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BIBLIOTHEEK UNIVERSITEIT UTRECHT
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Lehrbuch
der
allgemeineii cliirurgisclien
Veterinär-Pathologie und -Therapie
Dr. Hermann Pütz,
Professor der Chirurgie und Director der Veterinärschule in Bern.
/kit quot; H' quot;#9632;-' i^s
3Iit mehreren* fn den Text gedi*uck:tien: Holzschnitten.
Be 1*11.
Verlag der J. Dalp'schen Buch- und Kunsthandlung (K. Schmid).
1874.
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Druck der Stämpflischen Buchdruckerei in Bern.
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/ViANEN
EN
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seiner verstorbenen Eltern
widmet
diese Schrift in unwaMelbarer Lieöe nnö Dankbarkeit
Der Verfasser.
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Vorrede.
Be
inahe sind sechs Jahre verflossen, seitdem ich durch meinen Freund
Roloff in Halle zuerst erfuhr, dass ich Aussichten hätte, in meine jetzige Stellung berufen zu werden. Ich antwortete hierauf, indem ich die Schluss­worte des Horaz'sehen Carmen I laquo;Ad Maecenatemgt; in folgender Weise parodirte:
„Quodsi mc magistris publicis inseris, Subluni feriam sidera vertice!quot;
Man wird daraus ersehen, wie gerne ich meine bis dahin vorzugsweise practische Thätigkeit mit dem Lehramte vertauschte. Zwar fühlte und wusste ich zu jener Zeit ebenso wie heute, dass die betreffende Wandlung der Dinge mich mit einer Menge von Arbeit beladen würde, vor welcher ich, bei geringerer Lust zur Docentencarriere in meinem damaligen Alter leicht hätte zurückschrecken können; dies um so mehr, weil ich im Interesse der Erziehung meiner Kinder mich seit einigen Jahren mehr mit philolo­gischen als mit medicinischen Studien befasst hatte. Doch schon die Alten sagten:
„Lust und Lieb' zu einem Ding Machet alle Müh' gering!quot;
Und so habe ich denn, 39 Jahre alt, als Professor und Direktor der hiesigen Thierarzneischule, mit den damaligen Studenten der ersten Semester seither eine Reihe von medicinischen Vorlesungen an hiesiger Universität
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absolvirt. Das Bewusstsein meiner -wissenschaftlichen ünfertigkeit und das Verlangen, wenigstens den bescheidensten Anforderungen meiner Stellung zu genügen, spornte meinen Lerneifer. Ich erfuhr immer mehr die volle Wahrheit der Worte: laquo;Docendo diseimusraquo;.
Unmöglich konnte ich mir aber verhehlen, dass es um die Auswahl unter den disponibcln thierärztlichen Docenten nicht sonderlich besteilt sein dürfte, wenngleich ich nie daran gezweifelt habe, dass es Collegen gab und gibt, die Manches vor mir voraus haben. Nichtsdestoweniger musste sich mir mit Macht das Gefühl aufdrängen, dass die bis dahin bestandene Ein­richtung der thierärztlichen Unterrichtsanstalten den heutigen Anforderungen in keiner Weise entspreche. Prüfte ich nämlich den Bildungsgang der mir bekannten thierärztlichen Lehrer der Gegenwart;, und fragte ich mich: AVie viele derselben sich wohl sagen dürften, dass sie bei Ueberuahme ihres Lehramtes auch nur einigermassen die Aufgaben eines akademischen Docenten zu erfüllen im Stande gewesen wären? So glauhte ich antworten zu müssen: Gewiss nur sehr wenige; diese aber haben die erforderlichen Kenntnisse nur zum Theile an einer Thierarzneischule, zum anderen Theile hingegen an einer Universität sich erworben. — Dass bei solchen Verhältnissen der Unterricht sowie die Wissenschaft leidet, ist so selbst­verständlich , dass es Thorheit wäre, darüber weiter ein Wort zu verlieren.
Meine heutigen Bestrebungen gelten deshalb nicht nur der eignen Vervollkommnung, sondern auch der Verbesserung des gesammten thier­ärztlichen Unterrichtswesens. Es freut mich, in dieser Beziehung in allen wesentlichen Punkten mit einer grossen Anzahl tüchtiger Collegen überein­zustimmen. Zum frühlichen Gedeihen der Veterinänvissenschaften gehört vor allen Dingen eine akademische Einrichtung der thierärztlichen Bildungs­anstalten , wie dies durch die imponirende Majorität (96 gegen 2) des Frankfurter Congresses ausgesprochen worden ist. Es gehören aber auch Unterrichtsmittel dazu, welche dem jeweiligen Standpunkte der gesammten inedicinischen Wissenschaften entsprechen.
Seitdem ich mit dem Vortrage der Chirurgie an der Berner Veterinär­schule betraut worden bin, habe ich den Mangel eines Lehrbuches der allgemeinen chirurgischen Veterinär-Pathologie und Therapie um so leb­hafter empfunden, als ich dadurch genöthigt war, neben meinen vielen
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anderweitigen Arbeiten, denjenigen Theil der Veterinär-Chirurgie, welchen ich in der Jetztzeit als den wichtigsten des theoretischen Unterrichts dieser Disciplin ansehe, auf Grundlage der modernen ineJidnischen Anschauungen selbst auszuarbeiten. In den Handbüchern der Veterinär-Chirurgie, welche bis heute in deutscher oder französischer Sprache erschienen sind, ist, soweit mir bekannt, diesem Bedürfnisse nicht in erforderlicher Weise Rech­nung getragen, so dass es nicht leicht von irgend Jemand bezweifelt oder bestritten werden wird, dass dadurch geradezu ein Nothstand vorhanden ist, dem unbedingt abgeholfen werden muss. Desshalb habe ich mich, von einigen Freunden dazu ermuntert, zur Publikation meiner bezüglichen Vor­träge entschlossen. Ich habe um so weniger Anstand genommen, zunächst nur ein Handbuch der allgemeinen chirurgischen Veterinär-Pathologie und Therapie herauszugeben, als einerseits hierzu das dringendste Bedürfniss vorhanden ist, andererseits aber mir bis dato die Zeit gefehlt hat, welche die Bearbeitung der speciellen Veteterinär-Chirurgie verlangt. Ich beab­sichtige, diese mit mehreren Specialcollegen alsbald gemeinschaftlich heraus­zugeben, so dass dem Einzelnen nur ein bestimmter [Theil dieses grossen Gebietes zur Bearbeitung zufällt, was wohl im Interesse einer wünsch-baren Gründlichkeit liegen dürfte.
