des Schenkels von dem grossen Um-dreher des Backenbeines bedingten Lahmheit vorgenommen, in der queren Durchschneidung des Ursprungstheiles dieses Muskels besteht.
An der Thierarzneischule zu Lyon wurde die Durchschneidung der Beugesehnen an den Füssen solcher Pferde, die mit einem Sehnen-stelzfusse behaftet waren, im Jahre 1820 von llainard mit gutem Erfolge vorgenommen und seit dieser Zeit von zahlreichen Thierärzten vielfach und mit mehr weniger Abänderung geübt. So durchschnitten z. B. Miquel und Debeaux (1826) beide Beuger und gebrauchten gegen das in Folge ihres Verfahrens eintretende, zu starke Durchtre­ten eine Art von Schnürstiefel, zu welchem Zwecke Strauss die An­legung von eisernen Unterstützungsschienen empfahl; in gleicher Weise operirte Dick in England; Bouissy operirte am stehenden Thiere, Lorton schnitt ein Stück der verdickten Sehne heraus, Chopin, von welchem der NameTenotomie herrührt, empfahl statt des Mes­sers eine krumme Scheere u. s. w.
Die subeutane Durchschneidung der Sehnen, welche an Men-,scheu von Delpeeh (1816) und Dupuytren (1821) wohl ausge­führt, dann aber erst wieder von Strohmeyer in Hannover (1831) gemacht wurde, übte zuerst Günther an stelzfüssigen Pferden. In-
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dess durchschnitt hereits J. Hunter im Jahre 1767 bei mehreren Hunden die Sprungiiechsen in siibcutaner Art, um die Gefahrlosig­keit der Operation zu beweisen. Bernard zu Lyon soll zwar das subcutane Verfahren, ohne dasselbe als solches benannt zu haben, in die Thierheilkunde schon in den Jahren 1827 oder 1828 eingeführt haben, indess beschreibt er dasselbe erst im J. 1839.
Havemann und 11 yebner erwähnen des Ausschneidens eines Theiles einzelner Ohrmuskeln bei zu eng und zu weit gestellten Ohren, bei welcher ersteren Stellung Wieners (1843) die subcutane Durch-schueidung der Aufheber der Ohrmuschel empfahl.
Andere Arten von Myo- und Tenotomien, die in neuerer Zeit versucht wurden, sind z. E. die Durchschneidung der Brust-Kinnbacken­muskeln bei schiefer Stellung des Kopfes, so wie bei Krippensetzern (Hertwig und Hering), das Durchschneiden des Spannmuskels der breiten Schenkelbinde bei Zuckfuss (Hertwig), das von Diete­richs beschriebene Abschneiden des Aufhebers und des Auswärtszie-hers der Vorderlippe und des Niederziehers der Hinterlippe; die von Andre ausgeführte quere Durchschneidung der Sehne des Hufbein­beugers in der Nähe des Strahlbeines und Herausnahme des an der Sohlenüäche des Huf beines sich anheftenden Theiles derselben bei Ge­schwürsprozessen im Hufe u. s. w.
Unter allen genannten Durchschneidungen von Muskeln und Sehnen nimmt wohl jene der Beuger bei dem Sehnenstelzfusse den ersten Platz ein, da dieselbe hinsichtlich ihres Erfolges den meisten Nutzen gewährt.
Anzeigen zur Vornahme der Operation. Diese sind:
1.nbsp; nbsp;Angeborne Kürze von Muskeln oder Sehnen mit oder ohne Texturveränderung.
2.nbsp; nbsp;Andauernde Muskelverkürzung bedingt durch vorausgegangene Krankheitsprozesse, z. B. durch Entzün­dungen, Verwundungen u. dgl.
3.nbsp; nbsp; Muskelverkürzung durch gestörtes Gleichge­wicht derAntagonisten z. B. nach vollständiger Trennung des Muskels Einer Seite.
4.nbsp; nbsp;Werden gesunde Muskeln oder Sehnen mitunter durchschnitten, um die Wirksamkeit der Gegenwirker zu verstärken undhiedurch die Stellung oder Haltung eines Körper-
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theiles zu verändern, wie diess z. B. der gewöhnliche Zweck des Schweifmuskelschnittes ist.
ö. Hält Strauss die quere Durchschneidung einzelner Streck-und Beugesehnen bei solchen Hohl- und Fistelge seh würen, bei denen die beständige Bewegung der Theile, so wie die Hohllegun-gen auf eine andere Weise nicht beseitiget werden können, für empfeh-lenswerth, um Heilung herbeizuführen, indess dürfte die Tenotomie aus einer derartigen Yeranlassung wohl nur höchst selten ange­zeigt sein.
Operationsmethoden.
Die Operation kann im Allgemeinen auf zweifache Weise u. z. entweder mittelst des offenen oder mittelst des Unterhaut­oder subeutanen Schnittes ausgeführt werden.
Im ersteren Falle wird der Muskel oder die Sehne entweder gleichzeitig und in gleicher Ausdehnung mit der Haut durchschnitten oder es werden die genannten Gebilde früher blossgelegt und dann erst zu der Durchschneidung derselben geschritten, während bei dem Unterhautschnitte in der Haut bloss eine gerade hinreichend grosse Oeffnung gemacht wird, die das Einführen des zur Trennung des Muskels oder der Sehne bestimmten schneidenden Instrumentes gestattet. Bei beiden Methoden kann weiters der Schnitt je nach Um­ständen von der Oberfläche gegen die Tiefe oder in entgegengesetzter Weise geführt werden.
Der offene Schnitt, welcher, wie bereits erwähnt wurde, bis in die neueste Zeit allein gebräuchlich war, hat wohl den Vortheil, dass Verletzungen der in der unmittelbaren Nähe der durchzuschnei­denden Gebilde liegenden Gefässe, Nerven u. dgl. leicht vermieden werden können, indess die gewichtigen Nachtheile, dass durch die bei weitem bedeutendere Verwundung ein grösserer Schmerz hervorgerufen wird, dass die Heilung längere Zeit erfordert, dass eine heftigere Ent­zündung, fast immer Eiterung, selbst Brand der Theile eintritt und dass meist stark sichtbare Narben zurückbleiben.
Der subeutane Schnitt, welchem man vor dem offenen Schnitte dort, wo es überhaupt zulässig ist, gegenwärtig allgemein den Vorzug gibt, setzt wohl eine genauere Kenntniss der von der Haut gedeckten, durchzuschneidenden Theile voraus, erzeugt indess weniger Schmerz und setzt eine geringere Verwundung, welche, da eine meist nur ge­ringe Entzündung, fast nie aber Eiterung sich einstellt, gewöhnlich in kurzer Zeit und ohne Zurücklassung auffallender Spuren zur Heilung
Forster. Operationslehre für Thierärzle.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;10
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gelangt; selbst Yeiietzungon von Gefässen haben weniger Bedeutung, da bei Abschluss der Luft das ergossene Blut meist rasch aufge­saugt wird.
Allgemeine Regeln der Ausführung der Myo- und Teno-tomie; Nachbehandlung.
1.nbsp; Der Muskel oder die Sehne sind, woes ausführbar ist, an einer Stelle durchzuschneiden, wo man denselben am besten beikommen und Nebcnverlefzungen am leichtesten verhüten kann; man sucht daher durch passende Haltung des Theiles, an welchem operirt werden soll, die Sehne oder den Muskel möglichst zu spannen und fühlbar zu machen.
2.nbsp; nbsp;quot;Wird die subcutane Durchschneidung vorgenommen, so führt man das Tenotom durch die gemachte Hautwunde so ein, dass die Pläche desselben dem durchzuschneidenden Gebilde zugekehrt ist, wendet die Schneide erst dann, wenn die Spitze des Messers an dem entgegengesetzten Kande des Muskels oder der Sehne angelangt ist, gegen diese letzteren, und zieht nach erfolgter Durchschneidung das Tenotom wieder flach heraus. Hierauf drückt man den Daumen der linken Hand in den Zwischenraum, den die zurückgezogenen Sehnen­oder Muskelenden zwischen sich lassen, dann auf die Wunde selbst und legt den erforderliehen Verband an.
3.nbsp; nbsp;Wo es nothwendig ist, wird man meist sogleich nach der Operation durch Anwendung von Verbänden, Maschinen u. dgl. einen geringen Grad von Gewalt ausüben können, um die Theile in die ge­wünschte Richtung und Stellung zu bringen.
Heilungsprozess der Sehnen- und Muskel wunden.
Nach dem offenen Schnitte verheilen die getrennten Theile in der bekannten Weise durch Eiter- und Fleischwärzchenbildung; nach dem subeutanen Schnitte füllt das in grösserer oder geringerer Menge ergossene Blut anfangs den zwischen den Enden der getrennten Ge­bilde vorhandenen Zwischenraum aus; nach 1—2 Tagen beginnt eine Exsudation von den Schnitttiächen der Sehnen und von den benach­barten Parthieen, und aus dem Blutcoagulum und aus dem Exsudate entsteht endlich die bleibende Zwischensubstanz, die in einem Zeit­räume von 6—8 Wochen in einen Strang von dichtem Zellgewebe, der die Sehnenenden verbindet, sich umwandelt.
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A. Hie DnrchsclineiJnng der Bengeselinen der Zelicn^licder beim Pferde.
Der Zweck dieses auch als Sehnensehnitt oder Tenoto-mie kurzweg bezeichneten Verfahrens besteht in der Beseitigung der als stelzfüssig benannten, meist erworbenen, seltener angeborenen, regelwidrigen Stellung des Fusses, um die Thiere wieder diensttaug­lich zu machen.
Anzeigen und Gegenanzeigen.
Die Anzeige für diese Operation gibt der durch eine an­dauernde Verkürzung derBeugesehnendesFusses allein bedingte Stelzfuss, welcher zum Unterschiede von dem durch Krankheitsprozesse an den Knochen verursachten, (dem Knochen-Stelzfusse,) Sehnen- oder heilbarer Stelzfuss genannt wird.
Gegen an gezeigt ist der Sehnenschnitt in solchen Fällen, in denen der Stelzfuss durch Verwachsungen der Gelenksenden des Fessel-und Kronenbeines, durch umfangreiche Knochenneubildungen u. dgl. bedingtist; somit beimKnochenstelzfusse. Wquot; enig Aussicht auf Erfolg hat man bei alten Thieren, da bei diesen das Ifarben-gewebe sehr stark schrumpft und demzufolge das frühere leiden bald wiederkehrt, ferner bei sehr seh weren Pf er den, da der gesunde Fuss durch die auf ihm ruhende bedeutende Körperlast zu stark an­gestrengt wird oder da, falls die Thiere sich zur Abwechslung auf den operirten Fuss stellen, heftige Entzündungen, selbst Brand eintreten.
Eben so wenig lässt sich ein günstiges Eesultat bei Thieren an­hoffen, bei denen bedeutende FormT eränder un ge n des Hufes zugegen sind, obschon Hertwig selbst in solchen Fällen eine Besse­rung des Zustaudes beobachtet haben will, da nach der Operation der Huf wieder mit dem Erdboden in beständige Berührung gelan­gen kann.
Operationsstelle und Methoden. Die Durchschneidung der Sehne findet am zweckmässigsten in der Mitte des Schienbeines statt, da auf diese quot;Weise eine Verletzung der Sehnenscheiden, die die Entstehung einer Fistel nach sich ziehen kann, am besten vermieden wird. Sind jedoch die Sehnen gerade nur an diesem Punkte sehr bedeutend verdickt, so kann man dieselben etwas weniges ober- oder unterhalb der angegebenen Stelle durch­schneiden; betrifft jedoch die Verdickung einen grösseren Theil der Sehne, dann operire man an der Mitte des Schienbeines.
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Die Operation selbst kann in zweifacher quot;Weise, und zwar entweder mittelst des offenen oder mittelst dessubcutanen Schnit­tes ausgeführt werden; das letztere Verfahren ist dem ersteren aus den bereits früher angegebenen Gründen in jeder Beziehung vorzu­ziehen und wird gegenwärtig auch fast ausschliesslieh geübt. Bei dem subcutanen Schnitte kann man entweder von der äusseren oder von der inneren Seite der Gliedmasse eingehen; während Prinz, Diete­richs u. And. es vorziehen, an der äusseren Seite einzugehen, da auf diese Weise die Verletzung der Gefässe und Nerven leichter vermieden wird, spricht sich Her twig aus demselben Grunde für die innere Seite aus, welches Verfahren noch den Vortheil haben soll, dass die zurückbleibende, in allen Fällen jedoch nur unbedeu­tende Narbe weniger sichtbar ist.
Eine weitere Verschiedenheit in der Ausführung der Operation findet ihre Begründung in dem Umstände, dass man entweder den Huf- oder den Kronenb einbeuger allein, oder die Sehnen beider genannten Muskeln durchschneidet.
Die Durchschneidung einer einzigen Sehne u. z. jener des Kronbeinbeu gers wird jedoch nach Herings Ansicht nur bei blossem Ueberköthen, bei welchem die Sohle noch immer flach auf den Boden aufgesetzt wird, ausreichen; ist die Verkürzung indess so bedeutend, dass das Thier gar nicht mehr durchtritt, sondern bloss auf der Zehenspitze steht, so wird wenigstens der Hufbeinbeuger, oder es werden, wenn gleichzeitig bedeutende Verdickungen und Ver­wachsungen der Sehne untereinander bestehen, wie es häufig der Fall ist, beide Sehnen durchschnitten werden müssen, um die abnorme Stellung zu beseitigen; die von Einigen vorgeschlagene und auch aus­geführte gleichzeitige Durchschneidung des oberen Gleichbein­bandes (des sogenannten Fesselbeinbeugers) ist nicht anzurathen, da man hierauf meist nur ungünstige Resultate eintreten sah.
Gegen die gleichzeitige Durchschneidung der Sehnen des Huf-und Kronenbeinbeugers spricht sich Di eterichs auf das Entschiedenste aus; er hält es besonders für nachtheilig, wenn beide Sehnen an der­selben Stelle durchschnitten werden, und will die Durchschneidung der zweiten Sehne drei bis vier Zoll ober- oder unterhalb des Durch­schnittspunktes der ersten vorgenommen haben.
Instrumente.
Zu dem offenen Sehnenschnitte benöthiget man: eineScheere zur Entfernung der Haare, ein geballtes Bistouri zum Haut-
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schnitte, eine Pincette und stumpfe Haken, ein gekrümmtes Knopfmesser (ein Herniotom) oder statt dessen das geknöpfte Tenotom zum Durchschneiden der Sehne nach Strauss, Prinz, Dieterichs, Wundnadeln und Faden zur Anlegung der Naht; Peinigung s- und Verbandgeräthe, und zwar als letztere : W e r g und eine 2I/gt; bis 3 Ellen lange Binde; zu dem subcutanen Schnitte genügt ein gerades Spitzbistouri oder eine Lancette zum Einstiche und das geknöpfte Tenotom, dessen etwa 2quot; lange und 2quot;' breite Klinge eine abgerundete Spitze und eine leicht concave Schneide besitzt. Die Anwendung des spitzen Tenotoms ist nicht anzurathen, weil bei dem Gebrauche desselben nicht nur die Gefässe leichter Terletzt werden können, sondern auch die Möglichkeit der Durchschneidung der Haut über der Selmenwunde gegeben ist.
Vorbereitung und Lagerung des Thieres.
Der Huf des betreffenden Fusses muss mindestens so stark nie­dergeschnitten werden, dass er jenem des entgegengesetzten gesunden Fusses ganz gleich kömmt, damit das Thier vollkommen herabtre­ten könne.
Obschon die Tenotomie auch bereits am stehenden Thiere aus­geführt wurde, erscheint es jedoch in allen Fällen gerathen, das Pferd zur Operation u. z. auf die Seite, welche der gewählten Operations­seite des Fusses entgegengesetzt ist, niederzulegen, um mit der nöthi-gen Euhe und Sicherheit vorgehen zu können. Der kranke Fuss wird ausgebunden, auf einen Bund Stroh gelegt und mittelst der an dem­selben angebrachten Spannleine, deren Enden von Gehilfen in entge­gengesetzter Richtung, nämlich nach vor- und nach rückwärts ange­spannt werden, in gestreckter Lage erhalten.
Ausführung der Operation, a) Mittelst des offenen Schnittes.
Bei dieser Methode wird nach Hertwigs Angabe an oder un­ter der am meisten veränderten Parthie der Sehne nach Beseitigung der Haare ein etwa H/o Zoll langer Schnitt in der Längenrichtung der Sehne durch die Haut gemacht, eine Hohlsonde unter die durchzu­schneidende Sehne der Quere nach geschoben und der Schnitt mittelst des auf der Sonde eingeführten Knopfbistouris vollführt, wobei man gleichzeitig, um eine stärkere Spannung der Sehne zu erzielen und das Durchschneiden zu erleichtern, durch den Gehilfen den während
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des Einführens der Hohlsonde gebeugten Fuss im Fessel möglichst strecken lässt. Strauss durchschneidet die Sehne einfach mit dem im oberen Wundwinkel unter dieselbe eingeführten coneavschneidi-gen Knopfbistouri, Delafond schiebt eine gekrümmte Scheei'e unter der Sehne durch u. dgl.
Die Enden der getrennten Sehne springen je nach dem Grade der vorhandenen Verwachsung der Gebilde unter einander mehr weni­ger zurück und es bildet sich eine kleinere oder grössere Lücke, welche sich bei dem Auftreten des Thieres noch erweitert.
Das von Dieterichs und Prinz empfohlene Heften der Wunde durch die blutige Naht ist bei dem Umstände, als die Heilung durch schnelle Vereinigung nicht stattfinden kann, gänzlich zwecklos.
Die Wunde wird gereiniget, auf dieselbe und auf die entgegen­gesetzte Seite der Sehne eine Wergcompresse gelegt und der Fuss von der Krone an bis zum Fusswurzelgelenko mit einer massig fest und gleichmässig angelegten Binde umwickelt.
b) Mittelst des subentanen Schnittes.
Während der Fuss des niedergelegten Thieres in der früher an­gegebenen Weise festgehalten wird, entfernt der Operateur an der Operationsstelle mittelst der Scheere die Haare, umfasst das Schienbein mit der linken Hand derart, dass der Daumen auf der oberen, die übrigen Finger auf der unteren Seite desselben liegen, verschiebt die Haut einige Linien weit nach vor- oder nach rückwärts und sticht nun das Spitzbistouri oder die Lancette mit gegen den Huf gerich­teter Schneide unmittelbar am Eande der Sehne ein, so dass eine etwa 3 bis 4 Linien lange Längswunde entsteht, führt in diese das Tenotom ein, schiebt es, indem man gleichzeitig den Fuss, um die Sehnen zu erschlaffen, durch den Gehilfen beugen lässt, mit der Fläche gegen den Knochen und gegen die Sehne gekehrt, unter der letzteren quer hindurch, bis man auf der entgegengesetzten Seite die Spitze des Messers fühlt, richtet die Schneide desselben gegen die Sehne, lässt den Fuss stark strecken, und durchschneidet nun, indem man das Heft des mit der vollen Hand erfassten Tenotoms senkt, die Sehne unter allmäligen Zurückziehen des Instrumentes aus der Wunde. Dass die Durchschneidung vollkommen gelungen sei, gibt sich durch das mit einem deutlichen krachenden Geräusche verbundene Zurücksprin­gen der Sehnenenden, durch das in Folge dessen bedingte Vorhanden­sein einer bald grösseren, bald kleineren Lücke zwischen denselben und durch die aufgehobene Spannung der Sehne zu erkennen. Sollte
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die Untersuchunp; ergeben, dass die Sehne noch an einzelnen Stellen undurchschnitton sei, so muss das Tenotora neuerdings eingeführt werden, um die zusammenhängende Parthie gleichfalls zu trennen.
Auch bei dem Unterhautschnitte kann entweder der Hufbein­heuger allein, oder gleichzeitig mit diesem der Kronenbeinbeuger durchschnitten werden, welches letztere indess in der Mehrzahl der Fälle nothwendig wird, da die Durchsclmeidung der erstgenannten Sehne allein zur Beseitigung der abnormen Stellung des Fusses meist nicht hinreicht.
Nach der Operation legt man auf die Wunde ein Wergbäusch-chen, und umwickelt den Fuss vom Fessel bis zum ICniegelenke mit einer Binde.
Nachbehandlung.
Ist das Pferd in den Stall zurückgebracht worden, so bindet man dasselbe, besonders wenn es nicht vollständig im Fessel durch­tritt, durch 2 bis 3 Tage hoch auf, füttert es massig und befeuchtet während dieser Zeit den Fuss wiederholt mit kaltem Wasser. Der Verband kann, wrenn bei der Operation keine bedeutendere Blutung stattfand oder wenn die Anschwellung des Fusses nicht einen höheren Grad erreicht wenn das Thier wenig Schmerz äussert, durch fünf bis sechs Tage liegen bleiben.
lieber den Zeitpunkt, wann die Thiere zum ersten Male zu be­wegen seien, sind die Ansichten gethcilt. Her twig hält eine seohs-bis achttägige Kuho in denjenigen Fällen, in denen das Durchtreten im Fessel nicht zu stark erfolgt, für hinreichend und lässt die Thiere nach Ablauf dieser Frist massig im Schritte bewegen; treten dieselben dagegen zu stark durch, so müssen sie wenigstens durch 14 Tage ruhig gelassen und auch nach dieser Frist nur in Zwischenräumen von mehreren Tagen durch eine kurze Zeit geführt werden ; findet dage­gen das Durchtreten zu wenig statt, so sind die Thiere nicht nur in den ersten Tagen anhaltend stehen zu lassen, sondern auch bald dar­auf, wenn der Grad der Entzündung es nicht verbietet, täglich zwei­mal eine Viertelstunde hindurch oder selbst noch länger zu bewegen. Im günstigen Falle können nach Hertwigs Ansicht die Thiere nach Ablauf von drei Wochen zu leichter Arbeit, nach Ablauf von fünf bis sechs quot;Wochen zu angestrengterer Dienstleistung verwendet werden.
Andere Thierärzte sind dagegen der Meinung, man solle die Pferde erst gegen die sechste Woche hin bewegen, und dieselben erst nach Ablauf von ]0 bis 12 Wochen zu den früheren Diensten ver-
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wenden, da bei vorzeitigem Gebrauche Hinken, Schmerzhaftigkeit an der Operationsstelle auftreten, ja selbst ein Stelzfuss sich neuerdings heranbilden harm.
Das Bügeleisen ist nur in seltenen Fällen, u. z. dann, wenn das Thier, ohne dass ein besonderer Grund vorhanden wäre, durch­aus nicht durchtreten wollte, und auch dann nur jenes mit abnehm­barem Bügel anzuwenden, damit das Thier 1—2 Stunden im Tage auf den operirten Fuss sich zu stellen gezwungen sei.
Mitunter u. z. besonders nach Durchschneidung beider Beuge-sehnen, zeigen die Thicre eine eigenthümliche schleudernde Bewegung mit dem Fessel und Hufe des operirten Fusses während des Aufhe­bens und Vorwärtsschreitens, indess verliert sich dieselbe mehrentheils nach einigen Wochen von selbst.
quot;Wurde der offene Sehnenschnitt vorgenommen, so tritt die Hei­lung viel später als nach dem Unterhautschnitte ein; der Heilungs­vorgang ist nach den allgemeinen Vorschriften über die Behandlung der Wunden zu regeln.
Ungünstige Ereignisse während und nach der Operation.
j^ach dem offenen Sehnenschnitte treten mitunter, wie bereits erwähnt wurde, sehr starke Entzündung, Eiterung, Bildung von Hohllegungen, selbst Brand ein; bei dem subcutanen Schnitte können Gefässe und Nerven, selbst die Haut (bei dem Gebrauche des spitzen Tenotoms) durchschnitten werden; es kön­nen, wenn die Tenotomie zu weit ober- oder unterhalb der Mitte des Schienbeines vorgenommen wurde, die Sehnenscheiden verletzt werden, was nicht selten zur Entstehung von Sehnenscheiden­fisteln Veranlassung gibt; endlich kann sich, wenn die Thiere nach der Operation zu früh oder zu angestrengt verwendet wurden, neuer­dings der Stelzfuss entwickeln.
B) Die Darcbschneidang der Kniebenger.
Diese Operation wird zu dem Zwecke vorgenommen, um die Vorbügigkeit der Pferde zu beseitigen; sie wird indess, wie Hering ganz richtig bemerkt, nur in denjenigen Fällen günstige Resultate liefern, in welchen die regelwidrige Stellung nicht von einer Schwäche der Streckmuskeln, die eine Folge zu angestrengter Verwendung der Thiere ist, herrührt, sondern in einer abnormen Spannung der Beuge­muskeln des Kniees begründet erscheint.
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Die Durchschneidung beschränkt sich entweder auf den inneren oder auf den äusseren Beuger des Kniees (den inneren oder äusse-ren Arm-Hakenbeinmuskel) oder betrifft die Sehnen beider eben­genannter Muskeln. Die Durchschneidung der Sehne des inneren Beugers allein ist von geringem Erfolge, jene des äu sseren Beugers hingegen reicht, wie Hering sich zu überzeugen wiederholt Gelegen­heit hatte, vollkommen aus, um die regelwidrige Stellung der Glied­masse zu beseitigen.
Die Operation, zu welcher man die zum Sehnenschnitte über­haupt erforderlichen und schon früher aufgezählten Geräthschaften benö-thiget, kann, wie es z. B. Brogniez gethan, mittelst des offenen oder mittelst des, auch in diesem Falle vorzuziehenden subeutanen Schnittes ausgeführt werden.
Will man die Durchschneidung des äusseren Beugers auf die letztgenannte quot;Weise vornehmen, so wird, nachdem der zu operirende Fuss des gelegten Pferdes ausgebunden und auf einem untergeschobe­nen Strohbunde festgehalten ist, etwa 2 bis 3 Zoll über dem Vorder­knie dicht am vorderen Rande der daselbst deutlich fühlbaren Sehne des Muskels ein kleiner Einstich durch die Haut gemacht, das ge­krümmte, stumpfspitze Tenotom bei etwas gebeugtem Knie flach durch die Wunde eingebracht, so weit unter der Haut nach hinten vorge­schoben, als die Sehne reicht, die Schneide des Messers gegen letztere gekehrt und diese nach einwärts bei gleichzeitig durch einen Ge­hilfen ausgeführter, möglichst starker Streckung des Kniees durch­schnitten. Die vollständige Trennung der Sehne gibt sich durch das Aufhören des Widerstandes, durch die Möglichkeit der vollkommenen Streckung des Fusses, so wie durch das eigenthümliche früher erwähnte Geräusch, welches die auseinanderspringenden Sehnenenden erzeugen, zu erkennen.
Die Durchschneidung der Sehne von innen nach aussen wider-räth Hering wegen der bei quot;unruhigen Thieren zu befürchtenden Er­zeugung einer grossen Hautwunde.
Soll der innere Beuger durchschnitten werden, so macht man den Hautschnitt 2 bis 3 Zoll über dem Hakenbeine zwischen der An­heftung beider Beuger, schiebt das in die Wunde eingebrachte Teno­tom flach zwischen der Sehne und der Haut gegen die innere Seite des Fusses so weit vor, bis die Spitze des Instrumentes den Rand der Sehne überragt und schneidet, nachdem man die Schneide des Messers gegen die Sehne gekehrt hat, dieselbe von innen nach aussen durch.
Sollte die Durchschneidung eines einzigen Beugers nicht genü-
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gen, so nimmt man die Operation auch noch an dem unversehrten Muskel vor. Dieterichs hält es für gerathen, zuerst den inneren und dann den äussoren Beuger von einer und derselben Einstichsöff­nung aus zu durchschneiden, oder nach der Durchschneidung des inne­ren Beugers das Pferd aufstehen zu lassen und im Falle, als eine ent­sprechende Aenderung in der Stellung der Gliedmasse nicht eingetre­ten wäre, am stehenden und gebremsten Thiere nicht die Seime des äusseren Beugers, sondern den Muskel selbst etwa 4 Zoll oberhalb der früheren Operationsstelle einzuschneiden. Gro urdon durchschneidet den inneren Beuger etwas tiefer als den äusseren, um eine festere Narbe zu erzielen.
Nach beendeter Durchschneidung drückt man das etwa in der Wunde vorhandene Blut leicht aus, befestiget den aufgelegten Werg­bauschen mit der Zirkelbinde, gönnt dem Thiero durch mindestens vierzehn Tage absolute Buhe und verwendet es erst nach und nach zu stärkerer Arbeit.
Die gegen Vor bü gigk eit wahrscheinlich bereits vonSolley-sel zuerst, später von Lafosse empfohlene Durchschneidung des in die Vorarmscheide übergehenden starken Sehnenschenkels des langen Beugers des Vorderarmes (des Schulter-Vorarm-beinmuskels) wird heutzutage ihres nur sehr zweifelhaften Erfolges wegen nicht mehr geübt.
Die Operation selbst wird nach Bernard in folgender Weise ausgeführt:
Der neben der Schulter des stehenden und gebremsten Pferdes, dessen entgegengesetzter Vorderfuss aufgehoben ist, stehende Operateur comprimirt und verschiebt mit dem Daumen der linken Hand die Bug­ader, sticht ein gerades schmales Bistouri zwischen der Vene und dem Sehnenschenkel, da wo letzterer am breitesten ist, ein, schiebt es gegen den Daumen vor, wendet die Schneide des Instrumentes gegen den Sehnenschenkel und durchschneidet denselben unter gleichzeitigem Zu­rückziehen des Messers der ganzen Breite nach. Brogniez macht einen Längenschnitt durch die Haut, gebraucht zum Sehnenschnitte ein convexes Spitzbistouri und legt dann das von ihm erfundene Ortho-som an. Die Wunde soll meist durch schnelle Vereinigung heilen.
Die von Abildgaard angerathene Durchschneidung des inneren Astes der Endsehne des Schienbeinbeugers, durch welche das durch den Späth bedingte Hinken behoben werden soll, dürfte wohl nur in den seltensten Fällen von dem gewünschten Erfolge begleitet sein.
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Zur Voruahme der Operation wird nach Hering das Pferd ge­legt, hierauf in senkrechter Richtung gerade über dem Sehnenaste ein Schnitt durch die Haut, dessen Mitte in gleicher Linie mit dem un­tersten Theile der an der inneren Seite des Eollbeines vorhandenen Beule liegt, gemacht, die Sehne blossgelegt, und entweder auf der von unten nach oben unter ihr durchgeschobenen Hohlsonde mittelst des Bistouris einfach durchschnitten oder selbst ein Stückehen derselben herausgeschnitten.
Bei dem von Lafosse im J. 1846 empfohlenen subeutanen Schnitte macht man am liegenden Thiere in der Mitte des Sehnen­astes an dem hinteren llande desselben einen kleinen, bis in die Seh­nenscheide reichenden Einschnitt, führt das Tenotom bei gleichzeitiger Beugung des Sprunggelenkes flach unter die Sehne, kehrt die Schneide nach oben und schneidet, während das Gelenk gestreckt wird, die Sehne von innen nach aussen durch, wobei man die vor der Opera­tionsstelle liegende Hautvene zu schonen hat.
C) Die Durchsthneidnng des Spauuers der breiten Schenkelbiude.
Bei jener abnormen Bewegung einer Hintergliedmasse, welche darin besteht, dass das Thier den Fuss zuckend in gestrecktem Zustande so hoch aufhebt, dass der Huf zuweilen bis gegen die Brust gezogen wird (bei dem sogenannten Hahnentritte) wurde, wenn an der Extre-mität keine andere Abnormität, als eine starke Spannung der Auf hebern u skeln sich ausmitteln lässt, die Durchschneidung des Spanners der breiten Schenkelbinde (des äusseren Darm-Schenkelbeinmuskels) oder jene des Schenkelbeinmuskels des Fessel-, Krön-und Hufbeines vorgeschlagen.
Die Durchschneidung des erstgenannten Muskels, welcher seiner oberflächlichen Lage wegen leicht und gefahrlos zu er­reichen ist, wird nach der Angabc von H e r t w i g, der in einem ge­eigneten Falle die Operation mit augenblicklich eintretendem günsti­gem Erfolge ausführte, folgeudermassen vorgenommen:
Das Pferd wird auf die gesunde Seite niedergelegt, der betref­fende Hinterfuss mittelst eines am Schienbeine befestigten Strickes möglichst weit nach der Brust zu in die Höhe gezogen, hierauf un­gefähr in der Mitte des Muskels ein etwa einen Zoll langer Quer­schnitt gemacht, der Muskel in derselben Länge vorsichtig bis auf die sehnige Ausbreitung durchschnitten, sodann eine stumpfspitzige, etwas gebogene Hohlsondc mit nach aussen gekehrter Furche bei gleich­zeitigem Andrücken des betreffenden Schenkels des Thieres gegen den
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Leib nach vom bis zu seinem vorderen Eande geführt und derselbe mittelst eines in der Furche der Sonde vorgeschobenen leicht coneav-schneidigen Bistouris subeutan völlig durchschnitten, wobei man eines-theils, um den Muskel zu spannen und die Trennung zu erleichtern, den Fuss durch den Gehilfen am Knie nach hinten und unten drän­gen (strecken) lässt, anderstheils, um eine Verletzung der Haut zu vermeiden, mit den an der Operationsstelle auf die Haut gelegten Fingern der linken Hand fortwährend sichGewissheit zu verschaffen sucht, wie weit die Trennung des Muskels, welche sich gleichfalls durch die Bildung einer Lücke zwischen den Bändern der Muskelwunde zu er­kennen gibt, erfolgt und wie nahe das Messer der Haut gekommen sei, und durchschneidet hierauf den noch ungetrennten Theil des Mus­kels von der Mitte bis zum hinteren Bande desselben in gleicher Weise. Sodann werden die Lefzen der Hautwunde etwas gegen einander ge­zogen und ein Heftpflaster aufgelegt, um das Eindringen der Luft zu verhindern. Die Nachbehandlung besteht in Buhe und in der Anwen­dung kalter Befeuchtungen der Operationsstellc während der ersten 3 bis 4 Tage, später in blosser Beinigung der quot;Wunde, deren Heilung meist in 8 bis 10 Tagen erfolgt. Sollten sich Eiterversenkungen er­geben, so muss eine Gegenöffnung angelegt oder der Gang bis zu seinem Ende gespalten werden.
Die in einigen Fällen angeblich von günstigen Besultaten ge­folgte Durchschneidung der Sehne des Schenkelmuskels des Fessel- undHufbeines kann oberhalb der Vereinigungsstelle derselben mit der Sehne des grossen Streckers des Fessel-, Kronen-und Hufbeines entweder subeutan ausgeführt werden oder man schneidet ein etwa ,/2 Zoll langes Stück der Sehne heraus.
D) Die Darchsclmeidani; des äusseren Krenz-Sitübcin-Mnskels des Schenkels beim Rinde.
In Folge einer durch einen falschen Tritt, durch Ausgleiten u. dgl. bedingten starken Zerrung löset sich besonders bei mageren Thie-ren mitunter die obere Portion des genannten Muskels (des langen und mittleren Auswärtsziehers) von den benachbarten Muskeln ab, so dass sie bloss noch an den Enden befestiget ist, gleitet über den gros­sen Umdreher hinüber und gibt, indem sie in dieser Lage verharret, zu einem auffälligen und andauernden Krummgehen, welches in einzel­nen Fällen durch kein anderes Mittel, als durch die Operation zu be­seitigen ist, Veranlassung.
Die Durchschueidung der hinter dem Umdreher gelegenen, stark
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angespannten Muskelporlion kann entweder am liegenden oder, was zweckentsprechender sein soll, am stehenden Thiere mittelst des offe­nen oder mittelst des subcutanen Schnittes ausgeführt werden; die letz­tere Methode ist jedoch nach der Meinung von S err es unpraktisch und nicht selten von üblen Folgen begleitet.
Ton den verschiedenen, mehr weniger von einander abweichen­den Operationsverfahren möge bloss das von Serres empfohlene und an der Yeterinärschule zu Toulouse gebräuchliche in Kürze hier Erwähnung finden.
Hiebei wird an dem stehenden und gehörig befestigten Thiere an jener Stelle, an welcher der Muskel eine deutliche Erhabenheit bildet, ein etwa drei Zoll langer, schief von hinten nach vorne und von oben nach unten verlaufender Hautschuitt, durch welchen der hintere Rand des Muskels blossgelcgt wird, gemacht, hierauf eine Hohl­sonde schief unter den Muskel gebracht und derselbe mittelst des in der Einne der Sonde vorgeschobenen Bistouris durchschnitten, welchen Operationsakt man durch Strecken des Fusses wesentlich erleichtern kann. Die sich einstellende Blutung stillt sich meist in kurzer Zeit von selbst und die Heilung erfolgt, wenn die quot;Wunde, was wohl nur in den seltensten Fällen geschieht, auf schnellem Wege vernarbt, bin­nen 8 bis 10 Tagen; stellt sich dagegen Eiterung ein, so ist die Yer-narbung meist erst nach drei quot;Wochen vollendet.
Als ungünstige Ereignisse führt S err es heftige Entzündung, Eiterversenkungen und Brand, meist Folgen eines ungeeigneten opera­tiven Verfahrens oder einer unzweckmässigen Nachbehandlung, an.
E) Der Scliwcifmnskelschnitt.
Un te r Seh w e ifmus kelschnitt v er steht man dasjenige operative Verfahren, durch welches der untere Kreuz­heinmuskel (der äussere Niederzieher des Schweifes) u. z. gewöhnlich beiderseits, nur ausnahmsweise bloss einerseits, entweder nur einfach durchs chnitten o der selbst ein grösserer oder kleinerer Theil desselben her­ausgenommen wird, um demSch weife eine andereEich-tung zu geben.
In der Mehrzahl der Fälle sucht man durch diese Operation die quot;Wirksamkeit der Heber des Schweifes zu verstärken, um ein höheres Tragen dieses Körpertheiles zu erzielen und dem Thiere ein edleres, gefälligeres Ansehen zu verschaffen.
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Gewöhnlich verband man in den früheren Zeiten, in welchen die Durchschneidung der Niederzieher des Schweifes viel häufiger ge­übt wurde, als dies gegenwärtig, wo coapirte Schweife nicht mehr in der Mode sind, der Fall ist, mit dem Muskelschnitte das Abschlagen eines Theiles der Schweifrübe; wurde letztere so weit abgeschlagen, dass ein nur beiläufig schuhlanger Stumpf derselben zurück blieb, so nannte man diess Englisiren, wurden dagegen bloss die letzten drei bis vier Schweifwirbel abgenommen, so bezeichnete man dieses Verfahren alsArabisiren, welchen Ausdruck man gegenwärtig auch für die alleinige Durchsohneidung der oben genannten Schweifmuskel gebraucht.
Anzeigen und Gegenanzeigen.
quot;Wirklich angezeigt ist der Sehweifmuskclsclmitt nur dann, wenn eine Verwundung des Niederzieh ers an einer Seite stattgefunden hat, deren Folge ein Schieftragen des Schweifes ist; meist gehört die Operation zu den sog. Luxusoperationen.
Zu vermeiden ist dieselbe bei nicht ganz gesunden Thieren des nicht selten tödtlichen Ausganges wegen.
Wenig Hoffnung auf günstigen Erfolg, der wesentlich von dem Temperamente und von der Bauart des Thiercs abhängt, hat man ausserdem bei gemeinen, schlaffen, phlegmatischen Pferden, ferner bei Thieren mit abschüssiger Croupe und bei schlechtem, tiefem Schweif-ansatze. Endlich nimmt man den Schweifmuskelschnitt nicht gerne bei Pferden vor, die mit Fehlern an den Hintergliedmassen z. B. mit Späth behaftet sind, da diese bei höhcrem Tragen des Schweifes auffälliger werden.
In Betreff der Jahreszeit wählt man zur Vornahme der Opera­tion entweder das Frühjahr oder den Herbst.
Operationsmethoden.
Der Schweifmuskelschnitt kann entweder
1.nbsp; nbsp;auf subeutane Weise oder
2.nbsp; mittelst des offenen Schnittes ausgeführt werden.
Der subeutane Muskelschnitt, bei welchem der Muskel ein­fach durchschnitten wird, eignet sich bei gut geformter Croupe und bei gut angesetztem Schweife, somit bei Thieren, die den Schweif schon an und für sich gut, jedoch nicht hoch genug tragen, wo es daher bloss einer geringen Nachhilfe bedarf, vollkommen; sind die eben an­gegebenen günstigen Eigenschaften bei einem Pferde jedoch nicht vor-
.
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handen, so wird man stets den offenen Schnitt rorziehen, da in einem solchen Falle nur durch diesen ein höheres Tragen des Schwei­fes erzielt werden kann.
Um entscheiden zu können, welche Methode man zu wählen und ob man nur einen oder aber mehrere Schnitte zu machen habe, lässt man das Pferd im Trabe vorführen oder vorreiten, damit man sehe, wie es den Sclrweif trage.
Obzwar die Operation am stehenden Thiere, dessen Hinterfiisse gespannt sind, ausgeführt werden kann, ja einzelne Thierärzte z. B. Gourd on die Vornahme des lluskelsehnittes am stehenden oder an dem an der Nothwand befestigten Thiere unbedingt vorziehen zu müs­sen glauben, da ihrer Ansicht nach hiebei die Niederzieher des Schwei­fes am deutlichsten hervortreten und die erforderliche Itichtung der Schnitte am besten eingehalten werden kann, so ist es doch immer gerathener, das Pferd zu derselben niederzulegen, um sicherer und ra­scher operireu zu können.
Vorbereitung zur Operation.
Die Vorbereitung beschränkt sich entweder a u f das zu operi-rende Thier oder sie dehnt sich gleichzeitig auf den Stall, in welchem dasselbe nach der Operation untergebracht werden soll, aus; ersteres ist dort der Fall, wo der Schweif nach der Vornahme des Muskelschnittes sogleich an die Kückengurte oder an besondere, von dem Thiere selbst getragene Vorrichtungen, wie sie z. B. B r o g-niez benützt hat, aufgebunden werden soll, letzteres dagegen dort, wo er in Bollen gehängt wird.
Mag man welche Methode immer wählen, so werden die Haare des Schweifes gewöhnlich etwa zwei Zoll unterhalb der Bube zusam­mengebunden und in zwei gleichstarke seitliche Zöpfe eingeflochten, eben so macht man aus den Haaren des oberen Theiles des Schweifes, wenn sie sehr reichlich sind, einen lockeren, mittleren Zopf. Hiebei sind dieselben nur locker, ohne Spannung der Haut zusammenzufassen und es ist zugleich ein so langes doppeltes Spagatbändchen, dass selbes einige Zolle über das Ende eines jeden Scitenzopfes vorsteht, mit ein-zuflechten. An jedem Ende dieser Schnur wird entweder eine Schleife gebildet, oder ein, etwa zwei Zoll laugor, in der Mitte eingekerbter Holzzapfen befestiget, um die Vereinigung mit den über die Bollen laufenden Schnüren bewerkstelligen oder den Schweif an der Kücken­gurte festbinden zu können.
Das zu feste EinÜechten der Haare auf dem Bücken des Schwel-
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fes hat den Uebelstand, dass in Folge der nach der Operation sich ent­wickelnden Geschwulst die Spannung zu stark wird und die Haare ausspringen. Hering lässt die Schweifhaare gar nicht einflechten, sondern unter der Rübe bloss umschlagen und ringsum zusammenbin­den; die dazu verwendete Schnur endiget in zwei Schleifen, in welche die Rollensehnüre mittelst kleiner Knebel eingehängt werden.
Soll der Schweif nach der Operation in Rollen gehängt werden, so müssen am Ueberboden gerade über dem Pferdestande und genau im rechten Winkel zu demselben wenigsten drei mit Haken zum Ein­hängen der Rollen versehene Querlatten u. z. die erste am hinteren Ende des Standes, die zweite über der Croupe und die dritte über der Mitte des Pferdes angebracht werden; eine vierte Tratte wird hin­ter dem Stande an einer Stelle des Stalles, wo die üewichte unge­stört auf- und abspielen können, befestiget. Ausserdem sind für jedes Pferd vier Rollen und zwei Rebschuüre, welche letzteren, etwa von der Stärke eines Gansfederkieles, ohne Knoten und so lang sein müssen, dass sie vom Schweife des Pferdes über beide Rollen laufend so weit gegen den Boden reichen, dass sie selbst dann noch frei spielen kön­nen, wenn das Pferd sich niederlegt, erforderlich, indess können die Rollen auch an der Stalldecke selbst festgemacht werden. Die aus Holz oder Messing gearbeiteten Rollen haben bei einem Durchmesser von zwei Zoll eine Dicke von etwa zwei Linien und sind am Um­kreise mit einer Furche, in welche sich die Schnur legt, versehen.
Das Einhängen des Schweifes in die Rollen geschieht bei kitz­lichen Pferden mitunter schon durch einige Tage vor der Operation, um dieselben daran zu gewöhnen.
Instrumente. Zu dem sübcutanen Schnitte benöthiget man ein Spitzbi­stouri oder eine Lancette zum Hautschnitte, ein geknöpftes, ge­krümmtes M y o t o m zur Trennung des Muskels, ferner Werg, eine schmale Binde oder Tuch enden, dann einen, etwa einen Schuh langen, einen Zoll dicken, in der Mitte gebundenen und daselbst ge­knickten Stroh bauschen; zu dem offenen Schnitte je nach dem einzuschlagenden Verfahren entweder ein gebauchtes Bistouri oder ein spitzes gekrümmtes M y o t o m, einen scharfen Haken oder eine Pincette, endlich die oben erwähnten Verbandgerät he.
Ausführung der Operation. Diese ist, je nachdem man ein oder das andere Verfahren wählt,
verschieden.
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a) Der subcutane Schnitt.
jSTachdem das Pferd auf welche Seite immer, da es zur Ausfüh­rung der Schnitte an der unten liegenden Seite ohnehin umgewendet werden muss, niedergelegt wurde, kniect der Operateur hinter den Kücken des von einemGehilfen gehaltenen Schweifes, erfasst denselben von der oberen Fläche her mit der linken Hand und macht am behaartenBande einen der Längenaehse des Schweifes nach verlaufenden, etwa 3 bis 4 Li­nien langen, bis auf den Muskel reichenden Einstich. Den obersten, d. h. den dem After zunächst gelegenen Schnitt macht man einige Linien hin­ter der Falte, welche die vom dicken Einwärtezieher des Unterschen­kels zum Schweife ziehende Haut bildet; die anderen Schnitte wer­den in Abständen von etwa H/2, höchstens 2 Zoll von einander ge­führt. Durch den gemachten Einstich führt man das Myotom ein, schiebt es, mit den Fingern der linken Hand den Lauf desselben verfolgend, flach unter der Haut bis gegen die Mittellinie des Schweifes vor, wendet die Schneide des Instrumentes gegen den Muskel und durchschneidet diesen, während man den Schweif nach rückwärts beugen lässt, von aus sen nach innen d. h. gegen die Wirbel zu.
Ist die erforderliche Anzahl von Schnitten auf einer Seite auf die eben angegebene Weise gemacht worden, so legt man das Pferd um und durchschneidet den Muskel der anderen Seite an den, den bereits gemachten Schnitten ganz genau entsprechenden Stellen und in der­selben Richtung, widrigenfalls man ein schiefes Tragen des Schweifes zu befürchten hätte. Mehr als zwei Schnitte auf einer Seite zumachen, ist wohl nie nöthig; meist reicht bei der subeutanen Methode ein einziger Schnitt vollkommen aus. Ist der Muskel vollständig durchschnitten, so ent­steht eine unter der Haut deutlich wahrnehmbare, ziemlich grosse Lücke; sollte die Durchtrennung an einer oder an der anderen Stelle nicht ganz gelungen sein, so wird das Messer neuerdings eingeführt und der noch bestehende Zusammenhang des Muskels gelöst.
Obschon die subcutane Durchschneidung meist in der eben be­schriebenen Weise ausgeführt wird, so kommen doch einige, wenn auch nicht bedeutende Modificationcn dieses Verfahrens vor. So wird z. B. das Myotom nicht zwischen Haut und Muskel, sondern zwischen letz­terem und den Wirbeln eingeführt und die Durchschneidung von innen nach aussen vorgenommen. Um das Umlegen des Thieres zu ersparen, bedienen sich einzelne Operateure eines My o 10 ms mit langer Klinge, welches nach gemachtem Einstiche dicht unter der Haut bis an den entgegengesetzten behaarten Kand der unteren Schweifflache vorgescho-
Forsler. Opcralionslehre für Thierärzlo.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;11
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ben wird, um zuerst den Niederzielicr an der unten und hierauf so­gleich jenen au der oben liegenden Seite durchschneiden zu können, #9632;wobei jedoch zugleich die in der Mitte des Schweifes verlaufenden Gefässe versetzt werden.
Nach gemachten Schnitten drückt man das in der Wunde ange­sammelte Blut leicht aus, legt in die Lücke eine kleine, darüber eine etwas grössere Wergwieke und hält dieselben durch eine Binde oder durch ein Tuchende, welche Verbandstücke über dem, auf die obere Fläche des Schweifes der Länge nach so, dass die Knickung dem Anfange des Schweifes entspricht, gelegten Strohbauschen einfach geknüpft werden, in ihrer Lage. Der Zweck des Strohbauschens, der jedoch nach Hertwigs Meinung nach dem subeutanen Schnitte, nach welchem die Binde nicht so fest als nach dem offenen angezogen zu werden braucht und auch nur eine kurze Zeit liegen bleibt, eben so gut entbehrt werden kann, ist der, eine bei etwa eintretender stärkerer Anschwellung des Schwei­fes nothwendig werdende Lockerung des Verbandes, ohne denselben selbst lüften zu müssen, vornehmen zu können, indem man die Stroh­halme nach und nach u. z. aus der Mitte des Büschels beginnend nach vorwärts über die Croupe auszieht, und so einem zu starken Drucke, der selbst ein brandiges Absterben der Haut bedingen könnte vorbeugt.
Nach Dieterichs wird der Schweif nach Beendigung der Ope­ration sofort von seiner Spitze an bis zum Körper des Pferdes mit einer Wollbinde in Achtertouren ziemlich fest umwickelt, dieselbe je­doch, wenn nicht unvorhergesehene Zufälle es verbieten, nach ein bis zwei Stunden abgenommen und neuerdings, jedoch bloss locker, an­gelegt.
b) Der offene Schnitt
kann in verschiedener Weise und zwar entweder als Quer-, als Längenschnitt oder als eine Verbindung beider ausgeführt werden.
Die häufigste Anwendung findet unter den eben angegebenen Verfahren der Querschnitt, bei welchem man entweder früher die Haut und hierauf erst den Muskel durchschneidet (das Kerben) oder di e Dur eh sehn eidung derHaut unddesMus-kels mit einem ei nzigen Schnitte gleichzeitig vollführt (das Abstechen).
Muss der off ene Schnitt am stehenden Pferde gemacht werden, so stellt sich der Operateur hinter das Pferd u. z. unmittelbar an den
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linken Hinterfuss, beugt den mit der linken Hand von obenher er-t'assten Schweif etwas nach vorn über und hält ihn, den linken Vor­arm fest auf die linke Seite der Croupe gestützt, während der Opera­tion in dieser Weise.
Meist wird das Pferd zur Vornahme des offenen Schnittes in die linke Seitenlage gebracht, und der Operateur lässt sich nachHert-wigs Angabe beiläufig 1 Y„ Fuss von den Hinterbacken des Thieres entfernt auf das linke Knie nieder, während derselbe nach Diete­richs hinter das Pferd zu knieen bat. Ein am Ende der Croupe hin­ter dem Schweife knieender Gehilfe zieht denselben mit beiden Hän­den in gleicher Eielitung mit dem Kreuze vom Körper ab. Der Ope­rateur erfasst den Schweif mit der linken Hand, zeichnet die Stellen, an denen die Schnitte gemacht werden sollen, mit dem Nagel des rechten Daumens vor und durchschneidet (beim Kerben) zuerst die Haut u. z. entweder der ganzen Breite des Schweifes von dem be­haarten Rande einer Seite zu jenem der anderen nach, oder er schont, was zweckmässiger ist, die mittlere Parthie und schneidet sodann mit dem krummen Spitzbistouri, dessen Eücken den Wirbeln zugekehrt ist, den Muskel der unteren Seite, um durch die Blutung nicht behin­dert zu werden, zuerst u. z. von der Mitte angefangen von innen nach aussen durch und verfahrt hierauf an dem Muskel der anderen Seite in gleicher Weise. Doch kann die Durchschneidung des Muskels auch mit dem geballten Bistouri so wie der Hautschnitt von aussen nach innen, d. h. gegen dcnKnocheu zu, vorgenommen werden. Ist die er­forderliche Anzahl von Schnitten (gewöhnlich 2, selten 3) gemacht, so fasst man die in der ersten, bei drei Schnitten auch noch in der zweiten Wunde vorspringenden Muskel enden, während man gleichzei­tig durch den Gehilfen einen Druck zwischen beiden Wunden aus­üben lässt, mit der Pincette oder mit dem scharfen Haken, zieht sie etwas hervor und trägt sie mit dem Bistouri oder mit der Scheere ab, wobei man darauf zu sehen hat, dass in je zwei einander entspre­chenden Schnitten gleichgrosse Stücke des Muskels entfernt werden, widrigenfalls Sehioftragen des Schweifes erfolgen könnte. Findet man bei der Untersuchung der Wunden mit dem Pinger, dass die Muskeln an einzelnen Punkten noch zusammenhängen, so trenne man sie mit dem neuerdings eingeführten Bistouri.
Bei dem schon von Wo 1st ein und Pilger beschriebenen Ab­stechen wird das spitze Myotom au der unteren Schweiffläche neben der Mittellinie an einer Seite so eingestochen, dass der Rücken der Klinge gegen die Wirbel an denen das Messer bis gegen den äusseren
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Eand vorgeschoben und dort ausgestochen wird, gekehrt ist; Haut und Muskel werden sodaun mit einem Zuge durchschnitten und dasselbe Verfahren bei den noch zu machenden Schnitten wiederholt.
Sind die Schnitte gemacht, so legt man in jede Wunde eine kleine Wergwieke, bringt auf diese eine grossere und erhält dieselben mittelst der über den oben erwähnten Strohbauschen geknüpften Binden oder Tuehenden in ihrer Lage.
Bei dem von He ring angegebenen Yerfahren knieet der Opera­teur hinter die Croupe des auf der linken Seite liegenden Pierdos, zieht mit der linken Hand den Schweif so weit vom Körper ab, dass man bequem an der unbehaarten Fläche beikommen kann, und macht mit dem geballten Bistouri den ersten Hautschnitt von einem behaar­ten Bande des Schweifes zum anderen so nahe als möglich hinter der, von- einem, an der linken Seite des Operateurs knieenden Gehilfen gehaltenen, quer unter dem Anfange des Schweifes durchgeführten und straff gegen das Kreuzbein angezogenen Schnur, den zweiten und dritten in Abständen von ein bis zwei Zoll; hierauf biegt er den Schweif etwas mehr ab, um die Muskeln deutlicher vorspringen zu lassen und durchschneidet mit einem zweischneidigen Bistouri oder mit einer ge­wöhnlichen Lancette, welche Instrumente sich am besten eignen, weil man, ohne sie umdrehen zu müssen, mit denselben rechts und links schneiden kann, zuerst den linken, dann den rechten Xiederzieher in Zügen, um sowohl die mittleren als auch die seitlichen Gefässo unver­letzt zu erhalten. Sind sämmtliche Schnitte in gleicher Weise ausge­führt, so werden die vorspringenden Muskelenden abgeschnitten, in jede Wunde ein kleiner, in Baumöl getauchter, darüber ein grösserer, trockener Wergbausch gelegt und mit einem etwa drei Finger breitenLein-wandstreifen auf dem Rücken des Schweifes massig festgebunden. Den Strohbausch hält Hering für überflüssig, da der Verband so locker ist, dass er selbst bei eintretender Anschwellung des Schweifes nicht drückt.
Dem Schieftragen des Schweifes sucht man dadurch abzuhelfen, dass man an der coneaven. Seite einen Schnitt mehr macht, als an der anderen Seite, wodurch man indess nicht immer zum Ziele gelangt; bei der subeutanen Methode soll man an der coneaven Seite einen oder zwei Schnitte machen, während man den Muskel der anderen Seite unverletzt lässt.
Der gleichfalls von Pilger beschriebene, von Strauss und Delafond auf das Wärmste anempfohlene Längenschnitt, nach welchem die Heilung viel rascher und mit geringerer jSarbenbildung
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erfolgen soll, welche Annahme jedoch irrig ist, wird im Allgemeinen nur selten vorgenommen.
Um denselben auszuführen, macht man hinter der oben erwähn­ten Falte mit dem Daumennagel den ersten und in einem Abstände von drei bis vier Zoll von diesem den zweiten Querstrich, durchschnei­det die zwischen beiden Strichen gelegene Haut auf der Mitte eines jeden Niederziehers, trennt den Muskel in beiden Wundwinkcln mit­telst des unter denselben eingeführten spitzen Myotoms der Quere nach vollständig, erfasst das abgeschnittene Stück mit einem scharfen Haken oder mit einer Pincette und löset esquot; der ganzen Länge nach so ab, das nichts von demselben zimickbleibr. Ist dieses auf beiden Seiten geschehen, so drückt man die Hautränder mit den Fingern an einander, legt auf jeder Seite eine hinreichend flange und dicke Werg-wieke und über diese eine, beide Wunden deckende grosso quot;Wieke auf und befestiget dieselben durch eine massig fest angelegte Binde oder durch Tuchenden, die an der oberen Schweiffläche geknüpft werden.
Eben so selten, wie des Längenschnittes, bedient man sich jenes Verfahrens, bei welchem s ow o hl Quer- als Längenschnitte ge­macht werden; dieses besteht darin, dass man von der Mitte eines jeden Querschnittes einen kurzen, nach rückwärts gerichteten Längen­schnitt macht oder zwischen je zwei Schnitten die Haut der Länge nach spaltet, so dass die quot;Wunde die Form eines I bekömmt, und man grössere Siücke des Muskels herausnehmen kann.
Bei dem von Brogniez angegebenen Verfahren, welches leich­ter am stehenden, als am liegenden Pferde auszuführen sein soll, stellt sich der Operateur hinter das Pferd und macht an der unteren Fläche des mit der linken Hand emporgehobenen Schweifes mit dem soge­nannten Dermotom, einem, mit einer kurzen, meissclförmigen, zwei­schneidigen Klinge versehenen Messer, eine nur einige Linien grosse Längenwunde, durch welche bloss die Haut getrennt wird, mitten auf jedem Xiederzieher, führt ein geknöpftes, sichelförmiges Myotom durch die Wunde ein und umgreift mit demselben den auf der Schneide des Messers liegenden Muskel so, dass das Knöpfchen des Instrumen­tes wieder in der Wunde zum Vorscheine kömmt, worauf er bei dem Zurückziehen des Messers den Muskel quer durchschneidet. Meist wird jeder Niederzieher an drei Stellen in der angegebenen Weise getrennt, worauf die vorspringenden Muskelenden abgetragen werden. Ein Ver­band ist überflüssig und die Heilung soll, was wohl zu bezweifeln sein dürfte, binnen vier Tagen vollständig erfolgen.
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Nachbehandlung.
Damit das in den Stall zurückgebrachte Thier sich nicht reiben könne, pflegt man dasselbe hie und da einzuschnüren; es wird durch Stricke, welche von der Krippe zu den .Standsäulen gehen und durch einen, hinter dem Pferde quer von einer Seite zur anderen geführten Strick gegen einander gezogen werden können, gehindert, sich der einen oder der anderen Seite des Standes zu stark zu nähern.
Nach der subeutanen Burchsclmeidung lässt Hertwig den Schweif sogleich nach der Operation in Eollen hängen und die bereits nach l'/a—2 Stunden gelockerte Binde nach zehn Stunden gänzlich entfernen, die an der Wunde anklebenden Wergwieken jedoch erst am folgenden Tage abnehmen. Am zweiten Tage wird die vordere Eolle so weit nach vorne gebracht, dass der Schweif, welcher bisher eine wagrechte Richtung hatte, durch die Schnur nun senkrecht in die Höhe gehoben wird, in welcher Eichtung man ihn etwa durch acht Tage, während welcher Zeit in der Regel die Heilung der Wunde erfolgt ist, erhält. Vom dritten Tage au kann das Thier bewegt, selbst zur Arbeit verwendet werden, wobei der Schweif über ein etwa fünf Zoll starkes, auf der Croupe angebrachtes Strohbündcl nach dem Kreuze zurückgelegt und an dem Gurte befestiget wird. Trägt das Pferd den Schweif schief, so versucht man diesen Ucbelstand dadurch zu behe­ben, dass man den Schweif während fünf bis sechs Tagen nach der entgegengesetzten Seite um die Hinterbacke gebogen und an dem Gurte befestiget hält. Hering lässt die Binde nach 12—24 Stunden etwas lockern, jedoch erst nach 3—4 Tagen abnehmen, den Schweif aber durch 14 Tage in Eollen bringen; das Niederlegen kann einige Tage nach der Operation jede zweite Nacht gestattet werden.
Nach dem offenen Schnitte wird der Schweif gleichfalls ent­weder über den Rücken gebogen, an den Ringen der Deckengurte festgehalten oder an eigenen, von dem Pferde selbst getragenen Vor­richtungen befestiget, oder, was am häufigsten geschieht, in Rollen ge­hängt. In dem letzteren Falle werden, nachdem das Thier hoch auf­gebunden wurde, die in die Zöpfe eingcflochtenen Bändchen mit den Rollenschnüren in Verbindung gebracht und es wird dem Schweife durch das an letztere angehängte Gewicht (etwa 14—18 Loth) eine horizontale Richtung gegeben; nach Ablauf von 3—5 Tagen, wenn die Wunden zu eitern beginnen, vermehrt man dieses Gewicht auf etwa ein Pfund und hängt die Rollen über der Croupe des Pferdes ein, wodurch der Schweif fast senkrecht emporgehoben gehalten wird;
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schreitet die Wunde der Vernarbung zu, so werden die Bollen an den vordersten Haken befestiget, das angehängte Gewicht selbst bis auf zwei Pfunde erhöht und so dem Schweife die Richtung nach vorne zu gegeben, so dass derselbe mit der Croupe einen spitzen Winkel bildet, damit die Wunden auseinandergehalten werden und breite Nar­ben entstehen, wesshalb auch diese Stellung des Schweifes bis zur vollständigen Verheilung beibehalten werden soll. Dieses von Strauss befolgte Verfahren widerräth H c r t w i g, indem hiedurch der Haut­muskel so wie der Aufheber an der 8chweifwurzcl zu sehr zusam­mengedrückt, Entzündung und Eiterung an der ersteren, Schwächung, selbst Lähmung der letzteren und in Folge dessen schlechtes Tragen des Schweifes bedingt werden sollen; er lässt aus diesem Grunde den Schweif anfangs in eine wagrechte, am 3.^—4. Tage durch Anhängen eines schwereren Gewichtes in eine derartige Richtung bringen, dass er mit dem Kreuze einen massig stumpfen Winkel bildet; am 8. oder 6. Tage wird die Eolle an der Decke so weit nach vorne angebracht, dass sie fast über dem Ende der Croupe steht und der Schweif so­mit in einem rechten Winkel in die Höhe gezogen wird, in welcher Stellung man ihn bis zur erfolgten Heilung belassen soll. Nach Hering hat das Einhängen des Schweifes in die Eollen erst zwölf Stunden nach der Operation zu geschehen und der Schweif ist, wenn dem Thiere das Niederlegen gestattet ist, für die Dauer des Liegens frei zu lassen.
Was den Verband anbetrifft, so wird derselbe durch Herauszie­hen der Halme aus dem auf der oberen Eläche des Schweifes ange­brachten Strohbauschen gelockert, mit welchem Herausziehen man, je nachdem eine stärkere Blutung eingetreten war oder nicht und je nachdem die Anschwellung des Schweifes sich rascher oder langsa­mer entwickelt, ein bis zwei Stunden nach der Operation beginnt und in der oben angeführten Weise und in Zwischenräumen von einigen Minuten fortfährt, bis alles Stroh entfernt ist. Am zweiten Tage, bei starker Geschwulst auch früher, schiebt man die Knoten der Bin­den etwas auf, um den Druck zu mindern, und entfernt den ersten Ver­band nach H e r t w i g längstens nach 24 Stunden, nach Strauss jedoch erst am 3.—4. Tage. Die Wunden werden sodann entweder neuerdings mit lockerem, in lange, etwa l1/, Zoll breite Streifen ge­brachtem Werg verbunden oder man lässt sie, was jedoch weniger zweckmässig ist, ohne Verband, sobald sich Granulationen zu bilden beginnen, welche Veränderung um den 7. Tag herum einzutreten pflegt. Hering lässt den ersten Verband im Sommer nach 12—18 Stunden
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etwas lockern, nach 24 Stunden entfernen, im Winter aber durch 2 Tage unberührt liegen, und die Wunden in den nächsten 3—4 Tagen mit beöltom, weiterhin mit troclcenem Werg verbinden.
Wann dem Thiere das iSTiederlegen gestattet werden könne, dar­über sind die Ansichten getlicilt. Hertwig z. B. hält dieses schon in der 2. Nacht, Dieterichs um S.Tage, Hering in der 4. oder 5. Nacht fur zulässig, während Strauss das Pferd durch 6—8 Tage aufgebunden stehen lässt. Von diesem Tage an können auch die Thiere durch '/gt;—1 Stunde täglich bewegt werden, während welcher Zeit der Schweif gewöhnlich wie oben angegeben, an dem Gurte befestiget wird, obsclion nach Herings Meinung hievon aus dem Grunde Umgang genommen werden kann, weil in der kurzen Frist, während welcher der Schweif herabhängt, eine Verengerung der Wunde nicht zu be­fürchten ist.
Die Heilung der Wunden erfolgt bei normalem Verlaufenach dem Subcutanschnitte etwa binnen acht, nach dem offen en Schnitte etwa binnen 20—28 Tagen, indess dauert es nach Günthers An­sicht wenigstens zwei Monate, ehe das jSTarbengewebe die genügende Festigkeit erlangt hat.
Ist die Operation gut ausgefallen, so tragen die Pferde, wenn sie zum ersten Male nach erfolgter Heilung vorgeführt werden, den Schweif meist anscheinend etwas zu hoch, indess dauert dieses nur so lange, bis die Narbe sich stärker zusammengezogen hat und der Schweif erhält sehliesslich die gewünschte Hichtung.
Soll einem Pferde, an welchem der Muskelschnitt gemacht wurde, ausserdem ein grösseres oder kleineres Stück des Schweifes abgeschla­gen werden, so nimmt man diese letztere Operation erst nach Verheilung der durch den Schnitt entstandenen Wunden vor.
Auch gegen das schiefe und das zu hohe Tragen des Schweifes wird mitunter die Durchschneidung einzelner Muskeln vorgenommen, welche Operation jedoch selbstverständlich nur dann von Nutzen sein kann, wenn die abnorme Richtung des Schweifes nicht durch Veränderungen an den Knochen bedingt ist.
Bereits früher wurde erwähnt, dass man einer schiefen Hal­tung des Schweifes dadurch abzuhelfen sucht, dass man nach der Durehschneidung der Niederziehcr den Schweif durch mehrere Tage in der entgegengesetzten Hichtung erhält oder dass man an der coneaven Seite mehr Schnitte, als an der convexen macht. Da dieses
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indcss nicht immer ausreicht, so durchschneidet man den Se i t w är t s-zieher der coneaven Seite vor der gekrümmten Stelle des Schweifes oder selbst an seinemAufange entweder in subeutaner oder in offe­ner Weise. Man lässt den Schweif nach der entgegengesetzten Seite biegen, und sehneidet, wenn man sich für den offenen Schnitt ent­schlossen hat, zuerst die Haut, hierauf den stark gespannten Muskel mit dem geballten Bistouri quer durch und wiederholt diese Manipu­lation, wenn ein einziger Schnitt nicht ausreichen sollte. Bei der sub-cutanen Methode geht man in der, bei dem Schweifmuskelschnitte an­gegebenen Weise vor.
Trägt das Pferd dagegen den Schweif zu hoch, so durchschnei­det man die Aufheber etwa 2—3 Zoll vor der Stelle, an welcher der Schweif sich hinaufkrüramt, von aussen nach innen ein- oder mehrraal, bindet oder flicht die Haare von der Operationsstelle auf jeder Seite gleichmässig zusammen, befestiget an die Zöpfe die Kollen-schnur oder man führt um den Schweifansatz eine breite Binde, von welcher die Schnüre über die, über dem Bücken des Thieres ange­brachte Holle nach rückwärts laufen, und zieht auf diese Weise nur den vorderen Theil der Schweifrübe empor, während die Spitze der­selben frei herabhängt und sogar durch leichte, an dieselbe ange­brachte Gewichte in der Krümmung nach abwärts erhalten wer­den kann.
UngünstigeE reignisse während undnach de r Op eration.
Zu diesen gehören:
Blutungen, durch Verwundung der seitlichen oder der mitt­leren Schweifschlagader bedingt und am häutigsten bei dem offenen Schnitte auftretend. Etwas festeres Anlegen der Binde, Aussetzen des Hcrausziehens der Halme aus dem Strohbäuschchen, Herablassen des Schweifes, im jNbthfalle die Unterbindung sind die Mittel, der Blutung Einhalt zu thun.
Brüche der Seh w eif w ir b e 1 und Z erreissungen der Zwischenknorpel, durch zu starkes Zurückbiegen des Schweifes oder durch heftige Bewegungen des Thieres besonders nach vorherge­gangenem Anschneiden der zwischen zwei Wirbeln vorhandenen Knor-pelsohichte veranlasst. Horizontale Kichtung des Schweifes, Anlegen eines Verbandes vermögen die Heilung zu fördern.
Heft ige Entzündung und Anschwellung der Schweif­rübe, Schrunden und Geschwüre an der Wurzel des Schweife s, verursacht durch zu nahe an einander angebrachte Schnitte,
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durch Verwundung; der Beinhaut, zu festen Verband, zu spätes Ein­hängen in die Rollen, durch zu starkes Ueberbeugen des Schweifes, durch Benässen der Haare auf dem Eücken des Schweifes u. dgl.
Eintritt des Brandes, den die Mehrzahl der eben ange­gebenen Ursachen und yielleicht auch die Durchsehneidung sämmtli-cher Gefässe herbeizuführen vermögen und der sich unter der Eorm des heissen sowohl, als auch des kalten Brandes zeigen kann.
Caries der Schweifwirbel, Schweiffisteln, Ab-scesse am Schweife und um den Mastdarm.
Ausfallen der Haare in Folge zu festen Einflechtens der Haare, oder des Befestigens zu schwerer Gewichte an den Rollen.
Starrkrampf, der sich gewöhnlich erst acht bis vierzehn Tage nach der Operation einstellt.
Schlechtes oder schiefes Tragen des Schweifes, be­dingt durch fehlerhaftes Operiren oder durch eine unzweckmässige Nachbehandlung.
Eindringen von Luft in die Venen und dadurch herbei­geführten Tod; ein Ereigniss, welches einigemale beobachtet wurde.
F) Her Olirmuskclsclmitl.
Der Ohrmuskelschnitt oder das Oh renaufsetzen wird bei Pferden mit Hasen- oder mit Schweinsohren vorgenommen, um diesen Theilen eine andere Stellung zu geben, und besteht darin, dass man entweder die Aufheber oder die Niederzieher des Ohres einfach durchschneidet oder selbst Stücke derselben herausnimmt.
Auch diese Operation kann entweder in subeutaner oder offener Veise am stehenden oder am niedergelegten Pferde geübt werden.
Das zur Beseitigung der Hasenohrigkeit einzuschlagende Verfahren beschreibt Wieners in nachstehender Weise:
Man sticht am stehenden Pferde die Spitze des höch­stens zwei Linien breiten und mit der Schneide nach aufwärts gehal­tenen Myotoms in der Mitte zwischen Mahne und Ohrmuschel durch die Haut, führt das Instrument unter derselben und unter dem lan­gen und dem mittleren Aufheber des Ohres durch und durchschnei­det, ohne den Hautschnitt zu vergrössern, mit einer ziehenden und nach abwärts gerichteten Bewegung der Hand den mittleren Aufheber des Ohres, wobei man, um den langen Aufheber nicht zu verletzen, auf das Zurückspringen der Enden des getrennten
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Muskels Acht zu geben hat T)ii durch diesen Schnitt das Ohr die richtige Stellung ge-wöhnlich noch nicht erlangt, so geht man mit dem Instrumente durch die früher gemachte Hautwunde bis auf dea Schild­knorpel ein, schiebt es, den Messerrücken auf dem Knorpel anliegend, nach vorn und aussen unter den kurzen Aufheber des Ohres, den man iu gleicher Weise wie den mittleren durchschneidet. Kur sehr selten wird man auch zur Durchschneidung des langen Aufhebers zu schreiten gezwungen sein. Der eben beschriebene Vorgang findet so­dann an dem anderen Ohre statt. Die quot;Wunde wird mit einem kleinen, durch kreuzweise aufgelegte Heftpfiasterstreifen festgehaltenen Werg-bäuschchen verbunden. Hierauf legt man dem Pferde eine aus doppelt gelegter Leinwand angefertigte, der Grosse des Kopfes und der Stel­lung der Ohren genau anpassende Kappe auf, welche mit vier Bän­dern unter dem Halse und über der Jlundung des Hinterkiefers fest­gebunden wird. Nach 7—12 Tagen, während welcher Zeit die Heilung beendet ist, wird der Verband abgenommen. Eiterung tritt gewöhn­lich nur dann ein, wenn Luft in die Wunde eingedrungen ist, was indess leicht zu verhüten ist, indem man mit dem Daumen auf die Operationsstcllc so lange, bis das Werg aufgelegt ist, einen leichten Druck ausübt, oder wenn die Thiere sich reiben.
JSTach der älteren, von R y c h n e r erwähnten, aber gegenwär­tig nicht mehr geübten Methode macht man an der oben angegebe­nen Stelle eine fast einen Zoll hohe Hautfalte, durchschneidet diese in der Medianlinie des Kopfes und führt einen zweiten Schnitt durch den Muskel, so dass eine Wunde von etwa einem Zolle Querdurch­messer entsteht, welche immer auf zweitem Wege heilt.
Ist die zu weite Stellung der Ohren durch eine Verkür­zung des Niederziehers oder auch des langen Auswärts­zieh e r s bedingt, so kann auch hier durch die Operation der Fehler etwas gebessert w'erden. Bei dem suheutanen Schnitte sticht man nach H e r t w i g s Angabe die Spitze des M3-otoms mit nach abwärts ge­richteter Schneide gerade auf der senkrechten Mittellinie der Ohr­speicheldrüse und etwa 3/4 Zoll unter der Ohrmuschel durch die Haut, führt eine Hohlsonde mit nach aussen gekehrter Furche zwischen die Drüse und den auf ihr liegenden Muskel von hinten nach vorn einen Zoll tief ein und durohsehneidet, während ein Gehilfe das Ohr be­hufs einer stärkeren Spannung des Muskels in die Hohe zieht, den letzteren mit dem in der Einne der Sonde vorgeschobenen Messer. Auch hier wird eine Kappe angebracht, um die Ohren in der norma-
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len Stellung zu erhalten. Die Heilung der Wunde ist in etwa sechs Tagen been det.
Bei dem offenen Schnitte wird in der Mitte zwischen dem Kopfe und dem Ohre die Haut in eine fast zollhohe Falte emporge­hoben, dieselbe mit dem Bistouri ganz herausgeschnitten und sodann ein Stück des Hebers des Ohres herausgenommen, worauf die Wunde mittelst der .Knopfnaht geschlossen wird.
2. Die Durchschneidung des jSTackenbande s.
Diese von Lau gen bach er in Wien zuerst (beiläufig im .Jahre 1818) geübte und in der queren Durehsclmeidung des Nackenbandes bestehende Operation hat den Zweck, die Spannung und lleibung, welche das bei der sogenannten Genickfistel in Folge der Verschwa-rung mitunter blossgelcgte und von den angrenzenden Gebilden ganz abgelöste Band hervorruft, zu heben und die Heilung zu ermöglichen.
Die Operation kann am stehenden oder, was sicherer ist, an dem, auf die gesunde Seite gelegten Pferde vorgenommen werden. Nachdem der Hohlgang durch nach rückwärts geführte Einschnitte we­nigstens so erweitert wurde, dass man mit dem Finger bequem unter dasNackcnband gelangen kann, setzt man ein gerades, mit der Schneide nach aufwärts gerichtetes Knopfbistouri an die untere Fläche des Li-gamentes und zwar so weit als möglich vom Oberhauptsbeine entfernt an, und bewirkt in langsamen Zügen die quere Trennung desselben vollständig, ohne die Haut über demselben oder jene an der entge­gengesetzten Seite des Genickes zu durchschneiden oder zu durchste­chen, aus welchem Grunde man während der Ausführung des Schnit­tes wiederholt mit dem Zeigefinger der freien Hand sich von der Grosse und Richtung des Schnittes Ueberzeugung verschafft. Auch kann man das Band auf der quer unter dasselbe eingeführten Hohl-sonde mit einem, mit der Schneide dem Kamme zugekehrten geraden Bistouri durch einen starken Zug des Messers nach oben seiner gan­zen Dicke nach durchschneiden. Nachdem die Wunde gereiniget ist wird sie einfach mit Werg verbunden und nach den Regeln der Chirur­gie behandelt. Die Heilung erfolgt, wenn nicht anderweitige Hinder­nisse vorhanden sind, in etwa 3—S Wochen.
Nachtheilige Folgen, so z.B. das von C h a b e r t befürchtete H e r-abhängen des Kopfes oder anderweitige dauernde Störungen in der Bewegung des Kopfes oder des Halses treten nicht ein und es bleibt an der Operationsstelle höchstens eine leichte Vertiefung zurück.
Ist das Nackenband in grösserer Ausdehnung nekrotisirt, so nimmt
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man nach vorheriger Spaltung der ristclgänge die abgestorbenen Par-thieen desselben mit dem Messer weg. Lafossc räth die Durchschnei­dung des Nackenbandes, wenn dasselbe nicht iu zu grosser Ausdeh­nung nekrotisirt ist, in subcutaner \\reise an zwei Stellen au, und lässt den durchschnittenen Theil hcrauseitern. Zu diesem Zwecke stieht er ein gerades schmales Spitzbistouri senkrecht auf die Geschwulst und mit nach aufwärts gekehrter Schneide unter dem Nackenbande mit der Vorsicht, die entgegengesetzte Seite des Halses nicht durch-zustechen, ein, schneidet, an die andere Seite des Eandes gelangt, dasselbe mit einer Hebelbewegung des Messers von innen nach aussen entzwei, verfährt am anderen Ende des abgestorbenen Thciles in gleicher Weise und bedeckt beide Wunden mit einem aus Pech und Terpentin zusam­mengesetzten Klebeptiaster. Nachdem der abgestorbene Theil des Li-gamentes nach blutiger Erweiterung des Hohlganges und nach Ein­spritzung ätzender Hittel sich durch Eiterung abgestossen hat, soll nach einiger Zeit eine Vereinigung der Enden des Bandes in gleicher Weise, wie nach dem Schnenschnitte stattfinden, iudess gelingt die Heilung mitunter erst nach Herausnahme der lleste des abgestorbe­nen Stückes.
3. Die operative Beseitigung der Sehnen- und G-clenks-
gall en.
Diese Operation besteht darin, dass eine Gelenks­kapsel oder eine Sehnenscheide mittelst stechender oder schneidender Instrumente eröffnet wird, um die im Uebermasse angesammelte Gelenks- oder Sehnen­schmiere zu entleeren und die Galle derart zu besei­tigen.
Geschichtliches.
Die Eröffnung der Gallen dürfte gleichfalls zu den schon lange Zeit gekannten Operationen zu zählen sein, indem man dieselbe be­reits bei Vegetius erwähnt findet, nach welchem Autor hiezu ein kupferner Erennkolben benützt wurde. Auch Jordan us Huf u s spricht schon von der Entleerung der in den Gallen enthaltenen Flüssigkeit. Garsault (1746) empfahl das Durchziehen eines Haarseiles durch die Geschwulst, welches Verfahren in neuerer Zeit von Sew eil und anderen englischen Thierärzten dahin abgeändert wurde, dass sie die Fäden nicht durch die Geschwulst, sondern zwischen der Haut und dem Synovialsacke zogen. Busch, welcher früher ein eigenes, einem
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gewöhnlichen Englisirmesser gleichendes Messer, jedoch mit nicht be­sonders günstigem Erfolge gebrauchte, bcschrioLraquo; 1793 den von ihm erfundenen Gallenschnäpper; llobertson bediente sich zum Eröffnen der Gallen eines glühend gemachten l'friemens, Sind eines spitzen Glüheisens, liey (1847) eiserner, etwa '/„ Linie dicker, 4—8 Zoll langer Xadel, welche erhitzt und mit einer kleinen Zange in die üalle eingestochen wurden. Hausmann eröffnete die Oeschwulst mit einem Troikart, Röttger mit dem Messer. Gloag, ein englischer Thierarzt verband die Acupunktur mit dem Uruckverbande, indem er vier Näh­nadeln in einem Korkstöpsel so befestigte, dass ihre Spitzen aus dem­selben etwa 3/4 Zoll weit vorstanden; diese Nadeln wurden durch mehrere Tage hindurch täglich eingestochen und hierauf eineCompres-sivbinde angelegt. Leblanc (1846) führte die von Vclpcau in der Mensehenheilkunde angewendeten Einspritzungen von Jodtinktur in der Thicrheilkunde ein und bediente sich derselben zur Beseitigung von Sehnen- und Gelenksgallen mit angeblich günstigem Erfolge; die von Bouley, Hcokmeijer, Delafond, Hey, La fosse, Pero-sino u. And. in dieser Beziehung angestellten Versuche ergaben indess, dass dieses Verfahren bei Gelenksgallen #9632;wenigstens durchaus nicht anempfohlen zu werden verdiene, indem die Anwendung desselben in nicht wenigen Fällen einen tödtlichen Ausgang herbeiführte. In neue­ster Zeit versuchte Rodet die Galvanopunktur und die Elektricität, erzielte jedoch bisher noch keine sicheren Resultate.
Anzeigen und Gegen an zeigen.
Zu dieser Operation, die von Vielen ohnehin für das letzte Mit­tel angesehen, und vielleicht mit Recht nur dann vorgenommen wird, wenn alle anderen Heilversuche erfolglos geblieben sind, eignen sich nur solche Gallen, welche schon lange bestehen, weder mit Entzün­dung noch mit Schmerz verbunden sind, oder die bereits eine solche Grosse erlangt haben, dass das Thier durch die hiedurch bedingte Ent­stellung beinahe wcrthlos geworden ist, obschon bei dieser der Erfolg schon desshalb ein sehr unsicherer ist, da die quot;Wandungen solcher ver­alteter Gallen in Folge der chronischen Entzündung mehr weniger be­deutend verdickt sind und sich auch nach Entleerung des Inhaltes nicht mehr zusammenzuziehen vermögen; gegenangezeigt ist die Eröffnung bei Gallen, welche in Folge heftiger Anstrengung oder an­derer mechanischer Einwirkungen, wie z. B. durch Stösse, Schläge u. dgl. frisch entstanden und noch von starker Entzündung und hef-
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tigern Schmerze begleitet sind. Gelenksgallen überhaupt eignen sich zur Eröltnung weniger als Sehn eng allen.
Her twig schreibt die ungünstigen Resultate, welche durch die Operation erzielt wurden, einestheils dem Umstände, dass man die fal­len ohne Unterschied ihres Sitzes und ihrer Beschnffenheit der Ope­ration unterwarf, anderstheils der fehlerhaften Ausführung und der ungeeigneten Nachbehandlung zu.
Lagerung des T hie res.
Die Vornahme der Operation hat nach der Meinung von B u s c ü, Robertson, liöttger, Leblanc, Barry u. And. stets am s t e h e n-den Thiere zu geschehen, weil bei der aufrechten Stellung die Gallen in Folge der Anspannung der Sehnen deutlicher hervortreten und ihre Wandungen mit dem stechenden oder schneidenden Instrumente leichter, als am liegenden Thiere zu durchdringen sind. Nur sehr empfindliche und widerspenstige Pferde sind zu legen und so zu bin­den, dass die Operationsstelle frei zugänglich ist. Auch zu den sub-cutanen Verfahren werden die Thiere niedergelegt. Wird im Stehen operirt, so lässt man, falls die Operation an einem Vorderfusse zu geschehen hat, den Vorderfuss der anderen Seite aufheben, ist sie dagegen an einem Hinterfussc auszuführen, die Hinterfüsse spannen.
Operations verfahren.
Die Eröffnung der Gallen kann in verschiedener Weise ausge­führt werden u. z.
1.nbsp; nbsp;mittelst eines einfachen, in gerader Rieh tu n g durch die Haut in die Höhle der Galle dringenden Einstiches mit einem spitzen Bistouri, einer Lanzette, einem Schnepper oder einem Troikart;
2.nbsp; mittelst eines in schräger Richtung unter der, die Galle bedeckenden Haut geführten Einstiches, wobei die Er­öffnung der Höhle gewissennassen subeutan geschieht;
3.nbsp; mittelst eines geraden oder schiefen Einstiches mit darauffolgender Einspritzung von Jodtinktur;
4.nbsp; nbsp;mittelst eines grösseren, offenen Schnittes;
5.nbsp; mittelst eines Troikarts bei gleichzeitiger Einführung eines kleinen Eiterbandes, endlich
6.nbsp; mittelst des Glüheisens.
Bei dem Einstiche in gerader Richtung hat man das Eindringen von Luft mit seinen Folgen, sowie Rccidive, welche letzteren auch
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bei der subcutanen Eröffnung dor Galle, wenn nicht gleichzeitig resi-katorische Eiureibungen angewendet worden, sich einstellen, zu be­fürchten; die Einspritzungen von Jodtinctur führen nach Bouley nur dann Heilung herbei, wenn in Folge derselben ein solcher Grad von Entzündung in der Synovialhaut sich einstellt, dass eine Vorschlies-sung der absondernden Gefässe herbeigeführt wird; erreicht die Ent­zündung jedoch einen höheren Grad, so sind Verwachsungen zwischen Sehnen und Sehnenscheide oder zwischen den einzelnen Theilen des Gelenkes, selbst Eiterung, Verjauchung u. s. f. die Kesultate.
Die drei zuletzt angeführten Verfahren werden im Allgemeinen der meist üblen Folgen wegen wohl fasst nie geübt. Besonders ver­werflich ist die Eröffnung der Gallen durch einen grösseren offenen Schnitt, da sie heftige Entzüudang mit meist ungünstigem Ausgange nach sieh zieht.
Instrumente.
Zu dem Einstiche gebraucht man entweder ein schmales, ge­rades, fein zugespitztes Bistouri, eine schmale Lanzette, ein spitzes Tenotom oder einen Troikart mit zweischneidiger Spitze und silberner Canule, welche etwa 3quot; lang, 2'quot; breit, in der Mitte l1/,,'quot; dick und mit kleinen Seitenöffnungen verschen ist, während der IYjquot; lange Handgriff des Stilets hloss mittelst einer Druckfeder an dem letzteren befestiget ist und entfernt werden kann, indess reicht ein einfacher feiner Troikart vollkommen aus.
Sollen nach dem Einstiche Injektionen in die Sehnenscheide oder in die Gelenkskapsel gemacht werden, so geschieht diess mittelst einer kleinen Spritze, deren Ansatzrohr auf das hintere Ende der Kanüle dos Troikarts passt.
G n er in hat wohl zu diesem Verfahren einen eigenen Troikart, an dessen Kannle ein Hahn, mittelst dessen die Bohre abgesperrt werden kann, sowie eine besondere Spritze mit zweitheiligem Ansatzrohre angegeben, indess sind beide Instrumente entbehrlich. Der zu gleichem Zwecke bestimmte Troikart von Prange hat eine an das vordere Ende der Kanüle angeschweisste Lanzen­spitze, hinter welcher jederseits zwei kleine Ocffnungen angebracht sind; gegen das hintere Ende der Kannle zu findet sich gleichfalls ein Hahn. Anstatt der Spritze verwendet Pran ge eine mit einem Ansatzrohre sammt Hahn versehene Kaiitschu kblase. Da jedoch die Lanzenspitze die Theile, durch welche sie hindurchdringt, nicht bloss auseinanderdriingt, sondern durchsolineidet, somit eine sich nicht so sclmcll schliesscnde Wunde, durch welche die Luft einzudringen vermag, erzengt, da firner durch die angeschweisste Spitze leicht nnabsichtliche Vcrwundnngen im Inneren des Eaumcs, in welchen dieselbe eingeführt wurde
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entstehen können, und da schliesslich die Canule sich durch Eiweissgerhmsel welche nicht entfernt werden können, leicht verstopft, so haben selbst franzö­sische Thierärzte, wie Leblanc und Key diesen Troikart für ein völlig un-praktiselies Instrument erklärt.
Als Injektionsflüssigkeit wurde früher z. B. von Reynal, Weingeist benützt; gegenwärtig verwendet man jedoch als solche Jodtinktur in verdünntem Zustande. (1 Theil Jodtinktur mit 2 bis 3 Theilen destillirten Wassers gemengt).
Zu demDurchführen vonFäden nachArteines Eiter­bandes benöthiget man entweder eine kleine gekrümmte Eiter band­nadel oder zweckmässiger einen feinen Troikart mit abnehm­barem Griffe, bei dessen Gebrauche man die Fäden in das, am hinteren Ende des Stilets angebrachte Oehr einzieht, oder man führt beiAnwendang eines T roikar ts von gewö hnlicher C onstruc-tion vier bis sechsSeiden- oder Zwirnfäden durch die Canule, welche selbstverständlich beiderseits aus der Haut vorstehen muss, hindurch.
Ausführung der Operation.
Gewöhnlich hält man jenen Punkt, an welchem die Galle am deutlichsten hervortritt und der von der Wand der Sehnenscheide oder von jener der Gelenkskapsel am weitesten entfernt ist, für die geeigneteste Stelle zur Eröffnung der Geschwulst, indess ist diese An­sicht nach Eöttger aus dem Grunde irrig, weil die Gebilde an die­ser Stelle sich am wenigsten vollständig wieder zusammenziehen. Be­sonders bei Sprun ggelenksgallen hält Eöttger den Punkt, an welchem die Geschwulst am stärksten vorspringt, zum Einstiche am wenigsten geeignet, indem daselbst die Haut und das Kapselband in Folge der, durch die im Gelenke im Uebermasse angesammelte Synovia bedingten starken und andauernden Ausdehnung ihre Zusammenziehungs-fähigkeit eingebüsst haben, eine Verschliessung der Wunde nach Ent­fernung der Canule nicht sogleich stattfindet, daher Luft in das Ge­lenk eindringt und üble Zufälle erregt; seiner Ansicht nach, welcher auch Her twig aus Erfahrung beistimmt, wird der Einstich am pas­sendsten an dem vorderen äusseren Bande des Sprunggelenkes gemacht, an welcher Stelle die Operation nie mit Gefahr verbunden, dagegen meist von günstigem Erfolge begleitet sein soll.
Die Eröffnung der Gal len mittelst des Einstiches wird nach Hartwig's Angabe in nachstehender Weise ausgeführt:
Nachdem man die Haut an der Operationsstelle verschoben hat,
Forster Opcrationslehre für Thierärzte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;13
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sticht man eine schmale Lanzette, ein Tenotom oder einen dünnen Troikart von unten nach oben so durch die Haut und durch die Seh­nenscheide oder durch die Gelenkskapsel durch, dass letztere etwa 3 Linien weit von der Hautwunde durchbohrt und eröffnet werden, und entleert hierauf die in den ebengenannten Hohlräumen enthal­tene Flüssigkeit durch einen von allen Seiten gegen die Oeffnung hin ausgeübten massigen Druck. Sollte der Abfluss stocken, so kann durch eine in die Wunde eingeführte Hohlsonde der Stichkanal bis zur gänzlichen Entleerung des Inhaltes durchgängig erhalten wer­den, was bei Anwendung des Troikarts selbstverständlich durch die liegen gelassene Canule erzweckt wird. Nach Entfernung der Sonde oder der Canule deckt die ihre frühere Lage einnehmende Haut die Wunde im Inneren und hindert das Eindringen der Luft in die er­öffneten Hohlräume, zu welchem letzteren Zwecke ausserdem etwas Baumwachs, Theer oder Heftpflaster auf die Hautwunde geklebt wird. Die schlicsslich auf die Operationsstelle gelegte Leinwandcompresse wird mittelst einer in Spiraltouren massig fest und gleichmässig an­gelegten Binde befestiget.
Bei Sohnenscheidengallen, deren Inhalt mehr weniger stark ge­ronnen ist, genügt ein einfacher Einstich nicht, und man soll, um die in denselben befindlichen Massen entfernen zu können, an der niedrig­sten Stelle der Galle einen hinreichend grossen Schnitt machen, um den Zeigefinger bequem einführen und die Gerinnsel mit demselben hervorholen zu können; als Yerband dient ein, mit einem fetten Oele bestrichener Wergbausch, der auf die Wundöffnung zu liegen kömmt, und eine Binde.
Nach Strauss, welcher die Punktion, wenn auch nicht für nachtheilig, so doch für nutzlos hält, da die Galle in wenigen Tagen ihre frühere Grosse wieder erlangt, soll man die Haut 3 bis 4 Linien seitwärts der Stelle, an welcher man die Geschwulst zu eröffnen ge­denkt, mit der Pincette in die Höhe heben und einen kleinen Ein­stich durch dieselbe machen.
Ist diess geschehen, so wird eine einfache, die ganze Galle be­deckende Spaltbinde um die Gliedmasse herumgeführt und ein Kopf derselben durch die Spalte, welche hinreichend lang und so gelegt sein muss, dass neben dem Durchzugsschenkel die Hautwunde frei bleibe, durch­gesteckt. Ein Gehilfe fasst die Bindenköpfe mit beiden Händen und hält sie einstweilen locker in der erforderlichen Lage, während der Ope­rateur mit dem ganz nahe hinter der Spitze zwischen Daumen und Zeigefinger gefassten Spitzbistouri in die Hautwunde eingeht, diese
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mit der linken Hand etwa 3 bis 4 Linien seitwärts gegen den vor-ragendsten Punkt der Galle hin verschiebt und daselbst das Kapsel­band oder die Sehnenscheide so offinet, dass in der Höhle derselben nichts verletzt wird. Mit der auf der entgegengesetzten Seite angeleg­ten linken Hand drängt er gleichzeitig, um das Einstechen zu er­leichtem, die Flüssigkeit nach dem Einstichspunkte hin und lässt zu­gleich einen gelinden Zug an den Bindenschenkeln ausüben. Dringt die Flüssigkeit hervor, so wird die Binde nach vorheriger Beseitigung des Bistouris straff angezogen, um den Inhalt der Geschwulst voll­ständig ausüiessen zu machen; hierauf lässt man die Haut in ihre frühere Lage zurückgleiten, verklebt die äussere Wunde mit Terpen­tin und befestiget die straff angelegte Binde in entsprechender Weise.
Der Einstich, welcher zweckmässiger an einem Seitenrande der Galle gemacht wird, soll schnell beendet und das Bistouri oder die Lanzette müssen sogleich wieder zurückgezogen werden, um eine Ver-grösserung der Wunde bei etwa eintretender Unruhe des Thieres zu verhüten; ausserdem soll das Instrument behufs der Schonung der Nerven, Sehnen und Gefässe in der Längenrichtung dieser Gebilde eingestochen werden.
Ein etwas modificirtes Verfahren besteht darin, dass man die Haut mittelst eines spitzen, schmalen und hinreichend langen Tenotoms in der Entfernung von etwa l1/laquo; Zoll von der Galle durchsticht, das Messer flach unter der Haut bis zur Geschwulst vorwärts schiebt, diese subcutan eröffnet und das Instrument sogleich wieder zurückzieht.
Sollen gleichzeitig Einspritzungen von Jodtinktur ge­macht werden, so wird am gelegten Thiere nach Bouleys Vorschrift der feine Troikart zuerst unter die Haut eingestossen, unter derselben 3/4 bis 1 Zoll weit vorgeschoben, die Spitze desselben nun gegen innen gerichtet, die Gelenkskapsel oder die Sehnenscheide langsam durch­stochen, der grösste Theil des Inhaltes der Galle entleert, die Canule hierauf etwas zurückgezogen, die verdünnte Tinktur eingespritzt, die Geschwulst, um die Injektionsflüssigkeit mit allen Punkten der inneren Auskleidung des Hohlraumes in Berührung zu bringen, bei zugehalte­ner Mündung der Eöhre nach allen Kichtungen geknetet und gedrückt und die eingespritzte Lösung nach 2 bis 3 Minuten unter gelindem Drücken der Galle wieder abfliessen gelassen, hierauf wird eine Binde angelegt und das Thier in den Stall gebracht.
Um ein Eiterband durch die Galle durchzuziehen, wird nach Dieterichs der flache, halbzirkelförmig gebogene Troikart bei gespannter Haut durch diese und die Galle von oben nach unten (am.
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stehenden Thiere) durchgestossen, so dass an der Ausstichsstelle nicht nur die Spitze des Troikarts, sondern auch das vordere Ende der Canule zum Vorseheine kömmt, das Heft dfcs Stilets abgenommen, in das an dem letzteren angebrachte Oehr der vier- bis sechsfach zusammengelegte Faden eir gefädelt und derselbe durch die Hülse mittelst des Stilets nach unten durchgezogen. Ist der Faden so weit durch die Hülse gezo­gen, dass sich diese noch in der Galle, aber in der Mitte auf dem Faden befindet, so kömmt schon Flüssigkeit zum Vorscheine; man hält nun den Faden an der unteren Oefthung vor der Canule fest, zieht die Canule nach aufwärts heraus, bindet denselben, welcher die Stich-Wunden in der Haut vollständig ausfüllen soll, an den entgegenge­setzten Enden zusammen und lässt das Pferd aufstehen,
Nachbehandlung.
Für besonders wichtig hält Her twig die Einleitung einer recht stark ableitenden Behandlung, durch welche allein bei üelenks-gallen die Entwickelung einer Gelenksentzündung vermieden werden kann, und er lässt desshalb nach der Punktion der Gallen an der gan­zen OberÜäehe der Geschwulst die Cantharidensalbe einreiben und, falls binnen etwa 12 Stunden nach der Anwendung derselben eine reichliche Ausschwitzung nicht zu Stande gekommen sein sollte, die Einreibung wiederholen, welches Verfahren noch den Vortheil gewäh­ren soll, dass eine möglichst geringe Bewegung der betreffenden Glied­masse stattfindet. Dass die Thiere vollständig ausser Dienst zu setzen und schwächer zu futtern seien, ist selbstverständlich.
Andere Thierärzte lassen die Operationsstelle kühlen und ent­fernen den ersten Verband am 4. bis 6. Tage.
Wurden Jodeinspritzimgen bei Gelenksgallen gemacht, so ent­wickelt sich binnen 24 Stunden eine bedeutende Entzündungs-Geschwulst um das Gelenk, welche nicht selten die Anwendung erweichender schleimiger Umschläge, so wie Einreibungen von warmem Oele oder Fette erheischt. Bei allmäliger Abnahme der Geschwulst und des Lahm­gehens können die Thiere im günstigsten Falle nach drei bis vier Wochen zu leichter Arbeit wieder verwendet werden.
Nach dem Durchziehen des Eiterbandes besteht nachDieterichs die Nachbehandlung in Waschungen mit lauem Bleiwasser und in dem in Zwischenzeiten von 2 bis 3 Tagen vorzunehmenden Ausziehen eines Fadens um den anderen, ferner in der Verhütung jeder Bewegung und Anstrengung des Thieres bis zu erfolgter Verheilung der Wunden.
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Ungünstige Ereignisse.
Als solche werden angeführt: Heftige Entzündungen mi ihren Folgen nach Eröffnung der Gelenksgallen; Verletzungen der Zweige der vorderen Schenkelbeinarterie bei der Operation der Sprunggelenksgallen, endlich neuerliche Ansamm­lung von Flüssigkeit im Gelenke oder in der Sehnen­scheide, durch welche die Geschwulst in wenigen Tagen ihren frü­heren Umfang neuerdings erlangt.
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Operationen an dem Nervensysteme.
Zu diesen gehören: Die bei dem Gehirnblasenw urme gebräuchlichen operativen Eingriffe, die Anbohrung der Riechkolben dummkollerischer Pferde und der Nervenschnitt.
1. Die operative Beseitigung des Gehimblasenwurmes.
Diese Operation besteht entweder in dem blossen Anstechen der quot;Wurmblase, um die in derselben enthal-teneFlüssigkeit ausfliessen zulassen, oder in der gänz­lichen Herausnahme des Parasiten.
Der Zweck der Operation ist Aufhebung des durch die Blase auf das Gehirn erzeugten Druckes und somit Beseitigung der durch den­selben bedingten Krankheitserscheinungen, welche unter dem Namen der Drehkrankheit bekannt sind.
Geschichte der Operation.
Die erste Beschreibung dieser, wahrscheinlich zuerst amRinde und zwar fast in derselben Weise, wie auch noch heutzutage, ausge­führten Operation gibt Wepfer, ein schweizerischer Arzt, um das .fahr 1658 herum.
Willburg (1776) erwähnt bereits des Verfahrens, beim Rinde durch Anschlagen mit einem kleinen hölzernen Hammer an verschiedene Stellen des Schädeldaches die Lage der Wunnblase auszumitteln, dort, wo ein hohler Schall wahrgenommen wird, mittelst eines Bohrers eine Oeff-nung in die Hirnschale zu machen und die Wurmblase mit einem Feder­kiele oder mit einem Strohhalme durch den an sich gezogenen Athem her­vorzuholen; er bemerkt jedoch selbst schon, dass die Behandlung höch­stens dort, wo die Blase sich an der Oberfläche des Gehirnes vorfin­det, von günstigem Erfolge sein könne, und dass die Operation über-
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haupt nur als einzig mögliches liettungsmittel vor dem Schlachten zu versuchen wäre. Leuther gebraucht beim Kinde den Handtrepan.
Um die durch den (jehirnblasenwurm des S chafes hervorgerufe­nen Erscheinungen zu heben, wurden verschiedene Verfahren empfoh­len, obschon nicht wenige theils ältere, theils neuere Autoren sich für die Erfolglosigkeit der Behandlung aussprachen und die möglichst bal­dige Schlachtung drehkranker Schafe anriethen.
Gcutebrück (1767) schnitt, wie es Schäfer auch gegenwärtig noch häufig thun, mit einem Federmesser an der nachgiebigen Stelle des Schädeldaches an drei Orten so ein, dass er ein rundes Stück der Scliädeldccke, ohne es abzubrechen, emporheben konnte, zog dieWurm-blasc heraus, brachte den Knochen wieder an seine Stelle und legte Leinwand und ein Pechpilaster darüber; bezeichnete jedoch selbst die Kur als eine etwas desperate. Eanftler (1776} bahnte sich in gleicher Weise einen Weg zur Blase, die er jedoch bloss anstach, um das Wasser ausfliessen zu lassen, goss sodann Leinöl in die Höhluug und verklebte die Wunde mit Theer.
Den Gebrauch des Trepans empfahl zuerst Chabert (1787); andere Thierärzte z. B. Am-Pach, Leske, Ribbe, Dieterichs, O o u r d o n erklärten dieses Instrument jedoch für unpraktisch. Hering hält zwar die Trepanation für das sicherste Verfahren, ist jedoch des geringen Werthes der Lämmer und der Unsicherheit des Erfolges we­gen überhaupt gegen die häufigere Vornahme der Operation; P e t e r k a sieht das Schabeisen als das geeignetste Instrument zur Eröff­nung der Schädelhöhle an, weil mit demselben der Knochen langsam, sanft, sicher, ohne Erschütterung und ohne Verletzung des Gehirnes in beliebiger Ausdehnung entfernt werden kann.
Fischer (1790) gab einen Saugtroikart an, der von Riem und Eeuter 1791 verbessert wurde. Letztere vollführten, wie es nach ihnen auch Tessicr, Huzard und Valois in Frankreich thaten, das Ausziehen der Flüssigkeit aus der Wurmblase, was früher mit dem blossen Munde oder unter Zuhilfenahme eines Strohhalmes oder eines Federkieles geschah, mittelst einer an dieCanule des Troi-karts angesetzten Spritze.
Gerike (1805) hielt den Biem-R eute r'schen Troikart für zu lang und zu dünn und benützte einen xli Zoll starken Zapfspiess; er fürchtete das Aussaugen der Flüssigkeit, indem durch dasselbe eine nachtheilige Erschütterung des Gehirnes veranlasst werden könne, Hess daher den Inhalt der Blase einfach durch die Canule abfliessen und goss sodann etwas ilyrrhentinktur, deren Anwendung er für
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eine wesentliche Bedingung der glücklichen Heilung ansah, in die Höhlung.
E o h 1 w e s brachte, um das zu flache Einstechen des Troikarts oder das zu tiefe Eindringen desselben in das Gehirn zu verhüten, einige Linien hinter dem vorderen Ende der Canule eine kleine Seheibe an.
Stör ig (1825) empfahl gleichfalls das Anstechen der Blase; das Herausziehen derselben hält er nicht für nothwendig. Bei tieferem Sitze des Parasiten stiess er einen stärkeren Troikart etwa lja bis '/„ Zoll tief in das Gehirn ein, entfernte das Stilet und führte durch die steckengelassene Canule einen dünneren, aber viel längeren Troikart, den er Hirndurchsucher nannte, tiefer in das Gehirn ein und durch­stach dasselbe nach verschiedenen Richtungen, bis er die Blase traf. 0 bschon Stör ig derartige Verletzungen des Gehirnes, wenn sie das kleine Gehirn, den Hirnknoten, das verlängerte Mark und die Ader-geflechte nicht treffen, für bedeutungslos erklärte, so fand sein Ver­fahren doch keine Nachahmer. Erst im Jahre 1862 machte L e hm aun ein von ihm gleichfalls mit dem Namen Hirndurchsuchcr bezeichne­tes Instrument, an welchem eine Kautschukblase die Stelle der Saug­spritze versieht, bekannt, bei dessen Gebrauche in gleicher Weise, wie mit dem Troikart von Stör ig, vorgegangen wird.
Prinz in Dresden bediente sich eines gewöhnlichen Troikarts, dessen Hülse ohne Seitenöffnungen war.
Yvart (1810) und nach ihm Eappolt machten und zwar an­geblich mit meist günstigem Erfolge den Einstich mittelst eines gans-federkieldicken, etwas über einen Zoll langen, an einem bei drei Zoll langen Handgriffe befestigten, runden, stählernen Pfriemens mit nicht zu scharfer Spitze. Reboul (1853) operirte zwar mit demselben In­strumente, hielt jedoch die plötzliche Entleerung der in der Wurm­blase enthaltenen Plüssigkeit wegen des mit einem Male aufgehobenen Druckes auf das Gehirn für gefährlich, und liess dieselbe daher in Zwischenräumen von 2 bis 3 Tagen abfliessen, nachdem er jedesmal neuerdings eingestochen hatte.
James Hogg (1821) stiess nach dem Beispiele des Schäfers Cowan einen durch die Nasenhöhle eingeführten so harfspitzigen Ei­sendraht von der Stärke einer groben Stricknadel durch das Siebbein so weit in das Gehirn, bis er die Spitze desselben oben durch die verdünnten Schädelknochen an jener Stelle zu fühlen vermochte, unter welcher der wahrscheinliche Sitz der Wurmblase war. Eand sich eine derartige Stelle nicht vor, so machte er, um die Blase nicht zu ver­fehlen, den Stich durch beide Nasenlöcher.
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Auch das Glüheisen wurde theils als Präservativ- , theils als Heilmittel der Drehkrankheit angerühmt. Braueil in Weimar und Pessina in quot;Wien (1806) empfahlen bereits diese Methode. Laidlaw, Vilmorin und Barre (1824) brannten mit dem weiss-glühenden Eisen eine etwa erbsengrosse Oeffnung durch den Knochen, beseitigten den Brandschorf mit einer Pincette und holten die Wurm­blase hervor; Neirac (1822) brannte mit einem abgestumpft kegel­förmigen, rothglühenden Eisen an der Stirne über den Augen inner­halb der Hornansätze und über dem Grunde der Ohren an zwei bis vier Stellen jederseits, so dass etwa dukatengrosse Schorfe entstanden, wobei der Knochen jedoch unverletzt blieb. Dieses Verfahren ent­sprach indess, wie die zahlreichen, besonders von Roche Lubin und Hurtrel d'Arboval angestellten Versuche ergeben haben, den Erwartungen durchaus nicht.
Anzeigen zur Operation; Operationsstelle.
Angezeigt ist die Operation, von welcher man sich jedoch nie zuviel versprechen darf, bei der Drehkrankheit. Da indess die Wurm­blase bald an der Oberfläche, bald aber in der Masse oder am Grunde des Gehirnes ihren Sitz hat, so wird man dieselbe nur bei jenen Schafen sicher treffen können, bei denen in Folge des anhaltenden Dru­ckes von Seite der Blase eine Resorption des Knochens eingetreten ist, so dass man am Schädeldache eine weiche, nachgiebige Stelle fin­det, obgleich auch hier noch weitere, tiefer gelegene und somit unzu­gängliche Wurmblasen vorhanden sein können. Ist ein derartiger Kno-chensohwund nicht vorhanden, so lässt sich auch der Sitz der Blase nicht mit Bestimmtheit ausmitteln, obschon man aus gewissen Bewe­gungen des Thieres, auf welche man bei Rindern auch häufig einzig und allein angewiesen ist, auf denselben einen Schluss ziehen zu kön­nen glaubt, und es bleibt immer dem Zufalle überlassen, ob man bei der Operation den Parasiten findet oder nicht.
Bei jungen Rindern zeigt sich mitunter, und zwar besonders bei ganz nach vorne zu liegender Blase, eine Erhabenheit, welche dem Sitze der Blase entspricht. Diesen sucht man bei der ebengenannten Thier-gattung, bei welcher man das, der Drehkrankheit des Schafes analoge Leiden mit dem Namen Wurmschwindel, IJmläufisch sein u. dgl. bezeichnet, auch durch das Beklopfen der von sämmtlichen Haaren entblössten Stirne mit dem Dengelhammer zu erforschen, indem sich hiebei unter jener Stelle des Schädeldaches, an welcher man einen dumpfen, völlig hohlen Ton erhält, die Blase befinden soll.
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Lagerung des Thieres und Instrumente.
Rinder legt man so, dass die Stelle, an welcher operirt werden soll, frei zugänglich sei, und bringt einen Strohbund unter den Kopf; Schafe werden am besten auf einem gewöhnlichen Tische so gelagert, dass der Kopf am Rande des letzteren und mit der kranken Stelle nach abwärts liegt; indess kann der Operateur den Kopf des Thieres auch zwischen seine Pässe nehmen und denselben in dieser Weise festhalten.
Die Instrumente, deren man sich zur Operation bedient, sind je nach der gewählten Methode vorschieden.
Zur Trepanation benöthiget man bei Eindorn nach Leu-thers Angabe ausser den zur Wosslegung des Knochens erforderli­chen Instrumenten einen Handtrepan, eine Pincette oder ein scharfes Häkchen, eine breite Metallsonde von der Form eines schmalen Löffelstieles oder statt dieser einen feinen, an seinem unteren Ende ringförmig umgebogenen Eis en-oder Messing d r ah t, dann Verbandgeräthe. Soll diese Methode bei Schafen Anwen­dung finden, so dürfte höchstens eine völlig glatte, an ihrer äusseren Fläche gar nicht gekerbte, etwa einen halben Zoll im Durchmesser weite Krone mit beiläufig eine halbe Linie hohen Zähnen sich hiezu eignen.
Der in neuester Zeit von mehreren Oekonomen als besonders brauchbar bezeichnete Trepanati ons ap p arat des Instrumentenmaehers Fischer in Pest besteht aus einer auf die Fläche gebogenen S c h c e r e, aus einem T r e-pan ationskal p e lie nach Rudtorffer, aus einer Art Pincette, mittelst welcher die Ränder der Hautwunde auseinandergehalten werden, ferner aus einem Instrumente zum Herausschneiden der drei Linien im Durohmesser haltenden Knoc hen plat te, aus einem coneavschneidigen Bistouri, aus einer Meisselsonde und aus Wund na d ein. Das zur Entfernung des Kno­chens bestimmte Instrument, welches einem Handtrepane ähnelt und wie dieser gehandhabt wird, stellt einen, mit einem starken Quergriffe von Horn versehenen, 3'/, Zoll langen, unten in einem 6 Linien langen, vier Linien starken Zapfen, an dessen schmälerer Seite die an einem 6 Linien langen, eine Linie dicken und 3 Linien breiten Stiele angesetzte, 3 Linien lange, lancettförmige Klinge mittelst zweier Schrauben befestiget ist, endigenden Stahlstab dar. Anstatt der Pyramide findet sich eine feine, in den Stiel zurückziehbare Schraube. Der Zapfen sammt der Klinge ist von einem, 8 Linien im Durchmesser haltenden, durch eine Stell­schraube feststellbaren Mcssingcylinder umgeben, der je nachdem er höher oder tiefer gestellt ist, die Klinge mehr weniger vorstehen lässt, was mit Rücksicht auf die Dicke der Knochen bei den einzelnen Thieren von bedeutendem Vor-theile ist. Unbedeutend verschieden von dem eben beschriebenen Trepanations-apparate ist jener des Instrumentenmachers Dreher in 1* e s t.
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Zu dem Trokarircu reicht ein runder, nicht zu starker, ge­rader Troikart hin. Findet sich am Schädeldanhe eine weiche, nach­giebige Stelle, so wird die Operation einfach mit einem Messer, mit welchem man den Knochen entfernt, ausgeführt, durch welches ein­fache Verfahren man eben so viel, wie durch die complicirteren Me­thoden erreicht.
Ausführung der Operation.
a.nbsp; Mittelst des Messers.
Ist die Wolle an der nachgiebigen Stelle des Schädeldaches entfernt, so macht man mit einem Bistouri, mit einem Skalpelle u. s. w. einen durch die gespannte Haut und durch die Schädelknoehen drin­genden, halbkreisförmigen, etwa ll^ bis s/4 Zoll langen Schnitt, biegt die Knochenplatte mittelst eines Messers oder einer Pincette nach aussen um, durchschneidet die harte Hirnhaut und zieht die sich meist sogleich von selbst vordrängende Wurmblase mit einer Pincette, mit einem feinen Häkchen, mit einer Stecknadel u. dergl. heraus. Nach Eeinigung der Wunde mit kaltem Wasser bringt man den in die Höhe gebogenen Knochen sammt der Haut in die normale Lage zurück und legt ein Klebcpflaster auf, welches bis zu erfolgter Hei­lung an seinem Platze belassen wird.
b.nbsp; Mittelst des Trepans.
Leuther beschreibt die Operation beim Rinde folgendermassen: An der Stelle des Kopfes, an der man, dem beim Beklopfen mit dem Hammer erhaltenen Tone nach, die Wurmblasc vermuthet, trennt man die Haut bis auf den Knochen mit zwei senkrechten und einem hori­zontalen Schnitte, sägt in der, bei der Trepanation angegebenen Weise eine Knochenscheibe heraus und durchschneidet sodann die harte Hirn­haut. Tritt die Blase nicht sogleich von selbst hervor, so drückt man mit der Sonde das Gehirn wo möglich nach der äusseren Seite, sucht die Blase auf, und nimmt sie mit der Pincette oder mit den Fingern heraus. Liegt die Blase weit nach rückwärts in der Nähe des kleinen Gehirnes, so soll man, um zu derselben zu gelangen, selbst gegen einen Esslöffel voll Gehirnsubstanz ohne wesentlichen Nachtheil für das Thier herausnehmen können. Damit bei etwa geborstener Blase der flüssige Inhalt derselben gehörig abfliessen könne, gibt man dem Kopfe eine Seitenlage oder stellt denselben selbst auf die Hörner.
Ist die Operation beendet, so bringt man den Hautlappen in die normale Lage, legt ein Pflaster und darüber ein mit Werg massig
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fest angefülltes, die ganze Stirne bedeckendes und mit Bändern behufs der Befestigung an den Hörnern versehenes Leinwand-Kisschen auf, und bedeckt die Augen des Thieres mit einem Tuche.
c. Mit dem Dreher'sehen Trepanations-Apparate.
Nachdem man über der weichen Stelle des Schädels die Wolle in einem Umkreise von etwa zwei Zoll abgeschoren hat, schneidet man die mit dem Daumen und Zeigefinger der linken Hand gebildete Hautfalte mit dem Skalpell wagrecht durch, so dass ein kreisförmiger, etwa einen Zoll im Durchmesser grosser Substanzverlust entsteht, stillt die eingetretene, nicht unbedeutende Blutung durch Aufstreuen von gepulvertem Kupfervitriol, reiniget sodann die, die Wunde umge­bende Wolle sorgfältigst sowohl von dem daranhaftenden Blute, als auch von dem benützten Arzneimittel, löset die Beinhaut ab und schneidet nun mit dem Trepane ein etwa einen halben Zoll Durch­messer besitzendes Stück des Schädeldaches heraus, trennt sodann die blossgelegte Hirnhaut durch einen Kreuzschnitt und schreitet zur Be­seitigung der Wurmblase. Zu diesem Behufe legt man das Schaf so auf einen niederen Tisch, dass der Kopf des Thieres über den Rand des Tisches herabhängt und sucht das Vortreten der Blase mittelst einer langen, mit einem etwa erbsengrossen Kopfe versehenen Nadel zu fördern. Kömmt dieselbe zum Vorscheine, so erfasst man sie mit, dem Daumen und Zeigefinger der rechten Hand oder, wenn dies nicht gelingt, mit einer Pincette und zieht sie heraus. Ist diess geschehen, so wird die abgelöste Beinhaut über die Oeffnung im Knochen gelegt und die Wunde hierauf mit etwas Wolle und mit einem Pechpflaster bedeckt.
Gebraucht man den Fisch er'schen Apparat, so macht man einen einfachen Schnitt durch die gespannte Haut und hält dann die Wundränder mittelst der Pincette auseinander; die Eröffnung der Schädelhöhle, so wie die Beseitigung der Blase findet sodann in der eben angegebenen Weise statt.
d. Mit dem Troikart.
Bei diesem Verfahren wird der in der vorgeschriebenen Weise gehaltene Troikart, dessen Spitze etwa einen halben Zoll vorstehen gelassen wird, durch die Haut und durch den verdünnten Knochen einge-stossen und das Stilet herausgezogen. Hat man die Wurmblase getrof­fen, so fliesst der Inhalt derselben durch die Canule ab; ist dieses nicht der Fall, so dringt man mit dem Instrumente entweder etwas
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tiefer oder man wendet dasselbe gegen die eine oder die andere Seite, wobei man sich jedoch vor einer Verletzung der an der Basis des Gehirnes gelegenen Theile, sowie der Gehirnknoten, des verlängerten Markes und der Schenkel des kleinen Gehirnes zu hüten hat, da Ver­wundungen dieser Gebilde Krämpfe, Lähmungen, und andere gefähr­liche Zufälle herbeiführen.
Ist der Inhalt der Blase entleert, so sucht man die Hülle der­selben durch Saugen an der Canule oder mittelst eines feinen Häk­chens, mittelst einer Pincette oder mittelst eines ähnlichen Instru­mentes hervorzuholen. Das von mehreren Seiten empfohlene Einträu­feln von Myrrhentinktur, Hirschhornöl oder anderen reizenden Mitteln in die zurückbleibende Höhle ist schädlich. Die Wunde wird einfach mit etwas Theer oder mit Klebepflaster bedeckt und der Kopf mit kaltem Wasser wiederholt befeuchtet.
Nachbehandlung und ungünstige Ereignisse.
Die Nachbehandlung ist eine ganz einfache. Man lässt das Pflaster bis zur vollendeten Heilung der Wunde liegen und füttert die Thiere in den ersten Tagen, während welcher auch kalte Waschungen des Kopfes angezeigt sind, weniger.
Die nach der Operation eintretende Besserung hält in der Regel nicht lange an; es füllt sich der nach Entfernung der Blase, beson­ders wenn dieselbe bereits eine bedeutendere Grosse erlangt hatte, zurückgebliebene Hohlraum neuerdings mit seröser Flüssigkeit und es treten die früheren Erscheinungen abermals auf oder es entwickelt sich in Folge der Operation selbst Entzündung mit ihren Folgen, oder es sind gleichzeitig mehrere Blasen vorhanden, die ihres unzugäng­lichen Sitzes wegen nicht sämmtlich entfernt werden können; ebenso können während der Operation stärkere Blutungen auftreten , die den Erfolg der Operation gleichfalls sehr zweifelhaft machen.
2. Die Anbohxung der Riechkolben dummkolleriseher Pferde.
DerZweck dieser Operation, welche darin besteht, dass man die Riechkolben eröffnet, ist die Entleerung der in den eben genannten Theilen und in den mit ihnen in Verbindung stehenden Seitenkammern des Gehirnes in grosser Menge angesammelten serösen Flüssigkeit, durch welche in der Mehrzahl der Fälle jene Reihe
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von Kranklieitser schein ungcn hervorgerufen wird, wel­che man mit dem A us dr ucke: „Dummkollerquot; zu bezeich­nen pflegt.
Geschichte der Operation.
Obschon Rohlwes (1802) der Trepanation dummkollerischer Pferde behufs der Entfernung des an der Oberfläche des Ge­hirnes angesammelten Wassers mittelst einer kleinen Spritze als einer besonders in England üblichen und angeblich wiederholt mit Erfolg vorgenommenen Operation erwähnt, so hat doch dieselbe mit dem in Hede stehenden Anbohren der Eiechkolben keine Aehnlichkeit, wenn auch schliesslich beide Operationen denselben Zweck, nämlich Besserung des Zustandes anstreben.
Die Eröffnung der Geruchskolben wurde von Hayne in Wien im J. 1832 als Heilmittel des Kollers empfohlen und von ihm sowohl, als auch von anderen Thierärzten, besonders von H e r t w i g und H e-ring, jedoch mit meist nicht besonders aufmunterndem Erfolge un­ternommen.
Haync durchbohrte anfangs das Stirnbein mit einem gewöhn­lichen, nur etwas sorgfältiger gearbeiteten, l1/^ höchstens 2 Linien starken Tichlerbohrer mit spiraler Spitze, mit welchem er auch den Geruchskolben eröffnete, weiterhin gebrauchte er einen hohlen Bohrer, durch dessen Höhlung das in den Geruchskolben enthaltene Serum unmittelbar abfiiessen sollte; Her twig modificirte das Verfahren dahin, dass er die äussere Wand der Stirnhöhle mit einer Trepankrone durchsägte, dann erst in der hinteren Wand dieser Höhle mit dem Bohrer eine Oeifnung machte, und nun mit einem bloss l1/laquo; Linie starken, durch diese Oeffnung hindurchgeführten Troikart den Geruchs­kolben anstach, durch welchen Vorgang er die bei Anwendung des rauhen Bohrers unausbleibliche ungleiche Yerletzung der Nervenmasse verhüten wollte.
Später versuchte Hayne, indess mit durchaus ungünstigem Er­folge, das Anstechen der Riechkolben mit einem, ein bis zwei Linien starken, 24 Zoll langen, hinter der dreiflächig zugeschliffenen schar­fen Spitze mit einem Wulste versehenen Eisendrahte, mit welchem er, durch den vorderen Nasengang eingehend, die horizontale Platte des Siebbeines durchstiess und so an die Geruchskolben gelangte.
Anzeige zur Vornahme der Operation. Die Operation, welche heut zu Tage fast nur mehr historischen Werth besitzt, wird als letzter Versuch, Besserung herbei-
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zuführen, bei duinrnkollunüchon Pferden liöclistcns dann vorgenom­men, wenn das Leiden einen derartig hohen Grad erreicht hat, dass die Thieve zu jeder ferneren Dienstleistung untauglich und somit völlig werthlos, zur Vertilgung bestimmt werden müssten.
Ein günstiger Ausgang dürfte wohl zu. den grössten Seltenhei­ten zu zählen sein; meist wird durch den operativen Eingriff eine Entzündung des Gehirnes oder der Gehirnhäute bedingt, welche den Tod des Thieres binnen wenigen Tagen herbeiführt; selbst dann je­doch, wenn dieses nicht der Fall ist, ist die nach der Operation ein­tretende Besserung nur momentan ; es findet nach der Entleerung der Flüssigkeit in der Regel rasch eine neue Exsudation statt und die früheren Erscheinungen stellen sich in Kürze in gleichem Grade wie­der ein.
Lagerung dos Thieres; Operationsstelle.
Das Pferd wird niedergelegt und der Kopf durch einen Stroh­bund und durch Decken etwas gehoben, obschon die Operation bei Thieren, bei denen die Betäubung einen hohen Grad erreicht hatte, auch im Stehen ausgeführt wurde.
IJm die geeignete Eingangsstelle zu finden, zieht man in Ge­danken von dem oberen Rande eines Augenbogens zu jenem des an­deren eine quer über die Stirne gehende Linie, auf welcher man u. z. '/jj bis 3/4 Zoll von der Mittellinie des Kopfes entfernt, einzugehen hat, um die Geruchskolben zu treffen.
Instrumente und Ausführung der Operation.
j^ach Hay ne's Vorschrift benöthigetman bloss den oben erwähn­ten Bohrer und höchstens eine, mit einem feinen Ansatzrohre ver­sehene, kleine Spritze, um die Flüssigkeit ausziehen zu können; zu der jedenfalls vorzuziehenden Methode Her twig's sind Trepa­nations-Instrumente, ferner ein Bohrer und ein feiner Troi-kart erforderlich.
Bei dem er stören Verfahren werden mit dem, an der oben bemerkten Stelle fast im rechten quot;Winkel auf das Stirnbein aufgesetz­ten Bohrer die Gebilde durchbohrt, worauf nach Eröffnung der Ge­ruchskolben die in ihnen und in den Seitenkammern enthaltene Flüs­sigkeit durch die Nasenöffnungen ausfliesst oder mittelst der in das Bohrloch eingeführten Spritze wenigstens theilweise ausgezogen wer­den kann.
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Her twig macht einen der Grosse der Trepankrone entsprechen­den V-förmigen Schnitt, sägt ein Stück der äusseren Wand der Stirn­höhle heraus, setzt in die entstandene Oeffnung den Bohrer fast senkrecht oder mit dem Stirnbeine in fast rechtem Winkel gegen die nur etwa eine Linie dicke äussere Platte des Siebbeines und durch­bohrt dieselbe mit gelinden Drucke, worauf der Geruchskolben, dessen Wandung etwa zwei Linien dick ist, eröffnet wird.
Hering zieht es vor, das letztgenannte Gebilde mit einem dünnen Troikart, dessen Canule ohne Seitenöffnungen ist, zu durch­bohren, um die Menge des abfliessenden Serums bemessen zu können.
Nachbehandlung und ungünstige Ereignisse.
Die Nachbehandlung besteht in den ersten Tagen in der Anwendung kalter Umschläge auf den Kopf des schwach zu füttern­den und in einem kühlen Stalle unterzubringenden Thieres.
Als ungünstige Ereignisse sind die bereits oben angege­benen Zufalle, nämlich Entzündung des Gehirnes und seiner Häute, neuerlicheAnsammlungvon Serum beobachtet worden.
3. Der Mervensehnitt (N e ur o to mi e).
Mit dem Ausdrucke: Nervenschnitt bezeichnet man diejenige Operation, bei welcher die zum Hufe laufen­den Nerven am Schien- oder am Fesselbeine und zwar nur an einer oder aber anbeiden Seiten des Eusses ent­weder bloss einfach durchschnitten oder sogar theil-weise herausgenommen werden, um die Leitungsfähig-keit derselben aufzuheben, derart ein, durch Krank­heitsprozesse an den Endtheilen der Gliedmasse be­dingtes, durchande reMittel nicht zu besserndes Krumm­gehen zu beseitigen und die Diensttauglichkeit des Thieres wenigstens für einige Zeit wiederherzustellen.
Geschichte der Operation.
Dass diese im ersten Drittheile des laufenden Jahrhundertes zu­erst ausgeführte Operation enghschen Ursprunges sei, ist erwiesen; wer jedoch der eigentliche Erfinder derselben ist, darüber sind die An­sichten getheilt, indem die Ehre der Erfindung von Einigen dem eng­lischen Thierarzte Moorcroft, welcher im J. 1819 erklärte, die
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Operation bereits vor 18 Jahren gekannt und geübt zu haben, von Anderen jedoch theils dem Professor C olemann, theils dem Assi­stenten desselben, Sewell zugeschrieben wird. Eine ausgemachte Thatsache ist es jedoch, dass Sewell im Jahre 1816 den ersten Versuch machte, das bei englischen Pferden nach T u r n e r's Beobach­tung sehr häufig durch die Strahlbemslähme bedingte langwierige und hartnäckige Krummgehen durch den Nerven schnitt zu heben. In Frank­reich wurde die Operation zuerst durch Girard den Sohn, der sie aus Per cival's Schriften kennen lernte, 1824 eingeführt. Zu dem in Deutschland im Allgemeinen nur selten geübten jSTervenschnitte wur­den von Eigot, Ernes und Oowing theils messer-, theils schee-renformige Instrumente, welche ersteren als Neurotome bekannt sind, angegeben, die indess einen praktischen Worth durchaus nicht besitzen und vollkommen entbehrlich sind.
Anzeigen und Gegenanzeigen.
Als Anzeigen zur Vornahme des Nervenschnittes werden folgende, mit einem andauernden Krummgehen verbundene Krankhei­ten angeführt:
1.nbsp; Die vorzugsweise bei Eeitpferden vorkommende Strahl­beins- oder hintere H ufgelenkslähme; jedoch ist die Opera­tion erst dann als letztes Mittel zu versuchen, wenn bei übrigens ganz regelmässigem Hufe und gesundem Huf hörne die Entzündung ganz oder doch grösstentheils beseitiget ist.
2.nbsp; Knochenneubildungen z. B, Schale, Lcist, Eingbein, ferner V e r k n ö c h e r u n g d e r H u f k n o r p e 1. Während jedoch H e r t-wig, welcher die Operation besonders in solchen Fällen, in denen die Auswüchse eine bedeutende Grosse erreicht haben oder in denen selbst das Fesselkronengelenk mitleidet, angewendet wissen will und durch dieselbe vortreffliche Resultate erzielt zu haben angibt, führte sie Haubner stets ohne Nutzen aus.
3.nbsp; Andauernde Schm erzhaftigkei t nach geheilten Brü­chen des Krön- und Hufbeines, nach Nageltritten mit Verletzung der Sehne des Hufbeinbeugers.
4.nbsp; nbsp;Wucherungen des Hornes an der Innenfläche der Wand, (sogenannte Hornsäulen oder Hornbrüche.)
Ausserdem wurde der Nervenschnitt bei Hufknorpelfist ein, bei engen und bei Zwanghufen angerathen und Kenner z. B. will nach der Operation bei Zwanghufen sogar Besserung beob­achtet haben, indem der Huf in dem Maasse, als das keinen Schmerz Forster, Operaüonslehre fiir Thierärzle,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;13
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mehr fühlende Pferd mit den Trachtenwänden -wieder freier auftritt, sich erweitert; iudess sprechen sich anerkannte Autoritäten gegen die Vornahme der Operation bei den genannten Leiden aus, da bei Thie-ren mit mürben, platten, stark zusammengezogenen Hufen die Aussicht auf einen nur halbwegs günstigen Erfolg eine eben so unsichere ist, als bei Geschwürszuständen im Hufe.