Ob es mir gelungen ist, in vorliegendem Werke die bezüglichen Quellen mit der nöthigen kritischen Wahl benutzt und bei der wünschenswerthen Kürze eines Lehrbuches der allgemeinen chirurgischen Veterinär-Pathologie und Therapie die einschlägigen Processe im Sinne der heutigen Wissen­schaft zur richtigen und deutlichen Darstellung gebracht zu haben, muss ich dem Urtheile der Sachverständigen überlassen. Je mehr dies der Fall ist, um so grosser wird der Nutzen meiner Arbeit sein. Kritiken, welche einer Verbesserung derselben dienen können, werde ich jederzeit mit Dank annehmen.
Um den Schein zu meiden, als wollte ich mich mit fremden Federn schmücken, bemerke ich ausdrücklich, dass in dem Buche nur wenig eigne Originalarbeit enthalten ist, wenn ich die kritische Auswahl des Inhaltes #9632; aus einer grossen Anzahl anerkannt guter Werke nicht als solche bezeichne. An vielen Stelleu habe ich die Autoren, deren Werke ich benutzte, ge­nannt. Da dies jedoch nicht überall geschehen ist, so halte ich es für
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rrticht, die Quellen, aus denen ich im Allgemeinen (jedoch in sehr ver­schiedenem Maasse) geschöpft habe, hier noch besonders anzuführen.
Billroth, Die allgemeine chirurgische Pathologie und Therapie.
Bruckmüller, Lehrbuch der pathologischen Zootomie.
Rindfleisch, Lehrbuch der pathologischen Gewebelehre.
Förster, Handbuch der pathologischen Anatomie.
Heitzmann. Compendium der chirurgischen Pathologie und Therapie.
Hüter, Die allgemeine Chirurgie.
Wo 1st ein, Die Bücher der Wundarznei der Thiere. — Das Buch für
Thierärzte im Kriege. Virchow, Die Cellularpathologie. — Handbuch der speziellen Pathologie
und Therapie. U hie-Wagner, Handbuch der allgemeinen Pathologie. Kühne, Handbuch der allgemeinen Pathologie für Thierärzte. Hering, Spezielle Pathologie und Therapie für Thierärzte. Ilertwig, Practisches Handbuch der Chirurgie für Thierärzte. Armbrecht, Lehrbuch der Veterinär-Chirurgie. 1. bis 3. Lieferung. Frey, Handbuch der Histologie und Histochemie des Menschen. Roll, Lehrbuch der Pathologie und Therapie der Hausthiere. Zürn, Die Schmarotzer in und auf dem Körper unserer Haussäugethiere. Schmidt, Zoologische Klinik (Handbuch der vergl. Pathologie etc.), I. Bd. v. Pitha amp; Billroth, Handbuch der allgemeinen und speziellen Chirurgie. Die Jahresberichte der Thierarzneischulen von Dresden und Hannover. Stockfleth, Handbuch der thierärztlichen Chirurgie, I. Abtheilung. Ravitsch, Zur Lehre von der putriden Infection etc. Verschiedene (deutsche, französische und italienische) thierärztliche, sowie
folgende medicinische Zeitschriften: Virchow's Archiv etc. Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmacologie von Klebs,
Naunyn und Schmiedeberg. Deutsche Zeitschrift für Chirurgie von Hüter und Lücke. Pflüger, Archiv für die ges. Physiologie des Menschen und der Thiere. Ferner bemerke ich noch, dass ich da, wo es geschehen konnte, die eigenen Worte der Autoren gekraucht habe, um mir keinerlei Originalität
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beizulegen, welche mir nicht gebührt. Es war mir vorzugsweise darum zu thun, ein den Bedürfnissen der thierärztlichen Wissenschaft und Praxis ent­sprechendes Lehrbuch der allgemeinen chirurgischen Veterinär-Pathologie und Therapie zu schreiben. Sollte mir dies gelungen sein, so weiss der Leser, dass keineswegs mir allein, sondern zum grössten Theile den genannten und anderen Autoren, die durch ihre fleissigen Forschungen mir das Material geliefert haben, das Verdienst dieser Arbeit zufällt.
Es sei nun noch mit wenigen Worten der Frage gedacht, ob das Studium der allgemeinen chirurgischen Veterinär-Pathologie und Therapie auch für den in der Praxis stehenden Thierarzt von Nutzen sei? Ich begreife nicht, wie überhaupt Jemand, am allerwenigsten aber wie thier-ärztliche Lehrer zwischen Theorie und Praxis einen Gegensatz finden wollen. Nur zwischen Theorie und Hypothese ist streng zu unterscheiden; diese ist zunächst nur ein Versuch irgend einen Vorgang zu erklären, der später sich als laquo;zutreffendraquo; oder laquo;irrigraquo; erweist. Sobald ersteres geschehen ist, haben wir eine fertige Theorie, die demnach nichts anderes als begriffene Thatsache, verstandene Wahrheit ist, welche die Praxis zu verwerthen hat. Je mehr der Arzt im Stande ist, die verschiedenen Krankheitsvorgänge theoretisch richtig zu erklären, um so mehr wird er befähigt sein, jeden einzelnen Fall nach seinen besonderen Eigenthümlich-keiten zu beurtheilen und sachgemäss zu behandeln. Wer die theoretische Durchbildung des Arztes für unpraktisch hält, der muss schöne Begriffe von der Aufgabe medicinischer Unterrichtsanstalten haben.
Da ich vor Uebernahme meiner jetzigen Stellung 19 Jahre lang meinen, sowie meiner zahlreichen Familie Unterhalt aus dem Ertrage einer aus­gedehnten Landpraxis bestritten habe, so wird wohl nicht leicht ein Zweifel darüber aufkommen können, dass mir reichlich Gelegenheit geboten war, die Bedürfnisse eines praktischen Veterinärs kennen zu lernen. Ich weiss, dass man nicht jede neue Hypothese als eine fertige Theorie betrachten und ohne Weiteres in die Praxis einführen darf. Ich weiss aber auch, dass der sog. rein praktische Standpunkt zur rohen Empirie führt. Vor etwa zehn Jahren lernte ich einen Arzt kennen und zwar einen laquo;medicinse Doctor rite promotusraquo;, der die Krätze stets noch innerlich behandelte und die Milbentheorie für Schwindel erklärte. Dazu war er durch seinen rein
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praktischen Standpunkt gekommen. — Und leider gibt es in unserem Fache noch eine grosse Anzahl ähnlicher (patentirter) Routiniers, die nur das für laquo;praktisch gt; halten, was ihnen ohne besondere Geistesarbeit eine gewisse hand wer ksmässige Fertigkeit ermöglicht, durch welche sie in einem eng begrenzten Kreise mit einiger Sicherheit und grossem Selbstgefühle sich zu bewegen vermögen. In ihrer Beschränktheit haben sie keine Ahnung von dem unendlich vielen Nützlichen, das sie nicht wissen und nicht können; darin liegt der Grund, dass ihnen jedes Streben nach weiterer Vervoll­kommnung fehlt. Sie sind kaum besser, als die nicht patentirten Kurirer. Doch bald dürfte es anders werden! denn im Wechsel der Zeiten ändern sich Verhältnisse und Menschen! — Es ist ein erfreuliches Zeichen der Gegenwart, dass die Zahl der Thierärzte, die nicht mehr nach der Schablone kuriren, sondern Krankheitsprocesse kennen lernen wollen und die ihr praktisches Handeln auf ein möglichst klares Verständniss der Lebensvorgänge zu gründen trachten, in steter Zunahme begriffen ist, wie dies die Protokolle verschiedener thierärztlichcr Versammlungen der neueren Zeit beweisen. Solchen Collegen zu dienenquot; ist mein Wunsch; ihr Beifall wäre mein schönster Lohn.
Bern, im August 1874.
H. Pütz.
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I. Abschnitt.
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Einleitung.
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nn wir auch über die ersten Anfänge der Heilkunde, sowohl der
Menschen- als Thierheilkunde, die stets in einer mehr oder weniger regen Wechselbeziehung zu einander gestanden haben, keine zuverlässigen Quellen besitzen, so darf doch aus der Natur der Sache gefolgert werden, dass die ersten medicinischen Hülfeleistungen bei Menschen und Thieren jedenfalls in die Zeiten des grauesten Alterthumes des Menschengeschlechtes fallen. Vielleicht mögen schon die ältesten Jägervölker mit Heilversuchen an Thieren sich beschäftigt haben; ziemlich sicher dürfte dies bei den ältesten No­madenvölkern der Fall gewesen sein, obgleich bei der Einfachheit der damaligen Verhältnisse die Heerden der Gelegenheit zu erkranken weniger ausgesetzt waren, als unsere Hausthiere, welche durch die Verwendung zu den verschiedenen Dienstleistungen und durch die Entfremdung von ihrer naturgemässen Lebensweise weit häufiger krankmachenden Einflüssen unter­worfen sind.
So viel wir wissen, nahmen die ältesten Völker vorzugsweise zu Ge­beten, Besprechungen und Beschwörungsformeln ihre Zuflucht, um Krank­heiten bei Menschen und bei Thieren zu beseitigen, und auch heute gibt es unter den civilisirtesten Nationen der Erde noch Abergläubige, welche durch Gebete und magische Sprüche (Sympathie im Volksmunde genannt) Krankheiten bei Menschen und Thieren heilen zu können glauben.
Vielleicht zunächst angeregt durch den Instinkt der Menschen und der Thiere, lt; gewisse Heilmittel bei Krankheiten aufzusuchen gt;, ist dann allmälig eine empirische Behandlung aufgekeimt, mit deren Vervollkommnung für die Heilkunde nach und nach ein wissenschaftliches Fundament gelegt wurde. Die religiösen Vorschriften, wonach im Alterthume die geschlachteten Thiere untersucht werden mussten, bevor sie als Nahrung verwendet werden durften, haben jedenfalls einen nicht unbedeutenden Antheil an der Ent-
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Wicklung der Mediciu gehabt, namentlich der Anatomie, die bekanntlich ursprünglich eine reine Thier-Anatomie war, weil an Menschen keine Leichen­öffnungen gemacht werden durften; andererseits haben aber auch die Betrügereien der Priester des Alterthuins der gedeihlichen Entwicklung der medicinischen Wissenschaften viele Hindernisse bereitet.
Aus alten egyptischen Gemälden und Copien, auf welchen Rindvieh, Gazellen, Hühner etc. in thierärztlicher Behandlung abgebildet und die mit der Aufschrift versehen sind: lt; Arzt der Gazellen gt; etc., geht hervor, dass schon die alten Egypter Thierärzte hatten. Ebenso kann als sicher ange­nommen werden, dass die alten Parsen (etwa 500 bis 600 Jahre v. Chr.) bereits besondere Aerzte für Thiere gehabt haben, da nämlich der Zend-avesta (das Buch der Lehren Zoroastersj sowohl für Thierärzte, wie für Menscheuärzte eine Taxe enthält.
Die ersten Spuren einer thierärztlichen Literatur besitzen wir in den Werken des grossen Reformators der Mediciu, des Hippokrates, der 4G0-v. Chr. in Kos geboren wurde und wahrscheinlich 377 v. Chr. zu Larissa in Thessalien starb. Derselbe hat sich jedenfalls mit vergleichender Patho­logie beschäftigt, wie dies aus seinen Schriften hervorgeht. In seinen beiden Werken lt; über die Fieber gt; und lt; über die Luxationeu gt; spricht er aus­drücklich auch von Tliieren. Seine anatomischen Kenntnisse sammelte er alle an Thieren,
Die erste schriftliche Erwähnung veterinär-chirurgischer Operationen finden wir bei Coluraella (Lucius Junius Moderatus), der um das Jahr 42 n. Chr. zu Gades (Cadix) unter dem römischen Kaiser Claudius (Drusus Caesar) geboren wurde. Er erwähnt z. B. das Oeffnen der Abscesse mittelst des glühenden Eisens. Er hat die Thierheilkunde in einer für die damalige Zeit gründlich und vielseitig zu nennenden Weise bearbeitet, wobei er jedoch die Schriften seines Zeitgenossen Celsus (Aulus Cornelius), dessen Werk über den Ackerbau und über die damit verbundene Thierheilkunde verloren gegangen ist, vielfach benutzt hat. Von chirurgischen Thierkrank-heiten erwähnt er den Biss giftiger Thiere, die Räude und den Ohrwurm des Hundes.