Gegenangezeigt ist der Nervenschnitt bei vorhandener Ent-zündung, ferner bei Rehhufen und bei G elen ksver wachsung.
Vollkommen verwerflich ist das meist von sehr üblen Folgen begleitete Durchsehneiden der Nerven, um den Thieren den mit der Vornahme von Hufoperationen verbundenen Schmerz zu ersparen.
Da die Pferde nach der Operation einen plumpen, harten und unsicheren Gang bekommen, so verlieren solche Thiere, die zum ßeit-dienste verwendet -wurden, ihren quot;Werth, indem sie zu einem derarti­gen Gebrauche nicht mehr tauglich sind.
Der Xervenschnitt hat -wohl den Vortheil, dass die Leitung der Empfindung des Schmerzes vom Hufe zum Gehirne augenblicklich unterbrochen wird und in Folge dessen der Schmerz und das durch ihn bedingte Hinken aufhört, indcss wird durch denselben der vor­handene Krankheitsprozess, die Ursache der gestörten Verrichtung der Gliedmasse, nicht nur nicht beseitiget, sondern es ist durch die Opera­tion selbst die Möglichkeit des Eintretens mannigfacher, später aus­einanderzusetzender, sehr gewichtiger Nachtheile gegeben und man wird daher zu diesem Palliativmittel nur in solchen Fällen seine Zu-llucht nehmen, in denen durch andere Behandlungsweisen günstige Eesultate nicht erzielt w-erden konnten, und es sich bloss darum han­delt, das Pferd wenigstens für einige Zeit zu gewissen Dienstleistun­gen verwendbar zu machen.
Operationsstelle.,
Der Nervenschuitt kann entweder an dem Schienbeine, über oder unter dem Fesselgelenke vorgenommen werden.
An welcher der genannten Stellen die Durchschneidung zu ge­schehen hat, hängt von dem Umstände ab, ob die Empfindlichkeit a m ganzen Fusse oder nur an einer Seite desselben aufzuhe­ben ist und es gilt als Regel, nur denjenigen Nerven durchzuschnei­den, welcher sich in dem schmerzhaften Theile ausbreitet. Man wird sich daher, wie Hering bemerkt, mit der Durchschneidung des hinteren Fesselnerven der betreffenden Seite begnügen, wenn bloss die hintere Parthie des Hufes leidet, während man, wenn die Ursache
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der Lahmheit in den vorderen Parthieen ihren Sitz hat, den vorderen Fesselnerven durchzuschneiden hat; leidet die ganze Hälfte des Fusses, so wird die Operation an dem Schienbeinnerven über seiner Theilung in die beiden Fesselnerven vorgenommen; überschreitet dagegen das Leiden die Mittellinie oder ist die Ausbreitung desselben unbestimmt, so werden beide Schienbeinnerven durchschnitten.
Bei der Strahlbeinslähme soll man nach S e w e 1 l's Vorschrift die Neurotomie nur an den hinteren Zweigen (unter dem Fessclge-lenke) vornehmen, indess wird, da die Lahmheit nicht selten in kur­zer Zeit neuerdings auftritt, eine Wiederholung der Operation (u. z. über dem Fesselgelenke) nothwendig. Aus diesem Grunde stimmt Her twig der Ansicht Spooner's bei, man solle in Fällen, in denen die Beschränkung des der Lahmheit zu Grunde liegenden Lei­dens auf einen kleinen Eaum nicht zu erwarten ist, den Nervenschnitt sogleich über dem Fesselgelenke machen, während Brauell es in jedem Falle für räthlich hält, zuerst das Verfahren Sewell's zu ver­suchen und erst dann den Nervenschnitt am Schienbeine vorzunehmen, wenn der gewünschte Erfolg ausgeblieben ist.
Da jedoch einfach durchschnittene Nerven sich verhältnissmässig schnell und vollständig durch Nervensubstanz vereinigen und wieder leitungsfähig werden, so schneidet man ein etwa zolllanges Stück des Nerven heraus, um eine Wiedervereinigung der Enden thunlichst zu verzögern.
Hält man die Durchschneidung beider Schienbeinnerven für nothwendig, so darf dieselbe nicht an beiden Nerven gleichzeitig, sondern erst in einem Zwischenräume von mehreren Wochen ausgeführt werden.
Vorbereitung und Lagerung des Thieres; Instrumente.
Von Vortheil soll eine durch kalte Umschläge erzeugte, möglichst starke Abkühlung des Fusses vor der Operation sein, um den Andrang des Blutes zum Hufe zu mindern.
Zur Operation wird das Pferd immer niedergelegt, und zwar so, dass der zu operirende Fuss, welcher sodann durch Gehilfen mittelst einer Longe auf einem Strohbunde festgehalten wird, nach oben zu liegen kömmt.
An Instrumenten benöthiget man: Eine Scheere zum Ab-scheeren der Haare, ein geballtes und ein gerades spitzes Bistouri, zwei stumpfe Haken, eine Pincette, eine Hohlsonde oder statt dieser eine krumme Nadel sammt Faden, ferner an V e r-bandgeräthschaften: Werg und eine 2 Zoll breite Binde,
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Ausführung der Operation.
Um nach Sewell's Vorschrift die hinteren Zweige der Fessolnerven durchzuschneiden, verfährt man folgendermassen:
iSquot;ach Entfernung der Haare macht man an der hinteren Pessel-fläche mit dem geballten Bistouri dicht am Eande der Beugesehnen den etwa einen Zoll unter dem Fcsselgelenkc beginnenden, \lJ,, Zoll langen Hautschnitt, löst die durchschnittene Haut vorsichtig von den unterliegenden Gebilden etwas los, lässt die AV'undränder mittelst stumpfer Haken oder mittelst der Finger auseinanderhalten, präparirt das, Gefässe und Nerven deckende Zellgewebe durch kurze, in der llichtung des Verlaufes der Arterie geführte Schnitte weg und legt den Nerven bloss. Dieser, welcher der Sehne zunächst und nach innen von der Arterie und quot;Vene liegt, ist an seiner weissgelblichen Farbe leicht kenntlich; drückt man denselben mit der Pincette oder berührt man ihn mit der Spitze des Messers, so gibt das Thier durch Zucken mit dem Fusse Schmerz zu erkennen. Hat man den Nerven aufgefun­den, so trennt man ihn im oberen Wundwinkcl von der Umgebung auf etwa drei Linien Länge los, schiebt die Hohlsonde unter densel­ben und schneidet ihn mit dem in der Rinne der Sonde vorgescho­benen geraden Bistouri durch, ergreift mit der Pincette das untere Stück des Nerven an dem freien Ende, lost dasselbe in einer Länge von 3/4—1 Zoll von den anliegenden Gebilden los und schneidet den losgelösten Theil heraus.
Anstatt der Hohlsonde kann man auch die quot;Wundnadel unter dem Nerven durchführen, denselben mittelst des Fadens emporheben und ihn mit dem Bistouri im oberen Wundwiukel von innen nach aussen mit einem Zuge durchschneiden.
Die Operation an dem hinteren Zweige des inneren Fessolnerven desselben Fusses wird hierauf, nachdem man das Pferd über den Rücken auf die andere Seite gewälzt hat, in gleicher Weise vorgenommen.
Die auf die Wunden sodann aufgelegten, mit Oel getränkten Wergwieken werden durch die massig fest angezogene Binde in ihrer Lage erhalten. Das von Einigen empfohlene Heften der Wunde ist überflüssig.
Um den Schienbeinnerven zu durchschneiden, macht man unmittelbar hinter der, durch die Pulsation deutlich wahrnehmbaren Arterie einen etwa 2'/„Zoll über dem Gelenke beginnenden, mit dem genannten Gefässe parallel verlaufenden Hautschnitt von l'Aj Zoll Länge, legt den Nerven, der an allen vier Füssen fast gleiclimässig
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in der Vertiefung zwischen den Eeugesehnen dor Endtheile der Glied-massen gelagert erscheint, bloss und schneidet ein .Stück desselben in der obenangegebenen Weise heraus.
Nachbehandlung.
Den ersten Verband lässt man, wenn das Pferd nicht einen be­sonderen Schmerz kundgibt, durch 2 bis 3 Tage liegen und wechselt denselben nach Ablauf der Frist, nachdem man die Wunden gereini­get hat. Stellt sich eine stärkere Anschwellung, eine grössere Empfind­lichkeit an der Operationsstelle ein, so lockert man die etwa zu fest angelegte Einde und wendet kalte Umschläge, leicht adstringirende Waschungen u. dgl. an.
Obschon die Heilung der Wunden in beiläutig 14 Tagen statt­findet, so ist eine sogleiche Verwendung der Thiere dennoch durch­aus nicht zulässig und dieselben sind erst nach vier bis sechs Wochen zu minder anstrengenden Dienstleislungen zu gebrauchen.
Während der Zeit, als das Thier im Stalle steht, sind die Hufe stets feucht zu erhalten und entsprechend niederzusclmeiden.
Ungünstige Zufälle bei der Operation; Nacht heile des Nervenseh nittes.
Verwechslung des hinteren Fesselnerven mit dem unmittelbar unter der Haut vortindlichen Schnenschenkel, wel­cher, gemeinschaftlich mit dem der anderen Seite vor dem sogenann­ten Sporne entsteht, von rück- nach vor- und abwärts verlaufend, die Gcfässe und Nerven kreuzt und theils am Kronenbeine, theils an der inneren Fläche des Hufknorpels und an dem Hufbeinsasto endet. In-dess wird die Sichtung, die oberflächliche Lage, der Glanz und die Unschmerzhaftigkeit bei Berührung den Sehnenschenkel von dem Ner­ven leicht unterscheiden lassen.
Verletzungen kleinerer oder grösserer Gefässe, welche die Anwendung der Kälte, der Torsion oder selbst der Unter­bindung no thwendig machen. Verletzungen der Beugesehne dürften wohl nur sehr selten vorkommen. Während der Heilung schwellen mitunter die Enden des Nerven knopfartig an und sind gegen Berührung äusserst empfindlich; diese Wacherungen werden entweder abgeschnitten oder mit Aetzkali behandelt.
Da durch den Nervenschnitt die Empfindung in dem Thcile, in den der durchschnittene Nerve sich verzweigte, aufgehohen ist, tritt
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das Thier viel fester und stärker als im natürlichen Zustande auf; in Folge dieses Umstandes kann nicht allein der Krankheitszu-stand, dessentwegen die Operation vorgenommen wurde, eine bedeu­tende Steigerung erfahren, sondern es ist hiedurch selbst die Möglichkeit des Entstehens von Brüchen des Strahl- und Huf­heines gegeben; das Thier fühlt weiters zufällige Ver­letzungen z. B. das Vernageln, das Eintreten eines Nagels, Quet­schungen der Sohle u. dgl. nicht und es können in Folge derarti­ger Veranlassungen bereits ausgebreitete Zerstörungen im Hufe vor­handen sein, ohne dass man durch Schmerzäusserungen des Thieres auf deren Vorhandensein aufmerksam gemacht würde, wesshalb es nothwendig ist, die Hufe der operirten Thiere häufig und genau zu untersuchen.
Das nicht so selten vorkommende Ausschuhen kann eines-theils Folge von Eiterung im Hufe, anderstheils Folge von brandiger Zerstörung der quot;Weichtheile des Hufes, herbeigeführt durch zu früh­zeitige Verwendung des Thieres oder durch fast vollständige Aufhe­bung der Ernährung (bei gleichzeitigem Durchschneiden beider Schien­beinnerven) sein.
Auch Zerr eis sung und Erweichung der Sehne des Hufbeinsbeugers, so wie die Entstehung von Sehnen­klapp als Folge einer zu frühzeitigen angestrengten Verwendung des Thieres wurde wiederholt beobachtet.
Nicht minder kann selbst nach dem Herausschneiden eines Stückes des Nerven nach und nach die Leitungsfä higkeit des Nerven wiederhergestellt und demzufolge eine Wiederholung der Operation nothwendig werden.
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Operationen an den ßlutgerässeu.
Zu den Operationen an den Blutgefässen rechnet man: Die Blut­entziehungen, die Infusion von Arzneien in die Venen, die Transfusion, die Blutstillung und die Unterbindung der Gefasse.
1, Die Blutentziehungen.
Um Krankheiten zu heilen oder um solchen vorzu­beugen, entzieht man Thieren eine bestimmte Menge Blutes, indem man Venen, Arterien oder Capillargefässe mittelst stechender oder schneidender Instrumente er öffn et.
Wird zu diesem Behufe eine Vene geöffnet, so bezeichnet man das Verfahren als Phlebotomie, Venäsection oder schlechtweg als Aderlass; wählt man, was jedoch selten geschieht, zur Eröffnung eine Arterie, so nennt man es Arteriotomie; aus Capillar-gefässen lässt sich theils durch Bluteg el und durch das blutige Schröpfen, -welche beiden quot;Wege man jedoch in der Thierheilkunde fast gar nicht benützt, theils endlich durch Einschnitte, Scari-ficationen, Blut entziehen.
Man unterscheidet allgemeine und örtliche Blutentziehun­gen und versteht unter allgemeinen jene, durch welche man die Blutmenge im ganzen Körper rasch vermindert, wie dieses bei Eröffnung der Drosselvene der Fall ist, unter örtlichen dagegen solche, bei welchen es sich hauptsächlich und zunächst um Verminderung der Blutmenge in einem bestimmten Körper-
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t h c i 1 e iimidelt, was man durch Eröfiuung kleinerer Venen oder der Capillargefasse des leidenden Theiles selbst oder seiner nächsten Um­gebung erreicht.
Geschichtliches.
Die verschiedenen Metliodcn, Blut zu lassen, wurden bereits seit undenklichen Zeiten geübt, jedoch fehlt jedwede bestimmte An­gabe über den Ursprung derselben. Da man indess genaue und gerecht­fertigte Anzeigen für die Yornahme der Blatentziehtmgen überhaupt durchaus nicht kannte, so wurde die Sache bloss erapyrisch betrieben und es war somit nicht zu wundern, dass dieselbe arg gemissbraucht wurde. Die Alten Hessen fast bei allen Krankheiten, fast an allen Theilen des Ecirpers, fast aus allen oberllächlicli gelegenen Arterien und Venen, indem sie diese zwei Arten von Blulgefassen nicht genau unterschieden, Blut, schrieben jedoch der Eröffnung der einen oder der anderen Ader eine besonders günstige Einwirkung auf einzelne Organe zu. Den Thieren wurde im Frühlinge und Herbste zur Ader gelassen, um dieselben gesund zu erhalten, welche Gewohnheit sich bis auf unsere Tage so ziemlich erhalten hat. Dass zu jenen Zeiten über die Wirkungen des Aderlasses absonderliche Ansichten existirten, geht aus der von Vcgetius gegebenen Vorschrift hervor, welcher zufolge ein Thicr, dem mau zur Ader gelassen hat, durch sieben Tage und ebenso viele Nächte in einem dunklen und warmen Stalle zu halten und nur sehr schwach zu füttern sei.
Wohl wurden häufiger Venen eröffnet, indoss war die eigent­liche Arteriotomie ebenfalls schon gekannt. So wurden Blutentlcerun-gen aus der hinteren Ohrarterie schon zu Columella's Zeiten beim Binde, Schafe und Schweine bei Entzündungen des Gehirnes und der Augen gemaelit.
Ein Gleiches gilt von den Scarifieationen. Virgil z. B. erwähnt bereits der Scarifieationen an den Klauen der Schafe beim Eiebcr, Columclla jener an den Klauen der Ochsen, während Apsyrtus und Vegetius von Scarifieationen der blossgelegten Fleischsohle des Pferdes sprechen. Scarifieationen des Gaumens empfahlen beide eben genannten Thierärzte bei Krankheiten des Kopfes und Halses, Colu-mella bei Anschwellungen des Gaumens beim Rinde.
Obschon nach Entdeckung des Kreislaufes durch Harvey (1627) die Wirkungen der Blutentziehungcn, besonders jene der allgemeinen Blutenticerungen, allmälig genauer bekannt wurden, so finden sich doch noch z. B. bei Solleysel und bei den thierärztlichen Schriftstcl-
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lern jener Zeiten nur ädir unbestimmte Angaben über den Werth dieses Heilmittels und es wurde noch immer ein viel zu häufiger Ge­brauch von demselben gemacht, gegen welchen sich zuerst Lafosse aussprach. Dieser Missbrauch war Ursache, dass einzelne Thierärzte und namentlich Wolstein in den entgegengesetzten Fehler verfielen und den Aderlass vollständig verwarfen.
Des Schröpfens erwähnte zuerst Solleysei; lilutcgel wurden früher bei Thicrcu gleichfalls häufig vorwendet, so dass Lafosse sich sogar über die allzuhäufigc benützung derselben beklagen zu müssen glaubte.
Die Selihigadererüfthung ist heutzutage fast gänzlich aussei- Ge­brauch gekommen, trotzdem Chabert die Blutcntzichung aus der hinteren Ohrarteric neuerdings bei Gehirnentzündung, bei der Dreh-kmnkheit und bei dem Schwindel empfahl, englische Thierärzte die quere Gesichts-Schlagader (die absteigende Schläfenarterie) bei der ilouatblindheit eröffneten und Garreau nach der Arteriotomie an der mittleren Schweifarterie beim Kalbefieber und bei Lähmungen des Hintcrtheiles beim Eindc günstige Erfolge beobachtet haben wollte.
Auch über die Menge des zu entleerenden Blutes herrschten zu verschiedenen Zeiten wechselnde Ansichten. Während man in älteren Zeiten bei Pferden höchstens drei Pfund Blut zu entziehen sich getraute, Lafosse und Chabert die Menge desselben auf etwa fünf Medi-ziualpfiind angaben, machten Andere nach dem Vorbilde der Menschen­ärzte ßroussais und llasori Aderlässe bis zu 16 und 20 Pfund, ja entleerten sogar SO bis 60 Pfund innerhalb zwei bis drei Tagen.
jSTieht minder verschieden waren die Instrumente, derer man sich zur Eröffnung der Uefässe bediente. Vcgetius Kenatus z. B. eröffnete die Halsvenen des Pferdes mit einem pfeilförmigon Messer, C'olumella gebrauchte zum Scarificiren des Gaumens ein scharfes Eisen, Solleysel ein zugespitztes Hirschgeweih oder einen geschärf­ten Nagel, spätere Heilkünstler ein Gemshorn u. dgl. — Instrumente zum Aderlasse, bei denen die Klinge durch einen Mechanismus getrieben wurde und die man Aderlassbogen nannte, waren schon lange ge­kannt. Die Erfindung der Fliete (angeblich nach dem Erfinder P1 i e t so genannt) oder des Lasscisens fällt in das zwölfte, jene des gewöhn­lichen Aderlassschnäppers, eines wahrscheinlich in Holland zuerst ver­fertigten Instrumentes, in das siebzehnte Jahrhundert.
Die Compression der Drossclvene vollführten Apsyrtus und Yegetius mittelst eines am Grunde des Halses angelegten Riemens, auf welchen iu neuerer Zeit eine auf das zu eröffnende Uefäss drückende
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Pelotte angebracht wurde. Gegen den Missbrauch dieser Geräthschaft eiferte Lafosse, indem er darauf hinwies, dass es besser sei, die Schnur nicht zu verwenden; Chabert und später Rib be verwarfen die Aderlassschnur als unnütz und schädlich.
Die alten Thierärzte verschlossen die Wunde entweder gar nicht oder banden einen Kothballen auf dieselbe oder berührten sie mit dem Glüheisen; später legte man einen mit Oel getränkten Wollbauschen auf oder wendete an der Drosselvene selbst kleine Schienen aus Holz an; Lafosse erst beschrieb die Verschliessung der Wunde durch die Naht.
Anzeigen und Gegenanzeigen; Wirkungen der Blutent-
zichungen.
Oertliche Blut entziehungen werden bei Hyperämien und bei heftigeren Entzündungen oberflächlich gele­gener oder doch von aussen leicht zugänglicher Gebilde, z. E. des Gaumens, der Zunge, der Bindehaut des Auges, des Euters, der Fleischthcile des Hufes vorgenommen; es handelt sich bei dieser Art der Blutentleerung um quot;Verminderung des Blutes in den Capillarge-fässen des erkrankten Organcs und seiner Umgebung, um Beschleuni­gung der verlangsamten Circulation des Blutes, um Hebung der Sto­ckung und um Verhütung des Brandes, endlich um Verkleinerung der Geschwulst und um Mässigung der vorhandenen Spannung und des Schmer­zes. Wenn auch örtliche Blutentziehungen in besonderen Eällen, z. B. bei der Entzündung der Zunge, des Euters von entschiedenem Vor-theile sind, so darf doch nie der Umstand unberücksichtiget bleiben, dass durch die, mit der Blutentziehuug unausweichlich verbundene Verwundung selbst eine nicht unbedeutende Eeizung erzeugt wird, die auf das ursprüngliche Leiden nicht ohne alle Einwirkung blei­ben kann.
Allgemeine Blutentziehungen sind angezeigt bei bedeutenderen fieberhaften Entzündungen, bei Hyper­ämien und Stasen in lebenswichtigen Organen und zwar vorzugs­weise dann, wenn die genannten Leiden sehr kräftige und gutgenährte Thiere befallen. Meist sind es Erkrankungen innerer Organe, z. B. des Gehirnes, der Lungen, der Hinterleibseingeweide, die die Anwendung des in Rede stehenden Heilmittels erheischen, während man bei den sogenannten äusserlichen Krankheiten davon Gebrauch zu machen im Allgemeinen nur selten gezwungen ist. Allgemeine Blutentleerungen werden auch, indess nicht immer mit Vortheil, vorgenommen, um Thiere
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vor gewissen Krankheiten z. B. vor dem Milzbrände zu schützen, in­dem man hiedurch die Empfänglichkeit des Körpers für die schäd­lichen Einflüsse herabzusetzen glaubt.
Als Gegenanzeigen gelten: Allgemeine Blutarmuth, grosse Körperschwäche, cachectische Zustände und gewisse epizootische Krankheitsconstitutionen, während deren Herrschen Aderlässe nur in den dringendsten Fällen anzustellen sind. Bei zu jungen und zu alten, bei trächtigen und säugenden Thieren sind Blutentleerungen gleichfalls nur mit grosser Vorsicht vorzunehmen. Die sogenannten Gewohnheitsaderlässe, welche bei gewissen Mondesphasen oder zu bestimmten Jahreszeiten, ohne dass die Noth-wendigkeit hiezu vorhanden wäre, angestellt werden, sind zu unter­lassen.
Ob der Aderlass zu wiederholen sei, hängt von dem Krank­heitszustande selbst ab; die Beschaffenheit des aus der Ader gelas­senen Blutes kann hiebei nie allein massgebend erscheinen. Eine Wie­derholung erscheint dann nöthig, wenn die Fiebererscheinungen nach Ablauf mehrerer (4 bis 6) Stunden sich nicht nur nicht vermindert, sondern im Gegentheile an Heftigkeit zugenommen haben oder wenn dieselben nach einem, nur kurze Zeit andauernden Nachlasse in ihrer früheren Stärke aufgetreten sind. Zeigt sich der Blutkuchen nach dem Aderlasse beim Pferde weich, zerfliessend, mit einer gallertähnlichen, bräunlichgelben Speckhaut belegt, scheidet sich an dem Blute des Kindes das Serum rasch von dem Blutkuchen aus, so ist die Wieder­holung gegenangezeigt.
Die Wirkungen allgemeiner Blutentziehungen sind theils unmittelbare, theils mittelbare. Zu den ersteren, welche dann am auffallendsten auftreten, wenn Blut in grösserer Menge und aus einer grösseren, hinreichend weit geöffneten Vene rasch entleert wird, gehören die absolute Verringerung der Blutmenge im ganzen Körper und dem entsprechend auch jener in dem entzündeten Theile, die Verminderung des von Seite des Blutes auf die Wandungen der Gefässe ausgeübten Druckes, die Beschleunigung der Fortbewegungs-gesehwindigkeit des Blutes, die Verminderung der Wärmebereitung, die Abnahme der Athembewegungen in Eücksicht auf Schnelligkeit und Heftigkeit und die Verringerung der auf das Nervensystem wir­kenden Beize; zu den mittelbaren dagegen rechnet man die Ver­änderungen, die die Blutmischung erleidet; man bemerkt nämlich, dass unmittelbar nach grossen Aderlässen das Blut dünnflüssiger und heller geröthet erscheint und dass somit die Menge der Blutkörperchen
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und des raserstott'es abgenommen hübe; der letütere jedoch, so wie die farblosen Blutkörperchen vermehren sich bald wieder, während der Ersatz der farbigen Körperchen nur langsam stattlindet. Je grosser der Blutverlust, desto auffälliger die veränderte Mischung and desto lang­samer erfolgt natürlich die Ausgleichung bis zum Normalen. Durch kloine Aderlässe wird die Menge des Faserstoffes rasch vermehrt, die Plasticität des Mutes mithin gesteigert und die Exsudation begün­stiget, aus welchem ünmde auch derartige Blutentziehungen bei Ent­zündungen zu vermeiden sind.
Menge des zu entleerenden Blutes.
Bei Vornahme allgemeiner Blutentziehungen ist auf die Orösse und das Alter, sowie auf den Nährzustand des Thieres, auf den Grad der vorhandenen Krankheit Rücksicht zu nehmen und es lässt sich somit nur annäherungsweise eine Vorschrift über die Menge des zu entziehenden Blutes geben. Obschon in manchen Fällen bereits während des AusÜicssens des Blutes der Puls freier, regelmäs-siger und weicher, das Athmcn ruhiger, die Haut glcichmässig warm und feucht wird und man aus diesen Erscheinungen schliessen kann, dass hinreichend Blut entleert wurde, so wird es doch Niemanden beifallen, das Blut immer so lange iliessen zu lassen, bis derlei Wir­kungen eintreten, da diese gewöhnlich nicht so augenblicklich sich einstellen.
Die mittlere Quantität Blutes, welche bei einem mittel-grossen Aderlasse einem erwachsenen gutgenährten Thiero auf einmal entzogen werden kann, beträgt bei mit telgross cn Pfer­den 8 bis 9 Pfund, beim Binde 10 bis 11 Pfund, beim Schafe % bis Va Bfund, beim Schweine 1 bis 1 '/j Pfund, beim Hunde 4 bis 12 Loth, bei sehr grossen Hunden selbst bis Ein Pfund, (nach Hert-wig so viele Unzen, als der Hund Pfunde wägt), bei der Xatze 2 bis 8 Loth, beim Huhne '/„ bis 2 Loth. Durch kleine Aderlässe entzieht man etwa die Hälfte, durch gross e fast das Doppelte des angegebenen Gewichtes. Haubner nimmt als Mittel bei Pferd und Bind 5—6 Pfund an, während er einen grossen Aderlass auf 9—10 Pfund anschlägt. Wohl zu berücksichtigen ist, dass ein ergie­big grosser Aderlass mehr Nutzen schaift, als mehrere kleine, selbst wenn durch die letzteren eine grösscre Menge Blutes entzogen worden wäre.
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A. l'lileljütomic.
Unter den grösseren Blutgefässen sind es fast ausschliesslich die Venen, welche behufs der Entleerung betriiehtlicherer Mengen Blutes eröffnet -werden. Man zieht die Venen den Arterien desshalb vor, weil dieselben der oberflächlicheren Lage wegen leichter zu linden und mit weniger Gefahr einer Verletzung benachbarter Gebilde, besonders der mit den Arterien ziehenden Nervenzweige, zu offnen sind, weil das Blut in den Venen langsamer fliesst, daher die Wunde leichter zu versohliessen ist und weil schliesslich die intensivere quot;Wirkung der arteriellen Blutung, die man früher vorhanden glaubte, durchaus nicht, nachgewiesen ist.
quot;Wahl der zu eröffnenden Blutader.
Früher legte man, wie bereits oben bemerkt wurde, ein beson­deres Gewicht darauf, jene Vene zu eröffnen, welche dem kranken Organe zunächst lag, und schrieb einer derartigen Blutentzichung einen vorzugsweise günstigen Einfluss auf das vorhandene Leiden zu; daher kam es auch, dass Blut aus den verschiedensten Venen gelassen wurde. Da man jedoch gegenwärtig die Ueberzeugung besitzt, dass die dama­lige Ansicht auf einem Irrthume beruhe, ist die Zahl der Venen, an welchen bei unseren Hausthieren Aderlässe gemacht werden, bedeu­tend verringert worden.
Wo eine allgemeine Blutentziehnng angezeigt ist, wo es sich um rasche Verminderung der gesummten Blutmenge handelt, müssen wir solche oberflächlich gelegene Venen wählen, welche hinreichend stark sind, um durch eine grosse Oeffnung in kurzer Zeit die gewünschte Menge Blutes ausfliessen zu lassen.
Unter sämmtlichen Venen ist es besonders die Drosselvene, welche sich bei allen Hausthiergattungen mit Ausnahme des Schweines, bei welchen selbst die äusserc Drosselvene viel zu tief liegt, als dass eine sichere Eröffnung derselben möglich wäre, zum Aderlasso eignet und an dieser wird aiich gewöhnlich die Phlebotomie vorgenommen.
Ausser der Drosselvene benützt man in Ausnahmsfällen beim Pferde die äusscre Brustvene (die Sporader), die innere oder grosse Hautvene der hinteren Extremität (die Schrankader), die Fessclvenc und die Bugvene, beim Rinde die Bauchhautvene (die Milchader), beim Schafe die Augenwinkelvene, beim Schweine die Unterzun­genvene, (die Froschader) und die Hinterschenkel-Hautvenc, welche
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ebengenannte Vene auch bei Hunden und Katzen eröffnet wer­den kann.
Geräthschaften zum Aderlasse.
Diese sind theils solche, 'welche zur Eröffnung der Vene, fheils solche, welche zum Schliessen der gemachten Wunde gebraucht werden; weitere Geräthschaften bewirken die Compres­sion der Ader oder sind zu m Auffangen des Blutes bestimmt.
Die Eröffnung der Vene kann entweder mit der Lan-cette, mit der Fliete oder mit dem A d erlass Schnäpper ausge­führt werden.
DieLancetten haben eine spitzige, in dem vorderen Drittel ihrer Länge zweischneidige, dünne und glatte, ans sehr gutem Stahle von starkem Korne ge­arbeitete Klinge, welche nach beiden Schneiden hin beweglich mit einem, aus zwei, meist gleichfalls beweglichen Schalen bestehenden Hefte mittelst eines Nie­tes verbunden ist.
Von den vier Formen der Lancetten, nämlich
1.nbsp; der gerstenkornförmigen oder englischen, bei welcher der schneidende Theil der Klinge seine Breite bis gegen die Spitze hin behält, wesshalb diese letztere nur kurz ausfallt,
2.nbsp; der haferkornförmigen oder deutschen, bei der die Breite des schneidenden Theiles derLancette schon höher oben, jedoch nur allmälig, abzu­nehmen beginnt, wesshalb die Spitze etwas länger, als bei der englischen er­scheint ,
3.nbsp; nbsp;der italienischen, an welcher die Breite der Klinge schon vor dem Niet abzunehmen anfängt, so dass der schneidende Theil in eine lange und schmale Spitze ausläuft, und
4.nbsp; nbsp;der säbelförmigen, geschulterten oder Abscesslancette, bei welcher der eine Rand des sehneidenden Theiles der Klinge convex, der andere concav ist, ist bloss die italienische Lancette zum Aderlasse nicht geeig­net, weil bei der Leichtigkeit des Eindringens des Instrumentes Nebenverletzun­gen verschiedener Gebilde zu befürchten sind.
Die für Pferde anwendbaren Lancetten haben bei einer Länge von 2 Zoll eine Breite von 5—6 Linien, die für kleinere Thiere gebräuchlichen sind etwa '/,— '/j kleiner. Zum Aderlasse bei kleineren Hausthieren, besonders bei Scha­fen, gebraucht man nicht selten eine kleine, etwa 8 Linien lange, am Grunde 3 Linien breite, mit einem convexen und einem coneaven Seitenrande verse­hene Lancettklinge, die auf einer Seite mit einer Gräte versehen und in einem runden Hefte von Holz festgemacht ist.
Die Fliete oder das Lasseisen besteht im Allgemeinen aus einem mehrere Zoll langen, einige Linien breiten, vierkantigen Eisenstabe, an welchem n. z. etwa '/,—3/4 Zoll hinter dessen vorderem Ende eine lancettfdrmige Klinge im rechten Winkel angesetzt ist. Die aus gutem Stahle gearbeitete, an den Rän­dern und an der Spitze durchaus gleichmässig scharfe Klinge ist mit Rücksicht-
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nähme auf die verschiedene Grosse der zu eröffnenden Gefässe von verschie­dener Länge und Breite und Hertwig gibt als entsprechende Länge derselben für grosse Pferde und für Rinder 7 — 8, für mittclgrosse Pferde S'/j—6%, für kleine Pferde, Füllen und Kälber 4 Linien an; die Breite beträgt um etwa 11/2 Linie weniger als die Länge; zu breite Klingen erzeugen unnöthig grosse Haut­wunden.
Das vordere Ende des Stieles reicht über den Ansatzpunkt der Klinge hinaus, um ein zu tiefes Eindringen derselben zu verhüten; das hintere Ende ist schneckenförmig aufgerollt, oder bildet einen Ring oder ist quer abgestutzt und mit einem Loche versehen, indem meist 2—3 Flieten mit verschieden grosseu Klingen der besseren Erhaltung wegen in einer aus Horn, Bein oder Metall ge­fertigten Kapsel, mit welcher sie mittelst eines Nietes verbunden sind, aufbe­wahrt werden.
Der Schlag, mittelst dessen die Klinge der Fliefe in die Ader getrieben werden muss, kann entweder mit der blossen Hand, wie diess besonders beim Gebrauche der Fliete von Sticker, welche an der, der Klinge entgegengesetz­ten Stelle des Rückenrandes eine etwa 3 Linien breite, an den Ecken abgerun­dete Platte hat, zulässig ist, oder mit einem anderen Werkzeuge, z. B. mit einem Holzstücke, einem Bremsenstiele oder mit dem Aderlassschlägel geführt werden
An dem aus hartem Holze gefertigten, 8—10 Zoll langen Aderlass­schlägel unterscheidet man einen dickeren und einen dünneren Theil, welche beide Stücke cylindrisch sind. Der erstere, der Kopf, ist meist, um mehr Schwung zu haben, mit etwas Blei ausgegossen, ausgehöhlt und birgt den Adertrichter die in dem dünneren Theile, dem Stiele, vorhandene Höhlung dient zur Unter­bringung von Stecknadeln.
Als Aderlassschnäpper, deren es mannigfache Formen gibt, be­zeichnet man jene Instrumente, bei welchen die Fliete durch einen Mechanis­mus in Bewegung gesetzt wird.
Die gewöhnliehe, am häufigsten gebrauchte Form des Schnäppers ist aus dem Gehäuse, ans der Fliete und aus der Feder zusammengesetzt. Das meist aus Messing oder Neusilber gearbeitete Gehäuse, an welchem sich zwei breitere und zwei schmälere Flächen, welche letzteren, ringsum laufend, die Ränder bil­den, unterscheiden lassen, ist an dem hinteren Ende abgerundet, an dem vorderen quer abgesetzten dagegen mit einem Spalte versehen, durch welchen der Stiel der Fliete und das als Zunge oder Spanner gekannte freie Ende der Feder heraustreten. Die linke Seitenplatte des Gehäuses ist in Form eines Schiebers ausziehbar Das hintere Ende des Flietenstieles ist auf der Inneren Fläche der rechten Sei­tenwand nach hinten durch ein Niet befestiget, so dass die Fliete in der Rich­tung der Ränder des Gehäuses bewegt werden kann. Eine auf der, dem Schie­ber zugewandten Fläche des Stieles aufruhende, kleine, mit ihrem Rücken gegen den ersteren drückende Feder ermöglichet die Fixirung der Fliete in jeder ihr gegebenen Stellung. Die an dem vorderen Ende des Flietenstieles angesetzte Klinge hat selten die bei der gewöhnlichen Fliete beliebte Lancettform, sondern zeigt meist zwei etwas gewölbte, gegen den unteren, sehr wenig geschweiften, Rand schief abgeschliffene Flächen und einen oberen, stark bogenförmigen Rand,
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welcher die von der Spitze erzeugte StichSffnang erweitert. Der Mechanismus besteht aus der in dem Gehäuse eingesclilosscnen Feder, aus dem Steller und aus dem Abdrücker. Die Feder ist mit ihrem hinteren Ende am oberen Rande des Gehäuses, welchem sie anliegt, befestiget, macht einen Bogen nach hinten, geht dann nach vorn und ragt mit einem Fortsatze, der Zunge, aus dem Spalte des Gehäuses hervor. Der Steiler und der Drücker sind in Form eines ungleichar-migen Hebels auf der äusseren Fläche der rechten Seitonplattc des Gehäuses angebracht. Ein von dem kürzeren, nach vorwärts gerichteten Hebelarme recht­winklig in das Gehäuse gehender Fortsatz, der Steller, hält die aufgezogene Fe­der ; der längere, nach hinten sehende und durch eine unter ihm angebrachte und gegen ihn wirkende Feder stets nach aufwärts gehaltene Hebelarm ist der Uriicker, indem durch einen Druck auf ihn der Steiler aus dem Gehäuse tritt und die freigewordene Feder die Fliete in Bewegung setzt. Will man sich die­ses Inslrumentcs bedienen, stellt man zuerst den Schnäpper, indem man die Fe­der an der Zunge nach rückwärts zieht, bis sie durch den Steller festgehalten wird, rückt die Fliete soweit zurück, als sie eindringen soll, setzt den Daumen der rechten Hand auf den Schieber, den Zeigefinger gegenüber auf oder neben den Stützpunkt des Hebels und drückt die Feder durch den auf dem Drücker befindlichen Mittelfinger los.
Vergleicht man die eben beschriebenen, zur Eröftnung der Vene verwend­baren Instrumente in Beziehung auf ihre praktische Brauchbarkeit unter einan­der, so werden sich bei jedem einzelnen derselben sowohl Vorzüge, als auch Mängel nachweisen lassen, und es ist vor Allem die Hebung und die durch die­selbe erlangte Fertigkeit bei der Beurtheilung der Vorzüge und der Nachtheile des Gebrauches des einen oder des anderen Instrumentes massgebend.
Die Lancette empfiehlt sich sowohl durch Einfachheit und Billigkeit, ist jedoch beim Kinde, so wie bei schweren Pferden der dicken Haut wegen durchaus nicht zu verwenden; der Gebrauch derselben verleiht dem Operateur das Ansehen grösserer Geschicklichkeit, erfordert jedoch auch eine bedeutende Fertigkeit, in deren Ermangelung allerlei unerwünschte Zufälle z. B. Verfehlen der Vene, Durchstechen beider Wände derselben. Anstechen der Carotis u. dgl. durchaus nicht zu den Seltenheiten gehören; man wendet die Lancette, welche man zwar auch bei Pferden mit feiner Haut benützen kann, noch am zweck-mässigsten bei kleinen Thieren z. I!. Schafen, Hunden, ferner bei kleinen, ober­flächlich oder auf Knochen liegenden Venen an. In den eben erwähnten Fällen taugt die Fliete durchaus nicht, welche dagegen zum Aderlasse beim Kinde das geeigneteste Instrument ist, wenngleich die Handliabung derselben etwas roh und ungeschickt aussieht. Zur Eröffnung der Drosselvene bei Pferden ist der Schnäpper trotz seiner Mängel, welche in der schwierigen Reinigung des ziemlich kostspieligen und bei cinigermassen complicirtera Mechanisraus leicht unbrauchbar werdenden Instrumentes, so wie in dem bei der Anwendung entste­henden, die Thiere beunruhigenden Geräusche oder in der Möglichkeit desAbsprin-gens der Klinge bestehen, der Fliete sowohl als der Eancette unbedingt vorzu­ziehen ; man hat bei demselben das seichtere oder tiefere Eindringen der Klinge ebenfalls in seiner Gewalt und ist zugleich sicherer, die Vene zu treffen und anch eiue hinreichend grosso Oeffnung zu erzeugen, weil die Klinge mit grös-
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ater Genauigkeit aufgesetzt und das Instrument während der Bewegung der Fliete, welche äusserst rasch erfolgt, ruhig gehalten werden kann. Selbstver­ständlich muss die Grosse der Klinge immer der zu eröffnenden Vene entspre­chen, wesshalb man auch bei den Schnäppern verschieden grosse Flieten ein­legen kann.
Die Geräthsohaften, welche man zur Vor Schliessung der Aderlasswunde benöthiget, sind: Stecknadeln und Mähnen­haare oder statt dieser ein Zwirnfadon.
Bloss bei dein Rinde benöthiget man der dicken und am Halse ausserdem schlaffen Haut wegen eine besondere Vorrichtung, um den EückfLuss des Blutes vom Kopfe zu behindern und eine Anschwel­lung der Drosselvene hervorzurufen, nämlich die Aderlass­schnur; bei Pferden ist der Gebrauch derselben überflüssig und kann unter gewissen Umständen sogar nachtheilig werden.
Die Aderlassschnur ist eine Eebschnur von etwa 5—6 Fuss Länge und 1—1'/, Linien Dicke, die an einem Ende mit einem, etwa einen Zoll im Durehmesser weiten Ringe von Messing oder Eisen versehen ist. Auch die Fes­selvenen werden durch ein unterhalb des Fesselgelenkes angelegtes Band deut­licher sichtbar gemacht.
Zum Auf fang eu desBlutes hat man entweder eigene Blech-gefässe, welche mensurirt sind, oder man benützt im Nothfalle ein anderes, wo möglich flaches Gefäss von entsprechender Grosse.
Ausführung der Operation im Allgemeinen.
Bei dem Ader lasse kann man vier Momente und zwar:
1.nbsp; nbsp;Die Compression der Vene,
2.nbsp; die Eröffnung derselben,
3.nbsp; nbsp;das Ablassen des Blutes und
4.nbsp; nbsp;die Blutstillung annehmen.
1. Die Compression der Vene. Hat man dem Thiere eine solche Stellung gegeben, dass die zu eröffnende Vene möglichst deut­lich ins Auge fallt, so glättet man die befeuchteten Haare an der Ein­stichsstelle oder schneidet sie, wenn sie länger sind, ab. Um die Ader leichter öffnen zu können, bringt man dieselbe zum Anschwellen, in­dem man einen JDruck zwischen der Einstichsstelle und dem Herzen und zwar in der Nähe der ersteren anbringt und auf diese Weise den Rückfluss des Blutes zum Herzen hemmt. Die Compression der Vene kann entweder mit den Fingern oder mittelst einer um denKör-pertheil, an welchem der Aderlass gemacht werden soll, gelegten Schnur ausgeführt werden. Bei nicht zu dicker Hdiit und bei geringer Fett-
Foräter. Opcralionslehre für Thicrärzte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;14
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ablagerung wird die Vene als cine rundliche, elastisch gespannte Er­höhung, die bei dem Aufhören des Druckes sich verliert, sieht- und fühlbar sein; bei dicker Haut, bei •vielem Fette und bei sehr dick­flüssigem Blute dagegen bleibt die Ader undeutlich und man wird die Lage derselben auch durch gelindes und wiederholtes Tasten mit den Fingerspitzen nie mit Sicherheit ausmitteln können.
2. Die Eröffnung der Tene. Der Einstich hat, obschon sich nicht wenige Thierärzto für einen etwas schrägen Einstich aussprechen, in der Eegel in der Mittellinie und parallel mit der Längenachse der Vene zu geschehen; ersteres desshalb, damit das Gefass nicht so leicht ausweiche und damit nicht beide Wände desselben durchstochen wer­den ; letzteres aus dem Grunde, damit die Wunde nicht zu stark klaffe und leichter zu verschliessen sei. Aus einer zur Achse des Gefässes schief gestellten Oeffuung liiesst zwar das Blut leichter aus, indess er­folgen auch leichter Nachblutungen. Nicht minder soll man jene Stel­len der Vene meiden, an denen sich Narben oder Klappen vorfin­den, obschon die Verletzung der letzteren, welche aus der verhält-nissmässig etwas grösseren Weite des Gefässes zu erkennen sind, nach Hartwigs Versuchen durchaus nicht die vermeinten üblen Folgen wie z. B. Venenentzündungen nach sich ziehen müssen.
Bedient man sich der Lancette zum Aderlasse, so fasst man die Klinge an dem nicht schneidenden Theiie zwischen Daumen und Zeigefinger der rechten Hand, stützt die übrigen drei Finger neben der zu eröffnenden Vene auf, sticht die Spitze mit einem kräftigen Drucke ein und erweitert, wenn es nöthig ist, die Wunde im oberen Wundwinkel, indem man beim Herausziehen den hinteren Theil der Klinge senkt. Man kann die Lancette entweder so halten, dass nur so viel von der Spitze vor den Fingern vorsteht, als nöthig ist, um Eine Venenwand durchzustechen, welche Haltung des Instrumentes jedoch den Nachtheil hat, dass man bei dem Umstände, als man nicht immer die Dicke der durchzustechenden Gebilde genau bemessen kann, mitunter gezwungen ist, während der Operation die Klinge weiter rückwärts zu-fassen, oder man lässt, was besonders bei hinreichender Fertigkeit leicht ist, den ganzen schneidenden Theil frei.
Soll die Vene mittelst der F liefe eröffnet werden, so fasst man das Instrument am unteren Theiie zwischen Daumen nnd Zeige­finger, bringt, während die freien Finger derselben Hand das Gefäss comprimiren, die Klinge, mit deren Spitze man jedoch die Haut nicht berühren darf, um das Thier nicht zu beunruhigen, in die erforder­liche Eichtung, und treibt sie mittelst eines kurzen, weder zu schwa-
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chen, noch zu starken, mit der Hand oder mit dem Schlägel geführ­ten Schlages in die Vene, nach deren Eröffnung die Fliete sogleich zurückzuziehen ist. Sind mehrere Flielen in einer Kapsel vereiniget, so erfasst man das vollkommen geöffnete Instrument an den Seiten des Charnieres.
Beim Gebrauche des Schnäppers setzt man, je nachdem die Fliete seichter oder tiefer eindringen soll, den vorderen Rand des Ge­häuses schwächer oder stärker geneigt auf die Drosselvene auf, indess kann man die Tiefe des Einstiches auch durch verschiedene Stellung der Fliete gegen die Feder modificiren. Nach vollführtem Einstiche ist der Schnäpper sogleich zu entfernen und mit der Fliete abwärts zu halten, damit das an letzterer vorhandene Blut nieht in das Ge­häuse fliesse.
3.nbsp; Das Ablassen des Blutes. Um den Abiiuss des Blutes, der bei gehöriger Eröffnung der Vene meist sogleich in einem gleich-massigen, dicken, vollen Strahle erfolgt, zu unterhalten, ist besonders bei dem Aderlasse an der Drosselvene die Compression des Gefässes in gehöriger Stärke fortzusetzen und das Thier möglichst ruhig zu halten, um eine quot;Verschiebung der Haut zu verhüten. Ist das Blut zu dickflüssig, so wird man durch Streichen und Drücken an der Ader den Abfluss zu befördern suchen.
4.nbsp; Die Blutstillung. Hat man die gewünschte Menge Blutes erhalten, so hebt man den Druck auf da? Gefass auf, und verschliesst die quot;Wunde entweder durch die Naht oder wie z. B. an der F'essel-vene durch einen kleinen Verband. Im ersteren Falle durchsticht man die beiden, zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand ge-fassten und von der Vene etwas abgezogenen quot;VVundlippen in der Mitte und etwa 1—1% Linien vom Wundrande jederseits entfernt mit einer Stecknadel, wickelt hinter der Nadel mehrere leicht zusammengedrehte Mähnenhaare (8—10) oder einen Faden in Kreis- oder Achtertouren herum und knüpft die Enden in einen doppelten Knoten. Nur bei sehr grosser Wunde werden zwei jS'adeln, deren jede für sich um­wickelt werden muss, nöthig sein. Das Abziehen der Haut von den unterliegenden Gebilden darf nicht in zu hohem Grade stattfinden, widrigenfalls dadurch Blutunterlaufungen veranlasst würden; ebenso darf die Naht gerade nur so fest angelegt werden, dass die Wund­ränder einander berühren. Bei manchen kleineren Venen reicht es mitunter hin, die Wundränder durch 1—2 Minuten mit zwei Fingern gegen einander und sanft gegen die Vene zu drücken. Schliesslich wird die Aderlassstelle mit kaltem Wasser gereiniget.
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Nachbehandlung.
Die Thiere sind nach dem Aderlasse so im Stalle zu befestigen, dass an der geöffneten Vene weder Druck noch Eeibung stattfinden könne; nach Aderlässen aus der Drosselvene reicht man den Thieren erst nach Ablauf einiger Stunden Putter. Nach etwa 24—36 Stunden zieht man die Nadel, indem man die Wundränder mit den Fingern gegen einander hält, vorsichtig heraus.
Stellt sich binnen wenigen Stunden eine Wiederholung der Ve-näsection als nothwendig heraus, so kann man wohl die erste Wunde benützen, indem man nach Entfernung der Nadel die Vene stark com-primirt, das Blut von oben rasch herabstreicht, und so die Verkle­bung der Wundränder löst; indess bleibt es unter allen Verhältnissen gerathener, den Aderlass an einer neuen Stelle vorzunehmen.
a. Phlebotomie beim Pferde.
Wohl äusserst selten wird man in die Nothwendigkeit versetzt werden, beim Pferde eine andere Vene als die Dr o ss elvene, welche sich ihres starken Calibers und ihrer oberflächlichen Lage wegen hiezu vorzugsweise eignet, zum Aderlasse zu benützen. Als Gegenanzeige der Vornahme des Aderlasses an der genannten Vene werden bereits vor­handene Obliteration derselben auf einer Seite und juckende Haut­ausschläge am Halse angeführt.
Der Aderlass an der Drosselvene, welche man am sicher­sten in oder etwas über der Mitte des Halses, an welcher Stelle die Carotis am tiefsten gelegen ist, eröffnet, wird, wie bereits bemerkt, am häufigsten und den hierortigen Erfahrungen zu Polge auch am sichersten mit dem Schnäpper vorgenommen, kann jedoch auch mit der Fliete oder mit der Lancette ausgeführt werden.
Zur Vornahme der Operation lässt man den Kopf des aufge­zäumten und im Stande umgekehrt gestellten Thieres, welchem man zugleich das Auge derjenigen Seite, auf welcher operirt werden soll, mit der Hand bedecken lässt, gerade und ziemlich hoch halten, damit die Haut am Halse leicht gespannt werde; das Anlegen der Bremse oder das Aufheben des entgegengesetzten Vorderfusses ist höchstens bei besonderer Unruhe oder Bösartigkeit nothwendig.
Bei dem Gebrauehe des Schnäppers stellt sich der Operateur, um den auf der rechten Seite leichter ausführbaren Aderlass zu machen, neben den rechten Bug, das Gesicht vorwärts und gegen den
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Hals gewendet, comprimirt die Vene mit den Pingern der linken Hand, setzt den mit der rechten Hand, deren freie Finger am Halse aufge­stützt werden, gehaltenen Schnäpper so an, dass dessen Klinge je nach ihrer Länge und je nach der Dicke der Haut 1—3 Linien von letzterer entfernt ist, und drückt mit dem Mittelfinger ab. Soll die linke Drosselvene geöffnet werden, so ist der Vorgang nur in so ferne verschieden, dass man an der linken Seite des Thieres ste­hend, den mit der rechten Hand erfassten Schnäpper in verkehrter Stellung, d. h. die Fliete nach abwärts gerichtet, ansetzt, wobei man nebenbei noch das Eindringen des Blutes in das Gehäuse des Instru­mentes unmöglich macht, oder man hält den Schnäpper mit der linken Hand, deren Daumen auf dem Drücker aufliegt, während man mit der rechten comprimirt.
Um Verwundungen der Drosselarterie zu vermeiden, räthHert-wig, die Klinge in etwas schräger Richtung von unten und aussen nach oben und innen und zugleich ein wenig unter der Mittellinie anzusetzen.
Zu dem Aderlasse mit der Fliete eignet sich, falls man nicht in beiden Händen die gleiche Geschicklichkeit besitzt, die linke Ju-gularvene besser ; der Operateur stellt sich mit der rechten Seite gegen die linke Schulter, das Gesicht gegen die linke Halsseite gekehrt, fasst die Fliete zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand, mit deren drei freien Fingern er die Vene comprimirt, setzt die Flie-tenklinge in der Längenachse des Gefässes, die Spitze jedoch von der Haut etwas entfernt an und führt mit der rechten Hand einen Schlag auf den Rücken des Instrumentes. Um aus der rechten Drosselvene Blut zu entleeren, stellt man sich mit der linken Seite gegen den rechten Bug, hält mit der rechten Hand die Fliete und treibt sie mit der linken in das Gefäss. Indess kann man auch nach der, für die Eröffnung der linken Jugularvene angegebenen quot;Weise verfahren, muss sich jedoch dann beinahe vor das Pferd stellen und ist einer Besu­delung durch das ausfliessende Blut ausgesetzt.
Mit der Lancette, welche jedoch nur bei Pferden mit sehr feiner Haut Anwendung finden kann, macht man den Aderlass an der rechten Drosselvene bequemer, indem man bei jenem an der linken den Einstich mit der linken Hand ausführen oder aber sich vor das Pferd stellen muss. Um die rechte Drosselvene zu eröffnen, nimmt man neben dem rechten Schultergelenke seinen Stand und sticht die in der rechten Hand gehaltene Lancette etwa einen Zoll
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über den comprimirenden Fingern der linken Hand in etwas schrä­ger Eichtung von unten nach oben ein.
Um das Ausfliessen des Blutes zu unterhalten, muss der Druck auf die Vene andauern und gleichzeitig legt der Gehilfe entweder die Finger seiner Hand auf die Laden des Pferdes oder bringt einen run­den, glatten Holzstab in das Maul desselben, damit es Kaubewegun-gen mache, durch welche das Ausströmen des Blutes befördert wird.
Hat man die bestimmte Menge Blutes erhalten, so hebt man die Compression auf und legt die Naht in der früher angegebenen Weise an.
Der Aderlass an der äusseren Brustvene (an der Spor­ader), zu welchem man entweder die Lancette oder den Schnäpper verwendet, soll bei der Bauchfellentzündung heilsam sein. Man lässt den Vorderfuss der entgegengesetzten Seite aufheben, comprimirt die Vene hinter dem Ellbogen und setzt den Schnäpper so an, dass dessen Fliete mit der Längenachse des Gefässes parallel steht, während bei dem Gebrauche der Lancette die Flächen der Klinge nach oben und nach unten sehen. Das Blut fliesst wohl auch ohne weitere Compres­sion, jedoch in nicht bedeutender Menge aus und ergiesst sich immer theilweise in das die Vene umgebende Zellgewebe. Der Verschluss der Wunde findet mittelst der Naht statt.
Die Fesselv en en werden mitunter, jedoch wohl meist un-nöthig, bei Hufentzündungen eröffnet. Soll der Aderlass, welchen man mit der Lancette macht, an einem Vorderfusse vorgenommen werden, so lässt man den entgegengesetzten Vorderfuss, bei einem Hinterfusse dagegen den Vorderfuss derselben Seite aufhalten, legt unter dem Fesselgelenke ein in eine aufziehbare Schleife geknüpftes Band an, oder übt mit den Fingern einen Druck auf die Vene aus, knleet etwa einen Schuh von dem Fusse entfernt auf das rechte Knie nieder, um­greift mit der linken Hand den Fessel und sticht das Instrument in der Längenrichtung des Gefässes ein. Das Blut dieser Vene hat, wie Her twig bemerkt, wohl eine hellere Färbung und ist somit dem Ar-terienblute ähnlich, indess hört die Blutung bei einem unterhalb der Wunde angebrachten Drucke auf. Der Verband besteht in einer kleinen, durch eine Binde festgehaltenen Compresse oder in einem mit einem Knoten, welcher dicht unter die Wunde kömmt, versehenen Strohbande, dessen Enden zweimal um den Fessel geführt und zusammengedreht werden.
Die grosse Hautvene des Hinter fusses oder die Schrankader wird entweder mit der Lancette oder mildern Schnäp-
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per eröffnet. Hering lässt den Hinterfuss der entgegengesetzten Seite aufhalten, legt über der Operafiorsstelle eine starke Schnur um den Schenkel und öffnet, sich vor den aufgehobenen Hinterfuss stellend, mit dem Schnäpper die Vene; die zwar nicht starke, aber lange an­dauernde Blutung erfordert nur selten die Anlage der Naht.
b. Beim Rinde.
Behufs der Vornahme des Aderlasses an der Drosselvene benützt man besonders bei Thieren mit dicker Haut die Aderlassschnur, welche nach H e r i n g 's Vorschrift am oberen Dritttheile des Halses so ange­legt wird, dass das mit dem Ringe versehene Ende auf die Seite, an welcher die Operation vorgenommen wird, zu liegen kömmt; das an­dere Ende der Schnur wird durch den Eing durchgezogen und eine leicht aufziehbare Schleife gebildet, um dieselbe im Nothfalle sogleich lösen zu können; bei Thieren mit feiner Haut ist die Schnur entbehr­lich und es wird das Anschwellen der Vene, wie beim Pferde, mittelst der Finger veranlasst.
Das Thier wird an den Hörnern gehalten, der Kopf emporge­richtet und das Auge der betreffenden Seite verdeckt; hierauf stellt man sich neben die Schulter der Seite, an welcher der Aderlass ge­macht werden soll und eröffnet die Vene am zweckmässigsten mit der Fliete dicht oberhalb der Selmur. Bei Bindern von geringer Höhe kann man sich auch auf die entgegengesetzte Seite stellen und über den Hals hinüberbeugen, um die Vene zu öffnen. Ist die erforderliche Quantität Blutes entleert, so entfernt man die Schnur und verschliesst die Wunde durch die Naht oder verschiebt einfach die Haut über die Venenwunde, muss jedoch darauf achten, dass die Thiere nicht un­mittelbar nach dem Aderlasse im Stalle mit einem um den Hals an­gelegten Stricke angebunden werden.
Bei Entzündung des Euters, des Bauchfelles, der Baucheinge­weide wird mitunter, wenn auch besonders bei Leiden der letztgenann­ten Organe ohne wesentlichen Vortheil, aus der Bauchhautvene (der Milchader) Blut entleert. Der Operateur nimmt seine Stellung an der Schulter des Thieres, das Gesicht nach rückwärts gerichtet, um vor Schlägen mit dem Hinterfusse gesichert zu sein, und öffnet die in manchen Fällen bedeutend starke Vene mit dem Schnäpper oder mit der Lancette, deren Flächen nach oben und nach unten gerichtet werden. Die Blutung stillt sich gewöhnlich von selbst oder auf einen durch einige Minuten fortgesetzten Druck mit dem Finger, obschon auch hier die Naht angelegt werden kann.
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c. Beim Schafe.
Bei dieser Thiergattung macht man den Aderlass entweder an der Jugularvene oder nach Daubenton an den Gesichts­venen, aus -welchen letzteren man jedoch immer nur geringe Mengen Blutes entleeren kann.
In dem ersteren Falle scheert der Operateur, während der Ge­hilfe den Kopf des Thieres in die Höhe hält, damit die Haut am Halse gespannt werde, die Wolle an der Operationsstelle ab, compri-mirt die Vene mittelst der Schnur oder mit den Fingern der linken Hand und eröffnet das Gefäss mit der Lancette oder mit einem kleinen Schnäpper und legt nach Entleerung der erforderlichen Blutmenge die Naht an.
Das von Daubenton angegebene und noch heutzutage von den Schäfern geübte Aderlassen an der Gesichtsvene wird am unteren Theile der Backe in der Gegend der Wurzel des vierten Backenzahnes vorgenommen; da man jedoch hiebei der Gefahr ausgesetzt ist, die querlaufende Gesiehtsarterie zu verletzen, so ist es nach Hertwig's Ansicht gerathener, den Stamm der Vene am vorderen Rande des äusseren Kaumuskels, etwa einen Zoll über dem unteren Rande des Hinterkiefers, an welcher Stelle die Vene stärker ist und in Beglei­tung einer Arterie verläuft, zum Aderlasse zu wählen.
d. Beim Schweine.
Bloss bei dem Schweine eignet sich die äussere Drosselvene ihren tiefen Lage und der sie deckenden Fettschichte wegen nicht zum Aderlasse und man muss, um eine halbwegs grössere Menge Blutes entziehen zu können, mitunter gleichzeitig mehrere Venen eröffnen.
Am leichtesten sind die Unterzungenvenen zum Aderlasse zu benützen; man hält dem auf die Seite gelegten Thiere das Maul mit einem zwischen die Zähne gesteckten Holze geöffnet, zieht die Zunge mit der Hand, mit einer Pincette oder dergl. aus der Maul­höhle hervor und durchschneidet die in der Mittellinie verlaufende Vene unmittelbar vor dem Zungenbändchen mit der Lancette oder mit dem Bistouri. Die Blutung stillt sich von selbst.
Andere, zum Aderlasse gleichfalls empfohlene Venen sind: Der Stamm der äusseren Kinnbackenvene, welchen man am vor­deren Rande des äusseren Kaumuskels anstechen kann, femer die
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Hinterschenkel-Hautvene, die man durch ein etwas über der Mitte zwischen Knie- und Sprunggelenk angelegtes Band zum An­schwellen bringt und sodann einfach mit der Lancette ansticht, oder früher durch einen fast in der Mitte der Breite des tlnterschenkels geführten Längenschnitt blosslegt und dann erst eröffnet.
Am häufigsten macht man jedoch behufs einer Blutentleerung Einschnitte in die Ohren und in den Schweif, obwohl die hiedurch erhaltene Blutmenge keine bedeutende ist, wenn gleich bei dem, am besten am hinteren Kande der Ohren gemachten Einschnitte nebst der Ohrvene auch die hintere Ohrarterie -verletzt wird.
e. Beim Hunde und bei der Katze.
Bei der erstgenannten Thiergattung wählt man entweder die Drosselvene oder die innere Hautvene des Hinterschen­kels. Erstere wird bei mageren Hunden durch einen, mit den Fin­gern am Grunde des Halses ausgeübten Druck deutlich sichtbar und kann dann einfach mit der Lancette angestochen werden; bei fetten Thieren dagegen muss sie vorher durch einen, in der Mitte des Hal­ses geführten, etwa einen Zoll langen Hautschnitt, welcher nach er­folgter Blufentleerung mittelst der 'Naht geschlossen wird, blossgelegt werden. Falls der Aderlass an der Drosselvene nicht ausreichen sollte, öffnet man die innere Schenkelhaut vene, nachdem man die­selbe mittelst eines um den Schenkel angelegten Bandes zum An­schwellen gebracht hat, ebenfalls mit der Lancette.
Bei der Katze kann der wohl zu den seltensten operativen Eingriifen zu zählende Aderlass wegen der geringen Stärke anderer Venen nur an der Drosselvene gemacht werden.
f. Bei dem Geflügel
macht man nach Hertwig den Aderlass entweder an der Drossel­vene, indem- man von einem Gehilfen den Kopf des Thieres festhal­ten lässt, selbst aber mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand die Venen beider Seiten zusammendrückt und sodann die Lancette etwa ein bis zwei Linien tief einsticht, oder an den, an der inneren Seite des ersten Flügelknochens deutlich sichtbaren und durch ein, in der Nähe der Brust um den Flügel angelegtes Band leicht zum An­schwellen zu bringenden Armvenen, zu welchem Ende man das auf den Bücken gelegte Thicr von einem Gehilfen halten lässt, mit der linken Hand den Flügel ausbreitet und mit der Lancette einen etwa 2 Linien tiefen Einstich macht* Sollte die Blutung nicht von
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selbst aufhören, so heftet man die Haut. Auch durch Einsehneiden des Kammes entleert man bei dem Hausgeflügel Blut.
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Ungünstige Ereignisse.
Sowohl während als nach der Operation können mancherlei üble Ereignisse eintreten und zwar:
1.nbsp; nbsp;Verfehlen der Vene. Es wurde nämlich aus TJnkennt-niss oder in Folge einer plötzlichen Bewegung des Thieres an der unrechten Stelle eingestochen oder es drang die Spitze des Instru­mentes, wie es bei kurzer Klinge oder bei zu geringer Kraftanwen­dung während des Einstechens geschieht, nicht bis zu der erforder­lichen Tiefe ein, oder die Vene rollte zur Seite, indem die Spitze des Instrumentes nicht hinreichend scharf war, oder zu schief und nicht in der Mittellinie aufgesetzt wurde oder weil endlich das Gefäss wegen mangelhafter Compression, wegen tiefer Lage oder wegen ab­normer Beschaffenheit des Blutes nicht deutlich genug sichtbar war. Mitunter springt die Klinge der Fliete des Schnäppers ab, was beson­ders dann geschieht, wenn dieselbe nicht an den Stab der Eliete an-geschweisst, sondern zum quot;Wechseln eingerichtet ist. In allen Fällen muss nach möglicher Beseitigung der Ursache der Einstich wiederholt werden, jedoch hat dieses nie an der früher benützten Stelle, sondern etwa einen Zoll ober- oder unterhalb derselben zu geschehen. Bei sehr fetten Thieren wird es mitunter sogar nothwendig, die Vene be­hufs der Eröffnung früher durch einen Hautschnitt blosszulegen.
2.nbsp; nbsp; nbsp;Schwacher oder unterbrochener Abfluss des Blutes. In einem schwachen, dünnen Strahle fliesst das Blut aus, wenn die Oeffnung in der Vene zu klein ausgefallen ist, woran eine zu schmale, zu kurze oder zu wenig über die Finger vorstehende, stumpfe Klinge oder ein zu seichtes Einstechen Ursache sein kann, ferner wenn das Gefäss nicht hinreichend stark comprimirt wurde oder wenn das Blut dickflüssig ist. Der anfangs starke Strahl wird mitunter, indem sich die Haut an der Operationsstelle verschiebt und so die Venenwunde deckt oder indem ein Fettklümpchen sich vorlegt, dünner und schwächer oder es quillt das Blut sogar zum Theile in das Unterhautbindegewebe und verursacht mehr weniger ausgebreitete Anschwellungen. Ebenso kann wohl das Blut unmittelbar nach dem Einstiche im Bogen ausströmen, aber plötzlich zu fliessen aufhören, wenn, wie Hering glaubt, das Instrument in eine durch das An­schwellen der Vene emporgehobenaKlappe eingedrungen ist, und diese
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sich sodann auf die quot;Venenwunde legt. Ist die Wunde zu klein, so darf dieselbe durchaus nicht erweitert werden, sondern man öffnet die Ader an einer anderen Stelle; ist die Haut verschoben, so sucht man den Parallelismus zwischen Haut- und Venenwunde wiederher­zustellen ; etwa vorliegende Fettklümpchen entfernt man mit der Scheere, bei mangelhafter Compression verstärkt und regelt man den Druck auf das Gefäss; bei zähflüssigem Blute sucht man das Ausströmen des­selben durch Streichen längs des Verlaufes der Vene, durch Frottiren des Körpers u. dgl. zu befördern.
3. Eindringen der Luft in dieVene. Dieses bereits von Mery (1707) beobachtete, bei den Aderlasse indess selten, häufiger bei der Infusion und Transfusion vorkommende Ereigniss, welches bei grösseren Hausthieren wohl nur in Ausnahmsfällen von Gefahr beglei­tet ist, bei kleineren dagegen den Tod sehr rasch bedingen kann, be­merkte man bisher bloss bei dem Aderlasse an der Jugularvene und zwar gewöhnlich während des Verschliessens der quot;Wunde, seltener be­vor das Blut zu strömen beginnt, und nach Herings Erfahrung dann um so eher, je tiefer unten am Halse die Vene eröffnet wurde. Man vernimmt in dem Augenblicke, in welchem die Compression der Vene aufgehoben wurde, ein eigenthümliehes gurgelndes oder schlür­fendes Geräusch; nach Ablauf einer ganz kurzen Erist beginnen die Thiere zu taumeln, heftig zu athmen und zu schwitzen, stürzen nie­der und gehen entweder rasch zu Grunde oder erholen sich bald wieder. Um das Eindringen von Luft in die Vene zu verhüten, soll man nach H e r t w i g die Vene vom Beginne der Operation bis zum Ende derselben zwischen der Wunde, welche nie in schräger oder querer Richtung, sondern stets mit der Längenachse des Gefässes gleichlaufend zu machen ist, und dem Herzen gleichmässig stark com-primiren. Ist jedoch bereits Luft in das Gefäss gelangt, so comprimirt man nach Hertwig's liath dasselbe sogleich unter der Aderlassstelle, lässt das Blut so stark als möglich ausströmen und streicht wohl auch längs der Vene von oben herab nach der Oeffnung hin.
4. Verwundungen an derer Gebilde. Diese sind je nach dem zum Aderlasse gewählten Gefässe verschieden.
Bei dem Aderlasse an der Jugularvene können die Ver­letzungen der Drosselarterie, der Luftröhre, des gemeinschaftlichen Kopf-, Hals-, Armbeinmusktls, des sympathischen und des Lungen-magenner ven, beim Aderlasse aus der Sporader Verletzungen der Rippenknorpel, bei jenem aus der Fesselvene Verletzungen
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der Fesselarterie, der Sehnen, der Beinhaut oder des Kronengelenkes stattfinden.
Eine Verwundung der Drosselarterie, welche die Folge einer abnormen Lage des Gefässes oder des zu tiefen Eindringens dos Instrumentes sein kann, und vorzugsweise bei dem Gebrauche zu schma­ler Lancetten beobachtet wird, gibt sich durch die Farbe und das stosswoise Strömen des arteriellen Blutes, sowie durch den Umstand zu erkennen, dass das hellrothe Blut bei einem, zwischen dem Herzen und der Wunde angebrachten Drucke auf die Ader in bedeutend schwächerem Strahle ausfliesst, dass die Blutung nur dadurch vollkom­men unterbrochen wird, wenn die Compression der Arterie unterhalb sowohl, als auch oberhalb der Wunde stattfindet und dass sehr rasch ein Extravasat um die Wunde entsteht. Sind zugleich beide Wandun­gen der Vene durchstochen, so mengt sich das dunkle Blut der Venen mit dem hellrothcn Blute der Arterien; glitt dagegen das Instrument an der Vene vorüber, wie es mitunter geschieht, so strömt bloss helles Blut aus. Die bei dem Aderlasse entstandenen Wunden der Carotis sind meist klein, in der Längenrichtung des Gefässes ver­laufend, und heilen bei sorgfältiger Verschliessung der äusseren Wunde, bei ruhigem Verhalten der durch 36—48 Stunden mit in die Höhe gestrecktem Kopfe kurz angebundenen Thiere und bei örtlicher An­wendung der Kälte oder nach Anlage eines Druckverbandes meist durch schnelle Vereinigung; grössere, besonders schräglaufende Wun­den erheischen die Unterbindung des Gefässes.
Die selten vorkommenden Verwundungen des sympa­thischen und desLungenmagennerven, welche letztere durch ein sogleich sich einstellendes eigenthümliches Geräusch bei dem Ein-athmen, wie man es auch bei dem Pfeiferdampfe hört, erkannt wer­den können, sind nicht von besonderer Bedeutung.
Verwundungen der Luftröhre sollen sich besonders bei zu festem Anziehen der Adorlassschnur ereignen können, sind jedoch, da sie meist von geringer Ausdehnung sind und reine Schnittwunden darstellen, höchstens dann gefährlich, wenn ein Theil des aus der, an beiden Wandungen durchstochenen Jugularvene ausströmenden Blu­tes durch die Wunde in die Luftröhre und in die Lungen gelangte, welcher Zufall sich aus dem Aushusten schaumigen Blutes erkennen lässt. In einem solchen Falle ist die Compression der Drosselvene un-Ierhalb der Wunde sogleich aufzuheben, nöthigenfalls dagegen ober­halb derselben vorzunehmen, damit das weitere Eindringen von Blut in die Luftröhre verhütet werde. Die im Umkreise der Wunde sich
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entwickelnden Emphyseme verlieren sich binnen wenigen Tagen von selbst.
Verletzungen der Beinhaut werden besonders dann wich­tig, wenn die Spitze des benützten Instrumentes abgebrochen und im Knochen stecken geblieben ist. Die Folge einer derartigen Verwun­dung, besonders die sich mitunter entwickelnde, nicht unbedeutende Entzündung werden nach den allgemeinen Regeln der Chirurgie behandelt.
Bei einem Pferde bildete sich nach Verwundung der kleinen, die Schrankader begleitenden Arterie ein Aneurysma, dessen Ber­stung den Tod des Thieres bedingte,
5.nbsp; Extravasate ins Zellgewebe, welche bald auf die nächste Umgebung der Wunde beschränkt bleiben, bald jedoch über eine gros-sere Strecke des Körpertheiles, an dem der Aderlass vorgenommen wurde, sich ausbreiten. Ursachen derselben sind: Eine zu kleine Haut­wunde, Verschiebung der Haut, Durchstechen beider Wandungen der Vene, Verletzung der Arterie, zu starkes Abziehen der Haut von den darunterliegenden Gebilden während des Heftens der Wunde. Kleine Extravasate werden meist bald resorbirt, grössere erheischen Kunsthilfe.
6.nbsp; Nachblutungen. Diese sind Folge einer unterlassenen oder nicht ausreichenden Verschliessung der Wunde oder des Aufreis-sens derselben bei der Abnahme der Naht, einer Verwundung der Ar­terie, oder eines auf das Gcfäss unterhalb der Aderlassstelle ausgeüb­ten Druckes und des dadurch behinderten Rückflusses des Blutes in der quot;Vene, z. B. durch Anlehnen des Thieres an die Krippe, durch Auflegen eines Kummtes, durch sogleiche Verwendung des Thieres zum Reitdienste u. s.w. — Nachblutungen durch wiederholtes Aufspringen der Wunde stellen sich nach Herings Ansicht dann am ehesten ein, wenn die Wunde nahe unter einer Klappe sieh befindet, wäh­rend sie am seltensten zum Vorscheine kommen, wenn die Eröffnung-nahe über einer Klappe stattgefunden hat, weil in diesem Falle der Druck der Blutsäule, welcher z. B. bei niedrig gehaltenem Kopfe die Drosselvene schwellt, von den Klappen getragen wird und somit die Oeffnung der Vene nicht erreicht. Später auftretende Blutungen sind zuweilen das erste Symptom der Aderfistel. Die Behandlung besteht in Beseitigung der Ursachen z. B. in dem neuerlichen Verschliessen der Wunde, in der Beseitigung jedes ferneren Druckes u. dgl.
7.nbsp; nbsp; Entzündung und Eiterung der Haut und des Zellgewebes an der Aderlassstelle, welche durch unreine Instrumente, durch wiederholtes Einstechen an derselben Stelle, durch Quetschung der Theile bei unvorsichtigen Schlägen mit dem Aderlass-
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Schlägel, durch zu feste Naht, durch zu langes Liegenlassen der Nadel, durch die bei dem Heften zwischen die Wundränder gebraehtsn Haare, durch Reiben der quot;Wunde u. dgl. veranlasst wird. Einzelne der eben erwähnten Ursachen können in einzelnen Fällen auch das Auftreten einer
8. Entzündung derVene mit ihren Folgen begünstigen, ob-schon dieses Leiden, welches man bisher bloss an der Drosselvene beob­achtet hat, auch ohne jedwede nachweisbare Veranlassung auftreten kann.
Während man bei einer Entzündung des Zellgewebes, bei wel­cher man an der Operationsstelle eine kleine Entzüudungsgeschwulst oder einen kleinen Abscess bei gleichzeitiger vollständiger Wegsam-keit der Vene wahrnimmt, mit gelinden Mitteln, wie mit der Besei­tigung der etwa noch haftenden Naht, mit der Anwendung der Kälte oder der Merkursalbe, dem Entleeren des Eiters u. s. w. zum Ziele ge­langt, erfordert die Venenentzündung besonders dann, wenn es zur Eiterung gekommen ist, welchen Zustand man mit dem Namen Ader­fistel (Ader las sfistel und Aderlas sh ohlgeschwür) be­zeichnet, ein eingreifendes, mitunter sogar ein operatives Verfahren.
Das letztere besteht in der häufig von dem besten Erfolge be­gleiteten An w endung des Punkt- oder Strichfeuers auf die Haut längs des Verlaufes der kranken Vene, in der einfachen Un-terbindu ng des Gefässes oder in der Unterbindung des­selben mi t darauffolgendem Ausschälen des kranken Stückes oder endlich in dem Aufschlitzen des F istel kanale s.
Durch das Aufsehlitzen wird das Hohlgeschwür in eine offene Wunde umgewandelt. Zu diesem Behufe spaltet man nach Strauss auf der in den Kanal eingeführten Hohlsonde mit dem Spitzbistouri den Hohlgang seiner ganzen Länge nach oder zieht, falls derselbe bis unter die Ohrspeicheldrüse oder weit nach abwärts reichen sollte, anstatt ihn völlig zu spalten, ein Eiterband mittelst einer bis zu dem blinden Ende des Geschwüres vorgeschobenen und dort nach aussen durchgestossenen Zapfspiessnadel ein. H e r t w i g jedoch hält dieses von Strauss auf das Wärmste empfohlene Aufschlitzen des ganzen Ganges für unnöthig, ja sogar für gefährlich, weil bei der Lo­ckerung des Blutpfropfes am oberen Ende der Fistel leicht eine hef­tige Blutung eintreten kann und begnügt sich aus diesem Grunde damit, auf der eingeführten Hohlsonde die verdickten Bänder der Venenwunde, besonders aber den oberen, von innen nach aussen in der Länge der verdickten oder verengerten Partie der Vene einzu­schneiden. Auch nach Hering's Ansicht ist dieses Verfahren ein
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unsicheres, da in dem Falle, als man jener Stelle, an welcher die Vene mit Blut gefüllt ist, zu nahe kömmt, heftige, sich gern wieder­holende Blutungen auftreten, welche die Unterbindung des Uefässes erheischen, während dagegen, wenn ein kleines Stück des Hohlganges uneröffnet bleibt, die Eiterung in der Vene sich nach oben fortsetzt, und es ist dasselbe ebenso wie das Ausschälen des entarteten Venen­stückes höchstens in veralteten Fällen, in welchen man eine Verschlies-sung der Vene durch einen festen Blutpfropf als sicher -vorhanden annehmen kann, zulässig.
Das von Go dine angegebene Verfahren besteht darin, dass man nach vorheriger Bildung einer kleinen Oeffnung am blinden Ende des Kanales einen Bleidraht, dessen Enden man aussen zusammen­dreht, durch den Fistelgang von unten nach oben durchfuhrt, die so gebildete Schlinge täglich durch wiederholte Drehung der Enden mehr und mehr zusammenschnürt und so das Hohlgeschwür allmälig gegen die Mitte hinaufschlitzt, während unterdess von den Enden her die Heilung erfolgt.
Die Unterbindung der Vene über der Aderlassstelle ist das einzige Mittel, den wiederholt auftretenden Blutungen Schranken zu setzen, obschon durch dieselbe das Leiden selbst nicht immer be­hoben wird, indem neue Fistelgänge entstehen. Zur Vornahme der­selben legt man das Thier nieder, scheert die Haare ab und macht an der Stelle, an welcher der die Vene Terschliessende Pfropf aufhört, mit dem geballten Bistouri einen durch Haut und Zellgewebe bis zur Vene dringenden Schnitt, führt mit einer stark gekrümmten Wundnadel ein mehrere Linien breites Bändchen um das Gefäss herum, und zieht die Schlinge massig fest zu. Wo es thunlich ist, unterbindet man die Vene an einer noch nicht entarteten Stelle; ist man jedoch gezwun­gen, an einer erkrankten Partie die Ligatur anzulegen, so unterlasse man jeden Versuch, das Gefäss von dem verdickten Zellgewebe voll­ständig isoliren zu wollen, und schnüre die Ligatur nicht zu fest zu­sammen, damit nicht zu einem vorzeitigen Durchschneiden der mür­ben Venenhäute und zum neuerlichen Eintritte von Blutungen Ver­anlassung gegeben werde. Unter der unterbundenen Stelle schneidet man sodann die Vene quer durch, um jede Spannung oder Zerrung zu verhüten. Einige Thierärzte rathen, auch unterhalb der Aderlass­stelle eine Ligatur anzulegen, um den Uebergang des Eiters in den Blutstrom zu verhindern.
Die Nachbehandlung besteht darin, dass man in den ersten sechs bis acht Tagen die Thiere, damit sie sich nicht niederlegen können.
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kurz anbindet, und ihnen in den ersten Tagen bloss Getränke, in den letzten Tagen bloss angenetzte Kleie verabreicht, um jeden durch das Kauen bedingten stärkeren Andrang des Blutes gegen die Unterbin­dungsstelle zu -verhüten. Zugleich sind die Thiere sorgfältigst zu über­wachen, um der im Falle einer Zerreissung der Vene oder einer zu frühen Abstossung der Ligatur eintretenden Blutung durch Compres­sion des Gefasscs oberhalb der Unterbindungsstelle bis zur neuerlichen Unterbindung Einhalt thun zu können. Die Operationsstelle lässt man bis zum Abstossen der Ligatur unberührt, and reiniget sie von da an bis zur Heilung von Zeit zu Zeit oberflächlich.
Das von Diet er ichs vorgeschlagene Ausschälen der kran­ken Vene nach vorheriger Unterbindung des Gefässes hält H e r t-w i g wegen der gleichzeitig vorhandenen Entartung des umgebenden Zellgewebes für schwierig und für ebenso gefährlich, als das von D u-puy angegebene Aufschlitzen der erkrankten Vene und das Cauterisiren der inneren Eläche derselben mit dem Glüheisen.
B, Arteriotomic.
Die Eröffnung der Schlagadern wird bei Thieren gegenwärtig aus den bereits weiter oben angeführten Gründen höchst selten vor­genommen und H e r t w i g hält dieselbe bloss dort, wo man aus den Venen die erforderliche Menge Blutes nicht zu entleeren vermag, für angezeigt.
Ausführung der Operation.
Die Arteriotomie kann in do ppelter Weise ausgeführt werden, indem man entweder die Arterie mit der Lancette in der bei der Phlebotomie angegebenen quot;Weise der Längenrichtung des Gefässes ent­sprechend ansticht oder dieselbe sammt der darüberliegenden Haut der Quere nach durchschneidet, was jedoch der gleichzeitigen Ver­letzung der nebenlicgenden Kerven und Venen wegen weniger passend ist, oder indem man die Arterie früher durch einen Hautschnitt bloss-legt, dieselbe der Quere nach durchschneidet und sie nach stattgefun-dener Blutentziehung unterbindet.
Behufs der Eröffnung der quer lauf enden Gesichtsarterie (der absteigenden Schläfenarterie), welche Operation gegen Gehirnent­zündung und gegen periodische Augenentzündung empfohlen wurde, jedoch keine besonders günstigen Resultate ergab, lässt man den
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Kopf des gebremsten Pferdes gerade stellen und in solcher Höhe fest­halten, dass die Sohliifengegend bequem zugänglich ist, ermittelt in dem Räume zwischen dem Hinterkiefergelenke und dem Auge unter dem Jochbogen den Lauf des durch seine Pulsationen leicht auffind­baren Gefässes, legt den linken Zeigefinger auf dasselbe und sticht die in der rechten Hand gehaltene Lancette, deren eine Fläche nach dem Schädel, deren andere nach dem unteren .Rande des Hiuterkie-fers gekehrt ist, etwa drei Linien tief ein, oder durchschneidet neben der Spitze des aufgesetzten Pingers mit der Lancotte odor mit dem iSchnäpper die Haut saramt der Arterie mit Einem Male, quot;welches letztere Verfahren jedoch den doppelten Uebelstand hat, dass sich die Enden des durchschnittenen Getässes zurückziehen, somit die Blutung bald von selbst aufhört, und dass gleichzeitig die über der Arterie liegende Vene und der unter derselben verlaufende Nerve verletzt werden.
Der Verband besteht aus einer auf die Wunde gelegten, fest gerollten Wergwieke, welche durch eine, etwa einen Zoll breite, von der Stirne aus über die Augenbogen und über die Operationsstelle zum hinteren Pande des Hinterkiefers und von da zur anderen Seite laufende und in mehreren solchen Touren angelegte Binde in ihrer Lage erhalten wird. Das Thier wird hoch aufgebunden und durch 8 bis 12 Stunden nicht gefüttert.
Die zweite Methode besteht darin, dass man um die, durch einen etwa einen Zoll langen, dem Laufe des Gefässes entsprechenden Hautschnitt blossgelegte Arterie mittelst einer krummen Wundnadel einen Unterbindungsfaden, dessen Enden auf derselben locker geknüpft werden, herumführt, die Ader quer durchschneidet, die Schlinge nach der Entleerung der erforderlichen Menge Blutes fest zuzieht, die En­den des Fadens nahe der Haut abschneidet und an der Hautwunde ein Heft der Knopfnaht anlegt. Nach der Operation, zu welcher leb­haftere Thiere stets gelegt werden müssen, wendet man durch 24 Stun­den kalte Umschläge an.
Her twig glaubt, dass die Obliteration der Arterie, welche nach diesem Verfahren immer zu Stande kömmt, und der in Folge derselben behinderte Eintritt des Blutes in die vorderen Zweige des Gefässes (welche indess bloss Muskelzweige sind) bei manchen Augenentzün­dungen vielleicht nicht ohne Einfluss sein dürfte.
Soll die mittlere Schweifarterie beim Pferde oder beim Rinde eröifnet werden, so geschieht dieses im oberen Dritttheile des Schweifes in querer Richtung mittelst der Fliete oder des Schnäppers; Foister, Operalionslehre für Thierarzle.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;15
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die Blutung wird durch eine, mittelst einer Zirkelbinde festgehaltene Wergwieke gestillt.
Das Oeffnen der Fesselarterie bei Hufentzündungeu, so wie jenes der Oaumenarterie bei Schwindel sind nicht nur unnöthige, sondern mitunter selbst gefährliche Operationen und finden desshalb keine Anwendung.
Ungünstige Ereignisse,
welche nach der Arterietomie beobachtet wurden, sind: Nachblu­tungen, welche in einzelnen Fällen, wie bei der Eröffnung der Gau­menarterie, sogar tödtlich endeten; Extravasate, welche ohne Fol­genbleiben; Verwundungen der Beinhau toder des Knochens; Abbrechen der Spitze des Instrumentes. Eines Falles der letzteren Art, in welchem bei der Arteriotomie am Schweife die Spitze des Instrumentes abbrach, und sich in Folge dessen die Amputation des Schweifes als nothwendig herausstellte, erwähnt Hering.
C. Blntentlcerniigen ans deu CapillargcfUsscn.
Die Wege, um aus Capillargefässen Blut zu entziehen, sind das Searificiren und das blutige Schröpfen*).
*) Man benützte bei unseren Hausthieren wohl auch, um örtliche Blut­entziehungen anzustellen, den Blutegel und macht auch noch heutzutage, be­sonders bei Hunden, in einzelnen Fällen von diesem Mittel Gebrauch, indess ist diese Art der Blutentleerung leicht entbehrlich und überdiess viel zu umständ­lich und zu kostspielig, als dass dieselbe eine häufigere Benützung finden könnte. Die Blutegel können bei Entzündungen oberflächlich gelegener oder leicht zugäng­licher Gebilde z. B. des Euters, der Augen, der Knochen, der Gelenke, des Zahn­fleisches angewendet werden; da jedoch nach ihrer Anwendung in Folge des Reizes eine Zunahme der Entzündung mitunter beobachtet wird, so zieht man es in einzelnen Fällen vor, dieselben neben dem entzündeten Gebilde, als auf dieses selbst, zu appliciren. Die Anzahl derselben richtet sich nach der Grosse des Thieres und nach dem Umfange des kranken Theiles und beträgt 2 bis 12 Stücke und darüber.
Die Stelle, an welcher man den Blutegel anzusetzen gesonnen ist, muss von etwa vorhandenen Haaren befielt, rein abgewaschen und frottirt werden; will der Egel nicht anbeissen, so bestreicht man dieselbe ausserdem mit Milch, Zuckerwasscr oder Blut.
Um die Egel, deren jeder nach seiner Grosse ein bis vier Quentchen Blut saugen kann, anzusetzen, bringt man sie in ein kleines Weinglas oder in einen Schröpfkopf und stürzt denselben auf die betreffende Stelle um, oder man er-fasst jeden einzelnen Egel an dem hinteren Ende mit einer weichen Compresse
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a. Das Scarificire n.
Scarificationen sind seichtere oder tiefere Einschnitte in irgend ein leicht zugängliches Organ des Thierkörpers, die hauptsäch­lich einer örtlichen Blutentziehung wegen gemacht werden. Indess scarificirt man mitunter, um die in dem Gewebe eines Organes abnorm vorhandenen Flüssigkeiten, wie Blut, Serum, ßrandjauche u. dgl. oder Gase zu entleeren, um eine raschere und kräftigere Wirkung der Heil­mittel durch die Anwendung derselben auf die wund gemachten Stel­len zu erzielen oder endlich um callösse quot;Wundränder behufs Beför­derung ihrer Vereinigung aufzufrischen.
Anzeigen.
Scarificationen werden vorgenommen:
1.nbsp; Als örtliche Blutentleerungen bei Entzündungen oberflächlich gelegener Organe, wenn die Geschwulst, die Span­nung und der Schmerz einen sehr hohenGrad erreicht haben, wenn der kranke Theil eine dunkle, selbst blaurothe Färbung zeigt und der Brand einzutreten droht, z. B. bei Entzündungen der Bindehaut, des Zahnfleisches, des Gaumens, der Zunge, des Euters, der Beinhaut u. s. w. Durch die Entleerung des im XJebermasse angesammelten Blutes wer­den sowohl die Schmerzen, als auch die Spannung besonders dann bedeutend verringert, wenn das entzündete Gebilde von straffen, nicht nachgiebigen sehnigen Ausbreitungen oder sehr dichtem Zellgewebe umgeben ist. Scarificationen können zu dem eben genannten Zwecke an allen gefässreichen Weichgebilden, deren Verwundung der üblen Folgen wegen nicht unterlassen werden muss, in Anwendung gebracht werden; bald scarificirt man das entzündete Organ selbst, bald dessen nächste Umgebung.
2.nbsp; Bei acuten (entzündlichen) Oedemen; indess nur in Ausnahmsfällen und es dürfen selbst dann die Einschnitte nie zu nahe neben einander gemacht werden, um eine zu bedeutende Steigerung der Entzündung, Verjauchung, Ausfallen ganzer Hautstücke, wie diesa
und hält ihn an die Stelle, an welcher er anbeissen soll, an, oder benützt hiezu einen kleinen Glascylinder oder ein zusammengerolltes Kartenblatt.
Zum Gebrauche eignet sich bloss der medizinische Blutegel u. z. sowohl der deutsche, als der ungarische; der Rossegel ist nicht ver­wendbar.
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z. B. nach dem Rcarificiren der bei dem Pferdetyphus sich entwickeln­den Anschwellungen an der Xorperoberäache beobachtet wird, zu verhüten.
3.nbsp; nbsp;Bei heissem Brande behufs der Verminderung der hef­tigen Schmerzen und der grossen Spannung; beim kalten Brande, um der Brandjauchc einen bequemeren Abäuss zu verschaffen und die Application örtlicher Heilmittel zu erleichtern, doch dürfen die Ein­schnitte nicht bis in die gesunden Theile reichen, um nicht die schäd­liche Einwirkung der Brandjauche zu begünstigen und bedeutendere Blutungen zu veranlassen.
4.nbsp; nbsp;Bei Extravasaten im Unterhautzellstoffe und umfangrei­chen Windgeschwülsten (Emphysemen), wenn dieselben die Ver­richtung anderer Organe wesentlich beeinträchtigen.
5.nbsp; nbsp;Bei vergifteten quot;Wunden, bei denen es sich darum handelt, die möglichst kräftige AVirkung der örtlich angewandten Arz­neimittel zu erzielen. Ausnahmsweise wird die gesunde Haut zu glei­chem Zwecke scarifleirt, z. B. längs der Wirbelsäule, im ISTacken.
6.nbsp; nbsp;An verdickten, schwieligen Wundrändern zudem oben angedeuteten Zwecke, obschon das vollständige Abtragen der callösen Partie geeigneter ist, und desshalb häufiger unternommen wird.
Richtung und Tiefe der Einschnitte, Instrumente.
Die Einschnitte, zu denen man eine Lancette, eine Fliete oder ein geballtes Bistouri verwenden kann, werden in der Ee-gel entweder in der Richtung der Haare oder der Form und Fase­rung des kranken Organes entsprechend gemacht; die Tiefe derselben hängt von dem zu erreichenden Zwecke und dem Organe, welches scarifleirt wird, ab; während z. B. dieselben an der Bindehaut des Auges nur eine Linie tief dringen dürfen, können sie an der Zunge bis zu einer Tiefe von 4 bis 6 Linien und darüber geführt werden; eben so -wechselnd ist ihre Länge und ihre Anzahl. Selbstverständlich sind grössere Gefässe und Nerven zu schonen.
Ausführung der Operation.
Die Operation wird gewöhnlich am stehenden Thiere gemacht; bloss dann, wenn es sich um das Scarificiren wichtiger Theile han­delt, legt man das Thier und befestiget dasselbe in entsprechender Weise. Pferde werden meist gebremst.
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Das in der vorgeschriebenen quot;Weise gehaltene Instrument senkt man bis zu der erforderlichen Tiefe ein und macht die nöthige An­zahl von Einschnitten in grösserer oder geringerer Entfernung von einander. Wurde die Operation der örtlichen Blutentziehung wegen vorgenommen, so sucht man das Ausfliessen des Blutes durch einen leichten Druck, durch Waschen mit lauem Wasser so lange zu beför­dern, bis man die gewünschte Menge Blutes erhalten hat. Die Blutung hört gewöhnlich von selbst auf; nur ausnahmsweise erheischt sie Kunsthilfe.
Einzelne, wenn auch im Allgemeinen nicht wesentliche Ab­weichungen ergeben sich bei dem Searificiren bestimmter Gebilde, an denen diese Operation örtlicher Blutentzieliungen wegen vorgenommen wird. Zu diesen Organen gehören: Die Bindehaut des Auges, der Gaumen, die Zunge, das Euter und die Fleischtheile des Hufes.
Das Searificiren der Bindehaut des Auges, welches bei heftigen Entzündungen derselben angezeigt ist, führt man nach H e r t w i g in der Weise aus, dass man unter das Augenlid des Thieres, dessen Kopf von verlässlichen Gehilfen festgehalten wird, ein Knopf­bistouri flach einschiebt, sodann die Schneide gegen das Lid wendet, das Instrument unter einem sanften Drucke gegen die Conjunctiva zurückzieht und nun in gleicher Weise den zweiten, gleichfalls bloss eine Linie tiefen Einschnitt in der Entfernung eines halben Zolles von dem ersten macht, während Hering den zwischen den Lidern vorgedrängten Theil der Bindehaut mit der Lancette ein- oder zwei­mal in querer llichtung einschneidet. Die Blutung wird durch warmes Wasser nach Erforderniss unterhalten.
Scarificationen des Gaumens sind in wenigen Fällen, wie z. B. in den höheren Graden der entzündlichen Gaumengeschwulst der Pferde, wirklich am Platze, werden jedoch von Unberufenen häufig in mitunter sehr roher Weise und zwar nicht selten zu wirklichem Nachtheile des Thieres und ohne jedweden vernünftigen Grund vor­genommen (das Gaumen- oder Kern stechen). Wohl hat man Blutentleerungen aus dem Gaumen bei Congestivzuständen des Ge­hirnes empfohlen, doch ist bei derartigen, gewöhnlich ohnehin mit starker Aufregung des Thieres verbundenen Leiden ein Aderlass an der Drosselvene nicht nur leichter auszuführen, sondern auch von überwiegendem Vortheile.
Soll der Gaumen scariiieirt werden, so lässt man den Kopf des gebremsten und mit dem Hintertheile an eine Wand gestellten Thieres massig stark in die Höhe richten, stellt sich an die rechte Seite des Kopfes, holt die Zunge mit der linken Hand bis zum Zungenbänd-
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chon über die rechte Lade hervor und drückt die Spitze der in der rechten Hand gehaltenen Fliete zuerst an der linken und sodann, nachdem man die Zunge über die linke Lade aus dem Maul hervor­gezogen hat, auch auf der rechten Seite des Gaumens in der Gegend der 3. oder 4. Furche, etwa 1I„ Zoll von der Mittellinie entfernt in der Längenrichtung derselben, um die Gaumenarterie nicht zu ver­letzen, gegen zwei Linien tief in das Gewebe hinein.
Bei massiger Blutung, welche nach 1li—1 Stunde meist von selbst aufhört, wird das Blut von dem Thiere verschluckt, bei bedeu­tenderer dagegen oder bei vorhandenen Schlingbeschwerden fliesst es aus dem Maule aus und es wird, um einem zu starken Blutver­luste vorzubeugen, Kunsthilfe in Anspruch zu nehmen sein. Kömmt das Blut in einem nicht zu starken Strahle zum Vorscheine, so belegt man nach H er twig's Rathe die Wunde und die Oberfläche der Zunge mit der Hand mit einer etwa fingerdicken Schichte von Mehl, bindet dem Thiere das Maul sogleich fest zu, damit es nicht kauen kann, und lässt es durch 6 bis 8 Stunden ruhig stehen. Ist die Blutung sehr stark, so muss man zur Tamponation, zur Anwendung des Glüh­eisens oder zur Unterbindung schreiten. Behufs der Tamponation bringt man einen in Essig, Branntwein oder in adstringirende Flüssig­keiten getauchten Schwamm, einen Leinwand- oder Wergballen auf die blutende Stelle und hält ihn mittelst einer breiten Binde fest, deren mittleren Theil man auf den Ballen legt, deren Enden aber man von beiden Seiten zu dem Nasenrücken in die Höhe führt, sie hier kreuzt, sodann die Gänge über den Ballen wiederholt und sie festnäht, oder man erhält den Ballen sammt dem auf ihn gelegten, der Grosse und Form des Gaumens angepassten Stücke Sohlenleder oder einem eben solchen Brettchen durch eine in der früher erwähnten Art an­gebrachte Binde in seiner Lage, oder man klemmt ein genau zwischen beide Reihen der Backenzähne passendes Brettchen, welches an den Seitenrändern in der Gegend der Maulwinkel seitliche Fortsätze zum Anbringen der über der Nase zu knüpfenden Bänder besitzt, zwischen den Zähnen fest. Nach 8 bis 12 Stunden kann der Druekverband besei­tiget werden. Das Betupfen mit dem knopfförmigen Glüheisen stillt die Blutung nicht in allen Fällen dauernd. Behufs der Unterbindung muss man der, zwischen beiden Gaumenarterien vorhandenen Anastomosen wegen eine doppelte Ligatur u. z. vor und hinter der Wunde anlegen.
Scarificationen der Zunge werden bei hochgradigen Ent­zündungen dieses Organes mitunter nothwendig und sind bei densel­ben von ausgezeichneter Wirksamkeit.
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Man macht bei eingelegtem Maulgitter mit dem Bistouri oder mit der Lancette an der unteren Fläche der Zunge jederseits einen oder zwei Einschnitte, welche Va ^s % Zoll von der Mittellinie ent­fernt vom Zuugenbändchen gegen die Spitze hin geführt, eine Länge von 1 % bis 2 Zoll und eine Tiefe von 1/4 bis 1/i Zoll haben müssen, wenn sie dem Zwecke entsprechen sollen. Auch an der oberen Fläche des Organes können, wenn es der nicht selten sehr bedeutenden An­schwellung wegen ausführbar ist, ähnliche Einschnitte gemacht werden.
Ohschon immer stärkere Acste der Zungenarterie und der Vene verletzt werden, hört die Blutung dennoch nach Ablauf von 15 bis 30 Minuten von selbst auf, indem der Umfang der Zunge abnimmt, und somit auch die quot;Wundeu sich verkleinern. Sollte dieses jedoch nicht der Fall sein, so versucht man adstringirende Arzneistoffe.
Scarific ation en des Euters leisten gegen Euterentzün­dungen der Hunde und Schafe, bei welcher letzteren Thiergattung das zeitweilig epizootisch auftretende und dann äusserst rasch verlaufende Leiden häufig zu brandigem Absterben der Drüse führt (sog. brandige Euterentzündung) erspriessliche Dienste, und sind fast das einzige Eettungsmittel, jedoch müssen sie in der Längenrichtung des kranken Theiles des Euters so tief geführt werden, bis die Thiere lebhaften Schmerz äussern; die Zitzen so wie gesunde Stellen werden geschont. Die meist nur geringe Blutung wird durch warmes quot;Wasser unterhalten.
Die früher bei Hufentzündungen so angepriesenen Scarifica-tionen der F leisch theile des Hufes haben sich bei den grös-seren Hausthieren im Allgemeinen als entbehrlich erwiesen, und ört­liche Blutentleerungen aus diesen Gebilden werden fast einzig und allein bei Schafen und Schweinen vorgenommen, indem man entweder die Klauenspitze wegschneidet oder Einschnitte in die Ballen macht. Die Scarificationen an der Krone sowohl, so wie jene an der Fleisch­sohle liefern nur geringe Blutmengen und jene an der Sohle haben zugleich den ISachtheil, dass durch das darauffolgende Anschwellen und Hervor­quellen der verletzten Fleischsohle der Heilungsprocess eine wesent­liche Störung erleidet. Die Anwendung der Kälte und nöthigenfalls allgemeine Blutentleerungen ergeben dieselben Kesultate, wie die Sca­rificationen und es erscheint die Vornahme derselben höchstens in den­jenigen Fällen gcrechtfertiget, in denen der Brand einzutreten droht.
Um die Fleischsohle zu scarificiren, schneidet man das Horn in oder hinter der weissen Linie, besonders am Zehentheile, ganz dünn, macht sodann mit dem Einnmesser oder mit dem Bistouri einen oder mehrere senkrechte, vom Rande gegen die Mitte gerichtete Schnitte
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in die Fleischsohle, befördert die Blutung durch Einstellen des Fusses in -warmes Wasser, muss jedoch nach stattgehabter Blutentziehung die Kälte anwenden, um Eiterung zu verhüten.
Ungünstige Ereignisse.
Als solche können bei dem Scarificiren Verletzungen grös-serer Gefässe und Xerven, sowie die bereits besprochenen zu starken Blutungen beobachtet werden.
b. Das blutige Schröpfen.
Diese Methode, örtliche Blutentleerungen vorzunehmen, findet bei Thieren der dichten Behaarung und des stark entwickelten Haut­muskels wegen eine äusserst beschränkte Anwendung, da die, durch das Schröpfen erzeugte quot;Wirkung ausserdem auch durch andere weniger umständliche Verfahren hervorgerufen werden kann. Man macht von dem blutigen Schröpfen höchstens versuchsweise bei solchen Krank­heiten, bei denen man eiue Ableitung für heilsam hält, z. B. bei Lähmungen u. dgl. Gebrauch. Am besten eignen sich zum Schröpfen flache Körperstellen mit nicht zu straff gespannter Haut, unter welcher stärkere Muskellagen sich vorfinden.
Instrumente und Ausführung der Operation.
Die zu dem blutigen Schröpfen erforderlichen Geräthschaften sind: S ehr öpfköpf e, ferner eine Lancette oder der Schröpf­schnäpper.
Die S chiöpfköpfe sind glocken- oder becherförmige Gefässe ans Me­tall oder Glas, welche eine Höhe von 1 % bis 3 Zoll und an ihrem offenen Ende, dessen Eand ganz glatt und eben sein muss, eine Weite von 1 '/4 bis 2 Zoll Durchmesser haben. Anstatt dieser werden hie und da auch die Schröpfhörn­chen, das obere, gut ausgehöhlte Stück eines Ochsenhornes, dessen Spitze schief abgeschnitten, somit offen, aber mit einer leicht beweglichen, genau schliessen-den Klappe versehen ist, benützt.
Die Verdiinnung der Luft im Schröpfkopfe wird entweder durch Wärme mittelst angezündeten Weingeistes oder Papiers, Baumwolle u. dgl. oder durch Auspumpen mittelst einer kleinen Spritze bewirkt, während mau die Luft in dem auf die betreffende Körperstelle aufgesetzten Sohröpfhörnchen durch Saugen an der Spitze verdünnt und die Klappe durch einen mit der Zunge auf dieselbe angebrachten Druck sehliesst.
Der Schröpfschnäpp er besteht aus einem metallenen Gehäuse von Würfelform, in welchem die Flieten und der dieselben in Bewegung setzende Mechanismus eingeschlossen sind. Die untere Platte des Gehäuses ist gegen
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die obere durch eine Stellschraube, die sich an der oberen Platte befindet, be­weglich und kann dieser genähert oder von ihr entfernt werden, wodurch die Flieten mehr oder weniger durch die Einschnitte der unteren Platte hervorragen. Die Flieten, meistens 12 bis 16 an der Zahl, sind an zwei oder drei querlie­genden Achsen senkrecht befestiget, können mittelst eines in einem Ausschnitte der oberen ' Platte laufenden Spannhahnes zurückgezogen und festgestellt und mittelst eines an einer Seitenfläche angebrachten Drückers zurückgeschnellt werden.
Das bei dem blutigen Schröpfen einzuschlagende Verfahren ist nachstehendes:
Nachdem man an der zu schröpfenden Körperstelle die Haare entweder abrasirt oder dieselben nach vorherigem Bestreichen mit Fett möglichst glatt gestrichen hat, bewirkt man eine örtliche Blutanhäu-fung durch Aufsetzen des Schröpfkopfes, in welchem man die Luft verdünnt hat. Ist die Haut in Turgescenz gebracht, so dass sie inner­halb des Schröpfkopfes eine halbkugelige Anschwellung bildet, so nimmt man den Schröpfkopf ab, indem man die Haut an irgend einer Stelle seines Bandes niederdrückt, damit Luft eindringen könne, er­greift den Schnäpper mit der rechten Hand so, dass der Daumen auf die eine Seitenplatte dicht hinter dem Drücker, der Mittel- und King­finger auf die entgegengesetzte Seitenplatte, der Zeigefinger auf die vordere, der kleine Finger auf die hintere Platte zu liegen kommen, setzt die untere Platte überall gleichmässig auf die Haut auf und drückt den Schnäpper mit dem Daumen los. Um mehr Blut zu ent­leeren, setzt man den Schnäpper sogleich an derselben Stelle noch einmal auf, so dass man zweierlei sich rechtwinklig kreuzende Ein­schnitte erhält. Diese Scarificationen mit der Lancette zu machen, ist #9632;viel umständlicher und zeitraubender. Hierauf wird der Sohröpfkopf wieder aufgesetzt und so lange an seinem Orte belassen, bis er zum grössten Theile mit Blut gefüllt ist. Das Aufsetzen des Schröpfkopfes kann so lange wiederholt werden, so lange die Blutung andauert. Schliesslich wird die Operationsstelle mit warmem Wasser gereiniget. Die Zahl der aufzusetzenden Schröpfköpfe ist je nach dem beabsich­tigten Zwecke eine verschieden grosso.
2. Die Infusion
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3. die Transfusion.
Unter Infusion versteht man dasEingiessen oder Einspritzen von Flüssigkeiten, besonders aber flüssi­ger Arzneistoffe in die geöffnete Vene eines lebenden Thieres, unter Transfusion dagegen jenes operative Ver-
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fahren, durch wel ches Blut eines lebenden Thieres in das Blut gef äs ssy s tem eines anderen Thieres gebracht wird.
Zweck der Infusion ist (abgesehen von den behufs der Aus-mittelung der Arzneiwirkungen angestellten Yersuohen), Arzneistoffe auf dem kürzesten Wege in das Blut zu bringen, um schnelle sowohl, als auch kräftige Wirkungen hervorzurufen, entweder weil z. B. die Einführung der Medikamente in den Magen unmöglich ist, wie bei dem Starrkrämpfe, bei fremden, im Schlünde steckenden Körpern, oder weil die Reizempfänglichkeit für Medikamente bedeutend abgestumpft ist und man somit durch Einverleibung derselben auf gewöhnlichem Wege nur schwache quot;Wirkungen erzielen würde, wie bei dem Dumm­koller. Durch die Transfusion beabsichtiget man die durch bedeu­tende, in Eolge von Verwundungen, nach Geburten entstandene Blutver­luste erzeugte Anämie und die hieraus entspriugende Gefahr für das Leben des Thieres zu beseitigen.
Man unterscheidet eine unmittelbare und eine mittelbare Transfusion; bei ersterer wird das Blut aus den Gefassen des einen Thieres unmittelbar in jene des anderen geleitet, während bei letzterer das aus der Ader gelassene und in einem Behälter auf­gefangene arterielle oder venöse Blut mittelst einer Spritze oder mit­telst eines Trichters in die Vene des zweiten Thieres gebracht wird; es unterscheidet sich daher die mittelbare Transfusion von der Infu­sion nur durch den in die quot;Vene einzubringenden Stoff; die technische Ausführung ist bei beiden Operationen fast dieselbe.
Geschichtliches.
Beide Operationen sollen bereits im hohen Alterthume bekannt gewesen und besonders von ägyptischen Priestern geübt worden sein. Die Infusion wurde erweislich zuerst von einem Rittmeister, Georg von Wahrendorf, im J. 1642 an seinen Jagdhunden vorgenommen, denen er durch einen, in die geöffnete Vene eingebrachten Hühner­knochen Wein oder Branntwein, selbst Arzneistoffe eingoss. Zu wis­senschaftlichen Zwecken injicirte Wren in England (1636) Arzneien, z. B. Opium in spanischem Weine gelöst, in die Schenkelvene grosser Hunde mittelst einer Spritze oder mittelst einer, mit einem kleinen Röhrchen versehene Blase. Clark infundirte Wasser, Bier, Milch, Wein, viele Brech-, Purgir-, harntreibende Mittel, und versuchte so­wohl die unmittelbare, als auch die mittelbare Transfusion an zahl­reichen Thieren. Lower zu Oxford (1666) machte bei einemHimde
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dem er aus der Jugularvene Blut bis zur Ohnmacht entleerte, die Transfusion mit günstigem Erfolge und in der Weise, dass das Blut aus einer grossen Arterie des einen Thieres mittelst ineinander ge­steckter Bohren in die Yene des anderen neben ihm liegenden Thieres überströmte. In domseltien Jahre schon wurden Versuche angestellt, Blut aus Schafen in Hunde, aus Pferden in Binder u. s. w. überzu­leiten. V i b o r g und Scheel in Dänemark erwarben sich sowohl um die Infusion, als auch um die Transfusion grosse Verdienste; ersterer transfundirte (1791) Blut rotziger Pferde in gesunde theils mit, theils ohne Erfolg. Helper in Kopenhagen erfand den nach ihm benann­ten, zur Infusion bestimmten Adertrichter, während sich Viborg und Scheel einer besonderen Spritze bedienten. Magendie, Orfila, ITysten, Die ff en bach, Hertwig, Hering u. And. machten in neuester Zeit zahlreiche Versuche mit der Infusion der verschieden­artigsten Stoffe, so wie mit der Transfusion. Die Transfusion wurde überhaupt meist nur an Versuchsthieren ausgeführt; die Vornahme derselben zu Heilzwecken findet äusserst selten statt.
Anzeigen. Beschaffenheit der ein zusp ritz en den Stoff e.
Die Anzeigen zur Vornahme der Infusion und der Transfusion ergeben sich nach den Zwecken, derentwegen beide Operationen vorge­nommen werden, von selbst; die Transfusion hat man wohl auch bei Anämie, welche durch vorhergegangene, meist chronische Krankheiten hervorgerufen wurde, angerathen, indess entsprach der Erfolg den Er­wartungen in solchen Fällen ebenso wenig, wie in jenen, wo man durch das Eingiessen des Blutes junger Thiere in die Venen alter diese letzteren verjüngen wollte. Die verhältnissmässig so seltene Anwen­dung der Infusion findet in dem TJmstande, dass durch die Wahl un­geeigneter Arzneistoffe oder unpassender Gaben, so wie durch fehler­haftes Vorgehen bei der Operation selbst wesentliche Xachtheile für das Leben des Thieres eintreten können, seine Erklärung.
Zur Infusion in die Venen eignen sich bloss solche Substanzen, die nachtheilige Veränderungen im Blute nicht hervorrufen und auch diese nur in sehr verdünnten Lösungen. Zu vermeiden sind Arznei­stoffe, welche das Blut zum Oerinnen bringen, oder sich mit demsel­ben nicht mischen, endlich solche, welche sehr leicht in Dampfform übergehen, so wie alle pulverfdrmigen Körper. Die Anwendung der­artiger Stoffe kann höchst gefahrliche Erscheinungen, ja sogar den plötzlichen Tod des Thieres herbeiführen.
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Die zur Infusion verwendeten Flüssigkeiten sollen eine Tempe­ratur von etwa 30deg; E. haben, indess ist nach H e r in g s Erfahrungen, welcher Thieren selbst bedeutende Mengen Wassers von gewöhnlicher Brunnentemperatur ohne Nachtheil einspritzte, eine derartige Erwär­mung der arzneilichen Lösimgen ganz überhüssig.
Zur Transfusion wählt man Thiere derselben Art und nur im Nothfalle kann man Blut von Thieren einer anderen Gattung benützen, obschon letzterer Vorgang nicht immer gefahrlos ist und nach P r e-vost und Dumas derartiges Blut sogar gleich einem Gifte tödtlich wirken soll, welcher Angabe jedoch die Resultate der von Hering angestellten Versuche widersprechen. Ohne Is achtheil kann jedoch das zu benützende Blut durch mehrere Stunden der Luft ausgesetzt oder selbst seines Faserstoffes beraubt werden.
In Betreff der Menge des Blutes, welches immer aus den Venen genommen wird, ist zu bemerken, dass etwa der dritte oder vierte Tbeil der verloren gegangenen Blutmenge hinreiche, die durch den Blut­verlust herbeigeführten Gefahren zu beseitigen und dass es gerathener sei, die Operation im Nothfalle lieber zu wiederholen, als zu viel Blut auf einmal zu transfundiren.
Instrumente.
Sowohl zur Infusion, als auch zur Transfusion benöthiget man zuerst die zur Eröffnimg der Vene und zur nachherigen Versah lies sung der A derl ass wunde erforderlichen, be­reits bekannten Instrumente, oder statt dieser, wenn man es vor­zieht, die Vene früher blosszulegcn. Sehe ere, Bistouri, Pincette, Nadel und Faden; zur eigentlichen Operation dagegen einen T r i o h-ter oder eine Spritze.
Der zur Infusion gebräuchliche Trichter von Helper ist aus Horn gearbeitet, etwas über 3 Zoll lang, fasst etwa 1 l/a Quentchen Wasser und be­steht ans zwei znsammenschraubbaren Theilen. Der obere, trichterförmige Theil ist 16 Linien lang, und hat an seinem weitesten Theile 10 Linien im Durch­messer ; der untere, 25 Linien lange und 1'/, Linie starke Theil wird gegen das mit einem kleinen Knöpfchen versehene untere Ende etwas dünner und ent-liält in seinem Inneren einen gegen % Linien weiten Kanal, in welchem ein genau in denselben passendes und über den oberen Eand des Trichters auf bei­läufig einen halben Zoll vorstehendes Fischbeinstäbchen liegt, welches das Ein­dringen der Luft in die Vene verhindert und zugleich zur Beseitigung etwaiger den Kanal verlegender Blutgerinnsel dient.
Der zur Transfusion vonHcring empfohlene Trichter fasst 2 bisi?'/, Unzen Blut, ist gegen 6 Zoll laug, oben l'/j Zoll im Durchmesser weit und
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besitzt eine fedorkieldicke, gerade oder gekrümmte Rohre, welche in die Venen-wunde gesteckt wird.
Zur Infusion kann man eine gewöhnliche Wundspritze von Zinn oder eine Spritze von Glas mit gut passendem Stempel und abgerundetem Rohrchen verwenden, zur Transfusion dagegen bedient sich Hertwig einer zinnernen Spritze, die je nach der Grosse und Gattung des Thieres l'/j bis 6 Unzen Blut fasst. jedoch einen hinreichend weiten Cylinder besitzt, damit das Blut in demselben nicht gerinne. Man bringt das Ansatzrohr entweder unmittel­bar in die Vene oder legt früher ein federkieldickes Röhrchen (T ran sfu sions-r ö h r c h e n) in die Gefiisswunde ein. Hering spricht sieh jedoch gegen den Gebrauch einer Spritze aus, da hiebei leicht Luft in die Vene gelangen kann.
Ausführung der Operation.
Um Einspritzungen von Arzneien vorzunehmen, wählt man gewöhnlich die Drosselvene und kann in diesem Falle die Opera­tion am stehenden Thiere machen; wählt man dagegen eine Hautvene an den Gliedmassen, so muss das Thier gelegt werden, da es sich meist um vorherige Blosslegimg des Gefässos handelt.
Bedient man sich des Adertrichters, so führt man das un­tere Ende desselben in die wie zum Aderlasse geöffnete und etwas comprimirte •Jugularvene einer oder der anderen Seite u. z. in der Richtung nach dem Herzen zu ein und schiebt ihn bis zu dem trich­terförmigen Theile in diese hinein. Sollten hiebei Schwierigkeiten auf­treten, so lässt man, indem man die Vene stärker comprimirt, das Blut in einem starken Strahle austliessen und bringt nun die Spitze des Trichters mitten durch den Strahl in die Ader. Am leichtesten gelingt, wie Hering bemerkt, dieses Einführen des Trichters, wenn man die Vene am oberen Theile des Halses eröffnet und bevor das Thier Bewegungen mit dem Halse gemacht hat. Dass das Instrument wirklich in der Vene sich befinde, erkennt man aus der leichten Ver-sehiebbarkeit desselben nach auf- und abwärts, wobei man gleichzei­tig die glatte quot;Wandung des Gefässes fühlt; zugleich dringt, wenn das Fischbeinstäbchen emporgezogen und die Vene comprimirt wurde, Blut in den Trichter. Fehlen diese Merkmale, so ist man nicht in die Vene gelangt, sondern hat im Zellgewebe neben derselben einen falschen Weg gebildet; der Trichter muss sofort herausgezogen und die Einführung desselben neuerdings versucht werden. Ist dagegen das Instrument an Ort und Stelle, so giesst man das bereit gehaltene Medikament in dasselbe, zieht das Fischbeinstäbchen in die Höhe und ermöglichet so das Abtliessen der Flüssigkeit in die Vene ; ist dieses
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nahezu beendet, so giesst man entweder den Rest des Medikamentes nach oder man bringt das Stäbchen, um das Eindringen von Luft zu hindern, rasch an seinen früheren Platz, zieht den Trichter aus, und verschliesst die Wunde wie nach dem Aderlasse. Erfährt der Ab-fluss des Arzneistoifes eine Hemmung, so ist entweder die Spitze des Trichters zu stark gegen eine Venenwand gedrückt oder der Kanal desselben durch Blut verlegt; in dem ersteren Falle gibt man dem Instrumente eine andere Biehtung, in dem letzteren macht man die Röhre durch Einführung des Stäbchens wieder wegsam.
Wird die Infusion mittelst der Spritze ausgeführt, welches Verfahren meist nur an kleinen Versuchsthieren z. B. Hunden, Katzen, u. s. w. Anwendung findet, so bringt man das Ansatzrohr des mit der Flüssigkeit angefüllten Instrumentes in die meist früher blossgelegte und durch einen Stich eröffnete Vene und entleert den Inhalt der Spritze durch langsames Vorschieben des Stempels, damit ein zu star­ker, immer von bedenklichen Folgen begleiteter Druck von Seite der zu injicirenden Flüssigkeit auf den Blutstrom verhütet werde. Nach beendeter Infusion wird die Vene unterbunden.
Die unmittelbare Transfusion, bei welcher das Blut des einen Thieres mittelst Röhren in das andere übergeführt wird, hat die Nach-theile, dass sie complicirte Apparate, welche bei der Unruhe der Thiere leicht in Unordnung gerathen, erheischt, dass man über die Menge des übergeflossenen Blutes im Unklaren bleibt und dass das Blut in der Röhre sogar gerinnen kann, dieselbe ist daher bei unseren Haus-thieren nicht anwendbar.
Um die mittelbare Transfusion vorzunehmen, entleert man einem gesunden Thiere Blut aus einer Vene, fängt dasselbe in einem mensurirten Gefässe auf, und giesst es in noch ganz flüssigem Zustande durch den in die Jagularvene des kranken Thieres eingeführ­ten Trichter in der Richtung des Blutstromes ein. Um hier das Ein­dringen von Luft in die Vene zu verhüten, darf man entweder den Trichter nie ganz leer werden lassen, sondern muss, sobald derselbe nur wenig Blut mehr enthält, sogleich eine neue Quantität nachgiessen, oder man muss die Röhre durch Drehen des Hahnes absperren. Dieses von Hering geübte Verfahren hat den Vorthcü, dass binnen kurzer Zeit und ohne viel Mühe eine verhältnissmässig bedeutende Menge Blutes transfundirt werden kann. H e r t w i g vollführt die Transfusion mittelst einer Spritze in der bei der Infusion angegebenen Weise durch die Aderlasswunde oder nach vorheriger Blosslegung der Vene, um welche zwei Unterbindungsfäden, zwischen welchen das Gefäss
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aiigestochen wird, in einem. Abstände von etwa einem Zoll gelegt #9632;werden; der obere Faden wird sogleick geknüpft, die Enden des un­teren dagegen nach dem Einbringen der Spritze oder des Transfusions-röhrchens so zusammengedreht, dass die Vene an den genannten Instru­menten überall genau anliegt; nach geschehener Transfusion entfernt man den unteren Faden und legt an der Hautwunde die Knopfnaht an.
Ungünstige Ereignisse.
Als solche sind anzuführen: Gefahrdrohende Erschei­nungen, selbst plötzlicher Tod, bedingt durch Eintritt von Luft in die Vene oder durch Veränderung des Blutes als Folgen der An­wendung ungeeigneter Medikamente, ferner mehr weniger heftige Ent­zündungen der quot;Wunde, selbst der Vene, veranlasst durch Ein­dringen der Arzneistoffe in das Zellgewebe. Wohl einzig in seiner Art ist der von Lehmann veröifentlichte Fall, in welchem der Adcr-lasstrichter in die Vene schlüpfte, in das Herz und weiter in die Lun­genarterie gelangte und den Tod des Pferdes herbeiführte.
4. Die Blutstillung.
Blutgefässe werden bei jeder Verwundung, mag dieselbe zufällig entstanden oder absichtlich herbeigeführt worden sein, bald ganz, bald theilweise getrennt und Blutung ist daher eine hiebei gewöhnliche Erscheinung; dieselbe muss jedoch besonders dann die ganze Aufmerk­samkeit des Thierarztes in Anspruch nehmen, wenn sie in einem hef­tigen Grade auftritt oder durch längere Zeit andauert. Selbstverständ­lich ist jedoch ein operatives Verfahren nur bei Blutungen, deren Quelle zugänglich ist und bei denen somit eine unmittelbare Einwir­kung auf die blutende Stelle ausführbar erscheint, von einigermassen sicheren Erfolgen begleitet.
Alle Mittel, welche zur Stillung von Blutungen in Gebrauch gezogen werden, können nur dadurch wirken, dass sie eine Gerinnung des Blutes herbeiführen und so denselben Vorgang veranlassen, den man bei spontanem Aufhören einer Blutung beobachtet. Wird näm­lich eine kleinere Arterie vollständig durchschnitten, so zieht sich die­selbe von der quot;Wundfläche etwas zurück, so dass die umliegenden Theile mehr oder weniger vor die Gefässmündung zu liegen kommen, das freie Ausströmen des Blutes behindern und so zur Bildung eines, das weitere Ausfliessen von Blut gänzlich hemmenden Gerinnsels vor
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dem Gefässlumen Anlass geben; auch im Inneren des Gefässendes bildet sich ein bis zum nächsten Arterienzweige reichendes, anfangs weiches und nur locker anhängendes Gerinnsel, welches später fest wird und sich in Verbindung mit dem, durch Entzündung der Gefässhäute gesetzten Exsudate organisirt, wodurch nach und nach eine dauernde Yerschlies-sung des Gefässes, welches sich weiterhin in einen fibrösen Strang umwandelt, herbeigeführt wird.
Die operativen Verfahren, Blutungen, die in Folge von Ver­wundungen auftraten, zu stillen, sind: 1. die Compression; 2. die Tamponation; 3. die Anwendung des Glüheisens; 4. die Unterbindung; 5. die Torsion der Gefässe; 6. die Gefäss-durohschlingung und 7. die Acupressur.
Geschichtliches.
In den ältesten Zeiten war in Folge der nur mangelhaften Kennt-niss der Mittel, Blutungen zu stillen, die Furcht vor diesen letzteren eine bedeutende und diese war Ursache, dass man z. B. mittelst mes-serförmiger Brenneisen Theilc abtrug, dieselben abband u. s. w., um dem Eintritte von Blutungen vorzubeugen; Verfahren, die aus gleichem Grunde auch heutzutage noch in der Thierhoilkunde Anwendung fin­den. Die Drehung des mit einem scharfen Haken erfasstcn Gefässes empfahl zwar bereits Galen, indess sind doch Amussat (1829) und Thierry die eigentlichen Erfinder der Torsion, wie sie als Blut­stillungsmethode gegenwärtig geübt wird. Fricke, Köhler, Eemak, Lieber, Gurlt und H er t wig, welcher letztere auch über die von Stilling im J. 1834 bekannt gemachte Gefässdurchschlingung Er­fahrungen sammelte, studirten die quot;Wirkungen der Torsion durch neue Versuche an Thiercn. Das Zurückschieben der inneren Arterienhäute ist eine Erfindung Amussat's, die Acupressur eine Erfindung des durch die Einführung des Chloroforms bekannten Chirurgen Simp­son in Edinburgh.
Anzeigen. Ausführung der einzelnen Methoden. 1. Die Compression.
Dieses Verfahren wird angewendet, um dem Eintritte einer Blu­tung vorzubeugen, wie z. B. vor dem Hufknorpelschnitte, oder um eine bestehende Blutung entweder dauernd, wie diess bei kleinen, besonders bei Längen wunden selbst grösserer Gefässe z. B. der Dros-
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selarterie möglich ist, oder wenigstens für so Lange, ehe man ander­weitige hiezu geeignete Mittel orgreifen kann, zu stillen.
Die Compression kann entweder mit den blossen Fingern oder mit Zuhilfenahme gewisser Geräthschaften ausgeübt werden.
In dem ersteren Falle setzt man den Finger auf das blutende Gefassende und hindert so das Ausströmen des Blutes so lange, bis sich entweder ein Blutpfropf gebildet oder bis der Verschluss des Ge-fässes auf eine andere quot;Weise stattgefunden hat, oder man übt einen Druck auf den zuleitenden Theil der verletzten Arterie u. z. am sichersten an einer Stelle, wo dieselbe auf einer festen Unterlage z. B, auf einem Knochen aufliegt, aus, und unterbricht derart den Zufluss des Blutes zur Wunde. Indoss ist dieses Verfahren viel zu ermüdend und bei unruhigen Thieren nicht einmal ausführbar.
An den Gliedmassen kann ein starker Druck mittelst eines um dieselben herumgeführten und festgeschnürten Bandes oder mittelst eines Tourniquets, dessen Einrichtung bereits früher auseinander­gesetzt wurde, ausgeübt werden, wodurch wohl das Aufhören der Blu­tung erzielt, gleichzeitig aber der gewichtige Nachtheil herbeigeführt wird, dass nicht nur das verletzte Gefass, sondern auch alle übrigen Gebilde dem Drucke und den durch ihn hervorgerufenen Störungen ausgesetzt sind, wesshalb die in dieser Art ausgeführte Compression nur im äussersten Nothfalle und nur für ganz kurze Zeit Anwendung finden darf.
Eine sehr vollständige Compression kann mitunter durch Anle­gung der blutigen 'Naht erzielt werden,
2. Die Tamponation.
Die Tampon ade, d. h. das Ausstopfen einer Höhle, aus welcher Blut ausfliesst, mit Werg, Charpie oder ähnlichen Substanzen, ist in jenen Fällen angezeigt, wo Gefässe in grösserer Anzahl bluten oder wo ein einzelnes, grösseres Gefäss getrennt ist, zu welchem man direct nicht gelangen kann, um auf eine andere Weise der Blutung Einhalt zu thun, z. B. nach der Ausschälung grösserer Neubildungen nach der Operation der Samenstrangentartungen u. dgl.
Dieses Verfahren ist wohl leicht ausfahrbar und leistet beson­ders dann, wenn unter den blutenden Gefässen feste, unnachgiebige Theile liegen, gute Dienste, hat jedoch den ücbelstand, dass ein frem-(jgr Körper in die Wunde eingebracht wird, welcher dieselbe eines-
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theils verunreiniget, anderstheils reizt und demzufolge Eiterung be dingt; es ist aus diesem Grunde daher bei Wunden, welche durch schnelle Vereinigung heilen sollen, nicht zulässig.
Die zur Ausfüllung der quot;Wundhohle bestimmten Tampons müssen hinreichend fest gewickelt sein, widrigenfalls der von Seite derselben auf die Wandungen der Höhle ausgeübte Druck, von welchem die ganze Wirksamkeit dieser Blutstillungsmethode abhängt, nicht hinläng­lich stark ist, um der Blutung Einhalt zu thun.
Die Tamponation wird in der Weise ausgeführt, dass man, wenn zahlreiche Gefässe bluten, den ganzen Hohlraum mit gleich grossen Tampons ausfüllt oder dass man, wenn die Blutung aus einem grös-seren Gefässe stattfindet, somit vorzugsweise auf diese Stelle ein stär­kerer Druck erforderlich ist, auf diesen Punkt einen festen, kleinen Tampon anbringt, auf denselben einen zweiten, etwas grösseren legt, und diesen Vorgang fortsetzt, bis die Höhlung gänzlich von den kegel­förmig angeordneten Tampons ausgefüllt ist, welche entweder durch eine um den Körpertheil geführte Binde oder durch 2—3 Hefte der an den Wundrändern angebrachten Knopfnaht in ihrer Lage erhal­ten werden. Den ganzen Verband lässt man je nach der Stärke der vorhanden gewesenen Blutung durch 1—3—5 Tage unberührt liegen oder lockert während dieser Zeit höchstens die angelegte Binde, um einen zu heftigen Druck auf die angeschwollenen Gebilde zu verhüten. Nach Ablauf dieser Frist beseitiget man die Binde oder schneidet die Hefte der Knopfnaht durch und entfernt das Werg, so weit dieses ohne Anwendung von Gewalt, durch welche in Folge des Losreissens des entstandenen Blutpfropfes der abermalige Eintritt der Blutung veranlasst werden könnte, ausführbar ist, wobei man durch Erweichen der in der Tiefe liegenden Tampons mittelst warmen Wassers nach­helfen kann.
3. Die Anwendung des Glüheisens behufs der Stillung von Blutungen wurde bereits besprochen.
4. Die Unterbindung.
Dieses Verfahren, welches überall, wo es überhaupt ausführbar ist, besonders aber bei arteriellen Blutungen die meiste Hoffnung auf einen günstigen Erfolg gestattet, wird, da es auch behufs der Er­reichung anderer Zwecke angewendet wird, in einem eigenen Abschnitte auseinandergesetzt werden.