Dass zur Zeit des römischen Kaisers Diocletian (284—305) die Thier­heilkunde gewerbsmässig ausgeübt wurde, darf schon daraus geschlossen werden, dass aus jener Zeit eine Taxe für die Thierärzte vorhanden ist.
Galen, geb. 131 n. Chr., spricht bereits von thierärztlichen Lehrern und nennt als solche den Vametus und Prasinus.
Eumelus von Theben, der jedenfalls vor dem Ende des III. Jahrhunderts n. Chr. lebte, beschreibt aussei- verschiedenen innerlichen auch einige chirurgische Thierkrankheiten, wie namentlich die Ohrdrüsenentzündung
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und andere Drüsengeschwülste am Halse. Seine Schriften bekunden ein gewisses Maass von empirischen Kenntnissen, hingegen auch einen Mangel wissenschaftlicher Bildung.
Dasselbe gilt von Apsyrtus, der von allen griechischen Thierärzten für den bedeutendsten gehalten wird. Er lebte im IV. Jahrhundert n. Chr. zu Prussa in Bythinien und folgte dem Heere Constantiu's des Grossen in seinen Feldzügen gegen die Sarmateu (31!) bis 322 v. Chr.) als Rossarzt Aus einer Sammlung an ihn gerichteter und von ihm veröffentlichter Briefe gebt hervor, dass zu seiner Zeit die Ausübung der Thieriieilkunde in Alexaudrien und in Laodica ziemlich stark betrieben wurde, und dass er selbst unter den Thierärzten seiner Zeit eine seltene Berühmtheit besass. Nach seiner eigenen Angabe war sein Grossvater (Demetrius) ebenfalls Thierarzt. Er erwähnt bereits verschiedener chirurgischer Operationen.
Bei den Griechen war die Bezeichnung lt; l'ferdearzt (tmrtaTQOs) gt; und bei den Römern laquo;Maulthierarzt (mulomedicus) gt; und lt; Maulthiermedicm (mulo-medicina)raquo; die gewöhnlichste; seltener war die griechische Bezeichnung: Thierarzt laquo;xxrjviaxqog gt; von to xr^vog das Eigenthum, besonders an Vieh, und iiciioöcraquo; Arzt. Bei Columella und Vegetius linden wir auch die Namen lt; veterinarius und ars veterinariaraquo;, woher unser heutiges lt; Veterinärraquo; stammt, ohne dass die Etymologie des Wortes genau festgestellt werden kann.
Das erste grosse Sammelwerk, welches wir über Thieriieilkunde besitzen, verdanken wir dem byzantinischen Kaiser Coustantin VII. (Porphyrogenneta, 912 bis 959). Derselbe liess aus den von ihm in möglichst grosser Menge gesammelten Schriften, namentlich über Geschichte, Landwirthschaft und Heilkunde Auszüge anfertigen. So entstand aus der Collectio veterinaria das •werthvolle Sammelwerk laquo; Hippiatrika ?.
Es ist nicht die Aufgabe, hier einen geschichtlichen Ueberblick über die Entwicklung der gesanimten Veterinärwissenschaften zu geben. Es soll nur gezeigt werden, dass die ersten Anfänge der Vetermärchirurgie, (wie die der medicinischen Wissenschaften überhaupt), in undurchdring­liches Dunkel gehüllt sind, und dass nur ganz allmälig dieselbe sich zu einer besonderen thierärztlichen Disciplln entwickelt hat. Die theoretische Abzweigung der Veterinärchirurgie von der bis dahin sogenannten Veterinär-kundc erfolgte erst durch Wolstein im Jahre 1783 , in welchem derselbe die Bücher der Wundarznei der Thiere und damit das erste selbstständige Werk der Veterinärchirurgie schrieb. *) Im Auftrage Kaiser Joseph II.
*) Bis dahin waren die cliinirgischcn Krankheiten in den zahlreich erschienenen Werken über Thieriieilkunde immer mit den übrigen Tliicrkrankhoiteii abgehandelt worden.
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erschien im Jahre 1788 als Fortsetzimg laquo;Das Buch für Thierärzte im Kriege?. Durch diese Werke hat Wolstein die Veterinärchirurgie wesent­lich gefördert; einestheils durch die Erhebung derselben zu einer besonderen thieriirztlichen Disciplin, andererseits durch die Mittheilung der Ergebnisse seiner sorgfältigen Beobachtungen und Versuche, welche er angestellt hat. Seitdem sind verschiedene Handbücher der Veterinärchirurgie erschienen, die der weiteren Entwicklung dieser zum Theil sehr wesentlichen Vor­schub geleistet haben.