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8. Die Torsion der Arterien.
Die Drehung oder Torsion der Arterien, welche auf der Beobachtung beruht, dass gequetschte und abgerissene Arterien nicht bluten, besteht darin, dass man das Ende einer vollständig durch­schnittenen Arterie mit einer Pincette fasst und in der Richtung der Längenachse einige Male umdreht. Hiebei zerreisseu die inneren Ar­terienhäute, lösen sich von der äusseren ab und stülpen sich nach einwärts, während die letztere, in einen kegelförmigen Zapfen zusam­mengedreht, das Gefäss verschliesst, worauf in gewöhnlicher Weise Pfropfbildung, Entzündung mit Ausschwitzung und Obliteration des Gefässes erfolgt. Als Vortheil der Torsion führt man die leichte Aus­führbarkeit derselben selbst ohne Gehilfen und weiters den Umstand an, dass kein fremder Körper in der Wunde zurückbleibt, obschon von anderer Seite die Ansicht ausgesprochen wird, dass das zusammen­gedrehte Stück der Arterie ebenfalls wie ein von aussen eingebrach­ter fremder Körper wirke und durch Eiterung ausgestossen werden müsse. Die oben erwähnten Vorzüge sind es, derentwegen die Torsion als Blutstillungsmittel bei solchen Wunden, welche durch schnelle Vereinigung heilen sollen, ferner bei Blutungen aus Eingeweiden, die in Höhlen zurückgebracht werden müssen, angerathen wird. Mit ent­schiedenem Yortheile jedoch wendet man die Drehung an kleinen Arterien während der Vornahme von Operationen an, um nicht durch die umständlichere Unterbindung derselben aufgehalten zu werden. Dagegen ist der Erfolg dieses Verfahrens, welches Her twig an Ar­terien jeder Grosse, wenn sich dieselben auf 2—6 Linien weit aus den umgebenden Theilen hervorziehen lassen, für ausführbar erklärt, bei grösseren Arterien immer unsicher und die Torsion der Unter­bindung stets nachzusetzen, indem, wenn die Umdrehungen nicht in genügender Zahl vorgenommen wurden, der Zapfen sich wieder auf­drehen kann und Nachblutungen eintreten, oder indem sich zuweilen Vereiterung des Zapfens, selbst Gefässentzündung einstellen, welches letztere Leiden besonders nach der Torsion der Venen beobachtet wird.
Die Torsion, zu welcher man bloss eine oder zwei Pincetten benöthiget, kann in z w eifacher Weise ausgeführt werden und man unterscheidet eine einfache und eine doppelte Torsion.
Bei der einfachen Torsion, welche eine verhältnissmässig noch häufigere Anwendung findet, als die doppelte, erfasst man das blu­tende Gefäss in der Eichtung seiner Längenachse mit einer Pincette, deren ziemlich breite Fassenden an der inneren Pläche gekerbt sind,
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so, dass die Mündung zusammengedrückt wird, zieht es etwas aus den umliegenden Gebilden und droht dasselbe etwa 4—6 Mal um seine Längenachse, obschon ein vollständiges Abdrehen des gefassten Stückes gleichfalls ohne Nachthoil ist. Die einfache Torsion darf jedoch an grösseren Arterien durchaus nicht ausgeführt werden, indem das Ge-fäss durch die, an demselben sich fortpflanzenden Drehungen in be­deutender Länge von seiner Umgebung losgetrennt und derart zu Ent­zündung und Eiterung Veranlassung gegeben wird.
Die doppeIte Torsion weicht von der einfachen darin ab, dass man, nachdem die Arterie an dem blutenden Ende in der früher er­wähnten Weise mit der Pincette erfasst und hervorgezogen wurde, etwa 6—8 Linien von diesem Ende entfernt eine zweite Pincette an dem Gefasse in querer Eichtung anlegt, dieses fixirt, und so verhin­dert, dass die hierauf vorgenommenen Drehungen, deren 8—12 bei grösseren Schlagadern ausreichen, sich längs des Gefässes fortpflanzen.
Der Torsion ähnlich ist das Zurückschicben dermittlcren und inneren Arterienhaut, welches Verfahren, für die Thier-heilkunde ohne praktischen Werth, derart ausgeführt wird, dass man die Arterie mit einer Pincette mit abgerundeten Armen an dem abge­schnittenen Ende der Quere nach fasst und mit einer, etwas über der ersten angelegten zweiten Pincette einen so starken Druck auf das Gefäss ausübt, dass die inneren Artei'ienhäute zerreissen. Nachdem man hierauf die erste Pincette um ihre Achse gedreht und so die Arterie um die Arme derselben gewunden hat, schiebt man die zweite Pincette etwas nach aufwärts und stopft derart die abgerissenen inne­ren Arterienhäute in das Lumen des Gefässes.
6, Die Gefässdurchschlingung. Dieses gleichfalls gänzlich unbrauchbare Verfahren besteht darin, dass man etwas oberhalb des isolirten und hervorgezogenen Gefäss-endes mit einer schmalen Lancette einen Längenspalt macht und durch denselben eine kleine gekrümmte Pincette führt, mit welcher man das Artcricnende fasst und in den Spalt zieht, eine Art Knoten mit dem Gefässe selbst bildend. Je nachdem man entweder nur eine Arterien­wand einschneidet oder aber durch beide Wände der abgeflachten Ar­terie einen Schnitt macht, unterscheidet man eine einfache und eine doppelte Durehschlingung.
7. Die Acupressur. Durch die erst in neuester Zeit erfundene und auch an Thieren versuchte Acupressur (das Zusammendrücken der bluten-
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den Arterie durch eine Nadel) wollte man gleichfalls die Nach­theile, welche Unterbindungsfdden in einer Wunde hervorrufen, be­seitigen und die Möglichkeit einer Heilung auf schnellem Wege er­leichtern, indess bleibt dieses Verfahren, welches in der Thierhcilkunde nie eine verbreitetere Anwendung finden dürfte, immer nur ein pro­visorisches Blutstillungsmittel, durch welches die Unterbindung nicht entbehrlich wird. Es lässt sich durch die Acupressur wohl eine Blu­tung selbst aus grösseren Arterien zum Stillstande bringen, wie Ver­suche gezeigt haben, indess stellt sich bei der leichten Verschiebbar­keit der Nadel z. B. durch Muskel Wirkung, eben so leicht eine neuer­liche Hämorrhagie ein, und es eignet sich dieses Verfuhren höchstens an kleineren Arterien.
Um eine Blutung durch Acupressur zu stillen, sticht man eine lange Insektennadcl, oder eine lange, dünne, mit einem Köpfchen aus Wachs oder Glas versehene Stahlnadel in der Entfernung von Ya—1 Zoll neben der Arterie in die Wcichtheilc ein, führt dieselbe dicht ober oder dicht unter dem Oefässe fort und sticht sie auf der an­deren Seite desselben in einem gleichen Abstände aus, und drückt so die Arterie durch die Nadel gegen die Wcichtheilc oder besser noch gegen einen Knochen an; sollte diese Compression nicht ausreichen, so sticht man eine zweite Nadel, welche jedoch, wenn die erste Nadel z. B. oberhalb der Arterie verlief, unterhalb derselben zu liegen kömmt, ein und comprimirt so das Gefäss zwischen beiden Nadeln.
Schliesslich verdient ein von Hering angegebenes Verfahren, Blutungen aus kleineren Arterien, deren Ende weit hervorgezogen werden kann, zu stillen, Erwähnung, welches darin besteht, dass man aus dem Ende selbst einen Knopf macht.
Ungünstige Ereignisse.
Als das wichtigste derselben ist die Jf a c h b 1 u t u n g anzuführen, welche nach allen Blutstillungsmethoden sieh einstellen kann, bevor die Obliteration des verletzten Gefässcs zu Stande gekommen ist.
5. Die Unterbindung der Gefässe.
Die Unterbindung oder die Ligatur der Gefässe besteht in der Zusammenschnürung eines Gefiisscs mittelst eines um dasselbe geschlungenen Fadens oder Band-ohens, um die Circulation des Blutes in dem betroffen-
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den Gefässe dauernd aufzuheben und derart entweder bestehende Blutu ngen zu stillen, zu befürchtenden Blu­tungen vorzubauen, oder durch gehemmte Zuleitung des Blutes anderweitige K r ankh eitszustände zu besei­tigen oder die Punotion gewisser Organe zu unter­brechen.
Man unterscheidet: 1. Die Unterbindung blutender Ge-fässenden und 2. die Unterbindung in der Continuität eines Gefässes; in dem er st er en Palle wird die Unterbindung an der Stelle der Yerletzung, wo also der Zusammenhang im Gefass-kanale aufgehoben ist, im letzteren dagegen an einem Punkte des Gefässes, an welchem der organische Zusammenhang nicht gestört ist, unternommen.
Ferner kann das Gefäss allein, ohne von den dasselbe umge­benden Theilen etwas in die Schlinge mitzufassen, unterbunden wer­den, (unmittelb ar e oder i sol irte Ligatur), oder man fasst ausser dem Gefässe noch eine grössere oder geringere Masse der dasselbe einhüllenden quot;VYeichtheile z. B. Haut, Zellgewebe, Muskeln, in die Schlinge und schnürt diese Gebilde mit der Arterie zugleich zusam­men (mittelbare Unterbindung). Die isolirte Unterbindung verdient allenthalben, wo sie ausführbar ist, den Vorzug vor der mittelbaren, welche bei dem Umstände, als die Schlinge mitunter nicht bis zu dem nothwendigen Grade zusammengeschnürt werden kann, und sich früher oder später leicht lockert, einestheils weniger Sicherheit gewährt, an-derstheils aber dadurch, dass Nerven oder andere wichtige Gebilde in die Ligatur gefasst werden, nicht unwesentliche Störungen veranlas­sen kann; hiezu kömmt schliesslich noch der Uebelstand, dass es bei der Masse der unterbundenen Gebilde sehr lange dauert, ehe der Fa­den durch Eiterung losgestossen wird.
Geschichtliches.
Mehrfache Anhaltspunkte machen es wahrscheinlich, dass die Ligatur der Gefässe in der Continuität schon vor Hippocrates geübt wurde, da dieser ihrer als einer bekannten Sache erwähnt. C e 1 s u s empfahl bereits die Unterbindung ober- und unterhalb der Wunde bei Verletzungen der Arterien und Venen, während die Un­terbindung bei Aneurysmen von Antyllus angegeben wurde. Ob jedoch die Unterbindung durchschnittener Gefässe in freier Wundfläche den alten Aerzten ebenfalls bekannt war, ist ungewiss und selbst
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#9632;wenn diess der Fall gewesen sein sollte, so war dieses Verfahren so in Vergessenheit gerathen, dass Ambrosius Pare, welcher theils die mittelbare, theils die unmittelbare Ligatur anwendete, um die Mitte des 16. Jahrhundertes als Erfinder desselben angesehen werden konnte. Die Ligatur der Gefässe wurde im weiteren Laufe der Zeiten viel­seitig verbessert und in ihren Wirkungen besonders von Hunt er, Hodgson, Scarpa, (rräfe. Stilling u. And. genauer erforscht. Dass die Thierärzte des Mittelalters die L'nterbindung blutender Ge-fässenden kannten, geht aus der von Jordan us E uff us, welcher im 13. Jahrhunderte lebte, gegebenen Vorschrift hervor, man solle das blutende Gefäss mit einem Seidenfaden fest zusammenschnüren. Unter­bindungen der Gefasse in ihrer Continuität wurden wohl auch bei einzelnen Krankheiten der Thicre z. B. jene der .Schläfenarterie bei periodischer Augenentzündung, der Carotis bei Hirnentzündung, der Fesselarterie bei Strahlkrebs angerathen, kamen jedoch, da sie die ver­hofften Eesultate nicht lieferten, wieder in Vergessenheit.
Vorgang in den unterbundenen Gefassen.
Wird eine grössere Arterie unterbunden, so wird, wenn man sich eines runden Bändchens zur Unterbindung bediente und dasselbe fest zusammenschnürte, entweder bloss die innere, oder auch die mitt­lere Arterienhaut durchtrennt. Während die äussere Gefässhaut bis zur völligen Verschliessung des Gefässes zusammengeschnürt bleibt, stülpen sich die geborstenen Arterienhäute nach innen um, das Blut gerinnt, da der Blutstrom durch die Ligatur gehemmt ist, zunächst an den Eändern der eingerissenen inneren Häute, es bildet sich ein mit der Spitze nach oben gekehrter, kegelförmiger Blutpfropf, an den sich allmälig neue Gerinnsel ansetzen, welche die häufig bis zum nächsten Seitenzweige reichende Verstopfung des Gefässes vermitteln helfen. An der Unterbindungsstelle selbst entsteht Eiterung und durch diese wird die Ligatur je nach der Stärke des unterbundenen Gefässes, nach der Dicke und Form des Fadens, so wie nach dem Grade der Schnürung bald früher, bald später (unter normalen Verhältnissen etwa zwischen dem 6. und 20. Tage) abgestossen. Das anfangs locker im Gefässe liegende Blutgerinnsel haftet allmälig fester und fester an der Gefäss-wand, entfärbt sich nach und nach, und nach dem Abfallen der Liga­tur ist der Blutpfropf so derb und haftet so fest an der Gefässwan-dung, dass das Lumen dadurch vollkommen verschlossen ist. Der Thrombus schrumpft jedoch allmälig und einige Monate nach der Un-
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terHnclung findet man die Arterie konisch zugespitzt im Bindegewebe der Narbe endigend.
Nach Unterbindung einer grösseren Vene bildet sieh entweder gleichfalls ein Pfropf oder es verwachsen die Wandungen unmittelbar mit einander.
Unmittelbar nach Anlegung der Ligatur um einen grösseren Ge-fässstamm wird der Körpertheil, welchem das unterbundene Gefäsa Blut zuführte, kühler, bald jedoch erweitern sich die kleineren Neben-zweige durch den stärkeren Blutandrang und nach einigen Tagen zeigt sich die Temperatur über das Normale gesteigert; ehe sich in-dess eine regelmässige Circulation eingestellt hat, vergeht immer eine längere Zeit.
Anzeigen zur Operation.
Die Unterbindung blutender Gefassenden ist überall angezeigt, wo Blutungen aus grösseren Gefassen stattfinden, und wo in Yorhincin angenommen werden kann, dass andere Blutstillungsmetho­den nicht hinlänglichen Schutz vor Nachblutungen gewähren. Lässt sieh das verletzte Gefass aus den umgebenden Weichtheilen in erfor­derlicher Länge hervorziehen, zeigt es sich in seiner Structur voll­kommen normal, so wähle man die unmittelbare Unterbindung; kann dagegen das Gefäss, wie diess z. B. bei einer in Folge vorher­gegangener Entzündung entstandenen festen Verwachsung mit den umgebenden quot;Weichtheilen der Tall ist, nicht isolirt werden, sind die Häute desselben in Folge von Krankheitsproccsscn so mürbe und brüchig, dass deren Durchschneidung durch den Unterbindungsfaden zu befürchten ist, oder bluten mehre Gefässo neben einander, welche einzeln nicht unterbunden werden können, so macht man die mittel­bare Unterbindung. Venöse Blutungen machen die Unterbindung nur selten nöthig.
Die Unterbindung der Gefässe in ihrer Continuität ist angezeigt:
1.nbsp; Bei frischen Schnitt- und Hiebwunden, wenn ein grosser Zweig einer Arteric so nahe am Hauptstamme durchschnitten ist, dass an demselben selbst eine Ligatur nicht angelegt werden kann.
2.nbsp; Bei bedeutenden arteriellen Blutungen aus tiefen quot;Wunden, in denen das blutende Gefäss nicht erreicht werden kann oder die Auf­suchung mit bedeutendem Zeitverluste verbunden, eine andere Blutstil­lungsmethode aber nicht anzuwenden ist.
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3.nbsp; nbsp;Bei der sogenannten Aderfistcl, um Blutungen aus der Dros-sehene vorzubeugen; wohl äusserst selten dagegen als Yorakt solcher Operationen, bei denen man eine gefährliche Blutung fürchtet.
4.nbsp; Bei Pulsadergeschwiilsten und Erweiterungen der Venen, wenn dieselben eine solche Grosse erreicht haben, dass deren Berstung zu befürchten ist. *)
5.nbsp; Bei Neubildungen, welche durch Hemmung der Blutzufuhr zum Schwinden gebracht werden sollen, welchen Zweck man auch bei einzelnen Organen, deren Arterien man unterbindet, zu erreichen sucht, z. B. Schwinden des Hodens durch die von Martini angege­bene subeutanc Unterbindung der Samenarteric.
Im Allgemeinen gehören jedoch Unterbindungen von Gefässen in der Continuität zu den an Thieren nur selten geübten Operationen.
Operationsbedarf. Lagerung des Thieres.
Zu der Unterbindung getrennter Gefassenden be-nöthiget man bloss eine Pincette und das Unterbindungsma­te r i a 1 e, wenn nicht gleichzeitig eine Erweiterung der Wunde behufs der Auffindung der Ader nothwendig ist; zu der Unterbindung der Ge fasse in ihrer Continuität braucht man ausserdem ge­krümmte quot;Wundnadeln und die zur Blosslcgung des Gefässes er­forderlichen Instrumente. Zur isolirten Unterbindung reicht man mit Pincette und Faden aus, zur mittelbaren bedarf man mitunter noch quot;Wundnadcln.
Obschon man sich bei dem Erfassen des blutenden Gefässes einer ge­wöhnlichen anatomischen Pincette mit nicht zu scharfen Zähnen bedienen
:i:) Bei beiden G efässkrankheiten hat man die von A muss at an­gewendete A c upunetur, sowie die von Pravaz zuerst vorgeschlagene, von Pe-requin in der Neuzeit besonders angerübmte Galvano-oder Elcctropunc-tu r versucht. Bei dem eis teren Verfahren, welches sich jedoch nicht bewährte, werden feine Nadeln in das erweiterte Gefäss eingestochen und mehrere (3—5) Tage liegen gelassen; auch bei dem letzteren Verfahren sticht man zwei oder mehrere Nadeln von Stahl, welche bis an die Spitze, mit der sie diellaut und die Geschwulst durchdringen, mit einem isolirenden Körper, z. B mit Fir-niss überzogen sind, in die Höhle des Gefässes ein, bringt sie mit den Drähten einer Volta'schen Säule oder irgend einer anderen Batterie in Verbindung, und lässt den galvanischen Strom auf das in der Erweiterung des Gefässes befindliche Blut durch 40—46 Minuten einwirken, um dasselbe zur Gerinnung zu bringen und durch das Coagulum nach und nach die Höhle auszufüllen.
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kann, so zieht man doch eine sogenannte Art erienpin cette vor, deren es verschiedene Formen gibt, die aber alle das Gemeinsame haben, dass sie durch einen mehr weniger complicirten Mechanismus geschlossen gehalten werden können. Man hat wohl auch scharfe Haken zum Hervorziehen des Gefässes, doch sind dieselben schwerer handzuhaben, daher weniger geeignet, als Pincetten.
Als Unterbindungsmateriale wählt man je nach der Stärke des zu unter­bindenden Gefässes entweder Zwirn- oder Seidenfäden, Bindfaden oder schmale Bändchen, welche man, um einen festeren Knoten schürzen zu können, mit Wachs bestreicht. Für ein kleines Gefäss reicht ein einfacher oder doppelter Zwirn- oder Seidenfaden hin, während man für Arterien von der Stärke eines Strohhalmes bis zu jener eines Gänsekieles 3—4 neben einander gelegte Fäden oder einen Bindfaden, für noch stärkere Gefässe 6—12 Fäden oder besser ein schmales, etwa eine Linie breites Bändchen benöthiget. Ist der Faden zu dünn, so schneidet er das Gefäss zu bald durch und es erfolgen Nachblutungen, ist er zu dick, so kann die Schlinge im Verhältnisse zu wenig fest zusammen­geschnürt werden und streift sich nach der Unterbindung getrennter Gefässe leicht ab. Von der Idee ausgehend, dass animalische, als Unterbindungsmateriale benützte Substanzen in der Wunde allmälig aufgelöst und aufgesaugt werden könnten, benutzte man Darmsaiten zur Ligatur, indess ergab deren Anwen­dung durchaus nicht den verhofften Erfolg.
Zu der mittelbaren Unterbindung hatte man früher besondere, nach der Kante gekrümmte, sogenannte Umstechungsnadeln, die jedoch durch ge­krümmte Wundheftnadeln sehr zweckmässig ersetzt werden.
Die Operation kann zwar an grösseren Hausthiereri im Stehen ausgeführt werden; sind die Thiere indess unruhig, haben dieselben bereits einen bedeutenden Blutverlust erlitten, ist Gefahr im Verzüge, so legt man dieselben nieder, was bei kleinen Thieren selbstverständ­lich immer geschieht.
Ausführung der Operation. Um die isolirte Unterbindung eines Gefässes vorzunehmen, reini­get man die Wunde mit einem Schwämme und fasst das zu unter­bindende Gefässende, welches sich gewöhnlich durch den aus demsel­ben hervordringenden Blutstrahl zu erkennen gibt, mit der Pincette so, dass es zwischen den Zähnen derselben plattgedrückt erscheint, zieht es etwas vor, und legt den Faden am besten von unten her entweder um den hervorgezogenen Theil des Gefässes oder um den freien Theil der Pincette, macht eine einfache Schlinge, nimmt dann die Faden­enden in beide Hände, führt sie zur festeren Haltung um die beiden äussersten Finger, schiebt nun die Schlinge mit den Spitzen beider Zeigefinger möglichst weit auf das Gefäss hinauf, schnürt dieselbe durch gleichmässiges, jedoch nicht zu starkes Anspannen der Faden­enden zu und macht einen zweiten Knoten. Das Fassen des Gefässes
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in der Art, dass ein Arm der Pincette in das Lumen desselben ein­geführt wird, während der andere die Wandung von aussen fasst, ist nur bei grö'sseren Gefassen ausführbar und hat das Unangenehme, dass möglicherweise die Unterbindung fehlerhaft ausfällt, indem nur das vorgezogene Stück der Wand durch die Ligatur zusammengeschnürt wird. Ebenso kann man, was besonders dort, wo der Raum zur nach­träglichen Anlegung des Fadens mangelt, vortheilhaft ist, die Schlinge vor dem Ergreifen des Grefässes auf der Pincette zurecht richten. Be­dient man sich eines Arterienhakens, so sucht man mit demselben das Gefäss quer durchzustechen und unterbindet es dann in der eben an­gegebenen Weise. Muss man ohne Gehilfen die Operation ausführen, so lässt man die geschlossene Pincette am Gefässe hängen und hat so beide Hände zur Anlegung der Ligatur frei.
Kann ein blutendes Gefäss, weil es sich entweder zurückgezogen hat, oder weil sich Theile vorlegen, nicht isolirt gefasst und hervor­gezogen werden, so fasst man sämmtliche Weichtheile, aus denen das Blut hervorkömmt, mit einer quer über dieselben angelegten Pincette, und sucht mit einer zweiten Pincette sodann das Gefässende zu er­greifen und hervorzuziehen. In manchen Fällen stellt sich, um zu dem blutenden Gefässe gelangen zu können, eine Erweiterung der Wunde als nothwendig heraus.
Ist die Schlinge angelegt, so schneidet man ein Ende des Fa­dens nahe am Knoten ab, während man das zweite so lang lässt, das es etwas über den Wundrand vorragt, um nach erfolgter Abstossung den Faden herausziehen zu können.
Wurde ein bloss angeschnittenes Gefäss unterbunden, so schnei­det man dasselbe nach angelegter Ligatur vollständig durch, damit die Enden sich zurückziehen können und man vor Nachblutung ge­sichert sei.
Durchschnittene Arterien, besonders solche, welche zahlreiche Anastomosen haben, unterbindet man am sichersten an beiden Enden, widrigenfalls entweder gleich, oder doch später bei Ausdehnung der Nebenäste Blutungen auftreten.
Haben sich die Gefässe zu weit zurückgezogen, um gefasst wer­den zu können, ist auch die Erweiterung der Wunde nicht zulässig, so versucht man die mittelbare Unterbindung u. z. entweder in Masse oder durch Umstechung. Im erste ren Falle ergreift man mit der Pincette, mit dem Haken oder mit den blossen Fingern das blutende Gefäss sammt den dasselbe umgebenden Weichtheilen, zieht die ganze Parthie etwas vor und legt um dieselbe eine feste
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Ligatur an. In dem letzteren Falle führt man mittelst einer Wund­nadel einen Faden um das Gefäss u. z. in einer Entfernung von etwa zwei Linien von demselben durch das Bindegewebe und die Muskulatur und schnürt die in die Schlinge gefassten Theile zusammen, oder man sticht, wenn eine grössere Parthic von Weichtheilen gefasst werden muss, die mit einem starken Bändchen versehene Nadel einige Linien von dem blutenden Gefässe entfernt und ebenso weit unter demselben ein, lässt dieselbe einen Halbkreis in der Tiefe beschreiben und zieht denFa-den nach; nachdem man auf der zweiten Seite, auf welcher man je­doch über dem Gefasse ein- und unter demselben ausstach, ebenso ver­fuhr, unu semit sämmtliche Gebilde um das Gefass umkreiste, beendigt man die Operation mit dem festen Zusammenschnüren der Schlinge.
Die Unterbindung eines Gefässes in seiner Conti-nuität kann entweder in einer Wunde oder an einer unverletzten Körperstelle ausgeführt werden. Ist im ersteren Falle das Gefäss ohne vorherige Präparation zugänglich, so holt man dasselbe mit dem ge­krümmten Zeigefinger so viel als möglich hervor, schiebt eine Hohl­sonde quer darunter, isolir^ es von den anliegenden Thcilen, beson­ders von den begleitenden Nerven gänzlich, führt den Unterbindungs-faden mit einer Wundnadel um dasselbe herum, macht die Schlinge und zieht dieselbe langsam zusammen. Kann man nicht ohneweiters zu dem Gefässe gelangen, so ist die Wunde nach Erforderniss zu er­weitern.
Soll ein Gefäss an einer unverletzten Körperstelle unterbunden werden, so legt man dasselbe bloss, isolirt es gleichfalls und bringt den Faden um dasselbe herum.
Auch bei dieser Art der Unterbindung erscheint die doppelte Unterbindung der Arterien und die sofortige Durchschneidung dersel­ben zwischen den Unterbindungsstellen angezeigt.
Wurde die Unterbindung wegen einer Pulsadergeschwulst vor­genommen, so löset man sofort die ganze Geschwulst vorsichtig aus, und füllt die Wunde mit lockerem Werg an.
Nachbehandlung und ungünstige Ereignisse. Die Nachbehandlung findet ganz nach den allgemeinen, für die Behandlung der Wunden giltigen Eegeln statt. Die Ligaturfäden lässt man so lange unberührt, bis man annehmen kann, dass sie durch den eingetretenen Eiterungsprozess gelöst seien und versucht dann deren Entfernung durch leichtes, vorsichtiges Anziehen an dem aus der Wunde vorstehenden Ende.
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Nachblutungen stellen sich in Folge eines zu lockeren An­legens der Ligatur und somit unvollkommenen Verschlusses des Ge-fässes ein, sind jedoch nicht selten durch ein zu frühes Durchschnei­den sämmtlicher Häute in Folge zu starker Zusammenschniirung, fer­ner durch Anlegen der Ligatur an nur einem Ende der Arterie, durch Abgleiten der Schlinge, durch eitrige Schmelzung des im Gefässe gebildeten Blutpfropfes bedingt. Starrkrampf wurde nach dem Ein­schnüren von Nerven in die Ligatur beobachtet.
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Operationen an den Respirationsorganen.
Die operativen Eingriife, die an den Athmungsorganen geübt wer­den, sind: Die Eröffnung derLu ft sacke, die Eröffnung der Luftröhre, das Aussohneiden des P yr amidenknorp eis beim Pfeiferdampfe und der Bruststich.*)
1. Die Eröffnung des Luftsaekes.
Diese Operation, welche den Zweck hat, die Ent­leerung der im Luftsacke angesammelten flüssigen oder eompacten Massen zu ermöglichen, kann entweder in unblutiger oder in blutiger Weise ausgeführt werden. In dem ersteren Falle führt man eine Eöhre durch die Eustachische Ohrtrompete in den Luftsack ein (Cathete-rismus des Luftsaekes), in dem letzteren bahnt man sich mit­telst schneidender oder stechender Instrumente einen WegvonAussen in den Luft sack (Luftsaekschnitt, Hyo-vertebrotomie).
*) Als hieher gehörend muss ausserdem die, soviel bekanntwurde, zuerst im J. 1857 an der Thierarzneisohule zu Dorpat, später auch an jener zu Dresden unternommene gänzliche Exstirpation der vergrösserten oberen (vorderen) Nasenmuschel beim Pferde erwähnt werden. i!el sämmtlichen Pferden, die der Operation unterworfen wurden, zeigte sich in Folge der theils durch neugebildetes Bindegewebe, theils durch Knochensubstanz veranlassten Vergrössenmg der Nasenmnschel die entsprechende Nasenhöhle nicht nur fast undurchgängig für Luft, sondern es war auch die Nasenscheidewand nach der entgegengesetzten Seite hinübergedrückt und der Raum dieser Seite gleichfalls bedeutend verengert, wesshalb die Thiere an einer mehr weniger heftigen Athemnoth litten.
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Geschichtliches.
Wenngleich französische Thierärzte z. B. G o u b a u x behaupten, bereits Lafosse habe ein Instrument, welches durch das Maul oder durch die Nase in den Luftsaek eingeführt werden sollte, angegeben, und mit demselben auch gelungene Versuche an Cadavern gemacht, und auch Hayne (1833) von der Möglichkeit des Einfiihrens einer Röhre in die Ohrtrompete von dem Maule aus, um Einspritzungen in den Luftsack zu machen, spricht, das Gelingen jedoch für sehr schwierig hält, so gebührt doch die Ehre der Erfindung des Catheterismus des Luftsackes unbestritten dem Professor Günther dem Vater in Hannover, der im J. 1834 die Beschreibung des von ihm zu die­sem Zwecke construirten und nach ihm benannten Instrumentes gab.
Die blutige Eröffnung des Luftsackes wurde zuerst von C h a-bert (1779) beschrieben, und nach der von demselben gegebenen Vorschrift von Barre', Henon u. And. ausgeführt. E. Vi b org (1802) gab eine neue Methode des Luftsacksehnittes an; Dieterichs (1822) verband die Verfahren C h a b e r t 's und V i b o r g 's, was auch neuere französische Thierärzte z. B. Eleouet und L ecoq thaten. Girar d (1806) gibt ein Verfahren an, um von der Nase aus in den Luftsack zu dringen, durch eine Gegenöffnung neben dem Kehlkopfe herauszu­kommen und ein Eiterband auf diesem Wege durchzuführen; 1810 suchte man mittelst eines, durch den unteren Nasengang bis an die hintere Wand des Sohlundkopfes geführten langen und geraden Troi-karts die Wand des Luftsackes zu durchstechen, um den in der Höhle des Organes enthaltenen Flüssigkeiten einen Ausweg durch die Canule des Troikarts zu bahnen. Mazza eröffnete den Luftsack nach Cha-bert's Methode, führte jedoch sodann ein Eiterband vom Luftsacke aus durch die Eustachische Bohre und die Nase. R o h 1 w e s gab, um die Gefahr einer Verletzung von Gefässen und Nerven zu beseitigen.
Die stets von gutem Erfolge begleitete Operation wurde am gelegten Thiere in der Weise vorgenommen, dass man in dein oberen Winkel des von der oberen Grenze des Nasenbeines bis zu dessen Spitze reichenden Hautschnittes mit der Trephine ein Knochenstück heraussägte, von dieser Kreisöffnung an bis zum unteren Wundvvinkel ein etwas über 3/4 Zoll breites Stück des Nasenbeines mit einer geraden, kleinen Knochensäge entfernte, die Nasenmuschel durch diese Lücke herausnahm, die zurückgebliebenen Unebenheiten mit Meissel oder Säge beseitigte und die ganze Fläche sodann mit dem Linsenmesser oder mit einer feinen Easpel glättete, worauf die Wunde geheftet wurde.
In dem von Haubner behandelten Falle verheilten die Wunden binnen sechs Wochen.
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einen ganz kurzen Troikart an, dessen Stachel eine nicht zu lange abgerundete Spitze hat, und dessen Canule durch längere Zeit in dem gebildeten Gange liegen bleibt, um nach Erforderniss. Einspritzungen machen zu können.
Anzeigen zur Operation.
Angezeigt ist die Eröffnung dos Luftsackes in denjenigen Fällen, in denen in Folge katarrhalischer Zustände die Secretion an der Schleim­haut des Luftsackes eine so bedeutende geworden ist, dass bei gleich­zeitiger Behinderung des Abflusses des Secretes durch die Eustachische Röhre der Luftsack sehr stark ausgedehnt wird und durch den von ihm ausgeübten Druck Athmungs- und Sehlingbeschwerden bedingt. Den Inhalt des Luftsackes bildet entweder eine zähe, eiterähnliche Flüssigkeit oder es finden sich Klumpen einer kalkmörtelähnlichen, übelriechenden Masse oder in einzelnen Fällen feste, rundliche Con-cremente (C h o n d r o i d e). Ausnahmsweise erleidet der Inhalt eine Zersetzung, in Folge derer der Ltiftsack von Gasen stark ausgedehnt wird; ein Zustand, der, wie Gohicr, Vatel, Bassi n. And. ange­ben, ebenfalls die künstliche Eröffnung des Luftsackes erheischt, welche jedoch überhaupt nur dann wirklich nothwendig erscheint, wenn alle anderen Mittel fruchtlos versucht wurden.
Nach Haubner's Ansicht könnte der Catheterismus des Luft­sackes einen diagnostischen Behelf bei Erkrankungen des Luftsackes selbst abgeben, wenn bei demselben gefährliche Zufälle nicht zu be­fürchten wären.
Im Allgemeinen findet sowohl das unblutige, als auch das blu­tige Verfahren eine sehr beschränkle Anwendung, indem beide weder leicht, noch ganz ungefährlich sind.
Ob man in einem gegebenen Falle zu dem Catheterismus oder zu dem Luftsackschnitto seine Zuflucht zu nehmen habe, wird nicht immer ohne Schwierigkeit zu entscheiden sein, da man mitunter in Ungcwissheit ist, von welcher Consistenz die im Luftsacke enthaltenen Massen sind und ob die Eustachische Eöhre wegsam ist oder nicht.
Ist der letztgenannte Kanal in Folge bestehender Krankheits­prozesse undurchgängig, ist der Inhalt des Luftsackes von festerer Con­sistenz, so ist das unblutige Verfahren nicht anwendbar. Dass dasselbe nie einen rechten Eingang in die Praxis gefunden hat, ist weiters darin begründet, dass das Einbringen der Eöhre in den Luftsack nicht so leicht, und meist nur ganz zufällig gelingt, indem die Platte der
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Eustachischen Ohrtrompete ganz flach an der Rachenwandung anliegt, man daher mit dem Instrumente sehr leicht über dieselbe hinwegglei­tet und indem weiters eine gegen die Höhle des Luftsaokes hin nach innen und unten liegende scharfe Schlcimhautfalte hindernd im Wege steht. Macht eine durch längere Zeit fortzusetzende Behandlung das tägliche Catheierisiren nothwendig, so kömmt schliesslich der Uebelstand hinzu, dass man das Thier tagtäglich niederzulegen gezwungen ist, in­dem die so oft zu wiederholende Einführung der Röhre am stehenden Thiere fast unausführbar sein dürfte.
Der von einigen Thierärzten als Voroperation empfohlene Luft­röhrenschnitt, durch welchen der Erstickungsgefahr vorgebeugt werden soll, ist nicht nothwendig; sollte er sich während des Liegens des Thieres als nothwendig herausstellen, so kann er dann erst gemacht werden.
a. Der Catheterismus des Luftsackes. Lagerung des Thieres. Instrumente.
Obschon die Einführung der Günther'sehen Eöhre auch am stehend^n Thiere versucht werden kann, so ist es, um Verletzungen der Naseumuscheln u. s. w. zu vermeiden, jedenfalls gerathener, das Pferd zu legen und den Kopf desselben durch verlässliche Gehilfen fixiren zu lassen.
An Ins trument en benöthiget man nebst der G ün ther'schon Röhre (dem L uf ts a ck-C a th e t er) in einzelnen Fällen eine mit einem biegsamen Ansatzrohre versehene Spritze.
Der Luftsack-Catlicter ist eine 20 Zoll lange, stark gänsekieldicke Röhre von Messing oder Neusilber, deren vorderes, in der Länge eines Zolles etwas (3 Linien) gebogenes Ende abgerundet und geschlossen ist, seitlich jedoch zwei ovale Oeffnungen, die in das Innere der Röhre führen, besitzt; das hintere Ende bildet eine vierkantige Hülse, in welche der Zapfen des etwa 7 Zoll lan­gen, ebenfalls leicht gebogenen, platten, metallenen Griffes passt und in dersel­ben durch eine Stellschraube festgehalten werden kann. Beide Theile des In­strumentes müssen in der Weise verbunden werden, dass die concave Seite des Griffes der coneaven Seite der Spitze entspricht, um nach Einl'iilirnng der Röhre in die Nase ans der Stellung des Griffes auf jene der Spirzeschliessen zu können In einem vier Zoll langen, die Mitte des Griffes einnehmenden Spalte läuft ein nach der Röhre hingehender, 6 Zoll langer Zeiger, welcher och oder niedrig gestellt und in der erforderlichen Höhe auf dem Griffe festgeschraubt werden kann. Anstatt des Zeigers kann ein auf der, in ihrer rückwärtigen Hälfte in Zoll und Linien abgetheilten Röhre verschiebbarer und durch eine Stellschraube festzustellender Ring angebracht sein.
Korslcr. Operaiionslehre für Thierarzlc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 17
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Ausführung der Operation.
Bevor man zur Operation schreitet, misst mau die Entfernung vom äusseren Augenwinkel (nach H e r t w i g vom hinteren Eande des Augenbogens) bis zum unteren Eande des platten Knorpels vom gleich­seitigen Nasenflügel (bis zum äusseren Eande des Nasenloches der­selben Seite), bezeichnet die Entfernung beider Stellen von einander durch den Zeiger oder E,ing, erfährt auf diese Weise die Entfernung der Mündung der Eustachischen Trompete vom Rande des Nasenflü­gels, und weiss somit, wie tief man das Instrument einzuführen habe, um bis zu dem Eingange in den Luftsack zu gelangen.
Die Eöhre wird nach Günthers Vorschrift, die Biegung der Spitze nach unten und innen gerichtet, in dem unteren Nasengange so hoch hinauf geführt, dass die Spitze des Zeigers gegen den Nasen­rand tritt, mit dem Instrumente sodann, indem man die Biegung des Griffes unten herum nach aussen richtet, eine Dreiviertelwendung ge­macht, auf diese Weise die der Biegung des Griffes entsprechende Biegung der Eöhrenspitze gegen die äussere Wand der Eachenhöhle dirigirt und nun, indem man das hintere Ende des Instrumentes stark gegen die Nasenscheidewand drängt, die Spitze desselben durch die Eustachische Eöhre in den Luftsack hineingeschoben.
Hertwig richtet die convexe Seite der Spitze des Instrumen­tes gleich beim Einführen gegen die Scheidewand, den Griff und die Spitze somit nach Aussen und drängt, sobald die letztere in die Ea­chenhöhle gelangt, das hintere Ende des Instrumentes so nahe als möglich an die Nasenscheidewand.
Ist man in den Luftsack gelangt, so schraubt man den Griff los, entfernt ihn und lässt die Flüssigkeit, welche man nöthigenfalls darch eingespritztes warmes Wasser verdünnt, bei gleichzeitiger Aus­übung eines Druckes auf die Ohrspoicheldrüsengegend, durch die Eöhre ausfliessen. Auf demselben Wege können Arzneimittel in den Luftsack gebracht werden.
Bei dem Zurückziehen ist die Spitze mit der Biegung nach un­ten und innen zu stellen. Durch Einblasen von Luft in die Eöhre und durch die hiedurch erzeugte Erschütterung der Ohrdrüsengegend soll man sich im Falle, als nichts durch die Eöhre abflösse, überzeu­gen können, ob man wirklich in den Luftsack eingedrungen sei oder nicht.
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Ungünstige Ereignisse.
Als solche sind nebst der Unmöglichkeit, das Instrument in den Luftsack einzuführen und nebst etwaigen Verletzungen in der ]Nrasen-und Kachenhöhle auch Lungenentzündungen zu erwähnen, welche wie Haubner bemerkt, durch das Abiiiessen des Inhaltes des Luft­sackes in die Lungen hervorgerufen werden. Bouiey glaubt, dass durch die G ü n t h e r'sche Köhre vielleicht nicht gar so selten eine künst­liche Oeffnung erzeugt werde. Sind festere Massen im Luftsacke an­gesammelt, so wird ihre Beseitigung selbst durch wiederholte Ein­spritzungen nicht gelingen, und man wird trotz des gelungenen Cathe-terismus zum Luftsacksehnitte schreiten müssen.
b. Die blutige Eröffnung des Luftsackes.
Die blutige Eröffnung des Luftsaokes kann in einer verschie­denen Weise vorgenommen werden und man unterscheidet in dieser, Beziehung die Methode von Chabert, jene von Viborg, and die von Dieterichs, wozu noch das von Strauss beschriebene Ver­fahren kömmt. Diese Methoden wurden von einzelnen Thierärzten mehr weniger modificirt.
Lagerung des Thieres. Instrumente.
Die Operation kann sowohl am stehenden, als auch am liegen­den Thiere vorgenommen werden; ersteres ist bei wenig empfind­lichen Thieren und nach der Methode von Viborg und Strauss möglich, während unruhige Pferde, lerner solche, bei welchen der Luftsackschnitt nach den Methoden von Chabert oder D ieterichs gemacht werden soll, gelegt werden, um sicher operiren zu können, wobei in allen Fällen der Kopf des Pferdes gestreckt gehalten wer­den muss, damit der Raum zwischen dem Hinterkiefer und dem ersten Halswirbel grosser werde.
Der Operationsbedarf ist je nach der gewählten Methode etwas verschieden. Zu der Methode von Chabert braucht man nebst der Sehe ere zur Entfernung der Haare ein geballtes Bistouri zum Hautschnitte, stumpfe Haken, ferner ein zweischneidiges Skalpell oder ein Spitzbistouri zum Durchstechen des ürifi'el-hinterkiefermuskels und der Luftsack wand, welche beiden (iebilde jedoch bei starker Anfüllung des Luftsackes, somit bei praller
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Spannung seiner Wandungen ganz leicht und ohne jedwede Gefahr mit einem geraden Troikart oder sogar mit dem blossen Finger durchstossen werden können. Um nach Viborg zu operiren, benöthiget man nebst der Scheere und dem geballten Bistouri einen geraden Troikart zum Anstechen des Luftsaokes selbst, zu der Methode von Dieterichs dagegen ausseiquot; der Scheere, dem ge­ballten und dem Spitzbistouri einen 12 Zoll langen, im dritten Theile eines Kreises gekrümmten Troikar t oder statt desselben eine Eiterbandii;idel oder eine Oehrsonde sammt dem Ban de. Soll der Luftsack nach Strauss in derselben Weise wie ein Abscess er­öffnet werden, so reicht man mit einem Spitzbistouri meist aus.
Ausführung der Operation. 1. Nach Chabert.
Hiebei wird längs dos Bandes des Flügelfortsatzes des ersten Halswirbels ein etwa 3 Zoll langer Hautschnitt gemacht, der Haut­muskel durchschnitten, der hintere Band der Ohrspeicheldrüse abge­löst, nach TOrne gehalten, und so der Zugang zu dem Griffel-Hinter-kiefermuskol frei gemacht. Dieser Muskel wird mit dem Spitzbistouri (nach Chabert unzweokmässig mit dem zweischneidigen Skalpell) dessen Bücken gegen den Flügelfortsatz gekehrt ist, in der Richtung seiner Fasern (indem man das H_ft des Messers gegen den Flügel-fortsatz neigt) etwas schief von hinten nach vorn durchstochen und die gemachte Wunde mit dem Knopfbistouri oder einfacher mit dem Finger, mit welchem man bei starker Anfüllung des Luftsackes selbst den Muskel und die Wandung durchstossen kann, erweitert. Ist man in den Luftsack gelangt, so dringt der flüssige Inhalt dieses Organes, der auch nach früher stattgehabter Verdünnung durch injicirtes Wasser mit einer Spritze ausgezogen werden kann, hervor. (Chabert legte sogleich, um die Wunde offen zu erhalten, eine kleine Eöhro von Blei oder Silber ein.)
Dieser Operationsmethode wird der gegründete Vorwurf gemacht, dass eine vollkommene Entleerung des Luftsackes bei dem Umstaude, als derselbe in seinem obersten Theile eröffnet wird, nicht stattfinden könne, wodurch die Heilung verzögert wird, und dass eine Verletzung wichtiger Gefässe und Nerven, wie z. B. der inneren Kopfschlagader, des 9. und 10. Nervenpaares möglich ist. Dieser Uebelstand wird durch die folgende Methode beseitiget.
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2. Nach Tiborg.
Mag die Operation am stehenden oder, was sicherer ist, am ge­legten Thiere vorgenommen werden, muss der Kopf möglichst gestreckt werden, um den Brustkiefermuskel zu spannen. Dieser Muskel bildet im Yereine mit der äusseren Kinnbackenvene und der Beule des Hin­terkiefers ein Dreieck, in dessen Mitte man längs der Sehne des ge­nannten Muskels einen 2—3 Zoll langen Einschnitt gegen den Hin­terkieferrand macht. Ifaoh Durchschneidung des Hautmuskels bahnt man sich mit dem Finger durch das Zellgewebe einen quot;Weg bis zur Wand des Luftsackes, welche man mit dem geraden Troikart durch­bohrt, vergrössert die gemachte Oeffnung mit dem Finger, beseitiget den Inhalt des Luftsaekes und legt eine Wergwieke ein.
3. Nach D ieterichs.
Dieteriehs, von der Ansicht ausgehend, die nach Viborg's Methode in der Luftsackwand erzeugte Oeffnung sei zu gross und un-regelmässig, und schliesse sich selbst dann noch nicht, wenn der ursprüngliche Krankheitsprozess bereits behoben ist, eröffnete den Luft­sack gleichzeitig in seinem oberen und unteren Theile und verband so die etwas modificirten Methoden von Chabert und Viborg.
Das Verfahren ist folgendes:
Ist der Griffelkiefermuskel nach der Chab ert'schen Methode zugängig gemacht, so trennt man mit dem Finger oder mit dem Skal­pellhefte das Zellgewebe neben und hinter demselben bis zum Luft­sacke herab, lässt sodann den Kopf des Pferdes recht gerade aus­strecken, fühlt mit dem Zeigefinger nach den pulsirenden Gefässen, und sticht in dem Winkel, welchen die äussere Kopfarterie mit der Hinterhaupts- oder mit der inneren Kopfsclilagader macht) ein Skal­pell oder ein starkes Bistouri, dessen Rücken gegen den von den Ge­fässen gebildeten Winkel, dessen Schneide gegen den Griffelkicfermus-kel gerichtet ist, in den Luftsack ein. Ist derselbe eröffnet, so schiebt man durch die Oeffnung den gekrümmten Troikart ein und bis gegen den Grund des Luftsackes, durchsticht letzteren so wie die Haut an der Stelle, an welcher Viborg den Einschnitt macht, und zieht so­dann nach vorheriger Erweiterung der Hautwunde an der Ausstichs­stelle durch die Canule mittelst einer Oehrsonde ein Band durch, welches nach Entfernung der Canule liegen bleibt.
Nach Herings Ansicht ist die untere Oeffnung unter der äusseren Kinnbackenvene, zwischen dieser und dem Kehlkopfe, anzu'
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legen, da bei dem Burchsfcehen über der Vene die Ohrdrüse verletzt #9632;wird. Anstatt des Troikarts kann man eine Eitcrbandnadel, welche jedoch etwas gebogen werden muss oder eine Oehrsonde verwenden, welche Instrumente man durch die obere Oeffnung in den Luftsaek einführt und auf deren unter der Haut vorspringenden Spitze man sodann den Einschnitt macht.
Haubner eröffnet den Luftsack stets nach V i b o r g's Methode und führt das Eiterband, falls dasselbe sich als nothwendig heraus­stellt, von unten nach oben durch die am Flügelfortsatze gemachte Oeffnung heraus.
In ähnlicher quot;Weise wie Dieterichs verfahren die neueren französischen Thierärzte z. B. B a r t h e 1 e m y, L e c o q, E1 e o u e t, indem sie den luftsack gleichfalls an zwei Stellen eröffnen und ein Band durch denselben durchziehen. Sie machen den Hautsehnitt vor der Eundung des Flügelfortsatzes, öffnen den Luftsack über dem GrifFel-kiefcrmuskel, indem sie den Griffelzungenbeinmuskel in seiner Mitte durchstechen, wobei das Messer bei starker Streckung des Kopfes mit der Schneide nach dem Zungenbeinhöcker gekehrt, schräg von hinten nach vorn geführt wird, und ziehen dann, am Grunde des Luftsackes eine Gegenöffnung bildend, mittelst einer S-förmig gekrümmten Oehr­sonde ein Band durch.
Das von S trau s s besonders empfohlene Verfahren besteht darin, dass man an der Stelle, an welcher die Schwappung am deutlichsten wahrnehmbar ist, mit einem Spitzbistouri die Geschwulst eröffnet. .Liegt diese Stelle von der Halsvene entfernt in oder nahe dem Mit­telpunkte der Ohrspeicheldrüse, so sticht man das mit der Schneide gegen den Band des Hinterkiefers gerichtete Spitzbistouri langsam, damit die Blutgefässe ausweichen können, und etwas schief nach vor­wärts in den Luftsaek ein, und erweitert nöthigenfalls die gemachte Oeffnung gegen den Hinterkiefer hin. Ist dagegen die Fluctuation im ganzen Lmfange der Geschwulst oder an der Grenze der inneren Kinn­backenvene wahrnehmbar, so lässt man auf die Drosselrene einen Druck ausüben, setzt den ISTagel des Zeigefingers der linken Hand über der nun ganz deutlich sichtbar gewordenen inneren Kinnbacken­vene ein, und senkt das mit der Schneide gegen den Hinterkiefer ge­kehrte Spitzbistouri schief nach auf- und vorwärts in den Luftsack ein. Oder man durchschneidet die über der Vereinigungsstelle beider Kinnbackenvenen gebildete quere Hautfalte, spaltet den mit der Pin­cette gefassten Hautmuskel, löset den hinteren imteren Winkel der Ohrspeicheldrüse ab, und eröffnet den nun zugänglichen Luftsack an
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seinem Grunde durch einen Schnitt oder Stich. Bei sehr starker An-iüllung der Lnftsäcke kann man auch unterhalb der Gesichtsvene den Einstich machen. Nach geschehener Entleerung legt man ein beöltes quot;Wergbäuschchen ein, und erhält die Wunde, so lange es der Krankheits­zustand erheischt, offen.
Hertwig hält die Eröffnung des Luftsackes an seinem oberen Theile nur dann für notlrwendig, wenn compacte Massen zu entfernen sind, weil man an dieser Stelle eine grössere Oeffnung machen kann, #9632;während andere Thierärzte gerade in diesem Falle die Methode von Yiborg für geeigneter erklären; gleichzeitig empfiehlt er das An­stechen des Luftsackes mit einem Troikart, bei dessen Gebrauche Ne­benverletzungen nicht so leicht stattfinden können.
Nachbehandlung und ungünstige Ereignisse.
Die Nachbehandlung richtet sich nach dem vorhandenen Krankheitsprozesse und besteht in Einspritzungen von arzneilichen Flüssigkeiten. Die Operations-wunde schliesst sich meist von selbst; nur in wenigen Fällen wird ein eingreifenderes Verfuhren erfordert um Heilung herbeizuführen.
Die ungünstigen Zufälle sind: Verletzungen gros­ser er Gefässe und Nerven z. E. der Zweige der Drosselarterie, welche die Unterbindung dieser Arterie nöthig machen, des herum-sclrweifenden, des sympathischen Nerven, ferner Verwundungen der Ohrspeicheldrüse.
2. Die Eröffnung der Luftröhre (Tracheotomie). Die kunstgemässe Eröffnung der Luftröhre (Tra­cheotomie), welche unternommen wird, um der Luft Zutritt zu den Lungen zu verschaffen, um fremde Kör­per oderNeubildungen aus demKehlkopfe oder aus den obersten Parthien der Trachea zu beseitigen oder um eine örtliche Einwirkung auf die kranken Theile mög­lich zu machen, kann mittelst stechender oder mittelst sehneidender I n s t r u m e n t e ausgeführt werden, und dem entsprechend unterscheidet man den Luftröhrenstich und den Luftröhrensehnitt.
Geschichtliches. Obschon die Tracheotomie in der Menschenlieilkunde schon in frühen Zeiten bekannt war, da A sei epiades als der Erfinder der-
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selben genannt wird, so wurde sie doch nur äusserst selten geübt, #9632;weil man sie für lebensgefährlich, hielt. Erst Abulkasem und Ebn Zehr (im 13. Jahrhunderte) sprachen die entgegengesetzte Meinung aus und der letztere unternahm zum Beweise der Heilbarkeit der Luft­röhrenwunden die Operation au einer Ziege. Auch die Thierärzte waren derselben irrigen Ansicht und selbst Lafosse und Pilger scheuten sich, grössere Oeffnungen in die Luftröhre zu machen. Sogar noch Em. Veith(1818) bemerkt, dass die Tracheotomie, bei welcher man einen Querschnitt zwischen dem 4. und 5. Luftröhrenringe macht und ein plattes bleiernes Röhrchen einlegt, bei Halsentzündungen eine zwei -deutige Rettungsmethode bleibe, deren Ausführung nichts weniger als leicht sei. Obgleich Eourgelat (1748) bereits die Tracheotomie mit Erfolg gemacht huben soll, so erwähnt ihrer doch zuerst Lafosse (1772), welcher das Band zwischen zwei Luftröhrenringen spaltete, und eingekrümmtes, flaches, fast gleich weites Röhrchen einlegte. Pil­ger, welcher die Operation wegen des in Eolgc der Schwäche des Thieres sich einstellenden Brandes für tödtlich hielt, liess bei Pfer­den entweder ein etwa 1ja Zoll langes, viereckiges Stück eines Znor-pelringes herausnehmen, oder stiess zwischen zwei Pingen einen Troi-kart ein, welcher dem damals bei Menschen gebrauchten Bronchotome von Richter nachgebildet, etwa 2 Zoll lang, einen Zoll breit, 2—3 Linien dick und massig nach der Fläche gekrümmt war; die liegen­gelassene Canule beseitigte jedoch die Erstickungsgefahr nur sehr un­vollkommen, da sie an und für sich schon zu wenig Luft einströmen liess und ausserdem ihrer geringen quot;Weite wegen rasch durch Schleim verstopft wurde. E. quot;Viborg (1802) war der Erste, der sich dahin aussprach, dass die Tracheotomie gefährlich zu sein bloss scheine, es aber durchaus nicht sei; er schnitt ein rundliches, ungefähr einen Zoll im Durchmesser grosses Stück aus der Luftröhre, legte jedoch keine Röhre ein, sondern bedeckte einfach die Oetfnung mit Flor. In ähn­licher Weise operirten Barthe'lemy der Aeltere (1817), welcher eine gekniete, cylindrische Röhre in die Wunde einführte, so wie Raynard (1820), Dieterichs (1822) u. And.
Damoiseau (1828) machte die Tracheotomie in der Weise, dass er mehrere Knorpelringe einfach spaltete, welches quot;Verfahren mit geringeren odor bedeutenderModificationen vonLeblanc, Renault, Günther und Dieteriehs angenommen wurde. Während die erst­genannten Thierärzte immer eine grössere Anzahl von Ringen (S—7) durchschneiden mussten, um die von ihnen construirten Röhren, deren Durchmesser ein bedeutender ist, einführen zu können, spaltete Gün-
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ther, welcher eine elliptische Eohre gebrauchte, bloss 3—4 Ringe, um die nach der Entfernung der Eöhre nicht selten eintretende, durch Ein-wärtsbiegung der getrennten Knorpel bedingte Verengerung der Trachea zu verhüten, welchem Uebelstandc Spooner dadurch vor­zubeugen suchte, dass er an den Eingen oben und unten einen schma­len Streifen unversehrt lies.?.
Vorrichtungen, durch welche die Wunde in derTraohea offen gehalten werden soll, wurden von verschiedenen Thierärzte angegeben. So con-strnirten z. 13. Barthelemy, Damoiseau, Lehlanc, Eenault, Brop-niez, Prange, Demill3', Dieterichs, King, Hertwig, und mehre Andere verschiedene Eormen von Eöhren (Tracheotuben), von denen jedoch nur wenige dem Zwecke entsprechen. Mai, lirog-niez und Marty gaben eigene, dui'chaus überflüssige Instrumente an, mittelst derer ein Stück der Luftröhre herausgeschnitten werden kann.
S t r,a u s s beschrieb eine neue Methode der Tracheotomie, welche darin besteht, dass man, nachdem aus einem Knorpelringe das Mittel­stück vollkommen, aus dem zunächst oberen und unterene Eingc ein dreieckiges Stück mit gänzlicher Schonnung der Schleimhaut herausge­löst wurde, diese letztere durch einen in der Mitte geführten Längen­schnitt trennt. Abgesehen von der Schwierigkeit der Ausführung am lebenden Thiere ist diese Methode auch desshalb nichts weniger als empfehlenswerth, weil die Knorpelenden sehr bald durch die Schleim haut dringen und eine Vereinigung der gehefteten Gebilde nie zu Stande kömmt.
Der Luftröhrenstich, welcher durch den Luftröhrenschnitt so ziem­lich verdrängt wurde, fand erst dann wieder eine allgemeinere An Wendung, als Hayne das nach ihm benannte Tracheotom (den Hayne-schen Luftröhren troikart) ein Instrument, welches späterhin wesent­lich modificirt, auch gegenwärtig noch häufig gebraucht wird, erfun­den hatte. Das Tracheotom von Thompson, mit welchem an der Wiener Thierarzneischule zuerst Versuche angestellt wurden, ist seit dem Jahre 18S8 im Gebrauche.
Anzeigen zur Operation.
Die Tracheotomie wird vorgenommen:
1. Bei Erstickungszufällen, welche durch pathologische Prozesse, die in den oberen Partien der Luftwege (Nase, Eachen, Kehlkopf, oberer Theil der Luftröhre l oder in deren Umgebung ihren Sitz haben und das Einströmen der Luft in die Lungen wesentlich
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behindern, veranlasst werden. Leiden, bei denen derartige Athmungs-beschwerden sich einstellen können, sind: Der Pferdetyphus, Neubil­dungen in den genannten Theilen der Luftwege, Yerdickungen der Schleimhaut dieser Abschnitte, die häutige Bräune, das Glottisödem, die Halsentzündung, Bremsenlarven im Kehlkopfe, Verengerangen des Kehlkopfes oder der Luftröhre in Folge von ürüchen der Knorpel oder bedingt durch Druck, den in der Umgebung gelagerte Geschwülste aus­üben, Lähmung der Erweiterer der Stimmritze, fremde, von Aussen in den Kehlkopf eingedrungene oder im Schlünde steckengebliebene Kör­per u. s. w.
2.nbsp; nbsp;Als Vor operation beluifs der Beseitigung fremder Körper oder Neubildungen im Kehlkopfe und behufs der Abtragung des Giess-kannenknorpels bei Lähmung der Erweiterer der Stimmritze.
3.nbsp; nbsp;Bei häutiger Bräune, um Arzneimittel, z. B. Höllenstein­lösung unmittelbar mit der Schleimhaut in Berührung bringen zu können.
Während bei den meisten der eben angeführten Krankheiten die Operation als lebensrettend dringend angezeigt ist, wird sie ausnahms­weise vorgenommen, um Pferde, die in Folge einzelner der genannten Leiden fast dienstuntauglich geworden sind, wenigstens zu gewissen Diensten für eine kürzere oder längere Zeit brauchbar zu machen.
Ob man in einem gegebenen Falle mit dem Luft röhr ens ti ehe ausreiche oder den Luftröhrenschnitt vorzunehmen habe, richtet sich nach dem vorhandenen Krankheitszustande und nach dem Zwecke, welchen man durch die Operation zu erreichen strebt. In denjenigen Fällen, in welchen ein rasch verlaufender Krankheitsprozess z. B. Glot­tisödem, Typhus der Athmungsbeschwerde zu Grunde liegt, somit an­zunehmen ist, dass binnen kurzer Zeit das Athmen auf normale Weise wieder möglich werden dürfte, wird der Luftröhrenstich meist genügen; handelt es sich dagegen darum, einen freien Zugang zu dem Kehl­kopfe oder zu der Luftröhre zu erlangen, um Neubildungen, Bremsen­larven, fremde Körper u. dgl. zu beseitigen, ist das Athmungshinder-niss ein bleibendes oder doch ein erst nach längerer Zeit entfernbares oder will man Thiere, welche an einer chronischen, durch Erkrankun­gen der oberen Abschnitte der Luftwege bedingten Athmungsbeschwerde leiden, verwendbar machen, so muss man den Luftröhrenschnitt vor­nehmen.
Der Luftröhrenstich ist, wo er überhaupt zulässig ist, dem Schnitte besonders aus dem Grunde vorzuziehen, dass bei ersterem eine kleine, rasch und vollkommen verheilende Wunde entsteht, während bei dem
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letzteren eine firosse Wunde, -welche mitunter wesentliche Veränderun­gen an der Trachea bedingt, gebildet wird.
A. Der Lnftröhreustich.
Bei dem Luftröhrenstiche, der älteren Methode der Tracheotomie, kann die Luftröhre entweder quer von einer Seite des Halses zur anderen (nach Hayne) oder au ihrer vorderen Fläche durchstochen werden,
Instrumente.
Zu dem Luftröhrenstiche nach Hayne's Methode reicht man mit dem früher erwähnten Tracheotome allein aus, während man zu dem zweiten Verfahren nebst dem Tracheotome von Thompson und der zu demselben gehörenden R ö h r e noch ein ge­balltes oder ein Spitzbistouri zum Hautschhitte benöthiget.
Der gegenwärtig gebräuchliche Luft röhrentroikart nach Hayne be­steht aus der Canule und aus dem Stilet, welches letztere ohne Handhabe ist, und in den Lanzen- und Scheidentheil zerfällt. Der Lanzentheil, 20 Linien lang, gegen das hintere Ende zu etwa 7 Linien breit, ist vierflächig, jedoch derart zugeschliffen, dass jederseits zwei ungleich grosse Flächen entstehen ; die Spitze ist scharf, der vordere durch das Znsammenstossen der breiten Flächen gebildete Band ist stark convex, seiner ganzen Länge nach scharfschneidend, der hintere Rand dagegen fast gerade verlaufend und nur auf 4 Linien von der Spitze aus schneidend, von da an stumpf, durch welche Einrichtung Verwundungen der Dros­selvene, welche bei dem Gebrauche eines Tracheotoms, dessen Lanzeutheil längs des hinteren Randes durchaus scharf ist, stattfinden können, verhütet werden. Der Scheidentheil hat eine Länge von 4'/,, Zoll und jmsst in die 6'/, Zoll lange Canule, welche von den Seiten so zusammengertrückt ist, dass deren Durchmes­ser 2'/, und 5 Linien betragen; die in der Mitte derselben angebrachten Fen­ster sind 13 Linien lang, 3 Linien breit; auf der Canule sind zwei mit ovalen Scheibchen versehene, verschiebbare Ringe, welche mittelst Stellschrauben be­liebig festgestellt werden können.
Das nach hierortigen Angaben zum Gebrauche an Pferden modifiiirte Tracheotom von Thompson ist nach Art dcrDilatatorien gebaut. Zwischen den 4 Zoll langen, 6 Linien breiten, am Schlosse 3, an den freien Enden 2 Linien starken, etwas nach anssen convexen Schenkeln finden sich zwei, nach einwärts gebogene und einander an der Spitze berührende Federn, durch deren Druck die Arme geschlossen gehalten werden. Diese letzteren sind l3/4 Zoll von dem Schlosse entfernt nach der Kante unter einem rechten Winkel abge­bogen und der umgebogene Theil ist 2 y, Zoll lang, 7 Linien breit und 1 y, Linien stark; das vordere Ende ist in einer Länge von 8 Linien von den scharfen Rän­dern aus ^0 zugeschliffen, class auf der Mitte eine vorstehende Kante gebildet
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wird, und geht in eine feine Spitze ans. Die änssere Fläche der Blätter ist sanft gewölbt, die innere durchaus glatt und eben, beide Arme decken einander voll­kommen und das Instrument gleicht in seinem vorderen Theile somit im geschlos­senen Zustande einer gewohnlichen oder einer Abscesslancette.
Um die durch das Tracheotom gebildete Oeftiumg behufs der Einführung der Canule zu erweitern und ein zu vorzeitiges Auseinandertreteu der Blätter zu verhindern, hat jeder Schenkel, 6 Linien vom Schlosse entfernt, einen 5 Linien langen und 3 Linien breiten Spalt, in deren einem ein gegen 2 Zoll langer, vier­kantiger Eiscnst;ib mittelst eines tiucr durch den Schenkel gehenden Nietes be­festiget ist, welcher durch das Fenster des zweiten Schenkels hindurch tritt und von einer, an seinem oberen Rande angebrachten starken Feder stets nach ab­wärts gedrückt wird. An dem unteren Rande ist 7 Linien von dem festgestell­ten Ende ein eine Linie tiefer, in einer weiteren Entfernung von 5 Linien ein zweiter, eben so tiefer Ausschnitt. Ist das Instrument geschlossen, so verhindert der letztere Ausschnitt, der an der inneren Fläche des Schenkels sich stemmt, das Oeffnen so lange, bis der Eisenstab an dem freien Ende nach aufwärts ge­druckt wird; ist dagegen das Tracheotom so weit geöffnet, dass die Canule zwischen beiden Armen eingelegt werden kann, so kömmt der erste Ausschnitt an die änssere Fläche des Schenkels z u liegen und hält ohne weiteres Zuthun von Seite des Operateurs die Arme so lange von einander, bis die Kraft der Feder durch das Aufwärtsdriicken des Stabes überwunden ist.
Die zu diesem Tracheotomo gehörende Röhre von Pakfong is! en tweder einfach oder doppelt; beide sind cylindrisch und derart gekrümmt, dnss sie den vierten Theil eines Kreises, dessen Halbmesser etwa 3 Zoll beträgt, darstellen. Die einfache Röhre ist 4'/, Zoll lang, gegen 8 Linien weit; ein Ende dersel­ben ist geschlossen, gerundet und beiläufig 5 Linien vom äussersten Punkte ent­fernt mit einer ovalen, 7 Linien langen, 5 Linien breiten Oeffnung in der con-caven Wand versehen; das andere offene Ende besitzt zwei im Centram durch­bohrte, scheibenförmige Fortsätze.
Die Doppelcanule, welche den Vortheil bietet, dass man den inneren Theil derselben behufs der Reinigung herausnehmen kann, ohne den äusseren Theil aus seiner Lage zn verrücken, und derart das mitunter mühevolle Wie­dereinführen der Röhre in die Wunde vermeidet, besteht ans zwei in einander geschobenen Röhren, deren innere 4, deren äussere 33/4 Zoll lang ist; beide Röhren sind unten offen und ausserdem hat die innere Eolno an ihrer Ansatz-platte zwei seitliche Stege zum Durchziehen der Bänder, während jene der äus­seren Röhre zwei Löcher zeigt.
Lagerung des Thieres. Ausfübrung der Operation.
a. Luftröhrenstich mit dem Tracheotom von Hayne. Die Operation wird am stehenden Thiere, dessen Kopf man, damit die Luftröhre deutlicher vortrete, massig hoch stellen und strecken lässt, in nachstehender Weise vorgenommen. Der Operateur, welcher an der linken Seite des Halses steht, umfasst mit der linken Hand
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die Luftröhre unterhalb des Kehlkopfes, um die anliegenden Gebilde möglichst nach rückwärts zu schieben und die Trachea gleichzeitig zu fixiren, setzt die Spitze des mit der rechten Hand gehaltenen Tracheo-toms, von dessen Canule die dem Lanzentheilc zunächst liegende Scheibe abgenommen wurde, auf die ilitte der Seitenwand der Luftröhre auf, und durchsticht in horizontaler Richtung beide Wände derselben in der Art, dass der Ausstichspunkt dem Einstichspunkte gerade gegen­über liegt, zieht das Stilet heraus, richtet die Canule so, dass die Fen­ster derselben in der Mitte der Luftröhre liegen, schiebt den abgenom­menen Ring mit der Scheibe an und stellt dann beide Ringe in an­gemessener Entfernung (etwa % Zoll weit) von der Haut mittelst der Stellschrauben fest. Liegen die Scheiben zu nahe an der Haut, so können sie in Folge der aus Anlass der Yerwundung eintretenden Anschwellung einen Druck auf die Haut erzeugen und selbst bran­diges Absterben derselben bedingen; werden sie dagegen zu weil gege die Enden der Canule hin festgestellt, so kann sich die Canule ver­schieben, und das Einströmen der Luft durch dieselbe wesentlich be­hindert werden. Obschon das Verfahren nach Hayne in vielen Fäl­len dem Zwecke vollkommen entspricht, ist es dagegen bei Pferden mit Speckhälsen oder bei Vorhandensein bedeutenderer Anschwellun­gen zur Seite des Halses, somit dort, wo die Luftröhre nicht recht frei gemacht werden kann, entweder nur schwer oder gar nicht aus­führbar und ausserden reicht mitunter der durch die Canule eintre­tende Luftstrom nicht hin, um die Athmungsbesdrsverde wesentlich zu mindern. Aus diesem Grunde ist
b. der L uf tröhr ens tioh mit dem Tracheotom von Thompson dem Verfahren von Hayne unbedingt vorzuziehen, da er eben so schnell und zugleich ohne Gefuhr einer bedeutenderen Ise-benverletzung ausgeführt werden kann. Das bei der Operation, welche zwar gewöhnlich am stehenden Thiere, dessen Kopf gehoben gehalten wird, indess, wenn die L'mstände es erheischen, auch am liegenden Thiere vorgenommen wird, einzuschlagende Verfahren ist ein sehr einfaches ;man durchschneidet mit oder ohne vorheriger Bildung einer queren Hautfalte in der Gegend des 3. - 8. Luftröhrenknorpels die Haut mit dem Bistouri so, dass eine etwa einen Zoll lange in der Mittellinie des Halses verlau­fende Längswunde entsteht, fixirt die Luftröhre mit der linken Hand oder lässt dieses durch einen Gehilfen thun, und sticht das in der rechten Hand derart, dass das Schloss in die Gegend des Mittelfingers zu liegen kömmt, gehaltene Instrument mit nach, ab­wärts gekehrten Griffen und horizontal oder etwas schief auf die Luft-
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röhre aufgesetzter Spitze mittelst eines kräftigen Druckes durch diese hindurch, öffnet die Arme durch den auf die Schenkel des Instrumen­tes ausgeübten Druck, führt die Canule zwischen den Blättern in die klaffende Längswunde der Trachea ein und zieht das Tracheotom her­aus, -worauf die Canule mittelst der um den Hals geführten Bänder in ihrer Lage gesichert wird.
Nachbehandlung. Man hat vor Allem dafür Sorge zu tragen, dass das Durchströ­men der Luft durch die Canule nicht gehemmt werde, und reiniget aus diesem Anlasse zeitweilig die Köhre mittelst eines Federbartes von dem angesammelten Schleime oder zieht behufs der Reinigung die innere Röhre heraus. Nimmt man die einfache Canule der Säube­rung wegen ganz heraus, so ist deren Wiedereinführung besonders in den ersten Tagen nach der Operation nicht selten schwierig und es kann, wie bereits geschehen, mit der Canule ein falscher Weg neben der Luftröhre gebildet werden; zweckentsprechender bleibt daher immer die Anwendung einer Doppelröhre, da bei dieser nur die innere Röhre herausgezogen wird, die äussere dagegen an Ort und Stelle bleibt. Die Canule wird erst dann vollständig beseitiget, wenn der Ein­tritt der Luft zu den Lungen auf natürlichem Wege stattfin­det, wovon man sich durch Zuhalten der äusseren Mündung der Canule überzeugen kann. Um die Canule des H a y n e 'sehen Traeheotoms zu entfernen, streift man die Scheibe an einer Seite ab und . zieht die Röhre nach der entgegengesetzten Seite heraus. Selbst ein längeres Verwreilen der Canule in der Luftröhre bleibt ohne nachtheilige Folgen; nach Herausnahme derselben ver­heilt die Wunde sehr rasch unter Zurücklassung einer feinen, strah­lenförmigen Narbe, während die Knorpelringe selbst sich wieder voll­kommen vereinigen.
Ungünstige Ereignisse.
Wird der Hayne'sche Luftröhrentroikart bei Pferden deren Luftröhre aus den oben angeführten Ursachen nicht isolirt wer­den kann, angewendet, so ist die Möglichkeit des Verfehlens der­selben, des Durchschneidens des Bandes zwischen zwei Ringen an der vorderen Wand oder der Verwundung der Drosselvene gegeben. Ein neuerliches Einstechen kann zuHohllegungen in den umliegenden Cebildcn führen, das Köpfen der Luftröhre gibt zur Entstehung eines umfangreichen H au temp h y-
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semes Veranlassung, während eine quere Wunde der Drossel­vene den Tod des Thieres durch Verblutung bedingen kann.
Bei dem Gebrauche des Th omp son'sehen Trachcotoms können, wenn die Dilatation der Luftröhrenwunde mit zu vieler Kraft ausge­führt wird, einzelne Theile der getrennten Hinge, besonders solcher, die bereits weniger elastisch sind, abgesprengt werden; stärkere Blutungen wären nur bei abnormer GefässVerzweigung möglich.
B. Der Mrölirensclmitt.
Der Luftröhrenschnitt, welcher, wie bereits bemerkt wurde, vor dem Luftröhrensliche in allen jenen Fällen, in denen die bestehenden Athmungshindernisse entweder gar nicht oder erst nach längerer Zeit beseitiget werden können, unbedingt den Torzug verdient, ausserdem aber dort, wo es sich darum handelt, einen freien Zugang zu dem Kehlkopfe oder zu der Luftröhre zu erlangen, unternommen werden muss, kann gleichfalls in doppelter quot;Weise, entweder mit oder ohne Substanzverlust an den Luftröhrenringen, durch blosse Spal­tung einiger derselben oder mit Herausschneiden eines ver­schieden gestalteten Stückes dieser gemacht werden.
Instrumente.
Die zu dem Luft röhrenschnitte gebräuchlichen Instrumente sind: Eine Seh eere zur Beseitigung der Haare, ein geballtes oder ein Spitzbi siouri zum Hautsehnitte, stumpfe Haken; wird ein Stück der Luftröhrenringe herausgenommen, so benöthiget man ausser­dem ein geknöpftes Bistouri, ferner eine Pincette, einen scharfen Haken oder X a d e 1 und Faden, um den herauszu­sehneidenden Theil zu halten; gewöhnlich legt man in die gemachte Luftröhrenwunde eine Röhre, durch welche die Luft leicht und in ausreichender Menge ein- und ausströmen kann, ein.
Man hat sehr verschiedene Formen der zu dem genannten Zwecke dienen­den Röhren, welche entweder durch um den Hals geführte Bänder oder durch andere Vorrichtungen in der Luftröhre erhalten werden.
Früher bediente man sich durch längere Zeit fast ausschliesslich der von Barthelemy dem Aelteren angegebenen französischen Röhre, welche aus der Canule und ans dem Schilde besteht. Die erstere, aus verzinntem Eisen­bleche gearbeitet, cylindrisch, etwa 15 Linien im Durchmesser weit, 5 bis 6 Zoll lang, beiläufig 2 Zoll von ihrem oberen Ende entfernt gekniet, an dem un-
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teren Rande abgerundet, steht mit dem ebenfalls aus Blech gefertigten Schilde, einer 4 Zoll breiten, S'/j Zoll hohen, des genauen Anlegens an den unteren Halsrand wegen convex concaveu Blechplatte, deren Mitte eine der Stärke der hier rechtwinklig angelotheten Camiie entsprechend grosse Oeftnung zeigt, in Verbindung; an jedem Seltenrande des Schildes sind zwei Löcher vorhanden, durch welche Bänder oder Riemen hindurchgezogen werden, die, von beiden Seiten nach dem oberen Rande des Halses geführt und daselbst gebunden, zur Sicherung der Lage der Röhre dienen. Anstatt des Blechschildes kann auch ein quadratisches Stück starken Leders, welches an den, die vordere Oeffnung der Canule umgebenden, senkrecht gestellten Blechstreifen angenäht wird, verwen­det werden. Da jedoch eine cylindrische Röhre eine bedeutend grosse Oeffnung in der Luftröhre nothwendig macht, so hat man später, wie diess z. B. Gün­ther gethan, elliptische Röhren benutzt, behufs deren Einbringung man bloss 3 bis 4 Knorpelringe einfach zu spalten hafte und derart eine nachfolgende Ver­engerung der Luftröhre vermied.
Die Befestigung der Röhre mittelst der Bänder oder Riemen ist indess durchaus nicht verlässlich, und es kann die Röhre bei Bewegungen des Kopfes oder Halses herausfallen und neuerliche Erstickungsgefahr eintreten, wesshalb man Röhren construirte, welche durch besondere, an ihnen angebrachte Fort­sätze in der Trachea gehalten werden. Von den in dieser Art eingerichteten, theilweise jedoch sehr complicirten und desshalb wenig brauchbaren Röliren sind die von Dieterichs und von Hertwig angegebenen die zwockmässigsten.
Die von Hertwig construirte Röhre besteht ans der eigentlichen Röhre und aus dem beweglichen Widerhalter. Der erstcre Theil ist 2'/, bis 3 Zoll lang, nicht gebogen, etwa 1 '/j Zoll hoch, einen Zoll breit, und besitzt am äus-scren Ende einen rechtwinklig abgebogenen, '/4 Zoll breiten Rand, welcher an der unteren Wand etwas breiter und daselbst mit einem 2 Linien weiten Loche versehen ist. Am inneren Ende hat er an der unteren Wand, 3 Linien vom Rande entfernt, einen 1 '/, Zoll langen und 2 Linien breiten Querspalt und am Rande der oberen Wand einen rechtwinklig abgebogenen, einen Zoll breiten und eben so langen Fortsatz mit gut abgerundeten Rändern. Der eben beschriebene Theil der Röhre wird mit nach oben gerichtetem Fortsatze in die Trachea ein­gebracht und mittelst des Widerhalters in seiner Lage erhalten. Dieser letztere Theil bildet einen 6 Linien breiten Stiel, welcher genau die Länge der Röhre vom vorderen Rande bis zum Querspalte hat und am äusseren Rande einen 6 Linien langen, rechtwinklig gebogenen und mit einem Loche versehenen Anhang und am inneren Ende ein eiförmiges, einen Zoll langes, 10 Linien breites, gleich­falls im rechten Winkel abgebogenes Blatt, welches durch den Querspalt der Röhre greift, trägt. Beide Theile des Instrumentes vereiniget man mittelst eines, durch das am vorderen Ende angebrachte Loch und durch die demselben cor-respondirende Oeffnung am Rande der Röhre gezogenen und geknüpften Fadens oder mittelst eines Drahtes.
Die Röhre von Dieterichs, welche ein geringes Gewicht hat, leicht zu reinigen ist, die Knorpelringe wenig aus einander drängt und ohne Bänder in ihrer Lage erhalten werden kann, ist aus Pakfong oder Weissblech gearbeitet, für Pferde etwa 1'/, Zoll lang, gegen 3/j Zoll breit, 2 Zoll hoch, oben und unten
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fast in einen spitzigen Winkel endend; an dem vorderen Seitenrande sind flügei­förmige, G Linien breite, rechtwinklig abstehende Fortsätze mit Liingsspalten zur Aufnahme der Bänder behufs einer vollständigen Sicherung der Lage der Röhre. An dem oberen Winkel des hinteren Endes der Röhre ist ein % Zoll langes, halbelliptisehes Blatt angelöthet, welches senkrecht nach aufwärts gerichtet, sich an die innere Wand der Lnfirühre anlegt; an dem unteren Winkel findet sich ein ähnliches, in einem Ausschnitte vor dem Rande auf- und abwärts verschieb­bares, an dem oberen Theile mit einem runden Loche versehenes Blatt. Die Röhre wird so eingeführt, dass der angelöthete Fortsatz nach oben gerichtet ist; hierauf schiebt man mit dem Finger den bis dahin zurückgezogenen beweglichen Fortsatz herab, und bezweckt derart eine sichere und unverrückbare Lagerung des Instrumentes; soll dasselbe entfernt werden, so schiebt man den beweg­lichen Theil mittelst einer in das Loch eingeführten Sonde in die Höhe und zieht die Röhre heraus.
Im Falle es sieli um die Beseitigung von fremden Körpern, Neu­bildungen u. dgl. handeln sollte, werden ausserdem auch die hiezu erforderlichen Instrumente hergerichtet sein müssen.
Opcrationsst,o 11 c. Lagerang des Thicres.
Der Luftröhrenschnitl kann an jedem Punkte der vorderen Flüche der Luftröhre vom Kehlkopfe an bis zur Brust gemacht werden; die Wahl der Stelle hängt jedoch von dem (Sitze des Athmungshiudernis-ses, unter welchem selbstverständlich die Eröffnung der Luftröhre vor­genommen werden muss, and von dem Zwecke der Operation ab. Sind z. ii. Neubildungen oder fremde Körper aus dem Kehlkopfe zu ent­fernen, so muss die Luftröhre diesem Organe möglichst nahe geotihet werden; sind dagegen die Athmuugshindernisse in den obersten Ab­schnitten der Eespirationsorgane, so macht man die Operation etwa 4 bis 6 Zoll unter dem Kehlkopfe.
Meist wird die Operation, besonders wenn Krstickungsgofuhr zu­gegen ist, am stehenden Thiere, dessen Kopf man in die Höhe hal­ten und dessen linken Vorderfuss man aufheben lässt, ausgeführt; nur in denjenigen Fällen, in denen dieselbe bloss den Voract einer an­deren Operation darstellt, wird das Thier und zwar auf die linke Seite gelegt.
Ausführung der Operation.
Der an der rechten Seite des Thieres stehende Operateur bil­det, nachdem er die Haare an der Operationsstcllc abgeschoren .hat, unter Mitwirkung eines Gehilfen eine quere Hautfalte und durch-
Forster. Operuiiongiclire föp Thierarzlc,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; io
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schneidet dieselbe so, dass eine 3 bis 4 Zoll lange, genau in der Mit­tellinie der Luftröhre verlaufende Hautwunde entsteht, oder macht im Noihfalle diesen Schnitt ohne Bildung einer Falte bei gleichzeitigem Anspannen der Haut, trennt die unmittelbar auf der vorderen Fläche der Luftröhre aufliegenden Brustzungenbein- und Brustschildknorpel­muskel in gleicher Ausdehnung mit der Hautwunde von einander, und lässt dieselben sammt der Haut mittelst stumpfer Haken oder mittelst der Finger nach der Seite ziehen, so dass die Luftröhre frei liegt, entfernt das etwa vorhandene Zellgewebe, sticht, ein gerades Bjstouri flach zwischen den zwei, im oberen Wundwinkel sichtbaren Luftröhrenringen ein, 'durchschneidet das zwischen denselben betind-liche Band der Quere nach (beim Pferde etwa in der Länge eines Zolles), setzt nun am Ende des Schnittes die Schneide des Messers senkrecht auf die Ringe, und durchtrennt zwei derselben, macht einen gleichen Schnitt von dem anderen Ende des ersten Schnittes aus und schneidet schliesslich das bereits auf drei Seiten gelöste Stück der Ringe, welches man, um dessen Hinabfallcn in die Luftröhre zu ver­hüten, mittelst einer Pincette, eines scharfen Hakens oder eines durch­gezogenen Fadens festhält, durch einen vierten, gleichfalls querlaufen-den Schnitt vollständig heraus, so dass eine, etwa einen Quadratzoll grosse Oeffnung in der Luftröhre entsteht.
Nach Dieterichs soll man mit dc^ji Spitzbistouri bloss einen Einstich zwischen zwei Ringen machen, und die Schnitte sodann mit dem, durch die kleine Oettnung eingeführten Knopfbistouri führen, um Verletzungen der hinteren Luitröhrcnwand zu vermeiden.
In die gemachte Oefthung wird gewöhnlich eine der Grosse der­selben entsprechende Röhre eingelegt, obschon diese im Nothfalle, je­doch nur für kurze Zeit entbehrt werden kann, in welchem Falle man indess dafür Sorge zu tragen hat, dass die Oeffnung in der Luftröhre nicht durch Muskeln oder Haut verdeckt werde, und aus diesem Grunde die quot;VVundränder mittelst Drahthaken, die an einem um den Hals ge­führten Bande festgemacht sind, zurückhält.
Dieser, von Yiborg angegebeneu Art und Weise des Luftröhren­schnittes macht man jedoch den Vorwurf, dass bei und nach der Hei­lung der Wunde die Wundränder der Lnftröhrenknorpel sich einander nähern und derart eine ringförmige Verengerung des Lumens an der Operationsstellc bedingen. Diesem Uebelstande kann man zuvorkom­men, wenn mau, wie Spooner angibt, an beiden hingen je ein halb­mondförmiges Stück ausschneidet, so dass an jedem Ringe ein Strei­fen undurchschnitten bleibt, oder wenn mau die Luftröhrenringe ein-
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fach spaltet, welches Veramp;hren gegenwärtig allgemein vorgezogen wird, da nach Beseitigung des Athmungshindernisses die Luftröhrenwunde sich leichter schliesst, obschon man auch bei dieser Methode vor Ver­engerungen der Luftröhre, bedingt durch Verdickung der Schleimhaut, nicht gesichert ist, wie diess die von Hering beobachteten Fälle beweisen.
Um die einfache Spaltung der Luftröhre, welche besonders auch bei Gegenwart eines fremden Körpers in diesem Organe angezeigt ist, da man die gemachte Wunde nach Erforderniss nach auf- oder nach abwärts verlängern kann, vorzunehmen, sticht man das Spitzbistouri im oberen Winkel der Hautwunde zwischen zwei Ringen der freigelegten Luft­röhre u. z. in der Mittellinie derselben ein, vertauscht das Spitzbi­stouri mit dem Knopfbistouri, und führt nun einen senkrechten Schnitt von oben nach unten durch 4 bis 5 Ringe, wenn man die Röhre von Dieterichs einzulegen beabsichtiget, durch 7 bis 8 Ringe dagegen, wenn man die C3-Iindrische, über einen Zoll im Durchmesser weite Röhre von Leblanc benützen will.
Nachbehandlung,
Diese besteht in täglicher Reinigung der Wunde und in zeitwei­liger Wegschaffung des in der Röhre etwa angesammelten Schleimes.
Wurde der Luftröhrenschnitt vorgenommen, um fremde Körper, Neubildungen u. dgl. zu beseitigen, so lässt man die Wunde verheilen; das von Dieterichs empfohlene Anlegen eines Heftes der Knopf­naht an jeden einzelnen, einfach gespaltenen Luftröhrenring dürfte in einem solchen Falle jedoch überflüssig sein, da die Schnittenden der Ringe vermöge ihrerElasticität sich einander nähern, und die zwischen ihnen etwa vorhandene Lücke bald durch ein fibröses Gewebe ausgefüllt wird. Durch das letztere wird auch die, durch theilweises Herausschneiden der Ringe entstandene Lücke wieder verschlossen.
Wurde dagegen eine Röhre durch längere Zeit angewendet, und bleibt nach Entfernung derselben eine klaffende Spalte zurück, so hält auch Hering das Anlegen einer Naht mit Bleidraht an die ein­zelnen Ringe für zweckmässig, um dem Umbiegen der Enden derselben nach innen vorzubeugen.
Bei Benützung einer Röhre, die, obschon es hiebei in Folge des steten Reizes mitunter zu bedeutenden Verdickungen der Luftröhren­schleimhaut kömmt, Monate lang von den Thieren getragen werden kann, hat man darauf zu sehen, dass dieselbe ihre gesicherte Lage
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habe, da das Herausfallen derselben den Tod des Thieres bedingen kann.
Ungünstige Ereignisse.
Blutungen von einiger Bedeutung sind nur bei abnormer Ver­zweigung der Drosselschlagadcr denkbar; Emphyseme, die sich in der Umgebung der Wunde mitunter entwickeln, sind von keinem Be­lange. Wichtiger sind die nach der Operation vorkommenden Ver­engerungen der Luftröhre durch Einwärtsbiegen der Schnitt­enden der Hinge, durch Neubildung von Binde- oder fibrösem Gewebe an der Operationsstellc. Diese Verengerungen können einen derartigen Grad erreichen, dass die, durch sie hervorgerufenen Athmnngsbcschwer-den eine abermalige Eröffnung der Luftröhre unterhalb der verenger­ten Stelle erheischen.
Als ein, wenn auch nur sehr selten und nur bei dem Gebrauche complicirter Röhren beobachtetes ungünstiges Ereigniss verdient das Hinabfallen einzelner Bestandtheile der Röhre in die Trachea erwähnt zu werden.
3. Die theilweise Abtragung des Giesskannenknorpels.
Diese von Günther dem Sohne in Hannover in neuester Zeit zuerst ausgeführte Operation hat den Zweck, Pferde, welche am Pfeiferdampfe, bedingt durch Sehwund der Erweiterer der Stimmritze, leiden, wenigstens zu gewissen Dienstleistungen wieder brauchbar zu machen.
Die Ansichten über den Erfolg der Operation sind bei der Neu­heit derselben noch gotheilt; Warnke in Hamburg stellte zwei Pferde durch dieses Verfahren her, und Stockfleth erwähnt eines Falles, in welchem das, seit einem Jahre dämpfige und kaum verwendbare Pferd fünf Wochen nach der Operation wieder zu schnellem Dienste zu gebrauchen war.
Ausführung der (Operation.
Günther selbst veröffentlichte das Verfahren bisher noch nicht; Stockfleth jedoch, welcher Gelegenheit hatte, bei Ausführung der Operation zugegen zu sein, und dieselbe später selbst vorzunehmen, beschreibt sie in nachstehender quot;Weise : Ist das Pferd auf den Bücken gelegt, und Hals und Kopf gerade gestreckt, so werden die obersten
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Luftröhrunringc samjnt dem Bingknorpel durch einen Längenschnitt ge­trennt, und die Wundränder mittelst breiter Haken so auseinanderge­halten, dass man freie Einsicht in den Kehlkopf hat. Nachdem die unbedeutende Blutung mittelst kleiner, runder, an einem spanischen llohrc befestigter Schwämme gestillt ist, erfasst man mit einem schar­fen Haken den Pyramidenknorpel an seinem inneren Rande, und schneidet mit einem scharf auf die Fläche gebogenen, über 9 Zoll langen und an der Spitze abgerundeten JIcsser ein etwa 3/4 Zoll langes und einen Zoll breites Stück des Knorpels heraus. Sollte die Anschwollung der Kchlkopfschleimhaut nach der Operation Athmungs-beschwerden hervorrufen, so legt man zwischen zwei Einge eine Canule ein. Die äussere Wunde wird wie gewöhnlich behandelt.
4. Der Bruststieh.
Unter Bruststich, Paraeentese der Brust, versteht man dasjenige operative Verfahren, bei welchem man sich mittelst stechender Werkzeuge einen Weg durch die Brustwandung in die Brusthöhle bahnt, um daselbst angesammelte Flüssigkeiten zu entleeren.
Geschichtliches.
Obschon der Bruststieh in der Menschenheilkunde seit den älte­sten Zeiten bekannt war, so findet sich diese Operation in den älte­ren thicrärztlichen Werken doch nirgends erwähnt, und es bleibt somit zweifelhaft, ob sie an Thieren überhaupt vorgenommen wurde oder nicht. Erst Lafosse (1772) beschreibt den Bruststieh, den er für das ein­zig sichere Bettungsmittel bei der durch Entzündung bedingten Brust-wassersucht erklärt, die Anwendung desselben bei den durch ander­weitige Processe veranlassten Wasseransammlungen jedoch für nutzlos hält. Er bediente sich hiezu eines Troikarts, den er an einer oder an der anderen Brustscitc an der Vereinigungsstclle der achten Bippe mit ihrem Knorpel einstiess; von der in der Brusthöhle enthaltenen Flüssig­keit Hess er nur einen Theil abfliessen, spritzte durch die Canule ein halb so grosses Quantum eines aus Wundkräutern bereiteten Decoctes ein, entleerte zwei Stunden später zwei Drittel des Inhaltes, injicirte ein Drittel des bei dem zweiten Male abgezapfton Quantums, und wiederholte diesen Vorgang in gleichem quot;Verhältnisse noch mehrere Male, bis die ganze Flüssigkeitsmenge entleert war. Im (iegensatze zu Lafosse
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sprach sich Gohier dahin aus, dass die Paracentese der Brust stets den tödtliohen Ausgang des, der Wasseransammlung zu Grunde liegen­den Leidens beschleunige, und dieser Ausspruch quot;war die vorzugsweise Ursache, dass die Operation gänzlich verworfen wurde. Pilger, der die Paracentese einigemale mit grösster Vorsicht vornahm, sah nie einen guten Erfolg derselben. Auch Strauss, sowie Dieterichs, welcher das Verfahren im Jahre 1822 beschrieb, waren ähnlicher Meinung, und der letztere erklärte den Bruststich für eine immer unsichere, in ihren Folgen meist undankbare Operation. Massot (1826) machte beim Pferde zwischen der 5. und 6. Eippe, hinter und in gleicher Höhe mit der Ellbogenspitze einen Einschnitt, und liess die Flüssigkeit ablaufen. Renault unternahm den Bruststich binnen 19 Tagen vier­zehnmal bei einem und demselben Thierc. Um die gesammte Menge Flüssigkeit aus der Brusthöhle entleeren zu können, wurde der Einstich an der unteren Fläche der Brust, zwischen dem Schaufelknorpel und dem Knorpel der letzten wahren Kippe gemacht, indess fand diese Methode, bei welcher man nicht direct in die Brusthöhle, sondern zu­nächst in das vorderste Ende der Bauchhöhle gelangt und, um in den Brustraum einzudringen, erst die untersten Fasern des Zwerchfelles durchbohren muss, keine verbreitetere Anwendung, indem eine voll­ständige Entleerung der Flüssigkeit, die man durch die an der Unter­brust ausgeführte Operation möglich zu machen suchte, nicht nur nicht von Vortheil ist, sondern sogar sehr gefährliche Folgen nach sich ziehen kann.
In neuester Zeit hat man durch die Stiehöffnung Jodeinspritzun-gen gemacht, indess ergaben die von Bouley, Prudhomme, Bossi, Saint-Cyr und Anderen angestellten Versuche durchaus nicht auf­munternde Resultate. Hering führt durch die Stichöffnung einen langen elastischen Catheter, den er bis gegen das Brustbein hinab­schiebt, ein, und zieht die Flüssigkeit mit einer an den Catheter ange­setzten Spritze aus.
Anzeigen zur Operation.
Angezeigt ist der Bruststich, welcher selbstverständlich immer nur ein Palliativmittel ist, durch welches das Leben des Thieres mög­licherweise noch so lauge gefristet werden kann, dass andere Heilmittel ihre Wirkung zu äassern vermögen :
1, lu solchen Fällen von Brustfellentzündung, in denen die Menge des Exsudates eine sehr bedeutende ist, die Resorption
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nur sehr langsam oder gar nicht vor sich geht, somit zu besorgen ist, dass selbst dann, wenn sie später auch erfolgt, die Lunge in ihrem comprimirten Zustande verharrt; nicht minder dort, wo in Folge der massenhaften Exsudation und der liiedarch bedingten Compression der Lunge Erstickung einzutreten droht.
2. Bei Brustwassersucht (Hydrothorax), wenn ein höherer Grad von Athemnoth vorhanden ist.
quot;Wohl hat man auch bei Blutansammlungen in dem Brust­fellsacke den Bruststich empfohlen; ist iudess die Menge des extrava-sirten Blutes eine geringe, so findet Besorption statt, ist sie dagegen eine bedeutende, so gehen die Thiere nicht selten sogleich in Folge der Anaemie, der Lnngencompression oder des, der Blutung zu Grunde liegenden Leidens ein.
Dass bei Thieren, bei denen der Bruststich vorgenommen wurde, der tödtliche Aasgang in der Mehrzahl der Fälle nicht ausbleibt, daran trägt die Operation, welche, mit der gehörigen Vorsicht vorge­nommen, ganz ungefährlich ist, durchaus keine Schuld, sondern dieser ist durch das Grundleiden bedingt; der Zustand des Thieres verschlim­mert sich durch die Operation, welche meist vielleicht auch bereits zu spät gemacht wird, nicht nur nicht, sondern dieselbe schafft eine, leider häufig nur zu kurze Zeit andauernde Erleichterung.
Instrumente.
Die zu dem Bruststiche erforderlichen Instrumente sind: Eine Scheere zum Abschoeren der Haare und ein Troikart, u. z. am zweckmässigsten der Troikart von raquo;Skoda und Schuh.
Will man, wie es z. B. Hering, Dieterichs, so wie franzö­sische Thierärzte thun, früher einen Hautschnitt machen, was jedoch überflüssig und ausserdem nicht vortheilhaft ist, so benöthiget man hiezu ein geballtes Bistouri und zur nachherigen Versohliessung der Hautwunde Nadel und Faden zur umschlungenen Naht. Im äussersten Nothfalle wird man zum Bruststiche selbst mit einem spitzi­gen Messer ausreichen müssen.
Zur Paracentese der Brust kann man sich, wie bereits bemerkt, entweder eines gewöhnlichen Troikarts oder eines eigenen Bruattroikarts bedienen.
Der erstere hat ein 5 bis 6 Zoll langes, 2'/^ Linien dickes, cylindrisches, mit einem 2,A Zoll langen, hölzernen Griffe versehenes Stilet mit dreiflächig zugeschliffener Spitze, und eine, entweder federnde oder an dem vorderen Rande bloss etwas zugeschärfte, sich genau an das Stilet anlegende, rückwärts mit
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einem Ansgussschnahel vcrseliene Cannle. Rd kleineren Thieren verwendet man einen 3 Zoll langen und saramt der Rohre 21/, Linien dicken Troikart. Da man jedoch die Erfahrung machte, dass in Folge des Eindringens von Luft in die Brusthöhle das vorhandene Exsudat eine jauchige Beschaffenheit aunehme, so brachte man an dem Troikart Vorrichtungen au, durch welche das Einströ­men der Luft verhütet werden soll. Hieher gehört das Befestigen eines nassen und vollkommen zusanimengedrückten Darmstückes an die Caunle des Troikarts, durch welches daraquo; Ausströmen der Flüssigkeit durchaus nicht gehindert, das Eindringen von Luft dagegen verhütet wird Der letztere Vortheil wird gleich­falls ganz sicher durch den Troikart von Schuh erreicht. Dieses Instrument besteht aus dem Stilet, aus der Cauule und aus dem Troge. Das Stilet ist
5nbsp; Zoll lang, 2 Linien stark, vorne In eine dreiflächig zugeschliffene Spitze endi­gend, rückwärts mit einem 2'/,, Zoll laugen kolbigen Hefte versehen. Die um
6nbsp; Linien kürzere, federnde Cauule hat 9 Linien vor ihrem hinteren Ende, an welches der Trog angesteckt wird, einen im vierten Theile eines Kreises dreh­baren Hahu, durch welchen dieselbe vollständig verschlossen werden kann. Der Trog, dessen Seitenwände eine, einen Zoll hohe, vorne und hinten durch senk­recht gestellte Wände geschlossene Rinne bilden, ist 2 Zoll lang, 9 Linien breit; derselbe besitzt an seiner vorderen Wand, nahe dem Boden zu, eine, durch ein Lcder- oder Kautschukventil vcrschliessbare Oeffnung — die Einflussöffnung, — eine zweite in der Nähe des freien Randes einer Seitenwand, somit höher oben angebracht, ist die Ausflussöffming. Das Eindringen der Luft in die Brusthöhle wird bei diesem Troikart auf dreifache Art verhindert n. z. durch den Hahn, durch die im Troge enthaltene Flüssigkeit und durch die, bei einem von aussen wirkenden Drucke sich vor die Einflussöffnung legende Klappe.
Operationsstelle. Lagerung des Thieres.
Der Einstich wird beim Tfcrde gcwöhnlicli zwischen der 6. und 7., oder zwischen der 7. und 8. Rippe gemacht, obschon man densel­ben nach Her twig selbst zwischen der S. bis 8. Rippe von vorn, oder zwischen der 10. bis 13. von rückwärts gezählt, unternehmen kann. Beim Rinde wählt man die Zwischenräume zwischen der 6. bis 9., beim Schweine jene zwischen der 7. bis 9., beim Hnnde und bei der Katze jene zwischen der S. bis 9. Rippe, (von rückwärts an ge­zählt). Nach Strauss soll man die, dem hinteren, oberen Winkel des Schulterblattes zunächst gelegene Rippe so tief herab verfolgen, bis man ihre Verbindung mit dem Rippenknorpel wahrnimmt.
Die Einstichstcllc selbst liegt etwas ober- oder unterhalb der Sporader: macht man die Function zu hoch oben, so bleibt zu viel Flüssigkeit in der Brust, sticht man dagegen zu tief unten ein, so wird die Operation wegen der dicken Muskellagen und wegen der einander zu nahe liegenden Ripponknorpel schwieriger ausführbar; bei
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dem Einstechen selbst hält man sieh von dem hinteren Rande der Eippe mögliehst entfernt, um eine Verletzung der Zwischenrippen-Arterie zu vermeiden.
Auf welcher Seite die Paracentese vorzunehmen ist, hiingt von dem Umstände ab, ob die Flüssigkeit bloss einerseits oder aber beider­seits angesammelt ist ; in letzterem Talle ziehen einzelne Operateure die Punction an der rechten Seite vor, da sie linkerseits eine Ver­letzung des Herzeus fürchten.
Die Operation wird immer am stehenden Thiere gemacht; bei Pferden reicht das Aufheben des Vorderfusses jener Seite, an welcher operirt wird, immer hin, obgleich selbst dieses häutig überflüssig ist.
Ausführung der Operation.
Nachdem die Haare an der Operationsstelle abgeschoren sind, umfassl der Operateur den Troikart so, dass der Griff in die Hohlhand zu liegen kömmt, schiebt den Zeigefinger auf der Canule so weit gegen die Spitze des Instrumentes vor, dass nur eben ein der Dicke der Brustwandung entsprechendes Stück desselben (bei Pferden etwa ein bis zwei Zoll) frei bleibt, wodurch das zu tiefe Einstechen vermieden wird, setzt den Troikart auf die mit den Fingern der linken Hand tixirte Haut auf, und drückt ihn langsam in gerader Richtung durch die Brustwandung hindurch, bis man aus dem Aufhören des Wider­standes erkennt, dass man in die Brusthöhle gelangt sei. Das Stilet wird hierauf so weit aus der Canule hervorgezogen, dass der an der­selben angebrachte Hahn gedreht werden kann, sofort der mit Wasser ge­füllte Trog angesteckt, der Hahn in seine frühere Stellung zurückge­bracht, und derart der Ablluss des Inhaltes der Brusthöhle ermöglichet. Sollte keine Flüssigkeit zum Vorscheine kommen, so schiebt man die Canule etwas tiefer, oder man beseitiget die, die Bohre etwa verstopfen­den Gerinnsel durch Einführung einer '-ende. Eine geringe llengc Flüssigkeit erhält man bei abgesackten Exsudaten. Zeitweilig unter­bricht man den Strom für kurze Zeit, um Blutanhänfungcn, selbst Blutungen in Leber und llilz, Zerreissungcn der Lungenbläschen und ähnliche, nicht selten tödtlich ablaufende Nebeuzufälle zu vor­hüten. Wird der Strom schwächer, so schiebt man die Canule ent­weder tiefer in die Brusthöhle hinein, oder zieht dieselbe, falls anzu­nehmen ist, dass der grösste Theil der Flüssigkeit bereits entleert wurde, mit der rechten Hand heraus, indem man gleichzeitig mit den Fingern der linken Hand die Haut neben der Einstichstelle gegen
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die unterliegende Muskulatur andrückt, um den Eintritt eines Emphy­sems oder eines Oedems zu vermeiden; die Wunde überlässt man sich selbst oder bestreicht dieselbe mit etwas Theer oder Terpentin. Das Anlegen der Naht au der Hautwunde ist überflüssig. Eine durch die Operation gebotene Nachbehandlung ist unnothig.
Einige rathen, die Haut an der Operationsstelle vor dem Ein­stiche etwas zu verschieben, damit nach dem Ausziehen der Cauule die quot;Wunde in der Muskulatur und in dem Brustfelle selbst durch die, ihre frühere Lage einnehmende Haut gedeckt, und das Eindringen von Luft unmöglich gemacht werde.
Ungünstige Ereignisse.
Als solche sind zu bemerken :
Verwundungen der Lunge, desZwerchfelles, des Herz­beutels, derZwischenrippenschlagader. Ursache der ersteren ist meist eine gefehlte Diagnose, da bei Ergüssen in die Brusthöhle die Lunge nach ein- und aufwärts verdrängt erscheint, wenn nicht Verwachsungen beider Brustfellblätter zugegen sind. Verwundungen der anderen ge­nannten Gebilde haben- ihren Grund in dem Einstechen an ungeeigneter Stelle oder in fehlerhafter Handhabung des Troikarts.
Hautemphyseme werden meist durch unvorsichtiges Heraus­ziehen der C'anulc veranlasst. Selbst den Tod des Thieres sah man während der Operation eintreten, wenn eine grosse Menge von Flüssig­keit ohne Unterbrechung ausfliessen gelassen wurde.
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Operationen .111 den Verdauuii.'so rganen-
Z'J diesen gehören: Die Zahnoperationen, die Unterbin­dung des Speichel ganges, die Beseitigung fremder, im Schlünde steckengebliebener Körper, die Entleerung der im klagen oder im Darme im l'ebermasse angesam­melten Gase oder Futterstoffe, der Bauchstich, die Operation des Mastdarmvorfalles, so wie jene der Einge­be i d e b r ü c h e.
1. Operationen an den Zähnen.
Unter den Zahnoperationen linden die En tf er nung scharfer Spitzen und Kanten, und die Verkürzung zulang erZähne, so wie die H er a usn ahme ganzer Zähne noch die häufigste An­wendung, indess wurde sogar das Plombiren hohler Zähne, so wie das Einsetzen von Zähnen bei Pferden versucht.
Geschichtliches.
Sieht man von dem, seit Langem gekannten und fleissig geübten Maulräumen oder Maulputzen, so wie von dem, zur Erreichung ge­wisser Handelsvortheile ausgeführten Ausziehen der Milchschneidezähne, dem Absägen zu langer Schneidezähne und dem Nachmachen der Kunden ab, so datiren sämmtlichc Zahnoperalionen aus dem laufenden Jahrhunderte. In diesem erst lernte man die Zahnkrankheiten unserer Hausthiere und die Mittel, dieselben zu beseitigen, genauer kennen. Das grösste Verdienst in dieser Hinsicht erwarben sich jedoch unstreitig Günther senior u. junior zu Hannover, deren letzterer in dem von ihm im J. 18S9 veröffentlichten Werke: „Die iJeurtheiluugslehre des
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Pferdes bezüglich dosson quot;Dienst-, Zucht- und Handolswcrthesquot; auch die Zahnkrankheiten einer eingehenderen Bahandlung würdigte. Ob­gleich verschiedene Thierärzte z. B. Blasse, Joaet, Brognicz, quot;Wendenburg, Gowing, Tr autvetter, Pill wax, Prange, Schindler, Patellani, Zahninstramente erfanden, so sind es doch vorzugsweise die von G ü n t h e r angegebenen, denen praktische Brauch­barkeit nicht abgesprochen werden kann, und durch deren Benützung es sattsam erwiesen ist, dass das Ausziehen bleibender, nicht bereits gelockerter Backenzähne des Pferdes wohl eine schwierige, aber nicht, wie häutig geglaubt wird, durchaus unausführbare Operation sei. Das heutzutage viel seltener, als früher geübte Auskeilen der Backen-Zähne mit seinen verschiedenenModiäcationen beschrieben Havemann (1822), E. Viborg, Rohlwes, Dieterichs, raquo;Strauss und Andere, wäh­rend H u r t r e 1 d'A r b o v a 1 und V a t cl, welchen beiden die oben erwähnte Operation noch in den Jahren 1826 und 1828 ganz unbe­kannt war, sogar das Zerschlagen des schadhaften Zahnes mit Hilfe des Zahnmcissels und das Brennen der in der Zahnhöhle zurückge­bliebenen Stücke mit dem glühenden Eisen vorschlugen, obschonYatel auch des englischen Schlüssels, welchen Dieterichs schon im .lahrc 1818 in dem Instrumentarium der Thierarzneischule zuAlfort gesehen zu haben bemerkt, erwähnt. Selbst das Ausfüllen der in Folge von Zahncaries entstandenen Höhlungen wurde von Wulff und War­sage mit Erfolg unternommen; ersterer bediente sich hiezu der, in eine dicke Lösung von Mastix und Sandarak in Weingeist getauchten Baumwolle, letzterer der, in warmem Wasser erweichten Guttapercha. Suth (irittheilungen aus der thierärztlichen Praxis im preussischen Staate. III. pag. 139.) soll den durch Caries zerstörten dritten Backen­zahn im Vorderkiefer eines Pferdes durch den gleichnamigen Zahn eines crepirten Pferdes mit vollständigem Erfolge ersetzt haben.
A, Die Bcseitignii!; sekrfer Spitzcu mul Kanten uuil die Verkürznui; zu langer Zsiine.
Scharfe Spitzen und Kanten, die am äusscren Rande der Vorderkiefer-, und am inneren Bande der Hinterkieferzälme bei jüngeren und älteren Pferden nicht selten vorkommen, hindern das Thier im Fressen, geben zu Verwundungen der Wange und der Zunge Veran­lassung, und müssen dosshalb beseitiget werden, was auf verschiedene Weise geschehen kann.
Ein schon lange gekanntes, indess auch noch heute hie und da beliebtes Verfahren, welches indess nur bei kleineren Zahnspitzen
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anwendbar ist, besteht darin, dass man dem Pferde eine gewöhnliche Hufraspel in das Maul steckt, und es so lange auf dieselbe beissen lässt, bis die vorragenden Spitzen der Zähne beseitiget sind.
Anstatt einer gewöhnlichen Raspcl kann man sich zum Abtragen kleinerer Spitzen der Zahn rasp ein und Zahn feilen, wie solche von Lindenberg und Günther angegeben wdreien, bedienen.
Die Zalinraspcl von Lindenberg besteht aus einem 20 Zoll langen, '/, Zoll starken Eisensfabe, au dessen vorderem Ende die etwa 5 Zoll lange, bis 2 Zoll breite und '/j Zoll dicke stählerne, ganü platte oder leicht convexeon-cave Raspcl, deren Kanten wohl abgerundet sein müssen, angebracht ist; die Schärfen der Raspel, deren Seitenräuder .sich fast zwei Linien breit nach der rauhen Fläche unibengen, um das seitliche Abgleiten von den Zähnen zu ver­hüten, sind nach vorne gerichtet; die Zahn feile hat eine stark concave, feilen-artig gehauene, und eine convexe, glatte Fläche.
Günther bedient sich einer flachrunden und einer ebenen Raspel; die erstcre hat eine 5 Zoll lange, l3/, Zoll breite, '/, Zoll dicke, au einem entsprechend langen Stiele angebrachte Stahlplatte, deren ausgehöhlte Seite mit Ausnahme der stumpfen und abgerundeten Ränder mit sehr eng stehenden, kleinen, dem freien Ende der Raspel zugekehrten Zähnen besetzt ist; die letztere, vor­zugsweise zur Verkürzung der weit vorstehenden Zahnkanten bei Schcerengcbissen, so wie der über die Normalhöhe etwas hervorgewachsenen Zähne bestimmt, unter­scheidet sich von den flachrunden bloss dadurch, dass sie platt ist.
Um die Spitzen und Kanten zu beseitigen, werden Feile oder Äaspcl nach eingelegtem Maulgitter und gut lixirtem Kopfe des stehen­den Thiercs auf die lleibefläehe einer /ahnreihe aufgesetzt, und unter massigem Drucke vor- und rückwärts bewegt, bis die Unebenheiten beseitiget sind, wobei man jedoch, wenn an den letzten Backenzähnen operirt wird, vorsichtig vorzugchen hat, um Verletzungen der Wcich-theile zu vermeiden.
Ein anderes zu demselben Zwecke benutztes Instrument ist die Räumschaufel.
Dieselbe besitzt eine, gegen 2 '/j Zoll lange, 1 '/^ Zoll breite und V4 Zoll dicke Klinge, welche jeuer eines Wirkmessers gleicht; der vordere Rand der­selben ist meisselförmig zugeschliffen; die Seitenrändor ragen, um das Abgleiten des Instrumentes nach den Seiten hin zu verhüten, etwa zwei Linien über die Fläche empor, an dem hinteren Rande ist der beiläufig 2 Schuh lange, '/j Zoll dicke, in einen glatten Knopf endigende Stiel angebracht.
Bei der Anwendung wird diejenige Fläche der Klinge, nach welcher die Seitenränder aufgebogen sind, auf das vordere Ende einer Zahnreihe aufgelegt; es werden die etwa vorfindlichen Spitzen durch kurze Stössc mit dem Instrumente oder ausnahmsweise durch Schläge, die mit einem hölzernen Schlägel auf das hintere Ende des Stieles
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geführt werden, beseitiget, und schliesslich die Rauhigkeiten mit der Raspel oder Feile vollständig geebnet.
Um die Räumschaufel, durch deren unTorsichtigen Gebrauch nicht nur Verwundungen der quot;Weichtheile in der Maulhöhle, sondern selbst Zersprengen des Zahnes, Brüche des Zahnfaches oder des Kiefers her­beigeführt werden können, entbehrlich zumachen, hatBrogniez den Zahnhobel, der später von Charlier, Prange n. And. modiflcirt wurde, construirt.
Dieses, gleichfalls mir zur Beseitigung vorstehender Spitzen an den Backen­zähnen bestimmte Instninient besteht aus einem Ringe, welcher an einer etwa 26 Zoll langen, 5 Linien starken Eisenstaugc angebracht, die Klinge trägt, und aus dem beweglichen, die Stelle des Hammers versehenden Endtheile, Der aus einem 4 Linien starken, runden Eisenstabe gebildete Ring ist liinglieh viereckig, 3 Zoll laug, gegen 16 Linien breit, an den Ecken abgerundet, an dem vorderen und hinteren Theile leicht in die Höhe gerichtet; die etwas tiefer stehender. Seitentheile haben einen Ausschnitt, in welchem die mit zwei halbmondförmigen Schneiden versehene, in der Mitraquo;e 9, am Rande 12 Linien breite Klinge mittelst Zapfen befestigt ist. Der bewegliehe Endtheil besteht aus einem hohlen, 7 Zoll 1 angen, auf der Stange leicht verschiebbaren Cylinder und aus einem querge­stellten Stücke, welches entweder aus Eisen massiv gearbeitet ist, oder eine mit Eisenstücken, Bleikugeln, Sand u. dgl. gefüllte Kapsel von Kupferblech darstellt.
Charlier änderte das eben beschriebene Instrument dahin ab, dass er den Ring derart verlängerte, dass der ganze Zahn umfasst werden kann, und liess das, den Hammer ersetzende Quersittck hinweg; Prange brachte, um den Zahnhobel auch zum Verkürzen zn langer Zähne benützen zu können, drei ver­schieden geformte, mit einer schrägen Schneide versehene Klingen an
Gebraucht man den Zahnhobel von Brogniez, so bringt man den Ring so auf die Reibefläche der Backenzähne, dass seine Seiten­theile sich über die Ränder der letzteren an die Seitenflächen anlegen, sprengt durch Yorstossen und Zurückziehen des beweglichen Endtheiles die Spitzen ab, und ebnet schliesslich die Fläche mit der Raspel.
Auch das Verkürzen zu langer Zähne kann mittelst ver­schiedener Instrumente vorgenommen werden. Man vollführt diese Operation gleichfalls stets am stehenden, nöthigenfalls mit dem Hinter-theile in einer Ecke festgestellteu Thiere, um das Hinahschlucken der Zahnfragmente möglichst zu verhüten.
ISaeh Her twig legt man dem Thiere ein Maulgitter ein, zieht die Zunge nach jener Seite, an welcher nicht operirt wird, hervor, schneidet mit einer scharfkantigen, an dem vorderen Ende mitunter mit einem Bleiknopfe versehenen Feile an beiden Seiten des zu langen Zahnes in der Höhe der übrigen Zähne eine etwa 1—1'/^ Linien tiefe Querfurche ein, setzt an den vorderen Rand gerade vor den gemachten
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Furchen einen Meissel an, und treibt denselben durch kurze, kräftige Hammerschläge in den Zahn, welcher hiebei in der Richtung der Furchen quer abspringt, worauf etwa vorhandene kleine Spitzen mit der Raspel abgetragen werden.
Günther lässt das Maul des Thieres durch das von ihm eon-struirte Maulgitter, welches sich von den gewöhnlich gebräuchlichen Formen dieser Zwangsgeräthsehaft dadurch unterscheidet, dass die Quer­stücke nicht auf den Laden, sondern auf den Schneidezähnen aulliegen, geöffnet ha'ten, und verkürzt die nur wenig über die Nonnalhöhe her­vorgewachsenen Zähne mittelst der ebenen Zahnraspel, worauf er die Seitenkanten mittelst der tiachrunden Kaspel hin wegnimmt. Höher vor­stehende Zähne dagegen werden, obgleich Hering das Absägen für unausführbar erklärt, mittelst der Zahn säge verkürzt, oder eingesägt und sodann mittelst des Zahnmeissels abgesprengt. Zur Verkür­zung des letzten Backenzahnes jedoch wendet Günther zweckmässig und mit günstigem Erfolge den Haken meissel an, welcher hinter die vorstehende Spitze so angelegt wird, dass das mit dem Knopfe versehene Ende des Hakens der Wange, die glatte Seite dagegen dem Zahnfleische des abzusprengenden Zahnes zugekehrt ist. Während der Operateur das Meisselende mit der Hand in seiner Stellung erhält, lässt er gegen das Knie dieses Endes, u. z. gegen sich kurze Hammersireiche führen, um den vorstehenden Theil des Zahnes abzu­sprengen.
Der von Günther angegebene Za Im meissel, welcher im Ganzen eine Länge von 22 Zoll besitzt, hat eine 3 Zoll lange, 1 '/g Zoll breite, scliräg zn-geschärftc Klinge, deren Seitenränder auf etwa '/s Zoll über die untere Fläche vorragen.
Die Zahn säge hat ein, einen Zoll breites, ziemlich starkes, mit kleinen nicht geschränkten Zähnen versehenes Blatt; der 7 Zoll lange, % Zoll dicke und % Zoll breite eiserne Bogen hat an beiden freien Enden ein achteckiges Loch, in welches ein, nach innen platt pyramidenförmig vorstehender gespaltener Zapfen, in welchem das Blatt mittelst kleiner Schrauben befestiget wird, genau passt. Die Handhabe besteht aus einem, beiderseits mit Holz bekleideten, flachen Eisenstabe- von 2 Fuss Länge, der, an dem vorderen Ende '/, Zoll breit und % Zoll dick, an dem hinteren freien Ende eine Breite von l'/2 Zoll bei einer Stärke von '/s Zoll hat.
Günthers Hakenmcissel stellt einen 30 Zoll langen, ^ Zoll im Durchmesser starken Eisenstab dar, an dessen einem Ende ein stählerner, knopf-förmig übergebogen endigender Haken angebracht ist, der 3/s Zoll dick, vom coneaven zum convexen Rande in der Mitte % Zoll breit ist, querüber 2 Zoll misst, und eine platte und eine schräge Fläche besitzt, durch deren Vereinigung an dem coneaven Rande eine scharfe Kante gebildet wird; das
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andere Ende des Stabes ist in einer Länge von anderthalb Zoll rechtwinklig nach der Hakenseite hinab gekniet.
Zu demselbeu Zwecke dienen die Zahn me i ss cl von Brogniez, Go wing und Mericant.
Der Zahnmeissel von Brogniez besteht aus zwei, mit einander be­weglich verbundenen Eisenstangen. Eine derselben, 22 Zoll lang und 5 Linien stark, trägt an ihrem vorderen Ende, ebenso wie der Zahnhobel, einen länglich viereckigen, 3'^ Zoll langen, 1% Zoll breiten Ring, dessen Seitentheilc tiefe Furchen besitzen, in denen sich der Meissel vor- und rückwärts bewegt; der den Ring vorne abschliessende Theil ist 7 Linien breit, der vordere Band desselben abgerundet, der hintere Rand halbmondförmig, scharf. Das hintere Ende dieses Stabes hat einen quergestellten, 4 Zoll langen Fortsatz, durch welchen die zweite, den einen Zoll breiten, zehn Linien langen, mit einer starken, schwach vconcaveu Schneide versehenen Meissel tragende, 27 Zoll lange, hinten mit einem runden Knopfe endigende Siange hindurch tritt.
Bei dem Gebrauche dieses Instrumentes wird der zu lange Zahn in den King gefasst, an den Forfsatz der unbeweglichen Stange ein Hammer entgegengehalten, um die zu starke Erschütterung des Kiefers zu vermeiden, und mittelst eines auf den Knopf des beweglichen Theiles mit einem zweiten Hammer geführten Schlages das Zahnstück abgesprengt.
Verkürzungen der Schneidezähne, welche bei dem Hecht-und Karpfengebisse, so wie bei schiefer und verdrehter Stellung ein­zelner Zähne mitunter nothwendig werden, nimmt man entweder, wie schon Strauss angerathen, mit der Säge allein vor, oder man sägt, um Zeit und 'Mühe zu ersparen, den Zahn auf ein Viertel oder ein Drittel seiner Dicke ein, sprengt ihn mittelst einer scharfen Kneipzange ab, und stumpft schlicsslich die Kanten mit der Feile ab.
U'ngünstige Ereignisse, welche bei dem Abtragen von Zahnspitzen oder bei dem Vorkürzen der Zähne eintreten können, sind die bereits früher angegebenen Verwundungen der Zunge, der Backe, des Oanmensegels, des Wangcnnervens, so wie der Knochen in der Maulhöhle, ferner Splitterungen der Zähne oder Luxiren derselben. Hering erwähnt eines ihm selbst vorgekommeneu Falles, in welchem das Pferd die Feile abbiss.
B. Ausziehen der Ulme.
Es ist eine, wohl von der Mehrzahl der Thierärzte angenommene Meinung, dass das Ausziehen der bleibenden Backenzähne des Pferdes eine iiusserst schwierige Operation sei, wenn der Zahn nicht bereits locker ist, ja dass man sogar mit den wirksamsten Zangen manchmal
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(selbst am Cadaver, wie Hering bemerkt) nicht im Stande sei, einen noch festsitzenden Backenzahn des Pferdes vorschriftsmässig herauszu­nehmen. Begründet werde diese Schwierigkeit in der bedeutenden Länge der Zahnwurzel im Vergleiche mit dem aus dem Zahnfleische vorstehen­den Theile, in dem engen Zusammenstehen der Zähne und in dem falz-ähnliehen Ineinandergreifen der an dem Zahne und an den Wänden des Zahnfaohes vorhandenen Erhölmngen und Vertiefungen, in der Schwäche der Kinnbacken, in dorn geringen Baume zwischen den Zahnreihen beider Kiefer und in dem in Folge dessen sehr erschwerten Anlegen der Zange und Heben des gefassten Zahnes.
Dieser Ansicht tritt jedoch Günther, welcher, wie er anführt, noch nie in die Lage gekommen ist, dass ein Zahn seinen Zangen nicht hätte Folge leisten wollen, entgegen, und bemerkt gleichzeitig, dass die Ursache des Misslingens der Operation meist in dem Mangel an operativer Fertigkeit einerseits, anderseits in der nicht genügsamen Beachtung der Lageverhältnisse und der Stellung des Zahnes, welche Verhältnisse nur an Präparaten blossgelegter Zähne und Zahnhöhlen genau erforscht werden können, zu suchen sei. Fehlt die Kenntniss der letzteren, so wird man selbst mit den bestconstruirten Instrumenten nicht zum Ziele gelangen, und statt zu nützen, nicht selten erhebli­chen Schaden verursachen. Es wird z. B. jede Richtung der Hebellinie, welche der Richtung und Form der Zahnwurzel oder Zahnhöhle nicht vollkommen entspricht, den gefassten Zahn nach aussen und innen gegen die nur dünnen Wandungen der Kinnladen oder gegen die nebenstehenden Zähne pressen, und die Lockerung, Lösung und das Ausheben des Zahnes vereiteln; findet hiebe! die Anwendung einer bedeutenderen Kraft statt, so können die Wandungen des Zahnfaches oder der Zahn zerbrochen werden, oder es gleitet die Zange ab. Das Ausheben des Zahnes ist somit stets entsprechend der Richtung, welche derselbe im Kiefer hat, vorzunehmen, wenn es vollkommen ge­lingen soll.
Um die Thiere nicht einer gewissen Gefahr auszusetzen, oder um nicht durch misslungene Versuche den Mhth zu verlieren, soll man nach Günthe is Rath alle Operations-Unternehmungen unterlassen, be­vor man nicht entsprechende Vorstudien gemacht, und sich klare An­sichten von den topographischen Verhältnissen derjenigen Theile, welche bei dem operativen Angriffe der Zähne in Frage kommen, erworben hat. Ganz so leicht, wie andere Operationen, ist, wie Günther selbst bemerkt, das Zahnziehen nicht, widrigenfalls gewiss nicht immer von JSeuem das barbarische Auskeilen der Zähne empfohlen würde.
Forster, Operalionslelirc für Tfaierarzte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;19
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Die erforderliche Uebung lässt sich jedoch nicht an todten Thieren erlangen, indem die Versuche, wenn nicht durch Fisteloffnungen eine Communication zwischen der Zahnhöhle und der Aussenwelt vermittelt wird, regelmässig misslingen, da die beim Heben des auszuziehenden Zahnes freiwerdende Zahnhöhle als luftleerer Eaum auf den Zahn wirkt; wird dagegen am lebenden Thicrc operirt, so füllt sich der beim Heben des Zahnes in der Zahnhöhle entstandene Kaum sofort mit Blut, welches aus den zerrissenen Gefässen in die Zahnhöhle hineingezogen wird, den Zahn frei macht, und der einwirkenden Hebekraft einen Wider­stand nicht entgegensetzt.
Lagerung des Thieres.
In Betreff derselben ist zu bemerken, dass sich Milch-Schneide­zähne, und allenfalls auch nicht zu fest sitzende Bferde-Schneidezähne, so wie nicht minder mitunter Milch-Backenzähne am stehenden Thiere entfernen lassen, wenn der Operateur Gewandtheit und Sicherheit be­sitzt. Unruhige Thicrc müssen selbst zu kleineren Zahnoperationen o-elegt werden, was auch behufs des Ausziehens der bleibenden Backen­zähne in allen Fällen zu geschehen hat.
Den Kopf des meist auf der linken Seite liegenden Thieres fixirt man nach Günther am einfachsten in der quot;Weise, dass ein nicht zu leichter Gehilfe sich auf den Hals des Thieres setzt, ein Bein rechts, ein Bein links neben dem Kopfe des Pferdes vorbeischiebt, den Kopf des Pferdes selbst aber gleichsam umarmt, im Genicke massig einbiegt, und so feststellt, ohne indessen die Wangen des Pferdes irgendwie scharf gegen die Zähne zu drängen.
Der Zaum ist vor der Operation stets zu entfernen, und auch eine Halfter nur dann liegen zu lassen, wenn der Nasenriemen weit genug ist, um die Wange nicht an die Zähne zu pressen, wenn das Maul mittelst des Maulgitters in erforderlicher Weite geöffnet gehalten wird. Ein allzuweites Oeffnen des Maules hat den Nachtheil, dass sich die Wange zu stark spannt, und sich an die Zähne so straff anlegt, dass weder der untersuchende Finger, noch der äussere Zangenarm neben den Zähnen herabzubringen ist.
Bei Operationen an den Backenzähnen überhaupt lässt man die Zunge nach der, der Operationsstelle entgegengesetzten Seite durch einen Gehilfen massig hervorziehen und iixiren.
Dass man für entsprechende Beleuchtung Sorge zu tragen habe, ist selbstverständlich.
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a. Ausziehen der Schneidezähne.
Angezeigt erscheint nach Günther diese Operation:
1.nbsp; nbsp;Wenn der quot;Wechsel der Schneidezähne nicht mit Leichtigkeit erfolgt, das Zahnfleisch vielmehr durch lose wer­dende Zähne gereizt und entzündet erscheint, und die Thiere desshalb die Aufnahme des Futters scheuen.
2.nbsp; nbsp;Wenn F ül 1 e n z ä h n e bei dem Nachrücken d e r E r s a t z-zähne in falscher Stellung seitlich neben oder zwischen den auf­wachsenden Ersatzzähnen stehen bleiben.
3.nbsp; nbsp;Wenn Schneidezähne durch irgend eine Veranlassung gesprungen sind oder lose wurden, oder wenn Caries der Wurzeln oder des Kiefers zugegen ist.
Häufig werden auch ganz gesunde Milchschneidezähne ausgezogen, um den Nachschub des Ersatzzahnes zu beschleunigen, und das be­treffende Thier scheinbar älter zu machen, als es ist.
Instrumente.
Zum Ausziehen der Schneidezähne kann man sich eni weder der hiezu bestimmten Zangen, des englischen Schlüssels oder im Nothfalle einer schar fenBeisszange bedienen; bei kleinen Thieren, besonders bei Hunden, können auch Zangen, welche den in der Menschenheilkunde gebräuchlichen Zahnzangen ähnlich sind, so wie Kornzangen oder selbst starke Pincetten Anwendung finden.
Die von Hertwig beschriebene Zahnzange, im Ganzen 7quot; lang, hat ein seitlich über die hohe Kante gebogenes, einen Zoll von dem Charniere ent­ferntes Maul, dessen einzelnes Blatt etwa 9'quot; lang, 3'quot; dick, am vorderen Ende 3'quot;, am Charniere gegen 5'quot; breit, und an der inneren Fläche rauh ist; an den freien Enden scliliessen die Blätter etwa 2'quot; hoch zusammen, ^ehen aber gegen das Charnier hin alhnälig bis auf 4'quot; weit auseinander; ebon so .stellen die Hand­griffe vom Charniere aa sanft auseinander.
An der Schneide zahn-Zange von Günther, welche ll'/V lang, aus zwei, mittelst eines vom Maulende 2 %quot; entfernten Nietes verbundenen Theilen besteht, hat man das Maul, den Kropf und die Schenkel zu berücksich­tigen. Jeder Wangentheil des von Stahl gearbeiteten, '/,quot; hohen, stumpf abge­setzten Manles ist 5'quot; breit und 3'quot; stark, an der Maulfläche concav, an dem Endrande seicht qncrgefeilt und '/j'quot; dick. Der jedem Zangensclinalicl zurHälfto angehörende Kropf steigt von dem Maule, dessen Endränder bei geschlossener Zang'' '/„quot; von einander entfernt sind, im rechten Winkel auf, ist bei geschlos­sener Zange im Anschlüsse am Zangenmanie einen Zoll, an dem diesem gegen-
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übersteheuden Ende 1%quot; breit, überhaupt einen Zoll hoch, und dient, auf die nebenstehenden Schneidezähne aufgelegt, beim Gebrauche als Unferstützungspunkt. Die 12quot; langen Zangenschenkel liegen bei geschlossener Zange bis auf 3quot; Ent­fernung vom Niete aneinander, werden von da aus zwar nach aussen convex, stehen an den Enden jedoch nur so weit von einander ab, dass sie noch immer bequem mit einer Hand umfasst neiden können.
Der zu dem Ziehen der Schneidezähne grösscrer Hausthiere bestimmte, Jedoch auch zur Entfernung der liackeuzähno kleinerer Thiere anwendbare engli­sche Schlüssel hat nach Her twig einen 6quot; langen, 3'quot; starken, runden Stiel von Elsen, dessen hinteres Ende in einem 4quot; langen, 6—8'quot; dicken, quer-gestellten Handgriffe befestiget ist; am vorderen Ende ist der ö'quot; nach der Seite hervorragende Bart, der In dem 2'quot; breiten und eben so tiefen Ausschnitte den halbkreisförmig gebogenen, um einen Stift beweglichen, 2'quot; dicken Haken trägt, welcher mit seiner, durch eine V tiefe Längsfurche getheilten, an der inneren Fläche rauhen und ebenfalls zwei Linien breiten Spitze dem Barte seitlich ge­nähert oder von demselben entfernt werden kann.
Ausführung der Operation.
Bedient man sich der von Her twig beschriebenen Zange, so erfasst man mit derselben den Zahn so nahe als möglich am Zahn­fleische, beugt ihn abwechselnd einige Male nach verschiedenen Seiten, und zieht ihn, wenn er hiedurch bereits etwas beweglich geworden ist, mit einem starken Rucke vollends heraus. Mit der G ünther'schen Schneidezahn-Zange erfasst man den Zahn möglichst tief, setzt die platt absetzenden Kröpfe auf einen oder auf mehrere der nebenstehenden Zähne so auf, dass durch entsprechende Nutzung des Hebelarmes der Kraft der Zange der Zahn aus seinem Lager gehoben, und dann durch Nachfassen entfernt werden kann. Günther empfiehlt jedoch beson­ders, dass man hiebei sich nicht übereile, indem die frei werdende Zahnhöhle sich nothwendig während des Hebens erst mit Blut füllen muss, wenn der Zahn der Zange folgen soll. Ist der Zahn sicher gefasst, so dass die Zange nicht gleitet, und wird derselbe in der Linie und Richtung, wie er gewachsen und gelagert ist, gehoben, so bietet die Operation keine besonderen Schwierigkeiten dar.
Will man den englischen Schlüssel benützen, so setzt man die Spitze des Hakens an die äussere Fläche des Zahnes, an dem Rande des nöthigenfalls mit einem Bistouri früher losgelösten Zahn­fleisches an, legt den Bart des Schlüssels an die innere Fläche des Zahnes an, dreht den Stiel des Instrumentes um seine Achse von aussen nach innen, drückt hiedurch den Haken und den Bart fester an den Zahn, und hebt diesen nun mit einem starken Zuge aus seiner Höhle.
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Ungünstige Ereignisse.
Da mit dem englischen Schlüssel das Heben des Zahnes nicht in der Richtung der Wurzel erfolgt, sondern der Zahn gegen die Seite des Bartes hin umgelegt wird, so entstehen nicht selten B r ü c h e des Zahnfaches oder des Zahnes seihst, welche letzteren jedoch auch bei fehlerhafter Handhabung der Zange eintreten können.
b Ausziehen der Backenzähne.
Angezeigt ist nach Gün ther die Entfernung der Backenzähne :
1.nbsp; nbsp;Bei lose gewordenen Zähnen.
2.nbsp; nbsp;Bei cariösen Zähnen, wenn die Thiere in Folge des Schmerzes das Futter versagen, eine flachere oder tiefere Ausnutzung des hohlen Zahnes eintritt, und der entsprechende Zahn des anderen Kiefers das Zahnfleisch erreicht, oder gar die Kinnlade anreibt u. dgl. Bei hohlen Zähnen soll man nach G ü n t h e r's Ansicht mit der opera­tiven Nachhilfe überhaupt nicht lange zögern, indem ein solcher Zahn entweder mit der Zeit stets mürbe wird, und dann durch den Zangen­druck leicht zerbröckelt, oder durch den Gegenzahn so tief ausgeschliffen wird, dass er nicht ^nehr zu fassen ist. Sind die oberen Backenzähne des Vorderkiefers cariös, so können die Zahn- und Kieferhöhlen mit­leiden, es entwickeln sich Wucherungen an den Zahnwurzeln, und es ist dem kranken Zahne entweder gar nicht mehr beizukommen, oder es wird in Felge der bereits eingetretenen Veränderungen das Operations­resultat zweifelhaft.
3.nbsp; nbsp;Bei gesprungenen Zähnen.
4.nbsp; nbsp;Bei Nebenzähnen, durch welche ein Einschieben von Futter zwischen beide nebeneinander stehende Zähne mit darauffolgender Trennung und Zerstörung der Zahnhaut, oder selbst mit Bildung einer Zahnfistel veranlasst werden kann. Aussurdem bedingen die der über-mässigen Breite des Doppelzahnes wegen weniger abgeriebenen Seiten­kanten Verletzungen der Zunge und Wange, und es ist dieser TJebel-stand nur durch das Entfernen des Neben- und des Hauptzahnes zu heben, weil einerseits der Nebenzahn allein in der Regel nicht gut zu fassen ist, anderseits aber selbst nach dem Ausziehen desselben der Hauptzahn durch das in die nicht vollständig ausgefüllte Lücke ein­dringende Futter leiden würde.
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ö. Bei einzelnen zu laugen Zähnen, wenn das blosse Verkürzen derselben nicht ausreicht.
6.nbsp; nbsp;Bei Erkrankungen derZ ahnhöhlen und derZähne, bedingt durch Zersetzung des neben und zwischen den Zähnen cinge-drungenen Futters, wenn nicht alle Zahnhöhlen einer Seite oder zwei oder mehrere Zähne jeder Seite leiden, in welchem Falle die Operation nutzlos bleibt.
7.nbsp; nbsp;Bei Zahn fisteln. Bei diesem Leiden ist nach Günther's Ansicht das Ausliehen des kranken Zahnes das empfehlenswerthcste Mittel, nach dessen Anwendung selbst sehr bedeutende Auftreibungen des Kiefers mehr weniger rasch sich verkleinern oder sogar #9632;voll­ständig verlieren.
Instrumente.
Obschon das Ausziehen der Hackenzähne eine Operation ist, welche noch durchaus nicht lange geübt wird, so ist doch die Zahl der hiezu angegebenen Instrumente nichts weniger als klein. Diese dienen zum Theile direct zum Heben des Zahnes, wie der Geissfuss, der englische Schlüssel, die Zahnzangen von Plasse, quot;Wendenburg, Brogniez, Pi 11 wax, Trautvetter, Schind­ler, Günther und And., oder sie werden als Hilfsinstrumente benützt, wie die Rä umer, die Schnabelzangen, der Exporteur, die Unter- und die Zwischenlagen.
Alle Zahnzangen, die irgend welche praktische Brauchbarkeit besitzen, stellen, je nachdem sie zum Ausziehen der vorderen oder hinteren Zähne einer Zahnreihe bestimmt sind, ein- oder zweiarmige Hebel dar, und haben somit das Maul am Ende der Zange oder vor demselben.
Haupterfordemisse einer Zahnzange sind, dass die ganze Länge des Maules derselben den Zahn am Grande der Krone erfassen kann, und dass bei ange­legter Zange die Zangeuschenkel so weit von einander stehen, dass man sie beide zugleich bequem mit einer Hand zn umfassen vermag. Eine zu weite Zange gleitet, indem sie entweder gar nicht, oder nur mit den vom Euhepnnkte ent­ferntesten Tfaeilen des Maules fasst, und die Zangcnscheukel sich bei Anwendung der nöthigen Kraft aneinander legen, ab; bei einer zu engen Zange fassen nur die dem Rnbepimkte zunächst stehenden Kanten des Maules den Zahn, welcher unter dem notliigen Drucke leicht splittert, und zugleich stehen die Zangen-schenkel so weit, dass mau sie nur schwer oder gar nicht mit einer Hand umfassen kann.
Ein und dieselbe Zange reicht nicht zum Ziehen der verschiedenen Backen­zähne ans, indem ein noch festsitzender Backenzahn mittelst Hebelkraft nur dann zu entfernen ist, wenn die Kichtnng des Zuges (die Fiihrnngslinie) genau
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der Richtung entspricht, welche der betreffende Zahn in seinem Zahnfache ein­nimmt, und wenn zugleich das Maul der Zange die entsprechende Weite besitzt. In Berücksichtigung dieser Verhältnisse hat Günther aneli verschiedene Zangen, welche theils einarmige, theils zweiarmige Hebel darstellen, ferner Vorder-und Hinterki efe r-Zangen construirt. Die zn dem Entfernen der drei ersten Zähne im Vord e r kiefer bestimmten Zangen sind in der Nähe des Zangenmaules gebogen (gekröpft), um über die Schneidezähne, welche nicht selten das Anlegen einer Zange mit geraden Armen hindern, hinweggerührt werden zu können; die Hinterkieferzangen sind gerade. Der zum Erfassen des Zahnes bestimmte Theil des Maules sämmtlicher Zangen, welcher durch eine Wquot; tiefe und 3'quot; breite Rinne in eine vordere und hintere Hälfte getheilt wird, ist 6quot;' hoch und jederseits mit vier, in der Längenrichtung der Zange verlau­fenden stumpfen Kämmen versehen, welche, je y.,'quot; vortretend, so geformt sind, dass die der Wurzel des zu hebenden Zahnes zunächst stehende schiefe Fläche jeder Kante länger ist, als die andere, ohne dass die Kanten auf der Zangen-seitc des Maules rechtwinklig absetzen. Die Manlwangen sind bei allen Zangen so gestellt, dass sie mit ihren inneren Flächen erst dann parallel stehen, wenn die Zange so weit geöffnet ist, dass sie den für ihre Weite passenden Zahn im Maule aufnehmen kann. Aus diesem Grunde ist bei den einarmigen Hebelza^gen das Maul bei geschlossener Zange, d. h. wenn sich die Hebelarme der Kraft berühren, so gestellt, dass der dem Operateur zugewandte Theil desselben enger, als der dem Charniere zunächst stehende ist; bei den zweiarmigen Hebelzangen erscheint dieses Weiteverhältniss umgekehrt.
Oberhalb des Maules sind die Zangenarrae etwas ausgehöhlt, damit der gehobene Zahn zwischen ihnen Raum finde, und es hat die Zange hier höchstens 2quot; Breite.
Die zu dem Ausziehen der drei ersten Backenzähne zu verwendenden einarmigen Hebelzangen, von welchen Günther vier für den Vorder-, und eben so viele für den Hinterkiefcr beschreibt, unterscheiden sich unter einander theils durch ihre Länge im Ganzen, theils durch die Länge und Weite des Maules; ein Gleiches gilt von den für die drei letzten Zähne bestimmten zweiarmigen Hebelzangen, deren vier für den Hinterkiefer, zwei für den Vorderkiefer angegeben sind. An allen einarmigen Hebelzangen ist, um den­selben mehr Festigkeit zu gewähren, und tun grössere Sicherheit bei dem Ge­brauche zu erzielen, an dem einen Hebelarme der Kraft, u. z. etwa 10quot; von dem Zangenmaule entfernt, ein höchstens 6'/jquot; langer Bogen angelöthet, zwischen dessen, am Ende vereinigten Schenkeln der zweite Hebelarm sich bewegt.
Die erste der einarmigen Hebelzangen für den Hinter kiefer ist 22quot; (Calenberger Mass) lang, der Theil hinter dem Maule (der Charniertheil) hat eine Länge von 2l/2quot;; das 7/gquot; lange, s/squot; weite Maul besitzt '/„quot; hohe, 5/gquot; dicke, an den vom Zangenmaule abgewandten Kanten abgerundete Wangen; die hinter und nahe vor dem Maule '/squot; dicken Zangenschonkel verdünnen sich gegen die freien Enden hin allmälig auf l/lquot;.
Die zweite Zange unterscheidot sich von der vorhergehenden durch den nur 2'/tquot; langen Charniertheil, und das Vsquot; weite Maul, dessen Wangen ^quot;'raquo;och und 6/squot; dick sind.
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Die dritte Zange hat bei einerGesammtlänge von 26quot; einen 274quot; langen Charniertheil, ein '/squot; langes und %quot; weites Maul mit '/.quot; hohen und an ihrer Basis 1quot; dicken Wangen, ferner vor- und hinter dem Maule 7/gquot;, an den freien Enden 5/gquot; dicke Schenkel.
Die vierte Zange endlich besitzt bei der Länge der dritten Zange einen 2quot; langen Charniertheil, ein nicht ganz '/„quot; weites Maul mit fast %quot; hohen Wangen.
Die erste der zweiarmigen Hebelzangeu für den Hinterkiefer, welche zwar nur bei nicht sehr fest sitzenden Zähnen zu verwenden ist, sich aber des geringen Kaumes wegen, dessen sie zu ihrer Application bedarf, für manche Fälle von vorzüglichem Nutzen erweiset, hat eine Länge von 21quot;; die am Maule nur %quot;, an den rückwärtigen Enden fast %quot; dicken Schenkel sind bis 3quot; von dem platten, 1'/,quot; breiten, s/squot; dicken Charniertheile vierkantig und werden von hier an allmälig cylindrisch. Die s/8quot; dicken, rechtwinklig vom Charniertheile abgehenden, und daselbst 6/8quot; hohen Maulwangen beginnen 1quot; von der Mitte des Charnieres entfernt, sind an den, dem Charniere entgegengesetzten Ecken abgerundet, und %quot; weit auseinander gebogen; das '/,,quot; hohe, %quot; lange und '/,quot; weite Maul hat auf jeder Wange drei Kämme.
Die zweite, am häufigsten gebrauchte Zange, etwas stärker gebaut, ist 24quot; lang; die über dem Manie 1quot;, in dem 3quot; langen, 1quot; dicken und 1'/V breiten Charniertheile y,quot; starken Schenkel werden vor dem letzteren allmälig 3/4quot; dick, und endigen 5/squot; stark; in dem unteren Zangenschenkel befinden sich zwei viereckige, konisch versenkte, im Eingange fi/squot; wnte Locher, im oberon dagegen, diesen gerade gegenüberstehend, zwei runde, %quot; im Durchmesser haltende, auf der oberen Fläche des Zangenscheukels von einer Vgquot; weiten, 2'quot; tiefen kreis­förmigen Versenkung umgebene Üeffnungen. Diese Löcher, deren eines, von dem Mittelpunkte ans gerechnet, 2'/,quot;, das zweite S'/jquot; von dem Maulende der Zange entfernt ist, dienen zur Aufnahme des Zapfens, der am runden Ende durch eine kreisförmige Schraubenmutter am Platze erhalten wird und die Zangeuschenkel zu einem Ganzen vereiniget. Setzt man den Zapfen in das dem Maule zunächst gelegene Loch ein, so ist die Zange für den Hinterkiefer gestelll; bringt man ihn dagegen in das entfernter liegende, so kann das Instrument zum Ausziehen sehr lose sitzender Vorderkieferzähne benützt werden. Die sich gleichfalls rechtwinklig von den Zangenschenkeln erhebenden, und an der oberen Ecke der Zange abgerundeten Maulwangen, welche vom Winkel an gemessen, 7/8quot; hoch und '/,quot; dick sind, stehen an dem stumpfen Ende, an welchem die Zange am breitesten (2quot;) ist, gut lquot; weit auseinander. Das %quot; lange, etwas über '/jquot; weite und eben so hohe Maul hat vier Kämme
Jede der zwei weiteren Zangen, die zum Ausziehen lockerer Zähne dienen, ist IVquot; lang; der die Schenkel verbindende Zapfen ist von dem Maule, welches bei der einen Zange '/.,quot; lang und '/,quot; weit, bei der anderen 5/8quot; lang und eben so weit ist, lquot; entfernt, und steht, den Euhepunkt der Zange bildend, '/,quot; vor: die Wangen sind '/laquo;quot; hoch. 3/8quot; dick; die Schenkel haben eine Breite von Vgquot;, eine Stärke von 3/laquo;quot;-
Die erste der einarmigen Hebelzangen für den Vorder kiefer, zn dem Entfernen von Füllenbackenzähnen, in geeigneten Fällen auch zu dem Ziehen von Hinterkiefer-PferdezShnßn verwendbar, ist 24quot; lang; die Zangeuschenkel
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haben, 2quot; von den Maulwangen entfernt, eine Verkröpfung, welche dem hinter­halb befindlichen Theile der Zange eine solche Richtung gibt, dass bei der mit ihrer Riickfliiche auf den Tisch gelegten Zange der freie Raum zwischen Ver­kröpfung und Tisch '/squot; beträgt, wobei das Ende der Rückfläche des Charnier-theiles mit den Zangenschenkeln in gleicher Linie steh'. Die Wangen des 5/squot; weiten und 7/8quot; langen Maules sind %quot; hoch und an ihrer Basis 7/squot; dick; der hinterhalh des Zangenmaules befindliche Charniertheil der Zange ist2l/|quot; lang, %quot; dick, und bei geschlossener Zange 3quot; breit; die nuuleu Zangenschenkel sind am Maule Vgquot; an den Enden '/jquot; stark.
An der zweiten, bedeutend stärkeren, 26quot; langen Zange, beträgt die höchste Höhe der 3quot; von den Maulwangen beginnenden und sieh bis zu diest'ii erstreckenden Verkröpfung quot;/squot;! und es steht die obere Kante des Charnierendes '/,quot; hinter der Richtung derZangenschenkel zurück. Der Charniertheil ist hinter dem '/squot; langen, fast eben so weiten Zangenmaule 2quot; lang, 1quot; dick, den 6/squot; hohen und eben so dicken Maulwangen gegenüber 2'/.,quot; breit, und wird naHi dein abgerundeten Ende hin allmälig schmäler; die Schenkel sind am Manie 7/8quot;, am freien Ende '/squot; dick.
Dieselbe Länge, wie die zweite, besitzt auch die dritte, an Stärke der ersten gleichende Zange. Die obere Kante des Charnierendes liegt mit den Zangen schenkein in gleicher Höhe, und der Raum zwischen der Verkröpfung und der Tischplatte beträgt 1quot;. Das hinterhalb des V,quot; langen, V;l6quot; weiten Maules be­findliche C'harnicrende ist 2'/,'' lang.
Die Schenkel der vierten, nur für den ersten Backenzahn des Vorderkiefers bestimmten Zange laufen bis zum Anfange des Maules ganz gerade, von hier aus jedoch igt die Zange so weit nach rückwärts gebogen, dass bei der in ganzer Länge auf den Tisch gelegten Zange der höchste Abstand zwischen Tisch und Zangenbiegimg l1/laquo;quot; beträgt. Die unmittelbar hinter dem Winkel angebrachten Wangen des bei geschlossener Zange vorne '/.,quot;, nach dem Charniertheile zu fast 7/gquot; weiten Maules sind %quot; hoch und eben so dick; die Länge des Char-niertheiles ist 8quot;.
An der ersten der zweiarmigen Hebelzangen für den Vorder kiefer, welche bei einer Länge von 26quot; im Charniertheile 1'/iquot; breit und fast 7/8quot; dick ist, erheben sich die '/jquot; dicken Wangen des Vsquot; hohen, %quot; langen, und fast '/,quot; weiten Maules vom Charniertheile %quot;; die äussereu Wandungen des Maules sind bei geschlossener Zange 1'/,quot; entfernt und geben die grösste Breite des Instrumentes an; die Entfernung von der Mitte ihres Charnieres bis zur Maulwange beträgt 1'/,quot;. Die Zange ist 3quot; von ihrem Maulende etwas nach rückwärts geneigt, ihre Schenkel treten bis 4quot; vom Charniere entfernt über ein­ander, werden dann rund, %quot; dick, und endigen ' .,quot; stark.
Die zweite Zange unterscheidet sich von der ersten durch die 1quot; be­tragende Weite des Maules, welchem gegenüber das Instrument gleichfalls die grösste Breite (bei geschlossener Zange 2quot;) zeigt.
Der Räumer bedient sich Günther zum Loslösen der im Zahntäche festsitzenden Zahnsplitter. Dieses Instrument stellt einen 16quot; langen, 5/laquo;quot; dicken, runden Eisenstab dar, der an seinen Enden auf 2quot; rechtwinklig umgebogen ist Eines dieser amgebogenen Bmlen ist gleichzeitig nach der Längenachse des Stabes.
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rtas zweito quer auf diese abgeplattet; beide versehmalern sich nach abvvä'ts allmiilig, uiul enden scharf, aber nicht schneidig.
Auch die Schna belzangen, deren Günther drei beschreibt, werden zum Herausnehmen der Zahnsplitter aus den Zahnhöhlen benützt. Das Maul dieser 20quot; langen Zangen ist im rechten Winkel zur Längeuachso des Instrumentes, dessen Schenkel platt, 5/8quot; breit und %quot; dick sind, gestellt und am Ende mit kleinen, aber kantigen, quer über die innere Fläche der Wangen verlaufenden Kämmen versehen. Unter einander unterscheiden sich diese drei Zangen durch die Länge des Schnabels (l1/,quot;, 2quot;, 2quot;), durch die Breite (5/8quot;, %quot;, oben 7,quot;, unten '/squot;) und Dicke ('/,quot;, '/,quot;, oben '//', unten VRquot;), so wie durch die Stel­lung der Wangen, deren innere Flächen dann parallel stehen, wenn -das Maul der ersten Zange auf '/V'i der zweiten auf '/jquot; Weite geöffnet, jenes der dritten aber geschlossen ist, und weiters noch durch die Entfernung der Mitte des Nietes vom Maule (1quot;, 1quot;, l'/iquot;)
Der Exporteur, eine nach Art der Schmiedezangen construirte, gerade, 20quot; lange Zahnzange, welche Günther als Hilfsinstrument bei dem Zahnziehen verwendet, hat ein 2quot; langes Maul, dessen Backen, durch scharfe Feilstriche rauh gemacht, an dem freien abgerundeten Ende 5/gquot; breit und '/,quot; dick sind, an der Basis dagegen eine Breite von 3/4quot; und eine Dicke von 3/8quot; haben; die­selben sind so gerichtet, dass sie sich bei geschlossener Zange bloss mit den freien Enden berühren, am Grunde des Maules dagegen auf 3/8quot; von einander entfernt sind. Der, beide Zangentheile vereinigende Niet steht flach abgerundet auf 1quot; vor; die Schenkel sind 17quot; lang, platt, 3/8quot; (lick) in fler Nälle lt;'es Nietes r'8quot;, an ihren, nach innen leicht gekrümmten Enden '/,quot; breit.
Um bei der Anwendung der Zangen den Druck, welchen der nebenste­hende gesunde, als Stützpunkt benützte Zahn zu ertragen hat, zu vermindern, oder denselben auf mehrere Zähne zu vertheilen, wendet man aus Holz oder Eisen gearbeitete Unterlagen an, die zugleich je nach ihrer Form undAppli-cationsweise die Richtung der, auf den zu hebenden Zahn wirkenden Kraft der Zangen bestimmen.
Während Brogniez sieh einer ovalen, an einem langen Eisenstabe be­festigten Platte von Holz als Unterlage bediente, hat Günther Unterlagen, welche theils für die Zangen, die einen zweiarmigen Hebel darstellen, theils für jene, die nach Art eines einarmigen Hebels wirken, bestimmt sind.
Die ersteren bestehen aus einem runden, 21quot; langen, V,quot; dicken, gera­den Eisenstabe, der an jedem Ende eine oblonge Eisenplatte, die eigentliche Unterlage, trägt, welche, 2,/,iquot; lang und 1quot; breit, auf einer Seite eben ist, während auf der anderen sich zwei schiefe Ebenen, von den Enden her ansteigend, gegen einander neigen, und Vj—3/4—1quot; vom fre'cn Ende entfernt einander begegnen. Der durch die Vereinigung der schiefen Ebenen gebildete Kamm gibt die, zur Wirkung kommende Dicke der Unterlage an, welche '/, —'/•,quot; beträgt, und dient der Zange zum Kuhepunkte, während die gerade Seite auf den, als Unterstiitzungs-punkt benutzten Zähnen anliegt, oder auf eine andere Unterlage gestützt wird.
Die Unterlagen für die nach Art eines einarmigen Hebels wirkenden Zangen unterscheiden sich von den vorigen dadurch, dass die sie tragende Eisen­stange in ihrem Anschlüsse an die Unterlage so viel nach dieser hin gekrümmt ist.
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als die Dicke der Hucke des Zangemnanlea beträgt, damit die Unterlage hinter dem Maule zwischen Zange und Zähne geschoben werden könne; bis zu dieser Krümmung hat die Stange eine Länge von 25quot;. Die eigentlichen Unterlagen sind 3quot; lang, l'/4quot; breit, '/,—^Vsquot; dick, und beide Flächen derselben eben.
Nothigenfalls wird die Führiingslinie durch die Z wischen lagen bestimmt, welche einen Eisenstab, dessen rechtwinklig auf 2quot; abgebogene Enden prismatisch sind, und drei leicht gerundete Kanten besitzen, darstellen, und zwischen Zange und Unterlage eingeschoben werden.
Von den, von anderen Thierärzten construirten Zahnzangen ist es vorzugs­weise jene von Wendenburg, welche am häufigsten gebraucht wurde. Wen­denburg hat im J. 1836 zwei, etwas von einander abweichende Zangen be­schrieben, deren eine zum Ziehen des letzten liackenzahnes, die andere zu jenem der übrigen Backenzähne dient.
Die zudem letzteren Zwecke bestimmte Zange, 21—24quot; lang, hat 3quot; lange, 8'quot; breite und 5'quot; starke Anne, von deren vorderstem Theile die 1quot; breiten, oben 5'quot;, unten 3'quot; starken, 9'quot; hohen, gegen die freien Ivänder hin etwas con-vergirenden, aussen schwach gewölbten, innen leicht ausgehöhlten und daselbst mit scharfrandigen Querleisten versehenen Backen unter einem rechten Winkel abgehen. Ein Arm besitzt vor der Backe einen 2quot; langen, 4'quot; starken und 5'quot; breiten, einen, mit der coneaven Seite dem scharfen Rande der Backe zugekehrten Bogen bildenden und zugleich etwas nach einwärts gerichteten Fortsatz, welcher sich an seinem Ende in eine rundliche, etwa 9'quot; breite, an der unteren Fläche tief übers Kretlz gefeilte Platte erweitert, die bei dem Gebrauche des Instrumentes auf den, dem zu ziehenden Zahne zunächst nach rückwärts stehenden Zahn auf­gelegt als Stützpunkt dient. Die einfach übereinander liegenden Zangentheile sind durch einen 2quot;' starken Niet, welcher an der, zum Ziehen des letzten Backen­zahnes bestimmten Zange, welcher der Fortsatz fehlt, an der, dem Maule ent­sprechenden Seite auf'/jquot; vorsteht, und den Stützpunkt abgibt. Die Zangenscheukel sind 16—19quot; lang, am Schlosstheile '/,,quot; breit, '/gt;quot; stark, und verschmälern sieh gegen das freie Ende hin allmälig.
Ein wesentlicher Uebelstaquot;.d dieser Zange liegt darin, dass bei den ver­schiedenen in Form, Stärke und Kiclitung von einander wesentlich abweichenden Zähnen der Fortsatz nicht immer auf die Mitte der Kaufläche des Zahnes, sondern mitunter bloss auf den Rand, ja sogar schräg über oder neben denselben zu liegen kömmt, dass ferner der Stützpunkt, wenn die Zange gehoben wird, an Umfang abnimmt, in Folge dessen es zu einer Beschädigung des gesunden Zahnes kommen kann, und dass in Folge der senkrechten Stellung des Maules bei dem Heben des Zahnes ein zu starker Druck sowohl gegen den zunächst vorn, als auch gegen den zunächst hinten stehenden Zahn ausgeübt wird.
Eine Zahnzange eigenthümliclier Construction, welche sich zum Ziehen eines jeden Zahnes eignen soll, erfand Schindler zu Dresden. Um schwächere oder stärkere Zähne regeh-echt erfassen zu können, sind die Backen der Zange, welche als einarmiger Hebel wirkt, zum Herausnehmen gerichtet, und 4—6 Paare verschiedener Backen vorräthig.
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Ausführung der-Oper ation.
Ist das Pferd, und zwar am liebsten auf die linke Seite gelegt, und der Kopf nacli Herabnahme der Halfter oder des Zaumes in der früher angegebenen Weise fixirt, so untersucht man nach eingesetztem Maulgitter und zur Seite vorgezogener Zunge die Zähne noch einmal genau, und schreitet sodann zur Operation, bei deren Ausführung Günther drei Momente, u. z. das Ansetzen der Zange und die Wahl und Application d e r U n t e r 1 a g e , das Ausziehe n des Zahnes und das Entfernen des gehobenen Zahnes annimmt.
Ansetzen der Zange. Der Operateur lässt sich auf das, der oben liegenden ISeite des Pferdes entsprechende Knie nieder, trägt Sorge, dass der Kopf des Thieres so gestellt und festgehalten werde, dass die fragliche Zahnreihe frei und gut überblickt werden könne, und führt die mit beiden Händen gehaltene, geöffnete Zange zu dem gut ins Auge gefassten Zahne hin. Sobald nun die an der Zungenseite des Zahnes deutlich sichtbare Maulhälfte der Zange mit dem vorderen Bande des betreffenden Zahnes in gleicher Höhe steht, nimmt er den Zahn in das Maul der Zange auf, und beachtet nun besonders, dass der zwischen Wange und Zahn liegende Theil des Zangenmaules gut an dem Grunde der Zahnkrone sich anlege. Richtig erfasst ist der Zahn dann, wenn der sichtbare Maultheil der Zange recht und die obere Fläche der Zange gegen die Längenachse des zu hebenden Zahnes horizontal liegt. Ist dieses der Fall, so drückt der Operateur die Zange massig zu, und hält sie frei in der Hand jener Seite, auf welcher er den Fuss auf den finden aufgesetzt hat.
Nur dann, wenn die Zange bei richtig erf'asstem Zahne in der ganzen Länge ihres Hebelarmes der Last-Anlage auf den zum Ruhe­punkte dienenden Zähnen nimmt, ist eine Unterlage nicht anzubringen, und es wird der Zahn, wenn die Führungslinie in dieser Lage richtig gewahrt, und genügende Hebelwirkung zu ermöglichen ist, massiger Kraft folgen. Entspricht dagegen der Zug der Richtung des Zahnes nicht, oder ist in solcher Anlage der Hebelarm der Last zu lang, so muss der Zahn weniger tief am Grunde erfasst, die Führungslinie durch Unterlagen richtig hergestellt, und der Hebelarm der Last ver­kürzt werden. Die für den speciellen Fall verwendbare Unterlage, welche den Raum zwischen der richtig angesetzten Zange und den zum Stützpunkte dienenden Zähnen eben genau ausfüllen muss, wird,
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um die Führungslinie nicht, zu verfehlen, durch kurze Schläge auf ihr freies Ende un deu richtigen Plaiz gebracht, durch massigen Druck der Zange am Platze erhalten, und das Heft derselben, so weit es thunlich, gleichzeitig mit den Hebelarmen der Zange in die Hände aufgenommen.
Das Anlegen der Zange kann durch verschiedene Umstände erschwert werden, u. z. führt 6 tint hei als solche auf:
1.nbsp; nbsp;Der Zahn ist von ein gekautem Putter, welches früher mittelst eines Zahnstochers entfernt werden muss, umhüllt.
Dieses gleichfalls von G-finther angegebene Instrument ist ein 20quot; langer, '/,quot; dicker, an den Enden auf l'/tquot; reehtwinklig- omgebogener Eisenstab. Diese umgebogenen Stücke sind plattgedrückt, und zwar so, dass eines dieser Stücke eine vordere und oiuo hintere Flache, das zweite dagegen zwei seitliche, je '/,quot; breite Flächen besitzt. Die nach entgegengesetzter Richtung gebogenen Spitzen der Enden sind abgerundet.
2.nbsp; Die Zange findet zwischen den einander gegen­überstehenden Zahnreiheu zu wenig Platz. In diesem Falle ist die Zange entweder so einzuführen, dass das Maul derselben schon vor dem zu hebenden Zahne mit seinem Wangenblatte über die Zahu-reihe hinweg an die Wangenseite gebracht wird, oder dass man das Alaulgitter weifer schraubt; in beiden Fällen wird mau zugleich den Hinterkiefer stark zur Seile schieben. Gelingt das Anlegen der Zange auf diese Weise nicht, so kann man durch Anwendung des Exporteurs, welcher auf die gegenüberstehende Zahnreihe gestützt und hebelartig bewegt wird, dem Zangemnaule die richtige Lage zu geben versuchen.
3.nbsp; D e r Z a h n, entweder locker oder noch fest, ist nachAussen aus der Reihe gewichen, und drängt so stark g e g e n, d i e Wange, dass bei eingesetztem Alaulgitter hier kein Raum neben demselben ist.
Ein lockerer Zahn schiebt sich bei den Versuchen, die Zange anzusetzen, in die Reihe zurück und wird dann leicht erfasst; sitzt der Zahn dagegen fest, so versucht man die Anlage der Zange bei starker Verschiebung des Hinterkiefers nach der Seite, oder man legt, wenn es auf diese Art nicht gelingt, entweder das Maulgitter derartig auf die Zähne der entgegengesetzten Seite, dass es sich in seiner Stellung der Richtung des Kopfes nähert, und führt dann die Zange neben dem­selben ein, oder man nimmt endlich die Stange des Maulgitters an der Operationsseite zwischen die Zangenschenkel auf.
4.nbsp; Stehen die Hinterkiefer äste zu eng, und füllt dieZunge deuPlatz zwischen denselben in der Art aus.
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dass man dieAnlage des Z angenmaul es nicht übersehen kann, so hilft man sich dadurch, dass man die Zunge durch eine gerade Unterlage oder durch die Hebelarme des Exporteurs so lange zur Seite drängen lässt, bis die Zange richtig gefasst hat.
5.nbsp; Bei stark abgeriebenem Zahne versucht man, wenn nur die Krone noch aus dem Zahndeische hervorsteht, die Zange an­zulegen, selbst wenn Zahnfleisch mitgefasst werden müsste; ist dieses jedoch nicht möglich, so erübriget nichts Anderes, als den gegenüber­stehenden zu langen Zahn abzusägen, und das weitere Vorschieben des zu hebenden Zahnes abzuwarten.
6.nbsp; Ist der Zahn zu lang und aus diesem Grunde eine ein­armige Hebelzange nicht anwendbar, so muss derselbe, falls auch eine zweiarmige Hebelzange nicht zu benützen ist, früher abgesägt, und dann erst gezogen werden.
7.nbsp; nbsp;Ist ein Doppelzahn vorhanden, und kann derselbe wegen zu geringer Weite des Zangenmaulcs nicht auf einmal entfernt werden, so hebt mau zuerst den schwächeren Zahn mit einer gewöhn­lichen oder mit der Schnabelzange heraus, oder biegt ihn etwas von seinem Nachbar ab, und setzt die gewöhnliche Zange an; der stärkere Zahn folgt dann leicht. Solche Doppelzähne sitzen locker, und können auch mit den gewöhnlichen Zangen, wenn man in jeder Hand einen Hebelarm führt, zugleich gehoben werden.
Ausziehen desZahnes. Diesen Thei 1 der Operation beschreibt Günther in nachstehender Weise:
Sind Zange und Unterlage richtig angesetzt, so lässt der Opera­teur dem Kopfe des Pferdes eine solche Richtung geben, dass er seine Kraft in ungezwungener Haltung in der Linie hebend auf den Zahn wirken lassen kann, wie sie die Eichtung der Zahnreihe, in der operirt wird, angibt, macht sich erforderlichen Falles mit dem Fusse des Schenkels, auf dem er kniet, eine kleine Grube im Boden unter der Streu, und beginnt das Hoben des Zahnes, während seine Gehilfen den Kopf in der gegebenen Stellung unveränderlich festhalten und verhin­dern, dass er der Kraft der Zange folge. Der Operateur richtet von nun an seine ganze Aufmerksamkeit auf den Druck, den er durch die Zange auf den erfassten Zahn ausübt, so wie auf die richtige Führungs • linie, hält sich jedoch derartig in der Gewalt, dass er jederzeit die auf die Zange verwendete Kraft unterbrechen, und seine Körperlast jeden Augenblick selber übernehmen kann, wenn solches durch Un­ruhe des Pferdes erforderlich werden sollte, in welchem Falle die Zange nebst Unterlage in einer Hand mit schlaft'em Arme, so dass der
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Zahn keinerlei Gewalt erleidet, gehalten wh-d; weniger geübte Opera­teure lassen den Zahn sofort los.
Wesentlich erleichtert wird die Operation dadurch, dass das Ansammeln des Blutes in der Zahnhaut durch langsames Wirkenlassen der Kraft und durch unmerklich abwechselnd stärkeres Nutzen eines Zangenarmes befördert wird.
Die zum Heben eines Zahnes zu verwendende Kraft braucht nicht übermässig gross zu sein; folgt der Zahn massiger Kraftanwen­dung nicht, so sind Zange oder Unterlage, oder beide für die Kichtung des Zahnes nicht entsprechend gewählt oder augebracht, oder die Führungslinie ist sonst nicht richtig eingehalten.
Der gehobene Zahn tritt mit einem leisen, zischenden Geräusche aus seinem Lager hervor, und es muss sich, da es wichtig ist, dass der Operateur dieses Geräusch höre, die Umgebung während der Opera­tion ruhig verhalten.
Entfernen des gehobenen Zahnes. Indem es nicht selten leichter ist, den Zahn aus seiner organischen Verbindung zu lösen, als denselben aus der Zahnhöhle, in welcher er nun frei liegt, zu ent­fernen, empfiehlt Günther nachstehende Grundregeln der ganz be­sonderen Beachtung.
Da die Richtung der Kraft, wie sie, sobald der Zahn sein Lager verlassen hat, durch die erhaltene neue Lage der Zange bedingt wird, für ein weiteres Fördern des Zahnes unbrauchbar ist, so muss der gehobene Zahn losgelassen, und von Neuem am Grunde dicht über dem Zahntieische erfasst werden, wobei man die Unterlage wieder genau in die Lage, welche sie beim Heben des Zahnes hatte, bringen muss. Behufs des sehr behende auszuführenden Nachfassens des Zahnes öifnet man das Maul der Zange nicht weiter, als erforderlich ist, um an dem Zahne, ohne ihn mitzunehmen, herabgleiten zu können, drückt die Zange jedoch sogleich wieder, falls das Thier sich rühren sollte, fester zusammen. Fühlt man, dass der Kaum neben, vor und hinter dem zu hebenden Zahne weit genug wird, um ein Abweichen von der Führungs­linie zu gestatten, so lässt man den letzteren nicht wieder los, sondern hebt ihn mit Nutzung seitlicher Bewegung vorsichtig heraus.
Unter lässt man das Nachfassen, und setzt man das Heben mit der ursprünglichen Anlage der Zange fort, so keilt sich der nun freie Zahn in Folge der ihm aufgedrungenen schrägen Kichtung zwischen seinen Nachbarn fest, beschädiget deren Zahnhöhlen, und kann ent­weder gar nicht herausgebracht werden, oder bricht ab.
Auch das Entfernen des gehobeneu Zahnes kann durch mancher-
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lei Zufälligkeiten tuitunter äusserst erschwert werden. Diese sind nach Günther:
1.nbsp; nbsp;Der gehobene Zahn hält die gebraucht e Zange in der Maulhöhle fest. Ist ein Zahn eines jüngeren Thicres, ein langer Zahn, mittelst der einarmigen Hebelzange auf fast 3/4quot; Höhe in der angegebenen Weise aus seinem Zahntache gehoben, so vertauscht man diese Zange in möglichster Schnelligkeit mit dem Exporteur. Be­nutzt man erstere Zange zu weiterem Heben und kann man den Zahn seiner Länge wegen auf gewöhnliche Weise nicht entfernen, so steht dann der Zahn sowohl, als auch die Zange fest, und mau kann weder das Eine noch das Andere aus dem Jlaule herausbekommen.
Nicht minder schwierig ist das Herausnehmen der Zange dann, wenn mau den Zahn mit der einarmigen Hebelzauge zu hoch gehoben hat; es kann sich hiebei mitunter sogar ereignen, dass in Folge der Unruhe des Thieres und der Bewegungen des Kopfes der Zahn aus der geöffneten Zange entgleitet, und entweder hiuabgeschluckt wird, oder, was seltener der Fall ist, sich frei im Maule oder in der Streu findet.
Steht die Zange hinter dem Zahne fest, so ist ihre Beseitigung nur nach vorherigem Zurückschieben des zu hoch gehobenen Zahnes in seine Höhle möglich. Dieses vollführt man, indem man den Zahn etwa V3quot; über dem Zahnfleische erfasst, ihn in seiner ganzen vorste­henden Länge mit tier Zahnreihe, der er augehörte, genau in eine Linie bringt, und ihn durch die Zangenschwere in seine Höhle sanft hinab­drückt, wobei man, wenn das Zangenmaul das Zahnfleisch berührt, den Zahn neuerdings, u. z. etwas höher oben erfasst; sollte der Zahn dem leichten Drucke nicht nachgeben, so fasst man ihn so lose an, dass er sieh im Zangenmaule, wie um seine Achse vor und zurück bewegen kann, und drückt ihn dann sanft nieder. Ist der Zahn zurückgebracht, so wird die Zange entfernt und der Exporteur benützt, welchen man an den herauszunehmenden Zahn etwas schräg anlegt, damit der vor demselben stehende Zahn als Euhepunkt des Instrumentes dienen kann. Indem man den Zahn nun durch ruhigen Druck hebt, fasst man so oft nach, bis mau fühlt, dass er leicht kömmt, lässt ihn sodann nicht wieder los, und hebt ihn entweder aus freier Hand oder mit Benützung einer Unterlage vollends heraus. Sollte der Exporteur den Dienst versagen, so nimmt man statt seiner eine kleine zweiarmige Hebelzange. Der kurze, erste Backenzahn wird mit der einarmigen Hebelzange entfernt.
2.nbsp; nbsp;Der gehobene Zahn ist, wie an den letzten Backen-
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zahnen mitunter geschieht, wenn der Zahn zu lung oder das Maul des Pferdes zu eng ist, wegen Mangel an liaum nur schwer zu ent­fernen, indem derselbe, wenn er seine Höhle verlassen hat, auf seinen Oegenzahn trifft.
Hat man es mit einem Hinterkieferzahne zu thun, so wird, nach­dem derselbe so weit, als möglich, gehohen wurde, die Unterlage ent­fernt, und der Zahn im Zangenmanie festgehalten, das Maul des Pferdes mittelst des Maulgitters massig weit geöffnet, der Hinterkiefer nach der, dem zu entfernenden Zahne entgegengesetzten Seite stark hinge­drängt, in dieser Lage fixirt, die Krone des in der Zange be-liadlichen, dicht an der Zahnhöhle erfassten Zahnes durch seitliches Biegen der Zange nach innen neben dem Vorderkieferzahne vorbeigedrängt, und der Zahn nun rasch entfernt.
Handelt es sich um Herausnahme eines Vorderkieferzahnes, so drängt man bei massig eröffnetem Maule den Hinterkiefer nach der Operationsseite stark hin, den Zahn auf obenangegebene Weise mit seiner Krone nach innen neben dem Hinterkieferzahne vorbei, und nimmt denselben, da zwischen Hinterkiefer und Zunge hiezu genügen­der Kaum vorhanden ist, rasch heraus.
3. Entschlüpft ein gehobener Zahn der Zange, und fällt er dem Thiere in das Maul, so ist derselbe schleunigst zu entfernen, widrigenfalls er verschluckt wird; ein Zufall, der, bei unvorsichtigem Zangenwechsel, oder bei ungenügendem Festhalten des Zahnes mit der Zange u. dgl. möglich, tödtliche Folgen nach sich zu ziehen vermag.
1st ein derartiger Zufall eingetreten, so muss der Operateur in demselben Momente, als er den Zahn nicht mehr in der Zange fühlt, mit der Hand zugreifen, und so rasch als möglich mit den Fingern das Gaumensegel zu erreichen suchen. Kömmt er hiebei auf den Zahn, so ergreift er ihn, ohne auf die Lage desselben Eücksicht zu nehmen; hat er denselben zwischen den Fingern, so darf er die Hand nicht rasch zurückziehen, damit ihm der nasse und in Folge dessen schlüpfrige Zahn bei dem etwaigen Anstosseu an die Zahnreihen oder an die Zunge nicht neuerdings entwische; ihn in der Maulhöhle erst in die volle Hand nehmen zu wollen, ist, wenn er hiezu nicht sehr bequem liegt, nicht räthlich, weil er bei solchen Versuchen durch geringe Bewegung der Zunge oder des Kopfes des Thieres nur zu leicht entschlüpft, und darin um so sicherer verschluckt werden kann. Rasches Zugreifen thut um so mehr Xoth, wenn durch irgend einen Zufall das Maulgitter entfernt worden sein sollte.
Förster, Operalionaletire für Tliierarzte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;20
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Sollen zwei Zähne nach einander ausgezogen werden, so hat man sich möglichst zu beeilen, weil das mehr weniger reichlich in die Eachenhöhle und selbst in die Luftröhre fliessende Blut das Thier beängstiget. Man zieht in einem solchen Falle zuerst den schwieriger zu nehmenden Zahn.
Das Ziehen des Zahnes kann auch durch das Vorhandensein von Wucherungen an der Zahnwurzel, welche bei einer bestehen­den Zahnfistel vorkommen können, wesentlich erschwert, vielleicht sogar unmöglich gemacht werden. Sind diese am Grunde der quot;Wurzel liegenden Wucherungen nicht umfungreicher, als die Zahnhöhle, so machen sie keine Schwierigkeiten; sind sie umfangreicher, jedoch von nicht sehr festem Gefügc, so trennen sie sich bei dem Heben des Zahnes von demselben, und müssen für sich herausgenommen werden; sind sie dagegen fest, so widersteht der Zahn wahrscheinlich jedem Zangenzuge, und es könnte der Zahn nur nach vorheriger Trennung der Wucherung entfernt weiden, obschou Günther ausdrücklich bemerkt, dass ihm ein solcher Fall in der Praxis noch nicht vorkam.
Ist der zu entfernende Zahn ausgezogen, so nimmt man das Maulgitter heraus, gibt die Zunge frei, lässt den Kopf auf die Seite legen, und entfesselt das Thier.
Kachbehandlung.
Diese ist eine einfache, und beschränkt sich auf zeitweiliges Reinigen der Zahnlücke durch Ausspritzen mit Wasser oder, auf Aus­pinseln derselben mit einer, mit Honig versetzten Boraxlösung, obschon selbst diese Nachhilfe entbehrlich ist. Nach vollendeter Heilung er­scheint die ganze Lücke mit Knochengewebe vollständig ausgefüllt.
Ungünstige Ereignisse.
Ausser den früher erwähnten, das Anlegen der Zange oder das Ziehen des Zahnes erschwerenden Umständen können als ungünstige Ereignisse Abbrechen oder Splittern des Zahnes, Brüche des Zahnfaches, ja selbst der Kiefer, endlich das, wie Fälle beobachtet wurden, mitunter von tödtlichen Folgen begleitete Ver­schlucken des Zahnes angeführt werden.
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C. Anskeilen der liackeuzamp;liue.
Diese Operation, weiche selbst gegenwärtig noch vorgenommen wird, um festsitzende cariöse Zähne, deren Vorhandensein meist bereits zu einer Z ahnfiste 1 führte, zu entfernen, b e steht darin, dass derZahn nach Blosslegungseiner quot;Wurzel mittelst Stempel aus seinem Fache herausgetrieben wird.
Anzeigen zur Operation.
Angezeigt ist das Aaskeilen eines Zahnes bei einer Zahn­fistel nach Her twig dann, wenn der Zahn nicht ausgezogen werden kann, —was wohl bei hinreichender Geübtheit bei Benüt­zung der G ünth e r'sehen Zahn-Instrumente nur selten der Pali sein dürfte, — oder wenn eine äussere Gegenöffnung zum Abflüsse der Jauche für nothwendig erachtet wird; nach Bouley ausserdem auch in jenen Fällen, in welchen ein zu stark abgeriebener oder abgebrochener Zahn, welcher mit der Zange nicht erfasst werden kann, vorhanden ist; hiebei bleibt es nach Günther indess doch gerathener, mit der Beseitigung des Zahnes so lange zu warten, bis der Zahn so weit nachgeschoben ist, dass das Ausziehen desselben möglich wird, üeber-haupt wird man bei dem Umstände, als das Auskeilen des Zahnes jederzeit mit nicht unbedeutenden Verletzungen und meist mit einer starken Erschütterung des Kopfes verbunden ist, dasselbe als eine wirkliche Thierquälerei nur in den dringendsten Fällen unternehmen. Dieses Verfahren wird meist nur an den vier e r s t en Backen­zähnen geübt, weil die Wurzeln der beiden letzten Backenzähne des Vorderkiefers fast unter der Augenhöhle liegen, und jene des Hinter­kiefers über der Rundung desselben durch eine dicke Knochenschichte gedeckt sind.
Instrumente. Lagerung des Thieres.
Die zu dieser Operation, zu welcher das Thier stets so gelegt wird, dass die Operationsstelle nach oben zu gekehrt ist, nöthigen In­strumente zerfallen in solche, mittelst derer die Blosslegung der Zahnwurzel, und in solche, mittelst derer das Auskeilen des Zahnes selbst ausgeführt wird. Zu dem ersteren Operations-
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akte benöthiget man nebst den zum Hautschnitte, so wie zur Besei­tigung der Beinhaut erforderlichen Instrumenten einen scharfen Meis s el sammt hölzernem Harn m e r, wenn man nach Have in a n u 's Angabe vorgeht, oder Trepanations quot;W er kzeuge , wenn man sich an die von Viborg, Dieterichs und Straass gegebenen Vor­schriften hält. Das A as keilen desZahnes selbst wird mittelst eiser­ner Stempel bewerkstelliget.
Diese Stempel, welche eine Länge von 5quot;, eine Breite von %quot; und eine Dicke von '/,quot; haben, sind zweifach; für den Hinterkiefer braucht man einen geraden, für den Vo rderkiefer einen, in dem initiieren Theile zwei­mal in fest rechtem Winkel so, (lass cine annähernd S-förmige Figur heniuskömmt, gebogenen, (tloiipelt geknieten) Stempel, damit derselbe möglichst senkrecht gegen die Zahnwurzel gestellt werden, und die anf das hintere Ende desselben wirkende Kraft in derselben Richtnng thätlg sein köuue.
Nehst diesen Geräthschaften muss man noch ein .Maulgitter, dessen Querspangen mit Werg oder Leinwand anrwickelt sind, oder, wenn am Hinterkiefer operirl wird, einen dicken Stock oder ein keil­förmig zugeschnittenes Holz, welches zwischen die Backenzähne ein­geschoben wird, zur Hand haben.
Ausführung der Operation.
Nach Havomann, welcher diese Operation, deren Vornahme am Vorderkiefer er für noeli beschwerlicher und gefährlicher, als am Hinterkiefer erklärt, wahrend Straus s der entgegengesetzten Ansicht ist, zuerst beschreibt, macht man auf derOeffnung der Fistel, wo sich das Ende der Wurzel des kiauken Zahnes befindet, einen Kreuzschnitt durch die Haut, loset diese von den Knochen ab. sehlägt sie zurück, erweitert hierauf mittelst eines, einen starken halben Zoll breiten Meissels und eines hölzernen Hammers die Oetfmmg des Fistelkanales bis auf die Zahnwurzel so weit, dass man diese mit dem Zeigefinger deutlich fühlen kann, setzt sodann das untere Ende des .Stempels genau in der Richtung der Längenachse des Zahnes, in welcher man das Instrument, um Splitternngen der Seitenwände des Zahnfaches zu vermeiden, stets zu erhalten hat, auf die quot;Wurzel, und sucht nun durch kurze, kräftige Schläge1 auf das hintere JKndc den Zahn heraus-zutreiben, was desto leichter gelingt, je stärker die Auftreibung des Kiefers ist. Fängt der Zahn an zu weichen, so muss man nach jedem Sehlage in das Maul des Pferdes greifen, oder dieses durch einen Gehilfen thun lassen, um zu versuchen, ob der locker gewordene
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Zahn nicht mit den Fingern herausgenommen werden könne, damit er nicht von dem Pferde verschlackt werde.
Viborg nimmt die äussere Wand des Zahnfaelies mittelst der Kreissäge, Dieterichs mitlelst dieser oder mittelst des Exfoliativ-Trepaos weg, welches Verfahren, obschon es insoferne vortheilhafter ist, als durch dasselbe Erschütterungen und Splitterungen des Kno­chens vermieden werden, in jenen Fällen, in welchen eine stärkere Auftreibung der Knochen zugegen ist. jedoch, wie Her twig bemerkt, aus dem Grunde auf Schwierigkeiten stösst, weil die durchzusägende Knochenschichte eine bedeutendere Picke besitzt, als die Höhe der Krone betlägt. Die Kreissäge wird so aufgesetzt, dass man nach Herausnahme der Knochenscheibe die Mitte der Zahnwurzel vor Au­gen hat. Ist der, die Zahnwurzel nach aussen deckende Theil des Knochens entfernt, so erfolgl die Auskeilung des Zahnes in der frü­her angegebenen Weise. Bei dem von Strauss angegebenen Ver­fahren, welches indess besondere Vortheile nicht gewährt, wird die Haut in Form eines Kreuzes oder eines T durchschnitten, der Kno­chen für den Umfang einer Krone so freigelegt, dass die Pyramide entweder gerade in die Fistelöftnung. oder an iliretn Rande gegen die Zahnkrone zu stehen kömmt, und sodann mittelst, der Kreissäge nicht nur ein Stück des Knochens, sondern auch der Zahnwurzel selbst herausgenommen ; ist diess geschehen, so wird der Stempel auf die Mitte der abgesägten Zahnwurzel u. z. in senkrechter Kichtung auf dieselbe aufgesetzt, und sofort der Zahn ausgekeilt. Ist der Zahn aus seinem Fache bereits ziemlich weit herausgetrieben, so wird das Maul in die Höhe gewendet, zwischen den Stäben des Maulgitters eine Feuer- oder Stollcnzange eingeführt, und mit derselben der Zahn her­vorgezogen.
Um sicher zu sein, dass man bei dem Trepaniren die schadhafte Zahnwurzel trifft, soll man nach Strauss den Abstand von der Fi­stelöffnung zu den Zangenzähnen mit einem Zirkel messen, und dieses Mass dann von den letzteren Zähnen auf den betreffenden Eackcnzahn in der Maulhöhle übertragen.
Mag man das Anskeilcn der Zähne nach einer oder der anderen Modification unternehmen, wird man stets die an der Opcrationsstelle oder in nächster Nähe derselben gelegenen Muskeln, Nerven und Ge-fässe zu berücksichtigen haben. Operirt man am Vorderkiefer, so hat man den fast gerade über den Zahnwurzeln verlaufenden Unteraugen­höhlennerven nach gemacht ein Huutschnitle zur Seite zu schieben, um ihn nicht zu verletzen, am Hinterkiefer hat man auf die äussere Kinn-
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backenarterie, auf die gleichnamige Vene und auf den Ausführungs­gang der Ohrspeicheldrüse Acht zu haben, und den Siederzieher der Oberlippe nach oben zu schieben. Die Stämme der Zahnnerven (der Unteraugenhöhlen- und der eigentliche Hinterkiefernerve) sind, um dieselben nicht zwischen dem Stempel und der Zahnwurzel zu quet­schen, entweder, nachdem man die von ihnen zu dem kranken Zahne gehenden Zweige mit dem Messer getrennt hat, gleichfalls zur Seite zu schieben, oder selbst durchzuschneiden. (H e r t w i g).
Nachbehandlung.
Ist die Lücke gereiniget, so füllt man sie mit einem massig fe­sten AVergpfropfen vollständig aus. Während dieser erste Verband selbst 48 Stunden lang liegen gelassen werden kann, müssen die wei­teren Verbände, wenn es zu reichlicherer Eiterung gekommen ist, täglich ein- bis zweimal gewechselt, und gleichzeitig wiederholt Aus­spritzungen des Maules mit säuerlichen oder aromatischen Flüssigkei­ten u. dgl. vorgenommen werden. Die weitere Behandlung hat den allgemeinen Kegeln der Chirurgie zu entsprechen. Zugleich sollen die Thiere bloss weiches Futter erhalten.
La fosse in Toulouse, welcher noch im Jahre 185)5 das Auskeilen festsitzender cariöser Zähne emjjfahl, räth behufs der Ver­hütung des Eindringens von Futter in die, nach Entfernung eines Backenzahnes zurückbleibende grosse Höhle einen entsprechend zuge­schnittenen Korkstöpsel, welcher jedoch, um die Annäherung der Zahn­höhlenwände nicht zu hindern, nicht bis auf den Grund der Lücke reichen darf, einzulegen; derselbe muss ausserdem in dem Masse, als die Höhle sich allmälig ausfüllt, verkleinert werden.
Ungünstige Ereignisse.
Zu diesen gehören: Verwundungen der Gefasse, der Nerven, nach welchen letzteren nicht selten Lähmung einzelner Parthien des Gesichtes zurückbleibt, des Stenson'sehen Speichel­ganges, Zersplitterungen des Zahnfaches mit darauffol­gender Caries, Beschädigungen nebenstehender Zähne, selbst Brüche des Kiefers.
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2. Operationen an der Ohrspeicheldrüse und an ihrem Ausfuh­rungsgange.
A. Die IMcrbiudimg des Olirspeiclicldrüsengauges.
Diese Operation, welche in der Zusaramenschnü-rung des Ohr sp eicheldrüs on gang es mittelst eines um denselben geführt en Bändchens besteht, und denZweck hat, den ferneren Ausfluss von Speichel hintanzuhal­ten, findet meist bei Speichelfisteln, und zwar beson­ders dann, wenn bereits andere Heilmethoden erfolg­los versucht wurden, seltener bei frischen Verwun­dungen des genannten Ganges Anwendung.
Geschichtliches.
Die Unterbindung des S t e n o n 'sehen Kanales wurde zuerst von E. Viborg (1797) versucht, und von ihm als die vortheilhafteste und sicherste Methode, Spoichelfisteln zu heilen, empfohlen. Derselbe Autor erwähnt wohl auch der iu der Menschenheilkunde gebräuch­lichen, von Hiibner, Prampolini, Fleming u. And. indess auch an Thieren ausgeführten Mduug eines neuen Ganges nach vorheriger Durchbohrupg der Backe, hält jedoch dieses Verfahren der mit der Ausführung desselben verbundenen bedeutenden Schwierigkeiten wegen für nicht geeignet.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;x
Indess fehlt es gleichfalls nicht an Beispielen, dass auch selbst die Unterbindung nicht das vollkommen sichere Mittel zur Beseitigung der Speichelfisteln, für welches es Viborg erklärte, sei, indem z.B. Jessen und Wannovius Fälle anführen, in welchen sie bei Pfer­den die Unterbindung sogar dreimal vornahmen, ohne zu einem er­wünschten Resultate zu gelangen.
Auch Haubner hält das V i b o r g'sehe Verfahren für umständ­lich, für unsicher und für nicht immer ausführbar, und gibt den, be­hufs der Herbeiführung der Verödung der Drüse vorgenommenen Einspritzungen heftig reizender Flüssigkeiten, wie eines Gemenges aus Salmiakgeist und Wasser, oder aus Kreosot und Weingeist den Vorzug, indem man mit diesen auch ohne Unterbindung zum Ziele gelangt.
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Operationsstelle. Lagerung des Thieres. Instrumente.
Die Unterbindung kann an verschiedenen Punkten des Speichelgauges vorgenommen worden, indem die Operationsstelle durch den Sitz der Verletzung bestimmt wird. *)
Zur Ausführung der Operation legt man das Thicr nieder, und zwar, wie selbstverständlich, so, dass die verletzte Stolle frei zugäng­lich ist.
An Instrumenten benöthiget man cine Seh cere, ein ge­balltes oder ein Spitzbistouri, eine Pincette, eine Hohl­sonde, ein gewachstes, schmales Zwirn- oder Seid enbänd ch en, oder, jedoch weniger zweckmiissig, vier bis fünf neben einander gelegte, gewachste Fäden; dann IN a d e 1 und Faden zum Heften der Hautwunde.
Ausführung der Operation.
Sind die Haare an der Operationsstelle abgeschoren, und die an der Fistelöffnung etwa vorhandenen schwieligen Bänder mit dem Bistouri abgetragen, so durchschneidet man die Haut nebst dem Haut­muskel im Verlaufe des ühi-speicheldrüsenganges, und zwar gegen die Ohrdrüse hin mit oder ohne Uildung einer Falte in einer Länge von 1 bis 1 Vj Zoll, und legt hierauf den Speichelgang, welcher durch den, bei Kaubewegungen aus ihm heraustretenden Speichel leicht kenntlich ist, nöthigenfalls mit Zuhilfenahme der Pincette und der Hohl­sonde bloss, erfasst denselben mit einer Pincette, hebt ihn etwas in die Höhe, und trennt ihn durch vorsichtig geführte Sclinitte in einer Länge von •/,,— 3/4 Zoll von seiner Umgebung vollständig los, durch­schneidet ihn in querer Eichtung, falls eine solche Trennung nicht bereits zugegen ist, und unterbindet ihn nun in der, bei der Ligatur der Gefässe angegebenen Weise. Nachdem die Fadenenden kurz abge­schnitten sind, legt man in die Wunde eine kleine Wergwieke ein, und bringt ein Heft der Knopfnaht an, obschon dieses Letztere bei dem Umstände, als die an und für sich nicht bedeutende Wunde nur auf dem Wege der Eiterung zur Heilung gelangen kann, nicht unumgäng­lich noth wendig ist.
Das von S t r a u s s angegebene, viel umständlichere Verfahren weicht von dem eben beschriebenen insofeme ab, als dieser von der
'} Soll die Unterbindung z. B. als Prttfonggaufgabe hei unverletztem Speichelgange gemacht werden, so geschieht dieses gewöhnlich an dem vorderen Rande des änsseren Kaiimnskels.
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Fistelöfin ung aus eine Holilsonde in dun Speiclielgang einbringt, die Haut mit dem Spitzmesser spaltet, den Kanal nun mit der Sonde selbst in die Höbe hebt, ihn von den umliegenden Thcilen isolirt, die Wand desselben an der Oetfnuug mit der Pincette ert'assf, die Holilsonde entfernt, mittelst einer Knopfsonde eine dünngedrehte Werg­schnur in den S t e n o n 'sehen Gang so weit als möglich vorwärts schiebt, und mm erst die Unterbindung vornimmt.
N achb eh andlun g.
Um einen bedeutenderen Andrang von Speichel gegen die Untor-bindungsstelle und das in Polge dessen leicht mögliche Abstreifen der Seillinge oder das Ecisscn der Wandungen desKanalos zu verhüten, gibt man den Thieren in den ersten Tagen nur Mehltränke, später angefeuchtete Kleie mit etwas zartem Heu, und beschränkt nöthigen-falls die Bewegung des Kiefers durch festeres Schnallen der Xascn-riemen.
Um gleichzeilig die Secretion des Speichels zu vermindern, wer­den Einreibungen der Ohrdrüse mit Campberöl, C'antharidensalbe u. dgl., selbst das Brennen mit dem Glüheisen empfohlen, indess spre­chen sich nicht wenige Tbierärzte, wie Strauss, Jessen, W an­no vius, gegen die Anwendung dieser Mitlei, welche ihrer Erfahrung nach nicht nur nutzlos, sondern geradezu schädlich ist, aus, und zie­hen die, selbst mehrmal im Tage wiederholte Einreibung der Farotis mit einen stärkeren Jodkaliumsalbe unbedingt vor.
Die weitere Behandlung der Wunde beschränkt sich auf ein­fache Reinhaltung der letzteren.
Die Ligatur stösst sich nach 5—14 Tagen ab, und die Wunde heilt auf dem Wege der Eiterung.
Ungünstige Ereignisse.
Als solche werden erwähnt:
Verwundungen der A n ge sicli t s-Ar terie und Vene; Durchschneiden des Ohrdrüsenganges, meist veranlasst durch Anwendung eines zu dünnen Fadens; Abstreifen der Schlinge durch den angesammelten Speichel, Zerreissen des Kanales hinter der Unterbindungsstellc, endlich Abscessbildung in der Drüse selbst.
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I!, Die Beseitigang der SpeichelsteiDe.
Das Auslösen der Speichelst ei no aus dem S t e n o n'sehen Gangekann nacli Hertwig entweder von der Maulhöhle oder von der Haut aus ausgeführt werden. Ersteres Verfahren, welches den Vortheil hat, dass ein Zurückbleiben einer Speichelfistel nicht zu fürchten ist, kann nur dann Anwendung finden, wenn der Stein am Ende des Ganges liegt. Man legt das Maulgitter ein, zieht die Zunge zur Seite heraus, und macht einen entsprechend grossen Einschnitt, am besten in der Eichtung vom Vorder- zum Hinterkiefer, worauf der Stein, auf wel­chen man von Aussen her einen leichten Druck ausübt, mit der Hand herausgenommen wird. Die Nachbehandlung beschränkt sich auf Verab­reichung weicher Nahrungsmittel z. ü. Gras, gebrühtes Heu u. dgl. und auf wiederholtes Ausspritzen des Maules mit Wasser, um das in die quot;Wunde eingedrungene Futter wegzuschaffen.
Findet sich der Stein an einer anderen Stelle, so kann er nur von Aussen her entfernt werden, zu welchem Zwecke man einen, immer in der Längeurichtung des Kanales verlaufenden, hinreichend langen Einschnitt macht. Ist eine sackartige Ausbuchtung des Ganges vorhanden, so trägt man einen entsprecheuden Theil der Wandungen mit der Scheere ab. Die blutige Naht, welche man bei frischen und reinen Wunden immer versuchen kann, ehe man zur Unterbindung schreitet, da durch dieselbe doch vielleicht der Kanal wegsam erhal­ten werden kann, legt man bloss an den Hauträndern an.
In Betreff der Nachbehandlung gilt das bei der Ligatur des Speichelganges Erwähnte.
C. Die Ausrottung der Ohrspeicheldrüse.
Die von Leblanc (1822) einer Speichelfistel wegen zuerst vorgenommene, von einigen wenigen Thierärzten wie z. B. von Van-haelst, Delwart, Barlow, Brogniez, Thiernesse später meist wegen krebsiger Entartung der Drüse ausgeführte Exstirpa-tion der Parotis gehört zu den schwierigsten Operationen, und ist der hiebei stattfindenden bedeutenderen Blutungen, so wie der Verletzung von Nerven wegen nichts weniger als gefahrlos, ausserdem gewiss auch nur in den allerseltensteu Fällen wirklich nothwendig.
Das Verfahren selbst beschreibt Hertwig in nachstehender Weise:
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Nachdem man unter den Kopf des niedergelegten Thieres ein Strolibündel gebracht, und die Haare an der Operationsstelle besei­tiget hat, macht man, um zuerst die ganze äussere Fläche der Urüse blosszulegen, einen über die ganze Länge derselben verlaufenden Schnitt, der, nahe unter dem vorderen Rande der Ohrmuschel u. z. dem vorderen Hunde der Drüse etwas näher, als dem hinteren be-giuueud, und bis zur Angesichtsvene, bei Pferden gegen 1—1% Zoll vor deren Mündung in die Drosselvene reichend, die Haut, den Haut-muskcl und zum Theilc aucli den Niederzieher des Ohres spaltet. Der EaumgewInnung wegen kann von dem Längenschnitte aus der hintere Hautrand in seiner Mitte durch einen, gegen den Hand des ersten Halswirbels laufenden (Querschnitt, welcher, um Verletzungen der in der Tiefe gelegenen Nerven und Gefässe zu vermeiden, am besten auf dei- Hohlsonde gemacht wird, getheilt werden.
Ist dieses geschehen, so löset man die Haut nebst den genann­ten Muskeln von der ganzen Fläche der Drüse ab, legt sie zurück, und lässt sie von Gehilfen mit den Fingern oder mit stumpfen Haken halten. Hierauf löset man zuerst den vorderen Rand der Drüse, u. z. von der Gegend des Kiefergelenkes abwärts, los, wobei man besonders die hier liegende Schlafenarterie, die Schläfenvene, den oberflächlichen Schläfen- und den Angesichtsnerven zu beachten hat. Um Verletzun­gen der eben genannten Nerven zu verhüten, bewirkt man die Tren­nung dieses Theiles der Drüse mit dem Skalpellhefte oder mit einer llohlsonde. Gleiche .Beachtung erheischen die in der Gegend der Mitte dieses Eandes verlaufende Arterie und Vene des äusseren Kaumus­kels ; der Speichelgang jedoch wird quer durchschnitten.
Hierauf wird der untere Rand der Drüse von der Gesichtsvene, der hintere Rand von der Drosselvene, vom Kopf- Hals- Armbein­muskel und von dem Rande des ersten Halswirbels, wobei man auf die hinteren Ohrgefässe und Nerven trifft, und endlich der obere Rand vom Grunde der Ohrmuschel mit aller Vorsicht abgelöset. Zu dem Abtrennen der Ränder benützt man das Messer nur so weit, dass man mit den Fingerspitzen unter dieselben gelangen, und die #9632;weitere Loslösung mit diesen bewirken kann. Man fängt hiebei am besten am unteren Ende der Drüse an, und geht im Verlaufe der durch Gefühl und Gesicht auszumittelnden Gefässe allmälig bis zu dem oberen Ende. Die der Drüse selbst angehörenden Arterien und Venen #9632;werden entweder vor ihrer Durchschneidung, oder, wo dieses nicht möglich, sogleich nach derselben unterbunden.
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Einzelne, an den Gelassen sitzen gebliebene Driisenkörner las st man unbeachtet.
Die Wundränder werden nach erfolgter Stillung der Blutung an einander gelegt, und durch die Knopamp;aht vereiniget; das AuslÜllen der Wunde mit Werg hält Her twig nicht für gut, da hiebei die Haut zu sehr austrocknet.
Die in einem Laufstandc unterzubringenden oder an einem um den Hals gelegten lliemen zu befestigenden Thicrc müssen Anfangs ein weiches und mildes, nach Eintritt der Eiterung jedoch ein kräf­tiges Futter erhalten.
Die Wunde selbst, deren Heilung in einem Zeiträume von vier bis fünf Wochen erfolgt, ist nach allgemeinen Hegeln zu behandeln.
Als ungünstigeZufälle beobachtete man unter xinderem als Po Ige der Verwundung von Nerven auch Lähmung der Lippen, beschwerliches Kauen u. dgl.
3. Die Entfernung fremder, im Schlünde stecken gebliebener
Körper.
Stellen sich bei Thicrcn Erscheinungen ein, die das Vorhau den-sein eines fremden Körpers im Schlünde mit Eestimmtheit oder mit Wahrscheinlichkeit annehmen lassen, oder hat man einen solchen mit­telst der Schlundsonde nachgewiesen, so kann man die Beseitigung desselben auf eine mehrfache Weise versuchen u. z. kann man :
1.nbsp; nbsp;Den fremden Gegenstand aus demSchlunde indie llachenhöhlc zurückdrängen, oder ihn mittelsteigener Instrumente herausziehen;
2.nbsp; nbsp;ihn in den Magen hinabst o ssen, oder ihn früher zerquetschen, oder zerschneiden, und so dossenHinab-schlingen ermöglichen, oder
3.nbsp; nbsp;ihn durch eine künstliche, imSchlunde angeleg-t e O e ff n u n g hervorholen.
Welches von den eben aufgezählten Verfahren in einem gegebe­nen Falle anzuwenden ist, hängt von dem Sitze sowohl, als auch von der Beschaffenheit des fremden Körpers, sowie von den etwa bereits eingetretenen Zufällen ab; indess sind auch Fälle bekannt, dass derartige stecken gebliebene Gegenstände nach längerem oder kürzerem Verweilen im Schlünde von selbst entweder ausgeworfen oder hinnbgeschluokt wurden, und es genügt sohin mitunter, Avenn man einzelne, besonders bedenkliche Zufälle, unter welchen die beim
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Einde in Folge der Dirwegsamkeit der Speiseröhre sicli nicht selten rasch entwickelnde Trommelsucht, welche die sofortine Anwendung des Fansentroikarts erheischt, und die wohl nicht liilutig vorkommende, nur durch den Luftrohrenstioh zu liebende Erstickungsgefahr obenan stehen, beseitiget, und vou weiteren operativen Eingriffen absteht.
Geschichtliches.
Ueber die in Rede stehenden Verfahren fehlen genauere histori­sche Angaben aus älteren Zeiten vollständig. Yitet (1771) spricht von dem Zerschlagen der stecken geblichenen Körper mit dem Ham­mer, von dem liinabstossen derselben mittelst eines biegsamen Stockes oder der getrockneten Käthe eines Ochsen, sowie von dem Heraus­ziehen mittelst eines, an seinem unteren Ende mit einer korkzieher-ähnlicben Vorrichtung versehenen spanischen Rohres. Seiner Ansicht nach erscheint es am gerathensten, dem Thiere ein Olas frisches Oel einzugiessen, und dann mit einem dünnen, jedoeb hinreichend festen, biegsamen, an seinem unteren Ende mit in Oel getauchtem Werg um­wickelten Rohre den fremden Körper herabzustossen, oder denselben, falls er im Scblundkopfe stecken sollte, mit den Fingern herauszu­ziehen; erst, wenn auf diese Weise das Hinderniss nicht zu beseiti­gen ist, versuche man andere Verfahren, ja selbst die Eröffnung des Schlundes mittelst des Messers, da die Erfahrung durchaus nicht gegen die Heilbarkeit solcher Wunden spricht. Hu za rd hält den Schlundsehnift für angezeigt, um apoplectischen Thieren, die nicht schlingen können, durch die gemachte Oeffnung Flüssigkeiten beibringen zu können.
Pilger (1803) gibt an, man solle, bevor man anderweitige Ver­suche macht, dem Thiere den Kehlkopf fest zuhalten, um es dadurch zu zwingen, selbst auf den fremden Körper mit Gewalt zu wirken, und ihn entweder zu verschlingen oder wieder auszustossen. Er er­wähnt weitevs des Eingiessens von Oel, des Hinabstossens in den Magen, sowie des .Schlundschnittes, welchen er jedoch bei grossen Thieren immer für sehr gefährlich hält.
Tscheulin (1803) veröffentlicht der Erste einen Fall von, mit gutem Erfolge am Pferde von ihm selbst ausgeführtem Schlund-schnitte. Spätere .Beschreibungen dieser Operation linden sich in den Werken von Dieterichs, Strauss, Hertwig, Hering und Anderen.
Mehrere, zur Beseitigung solcher fremder Körper bestimmte In­strumente wie z. B. die Schluudzangen von Delvos, Hertwig,
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S i m o n d s, C o c n 1 e t, das Instrument zum Zerquetschen von Bonn e-tain und andere mehrere stammen sämmtlich aus der neuesten Zeit. Das Xersehneiden der Körper im Schlünde selbst, den sogenann­ten subcutanen Schlundschnitt empfahlen La to cat und Lafosse (1846), welche beide denselben jedoch nur an Vcrsuchsthieren aus-gel'ührt zu haben scheinen; erst C ha par d (18JJ7) nahm denselben beim Rinde einer stecken gebliebenen Hübe wegen mit gutem Erfolge vor.
A, Zurückdrängelaquo; des fremden Körpers in die Rachenhiililc.
Dieses selbstverständlich nur dann, wenn der rundliche und miteiuer glatten Oberfläche versehene Gegenstand in der oberen Hälfte der Halsportion des Schlundes festsitzt, und von Aussen sichtbar ist, ausführbare Verfahren ist das einfachste, und da bei demselben! eben so, wie auch bei dem Her­ausziehen mittelst Instrumenten der fremde Körper gänzlich beseitiget wird, auch das sicherste.
Behufs der Entfernung eines solchen Körpers legt man, während man der grösseren Sicherheit wegen beim Pferde und Kinde das Maul mittelst eines Maulgitters, bei kleineren Thieren mittelst der, hinter den Hackenzähuen um jeden Kiefer angelegten ßandschleifen otfen halten, den Kopf möglichst stark strecken, die Zunge nach der rechten Seite vorziehen, oder mittelst eines Spatels niederdrücken lässt, beide Hände so am Halse an, dass sie, einander gegenüberstehend, mit den Fingerspitzen unter den fremden Körper andrücken, und schiebt diesen nun nach aufwärts. Mitunter reicht es hin, die Daumen allein in der angegebenen Weise zu gebrauchen. Ist der Körper in den Schlundkopf gelangt, so wird der obere Theil des Halses zuerst von dem Operateur selbst, sodann von einem rasch an dessen Stelle tretenden (Jehilfen fest zusammengepresst, worauf ersterer mit der rechten Hand oder mit einer in derselben gehaltenen grösseren oder kleineren Zange den im Schlundkopfe befindlichen Gegenstand erfaast und her­vorzieht. Um das Hinaufgleiten des Hindernisses zu erleichtern, kann man dem Thiere früher etwas fettes Oel, oder eine schleimige Flüs­sigkeit eingiesseu. Oft genügt es, den fremden Körper nur etwas aus seiner Lage gebracht zu haben, um das weitere Fortschaffen des­selben durch die eigene Muskelkraft des Schlundes herbeizuführen.
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B. Heransziclien mittelst hstrnmenten.
Zu diesem wohl nur selten geübten Verfahren, welches nach II er twig in denjenigen Fällen anwendbar ist, in denen entweder das Heraufschieben des fremden Körpers nicht gelingt, weil derselbe gleichsam eingeschnürt ist, oder weil er durch Spitzen in die Schlundhäutc gedrungen, und auf diese Weise festsitzend geworden ist, oder weil er in der Brustporti on des Schlundes sich befindet, benützt man entweder die Schlundhaken oder die Schlundzangen.
Die Schlund haken sind entweder ans starkem, doppeltem Drahte ge­arbeitet, an einem Ende in der Länge eines Zolles in spitzem Winkel umge­bogen, und für grössere Ilausthiero etwa fünf Fuss lang, oder sie bestehen, je­doch nur zum Gebrauche bei kleineren Thiercn bestimmt, aus einem gegen drei Fuss langen, anderthalb bis drei Linien starken, entsprechend gekrümmten und mit einem Hefte versehenen Metallstabe, an dessen Ende eine dünne, gefensterte, hakenförmig gebogene Eisenplatte mit wolilabgerundeten Rändern angebracht ist.
Die zur Benützung bei grösseren Thieren angegebenen Schlundzangen sind säremtlich zu complicirt, als dass sie eine verbreitetere Anwendung finden könnten ; hiebei kömmt auch noch der Umstand zu berücksichtigen, dass das Einführen derselben durch das Maul beim Pferde nicht leicht gelingt, und man, um einen in der Brustportion des Schlundes sitzenden fremden Körper erfassen zu können, das Instrument meist durch eine, an der linken Seite des Halses in den Schlund gemachte künstliehe üeffnnng, also nach vorhergegangenem Schi imd-schnitte, einzubringen genöthiget ist.
Diese Schlundznngen bestehen im Allgemeinen aus einem, etwa fünf Schuh langen, entsprechend starken, mehr oder weniger biegsamen, hohlen Mit-telstüeke, in welchem der, die vorderen, lüffclförmigen, zum Erfassen der frem­den Körper geeigneten Endlheilo in Bewegung setzende Mechanismus, welcher von der Handhabe ausgeht, untergebracht ist.
Bei kleineren Thieren kann man das Herausziehen von Knochenstücken u. dgl. mittelst einer, mit langen, schmalen, vorne abgerundeten und verhältniss-mässig stark gebogenen Blättern versehenen Zange versuchen.
Der Schlund haken wird durch das, mittelst eines Maulgit­ters oder auf eine andere Weise offen gehaltene Maul eingeführt, über den fremden Körper vorgeschoben, und dieser nun bei dem Zurückziehen des Instrumentes erfasst und hervorgeholt. quot;Wird jedoch hiebei nicht mit Vorsicht und Behutsamkeit vorgegangen, so erfolgen Verletzungen der Schleimhaut des Schlundes sehr leicht.
Behufs Anwendung dor von Hertwig modificirten Schlund­zange von Delvos lässt man Kopf und Hals des Thieres möglichst strecken, setzt das Maulgitter ein, und schiebt die Zange durch die
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Raohenhöhle bis an dtm t'romden Körper, öffnet sie soflann durch Drehen dos Handgriffes, erweitert hiedurch den Schlund unmittelbar an dem fremden Körper, schiebt hierauf das Instrument behutsam um '/,,—1 Zoll weiter vorwärts, um die Lött'cl dos Zangenmaules über den zu erfassenden Gegenstand hinüberzubringen, schliesst es nun durch Zurückdrehen des Handgritfes und zieht es sodann summt dem fremden Körper langsam wieder aus dem Schlünde hervor. (Ho rt-wig.)
C. Ilinabstossen dos frcrailen Körpers in im Hagen.
Diese Methode, welche meist nur dann, wenn der steck e n gebliebene Körper von rundlicherForm ist, eine glatte Oberfläche oder eine geringere Festigkeit besitzt und nicht zu fest eingekeilt ist, anwendbar erscheint, erfordert aus dem Grunde die grössto Vorsicht, weil sie bei Ausserachtlassung der nöthigon Behutsamkeit besonders in Fällen, in denen sich bereits Ent­zündung eingestellt hat, leicht zu Zerreissungen des Schlundes führen kann. Steckt der fremde Körper in dor Brustportion des Schlundes, so ist dieses Vorfahren wohl dasjenige, von welchem am häufigsten Ge­brauch gemacht wird.
Die Gerät bschaften, derer man sich zu dem Hinabstossen bedient, sind die Schlund st osser, die später zn erwähnende Mon ro'sche Schlund-i-öhro, oder statt dieser ein etwa fünf Fnss langer, einen Zoll starker, recht fest gedrehter Strick, im Nothfallc seihst ein biegsamer Stock #9632;/.. }i. eine frische, entsprechend starke Weidenruthe, ein spanisches Eohr n. dgl., an dessen vorderem Ende Jedoch entweder ein Schwamm, oder ein aus Leinwand oder Werg gemachter Knopf zu befestigen ist. Bei kleineren Thiercn kann man einen Fis cliheinsta 1) mit einem, an dem vorderen Ende desselben angebrachten Schwämme oder Wergpfropfe benutzen.
Der für Pferde und Kinder bestimmte Schiundstosser besteht ans einem biegsamen, gegen fünf Fuss langen, fingerdicken Stabe, der einerseits in einem Hefte steckt, anderseits entweder einen eigrossen Knopf ans Leder, Werg, Badschwamm, selbst ans Elfenbein oder Metall, oder einen gestutzten, an der Basis ansgeliöhlten Kegel von Bnchsbaumholz oder Horn trägt, welche letztere Form den Vorthcil hat, dass die fremden Körper sich in die ausgehöhlte Basis hineinlegen, und so leichter abwärts geschoben werden können
Soll mittelst eines oder des anderen der genannten Instrumente der steckengebliebene (regenstand in den Magen hinabbefördert wer­den, was am stellenden oder liegenden Thiere geschehen kann, so lässt man das Maulgitter einlegen, Kopf und Hals möglichst strecken, die Zunge massig stark hervorziehen, führt nun das vordere Ende des mit Gel oder Feit bestrichenen Instrumentes über den Grund der
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Zunge in den Schlundkopf, und schiebt dasselbe allmälig tiefer in den Schlund hinab, bis man an das Hinderniss gelangt, gegen welches man nun zwar vorsichtig, aber doch mit einiger Kraft drängt, um dasselbe in den Magen hinab zu bringen.
Besitzt der fremde Körper eine unregelmässige Gestalt, wie diess z. B. bei Knochensplittern der Fall ist, so kann es geschehen, dass das Instrument neben ihm vortibergleitet, wesshalb man sich durch wiederholtes Zurückziehen and Vorwärtsschieben, so wie durch all­fällige Drehung der Schlundsonde die Ueberzeugung von der wirk­lichen Beseitigung des Gegenstandes, auf welche auch aus dem Auf­hören der, durch denselben veranlassten Zufälle geschlossen werden kann, verschaffen muss.
Bedient man sich zum Hinabstossen der M o n r o 'sehen Röhre, so führt man diese gewöhnlich mit dem Ende, an welchem sich der, dem Mundstücke einer Trompete gleichende Ansatz vorfindet, voran ein.
D, Zerdrücken des fremden Körpers nnd Zerschneiden desselben im Schlünde.
Das erstgenannte Verfahren ist bei fremden, im Halstheile des Schlundes stecken gebliebenen Körpern, die eine geringe Festigkeit besitzen, wie z. B. gekochte Kartoffeln oder Hüben, Eier, Pillen u. dgl. ausführbar, kann jedoch bei roher Ausführung zu Quetschungen des Schlundes und der anliegenden Ge­bilde, nach Hertwig sogar zu Zerreissungen der Carotis, der Dros­selvene u. s. w. Veranlassung geben. Will man einen der oben auf­gezählten Gegenstände zerdrücken, so legt man an der Stelle des Halses, an welcher das Hinderniss zu sehen oder zu fühlen ist, die Ballen beider Hände von beiden Seiten her an, und übt nun einen allmälig stärker werdenden Druck mit denselben aus, bis man ein Nachgeben der Masse oder ein Verschwinden der Gesehwulst bemerkt. Das Zerschlagen des fremden Körpers zwischen zwei, gegen ihn ge­setzten Holzstücken mittelst eines Hammers ist ein zu rohes Verfahren, welches nebenbei die früher erwähnten Nachtheile herbeiführen kann.
Zu dem gleichfalls nur bei dem Steckenbleiben von Körpern, welche überhaupt durch das Messer zertheilt werden können, ausführbaren Zer schneiden derselben im Schlünde, oder zu dem subeutanen Schlundschnitte benöthiget man ein schmales Spitzbistouri, ein Messer mit ziemlich langer, schmaler und an der Spitze abgerundeter Klinge, weiters Nadel und Faden zur Vereinigung der Hautwunde.
Karster. Operalianalehro für Thierarzle.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 21
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Die Operation selbst wird am stehenden Thiere in folgender Weise ausgeführt:
Nachdem man das Spitzbistouri auf der Mitte der, durch den festsitzenden Gegenstand gebildeten Geschwulst eingestochen, und auf der Fläche der Klinge desselben das geknöpfte Messer in die Schltmd-wunde geleitet hat, entfernt mnn das ersterc, und zerschneidet nun den fremden Körper nach verschiedenen Kichtungen, stets jedoch dabei, um eine Yerwundung der inneren Haut des Schlundes zu verhüten, die Vorsiclit beobachtend, dass die Schnitte nicht über den Gegenstand selbst hinausvoiehen. Ist die Zertheilung gelungen, so drückt man, wie Hering bemerkt, die Stücke des fremden Körpers mit den Fingern auseinander, und sucht sie entweder nach auf- oder nach ab­wärts zu schieben, zu welchem letzteren Behufe man nach Chopard's Beispiele den Schlundstosser verwenden kann, worauf die Hautwunde mittelst der umschlungenen Naht vereiniget wird.
E. Der Sclilunilsclinitt, Oesophagotomic.
D er Sc hlundschnitt ist dasjenige operative Ver­fahren, durch welches man sich mittelst schneidender Instrumente von Aussen einen Weg in den Schlund bahnt, um 1.fremde Körper, die in der Kaisportion des Schlundes stecken, und auf eine andere Weise nicht zu beseitigen sind, zu entfernen, oder 2. um dieselben, wenn siesich in derBrus tp o r t ion befinden, mittelstder, durch die künstliche 0 effnung eingefü hrt en Schlund­zange oder mittelst des S chlundst ossers aus demWege zuschaffen, oderendlich 3.um das in oi ner Erweit e rung des Schlundes angesammelte Futter herauszunehmen, und den abnormen Zustand selbst möglicherweise zu heben.
Man hat wohl früher, jedoch ohne besonderen Erfolg, die Oesophago-tomie auch unternommen, um Thieren, bei denen die Aufnahme von Nah­rungsmitteln und Arzneistoffen auf dem gewöhnlichen Wege unmöglich geworden war, wie z. B. bei Gehirnblutung, bei dem Starrkrämpfe, diese Stoffe durch die Rchlundwunde beibringen zu können.
Operationsstelle. Lagerung des Thieres.
Die Operationsstelle ist, wenn ein umfangreicherer fremder Körper im Schlünde steckt, durch die, durch denselben erzeugte Erhabenheit
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welche sich meist an der linken, selten an der rechten Seite des Halses vorfindet, bestimmt; ist diess nicht der Fall, so mittelt man mit der Schlundsonde den Sitz des Hindernisses aus, und bezeichnet sodann durch Anlegen des Instrumentes an der Aussen-fläche des Halses die ungefähre Kinschuittsstellc; fehlt dagegen jed­weder Anhaltspunkt, so macht man die Operation stets an der linken Seite und in der Mitte des Halses, weil hier der Schlund am meisten nach Aussen liegt, und nur von der Drosselvene, der Carotis, dem her-umschwoifenden und dem sympathischen Nquot;erven, und äusserlich von der Haut und dem Hautmuskel bedeckt ist.
Der Schlundsclinitt wird bei Rindern mitunter im Stehen, bei Pferden und bei kleineren Thieren jedoch stets im Liegen ausgeführt, und zwar legt man die Tliiere mit Ausnahme jener seltenen Falle, in denen sich an der rechten Seite die durch den fremden Körper verursachte Erhabenheit zeigt, immer auf die rechte Seite.
Instrumente.
Ist die Stelle, an welcher das Hinderniss steckt, schon von Aussen deutlich sichtbar, so wird mau selbst mit einer Sehe er e und mit einem ge hallten Bistouri ausreichen; macht man dagegen die Opei-ation am leeren Schlünde oder eines kleinen Gegenstandes wegen, so benöthiget man zur Ausführungderselben nebst der S cheere und dem geballten oder spitzenBistouri eine Pi nee t te, eine Hohlsonde, stumpfe Haken, ein Ivno pfbislo ur i, so wie Xadel und Faden. Ausscrdem werden je nach dem Zwecke der Operation noch anderweitige G-eräthsohaften z.B. Korn- oder Schlimdzan-gen, Schlundstosser zur Beseitigung der fremden Körper, Trichter oder Röhren zum Einflössen von Nahrangs- oder Arzneimitteln in Bereit­schaft gehalten werden müssen.
Ausführung der Operation.
Die Ausführung der Oesophagolomie bietet in dem Falle, als der fremde Körper einen bedeutenderen Umfang besitzt, und in Folge dessen eine auffallende Erhabenheit bildet, durchaus keine besonderen Schwie­rigkeiten dar, indem man vor einer Verletzung der, durch den frem­den Körper selbst zur Seite geschobenen Oefässe und Nerven so ziemlieh gesichert ist. Sind Haut und Hautmuskel durch einen der Grosse des zu beseitigenden Gegenstandes entsprechenden Längenschnitt ge-
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trennt, so geschieht die Eröffnung des Schlundes mit dem geballten Bistouri von Ä.ussen nach Innen, oder es wird mit dem Spitzbistouri ein Einstich am untersten Ende der Erhabenheit gemacht, und nun die Schlundwand der Länge nach mit dem eingeschobenen Knopfbi­stouri durchschnitten, worauf der fremde Körper, wenn er sich nicht selbst durch die Wunde hervordrängen sollte, mit den Fingern oder mit der Zange entfernt wird.
Fehlt die Erhöhung im Verlaufe des Schlundes, oder soll die Operation am leeren Schlünde vorgenommen werden, so ist die grösste Vorsicht und Behutsamkeit nothwendig, um Gefässe und Nerven nicht zu verletzen. In einem solchen Falle geht man nach Her twig folgender Massen zu Werke :
Sind die Haare abgeschoren, so bildet man an der Operations­stelle eine quer über die Hrosselvene gehende Hautfaltc, und durch­schneidet diese so, dass die beim Pferde und Rinde etwa 3—4, bei den kleineren Thieren 1 l/a—2quot; lange Wunde auf die Grenze der Drosselvene und des Kopf-Hals-Armbein-iiuskels trifft, worauf man den ebengenannten Muskel in gleicher Länge von dem Brustkiefcrmuskel trennt, den letzteren und die Drosselvene mittelst stumpfer Haken nach unten ziehen lässt, das Zellgewebe in den oberflächlichen Schichten auf der Hohlsonde, in den tieferen dagegen mit dem blossen Finger trennt, bis man an und über die Carotis, welche nach oben ge­halten wird, gekommen ist, und nun den Schlund in dem hier sehr schlaffen Zellgewebe neben und hinter der Luftröhre fühlen kann. Hat man diesen sodann mit Daumen und Zeigetinger der rechten Hand hervorgeholt, so wird eine Hohlsonde, eine Eiterbandnadel u. dgl. als Unterlage unter demselben durchgesteckt, und hierauf der etwa einen Zoll lange Längenschnitt, wie oben angegeben, entweder von Aussen nach Innen, oder von Innen nach Aussen gemacht, welcher letztere Vorgang der empfehlenswerthere ist, da bei demselben reinere Wund­ränder erhalten werden. Dass man in den Schlund gelangt ist, lässt, sich an der inneren Auskleidung desselben erkennen.
Wohl zu beachten ist, dass der Schlund nicht zu weit nach abwärts von den Nachbargcbilden losgelöset werde, und dass der un­tere Wundwinkel vom Schlünde bis zur Haut von Innen nach Aussen schräg verlaufe, um der durch die Schlundwundc dringenden Flüssig­keit, so wie den Wundsecrcten freien Abfluss zu gestatten, widrigen­falls Versenkungen derselben entstehen würden.
Ist der Schlund eröffnet, so beseitiget mau den fremden Körper mit den erforderlichen lustrumentcu, oder giesst durch einen einge-
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brachten Trichter oder eine elastische Köhre Flüssigkeiten ein; wurde die Oesophagotomic eines Schlunddivertikels wegen gemacht, so werden nach vollständiger Herausnahme des Futters die Wundränder mittelst Scheero oder Messer so verkürzt, dass nach Anlage der Naht der Schlund seine normale Weite erhält.
Ist der Zweck der Operation erreicht, so legt mau, obsohon auch Fälle bekannt sind, in denen die Heilung ohne Anlage einer Naht vollkommen gelang, an der Wuude des Schlundes die Naht an, was in verschiedener Weise geschehen kann.
Das Heften der Wunde geschieht nach der Vorschrift einiger Thierärzte in der Weise, dass man, nachdem man einen Wundrand mit der Pincette erfasst hat, um Schleim- und Jfuskelhaut in unver­rückbarer Lage zu erhalten, die Xadel, etwa zwei Linien vom Rande entfernt, durch beide Häute glcichmässig durchsticht, am anderen Wimdrande in gleicher Weise verfährt, die Enden des Fadens indess nicht, wie bei der Knopfuaht knüpft, sondern sie bloss zusammen­dreht, und durch den unteren Winkel der Hautwunde hervorhängen lässt. Die Hefte selbst werden in einer Entfernung von Va Zoll von einander angelegt, wobei man gewöhnlich an jedes Ende des Fadens eine Nadel anfädelt, um rascher vorgehen zu können. Diese Art der Vereinigung soll den Vorzug haben, dass behufs Entfernung der Fäden die Enden bloss aufgedreht zu werden brauchen, um, nachdem man ein Ende knapp am Schlünde abgeschnitten, leicht herausgezogen wer­den zu können. Indess fand Her twig, der früher gleichfalls diese Form der Naht anwandte, dass dieselbe den angegebenen Vortheil nicht gewähre, indem die, durch die thierischen Flüssigkeiten zusam­mengeklebten Fäden sich nicht so leicht bis zu dem Schlünde hin wieder aufdrehen lassen, und dass eine stärkere Reizung erzeugt werde, als wenn man die Fäden etwas straff anzieht, und sie sodann mit der Scheere oder mit dem Knopfbistouri nahe am Schlünde abschneidet. Dieser Erfahrung zufolge heftet Hertwig die Schlundwunde entweder mit der gewöhnlichen Knopfuaht, und zwar so, dass er dabei nur die Muskelhaut durcLsticht, und die einzelnen, aus einem doppelten, recht glatten Zwirn- oder Seidenfaden bestehenden Hefte höchstens einen halben Zoll von einander entfernt anbringt, oder er legt, nachdem die einzelnen Heftbänder durch die Wundränder gezogen sind, auf den Schlund eine Darmsaite in der Länge, dass beide Enden derselben bis an die Hautränder reichen, bindet auf dieser Darmsaite die Faden jedes einzelnen Heftes zuerst durch einfaches Durchoinanderstecken zusammen, und macht sodaan eine auf/delibare Schleife; hiebei ist
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jedoch zu beachten, dass die Enden der Heftbänder bis zur Haut her­vorreichen, und dass jenes Ende, welches mit der Schleife in unmittel­barem Zusammenhange steht, durch einen Knoten kenntlich gemacht werde. Diese Modification erleichtert die Entfernung der Hefte wesent­lich, indem man diesem Beliufo zuerst an dem mit dem Knoten ver­sehenen Ende die .Schleife aufzieht, dann, wenn dieses an sämmtlkheu Hefton geschehen ist, durch Hervorziehen der an ihren beiden Enden erfassten Darmsaite auch die innere Schleife sammtlicher Hefte löset,* und hierauf jedes einzelne Heft an dem mit dem Knoten bezeichneten Ende herauszieht.
Ist die Naht in einer oder der anderen Weise angelegt, so bringt man den Schlund in seine normale Lage, reiniget die Wunde, und legt einen dünnen quot;Wergtampon ein, welchen man durch ein oder zwei, an der Haut angebrachte Hefte der Knopfnaht an seinem Platze erhält.
Nachbehandlung.
Pferde oder Kinder werden im Stalle hoch aufgebunden,' damit sie mit gestrecktem Halse stehen müssen, und erhalten während der ersten 24—36 Stunden weder Futter noch Getränke. Nach Ablauf dieser Erist sollen den Thicren nach der Ansicht von Dieteriehs, Strauss, Brogniez, Haubner u. And. anfangs bloss Aussige Nahrungsmittel, später leicht zu schlingende Substanzen, wie z. h. gekochte Hülsenfrüchte, dagegen feste Nahrungsmittel erst nach voll­ständiger Heilung der äusseren Wunde, wozu bei Pferden 12—20, beim #9632;Rinde etwa 10, beim Hunde 8 Tage erforderlich sind, verabreicht werden ; französische Thierärzte jedoch, wie Chevalier und B o u 1 cy, und mit ihnen auch Hering halten es für unzweckmässig, die Thiere mit Mehltränken und weichem Futter zu nähren, da ein aus Rauh-futter gebildeter Bissen fester zusammenhängi, und weniger durch die Schlundwunde austreten lässt, als dieses bei einem aus Kleie be­stehenden Bissen der Fall ist; sie geben daher der Verabreichung kleiner Quantitäten zarten Heues und reinen Wassers unbedingt den Vorzug.
Die Hefte werden nach 3—4 Tagen entfernt; gelang die Heilung durch schnelle Vereinigung während dieser Zeit nicht, so darf man wohl nicht mehr auf dieselbe rechnen, und sie erfolgt sodann auf dem Wege der Eiterung und Fleischwärzchenbildung.
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Ungünstige Ereignisse.
Während der Operation sind Verwundungen der Drossel­vene und der D ro ssolar t er i e, des herumschweifenden und des sy mpathi schenJfer ven möglich; nach derselben bilden sich mitunter Hohlgänge oder Schlund fisteln.
4. Der Bauchstieh.
Der Bauchstich (die Punktion oder Paracentese des Hinterleibes) ist die kunstgemässe Eröffnung d er Baue h-höhle mittelst stechender Instrumente behufsder Ent-leerung daselbst, angesammelter seröser Flüssigkeit.
Geschichtlich es.
Schon Vegetius empfahl die Operation in solchen Fällen von Bauchwassersucht, in denen andere Mittel fruchtlos angewendet wurden; er liess mit einen spitzigen Instrumente vier Finger hinter dem Nabel einstechen, und eine an ihrem oberen Ende von vielen feinen Oeffnun-gen durchbohrte Bohre einlegen. Vitet (1771) sah den Bauchstich gleichfalls als letzten Heilungsversuch an; derselbe liess jedoch bloss die Hälfte der Flüssigkeit beim ersten Male, die andere Hälfte aber erst nach 2 Tagen entleeren; Einspritzangen von resolvirendenMitteln wendete er ohne Erfolg an; Lafossc (1772) und Germershau­sen (1789) erwähnten des Bauchstiches ebenfalls, und Geu t ebrü c k liess densellron bei wassersüchtigen Schafen mittelst des Troikarts vor­nehmen.
In neuerer Zeit begnügte man sich bei Hunden nicht mit dem blossen Abzapfen des Serums, sondern machte, um radikale Heilung zu erzielen, was mitunter auch gelang, Injectionen von Jodlösungen.
Anzeigen zur Operation.
Der Bauchstich ist bei Bauchwassersucht dann angezeigt, wenn das Leiden bereits durch längere Zeit besteht, und die innerliche Anwendung von Heilmitteln eine Aufsaugung des vorhandenen Serums nicht bewerkstelligte, oder wenn durch die in der Peritonäalhöhle
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angesammelte Flüssigkeit die Brust- und Baucheingeweide in ihrer Ver­richtung wesentlich beeinträchtiget werden.
Obgleich jedoch eine Ansammlung von Serum in der Bauchhöhle immer bloss Theilerscheinung einer anderweitigen Krankheit, welche durch die Operation nicht beseitiget wird, ist, und diese letztere daher immer nur palliative Hilfe schafft, so ist sie doch insofern von Vor-theil, als durch dieselbe nicht selten einzelne gefahrdrohende Zufälle z. B. grosse Athembeschw erden, fast augenblicklich behoben, und zu­gleich die innerlich beigebrachten Heilmittel in ihrer Wirkung we­sentlich unterstüzt werden. Bei solchen Krankheiten indess, bei denen gleichzeitig seröse Ergüsse in anderen Körperhöhlen, so wie im Un-terhautbindegewebe vorhanden sind, ist selbstverständlich von dem Bauch­stiche nicht viel zu hoffen.
Operationsstelle. Lagerungdes Thieres. Instrumente.
Obschon die Punktion an verschiedenen Stellen des Hinterleibes vorgenommen werden kann, so wird man doch vorzugsweise jene Stelle wählen, an welcher die Fluctuation am deutlichsten ist.
Am gewöhnlichsten macht man den Bauchstich entweder in der Flanke (bei Wiederkauern besonders an der rechten, heim Pferde lieber an der linken Seite, um den Blinddarm zu vermeiden) u. z. in der Mitte zwischen dem äusscren Darmbeinwinkel und dem Nabel oder in der Mitte einer vom Hinterknie zur letzten Eippe gezogenen, ho­rizontalen Linie, oder man nimmt die Operation an der weissen Linie u. z. in oder neben dem Mittelpunkte zwischen dem Sohau-fclknorpel des Brustbeines und zwischen dem Schambeine vor.
Beim Hunde, bei welcher Thiergattung der im Allgemeinen nur selten geübte Bauchstich noch die häufigste Anwendung findet, sticht man nach H e r t w i g 's Angabe den Troikart entweder in der Mittellinie des Leibes, zwischen dem Nabel und dem Scham­beine, oder auch an einer oder an der anderen Seite, ungefähr in einer, mit der Mittellinie parallel laufenden, längs den unteren Enden der letzten Eippen gezogenen Linie ein.
Grössere Thierc werden im Stehen, kleinere, z. B. Hunde im Liegen operirt.
An Instrumenten benöthiget man atisser dem dünnen, cylindri-schen, 3— 4 Zoll langen Troikart, dessen Canule ohne Seitenöff-nung ist, höchstens cine Seh cere zum Abschecren der Haare und
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nach der Operation Binden oder Gurten zur Unterstützung der er-schlafl'ten Bauch wände.
Ausfiihrunp; der Operation. Unvorhergesehene Zu fälle während derselben.
1st bei grösseron Thieren der Vorderfuss jener Seite, auf wel­cher der Einstich gemacht wird, durch einen Grehilfen gehalten, so scheert der Operateur die Haare an der Operationsstclle ab, erfasst den Troikart in der bekannten Weise, lässt von demselben, um eine Ver­letzung der Baucheingeweide zu vermeiden, vor dem auf die Canule aufgelegten Zeigetinger jedoch nur so viel vorstehen, als die Dicke der Bauchwand etwa beträgt (beim Pferde somit gegen 2, beim Kinde gegen 1 '/jj, bei den übrigen Hausthieren gegen Einen Zoll), spannt mit den Fingern der linken Hand die Haut an der Einstichsstelle, dringt mit dem Instrumente langsam durch die Bauchwand hindurch, zieht das Stilet heraus, und lässt die Flüssigkeit ausströmen. Findet kein Ausfliesen statt, so ist, abgesehen von einer irrigen Diagnose, die Bauchwand nicht durchstochen, und es muss mit dem Troikart tiefer eingegangen werden; wird der Strom plötzlich unterbrochen, so haben sich entweder Darmschlingen oder Netz vorgelegt, oder es ist die Canule durch Gerinnsel verstopft; in beiden Fällen beseitiget man durch eine eingeführte Sonde die Hindernisse. Wird der Strahl, in welchem die Flüssigkeit herausfliesst, schwächer, so zieht man die Canule heraus und verschiebt die Haut bloss etwas, oder deckt die kleine Wunde mit einem einfachen Heftpflaster, oder bestreicht sie mit Theer.
In gleicher Weise verfährt man, wenn man am liegenden Thiere operirt.
Zweckmässig ist es immer, nach ausgeführter Operation die schlaifen Bauchwände durch breite Binden oder Gurten so lange zu unterstützen, bis die Muskeln ihre, in Folge der andauernden Aus­dehnung bedeutend verminderte Zusammenziehungsfahigkeit wieder erlangt haben.
Der Bauchstich, bei welchem ausnahmsweise Verletzungen grösserer Gefässe oder der in der Bauchhöhle einge­schlossenen Organe vorgekommen sind, kann an einem und demselben Individuum so oft wiederholt werden, als die Anzeigen zur Vornahme desselben neuerdings zugegen sind.
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5. Die Entfernung der im Magen der Wiederkäuer angesam­melten Grase-
Die Ansammlung einer bedeutenden Menge von Gasen im Ma­gen, welche am gewöhnlichsten beim Kinde und Schafe vorkömmt, und als Trommelsucht oder Aufblähen bekannt ist, erheischt in vielen Fällen operative Eingriffe, von denen die Einführung derSchl und röhre und der P a n s e n s t i c h die vorzüglichsten sind.
a. Die Anwendung der S lt;: h 1 un d r öh r e.
Die Entleerung der Gase durch das Maul wird am sichersten durch die Einführung der bei uns selten, dagegen in Eng­land und Schottland häufig gebrauchten, vonMonro inEdinburgh angegebenen und nach ihm benannten Seh lu ndröhre , deren bereits Abildgaard und Viborg erwähnen, bewerkstelliget, obschon von einigen Seiten dem genannten Instrumente zum Vorwurfe gemacht wird, dass das in den Magen eingebrachte Stück derselben in die Mitte des angesammelten Futters gelange, sich verstopfe, und derart seinen Zweck nicht erfülle.
Diese Röhre, welche Brosche (1828) zuerst ausführlich beschreibt, besteht aus einem spiral aufgerollten, verzinnten Eisendrahte, welcher mit einem, der Länge nach fest und luftdicht zusammengenähten Leder über­zogen ist. Das vordere Ende hat entweder einen eiförmigen, l1/, Zoll langen, V/A Zoll in der Mitte im Durchmesser weiten, von mehreren Oeflnungen durch­bohrten Knopf von Zinn, Horn oder Bein oder bloss einen Ring: das hintere dagegen einen, dem Mundstücke einer Trompete gleichenden Ansatz. Die Länge dieser Röhre, welcher durch ein, in der Lichtung derselben steckendes Eisch-heinstähehen eine bedeutendere Steifheit gegeben wird, beträgt für Kinder 5—6 Schuh bei Ein Zoll Weite, fiir Schafe 3 Schuh bei '/, Zoll Weite.
Um dem Zerbeissen der Röhre vorzubeugen, wird dem Thierc vor der Einführung derselben entweder ein Maulgitter oder ein 17 Zoll langes, in sei­nem mittleren Theile bedeutend dickeres und daselbst mit einer ovalen Oeff-nnng mit abgerundeten Rändern, durch welche die Schlundröhre eingeführt wird, versehenes, durch Kiemen am Kopfe zu befestigendes Querholz eingelegt
In neuerer Ziit werden Schlundröhren ans einem, an der äusseren Seite mit. einer Kantschnklösung übeistrichenen Gewebe oder auch aus Guttapercha gefertiget, welche .jedoch der ursprünglichen Röhre in Betreff der Dauerhaftig­keit weit nachstehen.
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Ausführung der Operation.
Bei der Einführuns; der Sehlundrohre zieht man nach Einbrin­gung des Querholzes die Zunge des Thieres, dessen Kopf und Hals von Gehilfen mögliebst stark gestreckt gehalten werden, nach einer Seite aus dem Maule hervor, bringt das vordere, mit Oei oder Fett bestrichene Ende des Instrumentes durch das Loch des Querholzes in das Maul, schiebt es über die Zunge in die hachenhöhle, von da in den Schlund und endlich in den Magen, entfernt das in der Röhre steckende Stäbchen, und lässt das Gas ausströmen; etwa eingedrungene Futterstoffe werden mittelst des Stäbchens beseitiget. Hat das Ent­weichen der Gase aufgehört, und der Hinterleib an Umfang bedeutend abgenommen, so zieht man das Instrument behutsam heraus.
Wird die Röhre nicht mit der erforderlichen Torsicht eingeführt, so kann es geschehen, dass sie von dem Thiere zerbissen wird, und dass das abgebissene Stück erst durch den Pansenschnitt hervorgeholt werden kann, oder es kann dieselbe in die Luftröhre gelangen.
b. Der Pansenstich.
Unter Pansenstich versteht man die künstliche Er­öffnung desPansens mittelst stechender Instrumente, um die in diesem Ilagen in üb er massiger Menge ent­wickelt e n G a s e z u entleeren, u nd de ra r t die allzustarke Ausdehnung di esc s Organ s, so wie die hie durch beding­ten Kran khei tssymp tome zu beseitigen.
Geschichte der Operation.
Obgleich nach Yiborg bereits Mascal ^1633) des Anzapfens bei dem Aufschwollen des Hornviehes Erwähnung thun soll, so fin­den sich sichere Angaben über den Pansenstich, zu welchem man früher ein Messer, später den zum Pauchstichc an Menschen bestimm­ten Troikart benützte, doch erst in einzelnen, um das Jahr 176S in England erschienenen Schriften über Landwirthschaft. In Deutschland wurde die Operation zuerst durch Uedikus (1771), welcher dos angeblich von dem Dorfschmiedc Hauk zu Handschuchsheim bei Heidelberg erfnudenen Pansentroikart erwähnt, so wie durch Erx-leben (1771) bekannt; diesen folgten Roth und Mayer (1773),
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Riem (1775), Eo u winghan s on (1776), Weisen (1789), Ribbe (1819), Wagner (1821), Schwab (1822), Brosche (1828), Falke (1831) und And., welche sämmtlieh über die Trommelsucht und die bei derselben anzuwendenden Mittel mehr weniger ausführ­lich schrieben, obschon einzelnen derselben eine klare Einsicht in das Wesen der Krankheit vollständig gefehlt zu haben scheint. So waren z. B. Riem sowohl, als auch B o u wi n ghausen der Meinung, dass die Gase durch die Wandungen des Magens und Darmes hindurch­dringen, und sich in der Bauchhöhle selbst ansammeln, und gaben desshalb die Vorschrift, man solle den Troikart nur so tief einstechen, dass dessen Spitze bloss in die Bauchhöhle dringe, den Magen aber ja nicht treffe, indem eine solche Wunde bei dem Umstände, als sie sich von selbst vergrössere, sehr gefahrlich sei. Unter den Franzosen war Goulin (1775) der Erste, welcher den Pansenstich als eine, in einigen Gegenden Frankreichs gebräuchliche Operation bekannt machte; ebenso behandelten quot;Vitet, Faulet, Vicq'd'Azyr, Boixrgclat, Chabert u. And. denselben Gegenstand. Die an und für sich so ein­fache Operation, dass dieselbe im Falle der Noth selbst von Laien ganz gefahrlos ausgeübt werden kann, erfuhr nur unbedeutende Mo-dilicationen, und selbst die zu derselben erforderlichen Instrumente erlitten im Laufe der Zeit nur geringfügige Abänderungen.
Anzeigen.
Der Pansenstich ist bei der acuten Trommelsucht u. z. vorzugsweise dann angezeigt, wenn in Folge der sehr rasch zunehmen­den Ausdehnung des Pansens Erscheinungen auftreten, welche Er­stickung, Berstung des Magens oder Gehirnblutung befürchten lassen, wo somit Gefahr im Verzüge ist, und die Wirkung innerlich beige­brachter Arzneimittel nicht abgewartet werden kann. Durch die Ope­ration werden die im Magen angesammelten Gase am schnellsten ent­fernt, und dem Thiere fast augenblickliche Linderung verschafft.
Spinola hält die Application des Troikarts bei Schafen für weit gefährlicher als bei Rindern, indess ist dieselbe auch bei dieser Thiergattung nicht selten das einzige und desshalb häufig angewen­dete Rettungsmittel.
Bei dem chronischen Aufblähen, bei welchem die Aus­dehnung des Magens meist nicht bedeutend ist, findet der Pansenstich eine sehr beschränkte Anwendung.
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Operationsstelle. Lagerung des Thieres. Instrumente.
Gewöhnlich nimmt man den Pansenstich am ste hend en Thierc vor; nur dann, wenn das Thier sich bereits früher gelegt hat, führt man die Operation im Liegen aus.
Der Einstich wird in der Hegel in der linken Flanken­gegend (in der sogenannten Hungergrube) an der hervorgetrie­bensten Stelle, wenn dort der Percussionsschall voll oder t5rmpamtisch ist, oder in der Mitte einer, von dem äusseren Darmbeinswinkel bis zur letzten Rippe in Gedanken gezogenen Linie gemacht. An der rechten Seite nimmt man die Operation höchstens dann vor, wenn das Thier auf der linken Seite liegt, und so stark aufgebläht ist, dass das Umwälzen auf die andere Seite den Tod herbeiführen könnte; in den höchsten Graden der Aufblähung sind indess die übri­gen Eingeweide der Bauchhöhle durch den Pansen verdrängt, und man wird somit auch rechts den letzteren sicher und ohne Verletzung an­derer Organe treffen.
Das zum Pansenstiche fast aussehliesslich verwendete Instrument ist der sogenannte Pansentroikart; nur im Nothfalle wird die Operation mit einem Messer mit spitzer und schmaler Klinge vor­genommen.
Man gebraucht theils cylindrische, theils plattgedrückte, zwei­schneidige Troikarts; als Vorthcile der cylindrischen, mit dreischneidiger Spitze versehenen Zapfspiesse führt man an, dass dieselben sich nicht so leicht ver­stopfen, wie die flachen, dass die Gase rascher entweichen, und dass die, durch dieselben erzeugte Wunde sich schneller schliesse; der Vortheil des flachen Troikarts, welchen man indess nur beim Rinde verwendet, besteht dagegen darin, dass ein Instrument dieser Form viel leichter die Theile durchsteche, somit schneller eindringe, wobei indess Verletzungen von Gefässen auch leichter statt­finden können sollen. Uebrigeus eignen sich beiderlei Troikarts zur Operation gleich gut. Die Zapfspiesse älterer Form besitzen ausserdem an beiden Seiten der Canule Oeflnungen, welche nicht selten bis gegen das hintere Ende der Röhre reichen Diese Oetfnungen werden indess von Vielen aus dem Grunde verworfen, weil durch dieselben bei dem Einsinken des Wanstes ein Theil des Mageninhaltes leicht in das Zellgewebe der Hauchwand oder in die Rauchhöhle dringt, zur Entstehung von üblen Zufällen, selbst von lödtliehen Bauchfellent­zündungen, wie sich Spinola, welcher desshalb einen Troikart ohne Seiten­öffnungen gebraucht, zu wiederholten Malen zu überzeugen Gelegenheit hatte, Veranlassung gibt, und so den günstigen Erfolg der Operation vereitelt. Hart­wig, welcher indess diese Furcht für durch die Erfahrung nicht begründet
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erachtet, hält Troikarts ohne jedweder SeitendffiinDg äesshdb fiir weniger zweck-uiiissifj, weil die Cannlen derselben, wenn sie mit ihrem vorderen Ende in den mit gährendem Futterbrei fast gänzlich angeftUften Pansen gelangen, sieh sehr leicht verstopfen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; .
Die Cannle des hierorts zum Pansenstiche beim Itinde gebräuchlichen Troikarts, dessen Länge etwa 9 Zoll, dessen Breite etwa 4'/, Linien bei 2 Li­nien Dicke, beträgt, geht an ihrem vorderen Ende, hinter welchem sich zwei randliche Oeflnnngen finden, in zwei znngenfönnige. stumpf zugespitzte Lappen ans, welche die .Spalte zum Durchtrifte des Stilets bilden, während das hintere Ende eine ovale, leicht convex-concave Scheibe trägt. Zweckinässig ist es immer, mehrere zu einem und demselben Stilete passende Canulen zn haben, um bei gleichzeitig eintretendem Aufblähen mehrerer Thiere nicht in Verlegen­heit zu gerathen. -
Von den gewöhnlich gebräneblichen Zapfäpiesscii wesentlich abweichend construirt sind die Instrumente von Sajonx und von Brogniez, (die soge­nannten Gastrotome), an denen Vorrichtungen angebracht sind, welche den Pansen und die Bauchwand in steter Berührung mit einander erhalten, und das Austreten von Futterstoffen in die Bauchhöhle verhindern sollen. Indess sind diese Instrumente viel zu complicirt, und viel zu theuer, und zudem auch ganz überflüssig.
Bei Schafen und Ziegen gebraucht man einen kurzen, cylindrischen Troi-kart, dessen Scheide ohne Seitenöflnungen ist. Bei diesen Thieren kann man auch in dem Falle, als zahlreiche Stücke einer Ilecrde gleichzeitig aufgebläht sind, die Canulen ganz gut durch entsprechend starke Federkiele ersetzen, die man an der Spitze rundheruin abschneidet, sie in die bereits steckende Röhre führt und letztere dann über die, an der Fahne gehaltene Feder hinwegzieht, worauf man. um das zn tiefe Eindringen des Kieles zu verhindern, eine starke Nadel oder einen dünnen Nagel durch das obere Ende desselben steckt, und oberhalb dieses die Fahne quer abschneidet Macht man den Pansenstich mit dem Messer, so kann man nach gemachtem Einstiche als Ersatz der Cauule neben dem Messer ein Schilfrohr, einen Hollanderzweig, dessen Mark man hcrausgestossen hat, oder dergl durch die Wunde in den Pansen einschieben.
Ausführung; dov 0p era11on.
Um den Pansenstich am stehenden Rinde zu machen, stellt man sich entweder an die linke Seite der Krust des Thieres, in welcher Stellung jedoch mit dem Hintcrfusse geschlagen werden kann, oder man nimmt, um sich davor zu sichern, seinen Platz an der entgegengesetzten Seite, und setzt den Troikart über den Rücken hinüherlangend an der entsprechenden Stelle an.
Der Troikart, dessen Stilet etwas in die Canule zurückgezogen wird, damit die Spitze nicht vorstehe, wird entweder so erfasst, dass der Griff in die volle rechte Hand, deren Daumen auf dem Ende
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des Griffes selbst aufruht, und bei dem Einstechen einen hinreichend starken Druck ausüben muss, zu liegen kömmt, oder man hält das Instruraent mit der linken Hand an der Canulc, und treibt dasselbe durch einen kurzen, kräftigen, mit der rechten Hand auf das hintere Ende des (iriftes geführten Schlag durch die Bauohwand hindurch, ludess kann man den Zapfspiess auch in der bei dem Brust- und Bauchstiche angegebe­nen Weise halten. An der Operationsstelle früher einen Hautschnitt zu machen, um das Eindringen des Troikavts zu erleichtern, ist über­flüssig, indem ein, mit einer scharten Spitze versehenes Instrument ohne besondere Mühe die Haut gleichfalls durchsticht.
Die Flächen des platten Troikarts müssen nach vor- und rückwärts, die Spitze nach ab- und vorwärts gerichtet sein. Nach Hering wäre es richtiger, den Verlauf der Fasern des äusseren Darmbein-Backmus­kels entsprechend, iilso schief nach vor- und abwärts einzustechen, ist der mit Oel oder Fett bestrichene Zapfspiess in einer Länge von 4—S Zoll eingedrungen, so entfernt man das Stilet, und lässt die Gase ausströmen.
Um eine allzuschnelle Entleerung der Mägen und die dadurch bedingten Zufälle zu vermeiden, soll man, wie Hering bemerkt,nur einen Theil der Gase schnell ausströmen- lassen, und den Strom hierauf durch den, auf die Oefthung der Cannle aufgelegten Finger anf einige Minuten unterbrechen.
Die Canulc, welche, wenn der Hinterleib zusammenzufallen beginnt, tiefer hineingeschoben werden soll, um das Abgleiten des Magens von derselben zu verhüten, lässt man so lange liegen, als ein Entwei­chen von Gasen stattfindet. Sollte die Röhre durch eingedrun­gene Futterstoffe verlegt sein, was man an der plötzlichen Unter­brechung des Luftstromes erkennt, so führt man eine Sonde in die Scheide des Instrumentes ein, und macht dieselbe wieder wegsam. Das Her­ausziehen der Canule geschieht in der bereits wiederholt angegebenen Weise; die Wunde wird höchstens mit etwas Fett oder Theer bestrichen..
Muss der Pansenstich mit dem Messer gemacht werden, so stösst man es mit nach abwärts gerichteter Schneide durch die Bauchwand in den Pansen, vollführt mit demselben eine Viertel - Kreisbewegung, um die Wunde klaffen zu machen, und das Entweichen der Gase zu fördern, und lässt es so lange, so lange es nothwendig erscheint, stecken.
Stellt sich nach Entfernung der Canulc neuerdings Aufblähen in bedeutenderem Grade ein, so muss die Operation wiederholt werden;
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man nimmt dieselbe jedoch nicht an der früheren Einstichsstelle, sondern etwa einen halben Zoll von derselben entfernt vor.
Nachbehandlung und üble Zufälle.
Eine besondere Nachbehandlung der Wunde, welche meist in 8—14 Tagen verheilt, ist nicht nöthig; mitunter stellt sich Eite­rung ein, welche die Heilung verzögert.
Als ungünstige Ereignisse während der Operation sind Verletzungen der Lendenarterie beobachtet worden, welche hei dem Einstechen des platten Troikarts mit nach vor- und rückwärts gerichteten Schneiden stattfinden ; bei einem gerade nach ab­wärts geführten Stiche kann eben so wie bei fast horizontaler Rich­tung des Inslrumeutes, bei welcher letzteren selbst die Niere ver­letzt werden kann, der Pansen verfehlt werden; nach der Operation bleiben, wenn auch selten, Magen fisteln zurück.
6. Der Pansenschnitt.
Der Pansenschnitt ist jenes operative Verfahren, durch welches man den Pansen mittelst schneidender Instrumente in weiterer Ausdehnung eröffnet, um die Herausschaffung des in demselben in zu grosser AI enge angesammelten Putters oder anderer, von aussen in den ersten oder zweiten Magen gelangter fremder Körper zu ermöglichen, und die hieraus hervorgehen­den üblen Folgen zu heben.
Geschichtliche Notizen.
Giesecke (1792) erwähnt des Pansenschnittes als eines in Hol­stein von Hirten nicht selten geübten Verfahrens, während (Jhaber t und Huzard das Verfahren ausführlich beschreiben; Huzard ver­sichert von 20 operirten Rindern kaum eines verloren zu haben, indess waren die Ansichten über den Werth der Operation stets sehr ab­weichend. So bemerkt z. B. Strauss, dass das Verfahren kaum die Wahrscheiulichkeit eines guten Erfolges für sich habe, und nur dort am Platze sei, wo es sich darum handle, an Ueberfütterung leidende Thiere, die umzustehen drohen, so lange am Leben zu erhalten, bis sie einer regelrechten Schlachtung unterzogen werden können; Schwab
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hält dasselbe geradezu für widersinnig, ßyebner für entbehrlich, Brosche für nicht empfehlenswerth; Eibbe dagegen nennt den Pansensohnitt eine der merkwürdigsten Entdeckungen im Gebiete der höheren Veterinär-Wissenschaft und das einzige Eettungs-Mittel bei der, durch fixe Luft und Ueberfüllung des Pansens bedingten Blähsucht; Ob ich, welcher die Operation zu wiederholten Malen sowohl behufs der Herausnahme von Futter aus dem Pansen, als auch spitziger Kör­per aus der Haube unternahm, zu welchem letzteren Zwecke auch F. Meyer dieselbe machte, hält sie für nicht gefährlich. Epple entfernte mittelst des Pansenschnittes eine in den Magen gelangte M o n r o'sche Eöhre, Roche-Lubin sah von demselben, wenn er bald gemacht wurde, stets gute Erfolge. Brogniez construirte für diese Operation eigens bestimmte Instrumente (G a s t r o t o m e), welche einestheils das Hineinfallen von Futterresten in die Bauchhöhle ver­hüten, auderstheils das Einspritzen von medicamentÖsen Flüssigkeiten in den Magen ermöglichen sollten, indess scheinen dieselben eineprac-tische Anwendung nicht gefunden zu haben.
A nzeigen.
Vorgenommen wird die Operation bei sehr starker An-füllung des Pansens mit festeren Futterstoffen, wobei der bhsse Pansenstich nicht ausreicht; bei chronischer Unver-daulichkeit, dann bei fremden, im Pansen oder in der Haube befindlichen, bedenkliche Krankheits-Symptome veranlassenden Kör­pern, z. B. bei Nägeln, Nadeln u. dgl., welche mit dem Futter in den Magen gelangten. Auch behufs der Entfernung von Giftpflanzen z. B. von Tabakblättern, welche in grosser Menge von den Thieren gefres­sen wurden, wurde der Pansenschnitt gemacht.
Lagerung des Thieres. Operationsstelle. Instrumente.
Die Operation wird im Stehen des Thieres ausgeführt. Man lässt dasselbe mit der rechten Seite gegen eine Wand drücken, am Kopfe kurz anbinden, und sichert sich durch einen, vor dem linken Hinterfusse schräg abwärts in den Boden gestossenen, 6—7 Fuss langen Pfahl vor Schlägen mit diesem Fusse. Liegt das Thier auf der rechten Seite und ist es nicht in die Höhe zu bringen, so muss man wohl auch in dieser Lage operiren, nachdem man die Füsse binden Hess. Fonter. Operationtlehre für Thierente.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 22
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Als Operationsstellc wählt mandioMittedcrlinkon Hunger grübe (etwa einen Zoll von den Querfortsätzen der Lenden­wirbel entfernt) ; das Messer sticht man beim Einde 1 V2quot;, beim Schafe 3/4quot; oberhalb der .Stelle ein, an welcher der Pansentroikart eingesto­chen wird.
Die erforderlichen Instrumente sind: Eine S cheer e zum Abscheeren der Haare; ein starkes spitzes Bistouri, ein eben solches Skalpell oder im Nothfalle ein spitzes Messer zum Schnitte selbst, ferner Nadel und P a d e n zum. Heften der Wunde.
Ausführung der Operation; Nachbehandlung; ungün­stige Z ufäll e.
An der Operationsstelle stösst man nach Her twig das mit dem Kücken der Klinge gegen die Wirbel gekehrte Messer bis an das Heft durch die Bauchwaud in den Pansen, und verlängert beim Zurück­ziehen des Instrumentes die Wunde in senkrechter Richtung nach abwärts beim Rinde auf 4—ö, bei Schafen und Ziegen auf 3quot;, wobei man vorzugsweise dafür Sorge zu tragen hat, dass die Wunde in den Bauchdecken jener des Pansens gerade gegenüber liege, und eben so gross, eher etwas grosser, als letztere sei, weil im umgekehrten Falle leicht ein Theil der im Magen befindlichen Futterstoffe in die Bauchhöhle gelangt. Schon während der Schnittführung drängen sich Futterstoffe und Gase durch die gemachte Oeffnung hervor; lässt das Ausströmen der Gase aus dem Pansen etwas nach, so holt man mit der vorsichtig eingeführten Hand nach und nach etwa den dritten Theil des Inhaltes desselben heraus, wobei man jedoch Zerrungen und Verschiebungen der Wundränder, so wie das Hinabfallen von Futterthcilen in die Bauchhöhle möglichst zu verhüten hat, welcher letztgenannte Nachtheil sehr gut durch Zuhilfenahme eines leinenen Tuches, welches mau so in die Wunde einführt, dass eine Hälfte desselben in dem Pansen sich befindet, die andere Hälfte jedoch im unteren Wundwinkel nach aussen hängt, oder durch Bändchen, welche durch den Pansen durchgezogen werden, vermieden werden soll. Eine vollständige Entleerung des Pansens, in welchen man schliesslich mittelst eines Trichters Arzneistoft'e, die auf die Magenwandungen leicht reizend wirken, eingiessen kann, ist weder nothwendig, noch rathsam.
Glaubt man eine hinreichende Masse von Futterstoffen heraus-
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geholt zu haben, so heftet man sowohl die Wunde des Pansens, als auch jene der Bauchdecken, obschon einzelne Thierärzte, wie z. B. Chabert, das Heften für überflüssig halten, Rib be dagegen die Naht nur dann und auch dann nicht unmittelbar nach der Operation anlegt, wenn die Wundränder stark klaffen, ausserdem aber die Wun­de bloss mit einem entsprechend grossen, mit Terpentinöl oder Brannt­wein befeuchteten Wergbauschen, den er durch eine um den Leib geführte Binde in seiner Lage erhält, und taglich einmal wechselt, bedeckt.
Haubner hat gefunden, dass das Anlegen von Heften nie nütze, und dass die Wunde auch ohne dieses überaus schnell sich verklei­nere und heile.
Zur Anlage der Knopfuaht an der Pansenwuude, an welcher 4 Hefte ausreichen, verwendet man entweder vierfache Seidenfaden oder Darmsaiten; die Enden dieser Fäden schneidet man nach Hertw7ig, welcher durch dieses Verfahren binnen 9 und 11 Tagen Heilung er­zielte, nahe an den Knoten ab, und heftet die äussere Wunde darü­ber sogleich vollständig, wobei man die spätere Entfernung der in­neren Hefte umgeht, oder man dreht nach Dieterichs Angabe die Enden der Faden bloss zusammen, lässt dieselben aus dem unteren Winkel der äusseren Wunde heraushängen, dreht dieselben nach einigen Tagen wieder auf, und zieht sie heraus, was jedoch, nachdem die äussere Wunde durch 3—4 Tage geheftet war, immer nur sehr schwer und nur unter Zerrung der Theile ausführbar ist. Die an der Bauchdeckenwunde angelegte Naht (Knopf- oder Zapfcunaht) wird nach 4—6 Tagen entfernt. Hering hält die Naht mit Bleidrabt aus dem Grunde für die zweckmässigste, weil dieselbe ohne Mühe und ohne Be­unruhigung des Thieres leicht gelockert oder fester angezogen werden kann.