Obgleich dem vorher Gesagten gemäss die Erhebung der Veterinär­chirurgie zu einer besonderen wissenschaftlichen Disciplin erst vor- etwa 90 Jahren erfolgte, so ist doch die Eintheilung der Krankheiten in innere und äussere und eine dieser entsprechende Unterscheidung der ärzt­lichen Praxis in eine (im engeren Sinne sogenannte) medizinische und in eine chirurgische eine alt hergebrachte. Streng genommen, ist die Tren­nung der medicinischen Wissenschaften in diese beiden Hauptgruppen nicht consequent durchzuführen, insofern ursprünglich äusserlichc Krankheiten selten oder nie absolut local bleiben, sondern bald mehr, bald weniger auffällig auf das Allgemeinbefinden des Patienten einwirken und umgekehrt ursprünglich innerliche Krankheiten im späteren Verlaufe mit localen Störungen äusserer Körpertheile sich combiniren. Und dennoch ist diese Eintheilung der gesammten Heilkunde in innere Medicin und Chirurgie aus praktischen Gründen beibehalten worden und aus der Menschenheil­kunde in die Thierheilkunde übergegangen. Eine so weit gehende Trennung beider Zweige der medicinischen Wissenschaften, wie sie für die menschen­ärztliche Praxis lange Zeit und selbst noch vor einigen Decennien bestanden hat, wo der Chirurg nicht Arzt und dieser nicht Wundarzt zu sein brauchte, wo Chirurgen verschiedener Classen und neben diesen sogenannte lt; medici puri gt; d. h. Acrzte ausgebildet wurden, die eben so wenig in der Chirurgie, wie die Chirurgen in der inneren Medicin geprüft zu sein brauchten, hat in der thierarztlichen Praxis nie stattgefunden. Zum Glücke für die Wissenschaft und für die leidende Menschheit ist diese Classificirung des ärztlichen Personales auch in der Menschenheilkunde heute ein über­wundener Standpunkt. Der Chirurg kann eben so wenig den Zustand seiner Patienten mit der nöthigen Umsicht behandeln ohne Kenntniss der inneren Medicin, wie der Arzt ohne Kenntniss der chirurgischen Krank­heiten, weil, wie bereits vorhin bemerkt wurde, chirurgische und innere Krankheiten sich vielfach mit einander verbinden. Schon im Buche der Lebenskunde (Ayur-Veda), welches wahrscheinlich im letzten Jahrhundert v. Chr. in der alten Sprache Vorder-Indiens (Sanscrit) geschrieben wurde, heisst es, wie Billrotb angibt:
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lt; Nur die Vereinigung der Medicin und Chirurgie bildet den voll­kommenen Arzt ;• dem die Kenntniss des einen dieser Zweige abgeht, der gleicht einem Vogel mit nur einem Flügel. gt;
Dem gegenüber bedarf es einer näheren Begründung, wenn vorhin gesagt wurde, dass die Trennung der gesammten Heilkunde in innere Medicin und in Chirurgie aus praktischen Gründen beibehalten worden sei. Es ist leicht begreiflich, wie wichtig für den Unterricht und für die weitere Entwicklung einer Wissenschaft es ist, wenn die verschiedenen Disciplinen derselben von Specialisten cultivirt und mit derjenigen Sicherheit und Gründlichkeit dem Schüler vorgetragen werden, wie bei dem bedeutenden Umfange der medicinischen, resp. der Veterinärwissenschaften es heute nur noch der Specialist zu thun im Stande ist. Das berühmt gewordene laquo; Timeo virum unius libriraquo; beweist, dass schon die Römer den Werth gründlicher Special­studien zu schätzen wussten. Je umfangreicher das Gebiet einer Wissen­schaft ist, um so weniger wird es möglich sein, dass der Einzelne sich in allen Gebieten derselben auf der Hohe befinde. Je mehr der Lehrer den Stoff seiner vorzutragenden Disciplin beherrscht, um so besser (verarbeitet) wird er denselben seinen Schülern zur geistigen Anschauung bringen können. Je mehr aber ein Lehrer seine Kräfte zersplittern muss, um so nachtheiliger wird dies auf den Unterricht einwirken, weil ihm vielfach diejenige Sicher­heit und Klarheit fehlt, welche unbedingt beim Lehrer vorhanden sein muss, um dem Schüler eine klare Einsicht in die bezüglichen Vorgänge ver­schaffen zu können.
Selbstverständlich muss jedoch jeder Specialist irgend einer beliebigen medicinischen Disciplin, also auch ein Lehrer der Chirurgie, im Besitze einer entsprechenden allgemeinen medicinischen Bildung sein, um bei seinen Specialstudien den Zusammenhang und die allgemeine üebersicht nicht zu verlieren.
Dass die Veterinärwissenschaflen auch heute noch weit hinter der Menschenheilkunde zurückgeblieben sind, liegt gewiss zum grossen Theil daran, dass die verschiedenen Disciplinen an den meisten Thierarzneischulen nicht durch eigentliche Specialisten gelehrt werden. Wo klinisches Material in ausreichender Menge vorhanden ist, da sollte gegenwärtig auch die Trennung der Spitalkliniken an Veterinärschulen in eine chirurgische und medicinische Abtheilung (wie dies z. B. in Wien der Fall ist) stattfinden, damit der klinische Unterricht nur von eigentlichen Specialisten ertheilt werde. In neuerer Zeit scheint allmälig ein besseres Verständniss für die zeitgemässe Umgestaltung der thierärztlichen Bildungsanstalten sich Bahn brechen zu wollen. Möge auch hier eine entsprechende Theilung der Arbeit recht bald allgemein Gesetz werden.
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Der Ueberladung der meisten thierärztlichen Lehrer mit Arbeit dürfte es zuzuschreiben sein, dass es bis jetzt an einem Handbuche der allgemeinen chirurgischen Veterinär-Pathologie und -Therapie fehlt. Diese bildet die Grundlage der sogenannten speciellen chirurgischen Veterinär-Pathologie und -Therapie. Die allgemeine chirurgische Pathologie beschäftigt sich mit dem Studium der Krankheitsprocesse, welche an den verschiedenen Körper­geweben, je nach deren anatomischer Beschaffenheit, jemals zur Beobachtung gekommen sind. Sie stellt die im Laufe der Zeit erkannten allgemeinen Gesetze auf, nach welchen die Krankheitsprocesse in den einzelnen Fällen sich entwickeln und zum Abschlüsse gelangen.