O b i c h, welcher den Pansensohnitt behufs der Herausbeförderung spitziger, in der Haube steckender Ivörper wiederholt vorgenommen hat, bildet in der linken Hungergrube u. z. eine quere Handbreit unterhalb der Querfortsätze der Lendenwirbel eine Querfalte, durch­schneidet diese, und verlängert den Schnitt nach unten auf 6—7 Zoll, durchschneidet hierauf die Muskulatur in gleicher Länge bis zum Bauchfelle, fasst letzteres mit einer Pincette, schneidet es mit der Schee-re ein, schlitzt es in gleicher Ausdehnung mit der Muskelwunde auf, sticht nun das mit dem Rücken nach aufwärts gekehrte Bistouri im oberen Wundwrinkel in den Pansen ein, und macht eine ausreichend grosse Oeffnung, um die Hand bequem ein- und ausführen zu können. Ist dies geschehen, so lässt er durch einen Gehilfen mittelst der im
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oberen und unteren Wund win kel eingebrachten Zeigefinger die Bänder der Pansenwunde auf etwa einen halben Zoll über die Hautwunde aus der Bauchhöhle hervorziehen, um das Einführen der Hand in den Pansen zu erleichtern, und das Hinabfallcn von Futterstoffen in die Bauchhöhle zu verhüten, geht mit der beölten Hand in den Pansen ein, und bringt dieselbe nach vor- und abwärts und endlich nach rechts in die Haubenöffnung. In die Haube selbst gelangt, sucht er die entweder quer in den Wänden der Zellen oder in der Ma­genwand steckenden spitzigen Körper auf und entfernt dieselben. Die Pansenwunde wird durch drei Hefte der Knopfnaht möglichst genau vereiniget, die Enden der Fäden werden gemeinschaftlich zusammen­gebunden und in den unteren Winkel der Bauchwunde gelegt, und schliess-lich, um die Berührung der Pansenwunde mit der Bauch wunde zu erhalten, an den, zum Heften der letzteren benützten Fäden befestiget. Die Naht am Pansen wird nach 5—7 Tagen behutsam entfernt, und die Wunde täglich gereiniget. Die Heilung tritt erst nach mehreren Wochen ein. M e y e r, der aus derselben Veranlassung den Pansenschnitt machte, findet jedoch das Einstossen des Messers und die gleichzei­tige Eröffnung des Pansens und der Bauchhöhle, wobei eine reinere Schnittwunde erzeugt wrird, einfacher und weniger schmerzhaft, als die schichtenweise Durchschneidung der Gebilde. In Betreif des Hef-tens der Wunden geht er nach Her twig's Vorschrift vor, indem ei­der Ansicht ist, dass die nach O b i c h 's Angabe gemachte Naht bei Ver­schiebung des Wanstes, wenn eine solche ja vorkömmt, stets eine Zerrung der Wundränder bedingen muss.
Als unerwünschte Folge des Pansenschnittes beobachtet man mitunter das Zurückbleiben einer Magenfistel.
7. Der Darmstieh.
Als Darmstich bezeichnet man jenes Ope rations ver­fahren, durch welches mittelst eines Troikarts der Darm der Einhufer angestochen wird, um den daselbst in grosser Menge angesammelten Gasen einen Ausweg zu verschaffen, hiedurch die zu starke Ausdehnung des Darmes zu heben, und dem Eintritte der in Folge derselben zu befürchtenden Nachtheile vorzubeugen.
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Geschichte der Operation.
Obzwar schon Vegetius einer Paraoentese bei kolikkranken Pferden als eines sicheren Heilmittels erwähnt, so scheint er doch hiehei den eigentlichen Darmstich nicht im Sinne gehabt zu haben, da er wohl etwa vier Zoll hinter dem Nabel die Bauchwand durch­zustechen räth, vor der Verletzung des Darmes selbst jedoch auf das Nachdrücklichste warnt, da durch eine solche Verwundung das Leben des Thieres gefährdet würde.
Eiem (1775) kannte bereits den Darmstich, da er bemerkt, man solle auch Schweine durch denselben zu retten versuchen, wie man diess bereits bei Pferden mit Nutzen versucht hat.
B ou winghausen (1776) widerrieth die seiner Meinung nach ohne Gefahr ausführbare Operation.
Barrier nahm (1779) diese Operation mit günstigem Erfolge vor und bemerkte zugleich, man solle mit der Ausführung derselben nicht zu lange zögern, wenn sie von Nutzen sein solle.
Nach Huzard sollen sowohl Bourgelat als auch Chabert den Darmstich gemacht haben, u. z. soll Chabert vom Mastdarme aus den durch Gase ausgedehnten Darm mit dem Troikart angestochen haben, indess sind die betreffenden Angaben hierüber nichts weniger als genau.
Herouard machte den Darmstich häufig und angeblich mit sehr günstigem Erfolge; Garcin (1823) vollführte denselben mit einem gekrümmten Zapfspiesse.
Dietcrichs, welcher die Operation bereits in den Jahren 1816 und 1817 zu wiederholten Malen gemacht haben will, glaubt, dass die Function des dicken Gedärmes bei Pferden gewiss nur höchst selten von günstigem Erfolge begleitet sei, und auch Falke (1831) hält sowohl die Operation an und für sich, als auch deren Folgen für gefährlich.
Bernard zu Toulouse, welcher 1834 den Darmstich bei einem an Windkolik leidenden 4jährigen Pferde mit überraschend günstigem Erfolge vornahm, spricht sich mit Bestimmtheit dahin aus, dass er die Meinung jener Thierärzte, welche diese Operation für unnütz und gefährlich erklären, durchaus nicht theile, dass mit der Ausführung derselben jedoch, wenn sie günstige Eesultate liefern solle, durchaus nicht gezögert werden solle, sobald die Anzeige zu ihrer Vornahme zugegen sei.
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Im Granzen genommen geliörte der Darmstich zu den nur selten geübten Operationen, wozu -wohl das allgemeine Vorurthcil, dass Ver­wundungen des Darmes beim Pferde überhaupt zu den äusserst ge­fährlichen Verletzungen zu zählen seien, am meisten beigetragen ha­ben mag; erst später, als H a y n e, welcher vordem gleichfalls den Darmstioh auszuführen sich scheute, im Jahre 1836 das Unrichtige der eben erwähnten Ansicht durch wiederholte Versuche an kranken sowohl, als auch an gesunden Thieren nachwies, und die von ihm erzielten Resultate durch ihn selbst, so wie durch Eckel, Blei-weiss u. And. veröffentlichet wurden, verlor sich die unbegründete Furcht vor den Folgen dieser Operation, welche, vorsichtig angestellt, vollkommen gefahrlos ist, und in einzelnen verzweifelten Fällen, in denen innerlich beigebrachte Mittel wenig fruchten, eine überraschend schnelle Beseitigung der gefahrdrohenden Symptome herbeiführt. Seit dieser Zeit fand und findet auch noch heut zu Tage der Darmstich eine verhältnissmässig häufigere Anwendung, obschon er auch jetzt noch seine Gegner hat. So hält ihn z. B. Heinrich (1863) für zwar nicht absolut tödtlich, aber doch immer für äusserst gefahrvoll.
Besondere, jedoch durchaus unpraktische Instrumente zur Aus­führung des Darmstiches wurden von Brogniez erfunden.
Anzeigen.
Angezeigt ist die Operation in den höchsten Graden der Wind­kolik; in solchen Fällen, die von einer so schnellen und bedeuten­den Entwickelung von Gasen begleitet sind, dass Lebensgefahr ein­tritt. Indessen wird sich wohl Niemand der Täuschung hingeben, alle Thiere, bei denen eine enorme Ausdehnung der Gedärme durch Gase vorhanden ist, durch den Darmstich retten zu können, indem gleich­zeitig andere, durch die Operation nicht zu beseitigende und den Tod des Thieres bedingende quot;Veränderungen vorhanden sein können,
Lagerung des Thieres. Operationssteilc. Instrumente.
Die Operation kann sowohl am stehenden, als auch am lie­genden Thiere gemacht werden; im ersteren Falle kann man das Thier bremsen und einen Vorderfuss aufheben, oder dasselbe gegen eine quot;Wand drängen, im letzteren dagegen dasselbe durch mehrere Ge­hilfen niederhalten lassen. quot;Geworfen darf das an Windkolik leidende
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Pferd der hiebei möglicherweise eintretenden Berstung; des Magens oder des Darmes wegen nicht werden.
Was die Operationsstelle anbelangt, so soll man nach Hert-wig, falls man den Blinddarm zu treffen beabsichtiget, in der weis-sen Linie, u. z. etwa 4—5 Zoll vor, oder eben so weit hinter dem Nabel einstechen; will man dagegen den Grimmdarm treffen, so hat man entweder an beiden Seiten des Leibes u. z. etwa 12—16 Zoll vom Nabel entfernt, unter dem unteren Ende der vier letzten Rippen oder in den Flanken etwa acht Zoll unter dem Darmbeinswinkel (untere Lage des Grimmdarmes), oder 2—4 Zoll hinter dem Sehau-felknorpel des Brustbeines (untere Krümmung) oder in der rechten oberen Flankengegend (obere Lage des Grimmdarmes, und Blindsack des Blinddarmes) den Einstich zu machen.
Da man jedoch wegen der nicht selten abnormen Lage der Ge­därme bei Windkoliken nicht immer zu bestimmen vermag, welches Darmstück angestochen wird, und nicht nur der Grimm- und Blinddarm, sondern auch der Dünndarm getroffen werden kann, in welchem letzterem Falle das Ausströmen von Gasen bald aufhört, so ist es, wie auch bereits Haync angibt, das Sicherste, die Function an jener Stelle der Flankengegend vorzunehmen, an welcher sich die stärkste Auftreibung und Spannung bemerkbar macht, und an der die Percussion die Gegenwart von Gasen nachweiset. Die Wahl dieser Stelle soll ausserdem noch den Vortheil haben, dass die Stichwunde schneller heilt, als an der unteren Bauchseite, indem hier möglicher­weise eine Aussickerung von Darminhalt stattfindet.
Der Darmstich wird stets mittelst eines Troikarts ausgeführt.
Hering, welcher des leichteren Eindringens des Troikarts wegen die Haut an der Operationsstelle früher mit einer Fliete oder Lancette durchsticht, bedient sich zur Function des Darmes eines 3—4 Zoll langen, bloss 1—1 % Linien starken Troikarts, wie man ihn zum Pansenstiche bei Schafen gebraucht, mit nicht gefensterterCanul e, Dieterichs des zum Pansenstiche beim Rinde benütz­ten Troikarts, dessen cylindrische Canule 6—8 Zoll lang, Vg Zoll im Durch­messer weit und am unteren Ende mit mehreren versetzten Seitenöffnungen ver­sehen ist, indess eignet sich, wie H er twig ganz richtig bemerkt, dieses Instru­ment zur Ausführung des Darmstiches desshalb nicht, weil die Darmwunde zu gross ausfällt, und in Folge dieses ITmstandes bei dem Anstechen der unteren oder der seitlichen Darmwand nach herausgezogener Canule Darminhalt aus-fliessen kann. Der Troikart von Hayne ist 8—10 Zoll lang, hat ein mit einer zweischneidigen Spitze versehenes Stilet und eine 1'/,—2 Linien im Durch­messer weite Canule ohne Seitenöffhungen. Der hierorts gebräuchliche Troikart hat ein, mit Inbegriff des l'^ Zoll langen Heftes, 8 Zoll langes, 2'/, Linien brei-
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tea, 1 '/i Linien diekes Stilet mit zweischneidiger Spitze und eine 6'/, Zoll lange, hinter dem vorderen, durch zwei zungenformige Lappen gebildeten Ende mit einem ovalen Fenster versehene Canule.
Der Troikart von Charlier hat bloss die Stärke eines Strohhalmes. Das Enterotom von Brogniez, ans Eisen und Kupfer gefertiget, soll eine galvanische Wirkung auf den ganzen Körper und insbesondere auf den Darm erzeugen ; zugleich ist an demselben eine Vorrichtung angebracht, welche das Abgleiten des Darmes von dem Instrumente verhüten soll. Im Nothfalle kann man den Darmstich auch mit dem zum Pansenstiche beim Rinde bestimmten Troikart ausführen.
Ausführung der Operation.
Je nachdem das Thier liegt oder steht, stellt sich der Operateur entweder hinter den Bücken desselben oder an die Seite, an welcher die Operation ausgeführt werden soll, markirt mit dem Zeigefinger der linken Hand die Einstichsstelle, setzt den in der beim Bruststiche angegebenen Weise erfassten Troikart, dessen Spitze mit Oel oder Pett bestrichen wurde, im rechten Winkel auf die Haut auf, stösst ihn mit einem schnellen und kräftigen Drucke (nach Hayne lang­sam und mit einer leichten Drehbewegung) durch die Bauchwand hindurch auf eine Tiefe von 3—4 Zoll ein, zieht das Stilet heraus. Mit die Canule fest, und lässt die Gase ausströmen. Das zu tiefe Ein­dringen des Instrumentes wird durch den, auf die Canule aufgelegten Zeigefinger der rechten Hand verhütet, obschon selbst, wie Hayne's Versuche ergeben haben, das gleichzeitige Durchstechen eines Darm­rohres an zwei entgegengesetzten Punkten ohne besondere Nachtheile blieb. Die Canule lässt man so lange stecken, so lange Gase entwei­chen, bewegt dieselbe von Zeit zu Zeit vorsichtig hin und her, schiebt sie selbst etwas tiefer hinein oder führt, wenn das Ausströmen der Gase plötzlich unterbrochen würde, behufs der Beseitigung der, in die Canule etwa eingedrungenen Futterreste eine Sonde ein. Ist der Hin­terleib zusammengefallen, und treten Gase durch die Canule nicht weiter her­aus, so entfernt man letztere unter Beobachtung der bereits wiederholt angegebenen Regeln, und überlässt die Wunde sich selbst, oder man be­streicht dieselbe mit etwas Theer, Wagenschmier oder einem ähnlichen Stoffe.Sollte im weiteren Verlaufe die Auftreibung des Hinterleibes neuer­dings überhandnehmen, so kann der Darmstich entweder auf derselben Seite, u. z. etwa einen Zoll ober- oder unterhalb der ersten Einstichs-stelle oder auf der entgegengesetzten Seite wiederholt werden.
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Nachbehandlung und ungünstige Ereignisse.
Eine Nachbehandlung der Stichwunde ist nicht erforder­lich ; die Stelle, an welcher die Trennung des Zusammenhanges am Darme stattgefunden hatte, ist sogar kurze Zeit nach der Operation kaum mehr aufzufinden ; die Wunde der ßauchwand verheilt gleich­falls meist binnen wenigen Tagen von selbst, und nur selten bildet sich an der Einstichsstelle ein kleiner Abscess.
Mitunter geschieht es, dass die Wand dos, der Spitze des Troikarts ausweichenden Darmes nicht durchstochen wurde, und dass in Folge dessen nach dem Entfernen des Stilets ein Aus­strömen von Gasen nicht stattfindet, in welchem Falle die Operation zu wiederholen ist.
Verletzungen grösserer Gefässe, Abscessbildung am Hodensacke u. dgl. als ungünstige Ereignisse während oder nach der Operation mögen wohl zu den grössten Seltenheiten gehören.
8. Der Magenstich.
Diese von Hayne im Jahre 1836 zuerst ausgeführte Operation besteht darin, dass der Magen der Einhufer mit­telst eines Troikarts angestochen wird, um die durch über-mässige Gasentwickelung bedingte starke Ausdehnung des genannten Organes zu be seitigen, und eine Berstung des­selben zu verhüten.
Anzeigen.
Angezeigt soll die Operation, welche übrigens gegenwärtig kaum je ausgeführt werden dürfte, in jenen Fällen von W in dkolik sein, in denen diese bald nach der Fütterung auftritt, häufiges Eecken oder Erbrechen, Strecken des Halses und Kopfes und andere ähnliche Erscheinungen vorhanden sind, und auch bereits der Darmstich frucht­los vorgenommen wurde. Da sich jedoch aus den, am Thiere wahr­nehmbaren Erscheinungen wohl nie selbst nur mit Wahrscheinlichkeit auf das Vorhandensein einer allzustarken Ausdehnung des Magens durch Gase schliessen lässt, somit eine sichere Indication für diese Operation fehlt, so wird dieselbe, trotzdem ihre Ausführung nach
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Hayne's Versuchen mit einer besonderen Gefahr nicht verbunden ist, höchstens als letzter Versuch, das Leben des Thieres zu retten, unternommen werden können.
Operationsstclle. Instrumente. Ausführung der Operation.
Man kann nach Hayne an der linken Seite der Brust in den Zwischenräumen der 3. bis ä. Rippe, von rückwärts gezählt u. z. an dem inneren Rande des linken gemeinschaftlichen liippenmuskels ein­stechen, hat sich jedoch hiebei dem vorderen Rande der folgenden Rippe näher zu halten, um eine Verletzung der Zwischenrippenschlag­ader zu vermeiden.
Der von Hayne bei dem Magenstiche verwendete Troikart ist 10 Zoll lang, gegen 3 Linien breit, plattgedrückt, und hat eine zwei­schneidige Spitze und eine ungefensterte Canule.
Der an der linken Seite des Thieres, dessen linker Vorderfuss aufgehoben wird, stehende Operateur setzt den Troikart an der Opera­tionsstelle so an, dass die Flächen desselben nach vor- und rückwärts gerichtet sind, stösst das Instrument fast in ganzer Länge durch die Brustwand in der Richtung durch, als ob es neben dem rechten Rande des schaufelfdrmigen Knorpels des Brustbeines wieder hervorkommen sollte (also beinahe senkrecht und etwas schief), zieht das Stilet her­aus, lässt die Gase ausströmen, und beseitiget sodann die Canule.
Nachbehandlung und ungünstige Ereignisse.
Verletzungen des Zwerchfelles oder der Lunge kön­nen bei dieser Operation sehr leicht stattfinden.
Die Stichwunde erheischt keine besondere Nachbehandlung.
8. Die Bruchoperationen.
Durch die bei Eingeweidebrüchen eingeleitete Behandlung will
1.nbsp; nbsp;entweder die Vergrös serung desBruches und das Ein-
treten übler Zufälle verhüten, oder
2.nbsp; nbsp;den Bruch heilen, oder
3.nbsp; nbsp;eine vorhandene Einklemmung beseitigen.
Den erstgenannten Erfolg, mit welchem man sich in jenen
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Fällen, in denen der bereits seit län^e'^r Zeit bestehende, eine an­sehnlichere Grosse besitzende Bruch wesentliche Beschwerden nicht veranlasst, wad der bedeutenden Weite des Bruchringes wegen sich auch nicht so leicht einklemmt, so wie bei jungen Thieren, bei wel­chen bei fortschreitender Korperentwickhmg nicht sehr voluminöse Hcrnien sich oft von selbst verlieren, begnügen wird, erzielt man durch Einleitung entsprechender diätetischer Massregeln, wie z. B. durch Verabreichung geringer Mengen leicht verdaulichen Futters, durch Vermeidung übermässigor Anstrengung, ferner durch Anwen­dung adstringirender oder aromatischer Mittel, so wie durch das An­legen der Bruchbänder, obschon diese letzteren bei Thieren aus dem Grunde, weil ihnen mir selten eine hinreichend feste und unverrück­bare Lage gegeben werden kann, ohne dass hiedurch anderweitige Uebelstände veranlasst würden, nur eine ausnahmsweise Benützung finden können.
Um Brüche zur Heilung zu bringen, wendet man ent­weder scharfe oder ätzende Arzneimittel, wie die Canthariden, die concentrirten Mineralsäuren u. dgl. oder das Glüh eisen an, oder schlägt ein operatives Verfahren ein, durcli welches entweder eine blosse Verlegung der Bruchöifnung (Palli ati vc u r), oder eine directe Ver-schliessung derselben (Radical cur) herbeigeführt wird.
Während durch die palliative Behandlung, welche indess in vielen Fällen einzig und allein in Anwendung gebracht werden kann, und häutig auch vollständig ausreichend erscheint, bei dem Um­stände, als die Bruchpforte hiebei in Folge der künstlich hervorge­rufenen Entzündung der zunächst liegenden Gebilde bloss verlegt wird, die Möglichkeit des neuerlichen Entstehens eines Bruches an der früheren Stelle nicht gänzlich behoben wird, kann wohl das R a-dical-Verfahren, bei welchem die Ränder des Bruchringes durch die blutige Naht zu gegenseitiger Verwachsung gebracht werden, zu gründlicher Heilung führen, und vor Recidiven sichern, indess ist dasselbe häufig durchaus unausführbar, stets mit einer nicht unbe­deutenden Gefahr für das Leben des Thieres verbunden, es gelingt verhältnissmässig selten vollkommen, und wird desshalb meist nur dort angewendet, wo andere Heilversuche erfolglos bleiben, oder wo eine bloss auf blutige Weise zu beseitigende Einklemmung besteht, und wo sich somit an und für sich schon die Eröffnung des Bruch­sackes als nothwendig herausstellt.
Bei bestehender Einklemmung wird man, um das vorgela-
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gerte Eingeweide in die Bauchhöhle zurückbringen zu können, in nicht wenigen Fällen das einklemmende Gebilde mittelst schneidender In­strumente trennen, d. h. den Bruchschnitt oder die Hernioto-mie unternehmen müssen, obschon auch durch diese Operation, u. z. vorzugsweise desshalb, weil sie häufig zu spät vorgenommen wird, der tödtliche Ausgang nicht immer abgewendet werden kann.
Die Einleitung eines operativen Verfahrens behufs der Heilung der Hernien hält Her twig in denjenigen Fällen für angezeigt, in denen der Bruch binnen kurzer Zeit an Umfang bedeutend zuge­nommen hat, und desshalb auch eine weitere Vergrösserung noch zu befürchten ist; in denen die Bruchgeschwulst eine häufig und rasch wechselnde Grosse zeigt, und somit die Möglichkeit einer plötzlichen Einklemraung gegeben ist, oder in denen endlich durch die Hernie die Dienstbrauchbarkeit des Thieres wesentlich beeinträchtiget ist; unterlassen soll dagegen die Operation werden, wenn der Bruch seit längerer Zeit ohne merkliche Veränderung seines Volums besteht, wenn derselbe durch Zerreissung der Bauchmuskeln in grossem Um­fange frisch entstanden, und von Bauchfellentzündung begleitet ist, in welchem Falle die ohnediess vorhandene Gefahr für das Leben des Thieres durch den operativen Eingriff nur noch gesteigert würde, und endlich dann, wenn eine Verwachsung der vorgelagerten Eingeweide mit den umliegenden Gebilden stattgefunden hat, indem bei derartigen unbeweglichen Brüchen einestheils weder Vergrösserung, noch Einklem­mung des Bruches zu befürchten, anderstheils aber die Loslösung der angewachsenen Theile nicht nur sehr schwierig auszuführen, sondern auch gefährlich ist.
Bei der Palliativoperation ist es meist, bei der Radi-caloperation stets nothwendig, vor Allem das vorgefallene Organ in seine normale Höhle zurückzubringen, d. h. die Zurückbrin­gung des Bruches, (Taxis, Eeposition) vorzunehmen, welche bald schwieriger, bald leichter auszuführen ist. Häufig reicht es aus, dem Thiere eine derartige Lage zu geben, dass der Bruch wo möglichst hoch zu liegen komme, um das Zurückschlüpfen der Eingeweide in die Bauchhöhle herbeizuführen, in anderen Fällen dagegen wird man erst durch längeres Kneten und Drücken, wobei man stets den, der Bruchpforte zunächst liegenden Theil des Bruchinhaltes zuerst zu re-poniren sucht, zum Ziele gelangen. quot;Wesentlich erleichtert wird die Reposition durch das Aetherisiren der Thiere, indem hierdurch die Wirkung der Bauehpresse aufgehoben wird.
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Geschichtliches.
Obschon mit grösster Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Eingeweidebrüche bei Thieren eben so lange gekannt sind, wie jene bei Menschen, so findet sich dennoch in den ältesten thierärzt-lichen Werken keine Andeutung über irgend ein zur Heilung der­selben einzuleitendes operatives Verfahren.
Jordanus Euffus, welcher im 13. Jalirhunderte lebte, dürfte vielleicht der Erste sein, welcher von der Operation des Hodensaok-bruehes spricht, obschon er das Tebel für meist unheilbar erklärt.
Solleysei (1677) erwähnt eines, von einem Schmiede erfun­denen, für Hodensackbrüche bestimmten Bruchbandes, mit welchem die Thiere ohne Unbequemlichkeit arbeiten können sollen. Er will derartige Brüche mit Umschlägen aus adstringirenden und flüchtig er­regenden Stoffen behandeln, hält jedoch die Castration für das sicherste Mittel.
Robertson (1767) theilt mehrere Fälle durch die blutige Naht glücklich geheilter Nabel- und Bauchbrüche von ungewöhnlicher Grosse mit.
Lafosse (1772) glaubt, dass Schenkelbrüche häufig, andere Hernien dagegen sehr selten vorkommen, und empfiehlt die Anlage der Naht an die Bruchöffnung.
Vitet (1771) beschreibt die blutige Erweiterung des Bruch­ringes und die Anlage der Zapfennaht an demselben bei Hodensack­brüchen, bemerkt aber selbst, dass die Operation sehr schwierig aus­zuführen, und von zweifelhaftem Erfolge ist; er erwähnt der günsti­gen Wirkung des durch mehrere Monate angewendeten Bruchbandes bei frischen Bauchbrüchen, bei welchen indess auch das Heften des Bruchringes als letztes Mittel versucht werden könne.
Wolstein (1784) spricht sich dahin aus, dass Leistenbrüche mit Einklemmung weder durch die Operation, nocli durch irgend ein anderes Mittel heilbar seien, was auch von den an und für sich nicht besonders gefährlichen Bauchbrüchen gelte. Seiner Ansicht nach scha­det bei den Nabelbrüchen, die, bloss bei Füllen vorkommend, immer von selbst verschwinden, die Anwendung von Gurten und Binden mehr, als sie nützt.
Viborg (1802) bezeichnet das Heften des Bruchringes als das beschwerlichste und zugleich gefährlichste Verfahren, bemerkt aber gleichzeitig, dass Abildgaard diese Operation in Spanien an Pfer­den mit Glück habe ausführen sehen, und dass Lund dieselbe gleich­falls vorgenommen habe.
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Schreger (1803) führt als Operalionsmethoden bei Nabelbrü­chen das Abnähen und Abbinden, bei Hodensackbrüchen das Abbin­den des ganzen Hodensackes an.
Pilger (1803) hält Bruchbänder gleichfalls für nutzlos; bei Leisten- und Hodensackbrücheu nimmt er nach dem Verschliessen des Bruchringes durch die Knopfnaht die Castration vor.
Oesterlen (1810) empfiehlt bei dem Ueberwurfe die sogleiche Vornahme des Flankensehnittes, iudess glaubt Anker, welcher seit dem Jahre 181S derlei Brüche, über welche er im J. 1824 eine Mo­nographie veröffentlichte, gleichfalls operirte, dass Oesterlen die­selben aus eigener Erfahrung durchaus nicht kenne, da nicht nur die Krankheitssymptome unrichtig angegeben seien, sondern auch das Ope­rationsverfahren unklar auseinandergesetzt erscheine.
Roupp (1811) operirte einen Inguinalbruch beim Pferde durch Anlegen einer Kluppe auf die Scheidenhaut, welches Verfahren auch von Colin und Delafoy (1826) nach erfolgter Reposition des Bru­ches vom Mastdarme aus mit günstigem Erfolge angewendet wurde.
Greve (1821) hält die Operation grosser, veralteter Hodensack-Darmbrüche bei Pferden wohl für sehr schwierig, indess durchaus nicht für unausführbar und unnütz; eben so wenig stimmt er quot;Wolstein darin bei, dass Plankenbrüche unheilbar seien.
Girard (1827) schrieb eine Abhandlung über Inguinalbrüche, in welcher er zugleich 36 Fälle derartiger Hernien mittheilt.
Renault (1836) operirte zwei Fälle von eingeklemmten Lei­stenbrüchen mit ungünstigem Erfolge; er meint, ob es bei frisch ein­geklemmten Brüchen, bei denen es noch nicht zur Entzündung ge­kommen, und auch nicht viel Darm vorgefallen ist, nicht rathsamer wäre, einen Schnitt durch die obere Planke der Seite, an welcher sich der Bruch befindet, zu machen, und von hier aus die Reposition des Darmes vorzunehmen; dieses Verfahren, von Duttenhofer (1838) ausgeführt, ergab indess ein nichts weniger als günstiges Resultat.
Jessen (1840) nahm (He Operation eingeklemmter Hodensack-Darmbrüche mit sehr viel Glück vor, indem er angibt, von 39 an solchen Hernien leidenden Pferden 28 gerettet zu haben.
Die neueste periodische Literatur über Thierheilkunde enthält gleichfalls eine nicht unbedeutende Anzahl von Fällen, in denen Ein­geweidebrüche theils mit günstigem, theils mit ungünstigem Erfolge nach den bereits bekannten, oder nach neuen Verfahren operirt wur­den, von deren detaillirter Aufzählung jedoch abgesehen werden muss.
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Erwähnt mag noch werden, dass Meyer (1847) eine Darmein­schiebung beim Kinde auf operativem Wege zu beseitigen suchte, in­dem er durch einen, in der rechten Flanke gemachten Einschnitt das betreffende Darmstück hervorholte, es bei der Unmöglichkeit, die Ein-schiebung zu lösen, ganz herausschnitt, von seinem Gekröse abtrennte, und die Darmnaht anlegte. Ein günstiges Resultat erzielte er zwar in dem eben angeführten Falle nicht, jedoch später bei mehreren aus demselben Anlasse operirten Bindern. —
Operation smetho den: A. Bei Nabel-, Banch- und Flankenbrüchen,
1. Die palliati veBehandlung der Nabelbrüche, durch welche man eine Verkürzung der, den Bruchsack bildenden all­gemeinen Decke, eine Verwachsung derselben mit den Bauchmuskeln und in Folge dessen eine Verlegung der Bruehöffnung herbeizufüh­ren bemüht ist, kann mit Eücksichtnahme auf das Alter des Thieres, auf die Grosse, Form, Dauer des Bruches u. s. w. in verschiedener Weise u. z. abgesehen von der Anwendung der Bruchbänder, so wie scharfer oder ätzender Mittel auf dreierlei Art durchgeführt werden, nämlich:
a.nbsp; durch das Abbinden;
b.nbsp; durch das Klammern oder das Anlegen einer so­genannten Bruchklemme,
c.nbsp; nbsp;durch das Abnähen des Bruchsackes.
Sämmtliche eben genannten Verfahren, welche jedoch nur bei beweglichen Brüchen angewendet werden können, gewähren wohl bei dem Umstände, als die sich vordrängenden Eingeweide die Haut neu­erlich auszudehnen im Stande sind, besonders bei einem weiten Bruch­ringe keine vollkommene Sicherheit gegen eine Becidive, wie diess bei der Radicaloperation der Fall ist; indess erzielt man mit densel­ben meist genügende Resultate, und beschränkt sich desshalb auch in der Mehrzahl der Fälle auf Anwendung des gefahrloseren Palliativ­verfahrens.
Die Vorbereitung der Thiere zu Bruchoperationen überhaupt besteht darin, dass man sie durch 2—3 Tage schwä­cher füttert, und ihnen, wenn es thunlich, grössere Gaben der Mit­telsalze verabreicht.
Die Operation wird stets am liegenden Thiere vorgenom-
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men; man gibt demselben im Allgemeinen eine solche Lage, dass die Bruchstelle den höchsten Punkt des Körpers bilde. Bei der Operation der Nabelbrüche z. B. werden die Thiere auf den Rücken gelegt, und die Füsse gerade ausgestreckt gehalten, indem hiebei der Inhalt des Bruches entweder von selbst in die Bauchhöhle zurücktritt, oder wenigstens mit Leichtigkeit zurückgebracht werden kann. Zu letzte­rem Behufe wird die Haut in der Mitte des Bruches erfasst, und mehr oder weniger angespannt, und nun durch einen, in der Richtung des Bruchringes ausgeübten gelinden Druck die Reposition ausgeführt. Nachdem dieselbe vollständig gelungen, schreitet man zur eigent­lichen Operation.
a. Das Abb inden.
Zu diesem bei massig gros sen, an der Basis verenger­ten Brüchen anwendbaren Verfahren benöthiget man je nach der Grosse der Hernie einen stärkereu gewachsten Faden, eine dünnere oder dickere Schnur oder ein mit Wachs oder Theer bestriche­nes Band.
Man ergreift die Mitte des Bruchsackes, zieht denselben mög­lichst stark von der Bauchwand ab, legt die Schlinge thunlichst nahe am Bauche um selben um, und schnürt sie sodann fest zu, worauf man die Enden derselben entweder in einen bleibenden Knoten knüpft, oder eine aufziehbare Schleife macht. Das letztere Verfahren, durch welches bei nicht hinreichend starker Wirkung ein strafferes Anzie­hen der Schlinge in den nächsten Tagen ermöglichet werden soll, em-piiehlt Her twig aus dem Grunde nicht, indem die Schleife der nicht selten bedeutenden und das ganze Band überdeckenden Anschwellung wegen meist schwer zu lösen ist, und hält es für den Fall, als die erste Ligatur nicht ausreichen sollte, für gerathener, am 2. oder 3. Tage abermals eine Schlinge unmittelbar hinter der ersten anzulegen, und diese hinlänglich stark zusammenzuziehen.
Nach Hering soll man die zur Ligatur bestimmte Schnur um den Bruchbeutel mehrmals in der Weise umwickeln, dass man an der entferntesten Stelle anfä ngt, hiebei die Haut allein (ohne den inne­ren Bruchsack) in die Ligatur zu fassen sucht, und die Schnur so­dann nach dem Bauche zu mehrere Male umwickelt, wodurch der Bruchsack die Gestalt eines umgekehrten Pistilles erhält.
Ist der Bruchsack zu gross, als dass eine einzige Ligatur ihn in hinreichend starker Weise zusammenzuschnüren vermöchte, so kann man denselben, nachdem man ihn mit einem doppelten Faden verse-
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lienen Nadel in der Mitte und dicht am Bruche durchstochen hat, in zwei Parthien zusammenschnüren.
Um das Abgleiten der Schlinge, welches indess höchstens bei sehr kleinen Brüchen zu befürchten ist, zu verhindern, stechen einige Thierärzte einen Nagel, einen oder mehrere Drahtstifte u. dgl. in querer Eichtung und nahe am Bauche durch den Bruchsack durch, und legen die Ligatur zwischen diesen Körpern und dem Bauche an; diese Modification ist indess aus dem Grunde verwerüich, indem durch den spitzen Gegenstand eine Verwundung des wieder vorgetre­tenen Darmes stattfinden kann.
Träger zieht die Haut des Bruchsackes durch einen King von entsprechender Grosse, und legt sodann zwischen diesem und der Banchwand die Ligatur an.
b. Das Anlegen einer Bruc hklem m e.
Dieses durchaus nicht empfehlenswerthe und auch wenig ge­bräuchliche Verfahren findet liöolistens bei jenen Brüchen Anwendung, bei denen der X abelring eine zu bedeu­tende Länge, und demzufolge auch der Bruch an seiner Basis eine längliche Form besitzt.
Man benöthiget zu demselben entweder eine gewöhnliche C a-strir- oder Charuierkl uppe, welche etwas länger als der Bruch selbst sein muss, oder eine der eigens zu diesem Zwecke bestimmten Kl a m m e r n.
Diese letzteren sind meist aus Eisen, bestehen aus zwei, mittelst Schrau­ben untereinander in Verbindung zu bringenden Theilen, und sind aü ihrem inneren, auf den Bruchsack zu liegen kommenden Eando entweder bloss durch Feilstriche rauh gemacht, oder mit etwa 7'quot; von einander entfernt stehend-en, in entsprechende Vertiefungen des gegenüberstehenden inneren Randes passen­den Spitzen besetzt, welche letztere Einrichtung das Abgleiten der Klammer, welches man auch durch das Durchstecken eines eisernen Stiftes unterhalb der Kluppe verhüten wollte, unmöglich macht.
Benkert gebraucht bei kleinen Brüchen junger Hunde leichte, etwas gekrümmte, an einem Ende mit einem Charniere, an dem anderen mit einer Schraube versehene Kluppen.
Ist die Reposition geschehen, so faltet man den Bruchsack der Länge nach, legt auf denselben u. z. möglichst nahe am Bauche die Klammer an, drückt sie zusammen, und schliesst sie so fest als thun-lich. Werden gewichtigere Klammern von Eisen benützt, so unterstützt man dieselben, um /errungen der Haut zu verhüten, durch eine
Forster, Operalionslchiv für Tliierärzte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;*v
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Gurto, oder durch Schnüre, welche von den Enden der Kluppe aus­gehend, auf dem Rücken zusammengebunden werden.
Das von einigen Thierärzten unternommene Abschneiden des ausser der Klammer befindlichen Theiles des Bruchsackes ist unnöthig.
B e n k e r t erfasst bei kleinen Brüchen junger Hunde den Bruch­sack mit zwei Fingern oder mit einer kleinen Zange, dreht densel­ben, nachdem das Bauchfell durch den Bruchring zurückgedrängt ist, um seine Achse, und legt sodann die von ihm construirte Kluppe bloss so fest an, dass dieselbe zwar nicht abgleiten kann, aber auch ein zu schnelles Absterben des Bruchsackes nicht herbeiführt. Bei einem zu weiten Bruchringe dagegen zieht er die Haut in gerader Eichtung in die Hohe, sticht eine etwas gebogene, zweischneidige, nicht allzuspitze Nadel unter der Hautfalte ein, und scarificirt mit derselben, nachdem er, wo möglich, das Bauchfell zurückgeschoben hat, die Bänder des Bruchringes, worauf die Anlegung der Kluppe in der vorher erwäbnten A\reise stattfindet.
e. Das Abnähen des Bruchsackes.
Das Abnähen des Bruchsackes findet vorzugsweise bei läng­lichen, grossen Brüchen, bei welchen das Abbinden nicht zu dem erwünschten Ziele führen würde, Anwendung.
Dieses Verfahren wurde in verschiedener Weise modificirt, und demzufolge benützt man hiezu auch verschiedene Geräthschaften. Meist wird, bevor man zur Anlage der Naht selbst schreitet, der leere Bruchsack in eine Zange oder in eine K1 a m m e r gefasst, oder durch eine Metallplatte hindurchgezogen, um einestheils die Palte wäh­rend des Abnähens in derselben Grosse und Eichtung zu erhalten, anderstheils aber das neuerliche Heraustreten der Eingeweide durch den Bruchring und die Möglichkeit einer Verletzung derselben zu verhüten. Zur Naht selbst benöthiget man grosse, gerade Heftna­deln oder die von Kühn angegebene Bruchheftnadel und eine feste Schnur oder einen 4—Stach zusammengelegten Zwirn faden.
Man venvemlet Bruchklo mmen, welche nach beendeter Naht ent-fernt oder solche, die liegen gelassen werden. Die gebränchlichste Klemme, aus Eisen gearbeitet, ist iiiioh der Form des Bruches etwas gebogen, damit sie sieh genauer an die Bauchwand anlege.
Die Bleiplatto von Man got, länglich viereckig und von einer der Weite der Bruchpl'ortc entsprechenden Grosse, hat in der Mitte eine Längen­spalte, welche hinreichend gross sein muss, um die doppolt gefasste Haut des Bruchsackes durch dieselbe durchziehen zu können, und in den vier Ecken je
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ein kleines, rundes Loch, durch welches Schnüre, die über dem Rücken zusam­mengeknüpft, zur Unterstützung der Platte dienen, gezogen werden.
Haubner benutzt bei dem Abnähen gleichfalls eine solche, jedoch bloss aus Blech gearbeitete, gefensterte Platte als die bieza geeigneteste Geräthschaft.
Die ganz gerade, zwei Zoll lange, scliarfspitzige, an der vorderen Hälfte zweischneidige, hinten mit einem knopfförmigen Griflfc versehene Bruch he ft-nadel von Kühn besitzt ein in der Mitte angebrachtes, länglich rundes Oelir. Anstatt dieser Nadel benutzt man häufig gerade, 3—4quot; lange, 1quot;' dicke, mit einer lanzenförmigen Spitze versehene Nadeln.
Das Abnähen des Bruohsackes mit Zuhilfenahme einer Bruch-klemme wird nach Her twig in nachstehender Weise ausgeführt:
Der vollkommen leere Bruchsack wird in eine, über die Mitte der Bruchpforte gehende Längenfalte gelegt, diese dem Bruche so nahe als möglich in die Klammer gefasst, und durch Anziehen der Schraube in derselben festgehalten. Hierauf sticht man die Nadel an der äusseren, gebogenen Fläche der Klammer, 3/4 Zoll von dem einen Ende der Falte entfernt, durch diese hinduroh, führt den Faden um das Ende der Falte parallel mit der Klammer bis zur Einstichsstelle herum, schnürt das gefasste Hautstück, indem man die Fadenenden in eine, mit einem festen Knoten versehene Schlinge vereiniget, hinrei­chend stark zusammen, und schneidet die Enden kurz ab. Sodann führt man die Nadel durch den früheren Stichkanal, durchsticht nun die Falte von demselben etwa 3/4quot; entfernt in entgegengesetzter Eicli-tung, bindet die an der nämlichen Seite der Falte liegenden Enden des Fadens abermals fest zusammen, und schneidet sie ausserhalb des Knotens kurz ab. Das gleiche Verfahren wiederholt man, bis der ganze Bruchsack in einzelnen Farthien abgeschnürt ist.
Auch kann man die sogenannte Seh u sternaht anlegen, indem man an jedes Fadenende eine Nadel anfädelt, sodann beide Nadeln gleichzeitig durch denselben Stichkanal in entgegengesetzter Richtung hindurchführt, und den Faden wohl straff anzieht, indess nicht knüpft. Erst wenn auf diese Weise die Falte in ihrer ganzen Länge abge­näht ist, so schnürt man die zwischen den einzelnen Stichen gele­gene Haut möglichst fest zusammen, und vereiniget die Fadenenden schliesslich zu einem bleibenden Knoten.
Bedient man sieh der Nadel von Kühn, so sticht man die ein­gefädelte Nadel durch, zieht den Faden aus dem Oehr, bringt den andern Faden an seine Stelle, und zieht die Nadel dann zurück.
Auch die Kürschneruaht findet mitunter Anwendung, wobei man von dem, über die angelegte Klemme vorragenden Theile des
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Bruchsackes soviel abschneidet, dass die Naht an den noch etwas vor­stehenden Hauträndern angelegt werden kann.
Benutzt man eine gefensterte Blechplatte, so zieht man den Bruchsack durch die Spalte, und legt dann die Naht in der oben er­wähnten Weise an.
Sowohl bei dem Gebrauche der Bruchklemme, als auch bei jenem der Blechplatto kann man unterhalb derselben einen' Stift hindurch­stecken; soll die Klemme nicht liegen bleiben, so lüftet man sie zu­erst etwas, und entfernt sie nach Ablauf einer Stunde gänzlich.
2. Die d irectc V erschliessung der Bruchöffnung. (B,adicaloperation.)
Dieses Verfahren kann bei dem Umstände, als Einklcmmungen von Nabelbrüchen sehr selten vorkommen, und die Palliativbehandlung in der Mehrzahl der Fälle zu dem erwünschten Ziele führt, nur aus­nahmsweise u. z. bei grossen Nabelbrüchen alter Thiere, bei welchen der Bruchinhalt mit der inneren Fläche des Bruchsackes nicht selten verwachsen ist, ferner dort, wo andere Methoden resultatlos angewendet worden sind, so wie bei bestehender Einklemmung versucht werden.
Indessen ist zu beachten, dass Brüche, welche einen sehr wei­ten Bruchring besitzen, auch durch dieses Verfahren nicht immer be­seitiget werden, da die vollständige Vereinigung der Bänder der Bruch­pforte mitunter auf unüberwindliche Schwierigkeiten stösst.
Die Operation selbst, zu welcher man Scheere, Bistouri, mitunter Pincette, ausserdem gekrümmte quot;W undnadel n und entsxjrechend breite Bände hen, (zur Operation an Hunden einen doppelten Faden) so wie Leinwandcompressen und eine Bauch­binde oder in Ermangelung dieser breite Gurte benöthiget, wird folgendermassen ausgeführt:
Nachdem an der Opcrationsstelle die Haare abgeschoren und die den Bruch bildenden Eingeweide möglichst vollständig zurückgebracht wurden, durchschneidet man die in eine Querfalte gelegte Haut des Bruchsackes in der Längenrichtung der Bruchpforte wo möglich so, dass der Schnitt gerade der Mittellinie der letzteren entspreche. Bei dem Erfassen der Hautfalte sind die Finger, um das Vordrängen der Ein-
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geweide zu verhüten, möglichst nahe un die Bauchwaud anzulegen und in unveränderter Lage zu erhalten.
Ist die Reposition bestehender Verwachsungen wegen unaus­führbar, und zeigt die Geschwulst eine so bedeutende Spannung, duss sich eine hinlänglich hoho Falte nicht bilden lässt, so hebt man ent­weder die Haut auf der Mitte der Geschwulst mittelst einer Pincette in eine kleine Falte, und durchsehneidet dieselbe in der Länge eines halben Zolles vorsichtig, oder man macht den Schnitt ohne vorheri­ger Faltenbildung in gewöhnlicher Weise. Ist dieses geschehen, so verlängert man die Wunde auf dem in dieselbe eingebrachten Finger mittelst des Knopfbistouris in der, der Längenriohtung der Bruch­pforte entsprechenden Linie.
Vorhandene Verwachsungen der Eingeweide mit der inneren Fläche des Bruchsaekes werden, wenn es thunlioh ist, am besten mit dem Finger oder mit dem Messerhefte, im Jfothfalle jedoch auch mit dem Messer, so schonend als möglich gelöset.
Ist ein innerer Bruchsack vorhanden, so wird derselbe in glei­cher Weise, wie der äussere, eröffnet. Wie Hering bemerkt, kann man auch bloss die äussere Haut spalten, dieselbe von dem darunter liegenden Zellgewebe lospräpariren, letzteres, ohne es einzuschneiden, durch die Bruchöffnung in die Bauchhöhle hinein umstülpen, und so­fort die Naht anlegen. Bei dieser, selbstverständlich nur bei freien Brüchen anwendbare Modification dient der innere Theil des Sackes zur Verstopfung der abnormen Oefihung.
Behufs der nun vorzunehmenden Verschliessung der Bruchpforte schreitet der Operateur, nachdem er durch die letztere je nach ihrer Weite einen oder mehrere Finger der linken Hand in die Bauch­höhle eingeführt hat, um die Eingeweide zurückzuhalten und sie vor Verletzungen zu schützen, zur Auffrischung der Bänder des Bruch­ringes, da diese meist mehr weniger stark verdickt sind.
Man trägt hiebei entweder mittelst eines Knopfbistouris, selte­ner mittelst einer Scheere längs des ganzen Bandes einen 1—2 Li­nien breiten Streifen ab, oder macht bloss etwa 1-2 Linien tiefe, eben so weit von einander entfernte, schräge Einschnitte. Hat die Bruchpforte eine rundliche Gestalt, und sind die Bänder zu derb und zu wenig nachgiebig, somit ein genaues Aneinanderlegcn derselben nicht möglich, so schneidet man die den Wundwinkeln entsprechen­den Stellen des Bruchringes auf'/^—3/4 Zoll tief ein, und trägt diese entstandenen Ecken ab.
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Dun Vcrschluss der Brachöffnung solbst sucht man durch An­lage dor Knopf-, selten der Zapfennaht herbeizuführen. Man sticht, nach­dem mau den Wundrand zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand gefasst, und etwas gegen sich gezogen hat, die mit einem breite­ren Bändchen versehene Nadel ganz nahe an einem Winkel der Bruchöff-nuug und dicht neben dem Bauchfelle in die Musculatur ein, und schiebt dieselbe von innen nach aussen so durch die Bauchwand hin­durch, dass ihre Spitze wenigstens 1—1 Vj Zoll vom Wundrandc ent­fernt zum Vorscheine kömmt. Auf dieselbe Weise wird die an dem anderen Ende des Bändchens angefädelte Nadel gehandhabt. Hat man die erforderliche Anzahl der, in einem Abstände von einem Zolle von einander anzubringenden Hefte angelegt, so lässt man durch einen Gehilfen die Bänder der Bruchöffnung in gegenseitige Berührung brin­gen, und knüpft die Enden eines jeden Bändchens in einen Knoten mit einer Schleife.
Auch an dem äusseren Bruchsacke werden sodann mehrere Hefte der Knopfnaht angelegt; hiebei wird es öfter nöthig, vorher einen Theil der sehr stark ausgedehnten Haut mit der Scheero beiderseits abzuschneiden, damit sich diese genau an die Bauchwand anlogen könne.
Schliesslich bedeckt man die Operationsstelle mit einer weichen Leinwandcompresse, legt, um dem Ausreissen der Hefte vorzubeugen, eine um den Leib reichende breite Binde oder einen breiten üurt darüber, und lässt das Thier aufstehen.
3. Der Bruchschnitt oder die Herniotomie.
Lässt sich der Inhalt eines Bruches einer bestehenden Einklemmung wegen nicht zurückbringen, und hat man bereits Eepositionsversuche anderer Art erfolglos angestellt, so erübriget, um das Leben des Thieres möglicherweise zti retten, kein anderes Mittel, als die blutige Erweiterung des Bruchringes oder der Bruchschnitt.
Der zu dieser Operation erforderliche Instrumentenappa­rat besteht aus einer Sehe ere, einer Pincette, einem spitzen oder einem geballten Bistouri nebst einer Hohlsonde zur Eröffnung des Bruchsackes und aus einem Knopfbisto uri zur Erweiterung des Bruchnnges, zu welcher letzteren man sich auch des verbor­genen Bistouris oder des Br tiohm esser s bedienen kann; fer­ner ans den zur Anlegung der Naht notwendigen üeräthschaften.
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Das Bruchmesser oder Herniotom hat eine etwa 6'/, Zoll lange, nur in dem vorderen Dritttheile schneidende, und daselbst nach der Kante ge­bogene, au der Spitze geknöpfte Klinge.
Hat man den Bruchsack auf die bei der Radicaloperation ange­gebene Weise eröffnet, so führt man einen Finger der linken Hand, falls dieses ohne Anwendung grösserer Gewalt ausführbar ist, sonst aber eine Hohlsonde zwischen dem Bruchmhalte und der Bruchpforte in die Bauchhöhle ein, und schneidet nun mittelst des auf dem Fin­ger oder auf der Sonde eingebrachten Knopfbistouris den Rand des Bruchringes von innen nach aussen so tief ein, als erforderlich ist, um die Einklemmung zu heben, und die Beposition der vorgelagerten Eingeweide zu ermöglichen. Enthält die Hernie eine grössere Parthie des Netzes, so reponirt man dieses entweder, oder man schneidet den Theil, wenn er die lleposition erschweren sollte, nach Unterbindung der in demselben vorlaufenden Gefässe ausserhalb der Unterbindungs­stellen hinweg.
Mit der sofortigen in der oben angegebenen Weise auszufüh­renden Heftung des Bruchringes durch die blutige Naht ist die Ope­ration beendet.
Die Behandlung der Bauch- und Flankonbrüchc ist eine verschiedene. Während bei frisch entstandenen Bauchbriichen ein operatives Vorgehen in der Mehrzahl der Fälle unnöthig ist, wird ein solches bei länger bestehenden oder bei solchen Brüchen, welche sich in verhältnissmässig kurzer Zeit bedeutend vergrösserten, so wie bei vorhandener Einklemmung einzig und allein Hilfe zu schaffen ver­mögen.
Die palliative Behandlung besteht auch bei dieser Art von Hernien in dem Abbinden oder in dem Abnähen des Bruchsackes, oder in dem Anlegen einer Klemme, die radieale in dem Heften des Bruchringes. Für diese verschiedenen Verfahren gelten die bei den Nabelbrüchen angegebenen Vorschriften.
L c b 1 a n e hat das Badicalverfahren, welches bei frischen Bauch­brüchen wohl am ehesten Heilung herbeiführen kann, indess immer­hin nichts weniger, als gefahrlos ist, dahin modiiieirt, dass er, um das Eindringen von Luft in die Bauchhöhle zu verhüten, den Bruch-sack uncröfl'net Hess, bei gleichzeitigem Zurückhalten der Eingeweide die Hautfalte sammt den Bauchmuskeln mit einer grossen Nadel durch­stach, und die Zapfennaht anlegte.
Die Eadicaloperation des bei den Hausthieren äusserst selten vorkommenden, nach der Ansicht von Strauss, Günther u. And.
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uiiheilbaren Schenkelbruches wird nach Lafosse an dem, auf den Kücken gelegten Thiere in der Weise vorgenommen, dass mau nach vorheriger Keposition die Haut an der inneren Fläche des Ober­schenkels mit besonderer Berücksichtigung der Schcnkelgelasse durch-schijeidet, sodann das Po upar t'sche Band mit dem dünnen Ein-wartszieher des Schenkelbeines zusammenheftet, und hierauf auch an der Hautwunde die Naht anlegt.
Bei Hündinen enthält der Bruch mitunter eineü Theil des Trag­sackes. Ist derselbe leer, so ist die Behandlung dieselbe, wie bei Barm- und Netzbrüchen; ist dagegen das Thier trächtig, so muss ent­weder behufs der Taxis die Bruchölfnung erweitert werden, welches Verfahren bis etwa zur 7. Woche der Trächtigkeit Anwendung fin­den kann, oder man durchschneidet, wie es bei hochträchtigen Thie-ren angezeigt ist, die Haut auf dem Bruche und die Gebärmutter selbst in der Längenrichtung des Jungen, nimmt dieses heraus, schiebt den Tragsack nach dem Heften der Wunde desselben in den Bauch zurück, und verschliesst zuletzt auch die äussere Wunde mittelst der Naht. (Hertwig.)
Nachbehandlung. Ungünstige Ereignisse.
Das operirte Thier ist in den ersten Tagen nach der Operation so zu stellen, dass das Andrängen der Eingeweide gegen die Bruch­öffnung möglichst gemindert werde; Pferde werden kurz und hoch angebunden, damit sie sich nicht niederlegen können. Man verabreicht nur wenig und weiches Futter, und macht von Mittelsalzen und Kly-, stieren Gebrauch.
Wurde eine Palliativbehundlung eingeleitet, so stösst sich der brandig abgestorbene Bruchsack meist innerhalb 10—14 Tagen ab, wor­auf gewöhnlich rasch Heilung eintritt.
Nach Vornahme der Kadioaloperation verwachsen in günstigem Falle die Ränder des Bruchringes binnen 6—8 Tagen, und nach Ab­lauf dieser Frist können die Hefte entfernt werden.
Als ungünstige Ereignisse, welche bereits während oder erst kürzere oder längere Zeit nach der Operation eintreten können, werden aufgeführt:
1. Verletzungen des Darmes bei dem Lösen bestehender Ver­wachsungen, bei dem Abnähen ohne Anwendung einer Klemme, oder bei dem Durchstecken des Stiftes; Fassen von Darm in die Ligatur oder in die Klemme.
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2.nbsp; nbsp;Schwierigkeit, die Kluppe oder die Ligatur ganz nahe am Bauche anzulegen, wodurch Gelegenheit zu Re-cidiyen gegeben ist.
3.nbsp; nbsp;Abgleiten der Ligatur, Abrcissen der Kluppe.
4.nbsp; nbsp;Abschürfungen am Schlauche durch zu lange Kluppen.
5.nbsp; nbsp;Nicht rechtzeitig erfo Igend c A bs to ss ung des B ruch­sacke s, bedingt durch zu geringe Schnürung der Schlinge, wo­bei eine Wiederholung der Operation nothwendig wird.
6.nbsp; Zu frühes Abfallen des Bruchsaokes in Folge zu hef­tiger Schniirung der Schlinge, in welchem Falle die lladicalope-ration versucht werden muss.
7.nbsp; nbsp;Ausreissen der bei der 11 adicaloperation angeleg­ten Hefte.
8.nbsp; nbsp;Starrkrampf, welcher bei Fohlen nach dem Abnähen und Abbinden beobachtet wurde.
9.nbsp; nbsp;Bauchfellentzündung.
B, Bei leisteu- nml llodcnsackbriiclieu.
Bas operative Yerfahren bei freien Leisten- und Hodensack-brüchen hat entweder bloss die Zu rückbring ung der vorge­fallenen Eingeweide, oder nebstbei die Verlegung oder aber die Verschli essung des Brnchringes zum Zwecke.
1. Die Reposition des Bruches kann entweder auf unblutige Weise u. z. sowohl vom Hoden­sacke, als vom Mastdarme aus, oder auf blutige Weise u. z. nach vorheriger Eröffnung des Hodensackes allein, oder mit gleichzeiti­ger Eröffnung der, den inneren Bruchsack bildenden, gemeinschaft­lichen Scheidenhaut oder von einer, in der Flankengegend gemach­ten Wunde aus unternommen werden. In allen Fällen muss das Thier in die llückenlage gebracht, und das Hintertheii erhöht werden. Um die Reposition von dem unverletzten Hodensacke aus vorzunehmen, erfasst man mit der linken Hand den Hoden jener Seite, an welcher der Bruch besteht, und spannt den Saraenstrang allmälig ganz straff an, schiebt die im Hodensackc vorfindlichen Ein­geweide gegen den Austrittspunkt derselben hin, zieht den Samen-
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sträng nach der ontgegcngesetztcn Soitu, und versucht nun, nachdem mau den Hoden einem üohilfcn zum Halten übergeben, durch einen mit-den Fingern beider Hände abwechselnd ausgeübten Druck den Inhalt des Bruches, u. z. die dem Bruchringe zunächst gelegeueu Parthien zuerst, zurückzubringen. Bei grösseren Thieren kann die Re­position gleichzeitig vom Mastdarme aus angestellt werden, zu welchem Behüte man mit der Hand das am Bauchringe sitzende Harmstück vom Mastdarme aus erfasst, und dasselbe behutsam und ohne Anwendung jedweder Gewalt zurückzuziehen sucht. Ist die Ite-position vollständig gelungeu, wovon man sich durch Einführen des Fingers in den Leistenkanal sowohl, als auch vom liectum aus die Ueberzeugang verschaffen kann, so lässt man das Thier sogleich oder erst nach einigen Minuten aufstehen. Das von einigen Thierärzten empfohlene Niederhalten des Thieres in der Eückonlage durch län­gere Zeit (durch 1lilJi Stunde) hält Her twig für nachtheilig, weil bei den Anstrengungen, welche das Thier macht, um sich aus seiner Lage zu befreien, neuerdings Eingeweide vorgedrängt werden können.
Gelang jedoch die Reposition auf die eben beschriebene quot;Weise nicht, so versucht man dieselbe auf blutigem Wege u. z. indem man entweder denHodensack allein, oder gleichzeitig auch die Scheideuhaut spaltet.
In dem ersteren Falle schneidet man mit vorheriger Faltenbil­dung den Hodensack, wie bei der Castration, in einer Länge von 4-—5 Zoll durch, legt den Bruchsack nach vorn so hoch als möglich frei, und geht nun in der oben angegebenen Art vor; lässt sieh hiedurch der Bruchinhalt noch nicht zurückbringen, so wird auch die Scheidenhaut, indem man mittelst einer Bincettc eine kleine Falte bildet, in der Längenrichtung des Samenstranges vorsichtig durchschnitten, der Schnitt nach dem Bruchringe zu mit dem Knopfbistouri so erweitert, dass man zwei Finger durch denselben einzuführen im Stande ist, und nun der Versuch wiederholt, welcher indess mitunter erst dann ge­lingt, nachdem der Bruchring mittelst des auf dem Finger eingebrach­ten Knopfbistouri nach vorn und aussen an der spannenden Stelle hinreichend eingeschnitten wurde.
Wurde der Hodensack allein gespalten, so heftet man schliess-lich die Wunde einfach durch die Knopfnaht; wurde dagegen die Scheidenhaut getrennt, so nimmt man meist gleichzeitig die Castration vor, um ein sichereres Resultat zu erzielen, indem das Zurücklassendes
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Hodens zu Eitürung und Brand in der Hodeusackhohle Veranlassung geben kann.
Die deposition des Bruches von einer in der Flankenge­gend angelegten Oefiiiung aus ist, bei Pferden wenigstens, aus dem Grunde nicht zu empfehlen, weil die stets beträchtliche Verwundung eine tödtlichc Bauchfellentzündung zu bedingen vermag. Bei Hindern kann dieser Vorgang eher Platz greifen, indem von diesen Thieren Verwundungen des Bauchfelles leichter ertragen werden.
Das Zurückbringen des Bruches auf diese Weise könnte nach Herings Ansicht in jenen Piillen versucht werden, in welchen ein anderes llcpositiousverfahren wegen Abgang der zum Bruohschnitte erforderliehen Instrumente oder wegen zu heftigen Drängens des Thiercs nicht ausführbar ist.
In einem solchen Falle soll man nach Her twig einen 4—S Zoll langen Einschnitt in der Mitte zwischen dem äusseren Darm­beinswinkel und der letzten Hippe schräg von oben und hinten nach unten und vorn machen, durch welchen Haut und Muskel getrennt werden; das Bauchfell wird sodann in dem oberen Wundwinkel durchstochen und nun mittelst des auf dem Finger eingeführten Knopf­messers in gleicher Ausdehnung mit der Muskelwunde eingeschnitten. Behufs der Reposition selbst führt man hierauf durch die gemachte Oeffnung die mit Schleim bestrichene Hand u. z. die rechte, wenn die linke Seite des Thiercs oben liegt, oder umgekehrt, in die Bauch­höhle ein, erfasst das in den Bauchring eingetretene Darmstück, zieht es behutsam aus dcmselhen zurück, und heftet schliesslich die Wunde in bekannter Weise.
In allen Fällen, in welchen man sich mit der blossen Beposi-tion begnügt, wird man eben so wie dort, wo man ausserdem ein weiteres Verfahren einschlug, für Buhe des Thicres, Nichtgestatten des Niederl^gens, eine höhere Stellung des Hintertheiles u. dgi. Sorge zu tragen haben; das Anlegen einer vierköptigen Binde könnte als Unter­stützungsmittel versucht werden.
2. Die Palliativbehandlung der Hodensackbrüche
besteht darin, dass man nach vollständiger Beposition des Bruches eine Ligatur oder eine Kluppe auf die Scheidenhaut und den Samen­strang so hoch als möglich anlegt, um eine Verwachsung beider eben genannter Gebilde herbeizuführen. Obschon dieses Verfahren ein neu­erliches Heraustreten von Eingeweiden nicht in allen Fällen unmög-
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lieh zu machen vermag, so ist es doeh fast das einzig und allein ge-bräuehlichc, da die Radicaloperation d. h. das Heften des Bauchrin­ges an lebenden Thieren stets äusserst schwierig, meistens sogar durchaus unausführbar, und mit bedeutender Gefahr für das Thier verbunden ist, wesshalb dieselbe auch höchstens bei einem sehr be­deutend erweiterten Bauchringe, wo somit von dem Palliativverfah­ren nichts zu hoffen ist, versuchsweise vorgenommen werden dürfte.
Soll die Unterbindung, welche Methode jedoch weniger ge-bräiichlich ist, gemacht werden, so wird der Hodensaok des auf den Kücken gelegten Thieres und, wenn nöthig, auch die Scheidenhaut vor­sichtig eröffnet, die letztere mit dem Crcmaster rund herum bis an den Bauchring von den umgebenden Theilen abgelöset, und nun sammt dem Samenstrange mittelst einer um diese Gebilde u. z. dem Bauch­ringe so nahe als möglich angelegten Ligatur fest zusammengeschnürt, worauf Hodo und Samenstrang etwa einen Zoll ausserhalb der Liga­tur abgeschnitten werden. Schliesslich verkürzt man ein Ende des Bandes bis nahe zu dem gemachten Knoten, während man das zweite zur Hodensackwunde heraushängen lässt.
Das Abbinden des Bruohsackes nach Zurückbringung der Ein­geweide sowohl, als auch des Samenstranges ist nach Hertwig's Ansicht das zweokmässigste Verfahren bei den, bei Wallachen vor­kommenden Leistenbrüchen.
Auch bei Hunden übt man die Unterbindung, indem man nach erfolgter Taxis und nach Eröffnung des Hodensackes um die gemein­schaftliche Scheidenhaut u. z. möglichst nahe am Bauchringe eine Schlinge von etwa 8—12fach neben einander liegenden, platten und mit Wachs bestrichenen Zwirnsfäden legt, und dieselbe fest zusam­menschnürt, worauf man den Samenstrang einen halben Zoll ausser­halb der Unterbindungsstelle quer durchschneidet. Die Schlinge und der abgestorbene Theil des Samenstranges stossen sich binnen 8 Ta­gen durch Eiterung ab, und es erfolgt in der Regel eine feste Yer-schliessung des Bauchringes und Heilung des Bruches. (Hertwig.)
Bei Verwachsungen der Eingeweide unter einander, oder bei einem Netzbruch ist in der bei den Nabelbrüchen angegebenen Weise vorzugehen.
Häufiger wird die Compression mittelst einer Kluppe, welche auf die äussere Fläche der Scheidenhaut und zugleich auf den Samen­strang ebenfalls so hoch oben als möglich angelegt wird, bewirkt. Man verwendet hiezu entweder eine gewöhnliche kurze und starke
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Castrirkluppe ohne Aetzmittel, oder statt dieser eine eiserne Charnierkluppe.
Eine solche, von Schmid angegebene Kluppe besteht aus zwei, 3'/,,quot; langen, 2'quot; dicken, 4quot;' breiten, mit den schmalen Flächen einander zugekehrten, leicht gekrümmten Theilen, welche an einem Ende durch ein Charnier mit einan­der verbunden sind; einen Zoll vor dem anderen Ende findet sich jederseits eine runde Oeffnung, deren eine mit einem Schraubengewinde versehen, die an­dere dagegen weiter ist, als der Durchmesser der Schraube beträgt, da die Kluppe sonst nicht geöffnet werden könnte; durch diese Löcher tritt die, das Schlies-sen der Kluppe bewerkstelligende, 14quot;' lange, 21/2quot;' dicke, mit einem querge­stellten, ovalen Kopfe endigende Schraube in querer Eichtung hindurch. Die Arme sind gleichzeitig so nach anssen geschweift, dass bei geschlossener Kluppe zwischen beiden ein Abstand bleibt, der am Charniere am grössten ist, und da­selbst fast 2'quot; beträgt. Dieser Kaum ist nothwendig, widrigenfalls die Kluppe zu stark quetschen, oder die Theile, welche in der Nähe der Schraube zu we­nig gedrückt werden, abschneiden könnte; ist jedoch der Abstand zwischen beiden Armen ein zu bedeutender, so fällt, der Druck zu schwach aus. Bei dem Gebrauche wird die Kluppe, welche behufs der Vermeidung eines allzustarken Druckes au den Stellen, mit welchen sie an dem Körper anliegt, mit Werg um­wickelt wird, so angebracht, das die Convexität nach oben, die Handhabe der Schraube nach anssen, dass Charnier nach hinten gerichtet ist. Um die ange­legte Kluppe unverrückbar zu erhalten, wendet Schmid nebenbei die vierkö­pfige Binde an.
Uirard empfiehlt eine halbzirkelförraige Kluppe, deren convexer Theil an den Bauchring zu liegen kömmt.
Her twig hält indess diese Kluppen für unzweckmässig, da sie selbst bei dem stärksten Zusammenpressen an den Enden in der Mitte doch zu wenig wirksam sind.
Ist die Scheidenhaut in gleicher Weise, wie zur Unterbindung, blossgelegt, so spannt man. dieselbe sammt dem Samenstrange straff an, legt die Kluppe an, und bindet dieselbe entweder, wie bei der Castration, bloss an den Enden, oder, wie einige Thierärzte empfeh­len, ausserdem auch noch zu jeder Seite des Samenstranges fest zu­sammen, worauf man den Samenstrang ausserhalb der Kluppe durch­schneidet. Die Kluppe wird je nach umständen nach 2—4 Tagen vorsichtig abgenommen.
Nach Strauss soll man, wenn eine Einklemmung nicht vor­handen war, nach Freilegung des Brnchsackes mit einem, zwischen Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand so, dass die Spitze verbor­gen ist, und nur die Schneide etwas vorsteht, gefassten Messer in den äusseren Bauchring eingehen, daselbst die Soheidenhaut mit meh­reren seichten Schnitten ritzen, und sodann die Kluppe an der all­gemeinen Scheidenhaut allein gegen den Bauchring so weit.
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als sich ohne gcwnltsames Zerren thun lässt, in die Höhe streifen. Damit hiebei weder Darm, noch Netz eingeklemmt werden, soll man durch einen Gehilfen die Scheidenhaut straff anspannen lassen, unter seinen Fingern die Kluppe anlegen, und deren Schenkel so weit schlies-sen, dass wohl ein ILinaufschieben der Kluppe bis an den Bauohring stattfinden könne, ein Eindringen von Eingeweiden dagegen des gerin­gen llaumes wegen nicht möglich sei. Ein Anlegen der Kluppe auf die Scheidenhaut und den Samenstrang hält er im Wider­spruche mit anderen Thierärzten aus dem Grunde nicht für rathsam, weil das Pferd wenigstens ein so langes Festhalten des Samenstran­ges in- und ausserhalb des Bauchringes nie ohne schwere Folgen zu ertragen vermöge; er dreht desshalb den Hoden ab, berührt das Ende des Samenstranges ganz leicht mit dem Glüheisen, um einer etwaigen Blutung vorzubeugen, und schieb! denselben sodann mittelst der Kluppe in den Bauchring hinauf.
Ancmpfehlenswerth dürfte bei einem sehr weiten Bauchringe das von Curdt zuerst erwähnte, von Hering in einem Falle mit günstigem Erfolge geübte Ycrfahren sein, bei welchem der Samen­strang saramt dem Hoden einige Male um seine Achse gedreht wird, wodurch es möglich wird, den ganzen Raum unterhalb des Leisten-kanales zu verschliessen, ohne dass die Kluppe ungewöhnlich hoch angelegt werden muss.
Hering •verfuhr in dem erwähnton Falle auf nachstehende Weise: An dem narkotisirten und in die Bückenlage gebrachten Pferde wurde die Taxis mit Leichtigkeit vollführt, der Hodonsack sammt der Dartoshaut ungefähr in einer Länge von 4quot; durchschnitten, die ge-raeinsehaftliche Scheidenhaut blossgclegt, und der Hode sowohl, als der Samenstrang innerhalb der Scheidenhaut bis nahe an den Bauch­ring theils durch Zerroissen des Zellgewebes, theils mit dem Messer frei gemacht; hierauf wurde, nachdem man sich vom Mastdarme aus überzeugt hatte, dass die Beposition vollständig stattgefunden habe, der Samenstrang von innen nach aussen zweimal um seine Achse ge­dreht, sofort eine gekrümmte, innen bloss mit Teig gefüllte Kluppe angelegt, beide Enden derselben so fest als möglich zusammengebun­den, die Fäden jedoch so lang gelassen, dass sie mit einer Wundna­del sowohl im vorderen, als auch im hinteren Wundwinkel an die Haut befestiget werden konnten, um ein Zurückdrehen des Samen­stranges zu verhindern ; nach Befestigung der Kluppe wurde die, den Hoden bedeckende Scheidenhaut vorsichtig geöffnet, und der Hode sammt der überflüssigen Scheidcnhaut einen halben Zoll unterhalb
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der Kluppe abgeschnitten. Die Kluppe selbst blieb, um eine Verkle­bung des Samenstranges mit der inneren Fläche der gemeinschaftlichen Scheidenhaut herbeizuführen, bis zum 4- Tage liegen. Binnen 17 Ta­gen war die Heilung beendet.
Wesentlich verschieden von den bisher beschriebenen Verfahren ist die von Dieterichs angegebene, und bei solchen Brüchen, bei welchen der Weite des Bauchringes wegen ein neuerliches Vorfallen der Eingeweide entweder zu befürchten ist, oder bei denen dieses bereits stattgefunden hat, empfohlene Methode, bei welcher die K luppe auf den Samenstrang allein angelegt wird.
Zu derselben benöthlget man einen etwa 2quot; im Durchmesser hallenden, an einer Seite convexen. an der anderen leicht coneavon Hadschwamm, in dessen Mitte eine etwa einen Zoll weite Oeffnung, zu deren beiden Seiten ein, einen Schuh langer Bindfaden befestiget ist, angebracht wird, so wie eine ge­wöhnliche Castrirkluppe ohne Aetznüttel.
Bei diesem Verfahren, welches indess u. z. vorzugsweise bei der von Dieterichs erwähnten Beschaffenheit des Bauchringes von mehreren Thierärzten für unzweckmässig erklärt wird, indem das Wie­dervortreten der Eingeweide durch den eingeführten Schwamm, wel­cher bei Bewegung des Thiercs leicht seine Lage ändert und neben­bei auch als fremder Körper reizt, nicht verhütet weiden kann, wird der Samenstrang mit einer Schnur recht fest unterbunden, der Kode abgeschnitten, und der Stumpf nun durch die in der Mitte des mit seiner convexen Fläche gegen den Bauchring gekehrt eingeführten Schwammes angebrachte Oeffnung hindurchgezogen, der Schwamm so hoch als-möglich gegen den Bauchring hinauf geschoben, und nun die Kluppe unmittelbar unter dem ersteren angelegt.
Am 2. Tage nach der Operation wird die Kluppe abgenommen, der Schwamm selbst jedoch erst am 4. Tage an den aus der Wunde heraushängenden Fäden vorsichtig und unter gleichzeitigem Zurück­schieben dos Samenstranges nach und nach hervorgezogen.
Bei Inguinalbrüchen bei Wallachen hat mau nach der vom Mast­darme aus vorgenommenen lieposition auf den uneröftneten Hodensack eine eiserne Kluppe angelegt, und diese längere Zeit (S h o r t o n z. B. durch 16 Tage) liegen gelassen.
3. Die Radica loper ation, durch welche man durch Anlegen der Naht eine dauernde Vcrschlies-sung des Leistenringes zu erzielen sucht, ist, wie schon früher erwähnt wurde, nicht nur viel schwieriger, als die Palliativoperation auszu­führen, sondern auch von unsicherem Erfolge, wesshalb H e r t w i g
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die Yornahme derselben nur in jenen Fällen für angezeigt Mit, wo wegen Einklemmung eine künstliche Erweite­rung des Bauchringes mit dem Messer stattfinden musste, wo man einerseits die Aufgabe hat, diese Erweiterung zu beseitigen, and wo anderseits bei frischer Trennung die Möglichkeit einer schnellen Vereinigung der AVundränder gegeben ist.
Nach Her twig's Vorschrift eröffnet man bei einem freien Bruche nach geschehener Eeposition den in eine Querfalte gelegten Hodensack durch einen Längenschnitt, welchen man auf den, in die Wunde eingeführten Fingern nach vorne zu so weit verlängert, dass man mit den letzteren den Bauchring fühlt. Nachdem man hierauf die Scheidenhaut auf dem Hoden und bis über denselben hinauf etwa bis zur Hälfte des Samenstranges durchschnitten hat, sucht man die an ihrer eigenthümlichen Derbheit und an der Pulsation leicht er­kennbare innere Samenarterie auf, legt sie, dem Bauchringe mögliehst nahe, frei, unterbindet sie, schneidet nun den Samenstrang ausserhalb der Unterbindungästclle gänzlich durch, und schiebt den Stumpf, nach­dem man sich überzeugt hat, dass derselbe nicht blute, durch den Leistenring in die Bauchhöhle vollständig zurück. Nun heftet man mit einer kurzen, stark gekrümmten Wundnadel, welche von innen nach aussen durchgestochen wird, die Bänder des Bauchringes so, dass die in Abständen von etwa einem halben Zolle von einander angebrach­ten Hefte an der Aussenfläche der Bruchwand möglichst viel Sub­stanz erhalten, damit sie nicht ausreissen; die Fadenenden werden kurz abgeschnitten.
Bei diesem Yerfahren kann man nach H e r t w i g' s Ansicht eben­so wie bei der Palliativoperation, wenn dem Eigenthümer an der Er­haltung beider Hoden des Thieres viel gelegen ist, nach der Zurück­bringung der (iedärme den Hoden durch den Bauchring in die Bauch­höhle zurückzudrängen versuchen, wozu jedoch mitunter eine Erwei­terung der Oetthung erforderlich ist.
Bei einem unbeweglichen Bruche wird die Eröffnung des Hodensackes unter Beachtung der bei der Reposition der Hodensack­brüche angegebenen Vorschriften zu geschehen haben.
Del wart suchte die Heilung in der Weise herbeizuführen, dass er eiserne, 4quot; lauge, mit einer scharf schneidenden, gekrümmten Spitze versehene, hünerfederdicke Stifte durch die Ränder des Bauch­ringes durchstiess, und um dieselben eine starke Schlinge in Form eines Achters anbrachte; trotzdem die Stifte ausrissen, trat Vquot;erwach­sung des Bauchringes ein.
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4. Bei eingeklemmten Brüchen schreitet man, wenn die Reposition auf eine andere Weise nicht ge­lingt, zu der blutigen Erweiterung des Bauchringes, mit deren Ausführung man nie zu lange zögern darf, da dieselbe bei be­reits eingetretenem Brande des eingeklemmten Darmstückes erfolg­los bleibt.
Von grossem Vortheile ist es, das zu operirende Thier zu nar-cotisiren, um das Drängen desselben und das hiebei zu befürchtende Austreten einer grösseren Masse von Eingeweiden zu verhüten.
Das Thier wird behutsam niedergelegt, in die Rückenlage ge­bracht, und das Hintertheil durch untergeschobenes Stroh erhöht. Der Hinterfuss der kranken Seite kann ausgebunden, und von Gehilfen gehalten, oder nach vorwärts und seitlich an einer Säule u. dgl. be­festiget werden.
Hierauf durchschneidet man vorsichtig die Haut und die Tu­nica Dartos, streift beide so hoch als möglich gegen den Bauchring hinauf, eröffnet nun entweder, wie Hering angibt, die allgemeine Scheidenhaut am äusseren Rande mittelst eines kleinen Schnittes, durch welchen man mit dem Hcruiotom eingeht, dieses aa dem ein­geklemmten Dannstücke vorüber in den Bauchring hiuaufschiebt, und nun die obere Mündung des Leistenkanales nach aus sen einschnei­det, worauf man mit den in die Scheidenhaut gebrachten Fingern bei gleichzeitigem Anziehen des Hodens den Darm in die Bauchhöhle zurückzuschieben sucht, welche Manipulation auch vom Mastdarm aus unterstützt werden kann, oder man bemüht sich, mit der, mit dem Nagel gegen die eingeschnürten Eingeweide gekehrten Spitze des Fingers in den Bauchring wenigstens so weit vorzudringen, dass der vordere Rand desselben einige Linien breit über die Fingerspitze hervorragt, und schneidet nun mit dem auf dem Finger selbst einge­führten Herniotome, mit einem Knopf- oder verborgenen Bistouri, um eine Verletzung von Zweigen der Bauchdecken- und der äusseren Sa­menarterie zu vermeiden, den vorderen Rand des Bauchringes nach dem äusseren Winkel zu auf 1—2 Linien tief ein, worauf mau die Reposition unternimmt, und schliesslich, wie bei der Palliativbe­handlung eine Kluppe anlegt, oder den Bauchring heftet.
Nach Günther genügt es, bei Einklemmung von Hodensack­darmbrüchen den inneren Bauchring u. z. die seröse Haut allein zu spalten, da die Scheidonhaut unter diesen Umständen bedeutend wei­ter, als die Oeifnung des Bauchringes ist. Günther hat diese Ope­ration schon seit Jahren mit dem besten Erfolge, früher mit dem
Forster. Opcrationslehro für Thierärzto.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; £4
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Kuopfbistouri, später mittelst eines besonderen Instrumentes subcu-tan gemacht, bei welchem Verfahren die Thiere nicht immer castrirt werden müssen. Beim Spalten des Bauchringes wird der Schnitt nach vorn und etwas nach aus sen geführt, um die Samenarterie und das zurückführende Samengefäss, so wie auch die Bauchdeckenarterie, die einen halben, einen bis zwei Zoll neben seinem inneren Rande nach vorne verläuft, sicher zu vermeiden.
Um die Reposition eines eingeklemmten Leisten-Darmbruehes zu ermöglichen, soll man nach Patey in die blossgelegte Scheidenhaut eine kleine Oeifnung machen, durch diese eine Aullösung von Bella­donna- oder von wässerigem Opium-Extract (für Pferde Va—1 Quent­chen auf 4—8 Loth eines milden Oeles) oder eine Abkochung von schleimigen Mitteln und Mohnköpfen lauwarm eingiessen, und nun durch sanftes Drücken und Kneten den Darm in die Bauchhöhle zu­rückzubringen suchen, was bei einiger Geduld auch gelingen soll, wor­auf man auf die Scheidenhaut und auf den Samenstrang eine gekrümmte Kluppe so hoch als möglich anlegt.
Nachbehandlung und ungünstige Ereignisse.
Die Nachbehandlung ist nach den allgemeinen Regeln einzuleiten.
Ungünstige Ereignisse, welche eintreten können, sind: Verletzungen des Darmes, neuerliches Vortreten von Eingeweiden, Verwundungen der oben genannten Gefässe beim Bruchschnittc, endlich Bauchfellentzündung.
C. Bei dem inneren BancMellbrnche oder dem Üebenrurfe, Die Beseitigung dieser, wie bekannt, nur bei Ochsen, und zwar vorzugsweise rechterseits vorkommenden Lageveränderung ist auf unblutige und auf blutige Art möglich.
Durch das erstgenannte Verfahren bezweckt man entweder bloss die einfache Beposition des eingeschnürten Darmstü­ckes, oder man versucht gleichzeitig denUeberrest des Samen­stranges innerhalb des Beckens abzureissen, um einer Recidive vorzubeugen.
In dem ersteren Falle lässt man das Thier mit dem Vorder-theile recht niedrig stellen; sodann geht der Operateur, je nachdem der Bruch rechts oder links ist, mit der Hand der entgegengesetzten Seite in den Mastdarm ein, und sucht den Ueberwurf ganz sanft nach oben und vorn über den Samenstrang zurück, d. h. vorwärts nach der
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Eauchhöble zu drücken, welche Manipulation durch einen von einem Gehilfen auf die Lenden des Thieres ausgeübten Druck wesentlich er­leichtert wird. Dass die Reposition gelungen sei, erkennt man eines-theils aus dem Umstände, dass das Darmstück an der früheren Stelle nicht mehr zu finden ist, anderstheils aus dem Eintreten eines leb­haften Polterns im Leibe und aus dem bald erfolgenden Abgange von Excrementen.
Dieses von Rychner angegebene Verfahren, welches als eine Palliativoperation gleichfalls vor Recidiven nicht schützt, da die Mög­lichkeit einer neuerlichen Einklemmung in der noch vorhandenen Spalte fortbesteht, ist überhaupt nur dort mit Erfolg ausführbar, wo der Darm durch den Riss in der Bauchfellfalte nur vorgefallen ist, und das Leiden erst seit ganz kurzer Zeit besteht. In jenen Fällen dagegen, in denen sich der Darm um den Samenstrang gewickelt hat, und dessen freiliegendes Ende eingeschnürt ist (bei dem sog. T e r s c h n ü r e n), so wie dort, wo bereits Yerklebuug durch adhä-sive Entzündung stattgefunden hat, reicht man mit demselben nicht aus, sondern wird das sog. Aufschnüren, d. h. das Abreissen des S ame n s tr angrest es, mit welchem man indess auch nicht immer zu dem erwünschten Ziele gelangt, oder das Durchschnei­den desselben vornehmen müssen.
Der Vorgang bei dem Abreissen des Sa men st rang-Ru­dimentes vom Mastdarme aus wird von den Thierärzten nicht immer in gleicher Weise angegeben. So geht man z. B. nach M e t z-ger's und Eisele's Vorschrift mit der Hand in das Rectum ein, führt dieselbe in der Tiefe des Beckens etwas von rechts nach links, woselbst man den Samcnstrang fühlt, welchen man nun, nachdem man denselben auf den Zeigefinger gebracht hat, durch eine ruckweise nach vorwärts ausgeführte Bewegung spannt, bis er sich lostrennt.
'Such Gier er bewirkt man die Zerreissung mittelst des, gegen den Samenstrang von hinten fest angesetzten Daumens, nach Schenk durch starkes Ziehen des Samenstranges nach hinten, nachdem man ihn durch die Hand gleichsam umgangen ist.
Das Abreissen vom Mastdärme aus wird nach F e s e r ' s Ansicht indess häufig unausführbar, indem die erweiterte Mastdarmwand so krampfhaft gespannt ist, dass schon die blosse Constatirung des Bru­ches sehr schwierig wird, und nützt bei dem Bestehen einer festeren Verklebnng der Gebilde untereinander nichts, da jedwede Anwendung einer bedeutenderen Gewalt der leichten Verletzbarkeit des Darmes wegen unterlassen werden muss.
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Gelingt die Eeposition oder das Abreissen auf unblutigem Wege nicht, so Tersucht man die Beseitigung des Leidens auf blutigem quot;Wege, u. z. nach vorherigem Bauchschnitte oder durch die Mastdarm wand.
Die erstgenannte, von Anker angegebene Operationsmethode ist weder schwer ausführbar, noch gefahrlich; siebringt radicale Hilfe, da die Möglichkeit einer Eeoidive beseitiget wird; sie findet bei Ver­wachsung der übergefallenen Gedärme, bei Umschlingungen derselben und bei gleichzeitiger Invagination Anwendung, bei welchen Zustän­den sie häufig das einzig und allein Erfolg versprechende Mittel ist.
An Instrumenten benöthiget man hiezu : Eine S c h e e r e, ein starkes Bistouri oder ein Scalpell, eine Pincette, das Uebe rw ur fmes ser (oder statt desselben ein geknöpftes, coneav-schneidiges Bistouri), Wundnadeln und Faden, Compressen und einen Bauchgurt.
Das Ueb erwurfmes s er von Anker ist ein hakenförmiges, an der Spitze mit einem Knopfe versehenes Messer, welche; im Ganzen gegen 5quot; lang ist. Die Hälfte dieser Länge entfällt auf das 5'quot; starke, runde oder kantige Heft, in welchem der cylindrische, 2'quot; starke, vorne an Dicke etwas abnehmende, 20'quot; lange Stab festgemacht ist, welcher in eine flache, halbzirkelförmige, am coneaven JRande schneidende, in der Mitte 3'quot; breite, am Rücken Vquot; dicke Klinge übergeht, welche einen Bogen von 8'quot; Oeffnung bildet, an der Spitze etwas schmäler, und mit einem fast 2'quot; starken Knöpfchen versehen ist.
Die Operation selbst wird folgendermassen ausgeführt: Nachdem man das Thior, mit der gesunden Seite an die Wand gestellt, in entsprechender Weise befestiget hat, scheert man auf der Mitte der nach aussen gekehrten Elanke die Haare ab, und durch­schneidet die Haut in einer Länge von 4—6 Zoll in etwas schiefer Eichtung von oben und hinten nach unten und vorn nach vorheriger Bildung einer Falte oder bei hlosser Anspannung derselben; hierauf trennt man die Bauchmuskeln mit einem gleichen Schnitte, der jedoch an den äusseren schiefen Bauchmuskel nicht quer durch dessen Fa­sern, sondern der Eichtung derselben entlang zu gehen hat. Nun er­öffnet man das Bauchfell, welches man im oberen Wundwinkel mit­telst der Pincette in eine kleine Falte emporhebt, vorsichtig, und er­weitert die Wunde mittelst des auf dem Finger eingeführten Knopf­bistouri in erforderlicher Ausdehnung. Sodann führt man die rechte oder die linke, mit frischem Oele oder Fette oder mit Schleim be­strichene Hand, je nachdem der Bruch auf der rechten oder auf der linken Seite ist, durch die Wunde in die Bauchhöhle ein, sucht, in­dem man nöthigenfalls früher das Netz zerreist, die Samengefässe auf.
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und gleitet an denselben abwärts bis zu der Umschlingiing. Nun zieht man die Hand zurück, erfasst das Ueberwurfmessor so, dass die Klinge von dem Daumen und Zeigefinger vollständig bedeckt ist, geht mit der Hand abermals bis zur Umschlingung ein, und durchschneidet den Samenstrang wo möglich unterhalb derselben, worauf man das Darmstück in seine richtige Lage bringt. Stets hat man sein Augen­merk darauf zu richten, dass das Eindringen der Luft in die Bauch­höhle mögliehst beschränkt bleibe. Schliesslich heftet man die Wunde mit der Knopfhaht, bestreicht diese mit etwas reinem Schweinefett, legt darüber eine Compresse, und befestiget dieselbe mittelst des Gurtes oder mittelst starker, um den Leib geführter Tücher. Der Verband wird nach 24 Stunden entfernt, das Thier massig gefüttert und anti-phlogistisch behandelt.
Um die üblen Folgen des Flankenschnittes zu vermeiden, voll­führt Kreisthierarzt Schmidt die Durchschneidung des Samenstran­ges vom Mastdarme aus auf folgende Weise:
Ist erwiesen, auf welcher Seite der Ueberwurf stattgefunden hat, so geht er mit dem Arme der entgegengesetzten Seite in den Mastdarm ein, bildet mit dem Daumen und Zeigefinger über dem Samenstrangreste, welcher sich wie eine gespannle Saite anfühlt, eine ähnliche Falte im Mastdarme, wie bei der Castration der Kühe durch die Scheide, durchstösst die Mastdarmwand mit einem troieartähnlichen Instrumente, dessen Hülse er stecken lässt, während er das Stilet entfernt. Die abschraubbare Spitze des Stilets wird nun durch ein, einem Knopfbistouri ähnliches Messer ersetzt, dieses durch die Hülse eingeführt, an den Samenstrangrest angelegt, und dieser letztere nun während des Zurückziehens des Messers zerschnitten.
10. Operationen an dem Mastdarme und am After.
Abnorme Zustände der genannten Theilo, welche zu ihrer Be­seitigung mitunter operative Eingriffe erheischen, sind: der Mast­darmvorfall, das Fehlen des Afters und die Mastdarm­fistel.
A. Die Operation des MastdamiTorfalles.
Die bei Mastdarmvorfällen gebräuchlichen operativen Eingriffe bezwecken entweder die Zurückbringung und Zurückerhal-
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t u n g des vorgefallenen oder umgestülpten Darmstückes, oder, wenn dieses nicht gelingen sollte, die Abtragung desselben.
Geschieh tliches.
Saeh Ercolani war den griechischen Autoren sowohl, als auch Yegetius der Mastdarmvorfall wohl bekannt, indess hielten dieselben die Operation der Blutung wegen für gefährlich, und be­schränkten sich auf die Anwendung des Glüheisens.
Yitet empfiehlt bei starker Entzündung, so wie bei Brand das Abschneiden der vorgefallenen Parthie; Viborg (1cS()6) spricht sich dahin aus, dass, wenn der Darm bereits schwarz und brandig ist, die llettung des Thieres zweifelhaft wird. Das einzige, in einem sol­chen Falle zu versuchende Mittel besieht seiner Ansieht nach darin, dass man eine Röhre in den umgestülpten Darm einführt, und diesen sodann so weit herauszieht, dass man eine Schlinge an der gesunden Parthie desselben anzulegen vermag, um den prolabirten Theil ab­fallen zu machen. Verbände hält Viborg für ungeeignet.
Gelle' (1828) nahm Scarificationen, Lacoste (1841) die Ab­tragung der intiltrirten Sehleimhautparthie vor; Maurer (1847) schnitt bei Schweinen das vorgefallene Stück ohne Xachtheil einfach weg; Haubner (I849j besehrieb den Mastdarmvorfall und dessen Behandlung ausführlicher.
Operationsverf a hren.
Das einzuschlagende Verfahren wird je nach der Art und Dauer des Vorfalles verschieden sein müssen.
Bei einem unvollkommenen Vorfalle, d. h. bei einem sol­chen, bei welchem bloss die Schleimhaut nach aussen umgestülpt ist, und gleichsam einen Wulst um den After bildet, wird, wenn eine erhebliche Infiltration nicht zugegen ist, ein entsprechendes diäteti­sches Verhalten, verbunden mit dem, im Tage mehrmal wiederholten Bestreichen des Vorfalles mit einem milden Fette oder mit Schleim meist zu dem erwünschten Ziele führen; sollte dieses jedoch nicht der Fall sein, so ist es nach Haubner's Erfahrungen am vortheil-haftesten, das von Dupuytren an Menschen geübte Verfahren ein­zuschlagen, und um die AfteröfFnung herum, je nach der Grosse des Thieres 2—4—(i Schleimhautfalten, welche etwa 3—S Linien lang, an ihrer Basis, d. h. am Afterrande 2-3 Linien breit sind, nach
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innen zu aber spitzig auslaufen, herauszuschneiden, indem man jede derselben mit einer Pincette erfasst, emporhebt, und am Gründe mit einer Scheere abträgt, worauf man die Schnittliäühü mit einem roth­warmen Eisen leicht berührt. Durch dieses Verfahren erzielt man eine Verkleinerung der AfteröfFnung, und in Folge dessen Heilung des Leidens.
Ist dagegen eine starke Infiltration vorhanden, erscheint die Geschwulst dunkelgeröthet, so leisten bis an die Muskelhaut reichende Scarificationen der Schleimhaut gute Dienste. Hat man die quot;Wunden gehörig ausbluten lassen, und ist die seröse Flüssigkeit entleert, so bringt man den Vorfall zurück, und legt, wie es II a u b n e r mit sehr gutem Erfolge gethan, zu wiederholten Malen ein kleines Stückchen Eis in den Mastdarm ein.
Zeigen sich jedoch an einzelnen Stellen der Schleimhaut bereits Brandschorfe, so trägt man die Schleimhaut in erforderlichem Umfange ab, und reponirt den Eest.
Bei einem vollkommenen Vorfalle, bei welchem ein kürze­rer oder längerer Theil des Mastdarmes durch den After hervorgetre­ten ist, wird man vor Allem die Eeposition zu bewerkstelligen suchen. Man gibt zu diesem Zwecke dem Thiere eine derartige Stellung oder Lagerung, dass das Hintertheil erhöht ist, reiniget den Darm mit lauwarmem quot;Wasser oder mit einer schleimigen Flüssigkeit, setzt die Fingerspitzen an das äusserste Ende des vorgefallenen Darmes, und drückt ihn vorsichtig nach und nach vollständig zurück; selbstver­ständlich muss auch hier die zuletzt hervorgetretene Parthie zuerst reponirt werden. Im Falle, als das Thier stark drängen sollte, was sich wohl am besten durch das Aetherisiren verhüten lässt, muss man mit den Repositionsversuchen innehalten, widrigenfalls eine Zerreis-sung des Darmes veranlasst werden könnte.
Auch bei dieser Art des Vorfalles wird man bei sehr starker Anschwellung früher Scarificationen machen müssen, um die Zurück­bringung veranlassen zu können.
Um das reponirte Eingeweide zurückzuhalten, werden ver­schiedene Mittel empfohlen. Hieher gehören z. B. mannigfache Arten von Bandagen, welche vielleicht bei grösseren Thieren irgend welchen Nutzen gewähren, bei kleinen Thieren, besonders aber bei Schweinen offenbar ungeeignet sind; hieher rechnet man das Einführen eines, mit Leinwand umwickelten, mit einem Querstücke verseheneu und an einer Bandage befestigten hölzernen Zapfens in den Mastdarm, ein durchaus verwerfliches Verfahren, ferner das Einbringen eines, je nach
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der Grosse des Thieres; 3—6 Zoll langen, an dem vorderen Ende zugebundenen Darmstüukes, welches, nachdem es an Ort und Stelle gebracht ist, mittelst eines Rohres aufgeblasen, und sodann, am hin­teren Ende gleichfalls zugebunden, durch 1—2 Stunden liegen gelas­sen wird. Unter den, zu demselben Zwecke vorzunehmenden operati­ven Verfahren sind es besonders zwei, welche zu empfehlen sind, nämlich das bereits oben erwähnte Ausschneiden einiger Schleim li au tf alt cu und das Anlegen einer Knopfnaht, wobei man nach Haubner, welcher durch dieses Mittel in vielen Fällen, namentlich bei Schweinen, zu erwünschtem Resultate gelangte, bei der genannten Thiergattung folgendermaassen vorzugehen hat.
Ist der Mastdarm mit dem Finger oder durch Klysticre ausge­räumt, so sticht man die Jfadel, in welche man ein Fadenbändchen eingefädelt, in entsprechender (möglichst breiter) Entfernung vom Af­ter auf einer Seite ein, und am Rande des Afters, ohne die Schleim­haut durchzustechen, wieder aus, geht sodann am entgegengesetzten Rande des Afters ein und lässt die Spilze der Nadel in entsprechen­der Breite von diesem entfernt wieder heraustreten; es wird bloss die äussere Haut des Afters durchstochen, die Schleimhaut selbst bleibt unverletzt; beide Fadenenden werden nur lose zu einer leicht auflös­baren Schleife vereiniget. Die Thiere erhalten nun in den nächsten 24 Stunden gar nichts zu fressen; so oft man bemerkt, dass sich im Mastdarme Excremente angesammelt haben, und in Folge dessen eine Spannung des Fadenbändchens eintritt, so löset man die JSchlinge, knüpft jedoch nach Entfernung des Kotlies die Enden neuerdings. Nach 24—36 Stunden kann man nach Haubner's Angabe das Eändohen cutfernen, ohne einen abermaligen Vorfall befürchten zu müssen, nur ist auch in den nächsten Tagen noch am Futter abzubrechen.
Bei grösseren Thieren führt man ein Paar Hefte von festem Bande rechts und links neben dem After (etwa 1 '/o Zoll von ihm entfernt) durch die Lederhaut von einer Seite zur anderen quer über den After, und bindet die Enden von beiden Seiten zusammen.
In denjenigen Fällen dagegen, in welchen die Zurückbringung oder die Zurückerhaltung nicht gelingt, oder in denen das vorgefal­lene Darmstück bereits wesentliche Veränderungen erlitten hat, wird man zur Entfernung desselben zu schreiten haben, welche jedoch in einer Weise auszuführen ist, dass zugleich eine Verwachsung der quot;Wundrändcr an der Stelle der Trennung erzielt wird, um Versenkun­gen der Jauche, Fistelbildung u. dgl. zu verhüten.
Die die Beseitigung des vorgefallenen Darmstückes bezweckenden
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Operationsverfaliren, welche Ha üb n er indess für meistens überflüssig hält, wenn man die oben erwähnten Wege zur Hebung des Leidens einschlägt, sind:
a.nbsp; nbsp;Das Abnähen.
b.nbsp; nbsp;Das Abbinden.
c.nbsp; nbsp;Das einfache Abschn eid en d es be treffen den D ar ra­st ü c k e s.
Behufs der Ausführung logt man kleine Thiere stets nieder; an grossen Thieren kann man die Operation auch im Stehen vornehmen, nachdem man dieselben gebremset, und an den Hinterfüssen ge­spannt hat.
a. Das Abnähen wird nach Hertwig's Vorschrift in folgen­der Weise vorgenommen:
Nach vorheriger lleinigung zieht man das vorgefallene Darm­stück so weit hervor, dass ein Theil der unveränderten Schleimhaut sichtbar wird, und durchsticht nun an der Grenze derselben den hier doppelt liegenden Mastdarm an einer Stelle mit einer, mit 6—Sfachem, gewachstem Zwirne oder mit einem schmalen Bändchen versehenen Heftnadel von innen nach aussen in der Weise, dass die Nadelspitze äusserlich neben dem After zum Vorscheine kömmt, sodann führt man von dieser Stelle etwa einen halben Zoll entfernt die Nadel wieder von aussen zur inneren Fläche, bindet die Enden des Heftbandes in einen doppelten Knoten fest zusammen, presst somit an diesem Puncte beide Darmschichten fest gegen einander, und schneidet nun die Band­enden in der Nähe des Knotens ab. Unmittelbar neben dieser Schleife bringt man ganz in derselben Weise ein zweites Heft an, indem man, wo möglich, durch eine Stichöffnung der ersten Schleife die einge­fädelte Nadel durchführt, hierauf dieselbe in der Entfernung eines halben Zolles wieder von der äusseren zur inneren Pläcbe durch­sticht, und dann die Enden so, wie früher angegeben, zusammenbin­det. In gleicher Weise legt man die folgenden Hefte an, bis endlich der Darm in seinem ganzen Umkreise neben dem After mit einer aus mehreren Ligaturen bestehenden Naht versehen ist. Sollten die Häute des vorgefallenen Darmes in einem so bedeutenden Grade ver­dickt, sein, dass man in der Mündung desselben den nöthigen Baum zu der beschriebenen Manipulation nicht findet, so kann man die Wand des herausgetretenen Darmtheiles nach oben und unten oder an beiden Seiten bis auf die Entfernung eines Zolles vom After spal­ten, und derart zwei Lappen bilden, durch deren Auseinanderhalten der zur Anlage der Naht nöthige Raum gewonnen wird. Diese Modi-
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fication findet vorzugsweise bei Mastdarmvorfällen der Hunde Anwen­dung; man bildet bei diesen Thieren einen unteren und einen oberen Lappen, uiid legt au jeden meist drei Hefte au. Ist das Abnähen be­endet, so schneidet man das vorgefallene Darmstück ausserhalb der Hefte in der Entfernung von etwa einem halben Zolle rund herum ab, und schiebt den mit der Naht versehenen Theil durch den After in das Becken zurück. Der hinter der Naht gelegene Eest des frü­heren Vorfalles fällt etwa binnen acht Tagen ab, während welcher Zeit auch die Verwachsung der durch die Hefte zusammengedrängten lländor des Darmes erfolgt. An der Schleimhaut findet man sodann bloss eine geringe, in allen Fällen ganz unschädliche Erhöhung.
Die Nachbehandlung besteht darin, dass man die Thiere ruhig hält, Pferden und Hindern vor vollendeter Heilung das Niederlegen nicht gestattet, wenig und weiches Futter verabreicht, und täglich 2—3 Klystiere mit schleimigen Flüssigkeiten setzt.
b.nbsp; nbsp;Das Abbinden, welches, bereits von Vib org empfohlen,fast ausschliesslich an Schweinen in Anwendung kömmt, wird in der Weise vorgenommen, dass man in das vorgefallene Darmstück eine etwa 3 Zoll lange, fingerdicke, an dem vorderen Ende mit Fett bestrichene Köhre von Holz behutsam hineinschiebt, und diese sodann mit einer sog. Castrirschlinge ganz nahe am Körper des Thieres festbindet; das Röhrchen muss so lange liegen bleiben, bis Verwachsung eingetreten ist, worauf man den vernarbten Band über dem After in das Becken hineinschiebt. Indess kann man auch nach 24 Stunden das Darmstück einige Linien ausserhalb der Ligatur hinwegschneiden, und die zurück­gebliebenen doppelten Endeu des Darmes mit einem gewöhnlichen Faden zusammennähen. Da dieses Verfahren jedoch zu einer Verenge­rung des Mastdarmes Veranlassung geben soll, so entschloss sich Maurer
c.nbsp; zudem einfachen Hi nw egsch neiden des Vorfalles und der Zurückbringung des Bestes, ohne an demselben die Naht anzulegen.
B. Die Operation der Mastdarmfistel.
Das bei Mastdarmfisteln einzuschlagende operative Verfahren kann je nach der Art der Fistel ein verschiedenes sein.
Bei einer vollkommenen Mastdarmfistel kann man durch Anwendung der Aetzbougies, des Glüheisens oder des Eiterbandes Heilung herbeizuführen versuchen, oder, wenn diese auf die eben an­gegebene Weise nicht gelingen sollte, die Trennung sämmtlicher zwi­schen dem Fistelgange und dem Mastdärme befindlicher Weichtheile
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entweder mittelst schneidender Instrumente oder mittelst einer Draht­schlinge vornehmen, falls der Pistelgung nicht zu lang und dessen Wand nicht zu dick ist.
Behufs der Durchschneidung bringt man eine Hohlsonde durch die äussere Oeffnung in den Fistelkanal ein, schiebt in der Furche des Instrumentes ein schmales und langes Knopfbistouri bis an das Ende des Ganges nach vorwärts, und durchschneidet alle Thoile und die Mastdarmwand nach hinten bis an den Schliessmuskel, welchen man nach Her twig's Vorschrift unverletzt lässt, stillt die Blutung, und füllt die Wunde massig fest bis auf den Grund mit Werg aus.
Nach S t r a u s s kann die Durchschneidung auch in der Weise vorgenommen werden, dass man einen hölzernen, halbrunden, glatten, vorne abgerundeten, etwa zolldicken Stab (ein Gorgeret) mit der flachen Seite der inneren Fistclöffnung zugekehrt, so weit in den Mastdarm einbringt, dass das vordere Ende des Instrumentes -wenig­stens einen halben Zoll über die genannte Oeffnung hinausreicht, so­dann den Stab durch einen Gehilfen in der gegebenen Lage festhal­ten lässt, und nun mit oder ohne Zuhilfenahme einer Hohlsonde ein Spitzbistouri durch die äussere Oeffnung so einführt, dass die Spitze desselben durcli die innere Fistelöffnung hindurch in den Holzstab hinreichend fest eingestochen werden kann. Ist dieses geschehen, so zieht man das Bistouri sammt dem Holzstabe gleichzeitig zurück, und durchschneidet auf diese Weise alle zwischen beiden Instrumenten gelegenen Weichtheile mit einem Schnitte. Dieses Verfahren ist wohl einfach und leicht auszuführen, hat jedoch, wie auch die Durchschnei­dung mittelst einer Ligatur den Nachtheil, dass in Folge der Tren­nung des Schliessmuskels das Zurückhalten der Kothballcn für kür­zere oder längere Zeit unmöglich geworden ist.
Behufs der D u r c h s o h u ü r u n g führt man einen hinreichend langen, gut ausgeglühten Messing- oder einen Bleidraht durch die äussere Oeffnung in den Fistelkanal, und durch die innere Oeffnung in den Mastdarm ein, beugt ihn sodann nach dem After hin um, und zieht ihn durch diesen hervor; sodami dreht man beide Enden mittelst einer Zange so stark zusammen, dass der Draht auf die von ihm um-fassten Weichtheile einschneidend wirkt, und schnürt die Schlinge durch täglich wiederholtes Drehen nach und nach derart fester, bis die vollständige Durehschneidung der Wand des Fistelganges stattge­funden hat. In der ßegel vereinigen sich die getrennten Gebilde eben­so allmälig, als die Durchschneidung erfolgt.
Bei einer, nur mit einer inneren Oeffnung versehenen Fistel
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(bei einer unvollkommenen inneren Mastdarmfistel) ver­sucht man zuerst die Bildung einer äusseren Oeffnung, (d. h. die Um­wandlung der unvollkommenen Fistel in eine vollkommene), indem man eine stark gekrümmte Sonde vom Mastdärme aus bis zu dem Ende des Fistelgangcs einführt, und nun auf der durch den Knopf derselben äusserlich verursachten Hervorragung die Haut' und das Zell­gewebe so weit einschneidet, bis der Knopf der Sonde zum Vorscheine kömmt. Ist dieses geschehen, so zieht man entweder ein Eiterband durch den Kanal, oder schlägt eines der oben beschriebenen Verfahren ein. Die unvollkommene äussere Mastdarmfi ste 1 erheischt zu ihrer Heilung gleichfalls meist die Spaltung des Ganges und die Anwendung von Aetzmitteln, obschon diese Mittel bei bestehender Caries der Beckenknochen nicht viel zu leisten vermögen. quot;
C. Die Beseitigimg der Atresie des Afters.
Während in einzelnen Fällen After und Mastdarm in ihren we­sentlichen Theilen vorhanden sind, ersterer aber durch die Haut ver­schlossen erscheint, fehlt in anderen Fällen das hintere Ende des Mastdarmes, und der Baum zwischen diesem und der Stelle, an wel­cher im normalen Zustande die Afteröffnung sich findet, ist mit einem fibro-cellulösem Gewebe ausgefüllt.
Bei der ersteren Form der Verschliessung lässt sich sehr leicht Hilfe schaffen, indem man die in Folge des Andrängens der Excre-mente nicht selten etwas hervorgewölbte Haut mit einem Häckchen oder einer Pincette erfasst, sie faltenartig hervorzieht, und dann mit einem Messer oder einer Scheere flach abschneidet, oder dieselbe mit einer Lancette oder einem Spitzbistouri durchsticht, mit einem Knopf­bistouri sodann kreuzweise einschneidet, die einzelnen Lappen mit Messer oder Scheere abträgt, und mit Fett bestrichene Wergbauschen einlegt, um die neuerliche Verwachsung zu verhüten.
Fehlt dagegen ein Stück des Mastdarmes, so kann man, jedoch mit wenig Aussicht auf Erfolg, zuerst die Haut kreuzweise durch­schneiden, das Zellgewebe theils mit dem Messer, theils mit dem Fin­ger trennen, bis man an das blinde, meist ausgedehnte Ende des Mastdarmes kömmt, welches man sodann mit einem starken Troikart durchbohrt, hierauf die gemachte Oeffnung mit dem Finger erweitert, eine dicke, mit Gerat bestrichene Wergwieke einlegt, und diesen Ver­band täglich zweimal bis zur Vernarbung erneuert.
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Operationen an den Harn- und Geschlechts-Organen.
Zu dieser Gruppe von Operationen sind ausser den geburtshilf­lichen Operationen zu zählen: Das Käthe terisiren, der Harn-blasensti'ch, der Harnröhrenschnitt, der Blasensehnitt, die Abnahme derRuthe, die Castration, die Operation des Wasserbruches, die Amputation des Tragsackes, die Exstirpation des Euters.
1. Das Katheterisiren.
Mit diesem Namen bezeichnet man das Einführen einer Röhre durch den ganzen HarnrÖhrenkanal oder wenigstens durch den rückwärtigen Theil desselben in die Harnblase behufs der Entleerung des in dieser angesammelten Harnes.
Geschichtliches.
Es ist nicht zu ermitteln, wann und von wem der erste Versuch, mittelst eines Katheters in die Harnblase einzudringen, angestellt wurde. Die von französischen Thierärzten, wie z. B. von Bourgelat und C h a b e r t angewendeten Instrumente scheinen bloss Sonden gewe­sen zu sein, deren Vordertheil aus einzelnen kurzen, unter einander beweglicti verbundenen Gliedern bestand.
Vitet (1771) empfahl das Katheterisiren hei weiblichen Thie-ren als das einfachste Mittel gegen Harnverhaltung, hielt dieses je­doch beim Pferde für schwer, bei männlichen Bindern und Schafen da­gegen für gar nicht ausführbar.
Pilger (1808) führte den Katheter nach vorherigem Harnröh­renschnitte ein; er bemerkt, dass nach dieser Operation meistens eine unheilbare Hamröhrenfistel, durch welche der Harn beständig ablliesst, zurückbleibe, und dass dieser sich zuweilen in das Zellgewebe ergiesse.
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Auch Seh reger (1803), welcher sowohl der metallenen, als auch der Katheter aus Federharz erwähnt, glaubt, dass sich bei männ­lichen Thicren der vielfachen Krümmung der Harnröhre wegen ein Katheter von der Harnrührenmündung aus schwerlieh einbringen lasse, was bei weiblichen Thieren dagegen selbst mit einem kurzen und ge-^ raden Katheter leicht gelinge.
Sw anström construirte einen Katheter aus einem Mossing-drahte, welcher in Spiraltouren aufgerollt und sodann mit Zwirn oder Seide fest umflochten wurde; Go sau (1808) machte einen bieg­samen Katheter aus einem, um einen Eisenstub spiral aufgerollten und auf diesem nachher breit geschlagenen Drahte.
Kersting machte den Vorschlag, in Ermangelung eines Katheters eine etwa ganskieldicke, an ihrem vorderen Ende mit einem Knöpf­chen aus Siegellack versehene, gut eingeölte Darmsaite durch die Ure­thra in die Blase einzuführen.
Schraiderer (1811) erwähnt gleichfalls elastischer Katheter, welche, aus einfochem oder doppeltem Drahte bestehend, und, für männlicht! Pferde 27 Zoll lang, vorne mit einem stumpf - spitzigen, eylindrischen, von längliehen Oeffnungen durchbrochenen Knopfe aus Zinn, hinten mit einem (iuerplättchen versehen sind, behufs deren An­wendung jedoch das kranke Pferd stets entweder in die Seiten- oder in die Rückenlage gebracht werden muss.
Dietrichs (1822) beschreibt das Einführen des elastischen Ka­theters von der Hai-nrührenmündung aus ganz genau, und bemerkt, dass er derartige Instrumente, welche, wie aus einem von Ro us so au (1824) veröffentlichten Aufsatze hervorgeht, in Frankreich auch noch in späte­ren Jahren nicht gebräuchlich gewesen zu sein scheinen, schon im Jahre 1813 an der Thierarzneischule zu Berlin vorgefunden habe.
Einen Katheter besonderer Construction erfand Brogniez.
Mayhew (1849) führte selbst bei Hunden ganz dünne Kathe­ter ein.
Anzeigen zur Operation.
Angezeigt erscheint die Katheterisation bei Harnverhal­tung, welche durch einfachere Mittel nicht zu heben ist, und in Folge derer die Ausdehnung der Blase einen so hoben Grad erreicht hat, dass eine Berstung dieses Organes befürchtet werden muss. Selbst­verständlich wird das Einbringen des Katheters von der Harnröhren­mündung aus in jenen Fällen unausführbar sein, in denen das, die Harnverhaltung bedingende Hinderniss sieh an irgend einer Stelle der
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Harnröhre vorfindet, und weder mit den Fingern, noch mit dem In­strumente selbst beseitiget werden kann.
Stets ist jedoch die Katheterisation ebenso wie der Harublasen-stich nur ein Palliativmittel, durch dessen Anwendung bloss dem momentanen Bedürfnisse der Harnentleerung entsprochen und dem Harne auf irgend eine Weise Abtiuss verschafft wird; nachdem dieses geschehen, hat man weiters einer neuerlichen Ansammlung des Har­nes durch Hebung der zu Grunde liegenden Krankheitszustände vor­zubeugen.
lieber den praktischen Werth der im Allgemeinen selten geüb­ten Katheterisation divergiren die Ansichten der Thierärzte. Viele hal­ten, wie Spinola bemerkt, den Katheter behufs der Entleerung des Harnes für entbehrlich, weil er gerade in denjenigen Fällen, in denen er vorzugsweise nützlich sein könnte, wie beim Blasenkrampfe, bei Einklemmung von Steinen im Blasenhalse u. dgl. nicht anwendbar ist, und Spinola selbst spricht sich dahin aus, dass der Katheter gerade kein nothwendiges, noch viel weniger aber ein unentbehrliches Instru­ment sei, dass indessen seine Brauchbarkeit und Verwendbarkeit über­haupt doch nicht in Abrede gestellt werden könne.
Ganz entgegengesetzter Meinung ist Dieter ichs, welcher den Katheter in allen Fällen, in denen die Pferde heftige Kolikschmer­zen, welche der Ansicht des Eigenthümers nach durch Harnverhaltung bedingt sind, äussern, angewendet wissen will, indessen dürften sich zu einer so häufigen und unnöthigen Anwendung des Katheters nicht viele rationelle Thierärzte herbeilassen.
Lagerung de sThi ere s. Operati onsmethoden. In strumente.
Das Einführen des Katheters kann am liegenden oder am ste­henden Thiere ausgeführt werden. Das Werfen des Thieres zur Vor­nahme der Operation darf aus dem Grunde nicht stattfinden, weil durch das heftige Niederfallen die Möglichkeit einer Berstung der stark aus­gedehnten Harnblase gegeben ist. Sind die Thiere in einem derartigen Grade unruhig, dass das Katheterisiren im Stehen unausführbar er­scheint, so soll man sie nach Brogniez's Rath auf ein weiches, bis zum Bauche reichendes Strohlager behutsam und in der Art, dass das Hintertheil zuerst den Boden berührt, niederlegen. Liegt das Thier bereits, so lässt man es durch Gehilfen niederhalten; wird die Opera­tion dagegen im Stehen vorgenommen, so legt man eine Bremse an, spannt die Hinterfüsse und lässt einen Vorderfuss aufhalten.
Der Katheter kann entweder von der Harnröhrenmün-
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dnng aus, somit dem ganzen Verlaufe der Harnröhre ent­lang in die Blase eingeführt werden, oder es geschieht das Einbrin­gen des Instrumentes durch eine, am Mittelfleische ange­legte H ar nröhrenw uude, somit nach vorherigem Harn­röhrenschnitte.
Das erstgenannte Verfahren ist indess nur bei #9632;weiblichen Thieren uberbaupt, bei denen indess diese Operation äusserst selten wirklich nothwendig wird, dann bei männlichen Pferden, bei diesen letzteren jedoch nur dann ausführbar, wenn das Hinderniss nicht in der Harnröhre selbst seinen Sitz hat, und wenn ein elastischer Katheter zur Disposition steht; steckt dasselbe dagegen in der Harnröhre, so wird man auch bei Pferden das, bei den übrigen Hausthiergattungen unter allen Verhältnissen in Anwendung zu bringende Verfahren, den Katheter durch eine, in der Harnröhre künstlich angelegte Oeffnung einzuführen, wählen müssen.
Die Unmöglichkeit, bei den Wiederkäuern, so wie bei dem Schweine einen Katheter you der Harnröhreumündung aus in die Blase einzuführen, ist in den anatomischen Verhältnissen begründet, iudem das männliche Glied dieser Thiere in der Mittcläeischgegend eine S-förmige Krümmung, welche der Katheter nicht passiren kann beschreibt; bei dem Hunde dagegen ist der Eutheuknochen dus Hinderniss der Einführung des Instrumentes.
Zu dem Katheterisiren benöthiget man entweder den Katheter allein, oder nebst diesem noch die zu dem Harnröhrenschnitte ver­wendeten Instrumente. Bei weiblichen Thieren kann man sich in Erman­gelung eines Katheters des Ansatzrohres einer Klystierspritze oder einer entsprechend weiten Canüle bedienen.
Die Katheter sind gerade oder gekrümmte Röhren, welche in Retreff der Länge und Weite der Hamröhre des Thieres, bei welchem sie benützt wer­den sollen, entsprechen müssen.
Man hat metallene, (unbiegsame) und elastische Katheter.
Die ersteren, ans Messing, Pakfong oder Silber gearbeitet, können bei nnseren männlichen Hausthieren nur nach vorherigem Harnröhrenschnitte einge­führt werden, und finden überhaupt eine sehr beschränkte Anwendung. Diete-riclis empfiehlt für Pferde eine 7,quot; starke, einen Puss lange, im Halbzirkel ge­bogene, metallene Röhre, die hinter ihrem geschlossenen und zngerundeten vor­deren Ende eine Oeffnung besitzt, indess reicht man mit einem für weibliche Thiere bestimmten metallenen oder mit einem elastischen Katheter aus. Für weib­liche Thiere sind sie 1—l1// lang, 2 — 4'quot; weit, gerade oder nur schwach ge­krümmt, an Ihrem vorderen Ende abgerundet und geschlossen, hinter demselben mit runden Oeffnnngcn versehen.
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Die für männliche Pferde bestimmmten elastischen Katheter, wel­che aus einem, mit einer Harzlösung überzogenen dichten Gewebe bestehen, und hinreichend fest sein müssen, um bei Biegungen nicht einzuknicken, haben bei einer Länge von etwa SV/ eine Weite von 2t/i3'/^'quot;, sind vorne abge­rundet geschlossen, und hinter dieser stumpfen Spitze mit zwei länglich runden Fenstern versehen; das hintere Knde ist gerade abgestutzt oder trichterförmig; in der Röhre selbst liegt ein Fischbeinstab, um dem Instrumente die nöthige Festigkeit zu geben. Indess haben diese Katheter, welche sich ihrer Glätte und Biegsamkeit wegen empfehlen, den Uebelstancl, dass sich der Harzüberzug leicht abblättert und sich bei längerem Liegenlassen in den Harawegen erweicht. Der letztere Uebelstand soll an den Kathetern aus Guttapercha nicht eintreten, wel­che Hering versuchsweise mehrere Tage, selbst Wochen lang ohne Nachtheil für das Thier oder für das Instrument liegen Hess.
Eine abweichende Construction besitzt der von Brogniez angegebene Katheter, dessen vordere Hälfte einen elastischen, dessen hintere Hälfte einen metallenen Katheter darstellt. Derselbe besteht aus einer etwa 20quot; langen, 3quot;' in. Durchmesser weiten Röhre von Kupfer, auf welche eluu, ans einem spiral aufgewundenen Eisendrahte bestehende, mit einer Kautschukhülle umgebene, ela­stische Röhre aufgesetzt ist, die an ihrem vorderen Ende einen 5quot;' starken, von mehreren kleinen Oeffnungen durchbohrten, mittelst einer Schraube befestigten olivenförmigen Knopf von Horn odor Kupfer trägt. In dem Inneren des elastischen Theiles ist eine der Länge nach verlaufende, schmale Stahlfeder angebracht, welche nach dem Herausziehen des mit einer Handhabe versehenen Stilets an dem elastischen Stücke eine halbzirkelförmige Krümmung erzeugt, und derart das Ein­führen des Katheters erleichtert. An dem hinteren Ende der Kupforröhre findet sich behufs des Durchziehens eines Fadens jederseits ein Ring. Um das knopf-förmige Ende des Katheters leichb'r in die Harnröhre bringen zu können, erwei­tert Brogniez die Harnröhrenmündnng raitlelst eines in dieselbe eingebrachten trichterförmigen Instrumentes, welches aus mehreren, mit ihrem oberen Ende an einen metallenen Ring befestigten, an dem unteren, freien Ende aber geknöpften Kupferstreifen zusammengesetzt ist. Ist dieser Erweiterer in die Harnröhrenmün-dung eingeführt, so schiebt mau das vordere knopflormige Ende des Katheters durch denselben ein, was bei dem Umstände, als das untere, federnde Ende der Metallstreifen leicht nach anssen gedrückt werden kann, ohne Mühe gelingt.
Ausführung der Operation.
Den Katheter bringt man beim männlichen Pferde von der Harnröhrenmündung aus in folgender Weise ein:
Hteht das Thier, so stellt sich der Operateur an eine Seite dessel­ben, u. z. am bequemsten an die rechte, liegt es dagegen, so nimmt er sei­nen Platz an dem Rücken und neigt sich über den Leib des Pferdes, geht nun mit einer Hand in den Schlauch ein und zieht die hinter der Eichel mit Daumen und Zeigefinger erfasste Euthe langsam hervor. Hierauf bringt er die Spitze des in der anderen Hand gehaltenen gut beölten Kathe-Porftter Opcrationslchro iui- Thiorürzte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; , ;gt;5
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ters in die Harnrohrenmündung ein, und schiebt nun das Instrument allmälig in der Harnröhre fort, bis das vordere Ende desselben ent­weder in die Blase gelangt ist, worauf man theils aus der Länge, in welcher der Katheter bereits in die Harnröhre eingeführt wurde, theils aber aus der Leichtigkeit, das Instrument weiter fortbewegen zu können, schliessen kann, oder bis es sicli gegen eine Stelle der Harnröhre stemmt. Ist der Katheter in der Blase, wovon man sich durch die Untersuchung durch den Mastdarm gleichfalls überzeugen kann, so lässt man das Instrument von einem (iehilfen, welcher seine Finger um die Ruthe neben der Eichel anlegt, in seiner Lage erhalten und zieht den in der Röhre liegenden Stab heraus, worauf meist sogleich der Harn abzutiiessen beginnt. Sollte dieses Letztere nicht stattfinden, so sind entweder die hinter dem vorderen Ende des Instrumentes an­gebrachten Oelfnungen verlegt, oder es wird der Katheter durch zu starke Contractur des Blasenhalses ganz zusammengedrückt. Das Vor­handensein des letztgenannten Hindernisses, welches man durcli narko­tische, in Form von Klystieren oder Salben angewendete Mittel zu heben sucht, erkennt man daran, dass der in die Röhre neuerdings eingeführte Fischbeinstab leicht bis zum Blasenhalse vordringt, von da aus jedoch entweder gar nicht oder nur schwer weiter vorgeschoben werden kann. Fehlt dagegen dieses Merkmal und muss man somit auf eine Verstopfung der Oeffnungen schliessen, so macht man dieselben durch Einspritzungen von lauwarmem Wasser wegsam, oder man setzt das Ansatzrohr einer Spritze möglichst genau auf die hintere Mün­dung des Katheters und sucht durch Zurückziehen des Stempels der Spritze ein Ausfliessen des Harnes herbeizuführen.
Stemmt sich dagegen das vordere Ende des Instrumentes irgend­wo gegen die Wand der Harnröhre, was meist erst dann, wenn das­selbe an den Ausschnitt des Sitzbeines, wo sich die Harnröhre in einem spitzen Winkel nach der Beckenhöhle umbeugt, geschieht, so zieht man den Katheter etwas zurück und schiebt ihn sodann wieder vor, oder man lässt, wenn dieses nicht gelingen sollte, die Ruthe sammt dem Katheter von einem Gehilfen halten und mittelt durch Befohlen der Mittelfleischgegend die Stelle aus, an welcher die Spitze des Instrumentes sich festgestellt hat. Ist diese Stelle gefunden, so lässt man den Katheter etwas zurückziehen und ihn sodann, während man daselbst einen gelinden Druck mit den Fingern oder mit einem gekrümmten, mit einer Rinne versehenem Holzstüeke ausübt, langsam wieder vorwärts schieben. Ist der Katheter bis zur Sitzbeins Vereini­gung vorgedrungen, so drückt man die Spitze desselben wieder etwas
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nach vorwärts und leitet sie in den Blasenhals, welches Letztere um so leichter gelingt, wema. man der Katheterspitze mit den Fingern der in den Mastdarm eingeführten Hand die erforderliche Eichtung gibt. Ist man in die Blase gelangt, so geht man weiters in der oben angegebenen Weise vor. Nach erfolgter Entleerung der Blase zieht man den Kathe­ter einfach heraus, spült ihn mit Wasser aus und legt den Fischbein-Stab erst nach dem vollkommenen Austrocknen in die Röhre wieder ein.
Bedient man sich des Katheters von Brogniez, so führt man, wie Hering, der dieses Instrument für sehr brauchbar erklärt, an­gibt, durch den in die Harnröhrenmüudung eingebrachten Erweiterer das kugelförmige Ende des mit der concaven Seite gegen das Becken zu gerichteten Katheters ein, zieht, sobald man mit demselben an der Sitzbeinfuge angekommen ist, die Metallsonde mittelst des Handgriffes einige Zolle zurück, worauf der elastische Theil des Katheters sieh von selbst nach vorwärts krümmt und durch einen am Mittelfieische angebrachten Druck auf dem rechten Wege leicht, fortgeführt werden kann. Nachdem man in die Blase gelangt, zieht man die Sonde gänz­lich heraus und lässt den Harn abfliessen.
Soll bei weiblichen Thieren der Katheter angewendet werden, was, wie bereits oben bemerkt wurde, nur in äusserst seltenen Fällen no thwendig sein wird, so stellt man sich hinter das gehörig befestigte Thier, lässt durch einen Gehilfen den Sehweif nach der rechten Seite ziehen, hält mit der linken Hand die Schamlippen auseinander, führt mit der rechten Hand den Katheter über den Kitzler an der unteren Wand der Scheide bis zu der kleinen, ringförmigen Wulst, mit wel­cher die Harnröhre in ihr mündet, und schiebt das Instrument durch die Harnröhre in die Blase ein.
Ist das Einbringen des Katheters von der Harnröhrenmündung aus aus einem der oben angegebenen Gründe unausführbar, so macht man den Harnr Öhrenschnitt und fülirt durch die gebildete Wunde den Katheter ein.
Nachbehandlung. Ungünstige Ereignisse.
Eine Nachbehandlung ist nur insoferne einzuleiten, als durch diese die Ursache der Harnverhaltung zu heben ist, um einer neuerlichen ühermässigen Ausdehnung der Blase vorzubeugen.
Ungünstige Ereignisse, welche bei dem Katheterisiren auf­treten können, sind Verletzungen der Harnröhre in Folge ro­llen Verfahrens. Ausserdcm ist ein Fall erwähnt, in welchem der Ka­theter iu die Samenblase des Pferdes eindrang.
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2. Der Harnblasenstich.
Der Blasenstich (die Punction oder Paracentese der Harnblase) besteht in dem Anstechen der Harn­blase mittelst eines Troikarts, durch dessen Canüle der Harn abgelassen wird.
Gas chich t li ches.
Vitet (1771) scheint der Erste gewesen zu sein, welcher diese von Menschenärzten seit Langem gekannte und geübte Operation an Pferden vorzunehmen rieth, wenn andere gegen Harnverhaltung an­gewendete Mittel im Stiche lassen. Seiner Angabe nach ist der Troi-kart vom Mastdarme aus, u. z. in einem Abstände von 3—4 Zoll vom Schliessmuskel des Afters in die Blase einzustechen, und die Eöhre, durch welche nöthigenfalls auch Einspritzungen gemacht wer­den können, so lange liegen zu lassen, bis die Ursache des Leidens beseitiget ist.
Pilger (1801) beschreibt den Harnblasenstich, welchen er mit eiuem 12—16 Zoll langen, beinahe im Halbkreise gekrümmten Troikart vom Mastdarme aus ausführt, ganz genau; er bemerkt, dass durch diese Operation die Blase wohl nicht vollständig entleert wer­den kann, dass man durch dieselbe jedoch Zeit zur Anwendung an­derer Mittel gewinne. Als üble Folgen des Stiches führt er das Aus-fliessen des Harnes in die Bauchhöhle bei neuerlicher Anfüllung der Blase, so wie das Brandigwerden der Wunde an.
Schreger (1803) erwähnt, dass die Landleute bei Harnver­haltung mit einem Messer einen Längenschnitt in das Mittelileisch machen, die Blase eröffnen, den Harn abfliessen lassen, und sodann die Wunde ganz einfach behandeln; nebstbei führt er die von Pil­ger beschriebene Methode des Blasenstiches an.
Sohmiderer (1811) bemerkt, dass bei Harnverhaltung der Blasenstich mittelst eines gebogeneu Troikarts vom Mastdarme oder von der Scheide aus, oder mit einem geraden Troikart am vorder­sten Rande der Schambeine wohl angerathen worden sei, dass aber beide Verfahren sehr gefährlich seien, und, selbst wenn dabei noch so vorsichtig vorgegangen werde, die übelsten Folgen, namentlich unheilbare Harnfisteln bedingen.
Dieterichs (1822) beschreibt den Blasenstich vom Mastdar­me und vom Mittelfleische aus, Vatel (1828) dagegen bloss die er-stere Methode, wobei er gleichfalls der Möglichkeit des Ausfliessens von Harn durch die Stichwunde bei neuerlicher Anfüllung der Blase,
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und des Entstehens von Harninültrationen, von Mastdarmblasenfisteln u. dgl. erwähnt.