Wie die Astronomie, auf die unzähligen Beobachtungen der einzelnen Erscheinungen in der Sternenwelt gestützt, schliesslich zur Erkenntniss bestimmter Gesetze gelangt ist, nach welchen die Weltkörper im unend­lichen Himmelsraume sich gestalten und bewegen, und wie sie dadurch in Stand gesetzt worden ist, das Eintreten dieser oder jener Ereignisse, z. B. der Sonnen- und Mondfinsternisse etc. etc., voraus bestimmen zu können, ähnlich so kann der Chirurg mit Hülfe der im Laufe der Zeit construirten Gesetze der allgemeinen chirurgischen Pathologie bei concreten Krankheits­fällen im Voraus schliessen, wie der Veilauf dieser der Regel nach sich gestalten wird. Bei der grossen Mannigfaltigkeit der in der Praxis vor­kommenden Einzelfälle wird uns die Kenntniss dieser Gesetze selbst dann bei Beurtheilung des Ausganges concreter Fälle richtig zu leiten vermögen, wenn ein gleicher oder ähnlicher Specialfall uns bisher noch nicht vor­gekommen ist. Die allgemeine chirurgische Pathologie ist gleichsam eine Generalisation aller correcten Beobachtungen, welche in der chirurgischen Praxis im Laufe der Zeiten überhaupt gemacht worden sind. Wer die allgemeinen Gesetze kennt, nach denen die Krankheitsprocesse sich gestalten, der ist somit im Besitze eines wesentlichen Theiles aller bis dahin gemachter richtiger Beobachtungen und Erfahrungen. Daraus erklärt sich die nicht selten vorkommende Thatsache, dass wissenschaftlich durchgebildete junge Thierärzte sich in kurzer Zeit ein sichereres Urtheil in den einzelnen Krank­heitsfällen und damit mehr Vertrauen erwerben, als alte Routiniers, die in der Regel so sehr auf ihre praktischen Erfahrungen pochen, indess ganz rathlos dastehen, wenn ihnen Fälle vorkommen, die nicht zu den alltäg­lichen gehören.
Was nun zunächst die Etymologie des Wortes lt; Chirurgie gt; anbelangt, so ist zu bemerken,-dass dasselbe griechischen Ursprunges ist. Der griechische Ausdruck lt; xsiqovqyia gt; (ij xhq die Hand und to egyov das Werk) be­zeichnet eigentlich eine Handleistung, und deutet somit an, dass die chirurgischen Heilmittel vielfach eine directe Handleistung erfordern. In
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das Gebiet der Chirurgie gehören demnach vorzugsweise solche Krankheiten, ^Yeiche mehr an der Aussenfläche des Körpers ihren Sitz haben, resp. durch Anwendung örtlicher Mittel in der Regel beseitigt werden können. Es muss jedoch bemerkt werden, dass auch Krankheitszustände innerer Organe in ihrem späteren Verlaufe einer chirurgischen Behandlung zugäng­lich werden können, wie z. B. Hydrothorax, die Brüller- oder Brummel­krankheit der Kühe, (welche letztere ja ausschliesslich nur auf operativem Wege geheilt werden kann) und viele andere.
Die allgemeine chirurgische Therapie hat die Aufgabe, die allge­meinen Principien aufzustellen, resp. im Allgemeinen die Wege und Mittel zu zeigen, durch welche die in der allgemeinen chirurgischen Pathologie beschriebenen Krankheitsprocesse zum erwünschten Abschlüsse gebracht werden können.
In Bezug auf die Etymologie der Ausdrücke Pathologie und Therapie sei hier kurz bemerkt, class auch diese beide der griechischen Sprache entnommen sind. ?} Ttad-oXoyCa die Krankheitslehre (von to näO-oc das Leiden, die Krankheit und o Xöyoc die Lehre), rj frsQanstct die Bedienung, ärztliche Behandlung (von O^sqccttevhv bedienen, namentlich ärztlich be­handeln).
In Folge der riesigen Fortschritte, welche die pathologische Anatomie besonders in den letzten Decennien gemacht hat, sind unsere Kenntnisse über die den chirurgischen Krankheiten zum Grunde liegenden Processe so wesentlich bereichert worden, dass die allgemeine chirurgische Veterinär­pathologie dadurch eine viel grössere Bedeutung als vormals erlangt hat und eine selbstständige Bearbeitung derselben um so mehr geboten erscheint, als die bis dahin sogenannte allgemeine Chirurgie in den bis jetzt vor­handenen Lehrbüchern der Veterinärchirurgie nicht nach den Principien der heutigen Cellularpathologie bearbeitet worden ist.
Die allgemeine chirurgische Pathologie hat es vorzugsweise mit localen und nur in zweiter Pieihe mit gewissen allgemeinen Störungen zu thun. üm das Verständniss der zu besprechenden Processe zu erleichtern, soll die Darstellung der localen Störungen in folgenden zwei Hauptgruppen erfolgen:
I. Die Gewebserkrankungen im Allgemeinen, und II. Die Erkrankungen der verschiedenen Gewebe im Besonderen.
Die in Betracht kommenden allgemeinen Störungen werden anhangs­weise in einem III. Abschnitte ihre Darstellung finden.
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I.nbsp; nbsp;Abschnitt.
Die Gewebserkraukungen im Allgemeinen :
A. OertlicLe Störungen der Empfindung. Iraquo;. gt;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; gt;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;des Kreislaufs.
C.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;gt;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; gt;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;der Ernährung.
II.nbsp; nbsp;Abschnitt.
Die Erkrankungen der verschiedenen Gewebe im Besonderen:
D.nbsp; Erkrankungen der Weichtheile.
E.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;raquo;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;fester Körpertheile.
F.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;gt;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;gemischter, resp. aus festen und weichen Ge­weben zusammengesetzter Körpertheile, namentlich der Gelenke.
Es werden besprochen werden unter:
A.
Die irritable Schwäche, die Sthenie, Hypersthenie, Asthenie, der Torpor oder die Torpiditas.
B.
Die Hyperasmie und die Ischsemie (einschliesslich die Stenose und Ektasie der Gefässe), Thrombose und Embolie, sowie die Blutungen.
C.
Die Entzündung, Nekrose, Nekrobiose, Induration, Atrophie, Hyper­trophie, Aplasie, Hyperplasie und die Geschwülste.
D.
Subcutane Verletzungen der Weichtheile, einfache Wunden der Weich-theile d. h. Verletzungen der Weichtheile mit offener Hautwunde ohne erhebliche Quetschungen der betroffenen Gewebe und ohne sonstige Com-plicationen. (Schnitt-, Stich-, Hieb-, Schuss u. s. w. Wunden der Weich­theile). Quetschwunden, vergiftete Wunden, Verbrennungen und Erfrierungen; die spontanen Erkrankungen der Weichtheile. Die Erkrankungen der ein­zelnen Gewebe und Organe; die Erkrankungen der äusseren Haut, der Muskel, Sehnen und Nerven; der Blut- und Lymphgefässe, sowie der Drüsen.
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E. Krankheiten der Knochen und Knorpel, namentlich: Entzündung, Er­weichung, Schwund, Verdichtung, Auswüchse, Eiterung, Brand, Hypertrophie, Atrophie, Wunden und Brüche der Knochen; Verletzungen und Entzündungen der Knorpel nebst ihren Ausgängen. Erweichung, fettige Degeneration, Verkalkung, Verknöcherung, Hypertrophie und Atrophie der Knorpel, Ekchondrosen.
Die Gelenkkrankheiten, namentlich: Contusionen, Verstauchungen, Verrenkungen, Gelenkentzündungen, sowie Neubildungen an und in den Gelenken.
III. Abschnitt.
Fieber (Wundfieber, septisches Fieber), Starrkrampf, Plethora, Poly-cythnemie, Leuktemie, Ansemie, Chlorose, Hypalbuminose, Hyperalbuminose, Hypinose, Hyperinose und Marasmus.
Wie jedes künstliche System, so hat auch das vorstehende seine Mängel. Ich glaube indess, dass dasselbe möglichst einer naturgemässen Anordnung und Keihenfolge entspricht und die Uebersicht, sowie das Ver-ständniss des zur Darstellung Gebrachten erleichtert.
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I. Abschnitt.
Die Gewebserkrankungen im Aligemeinen.
Alle Lebensacte der thierischen Gewebe werden durch ihre Zellen vollzogen, so dass sowohl normale, wie pathologische Lebeuserscheinungen sämmtlich ursprünglich in krankhaften Veränderungen der zelligen Elemente der betreffenden Gewebe begründet sind.
Die Einheit des Lebens, resp. die Lebenskraft, darf nicht an einem laquo;inzelnen bestimmten Punkte, oder in einem einzelnen Organe oder Systeme, z. B. im Gehirne oder im Nervensysteme (Solidar- resp. Neuropathologie), oder im Herzen resp. im Blutgefässsysteine (Humoralpathologie) gesucht werden, sondern in den verschiedenen Elementarorganismen aller Organe und Systeme, in den Zellen.
Wenn nun auch die Anregung zur Thätigkeit der Zellen ausserhalb •derselben zu suchen ist, so ist doch die eigentliche Leistung, die Thätigkeit selbst, das Werk der Zelle. Weder das Blut, noch die Nerven sind dem­nach die einzigen Factoren, durch #9632; welche die Lebensprocesse angeregt werden. Beide sind aus vielen thätigen Elementarorganen, aus Zellen, zusainmengesetzt. In der Cellularpathologie werden somit die solidar- und humoralpathologischen Differenzen ihre Vereinigung finden können, wenn gleich dies bis jetzt noch nicht in allen Fällen gelungen ist.
Das Vermögen, sich selbst ernähren zu können, kommt nur den Zellen zu; alle anderen Gewebsbestandtheile sind in dieser Beziehung von den Zellen abhängig. Jede Zelle hat ihr bestimmtes Gebiet, welches sie beherrscht.
In Geweben, wo Zelle an Zelle sich reiht, und wo diese durch eine geringe Menge verbindender Substanz von einander getrennt sind, kann über die Grenzen der einzelnen Zellengebiete kein Zweifel aufkommen. Anders
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verhält sich dies bei Geweben, wo die einzelnen Zellen durch eine grössere Menge Inturcellularsubstanz von einander getrennt sind. Aber auch hier hat jede Zelle ihr bestimmtes Territorium. Es zeigt sich dies recht deutlich hei pathologischen Processen, wo sich direct erkennen lässt, wie von jeder Zelle ein bestimmtes Gebiet der Intercellularsubstanz abhängig ist. Die einzelnen Zellen unter sich sind in allen Geweben bis zu einem gewissen Grade von einander unabhängig; selbst bei den Capillaren und anderen ähnlichen Geweben, wo die Zellen in reihen- oder liächenförmiger Anordnung zusammenhängen, bleibt dennoch eine gewisse Selbstständigkeit und Unab­hängigkeit der einzelnen Elementarorgane bestehen, so dass dieselben inner­halb gewisser Grenzen Veränderungen erfahren können, ohne dass die benachbarten in Mitleidenschaft gezogen werden. *)
Die Art der Thätigkeit einer Zelle wird stets durch ihren Inhalt, d. h. durch die Beschaffenheit ihres Protoplasma's bestimmt, während die grössere oder geringere Stärke der einwirkenden Reize nur den Grad der Keactiou bedingt. Es ist somit die Thätigkeit der Zellen in quantitativer Beziehung nicht ausschliesslich von ihrem Inhalte und von ihrer Form, sondern auch von den auf sie einwirkenden Reizen (irritamenta) abhängig; während sie in qualitativer Hinsicht nur von ihrem Inhalte, d. h. von der P)escliatfenheit ihres Protoplasma's abhängig ist. So wird die Thätigkeit einer in jeder Hinsicht normalen Zelle durch einen positiven Reiz stets erhöht, durch einen negativen hingegen stets vermindert werden, d. h. die Function der Zelle wird in Hinsicht auf Quantität je nach der Heftigkeit des Reizes eine ver­schiedene sein können, aber in Rücksicht auf Qualität sich nicht wesentlich ändern. So wird z. B. eine Muskelzelle sich mehr oder weniger contrahiren, je nachdem ein sie treffender Reiz ein mehr oder weniger wirksamer ist; nie aber wird eine normale Muskelzelle eine andere Function, als die ihr überhaupt zukommende Contraction und Relaxation vollziehen können. Eine Drüsenzellc wird auf einen gegebenen Reiz reichlicher secerniren; auch kann das Secret in Rücksicht auf seine Bestandtheile quantitativ abnorm sein; niemals aber wird die gereizte Drüsenzelle, namentlich so lange dieselbe in normaler Constitution sich befindet, ein Secret von ganz verschiedener Qualität liefern können, in welchem ganz andere Bestandtheile als in dem Secrete derselben Drüsenzelle bei normalem Reize enthalten wären. So wird z. B. eine Leberzelle nie Speichel und eine Speichel­drüsenzelle nie Galle absondern u. dererl.
*) Diese zuerst von Virchow aufgestellte BeLauptimg hat durch die Untersuchungen von Heidenhain für die Knorpel, von Aucrhach und Eberth für die Capillaren ihre Bestätigung gefunden.