Eychner (1842) sieht bei dem vom Mastdarme aus unter­nommenen Blasenstiche bei männlichen Thieren nur dann einen Vor-theil, wenn dieselben hiezu in die Rückenlage gebracht werden.
Auch Brogniez (1845) hält die Operation, welche sich übri­gens, wie er glaubt, bei Anwendung seines Katheters nie als noth-wendig herausstellen wird, für gefährlich.
Strauss und Her twig beschreiben gleichfalls nur die zwei, bereits wiederholt erwähnten Methoden, Hering dagegen noch ein. drittes, bei Schweinen und Hunden anwendbares Verfahren, nämlich den Stich durch die Bauchwand.
Anzeigen zur Operation.
Angezeigt erscheint der Blasenstich bei jeder Harnver­haltung, sobald die Ausdehnung der Harnblase einen derartigen Grad erreicht hat, dass eine Berstung dieses Organes zu befürchten ist, und eine Entleerung des Harnes weder durch den Katheter, noch auf eine andere Weise zu Stande gebracht werden kann.
LagerungdesThieres. Operationsmethoden. Instrumente.
In Betreff der Lagerung des Thieres hat das in dieser Beziehung bei dem Katheterisiren Erwähnte auch hier Giltigkeit. Kleine Thiere bringt man in die Seitenlage.
Die Operation kann auf eine dreifache Weise ausgeführt werden, u. z.
a) durch den Mastdarm oder durch die Scheide mit­telst des Elurant'schen Troikarts;
b)vom Mittel fleische aus, wozu man ein geballtes Bistouri und einen geraden Troikart verwendet;
c) durch die Bauch wand mittelst eines dünnen geraden Troikarts.
Die erste Methode, welche vorzugsweise beim Pferde und Binde Anwendung findet, ist, indem die Blase gewöhnlich deutlich ge­fühlt, und nur eine dünne Schichte von Weichtheilen durchstochen wird, leicht ausfuhrbar, und die unbedeutende Operationswunde heilt, wie vielfältige Versuche im Gegensatze zu den Ansichten einzelner Thierärzte gezeigt haben, in der Regel rasch und ohne besondere Behandlung während bei dem zweiten Verfahren leicht schwer oder gar nicht heilbare Folgezustände, wie Harninfiltrationen, Harn-
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fisteln u. dgl. entstehen, aus welchem Grunde dasselbe auch nur sehr selten geübt wird; der Vorzug, den diese letztere Methode vor der ersteren, wenn diese am stehenden Thiere unternommen wird, hat, nämlich jener, eine fast vollständige Entleerung der Blase zu ermög­lichen, ist von untergeordnetem Werthe, indem die Harnblase sich ohnediess bald wieder füllt. . Die Paraeentese durch die Bauch­wand wird bei Hunden und Schweinen, bei welchen Thieren eines-theils die ausgedehnte Blase fast ganz in der Bauchhöhle lieot, an-derstheils der Stich durch den Mastdarm des beengten Raumes we­gen schwieriger ausführbar ist, gemacht.
Der F lurant'sche Troikart hat eine Länge von 20—22quot;, eine Dicke von 2'quot;, ist cylindrisdi, sanft gekrümmt, an der Spitze dreischneidig; die Cannle besitzt an dem hinteren Ende eine tellerförmig ausgehöhlte, runde An­satzscheibe, das vordere Ende ist ohne Seitenöffmmgen. Im Nothfalle kann man jedoch einen geraden, dünnen, etwas längeren Troikart, dessen Cannle jedoch keine seitlichen Oeffnungen besitzen darf, hiezu verwenden.
Ausführung der Operation.
a. Function vom Mastdarme aus. Nachdem die im Rec­tum angesammelten Kothmassen mittelst der Hand oder durch Kly-stiere beseitiget worden, führt man die linke beölte Hand, den Rü­cken derselben nach aufwärts gekehrt, in den Mastdarm ein, und setzt die Finger auf der höchsten Stelle der an der unteren Darmwand in Gestalt einer halbkugeligen Erhabenheit wahrnehmbaren ausgedehnten Blase (beim Fferde etwa 3 Zoll vom After entfernt) auf. Hierauf bringt man den mit der rechten Hand erfassten, gleichfalls beölten Troikart, dessen Stilet man etwas zurückgezogen hat, mit der eoncaven Seite nach abwärts gerichtet, an der linken Hohlhand ein, tixirt das vordere Ende der Canule mit den Fingern der im Mastdarme liegenden Hand so, dass dasselbe gegen das Schambein gerichtet ist oder mit. der un­teren Wand des Darmes einen fast rechten Winkel bildet, schiebt nun das Stilet etwas vor, sticht das Instrument durch Darm- und Blasenwand hindurch etwa 2—3 Zoll tief ein, zieht, während man die Canule mit der linken Hand festhält, mit der rechten das Stilet heraus, und lässt den Harn abfliessen. Das Abfliessen des Harnes, welches durch einen leichten, vom Mastdarme aus auf die Blase aus­geübten Druck gefördert werden kann, soll zeitweilig für Augenblicke unterbrochen werden, damit die Blase Zeit gewinne, sich zusammen­zuziehen. Hat die' Entleerung stattgefunden, so zieht man die Canule mit der rechten Hand heraus, indem man gleichzeitig mit den Fingern
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der linken Hand einen leichten Druck gegen die untere Mastdarm­wand ausübt, um Zerrungen zu verhüten.
Bei weiblichen ThiSen sticht man den Troikart von der Scheide aus ein.
b.nbsp; Stich durch das Mittelfleisch. Nachdem man mit dem geballten Bistouri unter dem After und seitlich von der Harnröhre, u. z. rechts oder links einen 1 Vj—2 Zoll langen, senkrecht oder nach der Mittellinie des Darmes hin etwas schräg verlaufenden Schnitt durch die Haut gemacht hat, bahnt man sich durch das neben der Harn­röhre und dem Sitzbeine liegende Zellgewebe theils mit dem Finger, theils mit dem Messer einen Weg bis zu dem Blasenhalse, führt so­dann den Troikart mit zurückgezogener Spitze an dem Finger bis zur Blase vor, so dass das vordere Ende der Canule dieselbe fast berührt, lässt die Spitze des Stilets vortreten, und sticht das Instrument rasch gegen 2—3 Zoll tief ein, wobei man, um das Ausweichen der Blase zu verhindern, dieselbe mittelst der Hand fixiren kann. Der Einstichspunkt kann, wie Hertwig bemerkt, auch seitlich oder mehr oben an dem Blasenhalse gewählt werden, was für die weiteren Folgen von gleicher Bedeutung ist.
Hering hält es für offenbar unnöthig und sogar für nachthei­lig, mittelst des Fingers, mit welchem man ohnehin selten zum Bla­senhalse gelangen wird, oder mittelst des Messers früher einen Weg zu bahnen, da dieses mit einer Hohlsonde oder mit dem Troikart selbst geschehen kann.
Ist man in die Blase eingedrungen, so entfernt man das Stilet, und entleert den Harn. Ist dieses geschehen, so zieht man die Ca­nule heraus, und legt nach Hering an der Wunde ein bis zwei Hefte der Knopfnaht an. Wo es sich jedoch darum handelt, ein zur Schlachtbank bestimmtes Thier noch kurze Zeit zu erhalten, kann man nach Hering die Canule auch 36 Stunden und länger in der Wunde liegen lassen.
c.nbsp; Paracentese durch die Bauchwand. Hiebei sticht man einen dünnen Troikart (nach gemachtem Stiche in die äussere Haut) in der unteren Flankengegend des auf die Seite gelegten Thie-res u. z. an der gespanntesten Stelle der Harnblase ein; das Ausflies-sen selbst unterbricht man gleichfalls zeitweilig auf einige Minuten. Ist der grössere Theil des Harnes entleert, so zieht man die Canule vorsichtig heraus.
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Nachbehandlung. Ungünstige Ereignisse.
Nach der Punktion vom Mastdarme aus ist eine besondere Be­handlung meist überflüssig, höchstens setzt man einige Klystiere mit kaltem Wasser oder mit erkalteten schleimigen Abkochungen; auch die durch den Stich vom ilittelfleische aus erzeugte Wunde in der Blase zieht sich meist bald zusammen, und verheilt von selbst, wo­gegen jene im Zellgewebe durch Eiterung und Fleischwärzchen­bildung zur Heilung gelangt, und somit nach den allgemeinen Ee-geln zu bebandeln ist.
Selbstverständlich ist nach dem Blasenstiche das Hauptaugen­merk auf Beseitigung der, der Harnverhaltung zu Grunde liegenden Ursachen zu richten.
Ungünstige Zufälle, welche während oder nach der Ope­ration eintreten können, sind: quot;Verletzungen anderer Gebilde, wie z. B. der Vorsteherdrüse, der Öamenblase beim Damm-Blasen­stiche, des Darmes bei dem Stiche durch den Mastdarm; ferner Ha rn-infi 1 tr aticn, Harn fist ein u. dgl.
3. Der Harnröhrenschnitt.
Der Harnröhrenschnitt (Urethrotomie), welcher in der blutigen Eröffnung der Harnröhre an irgend einer Stelle ihres Verlaufes mittelst schneidender Instrumente besteht, wird vorgenommen, um Steine, die sich an einem Punkte dieses Kanales festgesetzt haben, Neubildungen o. dgl. zu entfernen, und die durch diese Körper veranlasste Har n v erh.al t ung zu heben, oder um Instrumente, wie z. B. Katheter, Steinzangen, Steinbrecher, Sonden u. dgl. von der Wunde aus in die Harnröhre oder in die Blase einführen zu können.
Geschichte der Operation.
Der Harnröhrenschnitt an Ochsen soll nach Hertwig's An­gabe zuerst von Meyer (1773) nach dem von dem Bauer Nied zu Eschenthal geübten Verfahren beschrieben worden sein.
Wundarzt Del zu Ch alo ns machte im J. 1774 eines steckenge­bliebenen Steines wegen den Harnröhrenschnitt an einem Pferde, an wel­chem er einige Monate zuvor den Blasensteinschnitt unternommen hatte.
Wo 1st ein (1798raquo; erwähnt des mit dem Gebrauche des Ka­theters verbundenen Harnröhrenschnittes als des besten und einzigen
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Mittels bei Harnverhaltungen, bei denen Arzneien nicht ausreichen; gleichzeitig bemerkt er jedoch, dass er noch nie eine durch Blasen­steine bedingte Harnverhaltung beim Pferde gesehen habe, indem, durch solche Neubildungen stets Harnträufeln bedingt werde.
Pilger (1801) spricht von der Eröffnung der Harnröhre sowohl behufs der Herausnahme von Steinen, als auch zum Zwecke der Ein­führung des Katheters.
Rohlwes (1802) beschreibt, nachdem er dasLageverhältnissder Harnröhre beim Ochsen genau auseinandergesetzt, zwei Fälle, in de­nen er den Harnröhrenschnitt mit günstigem Erfolge ausführte.
Besehreibungen der Operation überhaupt, so wie Aufzählungen einzelner Fälle, in denen die Urethrotomie an verschiedenen Haus-thieren geübt wurde, stammen von Laforest (1820), Dieterichs (1822), Vallat(1823),Plasse (1827), Eossignol (1827), Vatel (1828), Ryehner, Bader, Speidel, Narr u. And.
Barthelemy der Jüngere machte 1825 den Hamröhren-schnitt bei einem Pferde, bei dem sich in Folge vorhergegangener Amputation der Ruthe Harnbesohwerden eingestellt hatten.
Gruilmot beseitigte von der Harnröhrenwunde aus bei einem Fohlen einen haselnussgrossen Polypen der Harnröhre durch Abdre­hen, More 11 eine etwa bohnengrosse gestielte Geschwulst, Martin steckengebliebene Blutgerinnsel, Armbrecht eine aus der Harnblase stammende und zahlreiche kleine Steinchen enthaltende Pseudomembran.
S. Bouley (1843) entfernte bei einem 8jährigen Wallachen, an dem Barthelemy bereits vor einiger Zeit den Harnröhrenschnitt eines steckengebliebenen Steines -wegen gemacht hatte, einen zweiten, in einer Erweiterung des Beckenstückes der Harnröhre eingelagerten, 28 Unzen schweren Stein, nachdem er denselben mittelst Hammer und Meissel in mehrere Stücke zerschlagen hatte. Das schon frü­her äusserst entkräftete Thier ging jedoch, nachdem wiederholt Nach­blutungen eingetreten waren, am 8. Tage nach der Operation zu Grunde, und bei dor Section fanden sich sowohl in der Niere, als auch in dem Harnleiter der rechten Seite noch mehrere Steine vor.
Anzeigen zur Operation.
Der Harnröhrenschnitt ist angezeigt, wenn durch Steine, die in der Harnröhre stecken geblieben sind, durch Neubildungen, die sich an irgend einem Punkte dieses Kanales gebildet haben, durch Blutgerinnsel oder dnrch P send omem brauen eine vollstän-
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dige oder unvollständige Harnverhaltung, welche durch Entfernung dieser Körper sogleich behoben werden kann, bedingt ist, wenn fer­ner bei einer, durch anderweitige Umstände veranlassten Harnverhal­tung die Einführung des Katheters von der Harnröh­renmündung aus nicht stattfinden kann, oder wenn behufs der Herausnahme oder der Zertrümmerung von Blasen­steinen Instrumente durch eine Harnröhrenwunde eingebracht werden müssen. Es ist somit der Harnröhrenschnitt in einzelnen Eälleu eine selbststandige Operation, in anderen dagegen gleichsam bloss der Voraet eines anderweitigen operativen Verfahrens, Selbstverständlich wird in jenen Fällen, in denen bereits eine Ber­stung der Blase stattgefunden hat, die Operation zu unterbleiben haben. Nur sehr selten kömmt man in die Lage, bei Pferden, Schwei­nen oder Hunden den Harnröhrenschnitt aus Anlass steckengebliebe­ner Steine vornehmen zu müssen; beim Schafe, so wie beim Rinde, vorzugsweise bei Ochsen ereignet es sich jedoch häutig, dass aus der Blase abgehende Steine an irgend einer Stelle der Harnröhre, und zwar bei der letztgenannten Thiergattung am gewöhnlichsten an oder in der S-förmigen Krümmung theils desshalb, weil die Harnröhre da­selbst bedeutend enger wird, theils auch aus dem Grunde, weil der Durchgang derselben durch die Krümmung erschwert ist, sich festset­zen; bei Schafen findet man die Steine meist zwischen der S-förmi­gen Krümmung und dem vorderen Ende des Gliedes, mitunter auch in derselben, sehr selten dagegen über ihr, bei Hunden dagegen meist am oberen Ende des Ruthenknochens.
Ope ra t i on s st eile. Lagerungdes Thieres. Instrumente.
Wird die Operation eines Steines, einer Neubildung o. dgl. wegen unternommen, so schneidet man an derjenigen Stelle ein, an welcher der Gegenstand längs des Verlau­fes der Harnröhre entweder von aussen oder mittelst der in dieselbe eingeführten Sonde ausgemittelt wurde. Läset sich der Stein dagegen weder auf die eine, noch auf die andere Art nachweisen, so hat man bei Ochsen nach Her twig als Einschnittsstelle den Punkt zu wählen, an welchem das Thier beim Herunterstreichen mit den Fingern an der Harnröhre jedesmal Schmerz äussert; fehlt indess auch dieses Merkmal, so macht man den Schnitt gerade über dem Hodensacke u. z. der S-förmigen Krümmung so nahe als möglich, weil in einem solchen Falle der Stein gewöhnlich in die­sem Abschnitte der Harnröhre steckt. Stets soll man jedoch die Oeflf-
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nung der Harnröhre nicht oberhalb, sondern lieber etwa eine Li­nie unterhalb des Steines anlegen, und denselben durch die Wunde entweder hervordrücken, oder ihn mit der Pincette herausziehen.
Das von Dieterichs für den Fall, als bei Ochsen der Stein von aussen nicht zu fühlen wäre, vorgeschlagene Verfahren, nahe über dem Hodensackreste (zwischen dem Blasenhalse und der S-fdrmigen Krümmung) eine etwa V^ Zoll lange Oeffnung zu machen, um von hier aus mit einer biegsamen Sonde den Stein aufzusuchen, und den­selben nöthigenfalls sodann durch eine zweite Oeffnung herauszuho­len, ist nach Her twig's Ausspruche nicht zwtckmässig, weil in Folge des Ausfliessens des gesammten Harnes die Harnröhre sich um den Stein zusammenzieht, und die Herausnahme desselben schwierig wird.
Handelt es sich um Einbringung von Instrumenten z. B. eines Katheters in die Harnblase, so wird die Mittellinie des Mittelfleisches gerade an der Sitzbeinzusammenfügung als Einschnittsstelle gewählt.
• Nach Hering kann der Harnröhrenschnitt entweder an dem Sitzbeinausschnitte, d. h. unter dem After, oder im Mittel­fleische, d. h. hinter dem Hodensacke, oder vor dem Hoden­sacke oder endlich dicht hinter der Harnröhrenmündung vorgenommen werden. Die erstgenannte Operationsstelle wählt man, um von derselben aus in gerader Linie in die Blase oder auf einen daselbst steckengebliebenen Stein zu dringen, oder um einen weiter abwärts liegenden Stein mittelst der Sonde auszumitteln.
Die Operation kann wohl bei recht ruhigen Pferden und Rin­dern nach vorheriger Spannung der Hinterfüsse im Stehen ausge­führt werden, was mit Rücksicht auf die volle Blase, deren Ber­stung während des Niederfallens schon zu wiederholten Malen be­obachtet wurde, gewiss entsprechender ist; sind die Thiere dagegen un­ruhig, so muss man sie entweder sanft und vorsichtig niederlegen, oder man wartet ab, bis sie sich selbst gelegt haben; der rechte, oben liegende Hinterfuss wird sodann entweder auf den rechten Vor­arm gebunden, oder mittelst eines unter dem Halse durchgeführten Gurtes oder Strickes nach abwärts gezogen. Ochsen, die im Stehen operirt werden sollen, stellt man an eine quot;Wand, bindet einen Vor-derfuss am Home auf, und führt vom Fessel eines Hinterfusses ein Seil zwischen den Vorderfüssen hindurch, welches man an den Hör­nern befestiget, und mittelst dessen man den Kopf des Thieres an einer Säule od. dgl. hoch aufbindet.
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Hunde werden recht sanft auf einen massig hohen Tisch auf den Rücken gelegt, nachdem man ihnen entweder einen Maulkorb angelegt, oder das Maul zugebunden hat; Gehilfen halten das Thier an den Beinen und am Kopfe fest. Kleinere Thiere legt man meist auf den Eücken. und bindet die Füsse jeder Seite kreuzweise an einander.
Zum Harnröhrenschnitte selbst benöthiget man bloss ein ge­balltes und ein geknöpftes Bistouri, und mitunter eine Sonde; die weiteren (Teräthschaften sind nach dem zu erreichenden Zwecke verschieden, z. B. Katheter, Pincetten, Zangen u. dgl.
Ausführung der Operation.
Ist der zu beseitigende Körper zu fühlen, so macht man unmit­telbar auf demselben einen einfachen, entsprechend (beim Pferde und Rinde etwa 1 '/^ beim Schafe etwa einen Zoll) grossen Längenschnitt durch die Haut, das Zellgewebe und die hintere oder untere Wand der Harnröhre, wobei man stets darauf zu achten hat, dass einestheils die quot;Wundränder möglichst glatt und gleichmässig werden, und dass anderstheils im unteren Wundwinkel keine Tasche entstehe, in welcher sich der Harn ansammeln kann. Sodann presst man den zu entfernen­den Gegenstand durch die Wunde heraus oder holt ihn mit einer Pincette, einer Zange od. dgl. hervor.
Ist der Stein äusserlich nicht deutlich zu fühlen, wie diess beim Rinde nicht selten der Fall ist, so macht man, wie schon oben be­merkt wurde, den Einschnitt da, wo das Thier bei dem Befühlen der Harnröhre Schmerz zu erkennen gibt, oder der S-förmigen Krümmung so nahe als möglich. Hiebei kann man nach vollbrachtem Hautschnitte und nach Trennung des Zellgewebes mittelst des Fingers oder des Messers die Ruthe mit den Fingern etwas hervorziehen, und die Spal­tung der Harnröhre nun dort vornehmen, wo man den Stein aus-mittelt.
Bevor man jedoch die Operation für beendet erklärt, wird man sich die Ueberzeugung verschafft haben müssen, dass nicht vielleicht an einer anderen Stelle der Harnröhre ein zweiter Stein sich befinde, wesshalb man die Harnröhre mittelst einer Sonde sowohl gegen die Blase, als auch gegen die Mündung hin zu untersuchen haben wird. Findet sich ein derartiger Körper wirklich vor, so bemüht man sich, denselben durch gelindes Drücken und Streichen gegen die Wunde hin zu bewegen, um ihn durch dieselbe entfernen zu können, oder
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man muss, wenn dieses. nicht durchführbar ist, einen zweiten Ein­schnitt in die Harnröhre machen.
Um Harninfiltration zu yerhüten, dringt Deisinger bei Och­sen durch den Zellkörper der Ruthe in die Harnröhre ein. Er zieht nach Blosslegung der Ruthe diese hervor, flxirt sie auf einem Stück­chen glatten Holzes, und schneidet in den Zellkörper ein. Sobald das Messer den Stein berührt hat, hebt er diesen mit der Hohlsonde her­aus. Ein Heften der sehr wenig klaffenden Wunde ist ganz überflüs­sig; in Folge der durch die Entzündung bedingten Anschwellung schliesst sich die Wunde der Euthe, der Harn geht auf dem gewöhn­lichen Wege ab, und tritt nicht in das Zellgewebe aus.
Bei Schafböcken und Hammeln geht man nach Hertwig in der Weise vor, dass man mit den Fingern der linken Hand die Vor­haut erfasst, sie etwas erweitert und zurückschiebt, sodann den meist in die Höhe gezogenen Penis mit der rechten Hand von aussen, vom Mittelfleische her, etwas hervorschiebt, ihn durch einen Gehilfen hal­ten lässt, und nun eine dünne Metallsonde von der Mündung der Harn­röhre aus bis zu dem Steine einführt. Nachdem man hierauf die Sonde neben dem Steine nach hinten drängt, um die Einschnittsstelle kennt­lich zu machen, scheert man die Wolle ab und macht daselbst den 6—12 Linien langen Hautsohnitt, beseitiget das unter der Haut lie­gende Fett, durchschneidet die Harnröhre gerade auf dem Knopfe der Sonde in der Länge von etwa vier Linien, und entfernt den Stein.
Ein im Wesentlichen gleiches Verfahren schlägt man beim Hunde ein, wenn der Stein in der Harnröhre steckt; findet sich der­selbe dagegen im Blasenhalse, so macht man, am unteren Ende des Afters und ein wenig zur Seite desselben beginnend, einen 1 Zoll langen senkrechten Schnitt durch die Haut, den Harnschneller und die hintere Wand der Harnröhre, und spaltet diese letztere auf der in sie eingebrachten Hohlsonde so weit auf, dass man mit dem Fin­ger bis in den Blasenhals vordringen kann, worauf man den Stein mit einer schmalen Pincette erfasst und herauszieht, und sodann die Hautwunde durch recht eng aneinanderliegende Hefte vereiniget. Findet sich der Stein in dem unteren Theile der Harnröhre, wo der Penis von der Vorhaut bedeckt ist, und ist derselbe von der Mün­dung aus nicht zu beseitigen, so spaltet man entweder diese letztere nach Erforderniss, oder macht einen Einschnitt auf den Stein selbst in der bereits angegebenen Weise.
Soll der Schnitt vor dem Hodensacke gemacht werden, wel­che Methode trotz des Vortheiles, dass man weniger tief im Zellge-
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webe und Fette zu schneiden hat, um die Ruthe zu finden, dass die Wunde sich ain tiefsten Theile des Körpers befindet, und dass eine ge­ringere Harninfiltration zu befürchten ist, seltenere Anwendung findet, als der Schnitt hinter dem Hodensacke, so spaltet man nach He ring's Angabe die Haut in einer Länge von etwa fünf Zoll, zieht die Ruthe stark vorwärts, so dass sie dadurch gerade gestreckt wird, sucht den Stein auf, schneidet auf denselben ein, und entfernt ihn, worauf man die Ruthe zurückbringt und die Wunde sich selbst überlässt.
Ein wohl nicht ganz kunstgemässes, aber selbst von Laien zu wiederholten Malen an Ochsen mit günstigem Erfolge eingeschlagenes Verfahren, dessen auch Hering erwähnt und das C r u z e 1 besonders für jeneEälle empfiehlt, in denen der bereits längere Zeit andauernden Harnverhaltung wegen eine Blasenberstung zu befürchten, somit ein rasches Handeln nothwendig ist, besteht darin, dass man die Ruthe durch eine 4—5 Zoll unter dem After angelegte Hautwunde hervorzieht, sie quer abschneidet, den Harnstein selbst jedoch, un­berücksichtigt lässt, und sodann die Hautwunde unterhalb derart heftet, dass der Stumpf der Ruthe vorsteht, und der Harn durch diesen nach hinten abfiiessen kann. Diese Operationsweise, wel­che ausserdem noch den Vortheil hat, dass auch die etwa später noch aus der Blase in die Urethra gelangenden Steine leichter beseitiget werden können, als bei Thieren, bei denen man die Harnröhre der Länge nach eröffnet hat, kann doch nur bei solchen Thieren Anwen­dung finden, die für die Schlachtbank bestimmt sind, da die gemachte Oeffnung binnen 2—3 Monaten vernarbt, und nach dieser Zeit die Wiederholung der Durchschneidung der Ruthe nothwendig wird.
Soll der Harnröhrenschnitt vorgenommen wfirden, um von der künstlichen Oeffnung aus einen Katheter oder andere Instrumente in die Blase einführen zu können, so durchschneidet man, wie H ert w ig vorschreibt, in der Mittellinie des MittelÜeisches, gerade unter dem After, mit einem geballten Bistouri die Haut in hinreichender Länge, um eine der Weite der Harnröhre entsprechende Röhre oder eine Hohlsonde einbringen zu können, zieht den nun zu Tage tretenden, an beiden Seiten der Ruthe liegenden Sitzbein - Ruthenmuskel mit den Fingern der linken Hand oder mit stumpfen Haken nach beiden Seiten auseinander, trennt sodann den Harnschneller und die hintere Wand der Harnröhre mit dem Messer, und bringt nun die weiters anzuwendende Geräthschaft durch die erzeugte Wunde ein.
Ob die Operationswunde nach Erreichung des Zweckes durch die Naht, durch Collodium, oder durch Heftpflaster geschlossen, oder
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offen gelassen werden soll, darüber sind die Ansichten der Thierärzte getheilt. Dieterichs will die Naht nur dort angewendet wissen, wo die Schnitte sehr rein sind, und die Wundränder während der Operation durchaus nicht gequetscht wurden ; er gibt jedoch gleich­falls zu, dass die üeffnung sich auch ohne Naht hei blosser Reinhal­tung, wenngleich erst nach längeref Zeit, schliesse. Strauss empfiehlt die Schlingennaht an der Harnröhre allein anzulegen, um eine schnelle Vereinigung zu erzielen. Her twig spricht sich gegen das Heften der Wunde aus. Das Offenlassen der Wunde soll den Vortheil haben, dass dabei nicht so leicht Infiltrationen des Harnes in das Zellge­webe auftreten. Eine schnelle Vereinigung der Wundränder erfolgt selbst nach dem Anlegen der Naht .nur in seltenen Fällen, und die Heilung, wenn einmal Harninfiltratiou in das Zellgewehe, Verjau­chung u. dgl. stattgefunden hat, dort, wo man heftete, viel langsamer als dort, wo dieses nicht geschah. Soll die Naht Anwendung finden, so kann man entweder die Wundränder in ihrer ganzen Dicke hef­ten, oder man legt zuerst an der Harnröhre, sodann erst an der Hautwunde die Knopfnaht an.
Um die üblen Folgen einer Harnröhrenflstel bei Ochsen thun-lichst hintanzuhalten, kann man die von Häher angegebene Blei­röhre, welche die Gestalt eines liegenden T ( )- ) hat, in die Harn­röhrenwunde einbringen, und nach Anlage der Naht einheilen lassen.
Ist, was jedoch sehr selten vorkömmt, ein Harnstein in der Urethra eines weiblichen Thieres stecken geblieben, und hat man dessen Extraction mit einer Kornzange fruchtlos versucht, so wird man die Harnröhre in einer kürzeren oder längeren Strecke aufspalten müs­sen, zu welchem Behufe man ein langes, gerades Bistouri, bei grösse-ren Thieren auf zwei in den Kanal eingebrachten Fingern der linken Hand, bei kleineren dagegen auf der Hohlsonde einführt, und nach gemachtem Schnitte den Stein entweder mit den Fingern oder mit der Zange hervorholt.
Nachbehandlung. Ungünstige Ereignisse.
Die Behandlung beschränkt sich am ersten Tage auf die fleissi-ge Anwendung des kalten Wassers, später auf einfache Reinhaltung der Wunde. Abnorme Vorgänge im Heilungsprozesse selbst erheischen die Anwendung entsprechender Mittel.
Als ein, nicht selten besondere Gefahr drohendes, ungünstiges Ereig-niss ist das Auftreten von Harninfiltrationen und deren Folgen
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zu erwähnen; mitunter bleiben auch Harnfisteln zurück, oder es kömmt zur Obliteration der Harnröhre.
4. Der Blasenschnitt.
Der Blasenschnitt (Blasensteinschnitt, Stein-schnitt, Cystotomie oder Lithotomie) besteht in der künstlichen Eröffnung der Harnblase mittelst schnei­dender Instrumente behufs der Herausnahme von Bla­sensteinen oder Neubildungen, z. B. Polypen.
Angezeigt ist diese Operation bei Blasensteinen, welche eine solche Grosse erlangt haben, dass sie auf einem anderen Wege nicht beseitiget werden können, ferner bei Neubildungen in der Harnblase, welche von der quot;Wunde aus zu erreichen sind.
Die Operation wird im Allgemeinen selten, häufiger jedoch bei männlichen als bei weiblichen Thieren, bei welchen letzteren man meist durch unblutige Erweiterung der Harnröhre oder durch Ein­schnitte in dieselbe zum Ziele gelangt, nothwendig; sie ist dort, wo sie angezeigt ist, das einzige Mittel, welches noch Hilfe schaffen kann.
Geschichte der Operation.
Auch bei dem Blasensteinschnitte ist es nicht zu ermitteln, von wem und wann derselbe in die Thierheilkunde eingeführt wurde.
Die Angabe mehrerer Thierärzte, wie z. B. von Dieterichs, Strauss, Brogniez, dass bereits Vegetius Renatus des Bla­senschnittes, u. z. vom Mastdarme aus, erwähne, ist eine irrige, indem dieser Schriftsteller bloss von der Herausnahme der Steine aus der Blase in jenen Fällen, in denen in Folge starker Anstrengung zum Harnen die Blase sowohl, als auch der Mastdarm zerrissen sind, spricht.
Vitet (1771) beschreibt den Steinschnitt nach den in der Men­schenheilkunde üblichen Methoden, nicht nach eigenen Erfahrungen an Thieren; er erklärt sich wohl für den Seitensteinschnitt, bemerkt jedoch, dass derselbe nicht einmal am todten Pferde so leicht auszu­führen sei, als man glaube. Die Schwierigkeit, eine Sonde in die Blase einzuführen, sie während der heftigen Bewegungen des Thieres in ihrer Lage zu erhalten, und bei dem Einschnitte gerade die Furche der Sonde zu treffen, werde seiner Ansicht nach die Operation immer gefährlich machen. Bei weiblichen Thieren müsste behufs der Entfer­nung von Blasensteinen die Harnröhre beiderseits eingeschnitten werden.
Lafpsse, welcher in seinem im Jahre 1772 erschienenen Werke : „Cours d'hippiatriquequot; eine ganz entsprechende Beschreibung der in Rede stehenden Operation, die er jedoch nur an einem Pferde, dem
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er Kieselsteine in die Blase eingebracht hatte, ausführte, gibt, spricht sich in seinem „Dictionnairequot; (177i)) dahin aus, dass Wundarzt Del zu Chalons (1774) der Erste gewesen sei, welcher die Operation eines wirklichen Harnsteines wegen am Pferde mit günstigem Erfolge unter­nahm. Dieser Behauptung widerspricht jedoch Ercolani, welcher nachweiset, dass nach dem Zeugnisse italienischer Thierärzte bereits Dino di Dini, welcher um die Mitte des 14. Jahrhundertes lebte, der Elasensteine bei Pferden und der bei denselben Torzunehmenden Operation erwähnt.
Poinoelot (1794) entfernte 6 bohnengrosse Steine aus der Blase eines sechsjährigen Pferdes.
Pilger (1801) erklärt den Blasensehnitt für eine der leichtesten Operationen, was die Manipulation, für eine der schwierigsten und gefährlichsten dagegen, was die Folgen betrifft, und ist überzeugt, dass jede Aussicht auf einen günstigen Erfolg fehle. Seiner Ansicht nach ist an Thieren nur eine einzige Methode, u. z. eine eigene Art des Seitensteinschnittes ausführbar.
Schreger (1803) wiederholt bloss das von Pilger Oesagte.
Bouley (1808) operirte ein Pferd mit günstigem, Verrier (1809) mit ungünstigem Erfolge.
Fromage de Feugre veröffentlichte 1810 ein „Memoire sur les calculs urinaires;'' Henon (1810) empfahl anstatt der Steinsonde. Einspritzungen von Wasser in die Harnröhre.
üuinet (1816) machte beim Pferde den Blasenschnitt, und ent­fernte theils mittelst eines stark gekrümmten Löffels, theils durch Ein­spritzungen eine grösserc Menge Sediment,
Hausmann in Hannover soll bereits vor dem .Jahre 1818 den Blascnsteinschnitt durch den Mastdarm gemacht, den Stein mit den Fingern herausgenommen, und so das Pferd geheilt haben.
Dieterichs beschrieb 1822 die Operation; tiirard veröffent­lichte im J. 1823 eine Monographie über die Blasensteine und den Blasenschnitt, in welcher er zwei Methoden der Operation bei Ein­hufern angibt, u. z. vom Mastdarme oder von der Harnröhre aus: zugleich erwähnt er jedoch auch der anderen complicirteren und dess-halb gefährlicheren Verfahren.
Y.atel (1828) hält sich bei Beschreibung der Cystotomie an Fromage deFeugre und Girard; Brogniez (1845) dagegen er­wähnt auch des nur bei Hunden ausführbaren hohen Steinschnittes. einer Methode, die jedoch an Thieren überhaupt noch nicht vorge­nommen worden sein dürfte.
Forster. Operalionslehre für Thierärzte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; quot;^
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Nicht gering ist die Anzahl der in neuerer Zeit bekannt gewor­denen Fälle, in denen Blasensteine verschiedener Thiere, theils männ­lichen, theils weiblichen Geschlechtes, auf operativem Wege entfernt wurden. Derartige Fälle beschreiben z. B. Sewell, Taylor, Spoo-ner, Field, Riss, llenault, Sim ends, Hertwig, Stock-fleth, ünerich, Bouley u. A.
Schmid unternahm 1833 den Blasenschnitt behufs der Entfer­nung eines über zwei Pfund schweren Polypen in der Harnblase eines Pferdes.
Straub beseitigte bei einer Stute einen über 30 Loth schwe­ren, rauhen Blasenstein, welchen er in der Blase früher zertrümmert hatte; Schmid, nachdem er von einem solchen vorerst mit der Zange Stücke abgelöset, und ihn sohliesslich mit einem starken, gestielten Haken in -zwei Theile zerbrochen hatte.
Vorbereitung und Lagerung des Thieres. Instrumente.
Die Torbereitung des Thieres besteht, falls nicht Gefahr im Verzüge ist, darin, dass man durch 24 Stunden wenig Futter, dage­gen aber reichliches Getränke verabreicht.
Hat man den günstigen Moment, wo die Blase mit Harn gefüllt ist, abgewartet, so beseitiget man die im Mastdarme angesammelten Kothmassen durch Klystiere oder mittelst der Hand, und sehreitet so­dann zur Operation, welche entweder am stehenden oder am lie­genden Thiere ausgeführt werden kann.
Das Operiren am stehenden Pferde ist nicht nur bequemer, sondern es ist bei vorhandener Harnverhaltung auch rathsamer; man spannt das Thier an den Hinterlüssen, bremset es, und lässt es durch Gehilfen festhalten, oder man kann es, wie D i et er ich s vorschlägt, in einem Nothstalle odor an einer Nothwand befestigen, oder, wie Hering meint, in eine Gurte stellen, um das Niederlegen während der Operation zu verhindern.
Widerspenstige oder sehr empfindliche Pferde dagegen können nur im Liegen operirt werden. Man legt sie vorsichtig nieder und bringt sie in die Seiten- oder in die Eückenlage; stets jedoch sind die Hinterfüsse stark nach vorne zu ziehen.
Die Instrumente und Ger ät hschaf ten, deren man zu dem Blasenschnitte bedarf, sind je nach den einzelnen Methoden verschie­den. Zu dem M astdarm-Blasensch nit te benöthiget man ausser einem n-eradon Spitzbistouri mitunter eine S teinzange, wenn das Erfassen des Steines mit den blossen Fingern nicht gelingen sollte.
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Soll die Blase von dem oberen Ende der Harnröhre aus eröffnet werden, so braucht man ein geballtes, ein gerades ge­spitztes und ein X nopfbis t o uri, eine gewöhnliche Hohlsonde, eine Pincette, eine Korn- oder Steinzange, aussei- dem Rei­nigung s-üerät hsch aft en, und mitunter Nadeln und Faden! bei Pferden auch einen biegsamen Katheter, oder nach älterer Weise eine 3 Schuh lange, sanft gebogene, an ihrer eonvexen Seite mit einer Einne versehene eiserne Sonde.
Unter Umständen können auch noch andere Instrumente, wie z. B. die Steinbrech zange, das Dilatatorium, das verbor­gene,Bistouri, der Steinlöffel u. dgl. Anwendung finden; andere Instrumente jedoch, wie das von Strauss angeführte C y-stotom, das üorgeret, das zweischneidige Bistouri sind vollkommen entbehrlich.
Die Steinzange, welche, für grössere Thiere bestimmt, 15—20 Zoll lang ist, bildet an ihrem vorderen, sauft nach einer Seite der Arme gekrümmten Ende flach concave Löffel mit glatter Aussen- und rauher Innenfläche; die vor­deren, etwas gegen einander gebogenen Enden der Blätter dürfen sich nicht be rühren, sondern müssen bei geschlossener Zange 1—2 Linien weit von einander abstehen, damit man beim Schliessen der Zange nicht so leicht auch gleichzeitig mit dem Steine Weiehtheile erfasse. Bei kleineren Thieren ersetzt man die Stein­zange durch eine Kornzange.
Um grössere Steine behufs der leichteren llerausnalime zerbrechen zu können, wendet man, wie dieses •/.. B. Bon ley gethan, entweder Meisselund Hammer, oder Stein zangen oder eigens hiezu constrnirte Steinbrech­zangen an, welche letzteren im Ganzen stärker gebaut sind, und wenig aus­gehöhlte , an der Innenfläche mit in einander greifenden, starken, pyramidalen Zähnen versehene Blätter haben, während ihre Griffe meist durch eine, zwischen ihnen befindliche Druckschraube aneinander gepresst werden können.
Das zur Ausdehnung der Blasenwunde rlienende Dilatatorium besteht ans zwei, durchaus stumpfen Ilebelstangen von Stahl, welche in der Mitte ihrer inneren Flächen durch einCharniergelenk mit einander veil)unden sind, ohne sich jedoch daselbst zu kreuzen.
Der Steinlöffel kann im Nothfalle durch einen kleinen Esslöffel ersetzt werden.
Operationsmethoden. Ausführung derselben.
Der Blasenschnitt an männlichen Thieren kann auf zweierlei Weise ausgeführt werden, u. z.
1.nbsp; nbsp;vom Mastdarme aus (der Mastdarm-Blasenschnitt) oder
2.nbsp; nbsp;durch das obere Ende der Harnröhre und den Blasenhals.
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ad 1. Girard, welcher die erstgenannte Methode heschreibt, hält sie dort für angezeigt, wenn der zu beseitigende Stein so gross ist, dass derselbe durch den Blasenhals entweder gar nicht, oder nur mit bedeutender Quetschung und Zerrung der Weichtheile ausgezogen werden könnte. Dieses Verfahren ist wohl an und für sich leicht auszuführen, indess immer mit Gefahr verbunden, indem hiebei Ver­letzungen des Bauchfelles und Ergiessung des Harnes in die Bauch­höhle stattfinden können, sich eine Mastdarm-Elasenfistel heranbildet, oder, indem Theile der Excremente aus dem Darme in die Blase ge­langen, zur Entstehung neuer Concremente Anlass gegeben wird. Aus diesem Grunde ist es, wie Hering bemerkt, in denjenigen Fällen, in denen der Mastdarm-Blasenselmitt angezeigt wäre, stets gerathener, einfach den Harnröhrenschnitt an der Sitzbeinfuge zu machen, durch die mehr als tingerweite Harnröhre die zur Zertrümmerung des Stei­nes gebräuchlichen Instrumente einzuführen, und so den Stein stück­weise herauszufordern.
Bei kleinen Thioren kann diese Methode der Enge des Mast­darmes wegen selbstverständlich nicht Anwendung finden.
Soll der Blasenschnitt nach dieser Methode ausgeführt werden, so bringt man die linke Hand mit nach aufwärts gekehrtem Hand­rücken in den Mastdarm ein, setzt die Fingerspitzen etwa 3 Zoll vom After entfernt auf die untere Vand des Rectums auf, und macht nun mit dem, in der rechten Hand gehaltenen, und längs der linken Hohl­hand eingebrachten geraden Spitzbistouri, dessen Schneide gegen den Schliessmuskel gerichtet ist, einen durch die untere Mastdarmwand in die Blase dringenden Einstich, welchen man bei dem Zurückziehen des Messers je nach dem Umfange des Steines auf 1'/„—21/2 Zoll verlängert. Hierauf dringt man mit zwei Fingern der linken Hand durch die Wunde in die Blase ein, und sucht den Stein zu erfassen und hervorzuholen, oder man vollführt das Letztere mit der Stein­zange, welche man an den, die Wundränder auseinanderhaltenden Fingern der linken Hand eingebracht hat.
ad 2. Die Eröffnung der Harnblase von der Urethra aus ist wohl zeitraubender, schwieriger, und setzt mehr Geschick­lichkeit und genauere anatomische Kenntnisse voraus, als der Mast-darm-Blasenschnitt; trotzdem aber wird dieselbe bei dem Umstände, als hiebei weniger üble Folgen zu befürchten sind, wenigstens in allen jenen Fällen, in denen der zu beseitigende Stein nicht einen zu be­deutenden Umfang besitzt, der letzteren Methode unbedingt vorgezogen.
Man beginnt die Operation damit, dass man die Harnrühre iu
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der Mittelfleischgegend deutlicher wahrnehmbar zu machen sucht, um dieselbe bei dem Einschneiden leichter und sicherer zu treffen. Zu die­sem Endzwecke fahrte man früher die bereits erwähnte gerinnte eiserne Sonde ein, wodurch jedoch, falls das Vorschieben derselben in der Harnröhre nicht mit der erforderlichen Behutsamkeit geschah, zu Zer-reisaungen dieses Kanales Anlass gegeben wurde; aus diesem Grunde bedient man sich gegenwärtig entweder eines elastischen Katheters, oder eines entsprechend langen und starken, vorne wohl abgerundeten Fischbeinstäbchens, welches man in die Harnröhre bis zum Blasen­halse einbringt, und von einem Gehilfen in der gegebenen Lage iixi-ren lässt, oder man spritzt laues Wasser, irgend eine schleimige Ab­kochimg o. dgl. in die Urethra ein, und hält die Flüssigkeit durch ein hinter der Eichel um das Glied angelegtes und massig zusam­mengeschnürtes breites Band in der Haruröhre zurück. Die eingeführ­ten Instrumente, so wie das Band werden nach geschehener Eröffnung der Blase sofort beseitiget.
Hierauf macht man mit dem geballten Bistouri unmittelbar un­ter dem After einen entweder in der lEittelliuie des Mittelfleisches oder etwas zur Seite der Harnröhre und dieser entlang verlaufenden, je nach der Grosse des Thieres und des Steines verschieden, (bei Pfer­den etwa I'1/raquo;—2YS Zoll) langen Einschnitt, und trennt so nach und nach die Haut, die sehnige Ausbreitung, den After-Ruthenmuskel und den Härnschneller, und gelangt schliesslich an die hintere Wand der Harnröhre, welche man nun entweder mit dem geballten oder mit dem Spitzbistouri so weit eröffnet, däss man eine Hohlsonde einzu­führen im Stande ist. Dass man in die Harnröhre gelangt sei, gibt sich aus dem Ausfliessen des eingespritzten Wassers oder aus dem Sichtbarwerden des Katheters oder des Fischbeinstäbchens zu erkennen.
Der Schnitt durch die aufgezählten Gebilde kann, wie bereits bemerkt wurde, entweder gerade abwärts in der Mittellinie, oder zur Seite der Harnröhre, und in diesem Falle, das Thier stehend ge- ' dacht, selbst schräg von oben nach unten und von links nach rechts geführt werden. Diese letztere Richtung des Schnittes, bei welchem man jedoch unter allen Umständen darauf zu achten hat, dass er in den oberflächlicheren Schichten etwas länger, als in den tieferen, und ausserdem möglichst rein und eben sei, ist nach Girard aus dem Grunde vorzuziehen, weil auf diese Weise bei dem weiteren Aufspal­ten der Harnröhre nach oben Verwundungen des Mastdarmes, der Harnröhrenzwiebel und ihrer Arterien, so wie der After-Euthenbän-
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der, welche bei dem Schnitte in der Mittellinie leicht stattfinden kön­nen, vermieden werden.
Hat man die Holilsonde mit gegen den Blasenhals gerichteter Spitze und mit gegen den After gekehrter llinae eingebracht, so fuhrt min das Knopfbistouri auf der Furche derselben ein, und durchschnei­det, indem min das Messer mich oben und ein wenig seitlich neben dem After vorwärts schiebt, die HLarnrö ire und den hinteren Theil der Blase (beim Pferde in der Länge von 1 Vj—2 Zoll), worauf so­gleich ein reichlicher Ausfluss von Harn stattfindet. Ist der Bla­senhals durchschnitten, so führt man den Zeigefinger der linken Hand unter der Hohlsondc in die Blase, und au dieser die geschlos­sene, mit Oel bestrichene Steinzange unverweilt ein, und sucht mit derselben den Stein auf, indem man sie nach H e r t w i g's Vorschrift mit der coneaven Seite nach dem Schambeine gekehrt, allmälig tiefer einführt, und sie dabei beständig von rechts nach links und wieder in entgegengesetzter Hichtung halb um ihre Längenachsc dreht. Da der Stein während der Operation mitunter an der Stelle, an welcher man ihn bei der Untersuchung durch den Mastdarm früher gefunden hatte, liegen bleibt, so führt man die Zange zuerst zu diesem Puncte der Blase; findet er sich daselbst jedoch nicht vor, so sucht man sei­ne nunmehrige Lage abermals durch die in das Kectum eingebrachte Hand auszumitteln, und bringt sodann die Zange an den entspreehen-dsn Ort. Dass man den Stein gefunden, erkennt man an dem mehr oder weniger hellen Tone, der bei dem Anstossen der Zange an den Stein entsteht. Um den Stein zu erfassen, wobei man nöthigenfalls mit der in das Eectum eingeführten Hand nachhelfen kann, öffnet man vor demselben die Zange ganz vollständig, schiebt sie sodann noch etwas liefer in die Blase, so dass ein Zangenarm rechts, der andere links neben dem Steine liegt, und schliesst sodann das Instru­ment langsam und massig fest. Obschon man den Stein, um ihn mög­lichst leicht durch die Wunde hervorziehen zu können, stets so zu fassen suchen soll, dass er mit seinem grössten Durchmesser in der Längenachsc der Zange, mit seinem kleinsten zwischen den Flächen der Zangenlöffel liegt, so ist dieses nach Her twig's Ansicht nicht immer, und besonders dann nicht ausführbar, so lange der Stein im Grunde der Blase liegt; hat man denselben in einer das Ausziehen nicht begünstigenden Weise gefasst, ihn jedoch bereits bis an den Bla-scnhals gebracht, so kann man ihm unter gleichzeitigem vorsichtigem Oeffnen der Zange mit der in den Mastdarm gebrachten Hand eine geeignetere Lage geben, und ihn nun mit dem neuerdings geschlosse-
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nen Instrumente sofort heruusbefördern. Dass man den Stein wirklich ergriffen habe, ist aus dem hellen Tone und aus der Unmögliuhkeit, das Instrument vollkommen zu schliessen, zu erkennen. Befindet sich der Stein in der Zange, so bringt man den Zeigefinger der rechten Hand zwischen die Zangensehenkel, um sowohl das zu feste Schliessen der Zange und das hiedureh mögliche Zerdrücken des Steines, als auch Quetschungen der Wundränder oder der Blasenwau-dung für den Fall, als der Stein der Zunge plötzlich entgleiten sollte, zu verhüten. Um sich zu überzeugen, ob man nicht vielleicht einen Theil der Blasenwand mit der Zunge gefasst habe, dreht man das Instrument halb um seine Achse; gelingt dieses ohne Hinderniss, so zieht man die Zange, deren Löffel so gestellt sein müssen, dass ihre Flächen gegen die Wundränder gerichtet sind, sammt dem Steine all-mälig und vorsichtig durch die Wunde heraus.
Mitunter ist es, wie Hering anführt, auch möglich, den Stein vom Mastdarme aus so weit nach rückwärts zu schieben, dass er mit den Fingern der anderen Hand in der Wunde erreicht und hervor­gezogen werden kann.
Die Entfernung .des Steines kann indessen in einzelnen Fällen durch besondere Umstände, und zwar durch eine zu starke Con­traction der Blase, durch eine relativ zu geringe Grosse der Wunde, durch ungeeignetes Erfassen des Steines, durch Einsackung oder endlich durch zu ge rin ge Consis t en z desselben sehr erschwert, ja sogar unmöglich gemacht werden.
Kann man den Stein nicht fassen, weil er von der stark zu­sammengezogenen Blase fest umschlossen ist, was besonders dauu, wenn der Schnitt im Blasenhalse zu gross gemacht wurde, und in Folge dessen der Harn sich rasch entleerte, oder wenn mau mit dem Einführen der Zange zu lange zögerte, statt findet, so muss man entweder die Blase durch vorsichtige und allmählige Ausdehnung mittelst der Zange zu erweitern suchen, oder man spritzt laue, schlei­mige oder selbst, narkotische Flüssigkeiten in die Blase ein, und ver­sucht sodann die Einbringung der Zange. Die starke Contraction der Blase kann jedoch auch das Ausziehen des gefassten Steines, beson­ders wenn derselbe rauh und eckig ist, verhindern, in welchem Falle man sich dadurch einen Weg zu bahnen suchen muss, dass man die Zange behutsam nach verschiedenen Kichtungen bewegt.
Ist die Wunde im Verhältnisse zum Steine zu klein, so erwei­tert man dieselbe mittelst des auf dem Finger eingebrachten Knopf-bistouri's in dem erforderlichen Grade, was wohl auch mit dem Di-
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latatorium oder mit der Steinzange selbst geschehen kann, obschon dieses Verfahren aus dem Grunde immer gefährlich bleibt, weil durch dasselbe öuetschungen der Theile, selbst Zerreissungen der Blase veranlasst werden können. Hat jedoch der Stein eine zu bedeutende Grosse, so sucht man ihn in der Blase selbst mittelst der Steinzange oder mittelst des Steinbrechers zu zerbrechen, was bei mürben Stei­nen leicht gelingt, und holt dann die einzelnen Fragmente theils mit der Zange, theils mit dem Lofi'el heraus, oder schwemmt dieselben, durch wiederholte Einspritzungen Ton lauem Wasser oder von schlei­migen Flüssigkeiten heraus; den Gebrauch dieser letzteren hält He.rt-wig jedoch für entsprechender, als jenen des Löffels, dessen Anwen­dung mühsamer und mit mehr Reizung der Wunde verbunden ist.
Sollte ein ungeeignetes Erfassthaben des Steines die Extraction desselben hindern, so trifft man in der bereits früher angegebenen Weise Abhilfe; ist der Stein dagegen eingesackt, so sucht man ihn mit der in den Mastdarm eingeführten Hand aus seiner Lage zu brin­gen, und ihn sodann mit der Zange zu ergreifen.
Ist der Stein mürbe, so muss man sich in Acht nehmen, um ihn nicht zu zerbrechen, weil hiedurch der hiebei nothwendig werdenden wiederholten Einführung der Zange wegen die Beendigung der Ope­ration verzögert wird.
Hat man den Stein entfernt, so überzeugt man sich durch eine nochmalige genaue Untersuchung der Blase vom Mastdarme aus, dass weder Fragmente noch kleine Steinchen, welche den Kern zu neuen Steinen abgeben könnten, zurückgeblieben sind, und entfernt, falls sich solche wirklich vorfinden sollten, dieselben auf eine oder die an­dere bereits erwähnte Art.
Sind Sedimente aus der Blase zu entfernen, so geschieht dieses entweder mittelst eines schmalen Löffels, oder durch wiederholte In-jectionen von schwachem Seifenwasser.
Bei weiblichen Thieren erreichen Blasensteine nur sehr selten eine so bedeutende Grosse, dass deren Beseitigung auf operativem Wege der durch sie hervorgerufenen Zufälle wegen nothwendig wird. Diese gelingt mitunter nach vorhergegangener unblutiger Erweiterung des Blasenhalses und der Harnröhre, in anderen Fällen jedoch erst nach vorherigem Einschneiden der genannten Theile. Der Scheiden-Blasen-schnitt seihst wurde an Thieren bisher noch nicht unternommen.
Die unblutige Erweiterung, welche man entweder mit einem Finger, oder mittelst des von Morton angegebenen hydrostatischen Dilatators, bei kleineren Thieren auch mittelst einer recht dünnen
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Kornzange, welche man geschlossen einführt, und allmälig und ausseist vorsichtig, um Zerreissungen zu verhüten, weiter und weiter öffnet, bewerkstelliget, genügt der Kürze und Ausdehnbarkeit, so wie der in Folge des Leidens sich einstellenden Erschlaffung der Harnröhre wegen in der Mehrzahl der Fälle. Sehr grosse Steine dagegen, deren gewalt­sames Ausziehen zu bedeutenden Quetschungen und Zerrungen der Harnröhre und des Blasenhalses Veranlassung geben würde, und Ent­zündung dieser Gebilde, selbst Unvermögen, den Harn zu halten, her­beiführen quot;könnte, erbeischen, falls sie sich nicht in der Blase zertrüm­mern lassen, die blutige Erweiterung. Obschon diese Operation am stehen­den Pferde jedenfalls bequemer auszuführen wäre, so ist es doch, wie Straub bemerkt, aus dem Grunde, weil sie gewöhnlich längere Zeit in Anspruch. nimmt und sehr schmerzhaft ist, gerathener, das Thier hiezu zu werfen, es zu narcotisiren, und sodann in die • Rückenlage zu bringen. Hierauf führi man die beölte linke Hand mit gegen die. Schambeine gekehrtem Rücken derselben in die Scheide ein, bringt zuerst den Zeige- dann den Miltelfinger nach und nach in die Harnröhre, und versucht, sobald dieses gelungen, durch Enffernung beider Finger von einander die quot;Urethra auszudehnen, während man mit der rechten Hand ein verborgenes oder ein langes gerades Bistouri mit gegen die linke Handfläche gewendetem Rücken zwischen den von einander ab­stehenden Fingern einschiebt, und sodann die Harnröhre nach aufwärts auf etwa 6—8 Linien Tiefe einschneidet. Unterlässt man die vorhe­rige Ausdehnung der Harnröhre, so kann man nach Straub's An­sicht weder die Länge und Tiefe des Schnittes bemessen, noch wird derselbe rein, da die #9632; lockere, schwammige Schleimhaut sich stets wie- ' der zwischen das Messer schiebr, und man dcsshalb mehrere, nicht immer genau aufeinander treffende Schnitte zu machen gezwungen sein wird. Bei kleineren Thieren führt man • eine Hohlsonde, und auf dieser das Bistouri ein. Dass der gemachte Schnitt ausreiche, er­kennt man an der Möglichkeit, mit den Fingern leicht vorwärts und bis in die Blase zu gelangen.
Die Herausnahme des Steines wird bei den grösseren Thieren am zweckmässigsten mit den Fingern bei gleichzeitiger Xachhilfe mit­telst der in die Scheide gebrachten Hand vollführt, da man so eines-theils bei rauhen Steinen durch entsprechendes Wenden und Drehen derselben Quetschungen und Zerreissungen der Theile am ehesten vermeiden, und etwa vorhandene Verbindungen mit der Blasenschleim­haut am' sichersten löseraquo; kann, und anderentheils nichl^ wie dieses bei Anwendung der Steinzange möglich ist, Gefahr läuft, die bei län-
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gerer Dauer der Operation um den Stein fest zusammengezogene Blase mitzufassen. Musste der Stein seiner Grosse wegen früher in der Blase zertrümmert werden, so entfernt man die grösseron Frag­mente auf die eben angegebene Weise, die kleineren dagegen durch Einspritzungen von lauem Wasser.
Nachbehandlung. Ungünstige Ereignisse.
Wurde der Mastdarm-Blasensehnitt gemacht, so beschränkt sich die Nachbehandlung auf öftere Eeinigung des Mastdarmes mittelst schleimiger Kly stiere, und auf Beschränkung des Futters, so wie auf Ruhe; bei dem Blascnschnitte von der Harnröhre aus macht man bei massiger Entzündung bloss von kalten Umschlägen, bei heftiger dage­gen selbst von der allgemeinen Antiphlogose Gebrauch.
Anfänglich geht der Harn durch die Wunde ab, sobald aber deren Verkleinerung beginnt, fängt das Thier auf natürlichem Wege zu harnen an.
Um dem Einsickern des Harnes in das Zellgewebe neben der Harnröhre und dem Schwieligwerden der Wundränder vorzubeugen, bestreicht man nach Her twig's Rath die Wunde gleich nach der Operation mit Collodium, oder in dessen Ermangelung mit Gerat. Um der Harninfiltration vorzubeugen, legt man auch einen elastischen Katheter ein, und lässt denselben längere Zeit liegen, indess hält Hartwig dieses Verfahren 1% sehr umständlich, und bei sehr reiz­baren Pferden für nicht gut ausführbar.
Die von Hartwig empfohlenen Einspritzungen von kaltem Wasser in die Blase weiblicher Thiere, bei denen man die blutige Erweiterung der Harnröhre unternommen hat, sind nach Straub für die Dauer nicht anwendbar, da die Thiere bald widersetzlich werden, und besonders reizbare Stuten sie nicht vertragen.
Als üble Zufälle während oder nach der Operation sind zu bemerken: Blutungen und Nachblutungen, welche erstere in der Regel nicht gefährlich, durch Kälte, Tamponation, Unterbindung oder Torsion gestillt werden können, Verletzungen des Mast­darmes, Zerreis su ngenderHarnblase, weiters In fil tr a ti on des Blutes in das Zellgewebe des Beckens, Infiltration von Harn in das Zellgewebe neben der Harnröhre, Harn fi stein, Verengerung der Harnröhre, Entzündung, selbst Brand der Blase, Abscessbildung, endlich Bauch­fellentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
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Die Lith otritie, Lithotripsie oder St ei nz crmalmun g, ein Verfahren, durch welches Blaseusleine mittelst eigenthümlicher, durch die unverletzte Harnröhre eingeführter Instrumente innerhalb der unversehrten Blase auf mechanischem Wege so verkleinert wer­den, dass sie leicht herauszuschaffen sind, wurde, jedoch mit einer, durch die anatomischen Verhältnisse der Harnröhre, welche die Ein­führung der lithotriptischen Instrumente von der Harnröhrenmüudung aus bei männlichen Thieren unmöglich machen, gebotenen Modifica­tion von H. Bouley in den J. 18S7, 18S8 und 1862 an drei Pfer­den, u. z. zweimal mit günstigem, einmal mit ungünstigem Erfolge un­ternommen.
Bouley hält die Lithotritie namentlich in jenen Fällen, wo die Grössc des Steines das Ausziehen desselben durch den unverletz­ten Blasenhals unmöglich macht, für bedeutend vortheilhaftor, als den seiner Ansicht nach überaus gefährlichen Blasenschnitt, bei dessen Ausführung man stets zu fürchten hat, dass der im Blasenhalse ge­machte Schnitt während des Ausziehens des Steines sich vergrössere, dass eine Infiltration des Harnes in das Zellgewebe des Beckens er­folge, oder dass eine Blasenentzündung sich entwickele.
Bouley bediente sich zum /erdrücken des Steines eines von Dr. Guillon angegebenen, dem in der Henschcnheilkunde gebräuch­lichen Stcinzertrümmerer nachgebildeten Instrumentes.
Als Stcinzertrümmerer, Lithotripten, gebraucht man im Allgemei­nen Instrumente, die gleichsam aus zwei soliden, auf oiuanderliegendcn Ilarn-röhrensonden mit kurzem Schnabel bestehen, deren obere (der männliche Arm) in einem Geleise der unteren (des weiblichen Armes) verschiebbar ist. Wenn der männliche Arm zurückgezogen wird, öffnet sich der Schnabel, und stellt eine Art Gebiss, welches zur Aufnahme von Trümmern mitunter ausgehöhlt ist dar, womit der Stein gefasst wird. Am hinteren Ende des Instnimentes ist eine Schraube oder ein Zahnstab angebracht, mittelst dessen der zurückgezogene männliche Arm gewaltsam vorgeschoben, und der im Gebisse gefasste Stein zerdrückt werden kann.
Die Operation selbst führte Bouley folgendermassen aus: Nachdem er die Urethrotomie am stehenden Pferde in gewöhn­licher Weise vorgenommen hatte, wurde das Thier geworfen, narko-tisirt, und in die Bückenlage mit erhöhter Nachhand gebracht, sodann der Steinzertrümmerer durch die Harnröhrenwunde eingebracht, der Stein erfasst und wiederholt zerbrochen. Nun wurde behufs der Aus­dehnung der Wunde, der Beckenportion der Harnröhre und des Bla­senhalses ein zweiblätteriges Speculum eingebracht, und die Heraus-
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Schaffung der Steintrümmer theils mit der Zange, theils durch wieder­holte Einspritzung von lauem Wasser bewerkstelliget.
Eines der operirten Pferde ging nach 48 Stunden ein, ohne dass die Section über die Todesursache irgend welchen Aufsehluss gege­ben hätte.
5. Die Amputation des männlichen Gliedes.
Diese Operation, welche in dem Abnehmen eines kürzeren oder längeren Stückes der Ruthe besteht, kann durch verschiedene Krankheitszustände gebo­ten werden.
Derartige Leiden, welche, falls ihre Beseitigung auf eine andere Weise nichtzu hoffen ist, die Ablö­sung des Gliedes als letzten Heilversuch erheischen, sind: Zerr eis sun gen der S ch wel 1 k ö rper (der sog. Bruch des Penis), sehr tiefe, über mehr als die Hälfte der Dicke des Gliedes eindringende, oder mit einer heftigen und gefahrdro­henden, durch andere Mittel nicht zu stillenden Blutung verbun­dene Wunden der Ruthe, Neubildungen, besonders Krebs. Geschwüre, Brand, endlich durch Lähmung bedingter Vor­fall der E u t h e.
Geschichtliches.
In den älteren thierärztliohen Werken findet sich die in Rede stehende Operation nicht erwähnt, und Hazard (1777) dürfte der Erste gewesen sein, der die Ablösung der Ruthe, und zwar durch die Ligatur nach vorherigem Einbringen einer Bleehröhre in die Ure­thra bei einem Pferde vorgenommen und sein Verfahren veröffent­lichet hat.
Ihm folgte Chabert (1779), welcher hei zwei Pferden die Am­putation mit günstigem Resultate unternahm, ohne jedoch über das Verfahren selbst etwas Näheres bekannt zu geben.
Delaguctte (1802) wollte bei einem Pferde wegen Krebs das Abbinden der Ruthe vornehmen, musste jedoch wegen bedeutender Entartung des Gewebes zum Messer greifen.
Dupont (1811) band wegen Paraphimosc den Penis ab. . Favro, welcher (1813) die Operation an einem Hunde und später auch an Pferden machte, empfahl die Blechröhre erst am 20.—28. Tage einzulegen, und sie selbst durch zwei Monate hindurch liegen zu las­sen, um Verwachsungen der Harnröhrenmiiuduug vorzubeugen. Der-
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selbe schlug auch vor, an der Harnröhre Lappen zu bilden, diese zu­rückzuschlagen, und rechts und links anzunähen.
Gohier (1816) erzählt, dass er die Amputation beim Pferde mittelst einer Blechscheere ohne Benützung einer Röhre habe machen sehen, dass jedoch das Thier nach einigen Tagen an Harnverhaltung zu Grunde ging. Bei Hunden machte er selbst öfter die Operation ohne Röhre, ohne dass Verwachsung der Urethra erfolgte.
Dieterichs bemerkt in der ersten Auflage seiner Veterinär­chirurgie (1822), dass er in den Jahren 1814-1817 die Amputatio penis u. z. durch das Ahschneiden bei Hengsten einige Male mit gu­tem Erfolge unternommen habe.
Barthelemy (1825) musste bei einem Pferde, welchem er die Euthe abgenommen hatte, wegen Harnbeschwerden den Harnröhren-sohnitt machen; um die Schwierigkeit, welche das Einführen der Ca-nule nach der Operation bereitet, zu vermeiden, ist es seiner Ansicht nach nothwendig, den Penis auf zweimal durchzuschneiden, u. z. mit dem ersten Schnitte die Harnröhre quer zu trennen, die Blechröhre sodann einzulegen und zu befestigen, und nun erst mit dem zweiten Schnitte die Abtragung zu beenden.
Delafond und Moiroud (1829) schabten nach Einführen einer kupfernen Röhre in die Urethra die Ruthe mit einem Easirmesser derart durch, dass der Stumpf einen Kegel, an dessen Spitze die Harn­röhrenöffnung lag, bildete; die Blutung war sehr unbedeutend und die Heilung binnen 18 Tagen beendet.
Schrader (1844) bemerkt bei Erwähnung eines von Daws veröffentlichten Falles, dass sein Vater vor 32 Jahren bereits die Am­putation des Grliedes bei einem Pferde mit günstigem Erfolge vorge­nommen hatte.
Im Jahre 1836 wurde an der Veterinärschule zu Dorpat die Amputation der Ruthe beim Pferde auf pyrocaustisehem Wege vorge­nommen. Nachdem man die Harnröhre heraospräpariit und zurückge­legt hatte, wurde der Penis unter bedeutender Schmerzäusserung des Thieres mit dem Platindrahte langsam durchschnitten; die Blutung aus der Art. dors, musste jedoch noch nachträglich durch das Glüh­eisen gestillt werden. Die Yernarbung der Wunde erfolgte bald.
Beschreibungen theils einzelner Fälle, theils des Operationsver­fahrens im Allgemeinen oder besonderer Modificationen desselben ga­ben ausserdem Chaumontel, Noirot, Menet, Pagnier, Chariot, Hurtrel d'Arboval, Hickmann, Rychner, Hertwig, Strauss, Schellhase, Hering und And.
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Lagerung; und Yorberoitung des Thieres.
Zur Operation wird das Thier stets gelegt, und zwar bringt man es entweder in die Seiten- oder in die Küekenlage; im ersteren Falle lässt man den oben liegenden Hinterfuss auf den Vorarm der oberen (Seite befestigen, im letzteren Falle aber die Füsse jeder Seite kreuz­weise zusammenbinden.
Je nach der Ausdehnung des vorhandenen Leidens wird zwar bald ein grösserer, bald ein kleinerer Theil der Ruthe abgetragen werden müssen, und es hat auch hier die allgemeine Regel, dass die Abtragung stets im Gesunden zu geschehen habe, Geltung. Meist be­schränkt sieh jedoch die Ablösung auf den vorderen Theil des Glie­des, welcher entweder von selbst vorgefallen ist, oder in eine Schleife gefasst und hervorgezogen werden kann. Erstreckt sich aber die Ent­artung des Gliedes so weit über die Eichel hinauf, dass der kranke Theil ohne Weiteres nicht frei aus dem Schlauche hervorgezogen werden kann, so muss dieser letztere verlier in seiner Mittellinie in entsprechender Ausdehnung gespalten werden.
Bevor man zur Abtragung schreitet, zieht man das Glied lang­sam aus dem Schlauche hervor, und reiniget dieses, so wie den Schlauch selbst mit quot;Wasser.
Operationsmethoden. Instrumente.
Die Ablösung der Ruthe kann auf dreifache Weise u. z.
1.nbsp; nbsp;durch das Abbinden,
2.nbsp; nbsp;durch das Abbrennen und
3.nbsp; nbsp;duroli das Abschneiden stattfinden.
In neuester Zeit versuchte man an der Thierarzneischule zu Mailand den Ecraseur zur Amputation des Penis zu benützen; die Operation gelang zwar ohne erheblicherer Elutung, indess dauerte die­selbe ziemlich lange und erregte bei den Thieren heftigen Schmerz.
Die Amputation durch die Ligatur gewährt wohl den Vortheil, dass sie vor Elutung vollständig sichert, und sie würde, wie Her twig bemerkt, aus diesem Grunde bei ohnehin schon anämi­schen Thieren, so wie in Ermangelung geschickter Gehilfen den Vor­zug verdienen, indess ist diese Methode bei dem Umstände, als ein wiederholtes Jfachschnüren der Ligatur nothwendig wird, sich eine bedeutende Geschwulst entwickelt und sich in Folge des Brandes ein äusserst übler Geruch einstellt, sowohl für den Operateur beschwer-
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licher, als auch für das Thier lästiger; der von Dieterichs dersel­ben zur Last gelegte Uebelstand, dass die Haut der Harnröhre zu stark zusammengedrückt werde, und in Folge dessen sicli zurück- und zusammenziehe, lässt sich leicht verhüten. Bei Hunden kann dieses Verfahren des Ruthenknochens wegen nicht Anwendung finden.
Das Abbrennen ist nach Hertwig und Schellhase in jenen Fällen angezeigt, in welchen sieh die Entartung der Ruthe so weit nach dem Körper hin erstreckt, dass die Abtragung noch in der krankhaften Masse selbst vorgenommen werden muss, dem zu Folge eine Unierbindung der einzelnen Blutgefässe nicht leicht ausführbar ist, und man nebst der Blutstillung auch eine, die Umstimmung der ab­normen Thätigkeit bedingende Wirkung des Glüheisens erwartet. Hering hält diese Methode gleichfalls für solche Fälle, in welchen die Amputation im kranken Theile der Ruthe stattfinden muss, für vorzugsweise geeignet, da durch die nachfolgende Abstossung des Schorfes ein weiteres Stück der entarteten Gebilde beseitiget wird.
Die Amputation mit dem Messer setzt wohl eine ver-hältmässig grosse Wunde, aus welcher leicht Nachblutungen stattfin­den können, indess ist das Verfahren rasch zum Ziele führend, und für das Thier weniger schmerzhaft, als das Abbinden und das Abbrennen.
Das Abschneiden soll dann vorzuziehen sein, wenn die Ruthe sehr voluminös oder die Haut und das darunterliegende Zellgewebe an derselben verdickt ist, und man zu befürchten hat, den durch die Ligatur eingeschnürten Theil nicht gleich vollkommen ertödten zu können.
Strauss verwirft das Abbinden, da hiedurch eine heftige Reaction, die bosonders durch die unförmliche Anschwellung der Ru­the, des Schlauches und der Umgebung abschreckend wird, entsteht, das Abbrennen, weil es ohne Nothwendigkeit grossen Schmerz ver­ursacht, und empfiehlt ganz unbedenklich den Gebrauch des Messers.
Die zur Amputation erforderlichen Geräths ch af t en sind je nach der gewählten Methode verschieden.
Um einer Verengerung oder Verwachsung der Harnröhre an der Durchschnittsstelle und den hiedurch bedingten Harnbeschwerden vor­zubeugen, bringt man entweder bereits vor oder erst nach der Ope­ration gewöhnlich eine Röhre aus verzinntem Bleche, seltener einen ela­stischen Katheter ein, und lässt diese Instrumente je nach Er-forderniss durch kürzere oder längere Zeit liegen.
Eine solche Röhre, welche, um genau zu passen, für jeden speciellen Fall eigens hergerichtet werden soll, ist entweder gleichweit, oder an den Enden
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etwas weiter, und an dein, ans der Urethra vorsteljenden Ende mitunter mit zwei Oehreu oder mit eiremvon zwei Oeffnungen durchbohrten Querblatte ver­sehen, um sie mittelst Bändern oder Fäden an der Ruthe, am Schlauche, an einem Bauchgurtu o. dgl befestigen und iu ihrer Lage erhalten zu können. Sie muss eine ganz glatte Oberfläche haben, und der Rand des vorderen Endes soll gut abgerundet sein. Die Weite derselben beträgt für Pferde etwa 3—4 Linien, ihre Länge dagegen ist nach dem gewühlten Operationsverfahren verschieden. Bei dem Abbinden muss sie länger, als der abzutragende TUeil der Ruthe sein, in­dem sie über die Ligaturstelle hinaufreichen rauss ; bei dem Abbrennen und dem Abschneiden, bei welchen Methoden man die Bohre meist erst nach geschehener Amputation einfuhrt, reicht für Pferde eine solche von etwa 2—4 Zoll Länge hin. Einige Autoren, wie z. B. Hurtrel d'Arboval, Brogniez halten das Einlegen einer Röhre in die Urethra für überflüssig, weil ihrer, durch die Er­fahrung jedoch als irrig erwiesenen Ansieht nach durch das Ausfliesscn des Har­nes die Obliteration der Harnröhre von selbst gehindert werden soll. In Er­mangelung einer besonderen Röhre kann man eine Tro ikar th ül se benützen.
jSTebst dieser Röhre braucht man. zum Abbinden eine runde, glatte, etwa eine Linie starke und für Pferde gegen zwei Fuss lange U nt er bindungss chnur, anderen Enden gewöhnlich kleine Holz-knehel befestiget werden, um die .Schlinge fester zuschnüren zu kön­nen, ferner eine mittelgrosse Heftnadel sammt gewachstem Bind­faden oder mehrfachen Zwirn; zu dem Abbrennen zwei messer-förmige Brenneisen, zwei fingerbreite, etwa eine Elle lange Bän­der, eine kleine Heftnadel mit einigen neben einander gelegten Seidenfäden oder statt dieser letzteren Greräthschafteu eine sog. Spicknadel oder eine Nadel von Weiss und zwei etwa 1—1 ^ Linien dicke, 8 Zoll lange Bleidrähte; ausserdera für den Fall, als die Harnröhre vor dem Brennen blossgelegt werden soll, ein Bi­stouri, eine Pincette, so wie eine Hau klinge, eine Haarseil­nadel o. dgl.; zum Abschneiden ein gerades Bistouri oder ein Skalpell, eine Pincette, Heftnadeln und ün t erbind un gs-fäden, zwei fingerbreite, je eine Elle lange Bänder, Keinigungsge-rä thsc h aften, bei Hunden ansserdem des Euthenknochens wegen mitunter eine Zwickzange oder besser eine Uhrfeder säge.
Ausführung der Operation.
1. Das Abb ind en. Nachdem man durch den abzutragenden Theil der Ruthe, u. z. etwa einen bis zwei Zoll hinter der Eichel mittelst der •Heftnadel den Bind- oder Zwirnfaden in querer Kiohtung so, dass je ein Ende des­selben an jeder Seite heraushängt, durchgezogen hat, und das aus dem
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Schlauche hervorgeholte Glied durch einen Gehilfen mittelst dieses Fadens in gerader Richtung halten lässt, bringt man die oben be­schriebene, mit Fett bestrichene Blechröhre durch die Mündung der Urethra in diese letztere so weit ein, dass das vordere Ende dersel­ben einige Zolle über die Stelle, an welcher die Unterbindung vor­genommen werden soll, hinausreiche, und legt sodann die Ligatur an. Behufs dessen bildet man aus dem Bande entweder eine sog. Castrir- oder eine andere, wie z. B. die von Her twig erwähnte, gleichfalls nicht nachgebende Schlinge, welche letztere entsteht, indem man das gerade in seiner Mitte doppelt zusammengelegte Band um das Glied führt, das freie Ende der einen Hälfte von oben, jenes der zweiten Hälfte von unten durch die Oehse so, dass sich beide innerhalb die­ser kreuzen, durchsteckt und sodann an beiden Enden einen kräftigen Zug ausübt. Diese iSchlinge hält, wie H e r t w i g bemerkt, ohne einen darauf gemachten Knoten ganz fest, und sogar um so fester, je stärker der von innen her gegen sie wirkende Druck ist, von aussen her gestattet sie aber leicht ein strafferes Zuschnüren.
Jede Schlinge wird so fest als möglich zusammengezogen; da die­ses einmalige Zusammenschnüren jedoch nicht in einem derartigen Grade vollführt werden kann, dass auch beim Pferde hiedurch schon Absterben des unterbundenen Theiles der ßuthe erfolgt, und die Li­gatur in den nächsten Tagen sich lockert, so ist es, um eine raschere Ertödtung herbeizuführen, nothwendig, die zuerst angelegte Schlinge nach 24—48 Stunden entweder fester zusammenzuziehen, oder neben dieser eine zweite Ligatur anzubringen. Dieser Vorgang hat sich bis zum 6.—8. Tage, bis zu welcher Zeit die Euthe so weit durchge­trennt ist, dass das zu beseitigende 8tück derselben ohne Gefahr einer heftigeren Blutung mit dem Messer vollends abgelöset werden kann, taglich ein- bis zweimal zu wiederholen. Bei dem Abschneiden, wozu man das Thier neuerdings legt, hat man darauf zu, achten, dass man die Harnröhre etwas (etwa Va—1 Zoll) über die Schnittfläche der cavernösen Körper vorstellen lässt, damit sich dieselbe weniger zu­rückziehe, und nicht so leicht von Granulationen überdeckt werden könne. Zu diesem Behufe spaltet man die Harnröhre längs der in ihr liegenden B-öhre von der Mündung bis auf etwa 3/4 Zoll Entfernung von der Ligatur auf, präparirt die, die Urethra umgebenden Gebilde bis an die Unterbindungsstelle hinweg, und durchschneidet sie sodann an dem oben erwähnten Punkte.
Die in die Urethra eingebrachte Blechröhre erhält man entwe­der auf die Weise an Urt und Stelle, dass man die Enden des durch
Porater, Operationslehre für Thierärzte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;27
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.den abzubindenden Theil des Penis durchgezogenen Fadens durch die Löcher des Querblattes der Blechröhre fuhrt, . und sie daselbst festbindet, oder dass man, wie R y c h n e r angibt, eine mit einem Schweifriemen versehene Gurte unmittelbar vor dem Schlauche um den Bauch legt, die an der Platte der Eöhre festgemachten Bänder neben dem Schlauche und dem Geschröte zwischen den Hinterschen­keln durch über das Mittellleisch führt, und sie sodann an dem Schweifriemen befestiget. Diese Röhre soll so lange in der Urethra liegen gelassen weiden, bis die Wundfläohe vernarbt ist, was indess nur sehr schwierig zu bewerkstelligen, nach H er t w ig aber auch nicht unumgänglich nothwendig ist, wenn bei dem Ablösen des Abgestorbenen Stückes der Ruthe in der oben angegebenen Weise vorgegangen wurde. Schellhase schlägt vor, für den Fall, als nur die vordere Parthie des Gliedes entartet ist, die Harnröhre am Anfange der ge­sunden Substanz desselben so weit zu eröffnen, dass eine dem Lu­men der Urethra entsprechende, an beiden Enden etwas stärkere Me­tallröhre eingeschoben werden könne, dicht hinter dieser Oeffnung eine Castrirschlinge aus glattem, starkem Bindfaden so fest als mög­lich um die Ruthe anzulegen, diese letztere etwa 3/4 Zoll vor der Ligatur abzuschneiden, und die Schlinge bis zum Abfallen des unterbundenen Stückes täglich fester zu schnüren.
i. Das Abbrennen.
Bei dieser Methode beginnt man damit, dass man um das, in erforderlicher Länge aus der Vorhaut hervorgezogene Glied zwei Band­schleifen in einem Abstände von 3 Zoll von einander, u. z. eine oberhalb, die andere unterhalb der Operationsstelle fest anlegt, deren erstere, einem Gehülfen übergeben, einer bedeutenderen Blu­tung, und zugleich dem Zurückschlüpfen dos Stumpfes in den Schlauch vorbeugen soll, während die letztere, von dem Operateur selbst gehal­ten, dazu dient, die Ruthe während der Operation in gerader Rich­tung vorgezogen und gespannt zu erhalten.
Das weitere Verfahren kann ein doppeltes sein. Entweder wird sofort die Ruthe an der Grenze der gesunden Substanz mittelst des in gleichmässigen Zügen geführten, w eissglühenden, messerförmigen Brenneisens quer durchtrennt, oder man isolift früher mittelst des Messers die Harnröhre, und durchsclineidet sodann erst die schwammi­gen Körper allein mit dem Glüheiseu. Dass das Glüheisen in beiden Fällen wiederholt gewechselt werden müsse, um stets den erforderli­chen Hitzegrad zu besitzen, ist wohl selbstverständlich.
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Bei dem ersteren Verfahren kann man entweder an der oberen oder an der unteren Seite des Gliedes beginnen; dieses Letztere hat jedoch den Nachtheil, dass es in Folge der durch die länger dau­ernde Berührung mit dem Brenneisen bedingten starken Zusammen-schrumpfung der Harnröhre leicht zu bleibender Verengerung dersel­ben kömmt.
Diesem Uebelstande lässt sich am sichersten dadurch vorbeugen, dass man vor Anwendung des Glüheisens die Harnröhre, Y^—3/4 ^oll von der Operationsstelle entfernt, mit einem Bistouri in querer Eich-tung durchschneidet, sie in der bezeichneten Länge nach oben von den übrigen Gebilden lospräparirt, sie mittelst eines flachen Gegen­standes z. B. einer Hauklinge, einer Haarseilnadel vor der Einwir­kung der Hitze schützt, und sodann die Zellkörper der Ruthe mit dem Glüheisen durchtrennt.
Nach Abtragung der kranken Parthie stillt man die verschie­den starke Blutung entweder durch kaltes Wasser, durch Unterbin­dung oder durch das Glüheisen, lockert nun die Bandschleife etwas, und entfernt diese, falls auch da keine Blutung eintritt, vollständig.
Die Blechröhre wird entweder vor oder, was gewöhnlicher ge­schieht, erst nach Abfragung der kranken Parthie in die Urethra ein­gebracht und entweder mittelst zweier Heftbändchen, welche durch die Oeffnungen des Querblattes der Röhre und durch den äusseren Rand der schwammigen Körper gezogen werden, oder mittelst der in schräger Richtung von innen nach aussen durch die Wundränder und etwa einen Zoll hoch durch die Haut des Gliedes geführten und so­dann zusammengedrehten Bleidrälite an Ort und Stelle erhalten, und durch 6—8 Wochen liegen gelassen. Wohl hat HertWig die Hei­lung nach Anwendung des Verfahrens auch ohne Einlegen einer Röhre eintreten gesehen, indess werden Verengerungen der Harnröhre stets sicherer durch Benützung des genannten Instrumentes vermieden.
3. Das Abschneideu.
Auch bei diesem Verfahren werden vorerst zwei Bandschleifen in gleicher Weise und zu gleichem Zwecke, wie bei dem Abbrennen, angelegt. Hierauf macht man an der Operationsstelle auf dem Rücken des Gliedes einen nur durch die Haut dringenden Querschnitt, sucht die Ruthenarterie auf, und unterbindet sie, nachdem man dieselbe durch einen, von dem Querschnitte aus gerade über ihr und ge­gen die Eichel hin verlaufenden, etwa einen Zoll langen Schnitt frei­gelegt hat; ist dieses geschehen, so führt man den Schnitt tiefer in
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die oavernösen Körper der Euthe, und unterbindet oder dreht die stark blutenden Gefässe; an die Harnröhre gelangt, präparirt man dieselbe in der Länge eines halben Zolles gegen die Eichel zu los, und durch­schneidet sie zuletzt derart, dass sie in der eben angegebenen Länge über den Stumpf des Ruthenkörpers vorragt, worauf man das Band lüftet, etwa eintretende Blutungen durch die Torsion, die Unterbin­dung oder das Glüheisen stillt, und das Band sodann beseitiget.
Nach Her twig schneidet man die Harnröhre, nachdem man dieselbe durch eine in sie eingeführte und bis zu der Stelle, an wel­cher die Abtragung stattfinden soll, vorgeschobene starke Sonde deut­lich fühlbar gemacht hat, etwa 6—9 Linien vor dieser Stelle durch, präparirt sie in der angegebenen Länge nach oben von den schwam­migen Körpern los, und trennt sodann diese letzteren mit einem kräftigen Messerzuge, worauf man die Blutung aus den am Rü­cken und an der unteren Seite des Gliedes befindlichen Arterien durch Unterbinden oder Zudrehen, jene aus den schwammigen Körpern durch adstringirende Mittel oder durch das Glüheisen stillt. Um einer quot;Verengerung oder einer Verwachsung der Harnröhrenmün­dung vorzubeugen, will Strauss die Amputation der Ruthe mit der Bildung einer neuen HarnrÖhrenmündung verbunden ha­ben, und schlägt zu diesem Zwecke folgendes, für die Praxis wohl nicht anwendbares Verfahren vor :
Nachdem man in die Harnröhre des entsprechend gelagerten und befestigten Thieres eine dünnwandige Röhre aus Blei oder Holz bis über die Amputationsstelle hinauf eingeführt hat, ergreift der Opera­teur die Ruthe an dem abzutragenden Theile mit der linken Hand, und führt 3—4 Linien vor der Operationsstelle mit dem geballten Bistouri einen durch die hintere Wand der Urethra bis auf die in derselben liegende Bohre reichenden Schnitt, sticht sodanu ein Spitz­bistouri vor dem ersten Schnitte 3—4 Linien weiter nach aufwärts entfernt, knapp über der eingeführten Röhre durch den Körper der Ruthe, und schneidet diesen wo möglich in einem Zuge gegen die Bauchwand hin durch, worauf der vordere und seitliehe noch nicht getrennte Theil der Harnröhre in schiefer Richtung gegen die erste Schnittfläche hin vollständig durchschnitten wird. Nachdem man die vorhandene stärkere oder schwächere Blutung gestillt hat, vereiniget man die Haruröhrenschleimhaut an der hinteren oder an beiden Sei­tenwänden mit der allgemeinen Decke durch drei Hefte der Knopfnaht.
Obschon das Einlegen einer Blechröhre nach dem Abschneiden nicht unumgänglich nothwendig ist, so ist es doch anzurathen, da auch
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nach diesem Operationsverfahren besonders bei vorschreitender Heilung Verengerungen derHarnröhrenmündung entstehen können. Um die spä­ter einzuführende Röhre befestigen zu können, räth Dieterichs, sogleich nach der Amputation rechts und links einen Bleidraht mit­telst einer Spicknadel durch die Substanz und durch die Haut der Ruthe einzubringen und denselben ringförmig einzurollen.
Das Abschneiden der Ruthe bei Hunden muss des Ruthen­knochens wegen etwas modificirt werden, und zwar kann derselbe entweder abgezwickt oder durchgesägt, oder an seinem hinteren Ende abgelöset, und von der Harnröhre getrennt werden.
Her twig zieht das letztere Verfahren (die Exstirpation) dem ersteren (der Amputation) aus dem Grunde vor, weil nach demselben die Heilung viel rascher zu Stande kömmt, und seltener üble Zufälle eintreten.
Behufs der Amputation macht man einige Linien hinter der kranken Substanz einen Kreisschnitt, welcher durch die Haut und die Zellkörper bis auf den Ruthenknochen reicht, hält mittelst einer ge­spaltenen Compresse die Weichtheile der Ruthe gegen das Becken hin zurück, um sie vor Verletzungen durch die Säge zu schützen, und sägt sodann den Knochen durch, worauf man die meist nicht starke Blutung durch die Ligatur oder durch das Glüheisen stillt. Das Ab­zwicken des Knochens gibt leicht zur Splitterung desselben Veranlas­sung, und ist desshalb nicht anzurathen.
Soll die Exstirpation unternommen werden, so macht man nach Her twig's Angabe auf dem Rücken des möglichst vollständig aus der Vorhaut hervorgedrängten Gliedes etwa einen halben Zoll vor dem hinteren Ende des Ruthenknochens einen Querschnitt, der sich bis auf diesen Knochen und rechts und links bis über die Hälfte der Seiten­flächen erstreckt, beugt sodann das vordere Ende des Gliedes stark vom Leibe ab und nach hinten, schneidet die Weichtheile am hinteren Ende des Knochens bis auf die Harnröhre quer durch, drückt dieses Ende des Knochens etwas von der letzteren ab, und vollendet die Ablösung des Penis, indem man die Harnröhre in schräger Richtung unter dem Knochen nach vorne derart durchschneidet, dass sie etwas vor den schwammigen Körpern vorsteht, worauf man die Blutung aus stärkeren Gefässen durch die Unterbindung oder das Brennen, jene aus kleinen Gefässen durch kaltes quot;Wasser oder durch die Tamponation, indem man die Vorhaut mit Werg oder Charpie ausfüllt, stillt.
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Nachbehandlung. Ungünstige Zufälle.
quot;Wurde das Abbladen gewählt, so muss man, wie schon oben er­wähnt wurde, die erstangelcgte Schlinge fester schnüren, oder unmit­telbar neben dieser eine zweite anbringen; zugleich hat man den unter­bundenen Theil öfter und zwar am besten mit Chlorkalklösung zu reinigen, um die aus demselben aussickernde Jauche zu beseitigen. Die nach der Abnahme des abgeschnürten Theiles zurückbleibende Wundfläche wird nach allgemeinen Eegeln behandelt, wie dieses nach dem Abbrennen und Abschneiden gleichfalls zu geschehen hat.
Die in die Urethra eingebrachte Röhre muss, um dieselbe weg-sam zu erhalten, durch in Zwischenzeiten von einigen Tagen zu wie-' derholende Einspritzungen von lauwarmem Wasser gereiniget werden.
Bei Hunden macht man nach der Exstirpation in den ersten Tagen kalte Umschläge auf das Mittelfleisoh und die Vorhaut; im weiteren Verlaufe hat man bei diesen Thieren, welche die in die Urethra eingelegte Eöhre nicht lange dulden, besonders auf eine sich etwa heranbildende Verengerung der Harnröhrenmündung zu achten.
Besondere Zufälle, welche nach der Operation eintreten können, sind: Oedema tose Anschwellungen des Schlauches und am TJnterbauche, die man nach dem Abbinden beobachtet, ISTach-blutungen, fern er die bereits wiederholt erwähnten Verengerungen und Verwachsungen der Harnröhrenmündung, welohenicht selten ein neuerliches operatives Eingreifen, wie Hpalten der quot;Narbe, Erweitern der Mündung durch Einlegen einer Eöhre, oder selbst die Wiederholung der Amputation nothwendig maclien. Hertwig erwähnt, dass er bei gänzlicher Verengerung de? Kanales sowohl bei Pferden als bei Hunden eine künstliehe Harnröhrenfistel am Mittelfleische, durch welche die Harnentleerung stattfand, anlegen musste, und dass er bei einem quot;Wallachen, dem der Penis am obersten Ende des Schlau­ches abgenommen werden musste, in dem letzteren einen bis in das Mittelfleisoh gehenden, drei Zoll langen Einschnitt machte, den Stumpf des Gliedes in denselben legte, ihn, um eine Verwachsung mit der Haut herbeizuführen, mit vier Heften an den Wundrändern befestigte, und so der beständigen Verunreinigung des Schlauches durch den Harn vorbeugte. Ein ähnliches Verfahren schlug Eüffert aus gleichem Anlasse ein, indem er die Spitze des Stumpfes in einer, in die Vor­haut gemachten Oeffnung befestigte.
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6. Die Amputation des Tragsackes.
Diese Operation, welche in der kunstg emäss an Ab­nahme des Tragsackes besteht, ist bei Umstülpu ng en dieses Organes, bei denen die Reposition oder die Re­tention nicht gelingen will, oder bei weichen ausserdem bedeutende Verletzungen oder wesentliche Structur-v eränd erungen zugegen sind, als letzter Versuch, das Thier am Leben zu erhalten, angezeigt.
Mitunter wird bei trächtigen Hunden, bei denen der Frucht-hälterschnitt sich als nothwendig herausstellte, zugleich der Tragsack exstirpirt, um eine Entzündung dieses Organes und deren Folgen, welche das günstige Resultat des Kaiserschnittes in Frage stellen könnten, zu verhüten.
Obschon die Operation bei kleineren Haussäugcthieren im All­gemeinen gefahrloser ist, als bei dem Pferde und dem Rinde, so wird man auch bei diesen letzteren an einem erwünschten Erfolge zu zweifeln besonders dann nicht genöthiget sein, wenn die Thiere jung und kräftig sind, und Erscheinungen eines Allgemeinleidens noch fehlen.
Geschichtliches.
Binz (1380) bemerkt, dass er in keinem thierärztlichen Werke eine Beschreibung oder auch nur eine Erwähnung dieser einer grösseren Berücksichtigung und einer häutigeren Ausübung würdigen Operation, welche er im Jahre 1802 von dem Thierarzte .Tenne zum ersten Male und zwar mit glücklichem Erfolge an einer Kuh habe ausführen gesehen, gefunden habe, und setzt die Exstirpation des Uterus nach vorheriger einfacher Unterbindung weiter auseinander.
Die neuere thierärztliche Literatur weiset häufigere Fälle dieser an den verschiedenen Hausthiergattungen nach verschiedenen Methoden bald mit günstigem, bald mit ungünstigem Erfolge ausgeführten Ope­ration auf.
So unternabm z. B. M a k o r p s an einer mit einem Oebärmutter-bruche behafteten Hündin die Exstirpation von der Flanke aus. Feser nach vorherigem Fruchthälterschnitte u. s. w.
Lagerung des Thieres. Vorbereitung. Obschon die Operation auch am stehenden und in entsprechender Weise befestigten Thiere ausgeführt werden kann, so ist es doch zweck-mässiger, dasselbe hiezu u. z. auf eine oder die andere Seite zu legen.
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Sodann hat man zu untersuchen, ob in der umgestülpten Gebär­mutter nicht zugleich noch ahdere Eingeweide enthalten seien. Sollte dieses der Fall sein, so lässt man bei grösseren Thieren den Tragsack an seinem hinteren Ende recht hoch heben, und streift mit den Fin­gern von verschiedenen Seiten an ihm in der Richtung nach dem Be­cken hin, um den Inhalt in die Bauchhöhle zu bringen, während man kleine Thiere zu diesem Behüte durch einige Minuten an den Hinter­beinen senkrecht in die Höhe halten lässt, und die Entleerung des Tragsackes gleichzeitig durch gelindes Drücken und Streichen zu be­wirken sucht. Falls eine zu bedeutende Verdickung der Wandungen des Uterus der genauen Untersuchung hinderlich ist, kann man die obere Wand des Organes am hinteren Ende vorsichtig durchschnei­den, die gemachte Oeffnung auf dem eingebrachten Finger in erforderlicher Ausdehnung erweitern, und sodann den etwaigen Inhalt mittelst der Hand in die Bauchhöhle zurückbringen.
Operationsstelle. Methoden. Instrumente.
Als Operationsstelle wählt man, falls die Verletzung oder die Entartung des Organes es gestatten, das vorderste (oder bei umge­stülptem Tragsacke das hinterste) Ende der Scheide in der Nähe des Mutterhalses, um die Harnblase zu schonen.
Obschon Fälle bekannt sind, dass selbst das einfache Ab­schneiden des Uterus bei kleinen Thieren zum Ziele führte, so ist es doch stets sicherer, früher eine Ligatur anzulegen, durch welche ein hinreichend starker Druck auf die eingeschnürten Gebilde ausgeübt wird.
Wenngleich auch bei grösseren Hausthieren eine einzige Liga­tur mitunter ausreicht, so wird man doch das Anlegen mehrerer einzelner Ligaturen oder der bei den Nabelbrüchen erwähnten Schusternaht vorziehen, weil auf diese Weise die zwischen den ein­zelnen Schlingen gelegenen Theile gleichmässiger und vollständiger comprimirt werden.
Gen de legte bei einer Kuh eine etwa 25 Centimetres lange, 2 Centimetres starke Holzkluppe an.
Auch bei grossen Hunden soll man, um durchaus sicher zu ge­hen, nach Hertwig's Rath die etwas auseinandergezogene Scheide in der Mitte ihrer Breite, ebenfalls in der Nähe des Muttermundes mittelst einer grossen, mit einem doppelten Unterbindungsfaden verse­henen Heftnadel durchstechen, mit dem einen Faden eine Schleife
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nach rechts, mit dem anderen eine Schlinge nach links bilden, und derart die ganze Masse mit zwei Ligaturen abschnüren.
Auch des Ecraseurs hat man sich zur Amputation des Uterus bedient, indess wird durch den Gebrauch dieses Instrumentes, wie Feser bemerkt, einestheils die Operation zu sehr verlangsamt, und anderstheils dem Eintritte einer ülutung aus den äusseren Samen­arterien nicht zuverlässig vorgebeugt, wozu noch ausserdcm der Uebel-stand kömmt, dass die durch den Uterusstumpf möglicherweise in die Bauchhöhle eindringende äussere Luft nachtheilige Folgen herbeizu­führen vermag.
An Geräthschaften benöthiget man, je nachdem man das eine oder das andere Verfahren einzuschlagen beabsichtiget, entweder einen hinreichend starken, gewachsten Bindfaden oder eine an ihren Enden mit kleinen Holzknebeln versehene Schnur, oder eine starke Heftnadel (wies. B. die von Kühn zum Abnähen des Bruch-sackes bestimmte Nadel) und ein etwa 1 Vj Ellen langes, 1—i1/^ Li­nien starkes, gut gewachstes rundes Band, oder eine Kluppe, und ausserdem ein Messer zum Abschneiden des Tragsackes.
Ausführung der Operation.
Will man, wie es bei Schweinen, Schafen, Hunden und Katzen meistentheils, bei grösseren Hausthieren dagegen nur ausnahmsweise geschieht, bloss eine einzige Ligatur anbringen, so legt man die hiezu bestimmte Schnur an der oben bezeichneten Stelle in Form einer Schlinge (z. B. in der bei dem Abbinden der Euthe angegebenen Weise) so fest an, dass die umfassten Gebilde durch deu Druck ertöd #9632; tet werden. Der Tragsack kann dann in einer Entfernung von 1—2 Zoll von der Operationsstelle entweder sogleich, oder, falls man die Schlinge in den nächsten Tagen fester zu schnüren gesonnen wäre, am 2. oder 3. Tage abgeschnitten werden, worauf man den Stumpf sammt der Scheide in das Becken zurückbringt.
Soll dagegen, um einen vollständigeren und gleichmässigcn Druck hervorzubringen, die Abschnürung in mehreren Parthien erfolgen, so zieht man, nachdem man den Uterus an der Unterbindungsstclle platt ausgebreitet hat, an 2—3 Stellen Fäden mittelst einer Nadel durch die Häute des Uterushalses hindurch, und schnürt nun die ganze Masse in mehreren Abtheilungen zusammen, oder man legt die bei der Behandlung der Nabelbrüche angegebene Schusternaht an.
Um weniger Masse in die Schlinge zu bekommen, kann man
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auch, wie He ring anführt, die sehr verdickte Schleimhaut des Uterus an der Operationsstelle zuerst ringsum durchschneiden, und die Schlinge sodann in der Schnittfurche umlegen.
Wurde eine Kluppe angewendet, so muss diese durch 5—6 Tage liegen gelassen, und der Tragsack erst nach dieser Zeit abgeschnitten werden.
Die von S err es angegebene Moditication, welche darin besteht, dass man vorerst eine feste Rolle durch einen, an der oberen Wand des Uterus gemachten Längensehnitt in den Hohlraum des Organes bringt, und sodann erst die Ligatur anlegt, erklärt Hertwig aus dem Grunde für unzweckmässig und nicht nachahmenswerth, da durch den eingelegten fremden Körper die bei der einfachen Unterbindung erfolgende gegenseitige Berührung und Verwachsung der Wände des Uterus an der Unterbindungsstelle gehindert wird.
Soll bei Hunden die Exstirpation des Tragsackes nach vorheri­gem Fruchthälterschnitte vorgenommen werden, so unterbindet man nach Feser's Angabe zuerst die inneren Samenarterien, und schnei­det, nachdem man um den Tragsaok und zwar entweder gleich vor oder gleich hinter dem Jluttermunde eine starke Ligatur angelegt hat, denselben 2—3 Linien vor der Unterbindungsstelle ab, worauf man die Hautwunde mittelst der Kuopfnaht schliesst.
Nachbehandlung. Ungünstige Zufälle.
Die Nachbehandlung besteht in möglichst ruhigem Hallen der Thiere, in magerer Diät und in der täglich 2—3mal vorgenommenen Reinigung der Scheide und des Wurfes mit lauem Wasser. Die Hei­lung erfolgt bei kleinen Thieren meist in etwa 14 Tagen, ohne dass besondere Zufälle eintreten.
Um die A-bstossung der abgestorbenen Gebilde zu befördern, macht man anfangs Einspritzungen von schleimigen, später von aro­malischen oder zusammenziehenden Flüssigkeiten, welchen man selbst etwas Chlorkalk zusetzen kann, in die Scheide; Beschwerden beim Absätze des Harnes und der Excremente beseitiget man durch den Kalheter oder durch Klystiere; bei bedeutenderem Fieber ist ein anti-phlogistisches Heilverfahren einzuleiten.
Mitunter stelleni sich Blutungen ein, die jedoch selten von grösserei Bedeutung sind und meist leicht zum Stillstaude gebracht werden können. Auch die Entwickelung einer Bauchfellentzün­dung mit ungünstigem Ausgange wurde bereits beobachtet.
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7. Die Castration.
Die Castration ist dasjenige operative Verfahren, durch welches man die Fortpflanzungsfähigkeit der Thiere aufhebt, indem man die zur Zeugung nothwen-digen Organe, die Hoden oder die Eierstöcke entweder gänzlich beseitiget, o der eine V er ändern ng derStructur derselben herbeiführt, durch welche sie functionsun-tüchtig werden.
Die Operation, welche somit an weiblichen sowohl, als an männlichen Thieren vorgenommen werden kann, bezweckt bald die Beseitigung gewisser Krankheüen, bald aber Veränderungen des Cha­racters, der Körperform oder des Ernährungsvorganges; es sind daher bald ökonomische V ortheile, bald Heilzwecke, welche man durch die Castration zu erreichen sucht.
Die Erkrankungen, derentwegen die Castration mitunter vorgenommen wird, sind theils solche der Geschlechtsorgano selbst wie Entartungen der Hoden, bedeutende eindringende Verwundungen des Hodensackes mit Verletzung des Hodens, Hohlgeschwüro und Fi­steln am Hodensacke, Wasserbrüohe, habituell gewordene Scheidenvor­fälle u. s. w., theils anderweitige Erkrankungen, die nicht selten mit der Thätigkeit der Geschlechtsorgane in irgend einem ursächlichen Zusammenhange stehen, wie z. B. Dummkoller, Fallsucht, Starrkrampf, lähmungskrankbeit der Vaterpferde, Stiersucht. Auch bei der Opera­tion der Leistenbrüche findet meist gleichzeitig die Entfernung des Hodens der betreffenden Seite statt. Ausserdem wird die Castration bei Hengsten, die an der Chankerseuche leiden, mitunter unternommen, um die Uebertragung der Krankheit hintauzuhalten. Von einzelnen Thierärzten wurde die Operation auch als Vorbauungsmitlel gegen die spontane Entstehung der Wuth bei Hunden empfohlen.
Aus ökonomischen Rücksichten findet die Castration An­wendung, um die Fortpflanzung solcher Thiere, die aus irgend einem Grunde nicht zur Zucht verwendet werden sollen, sicher zu verhüten; um die Aufzucht der Thiere zu erleichtern, indem castrirte und weib­liche Individuen gemeinsam die Weide besuchen können: um Männ­chen grösserer Hausthiere, die zur Arbeit verwendet werden sollen, ruhiger, gelehriger, lenksamer und zu allen Zeiten zum Dienste brauch­bar zu machen; um bei Sehlachttbieren die Mastfähigkeit zu steigern und dem Fleische einen feineren Geschmack zu geben; um, was be­sonders bei Pferden von Werth ist, gewisse Veränderungen der Kör-
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perform, mehr Gleichmässigkeit zwischen den einzelnen Körperparthien zu erzielen. Schafe werden castrirt, um feine Wolle in reichlicherer Menge zu erhalten, und um dem Fleische den üblen Geruch zu be­nehmen, welches letztere auch der Zweck der Castration der Ziegen­böcke ist. Bei Kühen sucht mau durch das Verschneiden eine Stei­gerung der Milchsecretion herbeizuführen. Bei Hunden will man durch die Castration das Entlaufen vom Hause, bei Hündinnen das Zulaufen fremder Hunde hintanhalten.
Gegenangezeigt ist die Operation bei dem Vorhandensein irgend einer bedeutenderen, mit der Geschlechtssphäre nicht in Verbin­dung stehenden Erkrankung.
Geschichte der Castration.
Unstreitig gehört die Castration zu den am längsten gekannten und geübten Operationen.
In welchem Lande sie jedoch entstanden ist, und aus welchem Grunde dieselbe zuerst vorgenommen wurde, ist unbestimmt, indess lässt sich in ersterer Beziehung mit grosser Wahrscheinlichkeit an­nehmen, dass in den Sandwüsten Afrika's, in Aethiopien und Libyen der Gebrauch der Entmannung bei Menschen, und muthmasslich auch bei Thieren seinen Ursprung genommen habe. Von Aethiopien aus ge­langte die Kenntniss dieses Verfahrens zuerst nach Assyrien und Aegypten, in welchem letzteren Lande die Israeliten die Castration an Menschen und Thieren kennen lernten. Dass bei diesem Volke die Operation sehr häufig geübt worden sein musste, geht aus dem Um­stände hervor, dass man dem Ueberhandnehmen derselben durch eigene Gesetze, aus welchen sich auch die erste Nachricht über die damals gebräuchlichen Methoden entnehmen lässt, zu steuern für nöthig erachtete.
Bereits Moses (Buch III. Cap. 22, Vers 24) bezeichnet vier Methoden der Castration männlicher Thiere, nämlich das Zerdrücken der Hoden mit den Fingern, das Ausschneiden und das Ausreissen der Hoden, endlich das Zerstossen derselben zwischen zwei harten Körpern.
Von Aegypten und Phönicien aus ist das Verschneiden wahr­scheinlich schon in sehr früher Zeit den Griechen und durch diese den Römern, sowie später allen Nationen bekannt geworden; nach Deutschland dürfte dasselbe, wenigstens was Pferde anbelangt, über die Wallachei Eingang gefunden haben, oder doch zuerst von herum-
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ziehenden Leuten aus diesem Lande ausgeübt worden sein, worauf die üblichen Ausdrücke: ..Wallachquot; und „Wallachenquot; hinzudeu­ten scheinen.
Bei den Aegyptiern und Juden wurden nicht nur die zur Feld­arbeit und zum Genüsse bestimmten männlichen Tbiere grösstenlheils verschnitten, sondern es dürfte, wie Andeutungen im Talmud ergeben, die Castration auch an weiblichen Thieren, besonders an Kühen ge­übt worden sein.
Nach Hesiod war diese Operation den Griechen, nach Xeno-p h o n den Persern, nach S t r a b o den Sarmaten und Scythen von Alters her bekannt.
Aristoteles (Hist, animal. Buch IX. Cap. 3?j führt an, dass man Menschen, vierfüssige Thiere und Vögel verschneiden könne, und dass die Thiere, an denen die Operation vorgenommen wurde, ihr Aeusseres und ihren Character ändern; ausserdem erwähnt er des bei der Castration der Kälber und weiblichen Schweine üblichen Ver­fahrens.
Mago von Carthago (im 2. Jahrhunderte v. Chr. G.) spricht von dem allmäligen Zerquetschen der Hoden der Kälber zwischen zwei Schindeln; er erwähnt auch der Erste eines besonderen Verfah­rens, um Blutungen aus den Samengefassen älterer Thiere, deren här­tere Hoden nicht mehr so gut zerdrückt werden können, zu verhüten, zu welchem Zwecke er das Anlegen einer Art Klammer, aus zwei hölzernen Stäben bestehend, empfiehlt.
Varro spricht über das Alter der zu castrirenden Thiere, und erwähnt speciell der Castration des Pferdes, des Hundes und des Hahnes, Plinius auch jener des männlichen Kameeies.
Apsyrtus (um 330 nach Ch. G.) erwähnt zuerst des Abbren-nens der Hoden bei Pferden; Vegetius (gegen Ende des 4. Jahr-hundertes) bemerkt, dass die durch Abbrennen castrirten Pferde in Starrkrampf verfallen, wenn sie sich erkälten, und dass man Castraten nicht zur Ader lassen solle.
Das Abbinden beschreibt zuerst Hierocles; die bei Pferden und Rindern anwendbare Bistournage oder das Verdrehen des Hodens Laurentius Husius (im Anfange des 14. Jahrhundortes), welche Methode später (1865) von Estienne und Liebault als weniger gefährlich, als das Abschneiden der Hoden, empfohlen wurde.
Jordanus Euffus (etwa 1220) erwähnt der Castration bloss vorübergehend, und zwar bei Besprechung der Operation der Hoden­sackbrüche des Pferdes.
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Nach Verfall des römiseheu Reiches verlor sich der Gebrauch castrirter Thiere mehr und mehr, und die Schriftsteller des Mittelal­ters erwähnen der Castration fast gar nicht, sei es aus dem Grunde, weil die Operation ganz vernachlässiget, oder aus jenem, dass dieselbe ausschliesslich durch Castrirer ausgeübt wurde, ohne dass die Thier-ärzte sich weiter damit beschäftiget hätten.
In England wurde die Castration erst gegen Ende des IS. Jabr-hundertes häufiger vorgenommen, als Heinrich VII. (1496), um dorn Verfalle der Pferdezucht Einhalt zu thun, ein Verbot gegen das ge­meinschaftliche Weiden von Hengsten und Stuten erliess.
ZuRuini's Zeiten (1390) scheint die Castration wenig geübt worden zu sein, da er diese Operation nicht einmal gegen unheilbare Krankheiten der Hoden empfiehlt.
Thomas Bartholin (1641) bemerkt, dass die Dänen weib­lichen Schafen und Schweinen, dann Kühen und Stuten in der linken Weiche einen Einschnitt machen, den Tragsack heranziehen, die Eier­stöcke wegschneiden und die Wunde heften.
Auch Solleysel (1664) ist kein Lobredner der Castration, welche er für einen barbarischen Gebrauch erklärt.
Vom 17. zum 18. Jahrhunderte änderten sich indess die Ansich­ten über diesen Gegenstand vollständig, ohne dass hiefür ein beson­derer Grund aufzufinden wäre; selbst Stuten wurden auf die bereits zu Aristoteles' Zeiten bei Kameelen übliche Methode, und zwar in so bedeutender Anzahl verschnitten, dass im J. 1771 in Erankreich die Eegierung gegen diesen Missbrauch einschreiten musste.
Der Schottländer Kobertson machte im J. 1739 die Kluppeu-methode, wie sie jetzt noch üblich ist, bekannt; indess ist nicht an­zunehmen, dass er der eigentliche Erfinder dieser Methode sei, indem schon Gar sault (1741) von derselben als von einer lange bekannten Sache spricht. In einem von Ercolani aufgefundenen, von dem pie-montesischen Capitäne Emilius Asinarii stammenden Manuscripte aus dem J. 1600 ist die Anwendung der Klammer bei der Castration wohl erwähnt, indess wurde diese Oeräthschaft nicht auf den blossen Samenstrang, sondern auf den uneröffneten Hodensack, somit in der bereits von M a g o angedeuteten Weise angelegt.
Auch das Abdrehen der Hoden wurde im 18. Jahrhunderte be­kannt, und nicht selten geübt.
Die früher gleichfalls schon bekannte Castration der Kühe gerieth vom Anfange des 19. Jahrhundertes an fast gänzlich in Vergessenheit, bis neuerdings u. z. durch Thomas Winn zu Natchez in Louisiana
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(1831), sowie durch Levrat in Lausanne (1832) die Aufmerksamkeit auf dieselbe als Mittel, die Milchsecretion zu steigern, gelenkt wurde, seit welcher Zeit diese Operation u. z. entweder nach der alten Me­thode, oder mittelst des von Charlier im J. 1850 bekannt gemach­ten, und .seither verschieden modificirten Scheidenschnittes häufiger vorgenommen wird.
Zeit zur Vornahme der Castration.
Obgleich die Castration an den verschiedenen Hausthieren in jedem Lebensalter unternommen werden kann, so wird man doch stets die Zwecke, welche man durch die Operation zu erreichen sucht, im Auge behalten müssen. Hat die Castration aus Anlass vor­handener Krankheiten, eines bösartigen Characters oder der Ausschlies­sung von der Zucht wegen zu geschehen, so wird selbstverständlich auf das Alter des Thieres, oder auf anderweitige Verhältnisse eine be­sondere Rücksicht nicht genommen werden können; handelt es sich dagegen um Erzielung ökonomischer Vortheile, so wird man stets die fernere Verwendungsweise des Thieres in Betracht ziehen müssen, in­dem es hiebei nicht gleichgiltig bleiben kann, ob die Thiere früher oder später verschnitten werden. Die nähere Erörterung dieser Ver­hältnisse ist jedoch Gegenstand der Zuchtkunde, und es möge hier nur die allgemein giltige Bemerkung Platz finden, dass die Thiere- die Operation meist um so leichter überstehen, je jünger sie sind, und dass die Ausführung einzelner Castrationsmcthoden sowohl bei zu jun­gen, als auch bei zu alten Thieren entweder sehr schwierig, oder selbst vollkommen unmöglich wird.
Von den Jahreszeiten sind wohl das Frühjahr und der Herbst zur Vornahme der Castration am geeignetsten, weil die Thiere zu die­ser Zeit weder von bedeutender Hitze noch Xälte zu leiden haben, indess wird die Operation bei Beobachtung der allgemein giltigen Vorschriften auch im Sommer oder Winter ohne Nachtheil geübt wer­den können.
, Wo möglich, unterlasse man das Operiren während des Herr-schens gewisser Seuchen, wie z. B. des Milzbrandes, oder zu einer Zeit, in welcher Fälle von Starrkrampf häufiger vorkommen.
1. Castration männlicher Thiere.
Die Castration männlicher Thiere kann auf verschiedene Weise ausgeführt werden. Diese verschiedenen Methoden sind:
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I.nbsp; nbsp;Mit Beibehaltung der Hoden:
1.nbsp; nbsp;Das Klopfen der Hoden.
2.nbsp; Das Klopfen der Samenstränge.
3.nbsp; nbsp;Das Brennen mit Durchstechen der Hoden.
4.nbsp; nbsp;Das Umdrehen oder Verdrehen der Samenstränge und Hoden.
5.nbsp; nbsp;Die subcutane Unterbindung des Samenstranges.
II.nbsp; nbsp;Mit Beseitigung der Hoden:
A.nbsp; nbsp; Mit gleichzeitiger Hinwegnahme eines grossen Theiles des Hodensackes:
6.nbsp; nbsp;Das Abbinden des Hodensackes.
7.nbsp; nbsp;Das Anlegen einer Klammer auf den Hodensack.
B.nbsp; Mit Erhaltung des Hodensackes;
8.nbsp; nbsp;Das Abreissen der Hoden.
9.nbsp; nbsp;Das einfache Abschneiden derselben.
10.nbsp; Das Durohschaben des Samenstranges.
11.nbsp; nbsp;Das Durchschneiden des Samenstranges mit dem ölüheisen.
12.nbsp; nbsp;Das Abdrehen der Hoden.
13.nbsp; Das lineare Abquetschen des Samenstranges.
14.nbsp; nbsp;Die Unterbindung des Samenstranges im Ganzen.
15.nbsp; Die Unterbindung der Samenarterie allein.
16.nbsp; nbsp;Das Abquetschen des Samenstranges mittelst Kluppen, oder die Kluppenmethode.
Es gibt wohl noch mehrere andere Castrationsverfahren, die je­doch, in nur wenigen Fällen bisher versucht, keinen practi sehen Werth besitzen.
Dass die Castration auf eine so mannigfache Weise ausgeführt werden kann, hat, wie auch Hering bemerkt, seinen Grund theils in den Abweichungen, welche die Geschlechtsorgane bei den einzelnen Hausthiergattungen darbieten, theils aber in individuellen Verhält­nissen ; diese Umstände werden bei der Wahl einer Operalionsmethode nicht unberücksichtiget bleiben dürfen, obschon der günstige Erfolg der Castration im Ganzen weniger von der Methode, als von der Sorg­falt und Sicherheit, mit welcher sie unternommen wird, abhängt. Die­ser Umstand ist Ursache, dass ein Operateur dieser, ein zweiter jener Methode, auf die er vorzugsweise eingeübt ist, und durch welche er demnach auch die relativ günstigsten Besultate erzielt, den Vorzug vor allen anderen einräumt.
Ucbcr die Vor- und Bquot; achtheile der einz einen C as tra-tionsmo thoden, über die Anwendbarkeit derselben bei den ver-
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schiedenen Thiergattungen, so wie bei den Individuen verschiedenen Alters wird Nachstehendes bemerkt:
Diejenigen Methoden, bei denen die Hoden nicht beseitiget wer­den, sondern in Folge traumatischer Einwirkung oder behinderter Er­nährung eine Structuränderung erleiden sollen, durch welche sie func-tionsuntauglich werden, sind im Allgemeinen unsicher, weil es nicht immer gelingt, die Samenabsonderung gänzlich aufzuheben und den Geschlechtstrieb vollkommen zu unterdrücken.
Das Klopfen der Hoden, welches von Aristoteles bei jungen Pferden empfohlen, später in Spanien häufig geübt wurde, gegenwärtig aber fast gänzlich in Vergessenheit gerathen, in einzelnen Ländern sogar geradezu verboten ist, bietet eben so wenig, wie das, heutzutage nur hie und da, z. B. in einigen Gegenden Frankreichs bei Stieren übliche Klopfen der Samenstränge, welches von ß e y dem Verdrehen des Samenstranges vorgezogen, und von (i o u r-d o n als ein leicht ausführbares Verfahren bei Rindern in allen jenen Fällen, in denen die Bistournage nicht vorgenommen werden kann, empfoh­len wird, hinreichende Garantie eines sicheren Erfolges, wenn die, immer mit sehr heftigem Schmerze verbundene Quetschung der Gebilde nicht den erforderlichen Grad erreichte.
Das gleichfalls nicht mehr übliche Durchstechen der Ho­den mit einem glühenden Drahte gibt nicht selten zur Ent­stehung von Fisteln Veranlassung.
Das Verdrehen der Hoden und Samenstränge, die Bistournage, ein bei uns nicht gebräuchliches, in Frankreich da­gegen sehr beliebtes, und vorzugsweise beim Kinde, weniger häufig bei älteren Widdern und Böcken, dann bei Pferden angewendetes Verfahren wird von einigen Thierärzten sehr gerühmt, von anderen dagegen verworfen. Hering ist der Ansicht, dass diese Methode vielleicht in heissen Ländern, wo man offene Wunden weit mehr, als in kälteren zu fürchten hat, Vortheile gewähre. Die Bistournage ist, wie selbst die Vertheidiger derselbön zugeben, schwierig auszuführen; sie erheischt nicht nur sehr viel Fertigkeit, sondern meist auch eine bedeutende Kraft und nicht selten viel Zeit (•/„—3/4 Stunden); ihre Ausführung stösst bei zu jungen Thieren, deren Hoden klein und schlaff sind, nicht minder aber bei alten Thieren, bei denen die Dar-toshaut mit der allgemeinen Scheidenhaut durch kurzes, straffes Zell­gewebe verbunden ist, wo die Serotalhäute überhaupt dick sind, auf bedeutende Schwierigkeiten, oder wird selbst unmöglich, was auch bei kurzen Samensträngen, sehr grossen oder langen Hoden der Fall ist.
Foraler. Operalionslehre für Thierarzlc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 28
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Der Vortheil, dass die Pferde, welche durch Verdrehen der Samen­stränge castrirt wurden, ihre Lebhaftigkeit, ihr Feuer weniger ver­lieren, als nach der Castration mittelst anderer Methoden, ist nur imaginär, denn entweder glückt die Operation nicht, und dann blei­ben die Pferde bösartig und unzugänglich, oder sie gelingt, die Hoden atrophiren, und es findet sich kein unterschied gegenüber den auf andere Weise entmannten Pferden. Wurde die Operation schlecht aus­geführt, so zeigen die Thiere noch immer Geschlechtsaufregung, sie mästen sich schlecht, und geben nur mittelmässiges Pleisch, welches bei Schafen ausserdom noch den miangcnehmcn Geruch behält. Gour-don empiiehlt daher diese Methnde nur für die zur Arbeit bestimm­ten Rinder, nicht aber für Schlachtvieh, während Serres dieselbe dagegen bei Wiederkäuern überhaupt für angezeigt erklärt. Da das Verdrehen, wie schon früher bemerkt wurde, Hebung und besondere Geschicklichkeit erheischt, so ist es leicht erklärlich, dass eines nicht fehlerfreie Ausführung der Operation mannigfache Zufälle, wie Zurück­drehen des Samenstranges, Zerreissen desselben, heftige Entzündungen mit Gangrän des Hodensackes oder mit Fistelbildung, Hodeniieischbrüche, Bauchfellentzündung u. dgl. bedingen kann, Zufälle, welche, wie die oft sehr beträchtlichen Anschwellungen des Hodensackes und der Umgebung, die Thiere mitunter für mehrere Monate dienstuntauglich machen, oder selbst den Tod herbeiführen können.
Die von Fromage de Feugre (1809), sodann von Bou-chon im J. 181S besohriobenc, später (1843) von Dr. Martini in Biberach, von Miquel, Dentler und Eu eff wiederholt ver­suchte subeutane Unterbindung des Samenstranges ist in den südlichen Departements Frankreichs vorzugsweise bei solchen Rindern gebräuchlich, bei denen die Bistournage nicht gelang. Man vermeidet zwar durch dieses, höchstens bei jungen Thieren mit dünnen Samenslrängen, z. B. bei Kälbern, Lämmern, Böcken anwendbare, bei Thieren mit starken oder kurzen Samensträn­gen, wie bei Stieren, Hengsten, Eltern durchaus nicht zu empfehlende Verfahren eine grössere Wunde am Hodensackc, gibt aber dagegen zu Versenkungen des Blutes, zu langwierigen, Monate andauernden Eiterungen, zu Brand des Hodensackes Veranlassung.
Das Abbinden des Hoden sack es, ein gleichfalls sehr altes, leicht ausführbares Verfahren, findet vorzugsweise bei älteren Schafen, mitunter auch bei jüngeren Stieren Anwendung. Die Ent­mannung erfolgt zwar, wenn die Zusammensehnürung der Schlinge den erforderlichen Grad erreichte, vollkommen und ohne besondere
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Zufälle, •werden dagegen die Theile, was bei einigermasson bedeuten­derem Umfange derselben leicht geschehen kann, nicht hinreichend stark zusammengeschnürt, so sterben diese nur unvollständig ab, es entstehen heftige Schmerzen, langwierige Eiterung, seihst Starrkrampf. Ausserdem entwickelt sich nicht selten über der Ligatur eine sehr starke Geschwulst, und die unterbundenen Parthieen verbreiten in Folge des eingetretenen Brandes einen äusserst widerwärtigen (reruch.
Auch das hie und da als Thierquälerei polizeilich verbotene Anlegen einer Klammer auf den Hodensack ist blos bei älteren Stieren und Widdern im Gebrauche; bei den letzteren Thieren wird es indess von einigen Thierärzten z. B. von M a g n e allen an­deren Methoden unbedingt vorgezogen.
Beide eben genannten Methoden haben nach Hering's Ansicht den Uebelstand, dass ein grosser Theil des Hodensackes verloren geht, und dass durch dieselben die Schmerzen unnöthig gesteigert werden. Her twig macht nebenbei die in ökonomischer Beziehung nicht unwichtige Bemerkung, dass die Schlächter die durch das Ab­binden oder das Abklammern des Hodensackes castrirteu Rinder nicht gerne kaufen, weil bei diesen, ihrer Ansicht nacli erst in vorgerück­terem Alter entmannten Thieren wegen Fehlen des Hodensackes ein Merkmal zur Beurtheilung der Fettheit fehlt. Zugleich hat die An­wendung der Klammer das Unangenehme, dass die Tliiere durch die­selbe beim Liegen genirt sind, welche Unbequemlichkeit sich durch Benützung kleinerer, mit abgerundeten Ecken versehener Klammern verringern, wenn auch nicht ganz beheben lässt.
Bas Abreissen der Hoden ist zwar eine der ältesten Methoden, findet indess heutzutage nur bei jungen Thieren Anwen­dung. Sie wird von Schäfern und Yiehschneidern vorzugsweise an 3—4 Wochen alten Lämmern und Kälbern geübt, gibt jedoch wegen der stets stattfindenden Zerrung des Samenstranges beim Rinde zur Entstehung des inneren Bruches oder des sogenannten Ueberwurfes Veranlassung. Auch Blutungen in die Bauchhöhle, Bauchfellentzündun­gen werden öfter nach dem Abreissen der Hoden beobachtet.
Eben so gefährlich ist mit Rücksichtnahme auf Blutung das von L a-f osse empfohlene einfacheAbsch neiden derH o d e n , welches bei grösseren Thieren keine Anwendung finden kann, denn, wenngleich Versuche ergeben haben, dass auch bei diesen Thieren die Blutung sich häufig von selbst stillt, so hat der immerhin bedeutende Blut­verlust besonders bei schon von früher her schwächlichen Individuen stets eine beträchtliche Abnahme der Kräfte, Verzögerung der Heilung
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u. s. w. zur Folge, Nachtheile, die durch Aii-wendung einer anderen Operationsmethode leicht vermieden werden können. Bei Lämmern, bei 1—2 Monate alten Rohweinen, bei Händen unter '/j Jahre kann dagegen das einfache Abschneiden der Hoden ohne Furcht vor Gefahr in Anwendung kommen.
Das vonApsyrtus und Hierocles zuerst erwähnte und vor der weiteren Verbreitung der Kluppeumethode häufig geübte Durch­brennen des Samenstranges ist vorzugsweise in den wärmeren Ländern, weniger in Europa im Gebrauche. Nach Hering erweiset, sich diese Methode bei alten Hengsten, welche sich nach der Opera­tion nicht mehr leicht beikommen lassen, um eine Nachoperation, wie z. B. die Abnahme der Kluppen, ausfuhren zu können, als vor-theilhaft; mit A usnahme solcher Fälle findet dieses Verfahren bei Pferden nicht Anwendung. Die jS'achtheile des Abbrennens sind, abge­sehen von der Feuergefährlichkeit, darin begründet, dass die Hitze auch auf die angrenzenden Theile, wenn diese nicht gehörig geschützt werden, einwirkt, und dass durch Abstossen des Brandschorfes leicht Nachblutungen entstehen können. Nichtsdestoweniger wird diese Me­thode von einzelnen Thierärzten, besonders von Leuther sehr ge­rühmt, und ihre Anwendung bei über ein Jahr alten Stieren, bei Widdern, Ziegenböcken und Schweinen auf das Wärmste empfohlen.
• Auch das Durchamp;chaben des Samenstranges ist ein in Europa selten geübtes Verfahren. Nach den Angaben der englischen Thierärzte werden in Indien, von woher die genannte Methode wahr­scheinlich stammt, auch ältere Hengste mittelst derselben castrirt. Bei Pferden ist das Durchschaben indess nicht zu empfehlen, weil es vor Blutung nicht sichert, welche um so leichter sieh einstellt, je rascher das Durchschaben ausgeführt wurde; für Hunde soll es sich gleich­falls nicht eignen, weil diese Thiere an 'der Wunde lecken oder sogar den Stumpf des Samenstranges benagen, wodurch die Bildung eines Blutpfropfes verhindert, und (relegenheit zu selbst tödtlichen Blutun­gen gegeben wird. Jüngere Rinder, so wie ältere Schweine können auf diese Weise castrirt werden.
Das in Deutschland und England schon lange gekannte, und von Tög 1, M ogall a, Wo Is t ein, Hohlwes bereits beschriebene Abdre­hen der Hoden ist gegenwärtig besonders in Ungarn und linssland'bei halbwilden Fohlen, so wie bei solchen, die gleich nach der Operation auf die Weide gelassen werden sollen, noch immer eine sehr beliebte Castrationsmethode, die auch bei Pferden unter vier Jahren, bei über ein Jahr alten Stieren, bei Widdern, Ziegenböcken und Ebern Anwendung
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finden kann. Auch französische Thicrärzte castriren gegenwärtig häufig durch Abdrehen, und einige derselben, besonders Dillon, welcher sich für den Erfinder der begrenzten Torsion hält, wollen durch die­ses Verfahren alle anderen Castrationsmethoden verdrängt wissen. Hering wendet das Abdrehen vorzugsweise bei älteren Bullen an, bemerkt jedoch, dass er, um sich vor Xachblutung zu sichern, den Stumpf des Samenstranges zu unterbinden wiederholt genöthiget war. hei Thieren mit sehr starken Samensträngen ist das Abdrehen nicht anzurathen, da die Operation einestheils zu viel Zeit in Anspruch nimmt, und anderstheils verschiedene üble Zufälle eintreten können. Die Nachtheile des fehlerhaft ausgeführten Abdrehens sind mannig­faltig und führen mitunter selbst den Tod des Thieres herbei. Wird z. B. der Samenstrang mittelst der Castrirzange nicht in erforderlichem Grrade zusammengedrückt, so pflanzt sich das Drehen auch auf das über der Zange gelegene Stück des Samenstranges, selbst bis in die Bauchhöhle hinein fort; es muss sehr Innge gedreht werden, bis der Hode abreisst, oder es entwickelt sich sogar eine Bauchfellentzündung; wendet man eine Zange, deren innere Bänder scharfkantig sind, an, so dreht sich der Strang zu nahe an dem Instrumente ab, und man hat Blutungen zu fürchten, während bei Anwendung zu breiter Zan­gen die Abdrehung nicht selten dicht am Hoden erfolgt, und der zurückbleibende Theil des Samenstranges zu lang ist, sehr stark an­schwillt, aus der Wunde heraushängt, in Eiterung übergeht, und ent­weder erst spät abfällt, oder selbst entartet. Solche Entartungen kön­nen sich auch aus dem Grunde entwickeln, weil der Samenstrang nicht allein an der Stelle, an welcher der Hode sich ablöst, sondern auch noch an anderen Punkten gequetscht und gezerrt wird. Findet die Abdrehung zu nahe am Bauchringe statt, so kann der kurze Samenstrangstumpf in die Bauchhöhle schlüpfen, aus welcher er im Falle einer Blutung nicht leicht hervorgeholt werden kann. Bei jun­gen Thieren kann ausserdem während des Drehens die Hodensubstanz aus ihrer weichen Umhüllung herausgepresst werden. Bei Schweinen beobachtet man oft Krämpfe und immer eine nicht unbedeutende Ent­zündung des Samenstranges. Das Abdrehen ohne Anwendung einer Castrirzange ist höchstens bei kleinen und jungen Thieren zulässig.
Das von Bou ley (1856) zuerst, später (18S8) von Bosch now in Petersburg bloss an Pferden versuchte und von Busse für eine ausgezeichnete Methode erklärte Abquetschen des Samenstran­ges mittelst desEcraseurs wird nie eine allgemeine Anwendung finden können. Obschon es sicher ist, dass, was Busse hervorhebt,
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bei vorschriftsmässiger Handhabung des Instrumentes gar keine oder eine nur ganz unbedeutende Blutung stattfindet, die Nothwendigkeit einer Naohoperation gänzlich entfällt, ein fremder Körper in der Wunde nicht vorhanden ist und eine nur massige Entzündung und somit auch baldige Heilung eintritt, so ist es anderstheils gleichfalls erwie­sen, dass die Thieve des durch die viel Zeit in Anspruch nehmenden Operation bervorgerufenen, sehr heftigen Schmerzes wegen äusserst unruhig werden, sich zu befreien suchen, und sich dadurch Hernien zuziehen können, aus welchem Grunde Beule y vor der Anwendung dieser Methode warnt, wenn das Thier nicht narcotisirt wurde. Wird die um den Samenstrang gelegte Schlinge rascher zusammengeschnürt, so kann Blutung eintreten, und es entfällt somit der Hauptvortheil, den man durch den Gebrauch des nebstbei sehr kostspieligen Instru­mentes erlangen will.
Die ün terbind ung des Samenstranges im Ganzen, deren bereits Gaspard de Saunier (1734) und Bartlet (17S6) als einer schon längst gekannten Methode erwähnen, wird von einigen Thierärzten für das beste, von anderen dagegen für das schlechteste Verfahren erklärt. Als Vortheile der Unterbindung werden leichte Ausführbarkeit, geringer Instrumentenapparat, Hinwegfallen der Noth-wendigkeit einer Sachoperation und Sicherheit vor Blutung angeführt. Indess werden nach derselben häutig genug üble Zufälle, namentlich Starrkrampf und Bauchfellentzündung, beobachtet. Zudem hat diese Methode das Unangenehme, dass die äussere Wunde mitunter früher zuheilt, ehe die Ligatur und das unterbundene Samenstrangstück sich losgestossen haben, und dass sich in Polge dessen Hodensaokabscesse bilden. Die Unterbindungsfäden können wegen Verengerung der Wunde nicht herausfallen, sondern müssen von dem Thierarzte heraus­gezogen werden, wodurch der Vortheil, dass die Operation in einem einzigen Acte beendet ist, gleichfalls verloren geht. Zu hoch unter­bundene Samenstränge können, wie nach dem Abdrehen, in die Bauch­höhle schlüpfen, und bedeutende Gefahr hervorrufen. Leuther beo­bachtete bei 2—3jährigen, durch Unterbindung castrirten Rindern zu wiederholten Malen aneurysmatische Krampfadern und Fisteln am Samenstrange. Die bereits von Hartmann (1786) ausgesprochene, von Dieterichs wiederholt geltend gemachte Ansicht, dass der Samenstrang älterer Pferde zu viel Masse darbiete, um mit einem Male vollständig zusammengeschnürt werden zu können, und dass desshalb ein wiederholtes Xachschnüren der Ligatur, zu welchem das Thier jedesmal geworfen werden müsse, nothwendig sei, erklärt Hert w ig
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für unrichtig, indem seiner Erfahrung nach auch hei alten und sehr grossen Hengsten das einmalige Anlegen einer mit hinreichender Kraft zusammengezogenen Ligatur ausreicht, um eine vollkommene Abtöd-tung des Samenstranges herbeizuführen. Jedenfalls ist es besser, nicht den ganzen Sameustrang, sondern nur die vordere (Gefäss-) Parthie desselben zu unterbinden.
Die Unterbindung des Samenstranges wird höchstens bei 1—2jäh-rigcn Fohlen, bei Schweinen, Hunden und Katern, selten bei Stieren bei denen sie in den meisten Fällen eine heftige und schmerzhafte Entzündung der Samenstränge und des Scrotums veranlasst, ausgeführt. Bei älteren Pferden, besonders bei solchen, deren Samenstränge sehr kurz oder bedeutend dick sind, sowie bei Ziegenböcken, welche dar­nach nicht selten in Starrkrampf verfallen, ist die Unterbindung durch­aus nicht anzurathen.
Die von Lafosse, später von Spinola vorzugsweise empfoh­lene Unterbindung der isolirten Samenarterie, durch welche man den üblen Folgen des Druckes auf die Samennerven vor­beugen will, eignet sich nach Strauss für alle Fälle, und besitzt bloss das Beschränkende, dass man einen Gehilfen, welcher die Liga­tur kunstgemäss anzulegen versteht, benöthiget, und dass, wenn nicht auch die Schlagader der Scheidenhaut sogleich unterbunden wird, oft Nachblutungen, welfche eine nochmalige Unterbindung erheischen, ent­stehen, die jedoch, wie Hering bemerkt, auch aus den varicösen Venen des Samenstranges stattfinden können. Indessen hat dieses Ver­fahren trotzdem, wahrscheinlich weil es mehr Geschicklichkeit und Kenntniss erfordert, nie eine ausgebreitetere Anwendung gefunden, und aus diesem Grunde lässt sich nach Her twig's Meinung über die reellen Vor- und Naohtheile desselben nichts Gewisses aussprechen. S er res spricht sich, was das Pferd betrifft, durchwegs gegen die Ligatur, dieselbe mag in welcher Weise immer ausgeführt werden, aus. Ob ich hält die Unterbindung der Samenarterie nach Seifert's Me­thode bei Saug- und einjährigen Fohlen mit dünnen Samensträngen für sehr empfehlenswerth, da hiernach eine Blutung nie zu befürchten ist, und die Thiere sogleich wieder auf die Weide gelassen werden dürfen. Auch bei über ein Jahr alten Stieren und bei älteren Schwei­nen ist die Methode anwendbar.
Die Castration mittelst Kluppen wird namentlich beim Pferde von fast allen Thierärzten den übrigen Castration smethoden vorgezogen, da sie die relativ günstigsten Resultate liefert. Dieselbe kann mit Vortheil auch bei alten Stieren, Widdern und Ebern ange-
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-wendet werden. Ein wesentlicher Vortheil der Kluppenmethode ist der, dass man bei normaler Beschaffenheit der Theile vor Blutung durchaus gesichert ist, indem die durch längere Zeit liegen blei­benden Kluppen einen gleichförmigen und hinreichend starken Druck ausüben, den zwischen ihnen befindlichen Theil des Sa-menstranges gänzlich ertödten, und so eine vollkommene Ver-schliessung der Gefässe herbeifuhren. Dass auch die Kluppenme­thode ebenso wie jedes andere Verfahren von Mängeln nicht voll­kommen frei ist, indem hiebei Zerrungen des Samenstranges, starke Eeizung der Wunde, Abreissen der Kluppen u. dgl. möglich sind, unter allen Umständen jedoch eine mitunter mit bedeutenden Schwie­rigkeiten verbundene Nachoperation, das Abnehmen der Kluppen, nothwendig ist, ist wohl eine nicht zu bestreitende Thatsache, indess lassen sich durch ein entsprechendes Operiren, so wie durch eine an­gemessene Behandlung die Naohtheile entweder ganz verhüten oder doch wenigstens vermindern.
Dass Lafosse, Spinola, Benjamin, Dillon und wenige Andere die Kluppenmethode als ganz unpraktisch und gefährlich ver­worfen, ist aus der Vorliebe der genannten Thierärzte für andere, eben so wenig fehlerfreie Methoden erklärlich. Die Castration mittelst Kluppen, welche aller Erfahrung nach die beste und sicherste Methode ist, und verhältnissmässig am seltensten üble Folgen nach sich zieht, kann auf zweifache quot;Weise ausgeführt werden, indem man die Kluppen entweder auf den blossgelegten Samenstrang, oder auf die uneröffnete Scheidenhaut anlegt. Während das erstere Verfahren in Deutschland, England und Eussland das fast ausschliesslich gebräuchliche ist, zie­hen die französischen Thierärzte die letztere Modification vor, durch welche dem Luftzutritte zu den Samensträngen gewehrt, und dem Austreten von Eingeweiden vorgebeugt werden soll, indess beobachtet man hiebei andere, nicht unwesentliche Nachtheile, welche, wie He­ring bemerkt, darin bestellen, dass die durch die Kluppen zusam­menzudrückende Masse zu voluminös ist, dass das Aetzmittel auf die Scheidenhaut, wo es nichts nützt, wirkt, dass Netz oder Darm mit eingeklemmt werden können, dass das mitunter in der Scheidenhaut angesammelte Serum eine üble Beschaffenheit annehmen und, in die Bauchhöhle gelangt, schädlich wirken kann, und dass schliess-lich die Thiere nach der Operation noch weit mehr zu leiden schei­nen, indem Koliken und anderweitige Zufälle durchaus nicht selten auftreten.
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Vorbereitung und Lagerung des Thieres.
Einer besonderen Vorbereitung der Thiere bedarf es durchaus nicht; das längere Fasten, die Vornahme von Aderlässen, die Verabreichung von Abführmitteln u. dgl. sind zu verwerfen.
Was die Lagerung anbetrifft, so kommen hiebei nicht nur die individuellen Eigenschaften des Thieres, sondern auch die ge­wählte Operationsmethode, so wie die Gewandtheit des Operateurs in Berücksichtigung.
Obschon die Castration an Pferden von einzelnen Castrirern und Thierärzten, wie z. B. von Bouillard, welcher bloss ganz junge Fohlen niederlegen lässt, bei älteren Pferden dagegen meist nur eine Bremse anlegt, am stehenden Thiere vorgenommen wird, so ist dieses Verfahren wegen der mit demselben verbundenen Gefahr für das Thier sowohl, als auch für den Operateur durchaus nicht zu empfehlen, und man bringt die Thiere auf eine der bekannten Arten entweder in die Seiten- oder in die Rückenlage. Wählt man die erstere Position, wozu man nicht selten aus Mangel an Gehilfen ge-nöthiget sein wird, so lässt man den rechten Hinterfuss des auf der linken Seite liegenden Pferdes möglichst nach vorwärts ziehen, oder beide rechten Füsse an der Bauchgurtc befestigen.
Auch Stiere können im Stehen oder im Liegen castrirt wer­den ; letzteres ist bei alten Thieren stets vorzuziehen. Soll die Opera­tion im Stehen unternommen werden, so bindet man das Thier mit dem Kopfe an einen Pfahl oder an eine Wand kurz an, lässt einen Vorderfuss aufheben, das Hintertheil des Rindes durch Gehilfen von beiden Seiten her stützen, und nöthigenfalls auch die Hinterfüsse spannen.
Schafe werden meist in der bei der Impfung am Schweife ge­bräuchlichen Weise gehalten; Schweine vor den auf einem niedrigen Stuhle, auf einer Bank o. dgl. sitzenden Operateur so gelegt, dass das Hintertheil des Thieres an dem rechten Unterschenkel des Opera­teurs ruht, und in die Höhe gerichtet ist Zugleich setzt derselbe seinen linken Fuss auf den Hals des Thieres, um es mehr gegen den Boden zu drücken und festzuhalten, während ein Oehilfe das­selbe mit jeder Hand an einem Hinterfüsse hält.
Hunde legt man mit den Rücken auf einen Tisch und lässt sie von Gehilfen halten, oder sie werden, wie Her twig anführt, mittelst einer um den Hals gelegten Schlinge an einen Nagel oder Haken an der Wand aufgehangen, durch welches anscheinend barbarische, aber
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bequem auszuführende und ganz gefahrlose Verfahren die Thiere be­täubt werden, und den durch die Operation verursachten Schmerz weniger erapiinden.
Selbstverständlich wird man in allen Fällen, man mag welche Castrationsmethodc immer wählen, unmittelbar vor dem Beginne der Operation nochmals eine genaue Untersuchung des Scrotums vorneh­men müssen, um etwa vorhandene abnorme Zustände ausmitteln und sein weiteres Handeln diesen entsprechend einrichten zu können.
Ausführung der verschiedenen Operationsmethoden. I. Methoden mit Beibehaltung der Hoden.
1.nbsp; nbsp;Das Klopfen oder Lähmen der Hoden wurde nach Fromage de Feugre in doppelter Weise ausgeführt, indem man entweder die durch eine an dem oberen Theile des Hodensackes an­gelegte Klammer im unteren Abschnitte des Scrotums festgehaltenen Hoden auf einem Klotze mit einem hölzernen Hammer so lange klopfte, bis die (Quetschung hinreichend stark war, um eine Verödung der Drüse herbeizuführen oder die Hoden mit einer, mit breiten und flachen Armen versehenen Zange stark zusammendrückte. Bei jungen Thieren kömmt man selbst durch Quetschen und Kneten der Hoden mit den Fingern allein zu demselben Resultate.
2.nbsp; nbsp;Das Klopfen der Samenstränge findet entweder gleichfalls mittelst eines Hammers, mit welchem man die auf einem Klotze liegenden Samenstränge klopft, statt, oder man führt das Zer­quetschen mittelst zweier runder, S'/s Fuss langer und 2 Zoll dicker Stäbe aus hartem Holze und einem mit Blei ausgegossenen Hammer aus Buchsbaumholz aus oder zerdrückt den Samenstrang mit ei­ner Zange.
B o u 1 e y beschreibt die Ausführung dieser, nach E, e y 's Ansicht auch bei Fohlen und Widdern anwendbaren Methode folgendermassen:
Der hinter dem stehenden Stiere, dessen Hinterfüsse gespannt sind, und dessen Niederfallen man durch zwei, kreuzweise unter dem Bauche durchgeführte Stangen verhindert, seinen Platz einnehmende Operateur fasst den Hodensack oberhalb der Hoden zwischen beide, in querer Richtung, u. z. eines an der vorderen, das andere an der hin­teren Fläche des Scrotums angelegten Hölzer, welche er durch Ge­hilfen fest zusammendrücken und sodann zusammenbinden lässt; hier­auf dreht er die Hölzer etwas nach vorwärts um ihre Längenachse, so dass sie nun übereinander zu liegen kommen, und der Samenstrang eine doppelte Knickung erleidet. Die Gehilfen stützen sofort die
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Enden der Holzstäbe auf ihre Kniee, und der Operateur führt, indem er die Hoden mit einer Hand festhält, mit dem Hammer mehrere, nicht zu starke Streiche auf den, am unteren Holzstabe ruhenden Theil des einen Samenstranges, worauf er das Manoeuvre an dem zweiten Samenstrange wiederholt, eine nur wenig zusammengezogene Schlinge oberhalb der Hoden anlegt und den Hodensack mit Fett oder Butter einschmiert, um die Entzündung zu massigen. Eine wei­tere Behandlung ist entbehrlich.
Auf eine ähnliche Weise werden in Ostindien Pferde castrirt. Nachdem das Pferd in die Rückenlage gebracht ist, und die in den Grund des Hodensackes möglichst weit zurückgedrängten Hoden durch eine unterhalb derselben angelegte Schlinge mit laufendem Knoten an Ort und Stelle erhalten sind, presst man die Samenstränge mit den, mit einer aus Butter und Curcuma bereiteten Salbe be­strichenen Händen durch etwa zwanzig Minuten stark zusammen, fasst sodann den Hodensack in eine aus Bambusrohr gefertigte Klammer, die man fest zusammenbindet, und so lange liegen lässt, bis das Thier zum ersten Male geharnt hat. Gegen die starke Anschwellung wendet man Waschungen mit kaltem Wasser an. Dieses von einem englischen Otfiziere, Tapp, im Jahre 1834 bekannt gemachte Verfahren, wel­ches wohl sicher eine Atrophie herbeiführt, dürfte in Europa noch keine Anwendung gefunden haben.
Als Cnriosum mag hier auch das von Anderson bekannt gemachte Verfahren der Lappländer, Kennthiere zu caslriren, Erwähnung finden. Der Ope­rateur kniet zwischen die Hinterschenkel des auf den Rücken gelegten Thieres, ergreift den Hodensack mit einer Hand, und zerkaut die Saraenstrünge, bis beide zerquetscht sind, was schnell, ohne besonderen Schmerz geschieht, und nie üble Zufälle nach sich ziehen soll. (Repert. der Thierheilk. 1863. pag. 88)
3.nbsp; Das Brennen der Hoden wurde mittelst glühend ge­machter Stifte oder Nadeln vollführt, um Entzündung und in Folge dieser schliesslich Schwund des Hodens herbeizuführen.
4.nbsp; nbsp;Das Umdrehen des Samenstranges und Hodens, die Bistournage, besteht darin, dass man den Samenstrang, ohne ihn abzureissen, im Hodensacke dreht, um eine Obliteration der Ge-fässe, und in Folge dieser einen Schwund des Hodens herbeizuführen; es ist dieses Verfahren somit eine subeutane Torsion. Damit diese stattfinden könne, ist eine Lösung der Verbindung zwischen der Dar­tos und der Scheidenhaut unbedingt nothwendig, worin eben bei äl­teren Thieren die Hauptschsvierigkeit des ganzen Verfahrens bestellt. Das Irrige der früher ausgesprochenen Ansicht, dass die Drehung des
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Samenstranges innerhalb der Seheidenhaut vor sich gehe, wnrde von iSerres und Gourdon auf das Eclatanteste nachgewiesen.
Pferde werden hiezu in die Rückenlage mit erhöhter Croupe gebracht, während man Rinder im Stehen, und zwar meist im Stalle operirt; ältere Böcke und Widder lässt man von dem sitzenden Ge­hilfen mit nach abwärts gekehrtem Rücken zwischen die Beine neh­men, und die Füsse je einer Seite mit der Hand halten. Beim Pferde knieet der Operateur hinter dem Thiere, beim Kinde stellt er sich mit ausgespreizten Füssen hinter dasselbe oder kniet gleichfalls, bei kleinen Thieren sitzt er.
Bei älteren Pferden, besonders aber bei Eseln, wird, um die Hodensackhäute nachgiebiger zu machen, vor Beginn der eigentlichen Operation ein Glas Essig oder Wasser auf den Hodensack geschüttet; bei anderen, vorzugsweise Jüngeren Thieren ist dieses nicht noth-w endig.
Die in vier Acte zerfallende Ausführung dieser, wie schon frü­her bemerkt, in Frankreich ziemlich beliebten, bei uns aber gar nicht gebräuchlichen Methode beschreibt Hering in kurzer, nichts desto weniger aber präcisen Weise folgendermassen:
Der Operateur fängt damit au, die Hoden mit beiden Händen nach abwärts zu drücken; er lässt sofort, indem er den Hodensack an der Spitze fasst, die Hoden wieder heraufsteigen, und wiederholt die­ses Auf- und Abschieben derselben so oft, bis die Scheidenhäute und die Samenstränge ausgedehnt (erschlafft) sind. Der zweite Act des Verfahrens besteht darin, dass der Operateur den Samenstrang dicht über dem Nebenhoden mit dem Daumen, Zeige- und Mittelfinger der linken Hand fasst, sodann mit der rechten Rand den Hodensaok an seinem unteren Ende nimmt, und auf der äusseren Fläche der Finger den Hoden nach oben umzuschlagen sucht, so dass sein unteres Ende nach oben sieht. Im dritten Acte lässt man die Hände los, fasst von Neuem den umgeschlagenen Hoden mit beiden Händen, richtet den rechten Daumen auf den Anfang des Samenstranges, und dreht den Hoden zuerst einmal mit der linken Hand, dann abwechselnd mit der rechten Hand zweimal um seine Längenachse, und schiebt ihn zuletzt von unten nach oben bis an den Bauchring. In gleicher Weise wird sofort mit dem rechten Hoden verfahren, und, wenn beide hin auf­geschoben sind, bindet man eine starke Schnur, durch welche das Zurücksinken der Hoden und das in Folge dessen notwendigerweise eintretende Aufdrehen des Samenstranges verhindert werden' soll, dicht unter den Hoden rings um den Hodensack, oder wickelt dieselbe
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von der Spitze des Hodensackes gegen den Bauch zu etwa 8—lOmal streif herum- und knüpft die Enden sodann durch eine aufziehbare Schleife. Etwa nach 24—48 Stunden, während welcher Zeit sich bereits eine hinreichende (iceschwulst, welche die Hoden gegen den Leistenring gedrängt erhält, gebildet hat, entfernt man die Schnur, widrigenfalls Gangrän des unterbundenen Theiles des Scrotums erfol­gen könnte. Auch nach dieser Methode ist bei regelrechtem Verlaufe eine weitere Nachbehandlung nicht nothwendig.
Je nach der Beschaffenheit des Hodensackes und des Hodens werden auch bei diesem Verfahren gewisse Modificationen sich als unerlässlich herausstellen, wenn die Operation gelingen soll. So er­scheint mitunter die Verbindung zwischen der Dartos und der Schei­denhaut .so fest, dass die Separation dieser Häute nur sehr schwer ausführbar ist, und der Operateur sich nicht selten durch einen Ge­hilfen ablösen lassen, oder die Operation auf mehrere Stunden unterbre­chen muss. Festal räth, in einem solchen Falle erst nach 24 Stun­den, während welcher Zeit sich eine serös-blutige Flüssigkeit zwischen die Häute ergossen hat, einen neuerlichen Versuch anzustellen. Ist der Hoden klein, fast rund, der Hodensack sehr schlaff, und der Samen­strang schwach, so wird zwar die Drehung selbst keine besonderen Schwierigkeiten machen, indess wird das Erhalten der Hoden in dem oberen Theile des Scrotums nur dann gelingen, wenn man sowohl unter- als auch oberhalb der Hoden eine Schlinge anlegt, und beide Schlingen seitlich mit einander verbindet. Sollte die Operation das erste Mal nicht nach Wunsch ausgefallen sein, so wiederholt man nach 18—24 Stunden dieselbe, oder man castrirt das Thier auf eine andere Weise.
Von dem oben auseinandergesetzten Verfahren weicht die von Corradi beschriebene, von dem italienischen Thierarzte Rocco ge­übte, jedoch nur an Wiederkäuern ausführbare Bistournage insoferne ab, als nach dem Drehen des Samenstranges der Hode mit beiden Händen erfasst, und durch einen raschen und kräftigen Zug nach ab­wärts .vom Samenstrange losgerissen wird, was um so leichter gelingt, je mehr Drehungen stattgefunden hatten. Die Hoden werden sodann gegen den Bauchring hinaufgeschoben, und durch eine unter ihnen angelegte Schlinge, welche nach 24 Stunden abgenommen wird, in ihrer Lage erhalten. Diese Modification wäre wohl der in Frankreich gebräuchlichen Bistournage insoferne vorzuziehen, als eine fernere Thätigkeit des abgerissenen Hodens unmöglich ist; es ist dagegen sehr
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zu bezweifeln, dass das Abreissen des Hodens bei sehr resistenten Samensträngen älterer Tliiere leicht auszuführen ist.
Cliedhomine dreht den Hoden so oft (20—30mal) um, bis er endlich abreisst, entfernt Hin jedoch sodann, indem er an jeder Hodensackhälfte einen von vor- nach rückwärts verlaufenden Einschnitt macht, worauf die Hodensack­wunde mit Salzwasser ausgewaschen wird. Bei 800 auf diese Weise castrirten Rindern sollen aussei-einigen Hodensackabscessen durchaus keine weiteren Nach #9632; krankheiten vorgekommen sein.
5. Die subcutane Unterbindung des S amen st ranges.
Dieses bei uns nur versuchsweise vorgenommene, in Frankreich beim llinde häufiger übliche Verfahren besteht in einer subcutanen Zusammenschnürung des Samenstranges durch eine mittelst einer Na­del entweder bloss unter die allgemeine Decke oder unter die all­gemeine Scheidenhaut eingebrachte Schnur, um die Gefässe zur Obliteration und den Hoden zum Schwunde zu bringen.
Das Verfahren selbst wurde von den einzelnen Thierärzteu mehr weniger modificirt.
a)nbsp; nbsp;Nach der Vorschrift von S er res wird der Stier wie zur Bistournage befestiget oder in einen Nothstall gebracht, und der Hin-terfuss jener Seite, an welcher operirt wird, nach vorne gezogen; der Operateur kniet hinter dem Thiere, und lässt durch einen Gehilfen den Hoden im Grunde des Hodensackes festhalten. Operirt er z. B. auf der linken Seite, so erfasst er den Samenstrang so hoch als mög­lich mit Daumen und Zeigefinger der linken Hand, zieht ihn nach rückwärts und sticht die starke, gekrümmte, mit einem 80 Centime­tres langen, festen und gewachsten Faden versehene Nadel in gleicher Höhe mit der Stelle, an welcher der Daumen liegt, ein, umgeht mit derselben den Samenstrang und sticht sie in der Eingangsöffnung wieder aus, worauf mittelst zweier, an den Enden befestigter, kleiner, hölzerner Knebel die Fadenschlinge so stark als möglieh zusammen­geschnürt wird. Wird reehterseits operirt, so tixirt man mit der rech­ten Hand den Samenstrang, und führt die Nadel mit der linken. Der Faden kann entweder iunerhalb oder ausserhalb der Scheidenhaut liegen; letzteres ist weniger gut, da die Zusammenschnürung der be­deutenderen Masse nicht so gut gelingt, und der Erfolg unsiche­rer wird.
b)nbsp; nbsp;Chicot-Fontenille dreht die Schlinge mittelst eines seitlich durohgesteckten HolTOlabes zusammen, und lässt diesen, indem er ihu durch Anbinden mittelst der Fadenenden in seiner Lage sichert, durch 30 Stunden liegen.
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c)nbsp; nbsp;V a t e 1 sticht den Hodensack vollkommen durch, und führt sodann die Nadel durch die vorhandenen Stichölfnungen wieder zurück, jedoch so, dass ein Theil des Fadens rechts, ein zweiter links vom Samenstrange liegt, und schnürt den letzteren sodann zusammen.
d)nbsp; nbsp;Miquel fasst eine schmale Hautbrücke in die Ligatur, um das Hin- und Herbewegen des Samenstranges zu hindern, und dem Eiter leichteren Abliuss zu verschaffen.
e)nbsp; nbsp;Nach Dr. Martini, welcher diese Methode an Widdern, Böcken, Stieren und Hunden versucht hat, henöfhiget man hiezu eine spitzige und eine stumpfe Nadel, eine hänfene Schnur, zwei Knebel und eine S c h e e r e.
Die zur Benützung bei kleinen Hausthieren bestimmte spifzige Nadel ist 2'/, Zoll lang, mit einer lanzenförmigen, zweischneidigen, scbarfen Spitze ver­sehen, vorne etwa zwei Linien breit, rückwärts cylindrisch und daselbst lang geöhrt. Die stumpfe Nadel, welche den gewöhnlichen .Schnürstiften ähnelt, ist etwa eben so lang, wie die entere, etwas schmäler; sie hat laquo;wei Flächen, nicht schneidende Ränder und eine etwas stumpfe Spitze, um sich nicht in der Haut zu fangen.
Die geeigneteste Stelle zur Unterbindung ist die Mitte des Sa-menslranges zwischen. Bauchring und Hoden.
Die Ausführung selbst beschreibt Martini in nachstehender Weise:
Ist das Thier auf den Hucken oder auf die Seite gelegt, so greift der Operateur zwischen den Hoden und dem Baiichringe durch, und drängt den rechten Samenstrang an der zur Operation bestimmten Stelle mit den Fingern der rechten Hand gegen die äussere Seite des Hodensackes zunächst dem rechten Schenkel, sticht sofort die mit der Schnur versehene, spitzige Nadel zwischen dem auswärts gedräng­ten Samenstrange und den Spitzen des Daumens und Zeigefingers von hinten nach vorn durch beide Blätter des Hodensackes und der Dar-toshaut durch, zieht sie vorne an jenem aus und die Schnur nach; die scharfe Nadel wird entfernt, und das vordere Ende der Schnur in die stumpfe Nadel eingefädelt; Hoden und Samenstrang nehmen indess ihre natürliche Lage wieder ein. Die letztere Nadel wird nun durch die vordere Wunde eingeführt, zwischen dem Hodensacke und der Dartos u. z. hart an der inneren Fläche des ersteren vorgescho­ben, und durch die hintere Wunde ausgezogen, worauf man den rings umgangenen Samenstrang fest zusammenschnürt, und nun linker­seits ebenso vorgeht.
Da die Ligatur erst nach längerer Zeit herauseitert, das Ein-
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heilen derselben aber keinen günstigen Erfolg hat, so zog Martini bei den späteren Versuchen die Schnur mit einem schraubenartigen Instrumente so fest an, dass sie zerriss, und die Stücke derselben sogleich entfernt werden konnten.
Hieher gehören auch noch einige andere Methoden, welche gleichfalls die Function der Hoden- ohne Entfernung dieser Organe selbst aufheben sollen, welche indess sieh in der Praxis wenig oder gar nicht bewährten. So z. B. die ebenfalls von Martini versuchte, mit Rücksicht auf die Weite der Samenarterie jedoch höchstens bei jungen Thieren anwendbare subeutane D ure h s chn eid ung des Samenstranges, welche in der Weise ausgeführt wird, dass man den' Samenstrang möglichst weit nach der äusseren Wandung des Hodensackes hinausdrückt, zwischen ihm und den Fingerspitzen der rechten Hand überdemrankenförmigenCieäechte ein schmales Fistelmesser mit gegen den Grund des Hodensackes gerichteter Schneide von hin­ten nach vorne einsticht, die Sehneide nach aussen gegen den Samen­strang wendet, letzteren gegen erstere mit dem Zeigefinger drückt, während man mit' Daumen und Mittelfinger einen Zug an dem Hoden ausübt, und den Samenstraug nun durchschneidet. Den tier castrirte viele Kälber verschiedenen Alters und Ziegenböcke nach dieser Me­thode, und fand, dass die totale Durchschneidung der Samenstränge bei 1—3 Monate alten Thieren binnen zwei Monaten vollständige Atrophie der Hoden zur Folge hatte, aus welchem Grunde er dieses Verfahren bei jungen Thieren dringend anempfehlen zu müssen glaubt. Rueff dagegen beobachtete bei zwei 2jährigen Widdern Eiteransamm­lung im Hodensacke, welche die Eröffnung desselben erheischte.
Auch die subeutane Unterbindung der durch einen klei­nen Schnitt blossgelegten S amenarteri e oder jene der vorderen Parthie des Samenstranges haben eben ao wenig, wie die Unterbindung oder die Durchschneidung des samenab­führenden Gefässes allein einen praktischen Werth. Während Taylor die Unterbindung des Vas deferens bei einem Hunde mit Erfolg ausgeführt haben will, fanden Miguel und Goubaux, dass die castrirten Thiere das Naturell männlicher Thiere behielten. Nach dem Abschneiden des Samenstranges beobachtete Hering Schwindeii des Hodens und Verwachsung desselben mit der Scheidenhaut.
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II. Methoden mit Hiuweguahnie der Testikeln, u z. A. Mit gleichzeitigem Verl u st e des Hoden sacke s.
6.Das Abbinden des Hodensackes.
Zu diesem, wie schon erwähnt, meist nur bei älteren quot;Widdern, seltener bei jüngeren Kindern gebräuchlichen Verfahren benötliiget man eine hinreichend lange, feste Schnur, an deren Enden Knebel angebunden sind. Diese darf weder zu dünn, noüh zu dick sein, da sie im ersteren Falle entweder zerreissen oder zu stark einschneiden, in letzterem dagegen zu wenig einschnüren würde.
. Kachdem das Thier in die Kückcnlage gebracht ist, rupft man die Wolle an der Operationsstelle aus, oder scheert die etwa vorhan­denen Haare ab, legt die aus der Schnur gebildete Aderlass- oder Castrirsehlinge unterhalb der Hoden in der Weise an, dass von dem. gegen die Bauchwand gezogenen Hodensacke möglichst viel erspart werde, und schnürt nun die Schlinge thunliehst stark zusammen. Mitunter wird ein einmaliges Schnüren hinreichen, um das Absterben des unterbundenen Theiles herbeizuführen; meist wird man jedoch bei der bedeutenden Masse der in die Ligatur gefassten Gebilde die­sen Vorgang durch mehrere Tage und so lauge wiederholen müssen, bis entweder das unter der Schnur betindliche Stück des Hodensackes sammt den Hoden abfällt, oder ohne CJefahr einer Blutung abgeschnit­ten werden kann, was bei Schafen etwa nach 4—5 Tagen der Fall ist, worauf man die Schlinge gleichfalls entfernt.
(Clintmann wendet das Abbinden auch bei älteren Stieren mit sehr gutem Erfolge an, benutz! jedoch zu dem Zusammenschnüren der Ligatur ein eigens hiezu construirtes, dem Ecraseur ähnelndes, aus einer Schraube mit Handhabe bestehendes Instrument.
Der Best des abgestorbeneu Tlieiles stösst sieh später los, und die Heilung erfolgt bei massiger Eiterung.
7. Das Anlegen einer Klammer auf den Hodensack.
Zur Ausführung dieser Methode an Stieren, welche Thiere im Stehen operirt werden, ist eine Klammer erforderlich, welche aus zwei platten, 7—10quot; langen, 1quot;/' breiten, am äusseren Rande quot;.,quot;, ,im inneren 2'quot; dicken Stäben von hartem Holze besteht, welche an einem Ende mittelst eines Charnie-rcs, dessen Seitenthoile den äusseren Rand der ganzen Klammer bedecken, so verbunden sind, dass sie wie die Schenkel eines Zirkels von einander entfernt werden können; au dem audeien Ende eines Stabes ist eine 3quot; lange Schraube Forster, Operation^tehre für Thierlrzte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 29
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angebracht, welcbe bei dem Sohliessen der Kluppe dmoh die ihr gegenüber­stehende Oeffnung in dem zweiten Stabe greift, und dann mit einer Mutter ver­sehen wird, mittelst welcher beide Stäbe in beliebiger Stärke aneinander ge-presst werden können. Bei Schafen bedient man sich eiaerner, etwa 6quot; langer, etw^a sltquot; breiter, ähnlich constrnirter Klammern, deren Hälften sich mit ihren inneren Rändern ganz genau an einander legen, so dass zwischen ihnen kein Zwischenraum vorhanden ist.
Diese Klammer wird geöffnet • von vorn nach hinten oberhalb der Nebenhoden auf den ausgebreiteten Hodensaok und auf die hin­tereinander liegenden Samehsträn'ge geschoben, so dass jederseits ein gleich grosses Stück der Klammer über das Scrotum vorsteht, in horizontale lliehlung gebracht, und sodann mittelst der Schraube so fest als möglich geschlossen. Die Klammer bleibt auch liier so lange liegen, bis der eingeklemmte Theil, dessen Absterben man durch das in den .ersten Tagen wiederholte festere Anziehen der Schraube be­schleunigen kann, abfällt, oder abgeschnitten werden kann, was nach hinreichend starker Compression bei Stieren nach 8—10 Tagen, bei Schafen nach k-,—5 Tagen zulässig ist, worauf man die Klammer gleich, oder in 1—2 Tagen abnehmen kann.
S err es und Gourd on schieben die Klammer, deren innere Ränder mit Fett bestrichen werden, um beim Abnehmen des Instru­mentes nicht an den abgestorbenen Gebilden anzukleben von rechts nach links auf den Hodensack, so dass eine Branche an der vorderen, die zweite an der hinteren Fläche .desselben liegt.
Die Heilung erfolgt wie nach dem Abbinden bei ein­facher Reinhaltung der quot;Wunde binnen kurzer Zeit.
Den eben besprochenen Operationsmethoden muss auch das nach Strauss in Gebirgsgegenden beim Verschneiden der Stiere, Widder und Böcke angeblich sehr häufig geübte Abbrennen des Samen­stranges sammt dem Hodensacke angereiht werden.
Zu diesem Verfahren ist eine hölzerne Klammer, deren läng­lich viereckige Branchen, 1' lang, 3quot; breit und 1quot; dick, an einem Ende ein Charnier von Eisen haben, an dem anderen dagegen mit­telst einer, durch beide Theile hindurchgehenden Schraube geschlossen werden können, ferner ein Messer und Brenneisen erforderlich.
Nachdem die Klammer wie bei der vorhergehenden Methode an­gelegt wurde, schneidet man den unter derselben liegenden Theil ab, und brennt die Wunden- mit dem Glüheisen, wobei man, um einen dickeren Brandsehorf zu erzielen, Harzpulver, gestossenen Zuckere, dgl. auf die Wundfläche aufstreuen kann.
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B. Mit Erhaltung des Hodensackes.
Die meisten derjenigen Methoden, bei welchen die Hoden allein entfernt werden, der Hodensack jedoch erhalten bleibt, erheischen als ers t en Operationsact die Elossle.gung der Hoden; nur die Kluppenmethode und die Unterbindung des Samen­stranges kann mit oder ohne Eröffnung der Scheiden­haut, gemacht werden. Die Pranzoson bezeichnen die letztere, bei ihnen ziemlicb beliebte Modification mit dem Ausdrucke: „Ca­stration ä testicules couvertsquot;, während die e rstere: „Ca­stration a testicules decou.vertsquot; genannt wird.
Die Instrumente, deren man zur Eröffnung des Hodensackes bedarf, sind: Ein convexes Bistouri und eine gerade oder eine nach der Kante gebogene geknöpfte Sehe ere.
Die Eröffnung selbst u. z. jene mit Elosslegung der Hoden geschieht beim Pferde in nachstehender Weise:
Nachdem dasselbe auf die linke Seite gelegt oder in die Eüeken-lage gebracht wurde, knieet der Operateur im ersteren Falle ganz nahe an dem hinteren Rande der Hinterbacken, im letzteren dagegen der rechten Hinterhacke etwas näher nieder, untersucht den Hoden­sack noch einmal genau, und orfasst denselben sammt den Hoden mit der linken auf den Schlauch iiach aufgelegten Hand, indem er diese in der Weise von vor- nach rückwärts schiebt, dass schliess-lich bei dem Umgreifen des Scrotums der Daumen' auf einer, 'die übrigen Finger auf der anderen Seite des Hodensackes liegen, und die Hoden auf dem Daumen und dem Zeigefinger, mittelst welcher zugleich die Haut über den Testikeln möglichst straff gespannt wird, aufruhen, wobei.man darauf zu achten hat, dass die Naht genau die Mittellinie einnehme, was mit Zuhilfenahme der rechten Hand leicht bewirkt wird.
Um das bei Fohlen mit kleinen Hoden und kurzen Samensträn­gen oft sehr schwierige Erfassen der Hoden zu erleichtern, hat Fi­scher das Anlegen einer Schlinge über beiden Testikeln vor dem Niederlegen des Thieres empfohlen; mich Günther, welcher dieses' Terfahren nicht für zweckmässig erachtet, sollquot; man in einem solchen Falle die Hoden von vorne her, in der Tiefe, dicht unter dem Bauch­ringe suchen und erfassen, während Hering es dagegen vorzieht, die Castration auf so lange zu verschieben, bis der Samenstrang sich verlängert hat.
Sind die Hoden in entsprechender Weise gestellt, so bezeichnet
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man mit dem Nagel des Daumens der rechten Hand beiderseits die Stelle, an welcher die Schnitte, welche sich über 23 der Länge des Hodens erstrecken, stets von der Eaphe einen Zoll entfernt und einander parallel geführt werden sollen, gemacht werden, und schnei­det nun mit dem geballten Bistouri in einem sanften gleichmässigen Zuge die äussere Haut in der früher bemerkten Ausdehnung und Richtung zuerst auf der linken, sodann auf der rechten Hodensack­hälfte durch. Ist dieses gcschelien. so lässt man den rechten Hodeu los, hält den linken auf dieselbe Weise, wie früher beide, fest, und trennt in der Mitte des ersten Schnittes die; tiefer gelegenen Schichten des Hodensaokes mit kurzen Messerzügen, bis man in die Hodensack­höhle oder auf den Hoden kömmt; sodann bringt man durch die ge­machte Oeffnung das breite, geknöpfte Llatr der Scheere ein, und durchschneidet nach vor- und nach rückwärts die gemeinschaftliche Scheidenhaut in gleicher Länge mit der äusscren Wunde. Hiebei darf man jedoch den in der linken Hand gehaltenen Hoden nicht gegen die Wunde pressen, widrigeüfalls derselbe zu früh heraussehlüpft, und der Schnitt zu klein wird, welchem Uebelstaude man sodann durch nachträgliche Erweiterung der Wunde mittelst der Scheere abhelfen müsste. Eine zu grosse Wunde verzögert höchstens die Heilung etwas, eine zu kleine dagegen kann in Folge zu rascher Verengerung zu Abscessen, Fisteln u. dgl. führen und es ist daher der von Schell­hase ertlieilte Kath, den Schnitt nur so. gross zu machen, dass man die Hoden hervorpressen kann, durchaus nicht zu empfehlen.
Strauss macht darauf aufmerksam, die Hodensackhöhle nicht früher für geöffnet zu halten, bevor nicht Serum oder Blut zum Vor­scheine kömmt, widrigenfalls man in der Voraussetzung des Vorhan­denseins von Verwachsungen des Hodens mit der Suheidenhaut die letztere von der Dartoshaut ablösen könnte.
Hat man den Hoden blossgelegt, so beseitiget man denselben nach einer oder der anderen Methode, ergreift sodann die rechte Hälfte des Hodensackes mit dem in derselben befindlichen Hoden auf die nämliche Art, legt auch diesen auf die angegebene Weise bloss, und nimmt denselben hinweg.
Es gibt auch, jedoch bloss von Laien geübte Verfahren, bei welchen mit der Blosslegung der Hoden die Castration eigentlich auch beendiget ist. So erwähnt z. B. Ereolani, dass in Piemont die Hirten in der Weise eastriren, dass sie den Hodensack aufschneiden, die Häute desselben siegen den Bauch hinaufschiebei), und die Hoden hängen lassen; der antrcschwollene Hodensaok comprimirt den Samenslrang, der der Luft ausgesetzte Theil des letzteren, sowie die Hoden vertrocknen und fallen binnen 3—4 Tagen ab.
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Indess werden auch in Ungarn 1—2.iährige Sfiere und alte Widder mit angeblich stets gutem Erfolge in der Weise castrirt, dass man am Hodensacke jederseits einen kleinen Einschnitt macht, die Hoden ohne viele Gewalt heraus­drückt, und das Thier sich selbst üherlässt.
Graf zu Oaransebes castrirte Pferde. Stiere oder Widder, indem er eine aus einer seidenen Schnur gebildete Schlinge um den Hodensack legte, in die­sen zwei sehr kleine Einschnitte machte, durch diese die Hoden mit Gewalt hervorpresste, hierauf durch eine Viertelstunde auf die Einschnitte Eis hielt, und dann die Schnur langsam abnahm. Dieses Verfahren soll den Vortheil ha­ben, dass die Pferde nicht niedergelegt werden müssen, und dass ^'^^^en unmittelbar nach der Operation zum Dienste verwendet werden können. (Oeko-nomische Neuigkeiten und Verhandlungen. 1811. pag. 56.)
Festal macht bei jungen Thieren, ferner bei Stieren, bei denen die Bistournage misslungen, mit dem Bistouri an der Convexilät des zwischen Dau­men und Zeigefinger der linken Hand gehaltenen Hodens einen Schnitt durch die weisse Haut, drückt das Parcnchym heraus, und lässt den Rest gleich­falls hängen.
Miquel durchbohrte den Samenstrang oberhalb des Nebenhodens und steckte den Hoden zweimal durch diese Oefinung durch; nach 36 Stunden fielen die Hoden von selbst ab.
Fast das gleiche Verfahren empfiehlt Mangold (Wochenschrift für Thier-heilkunde und Viehzucht. 1865. pag. 237.) Derselbe castrirt Stiere im Stehen, indem er nach Blosslegnng des Hodens die Scheidenhaut zurückschlägt, das Band, welches diese mit dem Nebenhoden verbindet, mit dem Zeigefinger der linken Hand durchbricht, es bis zum Schweife des Nebenhodens herab zerreisst oder zum Theile mit dem Messer ablöset, dann ein Messer mit nach aufwärts gekehrter Schneide etwa eine Hand breit über dem Hoden mitten durch den Samenstrang durchsticht, die gemachte Oeflnung mit dem Zeigefinger der linken Hand je nach der Dicke des Samenstranges erweitert, und diesen letzteren etwa 1 '/j Zoll unterhalb der Durchstichsstelle durchschneidet, worauf er das Samenstrangende durch die Oefinung von rück- nach vorwärts zwei- bis dreimal durchsteckt und dann an demselben leicht anzieht. Pferde können auf diese Weise ebenfalls castrirt werden, nur sind sie zur Operation niederzulegen.
Die Blosslegung der Hoden kann jedoch auch auf eine andere von dem eben angegebenen Verfahren etwas abweichende ' Manier geschehen. So kann man z. B. den ersten Schnitt schon so tief füh­ren, dass die gemeinsame Scheidenhaut durchschnitten wird, wobei man jedoch möglicherweise gleichzeitig den Hoden verwundet, ein Zufall, der wohl bei dem Umstände, als das verletzte Organ ohnehin im nächsten Momente weggenommen wird, nicht von Bedeutung ist, der indess doch besser vermieden wird. Ebenso wird mitunter gleich im Beginne die linke T-lodensackhälft e allein gefasst und der Hode dieser Seite entfernt, sodann erst rechterseits operirt, oder es werden beide Hoden unmittelbar nach einander blossgelegt, und dann erst
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hinweggenommen, welche letztere Modification jedoch nur dann zu­lässig ist, wenn das Thief in der Rückenlage castrirt wird, widri­genfalls der obere hervorhängende Kode die Manipulation an dem unteren Samenstrange stört. Auch Dieterichs' Vorschrift, aussei' dem Schnitte über jedem Hoden noch einen dritten, 1—2quot; langen, seichten Schnitt in der Raphe zu machen, ist nach Hart wig's An­sicht ganz verwerflich.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;#9632; .
Soll dagegen a tcsticules converts operirt werden, so macht man nach vorherigem Erfassen des Hodensackes auf der gröss-ten Wölbung des Hodens einen vom Kopfe bis zum Schweife des Nebenhodens reichenden Läugenschuitt durch die äussere und die Fleischhaut, und löset, während man mit der linken Hand. einen Druck auf den Hoden ausübt, mit den Fingern der rechten Hand die Verbindungen zwischen der letzteren und der gemeinsamen Scheiden­haut. Gelingt dieses Loslösen mit den Fingern allein nicht, wie es bei alten Pferden am Schweife des Nebenhodens mitunter geschieht, so nimmt man Bistouri oder Scheere zu Hilfe. Hat man das verbin­dende üewebe getrennt, so schiebt man die durchschnittenen Häute des Hodensackes gegen den Dauchring hinauf und unterbindet nun den von der gemeinsamen Scheidenhaut bedeckten Samenstrang, oder legt an denselben eine Kluppe an.
Bei Stieren eröffnet man den Hodensack entweder auf die bei Pferden gebräuchliche Weise, legt aber die Schnitte bloss ein Drittel Zoll von der Naht entfernt an. oder man drängt die Hoden gegen den Bauchring, und schneidet nun mit dem Bistouri den un­teren leeren Theil des Scrotums in einer Länge von 1—ifL Zoll quer ab. Sollte hiedurcli die Scheidenhaut nicht durchschnitten sein, so drängt man den Hoden gegen dieselbe, um sie zu spannen, und spaltet sie sodann. Hertwig hält jedoch die erstere Art der Bloss-legung der Hoden für zweckmässiger.
Auch bei Lämmern ist das Abschneiden der Spitze des Ho-densaokes in, einer Länge von 3/4— 1 Zoll (das sog. Kappen) last ausschliesslicb gebräuchlich, welches gleichfalls bei älteren Böcken Anwendung linden kann, obschon bei diesen letzteren die Blossleguug der Hoden auch in derselben Weise, wie beim Pferde, oder derart, dass man an der Spitze des Scrotums einen queren Schnitt, durch welchen beide Hälften desselben gleichzeitig eröffnet werden, macht, ausgeführt werden kann.
Bei Schweinen erfasst man mit den Fingern der . linken Hand das bei diesen Thieren mehr nach hinten und oben liegende
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Scrotum, drückt die Hoden ein wenig von dem Becken ab, und schnei­det sodann die Häute aij jeder Hälfte, etwa 5—6 Linien von der Naht entfernt, von der Mitte an bis zur niedrigsten Stelle durch. In ähnlicher Weise geht man bei Hunden vor.
Die Methoden der Entfernung der Hoden selbst sind;
8. DasAbreissenderHodon.
Dieses wird von, Schäfern an Lämmern in der Weise aus­geführt, dass sie die Hoden mit den Zähnen fassen und ?ie, während der Samenstrang mit den Fingern festgehalten wird, herausreissen. Rationeller ist jedenfalls das von Hertwig erwähnte Verfahren, bei welchem man das zurückführende öamengefass zuerst durchschneidet, sodann das Ende des Samenstranges dicht am Hoden auf den Rücken des Messers nimmt, es daselbst mit dem daraufgelegten Daumen fest­hält, und den Hoden vom Samenstrange entweder abreisst oder mit dem Fingernagel abkneipt.
Bei Stieren werden die Hoden, wenngleich selten, auch abge­rissen, indem man, wie Hertwig angibt, den Samenstrang in einiger Entfernung von dem Hoden mit den Fingernägeln der linken Hand oder, mit den Zähnen festhält und sodann durch starkes plötzliches Ziehen die Abtrennung bewirkt, welches Verfahren mit der verhält-nissmässig geringsten Zerrung des Samenstranges verbunden ist, oder ihn um den Zeigefinger der linken Hand wickelt, und dann den Ho­den abreisst, oder endlich auf die Weise, dass rqan den Samenstrang bloss durch Zusammendrücken des Hodensackes mit den Fingern -der linken Hand fixirt, und den Hoden mit der rechten Hand entfernt.
Eine besondere Nachbehandlung ist nicht nöthig. Schäfer pflegen die Wunde und das Scrotum mit Fett zu bestreichen, oder etwas Salz, Asche o. dgl. darauf zu streuen.
9. Das Abschneiden der Hoden wird ganz einfach mit einer stumpfen Scheere, mit welcher man den Samenstrang, nachdem man ihn, was besonders bei der Gastration von Stieren nicht unterlassen werden soll, 2—3mal um seine Achse ge­dreht hat, an seiner dünnsten Stelle, nämlich da, wo die Venenge­flechte aufhören, durchschneidet, ausgeführt.
10. Das Durchschaben des S amen st range s.
Zur Ausführung dieser besonders bei Hunden, Böcken und Ebern gebräuchlichen, jedoch auch bei Pferden und Rindern ausführbaren Methode benöthiget man ein nicht sehr scharfes Messer, mit welchem man die üefässparthie des auf dem Zeigefinger der linken Hand auf-
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mhendeu Samenstranges au der dünnsten Stelle desselben in einer Länge von etwa einem Zolle durchschabt, wobei man mit dem in der Rich­tung nach auf- und abwärts bewegten Instrumente weder zu stark aufdrücken, noch schneiden darf, um sich vor Blutung möglichst zu sichern. Ist die Trennung geschehen, so schneidet man die den Sa­menleiter enthaltende Falte durch, und entfernt den Hoden, worauf man den Hodensack über die Samenstränge herunterzieht, und ge­wöhnlich etwas Fett in die Wunde streicht. Sollte sich im Hoden­sacke etwas Blut angesammelt haben, so drückt man dasselbe heraus. Auch nach diesem Verfahren hat man bloss für entsprechende Reini­gung der Wunde Sorge zu tragen.
11. Das Durchbrennen der Sa menstr ängu. Die zu dieser Methode erforderlichen U eräthschaft en sind: Eine Klammer, oder in Ermangelung dieser eine Castrirzango oder eine gewöhnliche Castrirkluppe zum Festhalten des Samen­stranges, und messerförmige B re nneis en.
Die ans Holz oder Eisen gearbeiteten Klammern sind einfaeh oder doppelt. Eine solche einfache Klammer besteht aus zwei platten, gegen 10quot; langen, l',./' breiten, 3'quot; starken, an einem Ende durch ein Charnier mit einander verbundenen Eisenstähen ; 4,quot; vor dein freien, den Handgriff des Instrumentes bildenden Ende ist an dem inneren Rande einer Hälfte ein Quer-stab angebracht, welcher durch eine an der anderen Hälfte angebrachte Oeff-nung hindurchgebt und mittelst einer Schraube festgestellt werden kann. Vor-theilhaft ist es, der Klammer eine grössere Breite zu geber, um die benachbarten Gebilde vor der Einwirkung der Flitze besser zu schützen, aus welchem Grunde auch Hertwig an den änsseren Band der eben beschriebenen Klammer einen 1 '/V breiten Ansatz anbringen licss. Denselben Zweck kann man indess auch durch .Auflegen von in kalles Wasser getauchten Leinwandlapppn auf die Wund­lippen des Hodensackes und auf die innere Fläche der Schenkel erreichen. Die doppelten Klammern, mit welchen beide, Samenstränge zugleich gefasst wer­den, was indess auch mit einer einfachen Klammer geschehen kann, sind aus drei, in gleicher Weise, wie bei der einfachen Klammer unter einander vereinig­ten Theilen zusammengesetzt, werden jedoch seltener benutzt.
Die Operation selbst, zu welcher die Thierc am zweckmässigstcu in die Rückenlage gebracht werden, obschon bis zwei Jahre alte Rin­der auch im Stehen castrirt werden können, wird nach Hertwig folgendermassen ausgeführt:
Nachdem man den Samenstrang des auf die bekannte Weise blossgelegten linken Hodens durch Trennung des Nebenhodenbandes von der Scheidonhaut ganz frei gemacht hat, fasst man den ersteren, u. /. etwa einen Zoll vom Hoden entfernt, in die Klammer, welche man miltelsl der Schraube, oder falls eine solche nicht vorhanden
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ist, mittelst eiaes umgewickelten Eandes schliesst, wobei man das In­strument, um Zerrungen des Samenstranges zu verhüten, gegen den Bauchring herabdrücken läset, zieht den mit der linken Hand gehal­tenen Hoden massig stark in gerader llichtung von der durch einen Gehilfen fixirten Klammer ab, durchschneidet den derart angespannten Öamenstrang zwischen der Klammer und dem Hodensacke, etwa 3/4 Zoll von ersterer entfernt, mit dem in der rechten Hand gehaltenen, weiss-glühenden Brenneisen, indem man dasselbe mit seinem scharfen Rande an den Öamenstrang massig angedrückt, in kurzen, raschen Zügen hin und her bewegt, und hält schliesslich die FlUche des Eisens gegen den aus der Klammer vorstehenden Stumpf, um einen hinreichend dicken Brandschorf, der dem andringenden Blute genug Widerstand zu leisten vermag, zu erzeugen. Sollte nach dem hierauf vorgenommenen Lüften der Klammer, wobei man, um ein zu starkes Zurückziehen des Samenstranges zu verhüten, denselben mit den Fin­gern der linken Hand zwischen dem Bauche und dem Instrumente festhält, sich eine Blutung einstellen, so wiederholt man das Andrü­cken des weissglühenden Eisens an den Stumpf. Um die Bildung des Schorfes zu fördern, kann man im Nothfalle auf die zu brennende Stelle gepulverten weissen Zucker, Harz, Haare u. dgl. aufstreuen, oder etwas Wachs, Oel oder Talg auf dieselbe bringen. Zeigt sich bei neuerlicher Lockerung der Klammer die Blutung vollkommen gestillt, so nimmt man das Instrument ab, schiebt den Samenstrang in den H odensack zurück, und entfernt den rechten Hoden auf dieselbe Weise.
Dieses Verfahren wird auch in der Art modificirt, dass man den in der Klammer befindlichen Samenstrang mit dem Messer durch­schneidet, und die Wundliäche sodann erst brennt, wozu bei dem Umstände, als die durchschnittene Arterie sicli stärker zurückgezogen hat, das knopfförmige Eisen besonders verwendbar erscheint.
Petit Clero empfiehlt, den Samenstrang, bevor man die Klam­mer schliesst, 2—3mal um seine Aehse zu drehen. Andere durch­schneiden nach Garsau.lt's Rath mit dem Glüheisen nur die vor­dere I'arthie des Samenstranges.
Auch nach dem Abbrennen reicht man mit blossera Reinhalten der Wunde aus: die Brandscliorfe stossen sich nach 5—8 Tagen ab, und die Heilung ist in 14—18 Tagen vollendet.
12. Das Abdrehen der Hoden.
Bei dieser Methode, zu deren Ausführung die Thiere meist auf die Seite oder auf den Rücken gelegt werden, kann man den Hoden allein oder mit ihm auch den Nebenhoden entfernen, und ausserdem
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die Drehung entweder mit der blossen Hand,, oder mit einem eigenen Instrumente, der von Tögl bekannt gemachten Castrirzange be­schränken.
Die gegenwärtig gebräuchliche Castrirzange, welche aus zwei, ein­fach über einander gelegten und durch einen Niet oder durch eine Schraube vereinigten Theilen besteht, hat 3—4quot; lange, 6—7'quot; breite, und 3—4'quot; starke, einander parallel laufende Arme, welche gerade, an ihren Innenflächen durch Feilstriche rauh gemacht, und bloss an den vorderen Enden in der Länge eines Zolles gegen einander gekrümmt sind; das Ende des einen Armes ist zapfen-förmig, und greift durch ein Fenster des zweiten Armes durch. Durch das hin­tere Knde der in gewöhnlicher Weise geformten Zangenschenkel geht entweder eine Schraube, oder es ist daselbst ein Schlussring angebracht, um die Zange ohne weitere Mühe geschlossen erhalten zu können. Die zur Benützung bei kleineren Hausthieren bestimmten Zangen sind eben so construirt, selbstverständ­lich jedoch iu verhältnissmässig geringeren Dimensionen gearbeitet. Französische und italienische Thierärzte, z. BRenault,Delafond,Perier,Bealifils,Ba8si, Cappa, Lodezzano, haben die zum Abdrehen bestimmten Zangen in ver­schiedener Weise modificirt; einige dieser Zangen dienen zum Fixiren des Samenstranges, andere dagegen zum Halten des zu entfernenden Hodens selbst.
Auch hat man eigens hiezu construirte Kluppen, wie eine solche z.B. von Wilm beschrieben wurde. Im Nothfalle kann man sich einer gewöhn­lichen Cas t rirkluppe oder der bei dem Durchbrennen des Samenstranges gebräuchlichen Klammer bedienen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; • #9632;
Das Abdrehen des Hodens allein, wie dieses nach der Angabe von Strauss in Ungarn bei Hengsten bis zu 4 Jahren all­gemein gebräuchlich ist, geschieht in der Weise, dass man nach Durch-sohneidung der Verbindung zwischen Hoden und ^Nebenhoden die Castrirzange an dem. letzteren anlegt, oder ihn mit der Hand allein iixirt, und den Hoden so lange um. seine Achse dreht, bis die Tren­nung erfolgt. Chevrier trennt zum Theile mit den Daumennägeln, zum Theil mit dem Messer den Hoden von dem Nebenhoden, so dass der erstere nur noch an dem Gefässtheile des Samenstranges hängt, hält den Nebenhoden zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand fest, entfernt den Hoden, indem er denselben etwa 8—lOmal von links nach rechts um' seine Achse dreht, schiebt den Samenstrang hinauf, und legt sodann ein Heft an der Wunde an. Strauss hält jedoch dieses Verfahren bei Pferden mit schlaffen Samensträngen nicht für empfehlenswerth, da die ausserhalb des ifauchringes bleibenden Nebenhoden sich schnell und bedeutend vergrössern, und zur Entste­hung von Hodensackfisteln Veranlassung geben. Seiner Ansicht nach ist daher bei Pferden stets der Nebenhode gleichfalls zu entfernen.
Das Fixiren des Samenstranges mittelst Daumen und Zeigefin-
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ger ist nur bei. dünnen Samensträngen, somit fast bloss bei kleinen, so wie bei jungen Thieren zulässig; bei dickeren Samepsträngen reicht die mittelst der Finger ausgeübte Kraft nicht hin, den Samenstrang so fest zu halten, dass jede Drehung über den ausserhalb der Finger liegenden Theil desselben unmöglich wird, und zugleich nimmt die Operation sehr viel Zeit in Anspruch, da sehr viele Drehungen bis zum gänzlichen Ablösen des Hodens nothwendig sind. Kascher und sicherer kömmt man zum Ziele, wenn man bloss die vordere, von dem übrigen Samenstrange getrennte Parthie allein dreht, am gera-the'nsten bleibt es jedoch immer, sich selbst bei kleineren Thieren #9632; zum Fixiren einer Castrirzange zu bedienen.
Sollen Kinder im Stehen und ohne Anwendung der Castrirzange operirt werden, so stellt sich der Operateur an die äussere Seite des linken Hinterfusses, eröifnet die- linke Hodensackliälfte, kneipt mit den Fingern einer Hand den Samenstrang von vorne her zusammen und dreht mit der anderen Hand den Hoden von hinten her ab.
In diesem Falle legt man, nachdem man vorher das Band des Nebenhodens (die Verbindung des hinteren Randes der Scheidenhaut mit dem -hinteren Kande des Hodens) nebst dem Samenleiter durch­schnitten hat, die Zange quer Va—1 Zoll über dem Nebenhoden an, schliesst sie und übergibt sie einem Gehilfen, welcher durch ru­higes Halten und Herabdrücken derselben gegen den Bauch jede Zer­rung des Samenstranges zu verhüten hat; hierauf ergreift man den Hoden, dreht denselben in der Richtung derXangenachse des Samen­stranges, nimmt ihn sodann in die andere Hand, macht in derselben Richtung eine zweite Drehung, und fährt, indem man mit beiden Händen abwechselt, mit dem Drehen so lange fort, bis der Hode ab-gelöset ist. Während des Drehens darf indess' an dem Hoden durch­aus nicht gezogen werden, widrigcnfells der Samenstrang zu bald ab-reissen würde.
Strauss macht ausdrücklich darauf aufmerksam, dass man, wenn der Hode sammt dem Nebenhoden entfernt werden soll, den letzteren bei jeder Drehung mit den drei letzten Fingern mitfasse, widrigenfalls immer ein grösseres oder kleineres, nachträglich zu ent­fernendes Stück desselben am Sameustrange zurückbleibt.
Ist der Hode abgedreht und kömmt nach Lösung der Zange an der Trennungsiiäche kein Blut zum Vorscheine, so nimmt man das Instrument ab und schiebt den Samenstrang sofort in den Hoden-sack zurück;'stellt sich dagegen eine Blutung ein, so muss die Ar­terie unterbunden werden.
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Die Beseitigung des zweiten Hodens geschieht in gleicher Weise.
Rue ff macht bei alten, zur Mästung bestimmten Widdern einen möglichst kleinen Langenschnitt auf jeder Seite des Scrotums, drückt den Hoden heraus und dreht denselben über einer eisernen Zange ab. Die Schliessung der äusseren Wunde geschieht alsbald, und meist ohne länger andauernde Eiterung, welche nach dem Kappen und An­legen von Kluppen oder nach der Unterbindung selten ausbleibt.
Um den Hoden besser halten zu können, haben T o g 1, W o 1-stein, Mogalla das Fassen desselben mit einem scharfen Haken oder das Durchstechen mit einem eisernen Dorne empfohlen, indess ist diese jedenfalls schmerzhafte Manipulation ganz entbehrlich.
Eine besondere, von englischen Thierärzten, besonders von Daws versuchte Moditication des Abdrehcns, welche indess, wie die Erfah­rung gelehrt hat, nicht besonders empfehlenswcrth ist, da sie vor Blutung nicht sicher schützt, besteht darin, dass man durch einen kleinen Längenschnitt eine Windung der inneren Samenarterie her­vorholt, isolirt, sie leicht spannt, an derselben, nachdem man sie durchgeschnitten hat, in der bekannten Weise die Torsion (etwa If) bis 20 Drehungen) vornimmt, und sodann, wenn keine Blutung sich zeigt, den Samenstrang vollends mit dorn Messer trennt.
Nach dem Abdrehen beider Hoden leiten französische Thier-ärzte kaltes Wasser in einem feinen Strahle auf die Wunde, um die vorhandenen Blutgerinnsel zu beseitigen und um die Bildung des Thrombus zu beschleunKen. Auch Strauss empfiehlt das Aufgiessen kalten Wassers auf den Hodensack.
Auch nach dieser Methode ist eine besondere Nachbehandlung entbehrlich.
13. Das Abquetschen mit dem Ecraseur.
Hiezu wird das Pferd gleichfalls niedergelegt, der Hodensack in gewöhnlicher Weise eröffnet, die Kette des bereits (pag. 57) er­wähnten Ecraseurs um den Samenstrang geführt, und die Schlinge ganz allmälig verengert, so dass der Samenstrang zuerst mehr und mehr zusammengeschnürt und endlich vollständig abgequetscht wird.
Da es sich hiebei vorzugsweise um vollständige Verschliessung der Gelasse handelt, diese aber nur durch eine ganz alimälige Ver­engerung der Schlinge zu erzielen ist, so muss- man zwischen den einzelnen Umdrehungen der Schraube oder zwischen den einzelnen Bewegungen der Hebel eine Pause von 15—30 Secunden eintreten lassen, so dass zum Durchquetscheu eines Samenstranges wenigstens
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zehn Minuten erfordert werden, ein Umstand, welcher der häufigeren Anwendung dieser Methode gleichfalls hinderlich ist.
14. Die Unterbindung des Samenstranges.
Die Unterbindung des Samenstranges, welche, wie bereits er­wähnt wurde, vorzugsweise nur bei kleineren Thieren, dann bei jungen Individuen grösserer Rausthiergattungen vorgenommen wird, besteht darin, dass man entweder den g anz enSamenstr ang undzwar mit oder ohne der gemeinsamen Scheidenhaut oder nur die vor­dere Parthie desselben in eine Ligatur fasst, welche man so stark zusammenschnürt, dass eine vollkommene Ertödtung der ausserhalb derselben gelegenen Theile und eine sichere Verschliessung der Ge-fässe erfolgt.
Zu dieser Methode, welche gleichfalls meist am liegendea Thiere, bei -Rindern jedoch auch im Stehen ausgeführt wird, benölhiget man je nach der Grosse des Thieres entweder einen verhältnissmässig langen und starken gewächsteu Bindfaden oder einen ein- oder mehr­fachen starken Seidenfaden, ausserdem mitunter eine gekrümmte Wundnadel.
Wurde die Schlinge auf den von der gemeinsamen Schei­denhaut bedeckten Samenstrang angelegt, so muss die Schnürung derselben äusserst kräftig geschehen, quot;da eine ziemlich voluminöse Masse abzutödten ist; den Roden soll man erst nach 24 bis 48 Stunden abschneiden oder ihn von selbst, was in 3—7 Tagen erfolgt, abfallen lassen, indem, wenn mau ihu bei der Operation so­gleich hinwegnimmt, die Schlinge abrutschen, und in Folge dessen eine Blutung entstehen kann.
Meistenthcils wird aber der blossgelegte Samenstrang entweder in seiner Gänze oder nur die vordere Parthie des­selben unterbunden.
Im ersteren Palle umfasst man den durch sanftes Anziehen an dem Hoden massig gespannten Samenstrang, nachdem man die Sclieidenhaut an ihrer Verbindungsstelle mit dem Hoden (das Nebcn-hodenbaud im Sinne Hering's) durchgeschnitten hat, mit der aus dem Bindfaden geformten Castrirschlinge etwa 1—1'/j Zoll vom Hoden entfernt, zieht die Ligatur möglichst fest zusammen, knüpft die Enden derselben zu einem Knoten, und schneidet, den Samenstrang etwa Vg bis 3/4 Zoll ausserhalb der Ligatur durch, worauf sich derselbe gegen den Bauchring zu zurückzieht. Eines der Fadenendeu wird etwa einen Schuh lang gelassen, während das zweite nur beiläufig Yj, Zoll lang bleibt.
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R w ob od a schlägt die Unterbindung des Samenstranges in Form der modificirten Achternaht vor, wodurch einestheils das Abstreifen der Ligatur, andcrstlieils eine Blutung aus der allenfalls stärker ent-#9632;wickeltm Scheidenhaut-Arterie verhütet werden soll. Zur Operation wird das- Thier niedergelegt, der Hode blossgelegt und der Samen­strang von einem Gehilfen auf der linken Hand ausgebreitet gehalten. Der Operateur sticht nun eine mit einem mittelstarken, gewachsten Bindfaden versehene Nadel durch die Mitte des Samenstranges hin­durch, führt die Xadel um den einen Rand desselben herum, sticht sie dann neuerdings, jedoch in entgegengesetzter Eichtung durch die frühere Einstichsstelle durch, umgeht mit dem Faden den zweiten Rand des Samenstranges, knüpft beide Fadeuenden zu einem festen Knoten, und schneidet den Samenstrang ziemlich knapp ausserhalb der Liga­tur ab.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; •'...•
Ob ich castrirte etwa 20 Stiere in der quot;Weise, dass er den Ho­den einfach abschnitt, den Samenstrang hierauf möglichst weit unten mit sich selbst knüpfte, und die Scrotalliäute herabzog.
Soll nur die vordere Pärthie unterbunden werden, so sticht man in der Mitte des Samenstranges eine Nadel durch, und knüpft sodann den mittelst derselben eingebrachten Faden am vorderen Rande so fest als möglich, schneidet den Hoden ab, und verfährt auf der anderen Seite in gleicher Weise. Um das zu frühe Schliessen der äus-seren Wunde zu verhüten, hält es Hering für zweckmässig, nach der Unterbindung etwas Fett einzustreichen, und dieses später einige Male zu wiederholen, oder wenigstens die frühzeitig verklebte Wunde mit den Fingern zu öffnen.
Die Nachbehandlung besteht in blosser Reinigung der Wunde. Binnen 10—18 Tagen lösen sich unter günstigen Umständen die Li­gaturen los, und in etwa 3 Wochen .ist die Heilung beendet.
15. Die Unterbindung der Samenarterie allein.
Dieses bei einiger Fertigkeit und bei- normaler Beschaffenheit des Samenstranges wohl nicht schwierige, aber immer etwas umständ­liche Verfahren wird am liegenden Thiere in der Weise geübt, dass man nach Zurückstreifen der gemeinschaftlichen Scheidenhaut den durch sanftes Hervorziehen des Hodens etwas angespannten Samen­strang auf dem Zeigefinger ausbreitet, sodann die innere Samen­arterie, welche theils an der Pulsation, theila an ihrer Derbheit kennt­lich ist, aufsucht, sie durch eiann. in der Längenachse des Samenstran­ges verlaufenden, etwa '2 Zoll vom Nebenhoden entfernt beginnenden
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und gegen diesen zu geführten, einen Zoll langen Schnitt, welcher die besondere Scheidenhaut trennt, hlosslegt, und sie nun entweder einfach umsticht, oder mit der Pincette hervorhebt, isolirt und mit einem doppelten gewachsten Faden massig fest unterbindet, die Fadenenden .entweder beide kurz abschneidet, oder eines derselben so lang lässt, dass es aus der Hodensackwunde etwa 2 Zoll vorsteht, und den Samenstrang sodann, um bei dem sehr geschlängelten Verläufe des Gefässes dasselbe nicht vielleicht an einer Stelle ober­halb der Ligatur anzuschneiden, nahe am Nebenhoden quer durch­schneidet.
Dem Zurückschlüpfen des Samenstranges in die Bauchhöhle und der in Folge dessen zu befürchtenden Bauchfellentzündung könnte man nach Bering's Ansicht dadurch vorbeugen, dass man das Band des Ne­benhodens und die hintere Anheftung des Samenstranges (Septum) unverletzt liesse.
Auch die Castration mittelst Unterbindung der Arterie wurde von einzelnen Thierärzten modificirt. So legt z. B. Seifert, welcher das Pferd in der Rückenlage castrirt, auf den blossgelegten Samen­strang unter dem Nebenhoden (das Thier liegend betrachtet) eine Art Castrirzange, deren Schenkel mit einem schmalen Leinen- oder Baum­wollstreifen umwickelt sind, an, schneidet, den Samenstrang etwa '/o Zoll oberhalb der Zange mit dem Bistouri durch, holt sodann die innere Samenarterie mittelst einer Pincette hervor, isolirt sie voll­ständig, und unterbindet dieselbe mit einem gewachsten Faden, dessen Enden so lang gelassen werden, dass sie aus der Scrotalwunde vor­stehen, worauf die Zange abgenommen und die Wunde gereiniget vird.
Constant sebneidet den gleichfalls in eine Castrirzange gefass-ten Samenstrang durch, holt die Arterien-Enden hervor, und macht einen Knopf an denselben, indess wurde dieses Verfahren von H ering*) bereits früher versucht. •
*) Hering legte, um zunächst die Wirkung der Unterbindung der Samen­arterie auf den Hoden kennen zu lernen, die Arterie durch einen seichten Einschnitt in den serösen Ueberzug .ies San enstrauges bloss, fasste eine Arterien-schlinge mit der Pincette, hob sie etwas heraus, zog selbe mit den Fingern in einer Länge von l'/j —2Zoll ars dem Zellgewebe hervor, schnitt sie in der Mitte ab, und knüpfte beide Enden, wie man einen Knopf an ein Fadenende macht, d. h. mit sich selbst. Wird der Hocle nun sofort dicht über dem Neben­hoden abgeschnitten, so ist gar kein fremder Körper, weder eine Ligatur, noch ein abzustossender Stumpf oder ein Brandschorf in der Wunde, indess kann, wie Hering beobachtete, eine arterielle Blutung aus dem durchsehuittenen Samenstrange eintreten.
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16. Die Castration mittelst Kluppen.
Die Kluppen- oder Hob er ts o n'sche Methode, welche heutzu­tage bei Pferden vorzugsweise angewendet wird, besteht darin, dass man mittelst eines eigenen Instrumentes, der Castrirkluppe, den Samen­strang durch eine kürzere oder längere Zeit zusammengepresst erhält, um den in die Kluppe gefassten Theil abzutodten, und auf diese Art eine Verschliessung der Samenarterie herbeizuführen.
Die zu dieser Methode erforderlichen (xeräthsc haften sind: Kluppen, meistens mehrere etwa eine Elle lange, starke, gewachste Bindfaden, eine Eluppenzange oder eine K1 u p p e n s e h r a u b e zum Zusammendrücken der Kluppen und eine Scheere.
Die Cast rirk lu pp en , welche in Beireif der Länge oder Starke, so wie des Gewichtes, der Grosse des Thieres und der Stärke dos Samenstranges entsprechend gewühlt werden müssen, sind entweder von Eisen und von Holz, und verschieden geformt.
Die aus Eisen gearbeiteten Kluppen finden bei dem Umstände, als sie durch ihre Schwere Zerrungen des Samenstranges veranlassen, in Folge des Röstens bald anbrauchbar werden, und ausserdem bei Weitem kostspieliger sind, fast gar keine Anwendung.
Die am besten ans dem Holze der Birke, welches Leichtigkeit und hin­reichende Festigkeit besitzt, gefertigte gewöhnliche Castrirkluppe be­steht aus zwei, einander vollkonunen gleichenden halbcylindrischen Holzstäben von etwa S1/,—(iquot; Länge, an denen man eine innere ebene, eine äussere con-vexe Fläche und zwei Luden miterselieidet: beide Hälften passen mit den inneren Flächen genau an einander und bilden eine /4 — 1 Viquot; dicke Walze Die innere Fläche jeder Hälfte ist entweder ganz glatt oder der Länge oder der Quere nach gefurcht, u. z. findet sich entweder eine einzige in der Mitte verlaufende, '/,quot; breite, '/„quot; tiefe Längenfiirche oder es sind mehrere schmale derartige Fur­chen, oder, wie es an den hierorts gebräuchlichen Kluppen der Fall ist, 10 — 12, etwa '/raquo;'quot; breite, 4—5'quot; von einander entfernte, seichte Querfurchen vorhanden. Einen halben Zoll von beiden, anssen abgenindeton Enden bemerkt man an der äusseren Fläche eine ringsum lanfende Einkerbung zur Aufnahme des Bind­fadens; ausserdem ist ein Ende .jeder Hälfte an der inneren Fläche von dem Punkte her, wo anssen die Furche verläuft, schräg von innen nach anssen ab­gestutzt, damit, wenn beide Theile an diesen Enden zusammengebunden sind, die Kluppe sich etwas öffnen lasse, wobei beide Hälften ein V bilden.
Hering glaubt, dass bei dem Gebrauehe von Kluppen, bei welchen schon vor der Operation ein Ende zusammongebunden wurde, ein Theil des Aetzmittels z. B. bei dicken Samensti äugen schon während des Anlegens abge­streift, und bei dem Oeft'nen der Kluppe die Schlinge gelockert werden könne, und bindet aus diesem Grunde beide Enden der Kluppe erst während der Ope­ration znsanunen.
Meistens wird auf die innere Fläche der Kluppen ein Aetzmittel, z. B-
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Qiiecksilberanblivnat, Kupfervitriol, gebräunter Alaun, rotlies Präcip itat, selbst Aetzkali, Arsenik aufgetragen, u. z. in der Weise, dass man die Innenseite der Kluppenhälften mit einem bloss mit Wasser oder mit Gummilösung angemach ten Teige aus Roggenmehl gleichmässig und in der Dicke eines starken Papieres bestreicht, und sodann, wie es hierorts üblich ist, rothes Präcipitat (ein Quent­chen auf ein Paar Kluppen) aufstreut, oder dasa man das Aetzmittel sogleich unter die Teigmasse mengt oder dasselbe, mit einer Gummilösung fein abgerie­ben, mittelst eines Haarpinsels auf die nicht ausgehöhlte Kluppe aufträgt.
Am häufigsten wird gegenwärtig dor Kupfervitriol, seltener die von R o bertson angegebene Masse, ausje einem Theile rothenPiäcipilates und Queck-silbersubliraaies, dann zwei Theilen rother Bolus bestehend, verwendet.
Obzwar einige Thicrärztc, wie z. B. Dieterichs, Ryohner, La­coste, Bouillard, sich gegen die Anwendung des Actzmittels, durch wel­che zu Entzündungen, Verhärtungen und Fisteln des Samenstranges, zu Absces-sen, zu Entzündungen und Verdickuugen der Scheidenhaut, zu Bauchfellentziia-dungeu u. dgl Yeraulassmig gegeben werden soll, aussprechen, so ist der Ge­brauch desselben trotzdem ein sehr verbreiteter, indem die Erfahrung gelehrt hat, dass die mit einem Aetzmittel bestreuten Kluppen sich viel leichter vom Samenstrange ablösen, und dass die Abstossnng des comprimirton Samenstrang-theiles yiel rascher erfolgt, somit auch die Heilung schneller eintritt.
Rue ff construirte Kluppen, welche, was jedoch Her in g bezweifelt, leich­ter anzulegen und abziinelmien sein sollen. Dieselben enden einerseits conisch, sind daselbst an der Aussenseite rauh, und werden mittelst eines, an der In­nenfläche kantigen und auf das kegelförmige Ende aufzusteckenden Ringes, wel­cher, damit er nicht so leicht verloren gehe, durch eine Schnur an der Kluppe selbst befestiget ist, geschlossen.
Auch hat man Kluppen, welche mittelst einer durch beide Hälften hin­durch gehenden Schraube geschlossen werden. Bei den ziemlich selten gebräuch­lichen C harni erkluppen ist ein Ende beider Holzstäbe mittelst eines eiser­neu Charnieres beweglich verbunden, während das andere Ende eine mit einer Mutter versehene Schraube behufs des Schliessens der Kluppen besitzt.
Zum Zusammendrücken der Kluppe bedient mau sich entweder der Kl uppen zange oder, jedoch seltener, der Klappens chranb e.
Von den verschiedenen Klupp o n zange n mag nur die hierorts in Ge brauch stehende Form erwähnt werden. Bei dieser 10 — 12quot; langen Zange wird, jede Backe des Maules durch einen 4'quot; dicken, S'/jquot; langen Eisenstab gebildet, der gekrümmt und gegen den anderen gerichtet ist; der zwischen den Armen vorhandene Raum bildet eine 1 i/lquot; im Längen-, 13'quot; im Hreitendurchmesser haltende Elipse. Während man mit dieser Zange die Kluppe von oben her zwi­schen dem Saraen.strange und dem umgelegten Faden umgreift, gibt es auch Zangen, mittelst derer die Kluppe, je nachdem es bequemer ist, vom Ende her erfasst werden kann
In Ermangelang einer Kluppenzange behilft man sich mit einer gewöhn­lichen Beisszange oder mit einer, in ihrem Maule hohl gerichteten Sehmie-d ezange.
Die Kluppen sehr aub e besteht aus demOehäuse und aus der Schraube ForMer. Opcrstionslctirc für Thiorarzto.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3Q
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Das 4quot; lange, 15'quot; im Lichten weite QebSuse wird durch eine tieiderseits ge-fensterte, Vquot; dicke, 6'quot; breite bogenfSmige Spange gebildet, die an ihrem hori­zontalen Theile die Scbranbenmntter enthält Die mit einem starken Quergriffe versehene Sehnuibc ist flach, zweigängig, ü'quot; im Durchmesser stark, und mit ihrem oberen.Ende in einen Bogen eingefügt, dessen beide abgesetzten Seiten genau in die Fenster der Spange eingepasst sind. Zwischen dem Bogen und der Spange bleibt ein Raum, in welchen die Kluppe zu liegen kömmt. Die Vor-theile dieser Schraube sollen in der Ersparung eines Gehilfen und in der Mög­lichkeit, den Samcnstrang kralliger zuäammenpressen und in Folge laquo;lessen die Kluppen schon nach 4 —G Stunden abnehmen zu können, bestehen.
Zur Ausführung der Operation werden die Thiere in die Seiten- oder in die Rückenlage gebracht, und im ersteren Falle die Operation an 'dem Hoden jener Körperhälfte, auf welcher das Thier liegt, somit meist an dem linken zuerst gemacht. Das Operiren in der Seitenlage ist bei Mangel einer hinreichenden Anzahl verlass-'licher Gehilfen jenem in der .Rückenlage vorzuziehen.
Soll nach dem viel gebräuchlicheren, älteren Verfahren, testioules decouverts) operirt worden, so ergreift man den hlossgelegten Hoden mit der rechten Hand, schneidet das bereits wiederholt erwähnte Band auf 3—6 Linien Tiefe mit der Scheero ein, und hebt den Hoden etwas hervor, wobei man jedoch jede Zer­rung zu vermeiden hat, wesshalb man, wenn das Pferd den Hoden gegen den Bauchring ziehen sollte, eine kleine Pause macht, oder die Aufmerksamkeit des Tliieres ablenkt, indem man z. B. mit einem Schlüssel auf die Schneidezähne klopfen lässt. Hierauf schiebt man die, an einem Ende bereits zusammengebundene Kluppe möglichst weit geöffnet von vor- nach rückwärts quer auf den Samenstrang, breitet diesen des gleichmässigen Druckes halber vollkommen aus, und sorgt dafür, dass er gerade in die Mitte der Kluppe d. h. gleich weit von beiden Enden derselben entfernt zu liegen kömmt.
Her twig macht bcRonders darauf aufmerksam, dass die Kluppe derart angelegt werden müsse, dass sie am stehenden Thiere fast wag-r'echt und massig straff gegen den Hodonsack angezogen liege, damit kein Theil des Samenstranges über derselben frei hervortrete und der unmittelbaren Einwirkung der Luft ausgesetzt sei. Es muss dess-halb bei dem Anlegen der Kluppe darauf geachtet werden, dass der #9632; vordere Rand des Samenstranges dem zusammengebundenen. Ende der Klammer etwas näher gerückt werde, indem bei dem Zusammendrü­cken derselben sich der zwischen beiden Hälften liegende Theil immer etwas gegen das offene Ende' des Insfrumentes verschiebt. Um die richtige Stelle am Samenstrange für die Kluppe zu treffen, ist die
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Spannung des Samcnstvanges zu berücksichtigen. Besteht dieselbe in einem mässigcu ftrade, so bringt man die Kluppe nahe am Neben­hoden an, ohne das Band zwischen diospm und dor Scheidenhaut durchzuschneiden; wird der Hodc dagegen stark zurückgezogen, so dass er nur mit Mühe hervorzuheben ist, so schneidet man das er­wähnte Band bis an den Samenstrang durch, und . legt- die Kluppe gleichfalls nahe am Hoden an, während man bei sehr schlaffen Sa-mensträngen nach dorn Durchschneiden des Bandes die Kluppe 1 bis 1 Yjj Zoll vom Hoden anlegt. Hering schneidet das Nebenhodenband nicht/durch, indem er das zu starke Hervorziehen des Samenstranges für nnnöthig, wo nicht für geradezu nachtheilig hält. Nach Diete­richs soll die Kluppe von rück- nach vorwärts auf den Samenstrang geschoben werden, weil der Druck nach hinten, wo er hauptsächlich wirken muss, dann sicherer sein soll.
quot; Ist die Kluppe entsprechend angelegt, so drückt man die hin­teren Knden derselben mit der rechten Hand zusammen, während man mit der linken Hand untersucht, ob nicht vielleicht die Scheidenhaut oder selbst ein Theil des Hodcnsackos in die Kluppe gefasst ist, lässt nun, wenn Alles in Ordnung ist, durcli einen Gehilfen mittelst der innerhalb der Einkerbung und zwar etwa einen Zoll von derselben entfernt angelegten Zange die Kluppe lest und gleichmässig zusam­mendrücken, während man selbst mit der linken Hand das vordere mit der rechton das hintere Ende der Kluppe hält, hierauf .die Castrir-schlingo anlegen, zusammenschnüren und 2—-3 Knoten knüpfen, wo­bei man Acht zu geben hat, damit die Hodensaokhaut nicht mitge-fasst wird, sodann schneidet man den Samenstrang. ausser-halb der Kluppe u. z. etwa einen Zoll von dieser entfernt, durch, und operirt nun auf der anderen Seite in derselben quot;Weise.
Xach Her twig's Anleitung umfasst man, wenn die Klappe auf den Samenstrang- geschoben ist, mit der linken Hand den Hoden und die Kluppe von oben her so, dass ersterer in die hohle Hand zii liegen kömmt, der Daumen und Zeigefinger aber die Kluppe am hin­teren Rande des Samenstrauges zusammendrücken, und sie in der ge­gebenen Lage erhalten. Der Gehilfe bringt nun die Castrirschliuge an Ort und Stelle, worauf der Operateur mit seiüer rechten' Hand die #9632; Kluppenzange anlegt, und die Kluppe möglichst stark zusammendrückt, während der Gehilfe die Schlinge fest zusammenschnürt, den Bind­faden noch zweimal um die Kluppe führt, und dann denselben knüpft. Dass der Operateur selbst den Hoden, die Kluppe und ehe Zange hält, hat den Vortheil, dass er bei Unruhe des Thieves durch An-
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drücken dor in seinen Händen befindlichen Gegenstände gegen das Becken Zerrungen des Samenstranges verhüten kann, was nicht im­mer möglich ist, wenn man das Halten einem Gehilfen überlässt.
Nachdem das Pferd aufgestanden, sieht man noch einmal nach, ob die Kluppen gut liegen, üb kein Darm hervorgetreten ist u. s. w., lässt, wenn nichts Derartiges wahrgenommen wird, nach vorheriger Reinigung der Wunde mit einem in kaltes Wasser getauchten Schwämme das Thier, nachdem es trocken frottirt wurde, in den Stall führen, und hoch aufbinden, damit es sich nicht legen könne; der Schweif wird seitlich an einem, um den Leib gelegten Deckengurte befestiget, um das Schlagen mit demselben nach der Operationsstelle und das in Folge dessen mögliche Hängenbleiben mit den Schweif­haaren an der Klappe und das dadurch bedingte Zerren oder gar Abreissen der letzteren zu verhüten. Die Streu ist wegzunehmen, und durch Sand oder Sägespäne zu ersetzen, damit eine etwa eintre­tende Blutung sogleich bemerkt -werde. Bei sehr heftiger Unruhe des Thieres lässt man dasselbe durch einige Zeit im Schritte bewegen. Zum Futter erhalten die bis zur Abnahme der Kluppen genau zu überwachenden Pferde nur Gras oder Heu und etwas Hafer.
Die Abnahme der Kluppen findet bei erwachsenen Pferden meist nach 24—36 Stunden statt; die Zeit, während welcher sie liegen gelassen werden, hängt von dem Alter des Thieres. von der Stärke des Samenstranges u. dgl. ab.
Zu dieser Nachoperation wird das Thier nach dem hierorts ge­bräuchlichen und nach der Angabe von Scrrcs und Gourde n auch in Frankreich fast durchgehends üblichen Verfahren auf einen lichten, geräumigen Platz gebracht, durch einen vcrlässlichen Gehilfen am Kopfe gehalten, gebremset, und der rechte Hinterfuss wie zum Be­schlagen herausgehoben. Der Operateur stellt sich hinter den linken Hinterfuss, fixirt mit der rechten Hand die Kluppe, schneidet mittelst der in der rechten Hand gehaltenen Scheere das unterhalb der Kluppe vorstehende Stück des Samenstranges vom hinteren Rande gegen den vorderen bin, auf etwa Va der Breite ein, um, wenn eine Blutung eintreten sollte, die Unterbindnng leichter vornehmen zu können, setzt sodann den Daumen der rechten Hand, in welcher er ein schar­fes Hufmesser hält, an das hintere Ende der Kluppe an, und schnei­det mit der zwischen die Kluppenhälften von unten her eingesenkten Spitze des Messers den Bindfaden durch, worauf die von selbst sich etwas öffnende Kluppe von dem etwa auf die Dicke eines Karten-blattes zusammengepressten Ramenstrange mil den Fingern besonders
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dann, wenn er an einer oder der anderen Innenfläche der Kluppe festkleben sollte, ausserst vorsichtig abgelöset wird. Ist der Samen­strang nicht hinreichend zusammengedrückt gewesen, und die Arterie somit nicht obliterirt, so wird nach Herabnahme der Kluppe alsbald ein bläulicher Streifen im vorderen Dritttheile des plattgedrückten Endes des Samenstranges bemerkbar, und es kömmt auch in Kürze ein Blutstropfen zum Vorscheine; stellt sich eine Blutung jedoch nicht ein, so schneidet der Operateur den Samenstrang vollends durch, löset den Stumpf desselben, welchen er zu diesem Zwecke mit dem Finger behutsam und ohne im Geringsten dabei herumzubohren, umgeht, von den Wundrändern des Hodensackes, an welchequot; er gewöhnlich an­geklebt ist, los, und schiebt ihn auf der rechten Seite mit den Fin­gern der linken Hand, und vice versa, während er sich mit der an­deren Hand am äusseren Harmbeinswinkel stützt, gegen den äusseren Leistenring so hoch als möglich hinauf, worauf er schliesslich die Haut des Hodensackes etwas herabzieht und die Wundränder etwas umstülpt. Bei phlegmatischen Pierdon, welche den Samenstrang nicht gut hinaufziehen, kann man durch Bespritzen mit kaltem Wasser nachhelfen.
Das Pferd zur Abnahme der Kluppen nochmals zu legen, dürfte wohl in ausserst seltenen Fällen nothwendig werden; während des Loslösens des Samenstranges lässt man entweder bloss eine Bremse anlegen und den Kopf gut in die Höhe halten, oder einen Vorderfuss u. z. den jener Seite, an welcher gerade operirt werden soll, aufheben.
Nach Her twig lässt man bei der Abnahme der Kluppen dem Pferde eine Bremse aufsetzen und ihm einen Vorderfuss aufheben, stellt sich an die rechte Seite des Leibes, hält mit der linken Hand eine Kluppe fest, setzt an das vordere Ende derselben den Daumen der rechten Hand, in welcher man das Messer so hält, dass die Spitze der Klinge nur etwa 3/4 Zoll über den Hand des Zeigefingers vor­steht, führt dieselbe in die Lücke zwischen beiden Kluppenhälften, und schneidet von hier aus die diese letzteren zusammenhaltende Bindfadenschiingo durch. Ist die Kluppe abgelöset, so beseitiget man mittelst eines feuchten Schwammes das an dem Samenstrange etwa klebende Aetzmittel. Zieht das Thier hierauf beide Samenstränge so in den Hodensaok zurück, dass deren freies Ende vollständig von demselben bedeckt ist, so hat man nichts weiter zu thun; bleibt da­gegen das Ende des Samenstranges ausserlialb des Hodensackes, so schiebt man es, nachdem man nöthigcnfalls die Adhäsionen zwischen Samenstrang und den Wundrändern des Hodensackes, aber auch
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nur diese allein, mit der Spitze des höchstens Einen Zoll tief eingeführten Fingers gelöset hat, in den Hodensack hinauf, zieht so­dann beide Wundränder, des Scrotnms über den Samenstrang herab, oder spritzt etwas kaltes Wasser gegen 'die Operationsstelle. Das Hin-#9632;wegsehneiden des unter der Kluppe befuidliehen Theiles des Samen-strunges, wie es auch hierorts gebräuchlich ist, ist nach Her twig's Ansicht unnüu und zuweilen sogar schädlich, indem trotz des Ab-Schneidens an der oberen Grenze der gequetschten Stelle Eiterung und Abstossimg eintreten muss, durch tfti hoch oben vorgenommenes Absehneiden dagegen Blutung veranlasst werden kann; dagegen wird, wie Hering glaubt, durch das Hängenlassen des abgequetschten Stückes die Entstehung von Champignons begünstiget.
Dass bei der Kluppenmethode verschiedene Moditicationen Platz greifen können, ist bei dem Umstände, als eben diese Methode die gebräuchlichste ist, nicht auffallend.
Hering eastrirt in der Seitenlage; die beiden oben liegenden, rechten Füsse werden an die Bauchgurte hinaufgezogen und daselbst durch zweimaliges Umschlingen des Seiles befestiget; ein Gehilfe stellt sich mit nach rückwärts gewendetem Gesichte quer über das Pferd, und hält den linken Fuss über und unter dem Sprunggelenke fest; sodann wird der linke Hode blossgelcgt und mit der rechten Hand sachte nach abwärts gezogen, das Nebenhodenband jedoch nicht abgeschnitten; nuu wird die eine Hälfte der mit dem llobertson-schen Aetzmittcl frisch bestreuten Kluppe quer unter den Samenstrang gelegt, und mit der linken Hand daselbst gehalten: der Gehilfe reicht sogleich die zweite Kluppenhälfte, welche über den Samenstrang zu liegen kömmt; hierauf wird, nachdem eine Schlinge am vorderen Ende angebracht wurde, die Kluppe mit der -linken Hand gehalten, mit der mit der rechten Hand angelegten Zange zusammengedrückt, das hintere Ende derselben zusammengebunden, der Hode dicht über (am liegenden Thierc') dem Nebenhoden abgesebnittten, und der stark gespannte Kopf des letzteren mit der Spitze der Scheere eingezwickt, worauf etwas Samenflüssigkeit ausiiiesst und die Spannung nachlässt. Ist der rechte Hode auf gleiche Weise entfernt, so werden die Theile mit einem feuchten Schwämme geroiniget, besonders aber muss das aus der Kluppe hervorgedrängte Aetzmittel entfernt werden, worauf in jede Wunde mit dem Zeigefinger etwa I—2 Quentchen Baumöl eingebracht werden, um das feste Verkleben der Theile bis zum Ab­nehmen der Kluppe zu hindern, und die Wunde vor dem fandringen von Luft, Insekten u. dgl. zu schützen. Nach '24 Stunden, während
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#9632;welclier Zeit sich das Pferd nicht legen darf) sehneidet Hering zu­erst die unter der Kluppe hängenden Heste des Sameustranges dicht an derselben mit einer gebogenen Scheere ab, trennt sodann die vordere Schlinge, löset die Kluppe ab, reiniget die Wunde . mittelst eines feuchten Schwammes. von dem Aelzmittel u. dgl. und schiebt den Samenstrang in die Scheidenhaut, nicht bloss in die Hautwunde, hinauf, indem er den Finger dicht am. Samenstrange aufwärts führt, und ringsum die bereits entstandenen Adhäsionen löset, wobei bei dem Eindringen dos Pingers in die Scheidenhaut. eine grössere oder geringere Menge heissen und trüben Serums ausfliesst. quot;Nachdem Hering den Samenstrangstumpf hinaufgeschoben hat, was, obgleich derselbe unten etwas angeschwollen ist, fast immer .mit Leichtigkeit ausgeführt werden kann, so streicht er etwas Scliweinfett in die Wunde, um das zu frühe Verkleben derselben zu verhüten.
Keim dreht am stehenden Thiere unterhalb der Kluppe den Samenstrang ab, und nimmt diese nach 3—4 Stunden ab, während Ob ich die üefässparlhie an dem ausscrhalb der Kluppe betindliohen Theile des Samenstranges mit einem einfachen Bindfaden unterbindet, und die Kluppen gleichfalls nach 3—4 Stunden entfernt.
Bei Stieren wird die Castration mittelst Kluppen in dersel­ben Weise, wie bei Pferden ausgeführt, nur sind nach Her twig die Kluppen erst nach 48 Stunden abzunehmen, weil die Arterie stärker ist, und zu ihrer bleibenden Verschliessung einer länger andauernden Compression bedarf.
Bei Schafen sind nach Viborg die mit einem Aetzmittel (u. z. aus gleichen Theilen gebrannten Alauns und Kupfer- oder Eisenvitrioles, mit etwas rothem Thono und Essig zu einem Teige ge­macht) verseheneu Kluppen recht hoch am Samenstrange anzulegen, und können je nach dem Alter des Thieves nach 6—-12 Stunden ab­genommen werden.
Bei S chweinen beseitiget man die in gleicher Weise wie bei Pferden angelegten und ebenfalls mit einem Aetzmittel versehenen Kluppen bei älteren Thieren nach 24, bei jüngeren nach 12 Stunden.
Bei der Castration ohne E r ö ffnun g. der Scheiden haut wird die Kluppe über dem Nebenhoden auf die allgemeine Öcheiden-haut, und zwar so fest als möglich angelegt; den Hoden schneidet man meistentheils nicht ab, und nimmt die Kluppe nicht vor 48 Stun­den, und, falls kein Aetzmittel angewendet wurde, nicht vor dem 4. Tage ab. Joyeux, welcher Pferde im Stehen castrirt, schiebt die Kluppen von rück- nach vorwärts auf den Samenstrang. Die. Kluppen
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von selbst abMlen zu Lassen, wie einzelae Thierärzte thun, um das mühsame Abnehmen derselben, zu welchem die Thiere nicht selten neuerdings gelegt werden müss.en, indem die Kluppen ganz von dem sehr stark angeschwollenen Hodensaeke bedeckt sind, zu* .ersparen, ist durchaus nicht zu empfehlen.
A.usser den eben beschriebenen C'astrationsmethoden gibt es noch andere, mitunter bloss von einzelnen Thierärzten und in einzelnen Gegenden geübte Verfahren, von welchem jenes des Thierarztes D e i-singer in Pappenheim Erwähnung verdient Diese vorzugsweise bei Stieren und Kälbern seit vielen Jahren gebräuchliche und als zweckmäs-sig erprobte Methode wird auf nachstehende Weise vorgenommen: Ein Gehilfe ergreift mit dem linken Arme das zu operirende Kalb um den Hals, mit der rechten Hand zieht- er den Schweif gegen sich. Der Hodensack mit beiden Hoden wird so stark als möglich herab­gezogen und gespannt, und am untersten Ende desselben ein etwa einen Zoll langer Schnitt durch Haut und Scheidenhaut gemacht, worauf der Hode hervorspringt. Diesen erfasst Deisinger mit dem Daumen und Zeigefinger der rechten Hand, in welcher er zugleich das mit einer in das Heft ziirückziehbaren Klinge versehene convexe Bistouri hält, zieht ihn straft' herab, löset mit dem Zeigefinger der linken Hand am Kopfe des Nebenhodens die an diesem angeheftete Vaginalhaut, spannt durch Herabziehen des Hodens den Samenstrang, trennt mit dem Zeigefinger der linken Hand die Verbindung zwischen .\rterie_ und Samenleiter möglichst genau an ersterer, schneidet den letzteren sammt den ihn begleitenden Nerven durch, so dass der Hode fest lediglich an der Öamenarterie hängt, spannt diese, indem er sie 2—3mal um den Zeigefinger der rechten Hand wickelt, an, wobei man sich jedoch vor zu starkem Anziehen zu hüten hat, tupft sie mit dem Bistouri, so dass sie entzwei geht, zurückspringt, und sich tamponirt, womit die Castration an einer Seite beendet ist. Diese Methode, durch welche das Entstehen des Ueberwurfes unmöglich wird, und die vollkommen gefahrlos sein soll, kann auch bei Böcken mit ausgezeichnetem Erfolge angewendet werden.
Schlicht schneidet den Samenstrang quer bis auf die Samen­arterie durch, und zieht letztere möglichst behutsam heraus, um sie ihrer ganzen Länge nach zu erhalten.
Nachbehandlung. Was die weitere Behandlung castrirter Thiere anbe­langt, so ist diese mit Rücksicht auf die Thiergattung selbstverständ-
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lieh eine verschiedene; stets ist es jedoch gcratheu, nicht zu viel zu thun.
Pferd e v- B. sind in den ersten Tagen nach der Operation massig zu iüttern, und zugleich ist für entsprechende Bewegung Sorge m tragen, indem diese wesentlich zur Verkleinerung der am Hoden­sacke und am Schlauche entstandenen Geschwulst beiträgt. Man lässt die Thiere anfangs täglich ein- oder zweimal durch eine halbe Stunde, später auch durch eine längere Zeit herumführen, oder verwendet A.r-beitspferdc zw leichteren Diensten, während Weidepferde einfach wie­der freigelassen werden. Eine besondere medizinische Behandlung ist bei normalem Verlaufe nicht nöthig, und dieselbe beschränkt sich auf die Kcinigung der Wunde, deren Schliessung unter gewöhnlichen Ver­hältnissen bis zum 20.—24. Tage zu erfolgen pflegt. Dass man die C'astraten überhaupt vor Erkältung, welche zum Auftreten des Starr­krumpfes Veranlassung geben kann, zu schützen habe, bedarf wohl keiner besonderen Erwähnung.
Mo dific ationen , durch abnorme Zustände bedingt.
Grewisse abnorme Zustände, welche entweder schon vor der Operation aufgefunden werden können, oder die erst während der­selben siel) zeigen, machen eine mehr weniger -wesentliche AI o dific at i on des unter normalen V erhält ni ssen übli­chen Verfalirens nothwendig.
Derartige Zustände sind nach Her twig:
1.nbsp; Fehlen des Hodens.
2.nbsp; Ungleiche Grosse der Hoden, ungleiche Stärke der Samenstränge.
3.nbsp; Unvollständige Eh t w i c k e 1 u n g des H o d e u s a c k e s und sehr hohe Lage der Hoden.
4.nbsp; Verle tzungen und Geschwüre des Hodeusackes ii n d der Hoden.
5.nbsp; V e r w a c h s u n g e n d c r S c h e i d e n h a u t m i t d c m H o d e n.
6.nbsp; nbsp;Leistenbrüche.
ad 1. Bei Schafen, Schweinen und Pferden kömmt es häutiger, bei Kindern und Hunden dagegen sehr selten vor, dass ein oder beide Hoden nicht in den Hodensack herabsteigen, sondern entweder im Leist enkan ale stecken, oder sogar in der Bauchhöhle bleiben. Solche Thiere, im Allgemeinen Crypto rchiden genannt, haben meist das Naturell männlicher Thiere; derartige Pferde, welche
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man als Spitz- (fälschlich Klopf-) Hengste bezeichnet, sind nicht selten viel bösartiger, als vollkommene Hengste, und zeigen, ebenso #9632;wie Schafe und Schweine (Spitzeber) meist rege Geschlechtslust, obgleich der zurückgebliebene Hode fast immer gänzlich verkümmert, und somit zur Bereitung des Sperma unfähig ist.
Ueber die Luge des Hodens verschafft man sich vorzugsweise durch die Untersuchung durch. den Mastdarm Aufschluss.
Die Castration solcher f'ryptorchiden, welche gleichfalls un­ternommen wird, um dieselben entweder diensttauglicher oder mast-fähiger zu machen, ist gewöhnlich nicht nur viel schwieriger, als bei normal gebildeten Thieren, auszuführen, sondern auch, und zwar vor­zugsweise dann, wenn der Hodc in der Bauchhöhle zurückgeblieben ist, bei Weitem gefährlicher, indem nicht selten Hernien, selbst tödt-liche Bauchfellentzündungen eutslehen. Aus diesem Grunde ist es gc-rathener, beim Pferde die Operation ganz zu unterlassen, wenn das­selbe nicht, wie mitunter beobachtet wurde, in einem solchen Grade bösartig ist, dass jeder Versuch zu seiner Verwendung mit Gefahr für die mit demselben beschäftigten Individuen verbunden ist, dasselbe somit ganz werthlos ist. Ausserdem soll die Castration solcher Pferde nicht vor dem dritten Jahre unternommen werden, indem, wieHert-wig und quot;Vanhaclst beobachteten, die Hoden mitunter erst bis zu dieser Zeit in den Hodensack herabgelangen.
Die Entfernung des Hodens selbst kann in verschie­dener Weise stattfinden.
Bei Pferden, bei welchen der Hode am Anfange des Leistenk anales steckt, oder in diesem bereits weiter herabge­stiegen ist, operirt man nach V anhaeist derart, dass man an dem Hodensacke des in die llückenlage gebrachten Thieres einen Längen­schnitt durch die Haut und durch das darunter liegende gelbe fibröse Ge­webe macht, die kegelförmig zusammengelegte Hand durch die Wunde gegen den Bauchring hin einführt und, im Leistenkanale angelangt, mit dem Finger den Hoden umgeht, um denselben frei zu machen, Ist dieses geschehen, so zieht man den Hoden allmälig nach aussen, unterbindet den Samenstrung, schneidet den Hoden jedoch nicht ab, sondern legt über demselben an der Hautwunde die Kürschnernaht an, und lässt die Enden des Unterbindungsfadens aus der Wunde heraushängen. Das Thier wird in den Stall zurückgebracht, mit dem Hintertheile höher gestellt, um das Entstehen einer Hernie zu verhü­ten, und im Uebrigen wie jeder.Castrat behandelt. Nach 4 Tagen entfernt man die Naht: der Hode sammt dem unterbundenen Theile
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des Samen st ranges fallen ab, worauf die Heilung eben so rasch, als gewöhnlich, erfolgt.
S err es bezweifelt die Zweekmassigkeit des eben beschriebenen Verfahrens, indem seiner Ansicht nach der zurückbleibende Hode, so wie das in der Wunde zurückgehaltene und sich zersetzende Blut zum Auftreten von Gangrän Veranlassung geben dürften, und hält es für zweckmässiger, nach Erweiterung des Leistenkanales den Hoden mit einer Zange oder mit einem Haken zu fassen, die Verbindungen zwischen ihm und seiner Scheide mit einer Sonde zu lösen, ihn her­vorzuziehen, bei langem Samenstrange eine gekrümmte Kluppe, bei kurzem dagegen eine Ligatur anzulegen, und den Hoden sodann ab zuschneiden.
Ist der Hode im Bauchringe, so kann man ihn daselbst tixiren, auf ihn einschneiden, und dann entweder die Unterbindung oder das Abdrehen vornehmen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; #9632; #9632;
Liegt der Hode innen am Baueliringe, so kann man auch zur Seite des Schlauches die Bauchwand durchschneiden, den Hoden mit den Fingern hervorziehen und nach Anlegung einer Ligatur abschneiden.
Ist der Hode in der Bauchhöhle zurückgeblieben, so legt man nach Diericx das Pferd auf jene Seite, an welcher nicht operirt wird; der Operateur placirt sich hinter den Schenkeln des Thiere's, und macht mit Bildung einer Ealle einen etwa lo Centimetres langen, mit einem Ende, die Naht berührenden Querschnitt am Hodensacke an der Stelle, an welcher der Hode heraustreten würde, wenn er sich im Hodensacke befände. Nachdem der obere Wundrand etwas in die Höhe gehoben worden ist, durchschneidet der Operateur das Zellge­webe bis zur äusseren Oeffnung des Leistenkanales, streift hierauf die Hodensackhäute zurück, geht mit der boölten, coniscli zusammen­gefalteten rechten Hand (wenn er links operirt, und umgekehrt) in die Wunde ein, und sucht durch drehende Bewegungen das Zellge­webe bis zum Leistenkanale zu zerreissen. Nachdem er nun den Lei-?tenkanal mittelst der Finger allmälig ausgedehnt hat, und so bis zur oberen Oetf'nung- desselben gekommen ist, versucht er das Bauch­fell durchzubrechen, so in die Bauchhöhle zu gelangen, und den meist zunächst der oberen Oeffnung des Leistenkanales liegenden Ho­llen zu erreichen. Ist ihm dieses gelungen, so zieht er den Hoden, währenddem er die hinteren Füssc in die Höhe ziehen und das Hintertheil des Tliieres durch untergeschobene Strohbündel höher legen lässt, allmälig in den Leistenkanal herein, und zur unteren Oeff­nung heraus, worauf er in gleicher Weise wie Vanhaelst vorgehf,
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Bei Schweinen und Schafen kann man wohl auch den Hoden, wenn er im Bauehringe steckt, was jedoch selten der Fall ist, von einem Einschnitte in den Hodensack aus entfernen; meist sitzen jedoch die zurückgebliebenen Hoden innen in der Bauchhöhle u. z, oben in der Lendengegeml, und man muss desshalb die Bauch­höhle in der Flanke gegen den Schlauch zu eröffnen, die Hoden auf­suchen, sie hervorziehen und entweder abdrehen oder abbinden, worauf die Bauchwuude zugenäht wird, üieses Verfahren, welches an Scha­fen und Schweinen meist ohne Nachtheil geübt wird, hat man an Pferden zu wiederholten Malen gleichfalls in Anwendung gebracht, indess geht auch die Mehrzahl der auf diese Weise castrirten Thiere zu Grunde.
Stookfleth, welcher die Operation vou einem Viehcastrirer an einem fünfjährigen Spitzhengste ausführen sah, gibt an, dass bei dem mit erhöhtem Hintertheile liegenden Pferde der linke Hinterfuss mittelst eines Seiles an einen, in einiger Entfernung in den Boden eingerammten Pfahl befestiget, sodann in der linken Flanke, etwas nach abwärts und beinahe am vorderen Rande des Schenkels ein Ein­schnitt durch die Haut gemacht, das Bauchfell mit der Hand durchbohrt, der Hode in der Bauchhöhle aufgesucht, hervorgezogen, der Samen­strang durchgeschabt, und bloss an der Haut eineiSJalit augelegt wurde.
Nach Her twig macht man beim Pferde in der unteren Flan-kengegeud jener Seite, an welcher der Hode durch den Mastdarm ausgemittelt wurde, u. z. etwa in der Mitte der Länge zwischen dem äusseren Darmbeinswinkel und der Kniescheibe beginnend, einen etwa 4 Zoll langen, schräg nach unten verlaufenden Einschnitt, durch wel­chen man die Hand in die Bauchhöhle einführt, sodann den Hoden aufsucht, hervorzieht, ihn einige Male um die Achse der Samenarterie, welche man zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand fest-liält, dreht, ihn einfach abschneidet und die Wunde zunäht.
ad 2. Eine ungleicheGrrosse der Hoden könnte höchstens das Erfassen und Fixiren der Hoden behufs der Eröffnung des Hoden­sackes etwas schwieriger machen. Eine ungleiche Stärke der Samenstränge ist, wie llcrtwig bemerkt, in so ferne zu berück­sichtigen, als z. B, bei der Castration mittelst Kluppen bei ein und demselben Thiere Kluppen von verschiedener (.Trosse anzuwenden sind.
ad 3. Her twig fand mitunter bei I—2 Jahre alten Hengsten einen sehr wenig entwickelten Hodensack und hoch oben in der Leistengegend liegende Hoden. In solchen Pällen ist der Hautschnitt nicht an der gewöhnlichen Stelle, sondern
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in der Nähe der Hoden zu machen, #9632;wobei man jedoch, damit der Schnitt nicht gerade jn die Fuge zwischen dem Schenkel und dem Becken falle, wodurch die Heilung erschwert würde, den Hoden ein wenig nach dem Schlauche zu drückt, die Haut über ihm straff an­spannt, dieselbe nebst der Dartos und der Seheidenhaut nahe au dem inneren Rande des Testikels durchschneidet, und den Hoden wegnimmt, was am zweekmässigsten durch das Abdrehen geschieht.
ad 4. Geschwüre und quot;Wunden am Hodensacke werden meist nur eine Abänderung in dem Anlegen des Hautschnittes erhei­schen ; bei AVunden wird entweder eine einfache Erweiterung oder zugleich eine Regulirung der Form derselben nothwendig sein, wobei mau jedoch stets für freien Abiiuss des Eiters Sorge zu ti'agen hat; bei Geschwüren umgeht man die Geschwürsränder und löset beste­hende Adhäsionen zwischen der äussereu und der Scheidenhaut, oder zwischen dieser und dem Hoden.
ad S. Bei Verwachsungen der Scheideuhaut mit dem Hoden, welche vorzugsweise bei alten Beschälern vorkommen, und erst nach Eröffnung der Sclieidenhaut erkannt werden, indem der Hode durch die Wunde nicht vortritt, müht man sich nicht erst mit dem Versuche ab, diese Verbindungen zu lösen, sondern schneidet die Scheidenhaut über dem Nebenhoden rings um den Samenstrang durch, in­dem man zuerst eine kleine Falte mit der Pincette emporhebt, diese mit der Scheere quer einschneidet, und durch die entstandene Oeff-nnng das stumpfe Blatt der Schcere einbringt, worauf man den von der Scheidenhaut bedeckten Hoden in irgend einer beliebigen Weise entfernt.
ad 6. Bei Entartung des Hodens und des Hoden­sackes (beim sog. Fleischbruche) kann die Castration durch den Um­stand wesentlich erschwert werden, dass entweder die Scheidenhaut sehr verdickt ist, oder dass sich eine feste Venvachsung des vergrös-serten Hodens mit dem verdickten Hodensacke vorfindet. Im ersteren Falle soll man nach Her twig so wie bei Verwachsungen zwischen Hoden und Vaginalhaut vorgehen, indem man die letztere über dem Nebenhoden ringsum durchschneidet, und den unteren verdickten Theil entfernt. Im letzteren Falle dagegen kann man den Hodensack an der gewöhnlichen Stelle bis auf die weisse Haut des Hodens, jedoch nie tiefer, widrigenfalls die weitere Manipulation äusserst schwierig wird, in hinreichender Länge einschneiden, die Scheidenhaut mittelst eines stumpfen Instrumentes z. B. mittelst einer Haarseilnadel, oder eines Skalpcilstieles von dem Hoden niml herum und bis über den
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Xebonhoden himveraquo;' ablösen, und sodann an den blossgelegton und hervorgezogenen Samenstrang eine Kluppe oder eine Ligatur anlegen.
Nach Dieterichs dagegen soll man den Hodensack an jener Stelle, an welcher der Samenstrang am deutlichsten gefühlt wird, spalten, oder, wenn dieses nicht möglich, den Schnitt senkrecht vom Samenstrange nach dem Hoden zu, somit in der .l.iingenachse des er-steren, durch die Fleischhaut und die allgemeine Scheidenhaut führen, den mit dem gekrümmten Zeigefinger der linken Hand hervorgeholten Samenstrang blcsslegen, die Samenarterio unterbinden und sodann die Ausschälung des Hodens und nothigenfalls auch die licseitigung der entarteten Haut, des Hodensackes vornehraen.
ad 7. Bei Leistenbrüchen, welche bereits vor der Opera­tion erkannt wurden, gebt man nach den früher angegebenen Re­geln vor.
Ungünstige Ereignisse vor und nach der Operation.
Während der Operation oder kürzere oder spätei'e Zeit nach derselben stellen sich mitunter verschiedene üble /ufiille ein, welche den glücklichen Erfolg selbst vollkommen zu vereiteln vermögen, und theils in der Individualität dos Thiercs. theils in der gewählteir Me­thode und der Art ihrer Ausführung begründet sind, theils aber durch andere, nicht selten unbekannte Ursachen vcranlasst werden.
Zu diesen üblen Ereignissen gehören:
1. Das Entstehen von Leistenbrüchen, welches im All­gemeinen nicht sehr oft, am öftesten bei Pferden, besonders bei sol­chen, deren Bauchringe sehr weit sind, entweder noch während der Operation oder erst nachdem das Thier aufgestanden ist, beobachtet wird, . und im ersteren Falle meist eine Folge der von Seife des Thieres gemachten Versuche, sich zu befreien, ist.
Mitunter trägt jedoch die gewählte Caslrationsraethode, wie die­ses z. ii. von der linearen Abquetschung gilt, an dem Eintreten die­ser, immerhin bedenklichen Complication Schuld, und Günther (Jlyo-logie des Pferdes pag. 149) mächt ausdrücklich darauf aufmerksam, dass man, um das nicht selten lebensgefährliche Vortfefen von Darm-parthieen bei oder nach der ('ast ration zu verhüten, zuvor stets den von aupsen zugänglichen inneren Bauchring'untersuche, welcher, fast senkrecht über dem äusseren Winkel des änsseren Bauchringes, etwa 2—3 Zoll von diesem, und !)—(i Zoll von der Medianlinie entfernt gelegen, mit dem an dem vorderen Rande des Samenstranges nach
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aufwärts geführten Finger erreicht werden kann; nach der Weite die­ser Oeffnung ist die Castrationsmethode zu wählen, und jeder Thier-arzt, der dieses unterlässt, ist nach Uünther's Ansicht für etwa ein­tretende naclitheilige Folgen unbedingt verantwortlich zu machen.
Die Behandlung ist in der bei Besprechung der Hernien (pag. 361) angegebenen Weise durchzuführen.
2.nbsp; nbsp;Eine andere, nur bei Eröffnung der Scheidenhaut mögliche Erscheinung, welche man bald während der Operation, bald erst nach derselben wahrnehmen kann, ist das Eindringen von*Laft in die Bauchhöhle durch den Leistenring. In dem ersteren Falle hört man mitunter ein eigenthümliches glucksendes (ieräusch, in dem letzteren Falle scheint die Luft bei den Athembeweguugen so lange in die Bauchhöhle zu gelangen, bis der Samenstrang ange­schwollen ist und sich zwischen ihm und der. Scheidenhaut Verklebun­gen gebildet haben. Wohl nur selten dürfte dieser früher für sehr gefährlich gehaltene Zufall, der von Jessen gewöhnlich nur bei 2—4jährigen Fohlen, bei welchen der minder kräftig entwickelte Sa­menstrang den Bauchring weniger genau, als bei älteren Pferden aus­füllt, beobachtet wurde, wirklich von Bedeutung sein, und Jessen Gourd on, Renault. Meyer z. B. halten denselben für ganz un­gefährlich. Hering, dem die in Rede stehende Erscheinung zu wie­derholten Malen besonders bei Pferden mit sehr weitem Bauchringe vorkam, sah in einem Falle heftige Auftreibung des Bauches, Unruhe, Schweiss und Bauchfellentzündung, welcher letztei'en auch andere Au­toren, wie Ternaes, Stewart, Parent, Manry erwähnen, dar­nach auftreten. Einem weiteren Eindringen von Luft während der Operation beugt man nach Hering einfach dadurch vor, dass man sogleich die Hand gegen den Bauchring andrückt.
3.nbsp; nbsp;Blutungen können gleiclifalls nach kürzerer oder längerer Zeit bei allen mit Eröffnung des Hodensackes verbundeuen Castra-lionsmethoden eintreten, und stammen entweder aus den (xefässen des Samenstranges, besonders aus der inneren Samenarterie, oder aus jenen der Scheidenhaut, oder des Hodensackes. Den in verschiedener Stärke auftretenden Blutungen aus den Oefässen des Satuenstranges können verschiedene Veranlassungen zu Urundn liegen, und man beobachtet dieselben, wie schon angegeben wurde, nach dem einfachen Abschnei­den und nach dem Abdrehen der Hoden, bei ungenügender Compres­sion des Samonstranges durch schlecht anliegende Kluppen, nach zu frühem Abnehmen oder nach dem Abreissen dieser letzteren, nach einem zu hoch oben erfolgten Durchschneiden des in der Kluppe ge-
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wesenen Samenstrangabschnittes, nach zu locker oder zu straff aiigo-legier Ligatur, so wia nach dem Abstreifen derselben, nacli zu früh­zeitigem Losstosson des Braudschorfes, nach Verletzungen des Samen-Stranges oberhalb der Kluppe oder der Ligatur u. s, w.
Um den Ausgangspunkt der Blutung in schwierigeren Fällen ausmitteln zu können, bringt man nach Her twig am stehenden und gebremsten Pferde, welchem man zugleich einen Yorderfuss auf­heben lässt, die dicht an einander gelegten Finger einer Hand zwi­schen den- Samenstrang und die innere Fläche des Hodensaekes in die quot;Wunde ein, und umgeht den ganzen .Samenstrang, wobei sich er­geben wird, ob die Blutung innerhalb oder ausserhalb der Hand ihren Ursprung hat.
Obwohl selbst stärkere Blutungen sich von selbst stillen, und man somit besonders bei Pferden nicht allzu ängstlich zu sein braucht, so wird man doch Mittel dagegen anzuwenden gezwungen sein, um einestheils nicht der Unachtsamkeit geziehen zu werden, und um an-derstheils das Thier nicht zu schwächen. Bei Haeraorrhagien aus den Wundrändern des Hodensaekes oder der Scheidenhaut wird mau dess-halb in kaltes quot;Wasser oder in Alaunlösung getauchte Schwämme gegen die blutenden Parthieen drücken, Einspritzungen von adstrin-girenden Flüssigkeiten oder die Tamponation vornehmen, bei Blutun­gen aus dem Samenstrange dagegen diesen entweder in seiner Tota­lität oder nur die vordere Parthie unterbinden. Hering fasst in solchen Fällen die Gefässparthie des Samenstranges mit zwei Fingern, zieht sie etwas aus der Wunde hervor und legt eine aus einer dün­nen Schnur gebildete einfache Schlinge (ohne Knoten) au, welche schon so lange liegen bleibt, bis sich ein Pfropf gebildet hat, und in der Eegel bis zum anderen Tage von selbst abfallt.
4. Die nach jeder Castration sich einstellende und durch die Verwundung an und für sich, durch den Druck der Kluppen, durch das zurückgebliebene Aetzmittel, durch das Ausstrahlen der Wärme bei Anwendung des Glüheisens, durch die zu hoch an der Seite des Hodensackes geraachteii Fiuschnitte u. dgl. bedingte An so h well u u g des Hodensaekes und desSchlauches, welche am 2/—S.Tage am stärksten ist, und vom S.—6. Tage, wenn die Eiterung einmal im Gange ist, abzunehmen beginnt, wird von keiner besonderen Bedeu­tung sein, wenn sie nicht zu umfangreich ist, und sich nicht zugleich auch auf die zunächst gelegenen Körperfheile ausbreitet. In der Regel verliert sich die Geschwulst bei äeissiger Bewegung des Thieres ohne Anwendung irgend eines anderen Mittels 7iach und nach von selbst.
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Jfur bei sehr grossen und hartnäckigen Oedemen soll man nach Hartwig täglich mehrmal wiederholte Waschungen mit kaltem. Wasser oder aromatischen Aufgüssen vornehmen, oder selbst Einstiche oder Einschnitte an dem niedrigsten Theile der Geschwulst machen, wäh­rend eine heftige Entzündungsgeschwulst bis zum Eintritte gutartiger Eiterung fortgesetzte lauwarme Bähungen des Hodensackes mit schlei­migen Flüssigkeiten erheischt.
Strauss, Serres und Gourdon erwähnen auch des durch die Individualität des Thieres, so wie durch athmosphärische Verhält­nisse bedingten, äusserst gefährlichen brandigen Rothlaufes; Schmidt beobachtete gleichfalls bei mehreren, durch Unterbindung castrirten Kindern Geschwülste, welche sich nach vorne bis vor die Brust, an beiden Seiten des Körpers bis zur Kniescheibenhöhle und nacli hinten oft bis zum After erstreckten, sich um den 4.—S. Tag nach der Operation ziemlich schnell entwickelten, und fast ohne Aus­nahme zum Tode führten.
Brand eines Theiles des Hodensackes tritt mitunter uner­wünschter Weise nach der Bistournage ein, wenn die Schlinge ent­weder zu straff angezogen oder zu lange liegen gelassen wurde.
5.nbsp; nbsp;Das unter normalen Verhältnissen sich einstellende Wund­fieber erfordert keine besondere Behandlung; tritt dasselbe dagegen in einem heftigeren Grade auf, so ist von der Antiphlogose Gebrauch zu machen.
6.nbsp; nbsp;Ueble, nur bei bestimmten Castrationsmethoden mögliche und zu Zerrungen des Samenstranges, zu Blutungen und anderen mehr weniger gewichtigen Nachtheilen ^nlass gebende Zufälle sind •/.. B. das Abreissen der Kluppen, welches dann vorkommen kann, wenn die Thiere die Kluppen mit den Zähnen packen oder wenn sie sich niederlegen können, oder wenn bei dem Herumschlagen mit dem Schweife die Seh weifhaare sich in der Kluppe verfangen; das Ab­gleiten der Ligatur, veraulasst durch zu geringe Schnürung der Schlinge u. s. w.; das Zcrreissen des S amen st ranges, das Zurückdrehen desselben, Gangrän und Entartung der Hoden nach der Bistournage u. s. w.
7.nbsp; Hering führt als Folgen der Castration auch das Verkle­bender äusseren Wunde und den V orfall des Samens tran-ges (das Heraushängen des Samenstrangstumpfes aus der Scrotal-#9632;wunde) an. Ersteres kömmt besonders bei Thieren, denen man keine Bewegung gestattet hat, vor, führt zur Zersetzung der in der Hoden-s ackhöhle angesammelten Flüssigkeiten, oder zu Hodensackabscessen,
Förster. Operalionalehre für Thierarzle.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 31
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und erheischt die Lösung der Verklebung der Wundränder mit dem Finger; letzteres wird nacli gewaltsamen Anziehen des Hodens während der Operation besonders bei alten Hengsten mit sehr schlaffen, lan­gen Samensträngen beobachtet, und durch höheres Anlegen der Klup­pen bei der Castration zu verhüten gesucht, kann jedoch auch durch ungenügendes Hinaufschieben des Samenstranges vcranlasst sein. Um diesen zur Entstehung einer Samenstrangfistel möglicherweise Anlass gebenden Uebelstand zu beseitigen, schiebt man, was jedoch nur in den ersten Tagen nach der Operation gelingt, den Samenstrang mit den Fingern hinauf und zieht die Wundlappen des Hodensackes'herab, .oder man schneidet das vorstehende Ende mit der Scheere ab, oder unterbindet dasselbe.
8.nbsp; Hodensackabsoesse bilden sich, wenn die Wunde im Scro­tum zu klein gemacht wird, und sich desshalb viel früher, als es zur Aus-stossung abgestorbener Gewebe oder der Ligatur kömmt, schliesst, oder wenn man dieselbe zu weit von der Naht an der' äussereu Wand des Hodensackes anlegt, wodurch das Abfliessen des Eiters behindert ist. Die Eröffnung eines solchen Abscesses bietet keinerlei Schwierig­keiten dar, und die weitere Behandlung erfolgt nach den allgemeinen Regeln.
9.nbsp; Mitdem Namen: „Champignon squot; bezeichnet man wuchernde Granulationen an den Wundrändern des Hodensackes oder an dem Samenstrangstumpfe. Erstere, von der Dartoshaut ausgehend, verlieren sich nach Anwendung von Kupfervitriol, können indess, falls sie gros­ser sind, auch unterbunden oder abgeschnitten werden. Bei den von dem nicht völlig abgestorbenen Samenstrange ausgehenden und eben so wie die Samenstrangentartungen überhaupt linkerseits viel häufiger als rechterseits vorkommenden Champignons, welche sich nach einfa­chem Abschneiden nach H e r i n g 's Erfahrung manchmal um so schnel­ler heranbilden, hat man den Stumpf des Samenstranges mit den Fin­gern, nöthigenfalls nach vorher gemachtem Kreuzschnitte zu lösen, und eine chirurgische Schlinge so hoch als möglich am Stumpfe anzulegen, worauf die Wucherungen oder auch der untere Theil des Samenstran­ges entweder abgeschnitten oder sich selbst übeiiasseu werden können.
10.nbsp; nbsp;Samenstrangentartungen und S amens t rang fi­steln, welche in Folge der Zerrung des Samenstranges, oder des ungenügenden Lösens undHinauf'schiebens desselben nach der Abnahme der Kluppen, in Folge des Zurückbleibens des Aetzmittels, so wie der wiederholten Heizung der Wunde bei dem Untersuchen und Reinigen derselben u. dgl. auftreten, sind, wenn sie einmal eine bedeutendere
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Grosse erlangt haben, in welchem Falle sie auch die Gebrauchsfähig­keit des Pferdes wesentlich beeinträchtigen können, nur durch die Operation, welche indess der möglicherweise eintretenden, schwer zu stillenden Blutungen oder der sich entwickelndenEauohfellentzündung wegen durchaus nicht ganz gefahrlos ist, zu beseitigen.
Um die Exstirpation der Geschwulst vornohmen zu können, muss diese letztere vor Allem freigelegt werden, was in der Weise geschieht, dass man an dem in die Rückenlage gebrachten Pferde die Haut des Hodensackes, falls dieselbe nicht degenerirt ist, einfach von der Fistelöifnung aus nach vorne und nach hinten so weit, als äus-serlieh die Verdick ung des Samenstranges zu fühlen ist, durchschnei­det ; ist dagegen die Haut ebenfalls verdickt, von Pistelöffnungen durchbrochen, so umgeht man die ganze kranke Parthie mit zwei halb­mondförmigen Schnitten, so dass dieses Hautstück auf der Geschwulst sitzen bleibt, präparirt die Haut rund um die Geschwulst los, zieht diese letztere an einem, mittelst einer isadel durchgezogenen und in eine Schleife geknüpften Faden oder mittelst eines scharfen Hakens etwas hervor, und schält die entarteten Gebilde so weit gegen den Bauchring hin los, so weit es ohne Gefahr geschehen kann, oder bis der Samenstrang eine mehr normale Beschaffenheit zeigt. Bei dem Ausschälen hält man sich möglichst in dem zwischen der Haut und der gemeinschaftlichen Seheidenhaut befindlichen Zellgewebe, un­terbindet die unter das Messer kommenden grösseren Blutgefässe so­gleich doppelt, und sehneidet sie sodann zwischen beiden Ligaturen durch. Die Abtragung der Geschwulst, welche man in dem noch ge­sunden Theile des Samenstranges oder, wenn dieses nicht möglich, wenigstens dem Bauchringe thunlichst nahe auszuführen hat, kann auf verschiedene Weise geschehen, indem man entweder eine gerade oder gekrümmte Kluppe, oder eine Ligatur anlegt, oder das Abdrehen oder das Abbrennen unternimmt.
Die Kluppe und das von Strauss vorzugsweise angerühmte Abdrehen können nur in solchen Fällen Anwendung finden, in wel­chen die Geschwulst eine bloss massige Grosse erreicht hat, wo somit der Samenstrang gegen den Bauchring hin gar nicht oder nur in ganz geringem Grade verändert ist, was auch von der Ligatur gilt, bei welcher letzteren jedoch der Uebelstand eintreten kann, dass dieselbe sehr lange zur Abstossung braucht.
Die unstreitig zweckmässigste Methode ist das Abbrennen, wel­ches entweder derart durchgeführt werden kann, dass man, nachdem man zum Schütze der benachbarten Theile vor der Einwirkung der
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Hitze nasse Lappen aufgelegt hat, den mittelst einer so hoch oben als möglich angelegton und fest zusammengeschraubten eisernen Klam­mer comprimirten Samenstrang etwa 3/4 Zoll ausserhalb dieser ent­weder mit eiuem weissglühenden, messerförmigen Brenneisen quer durchschneidet, und die Schnittfläche mit diesem oder mit einem gleichfalls weissglühenden knopffdrmigen Eisen hinreichend stark be­rührt, um einen entsprechend dicken Schorf zu erzeugen, oder ihn mit dem Messer durchschneidet, und dann erst das Glüheisen anwen­det. Hierauf lüftet man die Klammer etwas, um sich zu überzeugen, ob sämmtliche Gefässe gut verschlossen sind, und entfernt, wenn dieses wirklich der Fall ist, das Instrument, füllt die Wunde mit Wergtam­pons vollständig aus, und legt an die Wundränder etwa 4—5 Hefte der Knopfnaht an. Soll die Unterbindung vorgenommen werden, so legt man um den ganzen Samenstrang eine aus einer starken Schnur gebildete Schlinge, die man so fest als möglich zusammenzieht, an, oder man unterbindet, wie bei der Castration, den Samenstrang in zwei Parthieen, schneidet denselben ausserhalb der Ligatur durch, brennt die Schnittfläche mit dem weissglühenden Eisen, und lässt die Enden der Fäden, welche sich gewöhnlich nach 14—20 Tagen los-stossen, aus der Hodensackwunde heraushängen.
Jessen bedient sich zur Exstirpation des entarteten Samen­stranges gegenwärtig fast immer des Eeraseurs, durch dessen Anwen­dung die Operation wohl sehr vereinfacht wird, indess nach den an der Thierarzneischule zu Brüssel gemachten Erfahrungen auch nur in solchen Fällen vollständig gelingen dürfte, wenn die Kette des Instru­mentes an dem wenig oder gar nicht veränderten Samenstrange ange­legt werden kann.
Das Thier wird in den Stall zurückgebracht, und durch 4—6 Tage stehend erhalten. Die Hefte entfernt man nach zwei, die Tam­pons nach 3 Tagen, wenn man es nicht vorzieht, wenigstens die tiefer gelegenen von selbst abfallen zu lassen, und leitet bis zur vollkom­menen Heilung, welche binnen 3—4 quot;Wochen erfolgen kann, eine den Hegeln der Chirurgie entsprechende Behandlung ein.
11. Ein bei castrirten Bindern in einigen Gegenden häufiger beobachtetes Folgeleiden ist die zuerst von Prinz, später von Adam genau beschriebene S chlag-Blu tadererw eiterung desSamen-stranges oder das Aneurysma spurium varicosum des Samenstrang-Budimentes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;*.
Dieses Leiden, welches nach Leuther am häufigsten nach der Castration durch Unterbindung auftreten soll, und durch eine verschie-
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den grosse, rundliche oder birnförmige, meist an einer, selten an beiden Seiten vorkommende Geschwulst, welche sich nach einem an ihr an­gebrachten Drucke verkleinert, nach dem Aufhören des Druckes jedoch augenblicklich ihren früheren Umfang erreicht, und an der man ein eigenthümliches, mit den Kreislaufbewegungen zusammentreffendes Pulsiren oder Schwirren sowohl durch das Gefühl, als auch durch das Gehör wahrnehmen kann, characterisirt ist, entwickelt sich in Folge der unmittelbaren Communication zwischen Samenarterie und Samenvene, welche Gefasse in ihrer ganzen Ausdehnung beträchtlich erweitert sind.
Die Entwickelung dieser Abnormität findet nur ganz allmälig und meist ohne jedwede Störung des Allgemeinbefindens statt, und eine ärztliche Behandlung derselben ist nur dann angezeigt, wenn in Folge der bedeutenden Geschwulst die Bewegung des Thieres beein­trächtiget wird, oder der Eigenthümer die Beseitigung derselben wünscht.
Die Operation selbst wird in der Weise ausgeführt, dass man am liegenden Thiere nach gemachtem Hautschnitte das meist lockere Zellgewebe trennt, auf den blossgelegten Samenstrang so hoch oben als möglich eine mit einem Aetzmittel versehene Castrirkluppe wie bei der Castration anlegt, und den ausserhalb der Kluppe befind­lichen Theil, von dieser etwa Va Zoll entfernt, abschneidet. Nach 24 Stunden wird die Kluppe abgenommen, die Wunde gereiniget, und das Scrotum bloss zeitweilig mit Fett bestrichen.
Adam macht besonders darauf aufmerksam, die Kluppe so hoch anzulegen, dass jede Communication zwischen den entarteten Gefässen vollkommen aufgehoben wild, widrigenfalls eine Recidive eintritt.
Anstatt der Kluppen kann man auch die Unterbindung oder das Abbrennen der Geschwulst unternehmen, und im ersteren Falle nach der Angabe von Prinz eine aus einem schmalen Bande oder aus einer starken Darmsaite gebildete Schlinge in der Höhe des Bauchringes um den entblössten Samenstrang entweder wie bei der Castration fest anlegen, oder dieselbe bloss massig zusammenschnüren und nur so lange liegen lassen, bis eine Gerinnung des Blutes in­nerhalb der erweiterten Gefasse stattgefunden hat.
12. Auch der Starrkrampf stellt sich mitunter bei Pferden, Böcken und Lämmern u. z. meist nach 8—14 Tagen, selbst auch noch später ein. Obschon man gewisse Castrationsmethoden, wie z. B. besonders das Abbinden des Samenstranges, ausserdem aber ein un-zweckmässiges Verfahren überhaupt, einen zu geringen, ungleichmäs-
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sigen Druck von Seite der Ligatur oder der Kluppen, starke Zer­rungen des Samenstranges u. dgi. als Momente, welche das Entstehen des genannten Leidens begünstigen, anführt, so müssen doch noch anderweitige, u. z. wahrscheinlich in den Witterungsverhältnissen gelegene Ursachen hiebei einwirken, indem man wiederholt die Er­fahrung gemacht hat, dass gleichzeitig mehrere Fälle von Starrkrampf bei auf verschiedene Weise castrirten, so wie auch bei anderen Thie-ren vorkommen, und hierauf wieder eine längere Zeit vergeht, ehe dasselbe sich wiederholt.
13.nbsp; nbsp;Bauchfell entzünd u nge n sind eine nicht so seltene, und durch verschiedene Ursachen bedingte Folge der Castration.
14.nbsp; nbsp;Anderweitige, in der thierärztlichen Literatur verzeichnete, aber ganz gewiss zu den seltensten Ausnahmsfällen gehörende Folgen der Castration sind z. B. der schwarze Staar beim Pferde (Fro-mage de Fe ugre, G oh ier, Riss, Del wart), die durch Ab­lecken des auf den Kluppen verwendeten Sublimates bedingte Queck­silbervergiftung bei Hindern (Leuther), epileptische An­fälle beim Pferde (L in dquist), die Traberkrankheit (Cha'r-lier), ferner die Verwachsung des Sa m ens tr ang stumpf es
mit den Scrotalhäuten, und in Folge der straffen Anspan­nung desselben Schmerz beim Aufstehen u. And. m.
2, Die Castration weiblicher Thiere oder die Ovariotomie.
Dieser Operation, welche darin besteht, dass man die Eierstöcke durch eine mittelst schneidender Instrumente gemachte Oeffnung ent­fernt, werden am häufigsten die kleineren Hausthiere. weniger häufig Rinder, am seltensten Pferde unterworfen.
Während man, wie bereits früher angeführt wurde, Stuten höchstens aus dem Grunde castrirt, um dem zu häufig wiederkehren­den, mitunter mit grosser Reizbarkeit des Thieres verbundenen, und die Dienstbrauchbarkeit desselben wesentlich beeinträchtigenden Ros-sigwerden, so wie der Entstehung des sog. Mutterkollers vorzubeugen*), nimmt man die Operation an Kühen theils abnormer Zustände, wie z. B. der Stiersucht, fehlerhafter Beckenbildung, der Anlage zu Schei­den- und Tragsackvorfällen, so wie zum Verwerfen wegen, theils u. z. in der Mehrzahl der Fälle aber desswegen vor, um die Milch-
*) Charlier, von den Vorzögen seiner Methode eingenommen, räth allen Ernstes an, alle nicht zur Zucht verwendeten, besonders aber die zu Mili­tärdiensten benutzten, lebhaften Stuten zu castriren.
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secretion und weiterhin den Fettansatz zu fordern, welches letztere gleichfalls der Hauptzweck der an Schafen und Schweinen ausgeführten Ovariotomie ist.
Sollen Kühe der Hilchnulzung wegen castrirt werden, so wähle man hiezu überhaupt nur gute, vollkommen gesunde Milchkühe, die das 2. oder 3. Kalb geboren haben, und operire, je nachdem das Junge von dem Mutterthiere früher oder später weggenommen wurde, etwa 30—40 Tage nach dem Kalben, zu welcher Zeit die Milchsecre-tion am reichlichsten ist; dieselben dürfen aber nicht eine auffallende Neigung zum Fettwerden zeigen, oder gar schon halbfett sein. C h a r-lier, einer der eifrigsten Lobsprecher der Ovariotomie, glaubt, es wäre am entsprechendsten, alle oder fast alle 7—8jährigen Kühe kurze Zeit nach dem 3., 4. oder ö. Kalbe zu oastriren, indem man auf diese Weise viel sicherer eine reichlichere llenge sehr guter Milch und viel Fleisch bester Qualität erhalten würde; er gibt jedoch selbst zu, dass die Operation wohl noch lange nicht allgemein werden dürfte. Indess darf man, wie bereits Prinz bemerkt, nicht erwarten, dass die Milchabsonderung gleichsam in's Unendliche fortdauert, und dass die Milch auch vom Anfange bis zum Ende gleich gut bleibt, indess mästen sich die Thiere, wenn die Milchsecretion abnimmt, sehr leicht, und das Fleisch derselben wird sehr schmackhaft. Auch He­ring erklärt die Angabe, dass Kühe, welche 5—6 Wochen nach dem Kalben castrirt werden, durch mehre (sogar 5—7) Jahre hindurch gleich viele und gleich gute, ja selbst bessere Milch geben, für sehr unwahrscheinlich und durchaus unbegründet; die Milchsecretion dau­ert bei entsprechender Fütterung wohl 1—2 Jahre, nach und nach abnehmend, fort, indess werden die Thiere bei gewöhnlicher Haltung beleibt, und setzen sowohl im Inneren, als zwischen dem Fleische Fett an, wodurch das Fleisch werthvoller wird.
Schmidt, welcher indess, wie er ausdrücklich anführt, nur alte Kühe zu oastriren Gelegenheit hatte, machte die Beobachtung, dass die operirten Thiere sich nicht besser fütterten, als andere, dass die Milchergiebigkeit sich anfangs auf gleichem Niveau erhielt, nach 8—10 Wochen jedoch selbst bei Kühen, die sechs Wochen nach dem Kalben castrirt worden waren, allraälig abnahm, und sich schliesslich ganz verlor, dass dagegen der Buttergehalt der Milch von 4 auf beinahe 60/0 stieg, während die Milch einer anderen, in gleichen Fütterungsverhält-nissen lebenden Kuh bei der ersten Untersuchung gleichfalls 4%, später aber nicht einmal 2% enthielt. Auch Walther beobachtete in der Mehrzahl der Fälle keine besondere Aenderung in Betreff der
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Milchsecretion, dagegen gesteigerte Mastfähigkeit, welche bloss bei solchen Thieren fehlte, wo ausgebildete Perlsucht zugegen war. S er-res ist der Ansicht, dass es für den Züchter stets von grossem Vor-theile sei, die Kühe nach dem 4. —5. Kalbe zu castriren, da er wenig­stens durch ein Jahr viel mehr Milch, als sonst erhält, und das Thier, wenn die Milch abnimmt, hinreichend fett ist, um geschlachtet wer­den zu können.
Zu unterlassen ist die Operation -während des Trächtigseins und während der Brunstzeit.
Die Vorbereitung der Thiere besteht darin, dass man ihnen* am Abende und am Morgen vor der Operation das Futter entzieht, damit man in Folge der geringeren Anfüllung der Gedärme mehr Eaum für die Manipulationen in der Bauch- und Beckenhöhle gewinnt.
Die Ovariotomie selbst kann bei den verschiedenen Thiergattun-gen nach verschiedenen Methoden vorgenommen werden.
a. Ovariolomie beim Kimle.
Bei Rindern wird die Operation gegenwärtig auf zweifache Weise u. z. entweder
1.nbsp; von der Flanke aus oder
2.nbsp; nbsp;durch die Scheide ausgeführt.
Das ältere Verfahren, die Bauchhöhle von der Flanke aus zu eröffnen, welches bei Thieren jeden Alters Anwendung finden kann, ist besonders in einigen Gegenden Deutschlands gebräuchlich, und wird durch die neuere von Prange und Char Her angegebene Methode, durch den Scheidenschnitt, als deren Vortheile Vermeidung stärkerer Blutungen und einer umfangreicheren Verletzung, so wie Verhütung des Eindringens von Luft in die Bauchhöhle angeführt werden, wohl nie ganz'verdrängt werden können.
Mehrere deutsche Thierärzte wie Merkt, Herele, Brög und And., welche das Char lie r'sche Verfahren gleichfalls adoptirt hat­ten, sind im Gegentheils sogar bereits zu der älteren Methode zurück­gekehrt, indem sie diese letztere, wenn gleich für schwieriger und vielleicht auch schmerzhafter, doch für viel sicherer, als das erstere erklären, da bei dem Flankensolinitte Blutungen und das Eindringen von Luft -vollständiger zu verhüten möglich sein soll, der Schnitt in der Flanke von geringerer Bedeutung ist, als man glaubt, und der weitere Vor-
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zug der Char Her'sehen Methode, dass bei dieser die Eroif'ming der Bauchhöhle nicht an der Aussenfläche des Körpers, sondern innerhalb der Scheide stattliudet, und die hiebei gebildete Wunde ohne alles Zuthun der Kunst sich von selbst schliesst, die mit dieser Methode, welche nebstbei bei Thieren mit enger Scheide der hiedurch bedingten Unmöglichkeit des Einbringens der Hand wegen gar nicht anwendbar ist, verbundenen Nachtheile nicht aufwägt. Selbst der Erfolg der Opera­tion in Bezug auf Milchergiebigkeit und Mastfahigkeit ist nach der Ansicht von Nick las bei dem neueren Verfahren weniger sicher, als bei dem älteren, da bei dem ersleren Entzündungen des Bauch­felles und der Hinterleibsorgane überhaupt viel häufiger, als bei letz­terem auftreten sollen.
Indess erklären dagegen die französischen Thierärzte durch-gehends, die anderer Nationen zum grossen Theile die Ovariotomie duroli die Scheide für vorzüglicher und gefahrloser, und Pflug ist sogar der Ansicht, dass die meisten Verdammungsurtheilc dieser Methode von solchen Individuen, denen wegen Mangel an Uebung die Operation nicht gelang, stammen.
1. Ovariotomie mittels des Flankenschnittes.
Die Ovariotomie von der Flanke aus wird entweder und zwar gewöhnlich aiü stehenden oder auch am liegenden Thiere vorgenommen. In dem ersteren Falle stellt man nach Prinz und Hertwig das Thier, wenn der Schnitt, wie es meist der Fall ist, linkerseits gemacht werden soll, (nach Levrat, Prinz, Strauss, Hertwig, Hering) mit der rechten, soll er dagegen (wie Hey, Eu eff, Char li er angeben), reohterseits ausgeführt werden, mit der linken Xörperseite an eine Wand, bindet den Kopf daselbst kurz und fest an, oder lässt ihn von zwei Gehilfen halten, während der Körper durch einen, über die ganze Länge desselben gehenden und vor dem Buge und hinter der Keule durch die in der Wand befestigten Kiuge gezogenen, langen Strick gleichsam angeschnürt wird; das Schlagen mit dem linken Hinterschenkel wird durch einen Pfahl, welchen der neben dem Hintertheile stehende Gehilfe schräg von vorne und oben nach hinten und. unten gegen den Erdboden stemmt und zugleich etwas über dem Sprunggelenke gegen den betreffenden Hinterfuss anhält, verhindert; ein weiterer Gehilfe hält das Thier am Becken und am Schweife, um das Niederlegen unmöglich zu machen.
Soll die Operation am liegenden Thiere gemacht werden, so
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legt man dasselbe in gewöhnlicher Weise auf die rechte Seite und bindet die Füsse zusammen, oder man gibt, wie es nach Kreutzer in Oberschwaben gebräuchlich ist, dem Thiere eine stark ausgestreckte Lage, indem man beide Vorderbeine an einem vor dem Vordertheile, beide Hinterfüsse an einem hinter dem Hintertheile in die Erde ein­gerammten Pfahle mittelst Stricken befestiget, damit die linke Flanke recht angespannt sei. Kälber werden entweder auf die Erde oder auf einen mit Stroh bedeckten Tisch gelegt. Der Operateur nimmt bei dem Operiren am liegenden Thiere hinter dem Kreuze, im entgegen­gesetzten Falle neben der Rippenwand seinen Platz ein. Von einigen Seiten wird auch das Aetherisiren der Thiere vorgeschlagen.
Die zur Operation erforderlichen Instrumente sind: Eine Scheere, ein gerades Spitz-, dann ein gebauchtes und ein geknöpf­tes Bistouri, eine Pincette und die GeräthSchäften zur Knopf- oder Zapfennaht.
Ist das Eind in entsprechender Weise befestiget, so scheert man in der linken Hungergrube die Haare ab, und durchsehneidet ent­weder nach Bildung einer mit der Längenachse des Thierkörpers pa­rallel laufenden Falte oder nach blosser Spannung der Haut dieselbe so, dass in der Mitte der Grube eine, je nach der Stärke des einzufüh­renden Armes, 4—6 Zoll lange, senkrechte Wunde entsteht, worauf man am oberen Wundwinkel die Muskeln vorsichtig bis zum Bauch­felle trennt, dieses letztere, welches man mit der Pincette in eine Falte emporgehoben hat, behutsam einschneidet, mittelst des in die entstandene Oeffnung eingebrachten Zeigefingers der linken Hand die gegen die Wunde andrängenden Eingeweide zurückhält, nun mit dem unterhalb des Fingers eingeführten Knopfbistouri die Bauchmuskeln sammt dem Bauchfelle bis zum unteren Wandwinkel durchschneidet, und etwa verletzte grössere Blutgefässe unterbindet oder torquirt. Auch kann man Haut und Muskeln schichtenweise durchschneiden, das Bauchfell jedoch erst nach geschehener Blutstillung trennen.
Charlier's Befürchtung, dass bei dem Operiren an der linken Seite der Pausen leicht verletzt werden, und in Folge dessen eine Verwachsung dieses Organes mit der Bauohwand stattfinden kann, dürfte wohl nicht gegründet sein, indem ein derartiger Zufall eines-theils leicht verhütet werden kann, und selbst dann, wenn er ein­träte, nicht von besonderer Bedeutung wäre; eben so wenig dürfte dessen Vorschlag, die Bauchwunde so gross zu machen, dass man beide Hände, deren eine das Band des Eierstockes fixirt, die andere
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aber diesen letzteren ablöset, in die Bauchhöhle einbringen kann, An­klang finden.
Ist dieses vollführt, so bringt man den vorher in warmes Was­ser getauchten oder gut beölten (u. z. am stehenden Thiere den linken, am liegenden den rechten Arm) durch die Wunde in die Bauchhöhle, und sucht die Eierstöcke auf, welche man jederseits iu der Gegend unter den Q,uerfortsätzen des 4.—6. Lendenwirbels, fast in gleicher Höhe mit dem äusseren Darmbeinswinkel, und etwa zwei Zoll von demselben entfernt, als plattrunde, derbe, etwa hasel- bis wallnussgrosse Körper findet.
Um zu dem rechten, oder wenn man die Bauchhöhle reohterseits eröffnete, zu dem linken Eierstocke zu gelangen, muss man, wie Hertwig angibt, die Hand in der ITittellinie der Bauchhöhle zu dem ziemlich breiten Mastdarmgekröse heruntergleiten lassen, and unter dem Mastdarme zur anderen Seite führen, oder man sucht, indem man die Hand ein wenig nach rückwärts zur Beckenhöhle führt, zwi­schen dem Mastdarme und der Harnblase die Gebärmutter auf, und geht an dem rechten (linken) Hörne derselben vorwärts bis zu der Muttertrompete, an welcher so wie an seinem Bauchfellbande der Bierstock hängt, der so erfasst wird, dass das Band mit den Gefässen und der Muttertrompete zwischen dem Zeige- und Mittelfinger, und er selbst in der hohlen Hand liegt.
quot;Die Wegnahme des Ovariums selbst kann auf verschiedene Weise geschehen. Man kann dasselbe entweder innerhalb der Bauch­höhle abkueipen, indem man das Band mit dem Nagel des Daumens durchschabt, welche Manipulation jedoch immer schwierig ist und langsamer von Statten geht, weil der Daumen nicht selten ganz er­müdet und der Nagel desselben weich geworden ist, ehe das Ablösen been­det werden kann, bei alten Kühen aber sogar ganz unmöglich ist, oder man zieht es zugleich mit dem rechten Hörne des Tragsackes langsam bis vor die gemachte Oeifnung, nimmt hier das Band und die Mutter­trompete auf den Band des Zeigefingers, setzt den Nagel fest darauf, dreht mit der anderen Hand den Eierstock mehrmals um die Achse des Bandes, schneidet ihn dann mit einer stumpfen Scheere von dem letzteren vor der gedrehten Stelle ab, und bringt das Gebärmutterhorn wieder an seinen normalen Platz. Der zweite Eierstock wird sodann auf gleiche Weise entfernt. Nach Hering soll mau, um den schwie­riger zu fassenden rechten Eierstock sicherer halten zu können, in das breite Band mit den Fingern ein Loch sprengen, den Zeigefinger durch dasselbe durchstecken, und an dieser Handhabe nun den Eier-
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stock allmälig in die Wunde ziehen, was indess trotz dieses Hand­griffes mitunter sehr schwierig, mitunter, wie z. B. bei bestehenden Verwachsungen, sogar ganz unmöglich wird, in welchem Talle nichts Anderes übrig bleibt, als den Eierstock innerhalb der Bauchhöhle selbst abzulösen.
Dittw eiler bediente sich zur Lostrennung des Eierstockes innerhalb der Bauchhöhle früher eines, einem Eingerhute gleichenden, vorne jedoch offenen und oben in eine, der Form des Nagels entspre­chende Platte mit scharfem Bande ausgehenden Instrumentes, ersetzte dieses, da dessen Anwendung leicht Nachblutungen veranlasste, indess später durch eine besondere Zange, welche er neben dem Arme durch die Wunde einführte, mit derselben das Band des Eierstockes erfasste, sie sodann mit der linken Hand aussen festhielt, und mit der rechten Hand den Eierstock abdrehte.
Jedenfalls wird das Unterbinden der Gefasse mit einem Seiden­faden am sichersten vor Blutung schützen.
Bei 2—6 Monate alten Kälbern macht man nach Den tier unter dem äusseren Darmbeinswinkel eine senkrecht nach abwärts gehende, gerade hinreichend grosse Wunde, um mit zwei Fingern eingehen zu können, holt mit dem rechten Zeigefinger die Bänder der Eierstöcke und der Fallopischen Röhren hervor, fasst mit der linken Hand beide Eierstöcke, so wie die Spitzen der Gebärmutterhörner, schneidet letztere durch und sammt den Ovarien oder nur die letzte­ren allein weg, und heftet sodann die Hautwunde für sich.
ATach der Beschreibung von Pilger wurde früher jederseits ein Einschnitt in der Flanke gemacht, und das Band des Eierstockes etwa einen Zoll von diesem letzteren entfernt unterbunden.
L e v r a t verfuhr später auch in der Weise, dass er nach Er­öffnung der Bauchhöhle und Erfassen des Eierstockes unmittelbar über diesem letzteren das Band desselben mit dem Finger durchbohrte, den Eierstock sofort von links nach rechts zweimal um seine Achse drehte, beide iStiele, an welchen der Eierstock noch hing, zwischen dem Daumen und Zeigefinger drückte, um ihre Elasticität zu ver­nichten, das Ovarium sodann in der Hand emporhob, und dasselbe zuerst durch die bereits vorhandene, sodann durch eine zweite, etwa drei Querfinger breit oberhalb des Eierstockes mit dem Mittelfinger gemachte Oeft'nung im breiten Mutterbande so hindurchsteckte, dass derselbe nicht wieder zurückschlüpfen konnte. Dieses Verfahren ist jedoch der Unsicherheit des Erfolges, so wie der zu befürchtenden Blutung wegen durchaus nicht zu empfehlen.
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Sind beide Eierstöcke hinweggenommen, so reiniget man die Bauchwunde, und schliesst dieselbe mittelst der Zapfennaht oder mit 4—5 Heften der Knopfnaht. Um dem Ausreissen der Hefte vorzubeu­gen, legt man eine Bauchgurte o. dgl. an. Die quot;Wunde wird in den ersten 3—4 Tagen mit kaltem Wasser befeuchtet, wenn die Entzün­dung einen höheren Grad erreicht haben sollte, und nach etwa 6 Ta­gen können die Hefte entfernt werden.
Eine ganz besondere Modification der Ovariotomie durch den Flankenschnitt, durch welche einestheils eine zwar an beiden Seiten anzulegende, jedoch bedeutend kleinere Wunde gesetzt und anderstheils der Eierstock leichter aufgefunden werden soll, proponirt Brogniez. Diese Modification besteht darin, dass das Gebärmutterhorn mittelst eines gekrümmten und an seinem Ende mit einem Knopfe versehenen, durch die Scheide in dasselbe eingebrachten Stabes gegen die Bauchwand angedrückt, die Haut an der in Folge dessen vorspringenden Stelle mit dem convexen Bistouri, die Muskulatur, so wie das Bauchfell da­gegen mit einem eigenen Instrumente, welches einer Kornzange gleicht, zwischen deren Blättern eine gerade geknöpfte Klinge, die bei einem Drucke auf den von ihrer Ferse ausgehenden Fortsatz hervortritt, verborgen ist, durchschnitten, das Tragsackhorn mittelst des in dem­selben befindlichen Stabes durch die Wunde hervorgeschoben, und der Eierstock schliesslich aufgesucht und entfernt wird. Es scheint jedoch dieses Verfahren, welches der bei Schweinen mitunter gebräuch­lichen chinesischen Methode gleicht, eine verbreitet ere Anwendung nicht gefunden zu haben.
2. Ovariotomie mittelst des Scheidenschnittes.
Die zweite Methode der Ovariotomie, jene durch dieSoheide, hat, obgleich sie erst seit dem Jahre 18S0 bekannt ist, bereits man­nigfache, von deutschen, französischen und italienischen Thierärzten angegebene und wenigstens theilweisc näher zu besprechende Modill-cationen, welche zumeist auf Vereinfachung des Instrumentenapparates hinzielen, erfahren. Der Unterschied zwischen der älteren und neue­ren Methode besteht im Allgemeinen darin, dass die Eierstöcke durch eine an der.oberen Wand der Scheide angelegte und etwa drei Quer-finger breit vom Muttermunde entfernte Wunde mittelst der Finger hervorgezogen, und in der Scheide selbst abgelöset werden.
Zur Operation, vor welcher der Mastdarm auszuräumen ist, um einer Verletzung der unteren Wand desselben vorzubeugen, wird das
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Thier auf eine von rück- nach vorwärts geneigte Fläche gestellt, und von Gehilfen am Kopfe und an jeder Seite des Kreuzes gehalten, um Bewegungen nach vor- und nach seitwärts zu verhindern; der nehen dem linken Hinterschenkel postirte Gehilfe hält den Schweif der Kuh üher den Rücken zurückgebogen.
a. Verfahren von Charlier.
Der von Charlier angegebene, ziemlich kostspielige Instru­mentenapparat besteht aus einem Scheiden spanner, aus einem verborgenen Bistouri zum Durchschneiden der Vagina, aus einer Sehe ere zum Einschneiden des Eierstockbandes, aus einerZange zum Abdrehen der Ovarien und aus einem Fingerhute zum Abreissen der Bänder des Eierstockes.
Der früher benutzte Seh ei den span n er besitzt vier Stahlfedern, welche durch eine besondere Vorrichtung nach aussen bogenförmig gespannt werden können, und die Wandungen der Scheide ausdehnen. Das oberste Ende des Stabes, an welchem die Stahlspangen angebracht sind, geht in einen 1 '/a—2quot; langen, abgerundeten Zapfen aus, welcher in den Muttermund gesteckt, das In­strument in seiner Lage erhält. Hinter diesem Ende bildet der Stab ein etwa 3quot; langes, l1/,quot; breites, ovales Fenster, durch welches hindurch der K.inschnitt in die Scheide gemacht wird.
Nachdem dieses complicirte, desshalb auch kostspielige und leicht, un brauchbar werdende Instrument auf Grund der gemachten Krfahrung, dass die Spannung der Scheide ihrer Länge nach allein hinreiche, die nach den Seiten hin dagegen vollkommen überflüssig sei, von mehreren Thierärzlen, wie Tuohi, Puerari, Bar b eris , Haub ner, Werner, Hartman n u. A. wesentlich vereinfacht worden war, entschloss sich auch Charlier zu einer conformen Abänderung, und bedient sich nun eines Scheidenspanners, welcher sich von dem früheren darin unterscheidet, dass die Stahlspangen gänzlich beseitiget sind, und das ganze Instniment eine, mit einem Handgriffe versehene, vorne zapfen-förmig zugerund-ete, cylindrische Stange von 26 Centimetres Länge darstellt, welche in ihrem vorderen 1 heile sich zu zwei Oeffnungen erweitert; auf den besonders ati dem vorderen Bogen stark vorspringenden Rand der ersten wei­ter nach rückwärts gelegenen soll die rechte Hand des Operateurs wählend der Opoiation sich aufstützen, während durch die zweite, etwas weitere, die Entfernung der Kinschnittsstelle vom Muttermunde markirt wird.
Das verborgene Bistouri besitzt zwei, etwa 4quot; lange, bloss an dem oberen Ende durch ein Niet miteinander verbundene Schalen und eine halbgekrümmte scharfc-pitzige Klinge, welche mittelst eines an ihrem vorderen Rande angebrachten Knopfes in der Schale vor- und zurückgeschoben wer­den kann.
Die Scheere, im Ganzen 46 Centimetres lang, hat 1 Centimetre lange,
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vorne abgerundete, starke, nach der Fläche gekrümmte, rückwärts durch einen stark vorspringenden Rand begrenzte Blätter.
Das Instrument zum Abdrehen der Eierstöcke besteht in seiner neuesten Einrichtung aus einer Hülse und aus einer in derselben liegen­den Eisensfange, welche an ihrem vorderen, vorstehenden Ende mit zwei be­weglichen, gefensterten, vorne quer abgestutzten, an der Innenfläche gekerbten Blättern versehen ist, die durch Drehen der Handhabe einander genähert oder von einander entfernt werden können.
Der auf den Daumen anzusteckende Fingerhut ist von Stahl, oben offen, an der unteren Fläche gekerbt, ist jedoch bei Anwendung der Scheere vollkommen entbehrlich, indem man das etwas eingeschnittene Band ganz gut mit den Fingern allein fixiren kann.
Ausführung der Operation. Nachdem der Operateur die beölte linke Hand mit conisch aneinandergelegten Fingern allmälig in die Scheide eingebracht hat, führt er den in der rechten Hand ge­haltenen Scheidenspanner ein, bringt das vordere zapfenfdrmige Ende des Instrumentes, dessen Fenster gegen die obere Wand der Roheide gekehrt sein müssen, unter Nachhilfe des linken Zeigefingers in den Muttermund, zieht die linke Hand heraus, und übernimmt mit der­selben den Spanner, den er, indem er den Griff desselben hebt, et­was nach vor- und abwärts drückt, um die obere Wand der Scheide so anzuspannen, dass jede Möglichkeit einer Verletzung des Mastdar­mes bei dem nachfolgenden Durchschneiden derselben entfällt. Ist die­ses geschehen, so führt er das zwischen den zusammengelegten Fin­gern der rechten Hand gehaltene Bistouri ein, stützt diese Hand auf das grössere Fenster des Spanners auf, legt den Zeigefinger an die rechte Seite der mit dem Daumen hervorgeschobenen Klinge des Mes­sers, sticht die Spitze desselben genau oberhalb des zweiten Fensters durch die obere Wand der Scheide hindurch und macht nun an der­selben von- vor- nach rückwärts einen 5—6 Centimetres langen, in der Längenachse des Canales verlaufenden Schnitt, worauf er die Klinge des Messers an dem Knopfe zurückzieht, sodann die rechte Hand, und hierauf auch den Spanner aus der Seheide entfernt, ohne jedoch die Wurflippen auseinander zu ziehen und so Veranlassung zu dem Eindringen von Luft in die Vagina und in die Bauchhöhle zu geben, obsehon dieser Zufall durchaus nicht von so nachtheiligen Fol­gen ist, als man früher glaubte, indem die Luft nach und nach wie­der resorbirt wird. Die durch den Schnitt bedingte Blutung ist, wenn derselbe genau in der Mittellinie gemacht wurde, höchst unbedeutend ; gut ist es jedoch immer, die Blutgerinnsel zu beseitigen, ehe man zu dem Aufsuchen der Eierstöcke schreitet. Ausserdem macht Charlier
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auf die in der Scheide mancher, besonders der an Stiersucht leiden­den Kühe vorhandenen schleimig-eitrigen Massen aufmerksam, und empfiehlt deren Wegsohafi'ung noch vor Beginn der Operation auf das Angelegentlichste. Zugleich soll man in der Regel solche Thiere stets zuletzt operiren, um nicht andei-c gesunde Stücke anzustecken.
Mitunter fangen die Thiere nach Einbringung des Scheidenspan­ners heftig zu drängen an und krümmen den Rücken auf, in Folge dessen Verwundungen des Darmes oder des Pansens erfolgen können. Diesem Drängen kann man indess durch Kneipen der Lendengegend, durch einen mittelst eines quer über die Lende gelegten und jeder-seits von Gehilfen gehaltenen Stabes ausgeübten Druck, oder endlich durch festes Andrücken der Finger an die Nasenscheidewand vor­beugen.
Ist das Durchschneiden der Scheidenwand, welches nach der Ansicht einiger Tliierärzte der schwierigste Theil der ganzen Operation ist, gelungen, so sucht Char Her den rechten Eierstock mit Zeige-und Mittelfinger der linken Hand von der Wunde aus zu erfassen, zieht denselben in die Scheide und hält ihn mit den genannten Fin­gern mit Zuhilfenahme des Daumens fest, breitet das Eierstockband aus und schneidet es mit der in der rechten Hand gehaltenen Scheere innerhalb der Scheide am unteren Rande zwischen den Fingerspitzen und dem Eierstocke vorsichtig ein, um nicht auch zugleich die Ge-fässe zu verletzen; hierauf führt er die Zange ebenso wie früher die Scheere längs des linken Vorarmes behutsam ein, bringt den Eierstock mittelst der Finger in das durch Umdrehen des Griffes von rechts nach links geöffnete Maul des Instrumentes, schliesst die Zange durch Drehen des Griffes in entgegengesetzter Richtung, und löset den Eierstock, während er das von dem breiten Bande isolirtc Eierstockband zwischen den Fingern der linken Hand mit oder ohne Hilfe des Fin­gerhutes tixirt, ab, indem er die Zange langsam um ihre Längenachse dreht. Göring sehneidet das Ligament recht tief ein, und trennt dasselbe, falls sich trotzdem bei dem Abdrehen Schwierigkeiten zei­gen sollten, nach ungefähr 10—12 Drehungen nahe an der Torsions­zange mit einer Scheere durch. Putz hat in etwa 20 Fällen die Ovarien ohne jedweden Naehtheil einfach abgeschnitten; andere Thier-ärzte, wie z. B. Götze sahen dagegen darnach die Thiere an innerer Verblutung zu Grunde gehen. Mit der in gleicher Weise vorgenom­menen Hinwegnahrae des zweiten Ovariums ist die Operation, welche unter gewöhnlichen Verhältnissen etwa 8—6 Minuten in Anspruch nimmt, beendiget.
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Indess kann die Operation durch gewisse abnorme Zustände, die man vorzugsweise bei alten Kühen, die oft oder schwer gekalbt haben, findel, wesentlich erschwert werden. Zu diesen Hindernissen zählt Charlier: Eine zu weite oder eine zu enge Scheide, eine fehlerhafte Eichtung derselben, die Yerschlies-sung des Muttermundes, Schei d en vorfalle, Polypen, Verwachsungen desEier stock es mit dem breiten Mut­terbande oder mit dem Tragsacke, selbst mit dem Pansen, Um-f angs v ermehrungen der Ovarien, besonders eine sehr starke V ergrös serun g der gelben Körper, welche in Folge dessen für den Eierstock selbst gelialten worden können, Degener.ationen der Bänder und Gefasse, welche sich besonders bei alten, an der Stiersucht leidenden Kühen finden, und hei dem Umstände, als die üefässc zu bald reissen und sich nicht in die Zellscheide zurückzie­hen, zu heftigen Plutimgen, die selbst die Schlachtung der Thiere nothwendig machen können, Veranlassung geben. Sehr schwierig wird es, das Bauchfell durchzuschneiden, wenn sich dasselbe von der Scheidenwand einmal abgelöset hat; man wird in einem solchen Falle dasselbe mit den Fingern zu erfassen, in die Wunde zu ziehen, und dann mit dem Messer zu trennen versuchen müssen. Bei bedeutende­rer V er grösserun g der Ovarien rauss der Schnitt eine verhält-nissmässige Länge erhalten, um das Herausziehen derselben zu er­möglichen.
Prange verwirft das Abdrehen der Ovarien, und sehlägt das Abbinden derselben vor, indess findet diese sehr umständliche, schwie­rig ausführbare und der zurückbleibenden Ligatur wegen auch durch­aus nicht gefahrlose Modification selbst, in Frankreich keine An­wendung.
W a 11 h e r bedient sich zur Operation anstatt des Charlie r'schen Scheidenspanners eines 20quot; langen, in seiner vorderen Hälfte bügel-förmig gebogenen und an der höchsten Stelle der Wölbung mit einem S'/jjquot; langen Fenster, durch welches der Schnitt gemacht wird, ver­sehenen eisernen Stabes, dessen vorderes knopftbrmiges Ende gleich­falls in den Muttermund eingesetzt wird, ferner des verborgeneu Bi­stouris, der später zu beschreibenden Eicht er'sehen Zange und einer 20quot; langen, nach der Fläche gekrümmten Scheere. Den Schnitt in der­selben Art, wie es Charlier früher gethan, au.sführend, geht Walther sodann mit dem Zeige- und Mittelfinger durch die gemachte Wunde ein, bringt aber zugleich auch die Zange mit der linken Hand in die Scheide, und stemmt sie neben der Oeifnung oder in den
Forüter. Operalionslehpe für Thiurarztc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3'J
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Muttermund ein, wodurch das Herausziehen der oft vergrösserten Ovarien erleichtert werden soll. Das Abdrehen des Eierstockes, dessen Band er in die Zange fasst, vollführt er mit der Hand allein. Wal­ther, welcher die Operation in der Mehrzahl der Fälle binnen 4—S Minuten beendet- zu haben angibt, hält dieselbe selbst an trächtigen Thieren für ganz gefahrlos, wenn sie nicht während des Rindems an sonst kräftigen und gesunden, entsprecheiid gefütterten Thieren vor­sichtig ausgeführt wird.
Busse in Petersburg (18S8) entfernte die Eierstöcke mittelst des Ecraseurs, anstatt sie nach Charlier's Vorschrift abzudrehen. Er benützte hiezu den von Charri^re modificirten Ecraseur, an welchen er jedoch, um den Eierstock erreichen zu können, eine Verlängerungs­stange, durch -welche lt;las Instrument von 28 auf 48 Centimetres ver­längert wurde, anbringen musste. Nachdem er den Eierstock in die Scheide gezogen hatte, schlang er die Kette des Ecraseurs innerhalb der Scheide oberhalb des Eierstockes um das Mutterband herum, schob das mit dem Häkchen versehene vordere Ende durch die Spalte des Schnabels hindurch nach rückwärts und befestigte es an der Schraube, worauf unter gleichzeitigem Eixiren dos Ovariums und der Kette mit der linken Hand die ausscrhalb des Wurfes befindliche Schraubenmutter in bekann ter Weise gedreht, und hiedurch die Schiinge zusammengezogen wurde. Zange und Fingerhut sind bei An­wendung des Ecraseurs ganz entbehrlich; die Mütterbänder werden dabei weder gezerrt, noch abgerissen; Nachblutungen werden sicher verhütet, ausserdem verursacht das Abquetschen nur geringen Schmerz etc. etc. Trotz aller dieser von Busse aufgezählten Vortheile dürfte der Ecraseur dennoch weder bei der Castration weiblicher, noch bei jener männlicher Thiere eine häufigere quot;Verwendung finden.
Auch Werner modificirte das Charlier'sche Verfahren. Der von AV erner benützte Instrumentenapparat besteht aus einemSchei-denspanner, aus dem Charl i er'schen verborgenen Bistouri und aus einer Zange.
Der aus einem Stücke guten harten Holzes gedrehte, etwa 2%' lange Scheidenspanner, hat ein eicheiförmiges vorderes Ende, eine l'/tquot; von diiesem entfernt angebrachte, 1quot; im Durchmesser haltende, 2—3quot; dicke Scheibe mit abgerundeten Bändern, zwei auf dem Stiele hinter einander befindliche, auf 2'quot; vorragende Knopfe, deren erster 1 Vjquot; von der Scheibe, der zweite in einem gleichen Abstände von dem ersten entfernt steht, und einen Griff.
Anstatt des verborgenen Bistouri's kann man einen von Werner ange­gebenen, eigens construirten Schnäpper benutzen.
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Die zum Abdrehen der Ovarier bestinimlc Zange nnferBcheidet sich von der von Ch arlier anfänglich benutzten dadurch, dass das ringförmige Maul vorne und in der Mitte beider Innenflächen in einer Breite von 'f./' mit tiefen Llingskerben versehen ist; diese Kerben sind an efnem Arme durch zwei scharfe '/,quot; hohe. %quot; lange, in zwei gegenüberstehende Vertiefungen des anderen Armes genau passende Kämme begrenzt, durch Welche Vorrichtung das Einschneiden der Eierstocksbänder mittelst der Scheere entbehrlich werden soll.
Werner bringt den Scheidenspanner mit der rechten Hand neben dem sclion früher eingeführten linken Arme ein, und fixirt das vordere Ende desselben im Muttermunde, -wobei die auf dem Rande dieses letzteren aufliegende Scheibe jedes Abgleiten nacb den Seiten hin Terhindert. Durch Heben des Griffes und durch einen massigen Druck nach vorwärts wird die Scheide der Länge nach gespannt, nun mit dem, mit der rechten Hand eingeführten Bistouri rasch der Einschnitt gemacht, wobei der kleine und der Ringfinger auf das vordere Knöpfchen des Spanners aufgesetzt werden, und der Schnitt bis an das hintere Ivnöpfchen verlängert. Hat man sich von der gehörigen Beschaffenheit des Schnittes überzeugt, so entfernt man den Spanner und das Bistouri, sucht mit dem Zeige- und Mittelfinger der linken Hand von der quot;Wunde aus den Eierstock auf, zieht ihn in die Scheide, bringt ihn derart in das Maul der in der rechten Hand be­findlichen Zange, dass derselbe in den Ring, die in der Mitte ver-laufenden Gefässe aber in den mittleren gekerbten Theil und das diese Gefässe gleichsam von vorne und hinten umfassende Band unter die seitliche scharfe Kante der Zange zu liegen kommen, und dreht nun den Eierstock besonders langsam ab.
Diese Art des Abdrehens ist jedoch insofern nicht empfehlens--werth, als beim Fixiren des Bandes mit den blossen Fingern die Manipulation stets schwieriger und unsicherer wird, als bei dem An­legen einer Zange oder eines ähnlichen Instrumentes.
Erschwert und verzögert kann nach Werner die Ausführung der Operation ausscr durch die bereits früher angegebenen Anomalien noch werden durch Polypen in der Scheide, welche, wenn sie ander Operationsstelle sitzen, früher entfernt werden müssen, durch Scheiden-vorfalle, durch unvollständiges Durchschneiden der Scheidenwand, durch zu starkes Drängen und Niederlegen des Thicres, durch Cysten in der Nähe der Ovarien, welche für diese selbst gehalten werden können, durch die, meist rechts vorkommende Verkürzung des Eierstockbandes, in Folge derer der Eierstock höher und mehr nach vorwärts zu liegt, und nur mit Mühe in die Vagina hineingezogen werden kann.
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b. Verfahren von Colin.
Zu diesem wesentlich vereinfachten Verfahren wird ein Scal-pell zum Einschneiden der Seheide, eine Zange zum Abdrehen der Ovarien und eine Klammer zum Eixiren des Bandes benöthiget. Den Scheidenspanner verwirft Colin als für die Bewegung des Armes hinderlich und als vollkommen entbehrlich, indem die schon bestehende Spannung der Scheidenwände noch dadurch vermehrt wird, dass man den Schcidengrund mit der Hand nach vorwärts drängt.
Das Seal pell hat eine convexe Stlmeide, welche mittelst eines, auf der linken Fläche der Klinge angebrachten, nach auf- und abwärts verschiebbaren halbiuondföiniigen Scbneideudeckcrs vollkonmicn gedeckt worden kann. Dieses Instrument kann selbst während des heftigsten Drängens des Tbieres ein- und ausgeführt werden, ohne den Operateur oder das Thier der geringsten Gefahr auszusetzen.
Das Instrument zum Abdrehen ist in fast gleicher Weise, wie das von Charlier zu demselben Zwecke bestimmte construirt.
Die Klammer besteht aus zwei, 8 Centimetres langen, an ihrem hinte­ren Ende durch ein Charnier verbundenen Blättern, deren Innenfläche gekerbt ist. Das obere Blatt trägt einen King für den Daumen, das untere einen solchen für den Zeigefinger. In diese Klammer wird das Band des Eierstockes gefasst, und die Torsion dergestalt begrenzt.
Die Operation selbst wird folgendermassen ausgeführt:
Nachdem sowohl der quot;Wurf des in gleicher Weise, wie zu dem Charlier'sehen Verfahren gehaltenen Thieres sowohl, als auch der. rechte Arm (nie jedoch die Finger) eingeölt sind, führt man diesen letzteren, und mit ihm das zwischen dem Zeigefinger und Daumen gehaltene Messer mit nach ab - und vorwärts gerichteter, gedeckter Schneide ein. Bei älteren Thicren kann man unmittelbar nach dem Einbringen der Hand den Schnitt vornehmenquot;, bei jüngeren dagegen wird man eine kurze Zeit (% — 1 Minute) warten müssen, bis die während der Untersuchung eingetretene, mit starkem Drängen ver­bundene Verengerung der Scheide aufgehört hat. Nachdem der Ope­rateur den Schneidendecker mittelst des Daumennagels zurückgezogen, und so die Schneide blossgclcgt hat, schneidet er am Scheidengrunde, unmittelbar (2—3 Cm.) über dem Muttermunde, in oder nahe der Mittellinie ein, führt den Schnitt von oben nach vorne und abwärts, und trennt sämmtlichc Schichten der Wand mit einem Male, wobei anderweitige Verletzungen nicht leicht möglich sind, indem grosse Oe-fässe in der Nähe fehlen, der Mastdarm hoch über der Operationsstelie ist, der Pansen ebenfalls weit entfernt ist, die leicht beweglichen Darmschlingon dem Instrumente ausweichen, und die Blase durch die Gebärmutter von dem Scheidengrunde getrennt ist.
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Wie erwähnt, kann der Schnitt auch von der Mittellinie etwas entfernt, und zwar entweder mit dieser parallel laufend, oder in schie­fer Richtung geführt werden, nur darf diese Abweichung nach der Seite nicht zu bedeutend sein, weil sonst leicht grössere, an den Sei­ten der Scheide verlaufende Gefasse verletzt werden könnten, der Schnilt das r'eritonäum nicht träfe, dieses sonach mit den Fingern getrennt werden müsste, wodurch zur Entstehung einer zu grossen, unregelmässigen Wunde oder zur Loslösung des Bauchfelles im wei­teren Umfange Yeranlassung gegeben würde.
Hat der Operateur den Schnitt vollführt, so schiebt er den Decker wieder vor, entfernt das Messer, untersucht die Wunde, und erweitert dieselbe, falls sie zu klein sein sollte, mit zwei Fingern, was besonders am Bauchfelle mit Leichtigkeit gelingt. In Betreu' der Grosse ist zu bemerken, dass für einen geübten Operateur die Wunde bloss so gross zu sein braucht, um mit dem Zeige- und Mittelfinger eingehen und den Eierstock hervorziehen zu können, dass dieselbe im gegentheiligen Falle jedoch auf 5—6 Cm. erweitert werden kann.
Der Operateur führt sodann entweder bloss den Zeige- und Mittelfinger, im Kothfalle selbst die ganze rechte Hand durch die Wunde ein, und sucht den meist nur einen Decimetre von derselben entfernten Eierstock auf, zieht ihn durch die Wunde hervor, führt mit der linken Hand die Torsionszange ein, öffnet diese durch einen mit dem Daumen an der Scheibe der Bohre angebrachten Zug, bringt den Eierstock in das Maul der Zange, und schliesst diese, deren Griff ausserhalb der Scheide steht, durch Aufwärtsschieben der Röhre; hier­auf zieht er die rechte Hand heraus, und dreht nun das Ovarium, nachdem er früher die Klammer auf das etwas angespannte Band desselben, etwa einen Centimetre von der Zange entfernt, angelegt hat, ah, wozu etwa 10—lä Drehungen erfordert werden. In gleicherweise wird der zweite Eierstock weggenommen. Die ganze Operation soll in 3—4 Minuten beendet sein können. Ob dieses im Jahre 18Ö8 veröffentlichte Verfahren, bei welchem nach Charlier's Ansicht Ver­wundungen des linken Sackes des Pansens oder der Gedärme leicht vorkommen können, welches sich aber seiner Einfachheit wegen sehr empfehlen würde, in der Praxis Eingang gefunden hat, ist bisher nicht bekannt geworden.
c. Verfahren von Johannes Richter in Schweinfurt.
Der Instrumcnten-Apparat Richter's besteht aus einem eigens
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geformten Messer, aus einer nach der Kante gebogenen Sehe ere und aus einer Zange zum Halten des Eierstockbandes.
Das für gewöhnlich entbehrliche, unter'gewissen Verhältnissen aber nütz­liche, messerförmige I ns trumeDt, das die Gestalt einer sog.Trogscharre hat, ist ein 1—1'/,quot; breites , 3'/aquot; langes and 1'quot; dickes Stahlstück, das an einem Ende in etwas mehr als einem rechten Winkel umgebogen ist. Dieser umge­bogene Theil bildet die sclmrfgeschliffene Klinge, der andere die Handhabe; die Kanten der Seitenränder und des einen Endes sind gerundet.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;. .
Die in einem etwas stumpfen Winkel abgebogene Storchschnabel-s ehe ere liat 2quot; lange, starke, bis zur Spitze gut geschärfte Blätter mit abge­rundeter Spitze; das Schloss ist 3/;,quot; lang und steht in gerader Eichtnng mit den Klingen ; die Schenkel sind mit Einrechnung der Ringe 10'' lang und von entsprechender Stärke.
Die Zange, welche die Länge der Scheere hat, besitzt ein 2quot; hnges, aussen gut abgerundetes Maul, welches, aus zwei je '/,''breiten, 4—5quot; dicken und an den Innenflächen gezähnten Theileh bestehend, nach der Fläche in einem, die Mitte zwischen einem rechten und einem stumpfen haltenden Winkel abge­bogen ist.
Bösenroth hält die nach den angegebenen Maassen angefertigten In­strumente für zu kurz, da die Scheide der Kuh eine Länge von 12—14quot; besitzt. In Folge dieses Umstandes wird man in vielen Fällen genöthiget sein, bei dem Gebrauche b eider Instrumente mit der Hand bis in den Eingang der Scheide zu gehen , wodurch Gelegenheit zu dem Eindringen einer grossen Menge von Luft in die Scheide gegeben wird.
Richter lässt das Tliier zur Operation an einer Wand gehö­rig befestigen, geht zuerst mit der rechten, bloss mit warmem Wasser befeuchteten, sodann mit der linken Hand in die Scheide ein, und er­weitert den' Eingang in diese letztere durch Entfernung der Hand­gelenke und Arme von einander; sodann zieht er die linke Hand heraus, bringt mit derselben die Scheere ein, und durchschneidet die mit dem Daumen, Zeige - und Mittelfinger der rechten Hand an der oberen Wand der Scheide, einen Zoll vom Muttermunde entfernt, ge­bildete, % —#9632; 1 Zoll grosse Falte mit der in der linken Hand gehal­tenen Scheere. Sollte durch diesen ersten Schnitt nicht die Scheiden­wand in ihrer ganzen Dicke sammt dem Bauchfelle #9632; durch trennt sein, so zerreisst man die noch nicht getrennten Fasern der Muskelhaut mit dem Finger oder durchschneidet sie mit der Scheere. Das Letz­tere hat auch mit dem Bauchfelle, welches man in die Wunde herein­zieht, zu geschehen.
Hierauf wird die Wunde mit den Fingern erweitert, der Eierstock aufgesucht und in die Scheide gezogen, daselbst festgehalten, die Zange mit der linken Hand über der rechten und mit nach abwärts gerich-
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•tetem Maule eingeführt, auf das Eierstockband angelegt, geschlossen, das Ovarium mit der rechten Hand abgedreht, die Zange entfernt und sodann am zweiten Eierstocke in gleicher Weise vorgegangen. Da dag Abdrehen im Falle, als mehrere Einder nach einander castrirt werden sollen, der Ermüdung der Finger und des Weichwerdens der Fägcl wegen schwierig wird, so. kann mau das messerfdrmige Instrü-. ment zu Hilfe nehmen, und mit diesem den Eierstock abtrennen. Die ganze Operation nimmt 10—12 Minuten in Anspruch.
Eösenroth modificirte dieses Verfahren und bedient sich zur Ausführung desselben gleichfalls bloss zweier Instrumente, nämlich einer Sehe ere zum Durchschneiden der Wand, und einer Zange zum Halten des Bandes.
Beide Instrumente sind 15quot; lang. Die 3quot; langen Blätter der Seh eere sind 1 •/,quot; von der abgerundeten Spitze nach der Fläche in einem. etwas stum­pfen Winkel nach oben gebogen, und die Schenkel 3quot; vom Ende entfernt, %quot; . nacli abwärts gekröpft.
Eine Hälfte des ebenfalls 3quot; langen Zangenmaules hat am abgerun­deten Ende einen-.1/,'' hohen, scharf abgesetzten Aufsatz, welcher in einen Ab­satz der anderen Hälfte genau passt; die mneron Flächen des Maules sind, einer feinen Feile ähnlich gehauen und beide über ihrer Kante halbrund, der Wöl­bung der Scheide in der Nähe des Muttermundes entsprechend, gebogen, die halbrunden Schenkel an ihrem Ende mit einer Sperivorrichtung versehen.
Das Verfahren Bösenroth's weicht von jenem J. Riehter's darin ab, dass er mit der linken Pland eine Längenfalte, welche viel leichter, als eine Querfalte gemacht wird, bildet, und somit eine quere Oeffnung in der Scheidewand erhält. Der Vortheil dieser Abweichung soll darin bestehen, dass die Wundränder sich genauer an einander legen, während eine Längenwunde in der Scheide immer mehr weni­ger stark klafft.
C. Schmidt, welcher stets nach dem Eichter'sehen Verfah­ren castrirt, machte die Erfahrung, dass die Operation dann recht leicht und schnell beendet wird, wenn nicht viel Luft neben dem Arme in die Scheide einströmt, und wenn die Falte mit einem Schnitte Tpll-ständig durchtrennt wird. Strömt dagegen viel Luft ein, oder blieb-das Bauchfell unverletzt, so verzögert dieses die Operalion, und im ersteren Falle wird man erst nach etwa einer Viertelstunde neuerdings beginnen können, da bei. sehr erweiterter Scheide die Faltcnbildung enorm schwierig oder ganz unmöglich ist.
Werner spricht sich gegen dieses Verfahren aus, da sowohl die Bildung der nicht selten schief ausfallenden Falte, als auch das Festhal­ten derselben schwierig ist, der Schnitt niemals, ganz genau an jene
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Stelle, an -welcher er sein soll, kömmt, und bei Anwendung der Schecre eine Lappenwunde entsteht, die jedenfalls längere Zeit zu ihrer Hei­lang benöthiget.
Pflug emptiehlt es gleichfalls nicht, indem seiner Ansicht nach der Schnitt selten gerade ausfällt, Scheidenwand und Bauchfell selten auf einmal durchschnitten werden, und die entstandene Wunde meist zu klein ist, und gewöhnlich mit den Tingern nachträglich erweitert werden muss. Gleicher Meinung sind auch mehrere andere Thierärzte, die sämmtlich das Bistouri der Scheere, mit welcher nach Eicht er jedoch Verwundungen des Darmes sicher verhütet werden, vorziehen.
d. Verfahren von Georg Eichter in Bischofsheim.
ü. Richter bedient sich eines Messers zum Durchschneiden der Scheidenwand, einer Schecre zum Einschneiden des Bandes und einer Zange zum Abdrehen.
Das Messer, dessen Griff 10quot; lang, unten nicht ganz 3/4quot; breit und ebeuso dick ist, und daselbst am Rücken einen rundlichen Ausschnitt besitzt, au welchem man bei eingeführtem Messer die Richtung der Schneide erkennen kann, hat eine l'/jquot; lange, '/;quot; breite, geradschneidige uud sehr spitze Klinge, welche während des Einfahrens des Instrumentes durch eine lederne Kappe ge­deckt wird. Pflug bedient sich eines Bistouri, dessen Schneide gegen die Spitze zu leicht conoav ist.
Die an der Spitze abgerundete und daselbst in einer Länge von 10'quot; auf die Fläche fast rechtwinkelig gebogene und nur an diesem Theile schneidende Sehe ere hat gegen 8quot; lange Schenkel, und etwa 31/.,quot; lange Blätter.
Die Zange ist etwas länger als die Scheere und wie diese gebogen; ein Arm ist etwas kürzer als der andere, welcher an seinem Ende einen knöpf förmigen Ansatz hat.
Die Vorher eitung und Fixirung des Thieres geschieht so^ wie bei den anderen Verfahren.
Bei der Operation selbst führt der Operateur seinen, durch laues Wasser schlüpfrig gemachten linken Arm in die Scheide ein, fasst mit dem Daumen und Zeigefinger die obere Wand gleich vor dem Mutter­munde in eine Querfaltc, welche mit dem, in der rechten Hand gehal­tenen und neben dem linken Arme vorsichtig einzuführenden Messer vom Grunde aus durchschnitten wird, so dass eine, etwa einen Zoll grosse Wunde entsteht. Sollte der genau in der Mittellinie zu machende Schnitt nicht durch die ganze Wand hindurch reichen, so bildet man in der ersten Wunde eine neuerliche Querfalte, die man durchschnei­det; das Bauchfell wird sodann entweder mit dem Finger durchbohrt, oder von einem kleinen Einstiche aus durchschnitten.
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SOS
Der Operateur geht nun, nachdem er das geronnene Blut aus der Scheide entfernt hat, mit dem Zeige- und Mittelfinger der linken Hand durch die Wunde ein, zieht den gefundenen Eierstock in die Scheide, durchschneidet die Ligamente mit Verschonung der Oefasso zuerst rechts und, nachdem er die linke Hand sammt dem Eierstocke umgedreht hat, auch links, fasst die, die Hörner des Uterus mit den Ovarien noch verbindenden Theilc dicht hinter dem Eierstocke in die Zange, und dreht endlich das Ovarium mit der linken Hand ab. Nur die linke Hand operirt in der Scheide, während die rechte Hand stets ausser derselben bleibt.
Mit einem auf das Allereinfachste reducirten Instrumenten-Ap­parate operirt quot;W a 11 r a ff in €hur, welcher bloss ein im Ganzen etwa 3—S'Aquot; langes Messer mit geballter und im Hefte feststehender Klinge, welche während des Einbringens in die Scheide mit einer Lederkappe gedeckt wird, benöthiget. Wallraff spannt die Scheide., indem er mit dem Ballen der Hand den Muttermund nach vor- und abwärts drückt, macht den Schnitt oberhalb desselben nach vor- und abwärts, und dreht oder kneipt die Eierstöcke mit den Händen allein ab. Auch Pflug vollführte die Operation einmal in ähnlicher Weise.
Nachbehandlung, ungünstige Ereignisse.
Nach der Operation beobachtet man, jedoch nicht immer, bei denThieren, u. z. in den ersten Stunden nach derselben Aufkrüm-lt; men des Eückens, Wedeln mit dem Schweife, leichte Koliken, eine bald stärkere, bald geringere Auftreibung des Hinterleibes als Folge des Eindringens von Luft in die Bauchhöhle und eine leichte Beschleu­nigung des Athmens und des Pulses. Die Milchsecredon ist Anfangs vermindert, wird jedoch nach Ablauf von einigen Tagen so reichlich wie früher.
In den ersten 2—3 Tagen nach der Castration verabreicht man den Thiercn Mehl- oder Kleientränke, oder gibt ihnen ein Drittel ihrer gewohnten Kation, vom 5. Tage an können sie das Futter in gewohn­ter Menge erhalten, vom 12. Tage an wdeder auf die Weide gelassen werden. Selbstvcfständlich sind sie vor Erkältung zu schützen.
Eine besondere Behandlung wird nach dem Scheidenschnitte nicht nothwendig sein, indem die Wunde sich, wenn die Spannung aufhört, zusammenzieht, und binnen wenigen Tagen durch schnelle Vereinigung geschlossen ist. Einige Thierärzte rathen die quot;Verabreichung grösserer Gaben von Glaubersalz an, um die in den ersten Tagen meist vor­handene quot;Verzögerung des Absatzes der Excremente zu heben.
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S06. . .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.
quot;Wurde der Flankenschniit gemacht, so sind bei heftigerer Ent-zündung der Wunde kalte Umschläge von Nutzen; am 8.— amp;. Tage können die Hefte nach und nach entfernt werden. Die Wunde selbst ist meist nach 9—12 Tagen verheilt.
Ueble Zufälle, die nach der Ovariotomie bei Bindern und zum Theile auch bei anderen Thieren auftreten können, sind : Bauch­fellentzündungen, Blutungen und Absc esse, welche nach beiden Methoden möglich sind, und häufig den Tod bedingen. Nach dem Scheidenschnitte entwickeln sich nicht selten und zwar häufiger .rechterseif s Abscesse im B ecken, .welche das Harnen erschweren, durch die Untersuchung vom Mastdarme aus jedoch leicht ausgemittelt werden können; mitunter brechen diese Abscesse von selbst auf, in anderen Fällen müssen sie entweder vom Mastdarme oder von der Scheide aus eröffnet werden, was mit einem coneavschneidigen Spitz­bistouri oder mit dem, zu diesem Zwecke von Charlier eigens con-struirten Instrumente geschehen kann. Nach derselben Operations­methode beobachtete man, wenn auch selten, Verletzungen des Mastdarmes; Colin sah in einem Falle als Folge der Anwendung des Scheidenspanners Blutungen längs des Hüftnervens und in die Scheidenwand, so wie Lähmung der Nachhand. Nicht selten stellt sich bei castrirten Kühen die Brunst neuerdings ein, woran vielleicht mitunter das Zurückbleiben eines Theiles des Eierstockes Ursache sein mag.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;#9632;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; . .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;• ,
b. Ovariotomie beim Pferde.
Die Ovariotomie, zu welcher die Pferde in gleicher Weise wie Binder vorzubereiten sind, kann entweder
1.nbsp; von der Flanke aus,
2.nbsp; von der Mittellinie des Bauches aus, oder
3.nbsp; durch die Scheide . vorgenommen werden.
Obschon bei dem zuerst angeführten Verfahren das Hervorholen der Eierstöcke der Kürze der Fallopischen Bohren und der Eierstocks­bänder wegen viel schwieriger ist, als von einer an der unteren Bauchwand gemachten Ocfthung aus, so hat doch diese letztere Von #9632; Brugnone erwähnte Methode den sehr gewichtigen Uebelstand, dass auch später noch sehr leicht Gedärme durch die Operationswunde aus­treten können,, wesshalb dieses Verfahren heutzutage gänzlich verlas­sen ist. Ueberhaüpt ist die Ovariotomie beim Pferde stets eine viel
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gefährlichere Operation, als beim Rinde, und zugleich ist die Ausfüh­rung derselben mit nicht unbedeutenden Sch-wierigkeiten verbunden.'
1. Ovariotomie mittelst des Fla n ken Schnittes.
Zu dieser ITethöde, welche an dem in die Seitenlage (rechts oder links) gebrachten Thiere vorgenommen wird, benöthiget man dieselben Instrumente, wie zu dem gleichen Verfahren beim Rinde.
Die Ausführung der Operation selbst beschreibt Hertwig fol-gendermassen:
Nach Entfernung der Haare macht man rechts oder links mit dem geballten Bistouri einen vier Zoll langen, einen Zoll unter dem Querfortsatze des 4. Lendenwirbels beginnenden und etwa einen Zoll vor dem Darmbeinwinkel endenden, schichtenweise durch Haut und Muskulatur gehenden Schnitt, öffnet das mit der Pincette emporgeho­bene Bauchfell in der Länge eines halben Zolles, und erweitert die Wunde mit dem Knopfbistouri. Hierauf geht man mit der mit Was­ser befeuchteten Hand in die Bauchhöhle und holt den Eierstock der obenliegenden Seite hervor, welchen man in der Gegend des 4. Len­denwirbels findet. Diesen löset man sodann ausserhalb der Wunde von seinem Bande und von der damit vereinigten ITuttcrtrompete durch Abschneiden oder Abdrehen, zieht sofort an der in der Hand befind­lichen Muttertrompete das betreffende Horn des Tragsackes näher .zur Oeffnung, spannt dadurch das andere, unten liegende Horn mehr an, geht mit der in die Bauchhöhle neuerdings eingebrachten Hand unter dem Mastdarme hinweg zu dem anderen gleichfalls in der Gegend des 4. Lendenwirbels zu findenden Eierstocke, den man so in die hohle Hand nimmt, dass sein Band zwischen dem Mittel- und Ringfinger liegt, richtet dann die Nägel sämmtlicher Finger gegen den Eierstock, kneipt und drückt ihn von allen Seiten her allniälig von dem Bande los, und bringt ihn aus der Bauchhöhle heraus. Sollte das Hervor-holen der Eierstöcke durch dieselbe Wunde nicht gelingen, so müsste man, wie Pilger angibt, auch in der entgegengesetzten Flanke einen Einschnitt machen. Die Vereinigung der Wunde geschieht durch die Knopfnaht, deren Hefte 6—8 Tage liegen gelassen werden.
2- Ovariotomie von der unteren Bauchwand aus.
Nachdem das Pferd auf den Rücken gelegt ist, werden die Haare auf der Mittellinie des Leibes vor dem Schambeine in Handbreite und in einer Länge von 6 Zoll abgeschoren; hierauf wird eine quere Falte von etwa i1^ Zoll Höhe an der Haut gemacht, diese durchschnitten.
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die Muskulatur bis auf das Bauchfell getrennt, dieses Letztere, wie bei der früheren Methode, eröffnet, und mit der rechten Hand, wäh­rend mit der linken die Eingeweide zurückgehalten werden, in die Bauchhöhle eingegangen, die Eierstöcke, welche in der Gegend des letzten Lendenwirbels auf dem Esoasmuskel liegen , beide durch die­selbe Oeffnung hervorgezogen, ein Eierstock nach dem anderen einige-male um seine Achse gedreht, und dann mit den Nägeln der rechten Hand abgekneipt oder mit der Scheere abgeschnitten, worauf man die Fallopische Röhre zurückbringt, die Wunde mit 4 Heften vereiniget, und eine breite Binde um den Bauch des Thieres anlegt.
3. Ovariotomie durch die Scheide.
Auch die C harHer'sehe Methode wurde theils von dem Erfin­der selbst, theils von einigen anderen Thierärzten bald mit günstigem, bald mit ungünstigem Erfolge an Pferden versucht.
Die Operation wird am stehenden, an den Hinterfüssen gespann­ten und mit dem Kopfe kurz und hoch angebundenen, oder in einen Nothstand gestellten Thiere, oder nach vorheriger Aetherisation des­selben mit den gleichen Instrumenten, wie beim Rinde und auch in ähnlicher Weise ausgeführt, nur muss die Zange der etwas längeren Scheide wegen länger, und der grösseren Eierstöcke wegen im Maule etwas breiter sein.
Da die Eierstöcke beim Pferde zu weit vom Grunde der Scheide entfernt sind, um von der Wunde aus mit den Fingern erreicht wer­den zu können, so muss man die Oeffnung in der Scheidenwand so gross anlegen, dass man durch dieselbe mit der ganzen Hand in die Bauchhöhle eingehen kann ; weiters sind die breiton Bänder häufig so kurz, dass man die Eierstöcke nicht in die Scheide hineinziehen kann, wesshalb das Abdrehen derselben innerhalb der Bauchhöhle vorgenom­men werden muss, aus welchem Grunde man den in der linken Hand gehaltenen Eierstock nach vorherigem Einschneiden des Bandes in die durch die iSchoidemvundc eingebrachte Zange fasst, und nun langsam abdreht. Hahn beschreibt zwei Fälle von mit günstigem Erfolge vorgenommener Ovariotomie. Die Operation wurde im Liegen des Thie­res vorgenommen, und es mussten nach Vcrgrösserung der Scheiden­wunde die Eierstöcke innerhalb der. Bauchhöhle mit dem Daumen ab­getrennt werden.
Auch Weber castrirte Stuten; er machte entweder mit einem geraden, spitzigen Skalpelle oder mit dem verdeckt cn coneaven Bistouri einen grossen Einschnitt in die Scheidenwand, zog den Eierstock in
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die Vagina, und entfernte denselben mittelst eines, einem Ecraseur ähnelnden Instrumentes, bei welchem die Kette durch einen, das Ende einer, in einer Hülse verschiebbaren Stange bildenden, stark gekrümm­ten Haken , dessen concaver Rand rechtwinkelig geschliffen ist, ersetzt erscheint.
quot;Weber glaubt, dass die Castration der Stuten nicht besonders gefährlich sei, wenn die Thiero durch Diät o.der Abführmittel hiezu vorbereitet sind, narcolisirt werden, die Operation im Stehen mit dem von ihm benützten Instrumente ausgeführt wird, und nach derselben strenge Diät und weiches Futter verordnet werden.
In Beü-eff der Nachbehandlung gelten im Allgemeinen die bei der Castration der Kühe angegebenen Regeln; ausserdem darf man jedoch in der ersten Zeit nach der Operation das Niederlegen nicht gestatten, um das Austreten von Gedärmen durch die Scheidenwunde zu verhüten.
Ungünstige Zufälle sind: Blutungen, Peritonitis, A bscesse im Becken, Vorfälle der Eingeweide.
c. Ovariotoraie beim Schweine.
Die Ovariotomie ist für Schweine eine meist gefahrlose Opera­tion, man mag dieselbe an Ferkeln, welche gewöhnlich im Alter von 6—8 quot;Wochen verschnitten werden, oder an älteren, bereits zur Zucht verwendeten Thieren, die man entweder 4—6 Wochen nach dem quot;Wer­fen, oder, wie Einige anrathen, 3—4 Wochen nacli dem Belegen cas-trirt, vornehmen.*) Bei ganz jungen Schweinen ist für Ungeübte das Auffinden und Hervorziehen der sehr kleinen Eierstöcke und .Mutter­trompeten nicht ganz leicht, während bei alten Thieren die stark aus­gedehnten Tragsackhörnerj sowie die stark gespannten breiten Mutter­bänder einigermassen hinderlich sind. Zur Operation -werden die Thiere durch Entziehen des Futters und Getränkes vorbereitet, was den Vor-theil hat, dass man bei leeren Gedärmen die Eierstöcke und dieMut-terhörner leichter finden und hervorziehen kann, ur.d dass man bei dem raschen Durchstossen des Bauchfelles eine Verletzung der nur in geringem Grade angefüllten Harnblase nicht zu fürchten hat.
*) Viborg hält das Castrircn trächtiger Schweine der sich entwickeln­den Bauchfellentzündung wegen für gefährlich, und bemerkt, dass man, um in solchen Fällen das Leben des Thieres zu retten, unter solchen Umständen gleich bei der Operation den ganzen Tragsack ausgeschnitten nnd die Mutterscheide Unterbunden hat.
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Die Operation kann entweder
1.nbsp; nbsp;von der Flanke aus, wie es häufiger geschieht, oder
2.nbsp; nbsp;von der unteren Bauchwand aus(nach der chineßischen Methode) ausgeführt werden.
1. Ovariotomie v on der Flanke aus.
Zu dieser Methode, zu welcher man entweder ein geballtes Bistouri oder ein eigens von den Schweinsclmeidern hiezu bestimin-tes Messer (ein sog. Castrirmesser) und eine (u, z. am besten eine gerade) Heftnadel mit 4—6fachem Faden benöthiget, wird das Thier, welchem man das Maul zugebunden hat, nach Her twig vor den auf einem niedrigen Stuhle sitzenden Operateur so hingelegt, dass es mit der linken Körperseite nach oben,' mit dem Bücken gegen den Operateur, welcher durch den unter die Weiche geschobenen Fuss den Bauch an der Operationsstelle stark spannt, gekehrt ist, der Kopf aber auf dem Boden aufliegt. Der Operateur hält das Thier gegen den Boden, indem er den rechten Fuss auf den Hals desselben setzt, während ein Gehilfe beide Hinterbeine straff nach hinten zieht, und nöthigen Falls ein zweiter Gehilfe die Vorderbeine festhält.
Die Ausführung der Operation selbst wird folgendermassen beschrieben:
Nachdem man auf der Mitte der linken Flanke die Borsten ab­geschnitten oder ausgerupft hat, macht man -y,—1 Zoll vor dem äus-seren Darmbeinswinkel einen schief von unten und vorne nach oben und hinten (in der Richtung der Fasern des äusseren schiefen Bauch­muskels) verlaufenden, der Dicke des Zeigefingers entsprechend langen Schnitt, welcher bei jüngeren Thieren bloss durch die Haut und das Zellgewebe, bei älteren dagegen auch durch äie Muskulatur dringt, und durchstösst nun im ersten Falle die Muskeln und das Bauchfell, im zweiten das letztere allein mit dem -Nagel des in schräger Eichtung von hinten nach vorn und unten gehaltenen, ausgestreckten Fingers rasch, indem bei langsamem Eindringen des Fingers das Peritonaeum sich von der Bauchwand ablöset. Sollte das Durchstossen nicht ge­lingen, so zieht man das Bauchfell mit einer Pincette in die quot;Wunde und schneidet es in bekannter quot;Weise ein. Hierauf sucht man mit dem in die Bauchhöhle eingeführten Zeigefinger den linken Eierstock in der Mitte zwischen der Hüfte und der Mittellinie der Lenden, bringt ihn an die quot;Wunde und hält ihn daselbst; zieht das zu demselben gehö­rende Horn des Tragsackes hervor, geht an diesem zum zweiten Male
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in die Bauchhöhle ein, und sucht das rechte Horn nebst dem Eier­stocke, der mitunter selbst nur linsengross sein kann, gleichfalls her­auszufordern , welche beim ersten Versuche nicht immer gelingende Manipulation durch einen auf die rechte Flanke ausgeübten Druck #9632;wesentlich erleichtert werden kann. Bei älteren Schweinen soll man bloss die Ovarien, nicht auch die Uterushörner aus der Bauchhöhle hervorziehen. Die Eierstöcke #9632;werden sodann für sich allein abgekneipt oder abgedreht, oder mit einem 1/2—1 Zoll langen Theile des Hor-nes (aber nur bei ganz jungen Thieren) abgeschnitten, die hervorge­zogenen Organe in die Bauchhöhle zurückgebracht und die Wundrän­der durch einige Hefte der Kopfnaht, durch die umwundene, oder die Kürschnernaht vereiniget.
Es gibt, wie Hering bemerkt, bei'diesem Verfahren mancherlei Modificationen; #9632; so kann z. B. der Schnitt rechterseits und #9632; horizontal vom äusseren Darmbeinswinkel nach vorwärts gemacht werden, oder es werden bloss die Hörner des Fruchthälters abgeschnitten oder ein Theil derselben herausgerissen und die Eierstöcke zurückgelassen, öder­es wird die äussere quot;Wunde nicht geschlossen.
2. Ovariotomie von der unteren Bauchwand aus.
Bei dieser, von Viborg zuerst beschriebenen, sog. chinesi­schen Methode, welche nur bei Ferkeln Anwendung findet, benützt man eine eigene 10 Zoll lange, Sförmig gekrümmte , an einem Ende geknöpfte, an dem anderen Ende myrthenblattformige Sonde und eine sog. Aus schneid esp a te 1, oder einfacher nebst einer langen, biegsamen Sonde ein geballtes Bistouri, und einen aus einem stär­keren Drahte angefertigten, massig gebogenen, stumpfen Haken.
Zur Operation kann das Thier entweder derart auf einen Tisch gelegt und mit stark ausgestreckten Vorder- imd Hinterfüssen derart gehalten werden, dass die untere Bauchwand leicht zugänglich ist, oder man hängt dasselbe mit ausgebreiteten Hinterbeinen an einem Querbalken, an einer quot;Wand oder dergleichen in einer für den Opera­teur beriuemen Höhe (etwa gegen 3 Ellen) so auf, dass der Köpf gegen die Erde und der Bauch nach vorwärts gekehrt ist (somit so, wie Metzger die geschlachteten Thiere aufzuhängen pflegen).
Ist das Thier in entsprechender Weise befestiget, so führt man die Sonde an der oberen Wand der Scheide, um nicht in die Harn­röhre zu gelangen, in die Gebärmutter so weit ein, dass sie etwa 2 bis 3 Zoll über den vorderen Band des Schambeines vorragt. Diese
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lässt man nun von einem Gehilfen halten, und durchschneidet die Bauchwandung entweder linkerseits gleich neben der letzten Zitze nach aüssen oder besser in der Medianlinie, 2% Zoll von dem vorderen Rande des Schambeines entfernt, in der länge von 3/4 Zoll. Durch diese Wunde bringt man den Haken in die Bauchhöhle, umgeht mit demselben den Tragsack an der Stelle, an welcher die Sonde liegt, zieht diese letztere heraus, die Gebärmutter selbst aber mittelst des Haituns aus der Bauchhöhle hervor, fasst sie mit den Fingern , zieht ein Horn sammt dem Ovarium behutsam heraus und schneidet oder kneipt es ab, worauf das Gleiche an dem entgegengesetzten Eierstocke geschieht, nachdem man das Horn dieser Seite mit dem abermals ein­gebrachten Haken hervorgeholt hat. Sind beide Eierstöcke entfernt, so bringt man die Gebärmutter sammt ihren Hörnern in die Bauch­höhle zurück, lind lässt die Wunde entweder offen oder schliesst sie mittelst der Kopfnaht.
Die Nachbehandlung beschränkt sich auf leichte Diät und auf Schutz vor äusseren Schädlichkeiten. Man bringt die Schweine in einen kühlen Stall, und verabreicht ihnen in den ersten 6—10 Stunden wiederholt frisches Wasser, nach Ablauf dieser Erist wenig nährendes Futter in geringer Menge (am besten saure Milch) und erst nach mehreren Tagen eine kräftige Nahrung. Nach 24 Stunden kann man die Thiere ins Ereie lassen, da ihnen die Bewegung gleichfalls zuträglich ist. Die Heilung ist gewöhnlich binnen 10—14 Tagen, bei nach der chinesischen Methode castrirten Ferkeln nach Viborg bin­nen S—6 Tagen beendiget.
Ueble Zufälle nach der Operation sind: Peritonitis, lang­wierige Ei terun g an der Operationsstelle, Darm- und N e tzbr üch e hei nicht gehörig verschlossener Muskelwunde, Darmfisteln in Folge von Yerletzung des Darmes.
i). Die Ovariotomie beim Schafe,
welche im Allgemeinen eine beschränkte Anwendung findet, wird eben­falls meist von der Flanke aus vorgenommen. Nach Yiborg macht man einen mitten zwischen der Hüfte und dem Nabel verlau­fenden 1 % Zoll langen Schnitt, stösst das Bauchfell durch, zieht die Eierstöcke hervor, schneidet sie ab, und vereiniget die Hautwunde allein durch 3 Hefte. Indess kann man die Lämmer auch an den Hinterbeinen aufhängen, einen Längsschnitt am Bauche vorne bei dem Euter machen, und von dieser Oeffnung aus die Eierstöcke aufsuchen.
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e, Ovariotomie bei Händen.
Das zur Castration bestimmte., durch Fasten vorbereitete Thier wird, nachdem man das Beissen unmöglich gemacht hat, mit der rech­ten Seite auf einen Tisch gelegt; der Operateur stellt sich an den Eücken des Thieres, lässt die Hinterfüsse desselben durch einen Ge--hilfen stark nach rückwärts ziehen, scheert die Haare ab, und macht nun nach Her twig's Angabe etwas vor der Mitte der Länge der Flanke, unmittelbar unter den Querfortsätzen der Lendenwirbel einen 1—l'/g Zoll langen Einschnitt, schneidet sodann die Bauchmuskeln durch oder stösst dieselbenquot; sammt dem Bauchfelle mit dem Finger durch, sucht das' linke Horn in der Gegend des S.—6. Lendenwirbels auf, zieht es sammt dem Eierstocke gegen die Wunde hin, und schnei­det den letzteren ab. Durch Anziehen an dem linken Hörne bringt man mm das rechte Horn oder selbst den Körper des Fruchthälters in die Wunde, sucht des zweiten Eierstockes habhaft zu werden und entfernt denselben in gleicher Weise wie den ersten, worauf nach dem Zurückbringen der hervorgezogenen Gebilde die Wunde mit einigen Heften vereiniget Wird.
Hof er glaubt, dass das Auffinden der Eierstöcke, besonders des rechten, wesentlich erleichtert wird, wenn man den Einschnitt mehr in der unteren Lendengegend macht; er räth daher, die Bauch­höhle nicht, wie Her twig angibt, ganz in der Nähe der Querfort­sätze der Lendenwirbel zu eröffnen, sondern die Wunde einen starken Zoll von diesen entfernt, so wie einen Zoll schief ab- und vorwärts vor dem äusseren Darmbeinswinkel anzulegen, und den Schnitt ent­weder von vor - nach rückwärts, oder in umgekehrter Richtung zu führen.
Hering bemerkt, dass man bei älteren Hündinnen den rechten Eierstock von der linken Flanke aus zu erreichen nicht immer im Stande ist, indem diese Gebilde sehr weit nach vorne in der JSTähe der Nieren liegen, und sehr kurze Bänder haben; in einem solchen Falle muss man auch auf der rechten Seite einen Einschnitt machen.
Auch die chinesische Methode kann bei Hunden Anwen­dung finden, nur muss man, wie Viborg anführt, die Sonde, wenn sie an der Klappe des Blasenhalses vorbeikömmt, so umdrehen, dass ihre convexe Seite gegen den Eücken des Thieres sich kehrt, indem sie in dieser Richtung leichter über das Darmbein in das Becken hin­eingleitet. Auch das Vorziehen der Eierstöcke gegen die Wunde ist bei Hunden schwieriger, als beim Schweine, auszuführen.
Forster. üperalionstelu-c fOr Thierarzte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 33
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Hof er spricht sich gegen die Oyariotomie von der weissen Linie aus, indem nach derselben sehr leicht Vorfälle von Eingeweiden entstehen sollen.
Eine besondere Nachbehandlung ist auch bei Hunden nicht noth-wendig, und die Wunde verheilt in 8—12 Tagen.
Als Zufälle während oder nach der Operation führt Hof er an: Austreten des grossen Netzes, Vorfallen vonDarm-achlingen. Vorfallen der Milz oder eines Leberlappens und B lutungen.
8. Die Operation der Hydrocele.
Der Zweck der operativen Eingriffe bei bestehender Ansamm­lung seröser Flüssigkeit in der gemeinschaftlichen Scheidenhaut des Hodens und des Samenstranges (bei dem sog. Wassorbruche) ist ent­weder die einfache Entleerung des Serums, wodurch jedoch die Mög­lichkeit einer Recidive nicht beseitiget wird, oder die Erzielung einer Verwachsung beider Blätter der Scheidenhaut und somit Aufhebung der secernirenden Fläche, oder endlich Aufhebung des Hohlraumes nach Wegnahme des Hodens.
Um eine Entleerung der Flüss igke it zu bewerkstelligen, kann man mehrere feine Fäden mittelst einer Wundnadel durch­führen, oder man sticht die Gesehwulst, nachdem man den Hoden des stehenden Thieres, um einer Verletzung dieses Organes vorzubeugen, gegen den Bauchring hin aufgedrängt hat, mit einem feinen Troi-kart an.
Wie bei den Gallen, so spritzt man auch bei der Hydrocele durch die Canule des Troikarts verschiedene Flüssigkeiten, wie z. B. rothen Wein, Aloetinctur, oder die gegenwärtig hiezu fast allgemein gebräuchliche Jodtinctur in mehr weniger verdünntem Zustande ein, um eine Entzündung der Scheidenhaut zu erregen und eine Verwach­sung beider Blätter der Membran herbeizuführen.
In Betreff der Ausführung dieser Methode gilt das bereits früher (pag. 179) Angegebene.
Bei längerem Bestehen und bei bedeutenderer Ausbildung des Leidens, bei etwa gleichzeitig vorhandenen abnormen Zuständen am Hoden oder am Samenstrange, oder an der Scheidenhaut selbst, wird man indess nur durch die Castration sichere Hilfe schaffen können, welche Operation nach einer der bereits besprochenen Methoden aus­geführt werden kann.
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Wurde bloss eine Palliativoperation , wie z. B. das Anstechen der Geschwulst ist, eingeleitet, so ist das Anlegen eines Suspensoriums von grossem Nutzen.
Als ungünstiger Zufall wäre höchstens das Anstechen des Hodens zu erwähnen.
9. Operationen an dem Euter, a. Die Eröffnung der verschlossenen Zitzen.
Diese selten angeborene, meist durch vorausgegangene Entzün­dung veranlasste, fast ausschliesslich an Kühen wahrzunehmende Regelwidrigkeit lässt sich nur auf operativem Wege beseitigen, indem man den Kanal durch Einführen einer Sonde, einer Stricknadel oder eines kleinen Troikarts wieder wegsam zu machen sucht.
Das hiebei einzuschlagende Verfahren besteht darin, dass man mit, der linken Hand die Zitze des stehenden oder niedergeleg­ten Thieres recht straff anspannt, mit der rechten Hand eine metal­lene, mit Fett oder Oel bestrichene, etwa eine Linie starke Sonde, oder in Ermangelung dieser eine dickere Stricknadel durch die Mündung des Zitzenkanales einbringt, und nun durch langsames VorwartssoMe-ben des Instrumentes die Verwachsung trennt. Dass dieses gelungen, erkennt man an dem Authören des Widerstandes und an dem Aus-lliessen von Milch.
Erstreckt sich die Verwachsung dagegen auf eine längere Strecke des Ivanales, so wird man mit der Sonde dieselbe nicht immer durch-zustossen vermögen, und zu dem Troikart zu greifen genöthiget sein.
Der zu dieser Operation eigens bestimmte Mil chtroi kart von Rns-senberger ist gegen 3quot; lang; in die aus Silber gearbeitete, am vorderen Ende scharf abgeschliffene Canule, welche höchstens eine Linie Durchmesser und kaum eine halbe Linie Lumen hat, passen zwei Stilete, u. z. ein scharfes, welches, mit einer gfwöhnlicben Troikartspitze versehen, zum Durchbohren des Kanales bestimmt ist, und ein stumpfes, welches zum Reinigen der verstopften Röhre dient.
Fierz trennte die Vcrwachsmigen mit einem, in einen Federkiel pas­senden Stilete, Meyer mit einem, nicht über eine Linie breiten, spitzen, nur nach einer Seite schneidenden Messerchen, das in einem Taubenfederkiele ver­borgen, in den Zitzenkanal eingeführt wurde.
Die mit Oel oder Fett bestrichene Hülse wird in den Zitzen­kanal so weit eingeschoben, bis man auf einen Widerstand stösst, sodann festgehalten, das spitze Stilet eingeführt und der ganze Troi-
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kart gerade vorwärts in die Milchcdsterne gedrückt, hierauf das Stilet und mitunter auch die Hülse entfernt, oder es bleibt die letztere 3 bis 4 Tage liegen, nachdem man sie mittelst eines , an ihre Scheibe gebundenen und durch einen Heftpflasterstreifen an das Euter gekleb­ten Z-wirnfaden befestiget hat.
lim eine neuerliche Yerwachsung zu verhüten, kann man auch . trockene oder mit Bleisalbe bestrichene Darmsaiten, welche, falls sie von entsprechender Dicke gewählt wurden, von selbst an Ort und Stelle liegen bleiben, oder einen hinreichend starken Bleidraht ein­legen. Sowohl die Saite, als der Draht müssen nach jedem Melken neuerdings in den Kanal eingebracht und durch 8—8 Tage angewen­det werden.
Vaes stach ein gerades, schmales Bistouri ein, und führte, um die quot;Verschliessung der künstliehen Oeffnnng zu verhüten, das Ende einer gut eingeölten Feder ein.
Im Nothfalle kann der Zitzenkanal am Grunde oder in der Mitte der Zitze mit dem Messer eröffnet werden.
Stockfleth beobachtete zu wiederholten Malen nach dem Durchstechen der Verwachsung mit der Kadel Entzündung und Eite­rung im Euter, und zwar vorzugsweise in jenen Fällen, in welchen das Hinderniss sich hoch oben befand, und in denen die Operation gleich nach dem Abkalben vorgenommen wurde.
b. Die Beseitigung im Zitzenkanal vorhandener Neubildungen.
Im Zitzenkanale sitzende Auswüchse, können, wie es z. B. Bärlocher gethan, mittelst einer mit Flaquo;tt bestrichenen Federspula beseitiget werden, oder man bedient sicli, wenn es auf die eben er­wähnte quot;Weise nicht gelingen sollte, eines besonderen Instrumentes, das an der Spitze mit einer Art Kappe versehen ist, mittelst welcher bei dem Zurückziehen des Instrumentes der Auswuchs abgeschnitten wird.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.
Eascher und sicherer wird man jedoch auch in solchen Fällen durch die bei Milehsteinen stets gebotene Anwendung des Messers zum Ziele gelangen. Man führt in den Zitzenkanal nöthigenfalls eine Hohlsonde bis zu jener Stelle, an welcher sich das Hinderniss findet, ein, macht mit dem geballten Bistouri einen Längenschnitt von ent­sprechender Ausdehnung, lässt die Wundränder etwas auseinander halten, und beseitiget die mit einem Häkchen oder mit der Pincette ergriffene und aus ihren etwaigen Verbindungen gelöste Neubildung, worauf man die Wunde mittelst der JsTaht schliesst.
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c. Die Abtragung des Euters oder der Brüste.
Krankheits zu s tan de, welche die partielle oder totale Ent­fernung des Euters erheischen können, sind besonders: Neubildun­gen, vorzugsweise der bei Hündinnen nicht selten vorkommende Krebs der Brustdrüse, die bei Schafen häufiger auftretende brandige Euterentzündung, Fistelg esohwüre am. Euter u. dgl.
Die von verschiedenen Thierärzten, z. B. von Moncourt, Flandrin, From age de Feugre, Her twig, Hering, Ca-relli, Hof er u. A. an verschiedenen Hausthiergattungen vorgenom­mene Operation ist jedoch meist nur in denjenigen Fällen von günstigem Erfolge begleitet, in welchen das ihre Vornahme erfordernde Leiden rein lokaler Natur ist, und die Thiere sieh noch in einem guten Nährzustande befinden.
Je nach der Ausdehnung des Leidens wird man entweder nur einen Theil des Euters entfernen, d. h. die partielle Exstirpa-tion vornehmen, oder die ganze Brustdrüse u. z. gewöhnlich zugleich mit der sie überziehenden , meist gleichfalls kranken Haut beseitigen, d. h. die Amputation machen. Letzteres geschieht bei Schweinen, Hunden und Katzen stets, während man bei Pferden, noch mehr aber bei Kühen in allen Fällen, in denen es überhaupt zulässig ist, einen thunlichst grossen Theil des Euters zu erhalten sucht, wobei man je­doch, wie Hertwig bemerkt, stets dafür Sorge zu tragen hat, dass die Abtragung in völlig gesunder Substanz geschehe, und dass- der zurückbleibende Theil mit einer normalen Zitze in Verbindung stehe, was besonders bei den zur Zucht oder zur Milchnutzung verwendeten Thieren von quot;Wichtigkeit ist.
Zur Operation wird das Thier stets in die Rückenlage gebracht, und das Euter und dessen Umgebung sodann gereiniget; etwa vor­handene Haare werden abgeschoren.
Beschränkt sich bei einer Stute oder bei einer Kuh die Entar­tung nur auf einen Theil der Milchdrüse, so durchschneidet man die Haut in der ganzen Länge der entarteten Parthie mit dem geballten Bistouri, präparirt die Hautränder von der Drüse los, zieht letztere mittelst eines Hakens oder mittelst eines hindurch gezogenen starken Bindfadens von dem Zellgewebe am Becken ab, durchschneidet dasselbe mit dem Messer, löset dann auch die K-änderder Drüse von dem umgebenden Zellgewebe bis zu .dem gesunden Theile derselben und schneidet sie nun in diesem letzteren, etwa einen Zoll von dem kränken Gebilde ent­fernt, quer ab. #9632; Nachdem etwa in der Wunde zurückgebliebenes ent-
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artetes Gewebe nachträglich weggenommen wurde, um einer Recidive vorzubeugen, wird die Blutung mittelst Torsion oder Ligatur gestillt, und die Wunde geheftet, welcher ilanipulation mitunter eine Ver­kleinerung der zu grossen Wundlappen vorangehen muss. Ist die Haut über der abzulösenden Drüsenparthio gleichfalls verändert, so macht man, jedoch stets im normalen Hautgewebe, einen Zirkelschnitt um den entarteten Thcil der Mamma, zieht denselben recht stark her­vor und präparirt ihn nach und nach von der Umgebung los, worauf man nach gestillter Blutung die Wunde mit trockenem Werg, das durch einige Heftpüaslcrstreifeu oder durch eine Binde an Ort und Stelle erhalten wird, ausfüllt.
Soll die Amputation der Brustdrüse vorgenommen werden, so macht man über die letztere zwei mit den Enden zusammen-stossende halbmondförmige .Schnitte und schält die Drüse aus, wobei gleichfalls darauf zu sehen ist, dass die Wundfläche vollkommen rein erscheint.
Hof er exstirpirte einen Brustdrüsenkrebs beim Hunde mit dem Ecraseur, und erzielte binnen zehn Tagen Heilung.
Die Nachbehandlung ist nach den allgemeinen Eegeln für Be­handlung der Wunden durchzuführen.
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Operationen an den Sinnesorganen,
und zwar am Auge.
Obgleich die Zahl der am Auge ausführbaren Operationen eine nicht unbeträchtliche ist, so wird der Thierarzt im Allgemeinen ver-hältnissmässig nur selten in die jSTothwendigkeit versetzt werden, eine oder die andere dieser Operationen vorzunehmen.
Die durch abnorme Zustände der Schutz- und Bewe­gungsorgane oder des Augapfels selbst möglicherweise gebo­tenen operativen Eingriffe sind:
1. Die Etttfernnng fremder, iu das Auge eingedrungener Körper. Solche, auf mechanische Weise wirkende Gegenstände können mittelst einer Pincette oder eines Spatels, mittelst des Daviel'schen Löffels oder mittelst eines kegelförmig zusammengerollten Papierstrei­fens, oder mittelst einer Federspule beseitiget werden.
2. Die Trennung der verwachsenen Augenlider.
Der behufs der Hebung dieser meist angeborenen, selten erwor­benen Abnormität einzuschlagende Weg wird insoferne ein verschie­dener sein müssen, als die Yerwachsung sich bald auf einen grösseren oder kleineren Theil der Lidspalte beschränkt, bald aber sich auf die innere Fläche der Lider und den Augapfel ausdehnt.
Zur Operation wird das Thier stets gelegt und der Kopf des­selben durch verlässliche Gehilfen vollkommen fixirt werden müssen.
Die meisten Augenoperationen werden viel schneller und sicherer ausgeführt, wenn man dieselben am narkotisirten Thiere unternimmt.
Ist eine bloss partielle Verwachsung der Lidränder zu­gegen , so führt man durch die vorhandene Spalte ein schmales, feines Knopfbistouri oder eine feine geknöpfte Scheere zwischen die Lider
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und den Augapfel ein, spannt die Augenlider mit den Fingern der linken Hand in entgegengesetzter Richtung an, und trennt die ver­wachsenen Ränder in genau der Spalte entsprechender Eichtung von' innen nach aussen.
Besteht dagegen eine totale Verwachsung der Lidränder, so- tässt man beide Lider so, dass eine Ton oben nach unten über die Mitte des Auges senkrecht verlaufende Palte entsteht, macht an der, der Lidspalte entsprechenden Stelle derselben einen kleinen Einschnitt, von welchem aus man die weitere Trennung in der oben angegebenen Weise vornimmt.
'Ist aber gleichzeitig Verwachsung der Lider mit dem Augapfel vorhanden, so stellt man nach Hertwig vorerst, die Lidspaltc her, wld sucht sodann mit einer zwischen das obere Lid und den Bulbus eingeführten Sonde die lockeren Verbindungen zu trennen, oder man beugt bei dem Bestehen einer festen Verwachsung den Rand des Lides etwas nach aussen um, und macht letzteres frei, indem man das lüwpfbistouri oder ein blattförmiges Messer mit sei­ner Fläche an dem Augapfel sanft vorwärts schiebt, und dabei das Lid vor dem Messer behutsam in die Höhe zieht.
Nachdem die meist unbedeutende Blutung durch kaltes Wasser gestillt ist, wendet man schleimige Augenwässer an, und bewegt die Lider öfters mit den Fingern hin und her, um einer neuerlichen Ter-wachsung vorzubeugen.
3, Die Operation des Ectropiuis.
Die Auswrär ts kehrung des Augenlid es (das Ectropium), ein- bei Thieren im Allgemeinen selten vorkommendes Leiden, lässt sich, wenn eine in Folge von Narbenbildung entstandene Verkürzung der äusseren Haut des Lides zu Grunde liegt, nach Hertwig mit­telst Durchsclmeidung der Haut beseitigen.
Hiebei sind die Schnitte quer über das Lid, und in gleicher Länge mit der verkürzten Parthie zu fuhren. Ist in der Mitte des Lides eine Narbe vorhanden, so macht man einen Schnitt über, einen zweiten unter derselben, und durchschneidet, falls die Spannung und die abnorme Stellung des Lides hiedurch nicht behoben sein sollte, vorsichtig auch noch die Muskelfasern.
IJm eine entsprechend breite Narbe zu erzielen, -soll man wäh­rend der Heilung, die auf dem zweiten Wege erfolgt, das Lid von Zeit zu Zeit etwas dehnen.
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4. Die Operation des Fntmpiiims und der Trichiasis.
Bei Ein w är t skehr ung der W i m p e r n (Trichiasis) müssen diese entweder mittelst einer Pincette ausgezogen -werden, oder es ist, falls eine Entartung des Lidrandes, in welchem die Wimpern wurzeln, zugegen wäre, die Abtragung desselben vorzunehmen.
Die Einwärtskehrung der A ug en lid er (Entropium) sucht man auf verschiedene Weise zu beseitigen, und zwar dadurch, dass man am Lide entweder mit dem Glüheisen oberhalb des nach einwärts gebogenen Randes von einem Augenwinkel zum anderen ver­laufende Striche zieht, oder eine Längsfalte mit der Schusternaht ab­näht oder mit. der nach der Fläche gebogenen Scheere ausschneidet und die Wundränder durch die Achter - oder Knopfnaht vereiniget, oder eine vollständige Abtragung des nach einwärts gebogenen Lid­randes vornimmt, welches letztere Verfahren, von Serres als das sicherste empfohlen, in nachstehender Weise ausgeführt wird. Serres hebt, nachdem der Kopf des Thiercs gehörig lixirl ist, einen Winkel des Lides mit einer Pincette in die Höhe, führt ein gerades Bistouri zwischen dem Augapfel und der Bindehaut ein, und schneidet mit einem Zuge Haut und Schleimhaut durch; in gleicher Weise operirt er vom entgegengesetzten Augenwinkel her, nimmt dann den freien Band des Lides vollends weg, und regulirt mit einer gekrümmten Scheere die Wunde. Die Vernarb ung erfolgt binnen 8—10 Tagen.
3. Die Abtragung des ßlinzknorpels und der Thrinenkarnnkel.
Die in Folge von Verletzungen des Blinzknorpels mitunter sich entwickelnden wuchernden Granulationen machen eine theilweise oder gänzliche Excision dieses Knorpels nothw endig, zu welcher die Thiere stets gelegt werden müssen.
Man lässt die Lider mittelst der Augenlidhalter auseinander hal­ten, erfasst, wenn nur ein Theil des Knorpels hinwegzunehmen ist, den Rand desselben mit einer Pincette oder einem Häkchen, oder zieht ihn mittelst eines hindurch geführten Badens etwas hervor, und schneidet das entartete Stück mit einer Cooper'schen Scheere ab. Soll dagegen der ganze Knorpel herausgenommen werden, so zieht man ihn mit den oben angeführten Instrumenten so stark als möglich her­vor, und löset ihn mit der Scheere rund herum von der Bindehaut ab, wobei man auf die Thränenpunkte Rücksieht nehmen muss. Die Blutung ist meist Unbedeutend, und durch kaltes Wasser zu stillen.
In gleicher Weise wird die entartete Thränencarunkel entfernt.
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6.nbsp; Die Operation der TbrKieofistei.
Bei der Behandlung dieses höchst seltenen Leidens kömmt es hauptsächlich darauf an, den natürlichen Ausfiihrungsgang wieder weg-sam zu machen und wegsam zu erhalten , welches Letztere mitunter indess trotz aller Mühe nicht gelingen will.
Ist eine äussere Fistelöffnung vorhanden , so wird man durch diese die Injectionen machen können; findet sich eine solche dagegen nicht vor , so stellt man nach H e r t w i g eine künstliche Oeffnung her, indem man mit einem spitzen Bistouri gerade unter dem inneren Augenwinkel und etwa zwei Linien von demselben entfernt einen parallel mit dem Nasenrücken verlaufenden, bis in den Thränensack dringenden, bei Pferden etwa 3—4 Linien tiefen Einstich macht. Um die Wegsamkeil des Kanales herzustellen, zieht man mittelst einer biegsamen fonde eine Darmsaite oder einige seidene Fäden in den­selben ein, und lässt diese, nachdem man deren Enden geknüpft oder mit kleinen Knebeln versehen hat, etwa 14 Tage liegen.
Lässt sich dagegen der natürliche Weg nicht herstellen, so soll man nach Hering versuchen, den Thränen einen Abfluss nach der Xase zu verschaffen, indem man oberhalb des Hindernisses eine ge­spitzte Sonde nach der Nasenhöhle hin durchstösst, und die gemachte Oeffnung durch einen durchgezogenen Faden offen erhält.
7,nbsp; Die Operation des Pteryginms.
Die operative Behandlung des bei Thieren äusserst selten vor­kommenden Augenf e 11 es (Pterygium) kann einen doppelten Zweck haben, indem es sich nämlich darum handelt, dessen weiteres Wachs-thum zu verhindern, oder dessen gründliche Beseitigung herbeizufüh­ren. Nach Her twig erreicht man den erstgenannten Zweck dadurch, dass man die Bindehaut an der Grenze der durchsichtigen Hornhaut an derjenigen Stelle, welche mit dem Felle auf der Cornea zusammen­hängt, entweder mit einer feinen Nadel umsticht, und mit einem Sei­denfaden abbindet oder eine mittelst einer Pincette gefasste Falte aus ihr herausschneidet. Zu dieser Operation müssen die Thiere gelegt und die Lider mittelst der Lidhalter zurückgezogen werden, worauf man die Bindebaut an der entsprechenden Stelle in eine Falte empor­hebt, und diese letztere entweder an ihrer Basis mit der Nadel in der Richtung des Hornhautrandes durchsticht, und sodann die Enden des durchgezogenen Fadens so fest, dass die Ernährung des Felles aufgehoben wird, knüpft, oder mit der Cooper'sehen Scheere abträgt,
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welches letztere Vorfahren den Vorzug vor dem ersteren verdient. Um das Augenfell gänzlich wegzunehmen, ergreift man dasselbe mit einem Häkchen oder mit einer Pincette und löset es mittelst eines Staarmessers bis zum Eande der durchsichtigen Hornhaut von dersel­ben gänzlich ab, worauf man theils zur Stillung der Blutung, theils als Vorbauungsmittcl gegen eine zu heftige Entzündung kalte Umschläge anwendet.
8. Die Pmicliou des Augapfels, (llornliaulsticli uml Uorubaulsclmitt).
Um dem Bersten des Augapfels bei Wassersucht des Bulbus vor­zubeugen, um den in der vorderen Augenkammer angesammelten Eiter zu entleeren, um daselbst vorhandene Fadenwürmer zu beseitigen, oder um bei Entzündungen, besonders bei der periodischen Augenentzün­dung, den intraocularen Druck zu massigen, sticht man den Augapfel an. Bei der letztgenannten Krankheit wurde der llornhautstich schon von liafosse und Chabert, in neuester Zeit von Sichel und van Biervliet empfohlen, indess sind die Ansichten über den Er­folg der Operation verschieden, und einzelne Thierärzte, wie z. B. Richter, wollen nach derselben rasche Erblindung beobachtet haben, während nach der Angabe von Sperino die Punction des Bulbus bei allen inneren Augenentzündungen im acuten oder subacuten Sta­dium besonders wirksam sein, den Verlauf beschleunigen und schlim­men Ausgängen vorbeugen soll. Sichel und van B ie r v lie t sind der Ansicht, dass die Paracenthese des Bulbus nur desswegen den gehegten Erwartungen nicht entsprochen habe, weil sie schlecht ge­macht wurde.
Indem man die Lider mittelst der Lidhaltcr auseinanderhalten lässt, sticht man nach He ring's Beschreibung vom äusseren A-Ugou-winkel her, etwa eine Linie vom Bande der Cornea entfernt, eine ge­wöhnliche Staarnadel durch die Hornhaut in die vordere Augenkammer ein, und zieht diese, wenn ein Theil der wässerigen Feuchtigkeit abgeflossen ist, und die Spannung des Augapfels sich vermindert hat, zurück, worauf man behufs Verhütung der Entzündung kalte Umschläge macht, das Thier in einem dunklen Stalle hält, und demselben wenig und leicht verdauliches Futter verabreicht.
Nach H er t w i g wird bei Augapf'elwassersuchl der Bulbus mit den Fingern fixirt, eine schmale Lancette mit gegen den Band der Hornhaut gekehrter Fläche am unteren Rande des Augapfels etwa zwei Liuiea vom Runde der Hornhaut entfernt durch diese letztere so tief
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eingestochen, dass eine etwa 2—3 Linien breite Wunde entsteht, und sich ein Theil des Inhaltes des Bulbus entweder neben der Lanzette oder neben der statt derselben eingebrachten Sonde entleeren kann, worauf man nach Entfernung des Instrumentes eine Compresse von weicher Leinwand und eine massig fest anschliessende Binde auf das Auge anlegt, und das Thicr ganz ruhig und diät hält.
In gleicher Weise soll man bei Ansammlung von Eiter oder Blut in der vorderen Augenkammer vorgehen, wenn die Resorption nicht zu Stande kömmt; nur selten wird anstatt des Stiches ein kleiner Schnitt nothwendig werden.
Falconio und Oreste zu Neapel nehmen die Function mit­telst eines besonderen, stiletartigen Instrumentes vor.
Bei inneren Augenentzündungen soll man nach van Rooy und van Biervliet am liegenden und narkotisirten Pferde die Horn­haut an der Vereinigungsstelle des äusseren oberen Viertels mit dem unteren, ja nie tiefer, mittelst eines Spitzbistouri oder einer kleinen Lancette, welche, um die Regenbogenhaut nicht zu verletzen, schief von vor - nach rückwärts und von innen nach aussen eingestochen wird, eröffnen. Die in solcher Weise ausgeführte Punction soll voll­kommen gefahrlos sein, und höchstens eine leichte, von selbst wieder verschwindende Hornhautentzündung veranlassen, während die Wunde selbst meist nach 24 Stunden geschlossen ist.
Handelt es sich um Entfernung eines im Bulbus vorhandenen Fadenwurines, so muss man die mit Schnelligkeit auszuführende Ope­ration zu einem Zeitpunkte machen, in welchem der Wurm sich in der vorderen Augenkammer in der Nähe der durchsichtigen Hornhaut zeigt, indem derselbe bei Einwirkung der athmosphärischen Luft sich sogleich tiefer in das Auge zurückzieht, und dann schwer oder gar nicht zu erfassen ist.
Behufs der Entfernung desselben legt man das Thier nieder, fixirt Kopf und Auge, sticht ein Staarmesser, die Spitze gegen den inneren Augenwinkel, die Schneide nach dem unteren Lide, die Fläche gegen die Iris gerichtet, am äusseren Augenwinkel an derselben Stelle, an welcher der Hornhautstich zu machen ist, horizontal ein, schiebt das auf der Beugefläche des Mittelfingers liegende Instrument einige Linien vorwärts, und macht eine mit der Convexität nach abwärts gerichtete, halbmondförmige Wunde in der Hornhaut. Sollte der Wurm nicht mit der ausiiiessenden wässerigen Feuchtigkeit zum Vorscheine kommen, so müsste er mit einer feinen Pincette erfasst und heraus­gezogen werden. Nachdem man die Hornhautwuade so gut als mög-
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lieh durch Anpassen des Lappens geschlossen, bedeckt man das Auge leicht, und wendet kalte Umschläge an. Im günstigen Falle verklebt die Wunde in S— 6 Tagen, und die wässerige Feuchtigkeit ersetzt sich wieder, im ungünstigen Falle dagegen kann aber auch die Linse und der Glaskörper nach Aussen entleert werden, und Erblindung folgen.
9. Die Iridectomie.
Die Iridectomie oder die Pupillenbildung durch Ausschnei­den eines Stückchens der Regenbogenhaut wurde von D i d o t, welcher zwischen dem acuten Glaucome des Menschen und der periodischen Augenentzündung des Pferdes einige Analogie zu linden glaubte, bei der letzteren Krankheit im Jahre 1860 versuchsweise gemacht, und seither auch von anderen Thierärzten, wie z. B. von van Biervliet, van Eooy, Eichter, Werner, Nagel, Jacobson mit ver­schiedenem Erfolge versucht. Richter glaubt bei der periodischen Augenentzündung durch die Operation der Erkrankung des noch ge­sunden zweiten Auges vorgebeugt zu haben, und erklärt diesen Er­folg dadurch, dass durch die Lostrennung eines keilförmigen Stückes der Iris die Beweglichkeit der angehefteten Regenbogenhaut aufgeho­ben, so die Zerrung und Reizung derselben verhindert, und derart die consensuelle Irritation des gesunden Auges verhütet wird. Nagel hält die Operation für angezeigt, wenn hintere Synechien (Verwach­sungen der Iris mit der Linsenkapsel) vorhanden sind, die Linse aber gar nicht oder nur in geringem Grade getrübt erscheint, und wenn der intraoeulare Druck sehr stark ist. Jacobson in Königsberg soll die Iridectomie bei einem Pferde, bei welchem bereits der zweite An­fall aufgetreten war, mit ausgezeichnetem Erfolge unternommen haben. Werner dagegen beobachtete stets eine rasche Erblindung nach der Operation, und auch Sichel hält dieselbe nicht für empfehlenswerth, da meist eine heftige Entzündung dadurch bedingt wird.
Nach D i d o t soll in nachstehender Weise operirt werden: Das Pferd wird niedergelegt und narcotisirt; hierauf lässt man die Lider durch Lidhalter auseinander halten, und flxirt, falls es nö-thig sein sollte, den Bulbus mittelst eines feinen, in die Bindehaut desselben eingestochenen Hakens. Sodann sticht man eine Lancette mit kurzer und sehr feiner Spitze an der nach dem äusseren Augen- #9632; winkel gerichteten Seite des Bulbus, u. z. am Rande der Cornea (an ihrer Verbindung mit der Sclerotica) vorsichtig ein, dringt parallel mit der vorderen Fläche der Iris in die vordere Augenkammer, macht
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eine fünf Millimetres grosse Wunde, und zieht das Instrument, ohne es zu drehen, zurück, damit die wässerige Teuchtigkeit langsam aus-fliessen könne. Durch die gemachte Oeffnung führt man nun eine feine Pincette bis zum Eande der Pupille ein, ergreift, ohne die Ciliar-fortsätze zu verletzen, ein Stück der Iris, rcisst es mit einem raschen Zuge los, und entfernt es. Einen dabei etwa entstandenen Vorfall der Iris bringt man vorsichtig zurück. Die Nachbehandlung besteht in kalten Umschlägen.
Biervliet und van R.o0y gebrauchen die Lidhalter nicht; sie machen beiläufig in der Mitte des äusseren Eandes der äussereu Parthie der Hornhaut mittelst eines horizontal gehaltenen und mit den Flächen nach vor- und rückwärts gerichteten Staphylommessers einen hinreichend grossen Einstich, entfernen das Instrument, erfassen mit einer gekrümmten Pincette die Iris, reissen sie los, und schneiden einen Theil derselben mit einer nach der Pläche gebogenen Seheere hinweg.
Bei wirklicher Verwachsung der Pupillarränder mit einander bildet man nach H e r t w i g eine neue Pupille, indem man nach ge­machtem Jlornhautschnitte durch diesen mit einer scharfen Staarnadel bis zu der verwachsenen Pupille eindringt, durch einen ovalen Schnitt, dessen Umfang der Grosse der natürlichen Pupille entspricht, die Iris durchschneidet, dann die Nadel zurückzieht, und nun mit einem feinen Häkchen das durchschnittene Stückchen dieser Haut ergreift und her­auszieht.
Auch bei angeborener Verwachsung der Pupille muss man, wie Hertwig bemerkt, mitunter zu einem operativen Verfahren seine Zuflucht nehmen. Dieses bestellt darin, dass man am oberen Rande der durchsichtigen Hornhaut einen etwa drei Linien langen Einschnitt macht, durch denselben ein kleines Häkchen in die vordere Augen­kammer einbringt, mit demselben die Pupillenmcmbran erfasst, und diese nun durch mehrmaliges Drehen des Instrumentes um seine Län­genachse zerreisst. Indess kann man die Membran auch von ihrer Mitte aus mittelst einer, durch die Hornhautwunde eingeführten lan-zenfdrmigen Staarnadel kreuzweise einschneiden, worauf die entstan­denen Lappen gleichfalls nach und nach resorbirt werden.
10, Die Opfiration des grauen Staares,
Die Operation des grauen Staares ist jenes kuustgemässe chirur­gische Verfahren, welches die Entfernung des verdunkelten Linsen-quot;körpers aus dem Umfange der Pupille oder aus dem Auge selbst
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bezweckt, um das Eindringen der Lichtstrahlen zur Netzhaut wieder möglich zu machen.
Die Staaroperation ist wohl an Thieren ausführbar, wird jedoch in der Thierheilkunde aus mehrfachen Gründen nie jene Bedeutung, die sie in der Menschenheilkunde hat, erlangen, sondern stets ohne wahren Nutzen bleiben.
Einestheils kömmt der graue Staar neben anderen, mitunter schwer erkennbaren pathologischen Zuständen des Auges, welche an und für sich schon das Sehvermögen aufheben, oder dasselbe doch wenigstens wesentlich beeinträchtigen, vor, wo somit die Beseitigung der getrüb­ten Linse aus der Sehachse ohne wesentlichen Einhuss auf das Sehen bleiben muss, anderstheils wird aber das Thier u. z. vorzugsweise das Pferd selbst dann, wenn der graue Staar für sich allein bestand und die Operation an und für sich vollkommen gelang, nie so, wie mit gesunden Augen sehen, indem ein wesentliches, bei Menschen durch entsprechende Brillen einigermassen ersetzbares Organ des Sehappara­tes, die Linse, fehlt, aus welchem Grunde die Thiere besonders in der ersten Zeit nach der Operation sich vor allen nahen, ihnen viel gros­ser erscheinenden Gegenständen scheuen, und desshalb weniger ver­lässlich sind, als sie es vor der Operation waren , wo sie sich ganz der Führung überliessen. Höchstens der bei Haudelspferden in Be­tracht zu ziehende V ortheil kann durch die Operation erreicht werden, dass das Auge dem Nichtkenner gesund und gut erscheint, während das Sehvermögen factisch sehr schwach ist, oder ganz mangelt. Da­gegen kann in Folge der durch den operativen Eingriff selbst veran-1 assten heftigen Entzündung der Augapfel zerstört und das Thier hie-durch auffallend entstellt werden.
Zur Operation müssen die Thiere, welche durch magere Diät und durch Abführmittel nöthigenfalls vorbereitet sind, gelegt werden ; mitunter werden einige Stunden vor der Operation einige Tropfen einer Lösung von Belladonna- oder Bilsenkrautextraet oder von Atropin in quot;Wasser in das Auge geträufelt, um eine Erweiterung der Pupille her­beizuführen. Von wesentlichem Vortheile ist es, die Thiere zu nar-kotisiren, indem hiedurch das nicht selten ziemlich schwierig zu be­werkstelligende Fixiren des Augapfels erleichtert wird. Dieses letztere hat man früher mittelst eigener Instrumente, welche man im Allge­meinen Ophth almostaten nennt, zu erreichen gesucht, indem man mittelst derselben, wie es bei den sog, A ugenspiegeln (verschie­den gestalteten, meist mit einer Handhabe versehenen Ringen von Metall, Bein, Elfenbein u. dgl.) der Fall ist, einen kleineren oder
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grösseren Theil des Augapfels umfasste, oder die mit feinen Spitzen versehenen Instrumente , die A u g e n s p i e s s e, (z. B. den Spiess von Pamard, den dreiarmigen Augenspiess von Leblano, den Diaptateur von Brogniez) in den Augapfel einstach. Die eben er­wähnten Vorrichtungen sind jedoch ungeeignet, indem die Augenspie­gel das ohnehin beschränkte Operationsfeld noch mehr einengen und die Ausführung der Operation erschweren, die Augenspiesse dagegen das Auge verwunden und reizen. Eine andere Methode, den Bulbus zu fixiren, besteht darin, dass man wie Binz, Hayne, Haubner und Andere gethan haben, hinter dem Augenbogen , in der Mitte der Schläfengrube einen queren, etwa einen Zoll langen Schnitt durcli die Haut macht, und von hier aas mittelst eines oder zweier Finger einen Druck auf den Augapfel ausüben lässt, wornach jedoch Trübungen der Cornea, Eiterung in der Tiefe, Fistelbildung u. dgl. eintreten können. Am besten gelingt das Fixiren des Bulbus dadurch, dass man densel­ben mit dem Finger wiederholt berührt, bis Ermüdung eintritt und er gegen weitere Berührung unempfindlich erscheint, worauf man den Zeigefinger der linken Hand am inneren Augenwinkel gegen den Aug­apfel legt, diesen sanft gegen den äusseren Winkel drückt, und so­dann ohne weiteren Zeitverlust zur Operation selbst schreitet, welche nach verschiedenen Methoden ausgeführt werden kann, indem die Linse entweder bloss aus dem Umfange der Pupille oder aber aus dem Auge selbst entfernt wird.
Diese Operationsmethoden sind folgende:
a.nbsp; nbsp;Das Niederdrücken der verdunkelten Linse (die Depression), wobei dieselbe, ohne um ihre Achse gedreht zu werden, in den Glaskörper versenkt wird.
b.nbsp; Das Umlegen der Linse (die Reclination), wobei die Linse um ihre Querachse gedreht wird, so dass die vordere Fläche nach oben, die hintere nach unten zu liegen kömmt.
c.nbsp; Das Zerstückeln der Linse (die Discission), welches Verfahren den Zweck hat, die Aufsaugung der Linse dadurch zu er­möglichen, dass man sie zerstückelt. Bei diesen drei Methoden kann man die Staarnadel entweder in der Cornea oder in der Sclerotica einstechen; die erstere Modification bedingt meist eine stärkere Rei­zung der Iris, gibt zur Entstehung einer Narbe in der durchsichtigen Hornhaut Veranlassung, und ist der zweiten desshalb nachzusetzen.
d.nbsp; Das Ausziehen der Linse (die Extraction), wobei die­selbe aus dem Bulbus entfernt wird.
Strenge genommen sind bloss die zwei zuerst genannten Metho-
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den bei Thieren, besonders beim Pferde, anwendbar; die Diseission ist bei dem Umstände, als die Consistenz der oataractösen Linse gewöhn­lich eine sehr bedeutende ist, meist unausführbar, und könnte höch­stens bei der wohl äusserst selten erkennbaren Erweichung der Linse vorgenommen werden; die Extraction ist beim Pferde aus dem Grunde nicht zu machen, weil in Folge der Wirkung des sebr starken Grund-muskels nach Durchscbneidung der Hornhaut nicht nur die Linse, sordern auch der Glaskörper aus dem Augapfel herausgepresst wird, und der Bulbus zusammenfällt. Auch bei den anderen Hausthier-gattungen ist die Extraction nicht anzuempfehlen, indem in Folge der mitunter sehr heftigen Entzündung der Augapfel gleichfalls zerstört wird.
Die zur Staaroperation erforderlichen Instrumente sind je nach den Methoden verschieden.
Zur Depression, Reclination und Diseission dienen die Staarnadeln, zur Extraction das Staarmesser und aua-serdem eine feine Pincette oder ein Häkchen.
Die sammtlich mit einem etwa S4/raquo;quot; langen, %'quot; starken, achtkantigen Hefte versehenen Staarnadeln haben entweder eine pfrienien- oder eine lan-zenförmige Spitze, welche letztere entweder gerade oder am vorderen Ende ge­krümrat ist.
Staarnadeln mit p friemenfö rmi g-er, einer gewöhnlichen Näh­nadel gleichenden Spitze sind gegenwärtig fast gänzlich ansser Gebrauch gekommen, weil sie während des Einstechens leicht abbrechen oder sich biegen, und weil mau mittelst derselben einen hinlänglichen Druck anf die Linse nicht auszuüben vermag.
Die Staarnadel von Beer hat eine gerade, lanzenförmige, etwa %quot;' lange, in der Mitte etwa 1'quot; breite Spitze mit leicht convexen Flächen und scharfen Rändern; die Nadeln von Scarpa, Langenbeck und Walther, derer mau sich gewöhnlieh bei der Depression bedient, und die desshalb auch als Depressionsnadeln bezeichnet werden, haben eine nach der Fläche massig gekrümmte Spitze.
Die zweischneidige, stechende Spitze der sogenannten Disci s s ions- oder Sichelnadel ist von zwei Seiten abgeplattet und nach der Kante massig ge­krümmt, wodurch ein stark convexer und ein leicht coneaver Eand entstehen. Brogniez hat eine eigene Discissionsnadel, mittelst welcher die Linse gleich­zeitig festgehalten werden kann, construirt; früher schon bediente sich Binz einer mit einer ähnlichen Vorrichtung versehenen Nadel bei der Depression.
Das Staarmesser, welches zum Hornhantschnitte dient, hat ein langes, dünnes, achtkantiges Heft, und eine mit demselben unbeweglich verbundene Klinge. Diese letztere, für grössere Thlere2quot;langund 4—ö'quot; breit, wird von der Spitze bis zum hinteren Ende an der Schneide immer breiter, hat einen geraden, stumpfen, mit dem Hefte in einer Linie verlaufenden Rücken, eine schräge, Fors to r. Operationslehre für Thierärzte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 34
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scharfe Schneide und eine feine, eine Linie lange, laoeettartig zngeBchliffene Spitze. Beide möglichst blank polirten Seitenflächen der Klinge sind schwach concav.
Die Ausführung der einzelnen Methoden geschieht in nach­stehender Weise :
a.nbsp; nbsp;Depression. — Nachdem der Augapfel auf irgend eine Weise fixirt ist, stiehl der Operateur die wie eine iSohreibfeder gehal­tene Beer'sehe Btaarnadel 1—1 Va Linien vom Eande der Cornea entfernt am äusseren und unteren Abschnitte des Augapfels in die Sclerotica rasch ein, schiebt sie dann hinter der Iris und dem Falten­kranze nach der Mitte und vorwärts, so dass ihre Spitze in der Pu­pille sichtbar wird, zerreisst damit die Kapsel, sucht mit dem breiten Theile der Nadel durch wiegende Bewegung die Krystalllinse von ihrer Stelle zu entfernen und nach abwärts zu drücken, worauf er, wenn dieses gelungen ist, dieselbe mittelst der Nadel noch einige Zeit im Grunde des Glaskörpers festhält, um d as Wiederaufsteigen der­selben zu verhindern; schliesslich zieht er die Nadel behutsam heraus.
Etwa vorhandene Adhäsionen zwischen Iris und Linsenkapsel werden zuvor mit der Spitze der Nadel gelöst.
b.nbsp; Reclination. — Hat man mittelst der in der eben ange­gebenen Weise eingeführten Htaarnadel die vordere Wand der Linsen­kapsel getrennt, so schiebt man das Instrument, indem man das Heft desselben etwas senkt, gegen den oberen Band der Linse, legt diese letztere durch einen mittelst der Nadel nach rück- und abwärts aus­geübten Druck um, und hält nun die Linse durch einige Sekunden in dieser Lage fest, worauf man das Instrument entfernt.
c.nbsp; Discission. —Bei dieser Methode durchsei meidet man mit der nach obiger Vorschrift eingeführten Nadel, deren scharfe Bänder nach oben und nach unten sehen müssen , die Linse sammt der Kap­sel in ihrer Mittellinie in zwei Theile, welche sodann mit dem In­strumente nach abwärts in den Glaskörper gedrückt werden, womit die Operation beendet ist.
d.nbsp; nbsp;Extraction. — Bei dieser, bei Thieren durchaus nicht zu empfehlenden Methode sticht man ein Staarmesser von dem äusseren Augenwinkel her in die Cornea dicht an ihrer Verbindung mit der Sclerotica ein, führt dasselbe in horizontaler Eicbtung, ohne die Iris zu verletzen, bis zum äusseren Augenwinkel, sticht es dort nach aussen durch, und durchschneidet nun die Cornea nach abwärts. Oft drängt sich sogleich nach gemachtem Hornhautschuitte die Linse gleichzeitig
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mit der abfliessenden wässerigen Feuchtigkeit in Folge der Zusammen-ziebung des Bulbus von selbst durch die Wunde hervor ; sollte dieses jedoch nicht der Fall sein, so sucht man das Heraustreten der Linse durch einen gelinden Druck zu bewirken, oder man führt den Da-viel'schen Löffel durch die Wunde ein, löset mittelst desselben etwa bestehende Adhäsionen, drängt sodann die Linse durch das an ihren Rand angelegte Instrument hervor, und beseitiget sie nöthigenfalls mit Zuhilfenahme einer feinen Pincette vollständig.
Ist die Operation nach der einen oder der anderen Methode aus­geführt worden, so lässt man die Lider sanft über den Augapfel glei­ten, bringt das Thier in einen dunklen Stall, hält es diät, und macht durch 48 Stunden kalte Umschläge. Nach drei Tagen kann man, wie Hertwig angibt, das Auge bei nicht zu hellem Lichte vorsichtig untersuchen, und, wenn eine stärkere Entzündung noch fortbestehen sollte, das bei traumatischen Augencntzündungeu gebotene Verfahren einschlagen, während man, falls die Entzündung behoben wäre, die Thiere bei magerer Diät und bei Vermeidung zu grellen Lichtes durch weitere 6—8 luge bloss ruhig stehen zu lassen hat.
Üb günstige Ereignisse, welche bei oder nach der Opera­tion eintreten können, sind: Blutungen in das Auge, Vorfall der Iris, Ausfliessen des Glaskörpers, heftige Entzün­dungen, Verdunkelung der Hornhaut, Wieder auf stei gen der herabgedrückten Linse u. s, w,
11, Die Exstirpatiou des Augapfels.
1st die Keposition oder die Eetention des vorgefallenen Aug­apfels nicht zu bewerkstelligen, oder ist eine bedeutende Entartung desselben zugegen, so muss die Exstirpation desselben unternommen werden. Die im Allgemeinen nicht schwierige und nicht gefährliche Operation wird nach Hertwig folgendermassen ausgeführt:
Sind die Augenlider durch Gehilfen möglichst nach aussen um­gebogen, so ergreift der Operateur entweder mit den Fingern der lin­ken Hand allein, oder mit Zuhilfenahme eines scharfen Hakens oder eines durchgezogenen Fadens den Augapfel, trennt die Bindehaut in dem ganzen Umkreise desselben mit dem geballten Bistouri, schneidet sodann mit einem schmalen, recht scharfen, zwischen dem Augapfel und den Wänden der Orbita eingebrachten Lorbeerblattmesser den Sehnerven quer ab, oder sucht mit einer nach der Fläche gekrümmten Scheere in die Augenhöhle einzudringen, indem er nac h gemachtem
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Kreisschnitte in der Bindehaut gleich hinter derselben an einer Stelle das verbindende Zellgewebe und die Muskeln nach und nach durch­schneidet, das Gleiche an dem Sehnerven vollführt, schliesslich das Zellgewebe und die Muskeln im ganzen Umfange des Augapfels durch­schneidet, und den Augapfel entfernt, worauf er, nachdem die Blu­tung durch kaltes Wasser gestillt ist, die Augenhöhle wit lockerem Werg anfüllt, welches erst dann, wenn die Eiterung beginnt, nach vorheriger Durchfeuchtung mit lauwarmem Wasser mit einer Pin­cette vorsichtig entfernt und durch frisches ersetzt wird. Ist es einmal zu reichlicherer Bildung von Granulationen gekommen, so beschränkt man sich auf blosses Reinhalten der Wundiiäche.
Nach vollendeter Heilung kann, um die auffallende Entstellung zu verdecken, ein künstliches Auge eingesetzt werden.
Gedruckl bei Jos. .stncMiolzer v. Hirsohfeld*, in Wien.
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