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Das Vermögen der Zellen, sich selbst ernähren zu können, ist von Virchow als laquo;nutritive Reizbarkeitgt; bezeichnet worden. Diese kann in zwei Rich­tungen gestört werden, nämlich entweder krankhaft erhöht oder vermindert s^'in, so dass die einwirkenden Reize im ersteren Falle aussergewöhnlich starke, im letzteren Falle aussergewöhnlich schwache Reactlonen bedingen. Die Function der Zellen wird in Folge dessen also vorzugsweise nur quantitativ gestört, wie dies bereits vorhin gezeigt wurde.
Alle pathologischen Processe vei'laufen nach denselben Gesetzen wie die normalen Lebensvorgänge; bei jenen sind nur die Bedingungen abnorm, unter welchen die physiologischen Gesetze in Wirksamkeit treten. Auch gibt es keine pathologische Neubildung, welche nicht an einem anderen Orte des Organismus in ihren Gewebselementen physiologische Analoga fände, da jede Neubildung an das Vorhandensein von Zellen gebunden ist, und diese nur aus früher vorhandenen Mutterzellen entstehen können. Der Erhaltung und Vermehrung der Zellen dient der Zellenkern; wir kennen keinen Theil, der wächst, oder sich vermehrt, sei es physiologisch oder pathologisch, bei welchem nicht kernhaltige Elemente die Ausgangspunkte der inneren Veränderungen wären, und wo nicht die ersten erkennbaren Veränderungen, welche auftreten, den Kern selbst betreffen, so dass wir aus seinem Verhalten oft bestimmen können, was möglicherweise aus den Elementen geworden sein würde, wenn der Vorgang fortgeschritten wäre.
Nach dieser kurzen Darstellung der hauptsächlichsten Erfordernisse für normale und abnorme Lebensvorgänge wollen wir zur Besprechung der verschiedenen Störungen übergehen.
A. Oertliche Störungen der Empfindung.
Die verschiedenen Grade der ßeizempfänglichkeit eines Körpertheiles sind von dem Ernährungszustände seiner Elementarorgane abhängig. In vielen Fällen jedoch sind wir bis heute noch nicht im Stande, die vor­handenen Ernährungsstörungen greifbar nachzuweisen, weshalb etwas Näheres über dieselben zur Zeit noch nicht angegeben werden kann. Es gilt dies namentlich auch in Bezug auf die örtlichen Störungen der Empfindung, wes­halb dieselben nur ganz kurz hier erwähnt werden sollen. Die Energie, so wie die Schnelligkeit und die Dauer, mit welcher die Reaction eines Körper­theiles gegen Reize eintritt, bezeichnet man als lt; Kraft oder Schwäche gt;, je nach dem verschiedenen Grade, in welchem die betreffenden Erschei­nungen wahrgenommen werden.
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Tritt die Eeaction schnell ein, ist sie aber eine bald vorübergehende und eine wenig energische, so bezeichnet man diesen Zustand als lt; irritable Schwäche raquo;.
Tritt die Eeaction langsam hervor, erreicht sie aber allmälig einen hohen. Grad und eine lange Dauer, so bezeichnet man den Zustand als laquo;Kraftraquo; oder Sthenie (von to aüevug die Kraft, Stärke).
Erfolgt die Reaction schnell und stark, so spricht man von laquo;Hyper-sthenie gt;, während laquo;Astheniaraquo; den Zustand bezeichnet, wo die Eeaction langsam und in geringem Grade eintritt. Mit laquo;torpor oder torpiditasraquo; bezeichnet man die höheren Grade der Asthenie.
Alle diese Zustände scheinen in bis dahin noch wenig gekannten Er­nährungsstörungen der Empfindungsnerven ihren Grund zu haben.
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B. Oertliche Störungen des Kreislaufs.
Es kann in einem Gewebe die Blutmenge in zweifacher Weise abnorm sich verhalten, insofern dieselbe entweder vermehrt oder vermindert sein kann. Eine locale Vermehrung der Blutmenge wird laquo; Hyperamiie gt;, eine locale Verminderung derselben laquo;Ischsemie gt; genannt, um die bei diesen Zu­ständen auftretenden Vorgänge leichter zu verstehen, wollen wir eine kurze Darstellung der histologischen Verhältnisse der Gelasse hier kurz voraus­schicken.
Arterien und Venen bestehen bekanntlich aus drei Häuten, welche, von aussen nach innen gezählt, als Adventitia, Media oder Ringfaserhaut und Intima bezeichnet werden. Die Wandungen der Arterien sind im All­gemeinen stärker als die der Venen.
Die innere und üussere Haut der Blutgefässe laquo;Adventitia und Intima raquo; bestehen im Wesentlichen aus bindegewebigen Bildungen, welche in den Arterien einen je nach ihrer Grosse zunehmenden Bestand an elastischen Fasern besitzen. Zwischen beiden liegt die verhältnissmässig dicke Media, welche die muskulösen Elemente in kreisförmiger (spiraliger) Anordnung enthält und deshalb einen sehr wichtigen Bestandtheil der Arterienwand bildet. Diese Elemente finden sich am reichlichsten in den mittleren und kleineren Arterien, während in den ganz grossen, namentlich in der Aorta, auch in der Media die elastischen Blätter überwiegen. Bei keiner Vene tritt die Muskelschicht als eine so deutlich abgegrenzte, gleichsam selbst­ständige Haut hervor, wie in der Media der betreffenden Arterien, obgleich
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viele Veneu im Körper vorhanden sind, welche nicht unbedeutende Muskel­schichten enthalten. Bei kleineren Gefässen treffen wir eine deutlich ausge­sprochene Eingfaserhaut nur noch bei den Arterien an, so dass man die Natur eines so kleinen Gefässes, welches selbst im gefüllten Zustande dem blossen Auge nur noch als rother Faden erscheint, nach dem Vorhandensein oder Fehlen einer Eingfaserhaut noch bestimmen kann. Erst an den kleinsten Arterienästchen verlieren sich die Muskelfasern gänzlich, indem die Abstände zwischen denselben allmälig immer grosser werden. Auch die Adventitia verliert sich allmälig — und die neueren Erfahrungen haben zu der Ansicht geführt, dass auch die bindegewebige Intima allmälig ganz ver­schwindet, so dass die eigentlichen Capillaren nur noch aus der Epithelial-schicht der Intima bestehen würden. Dieselben sind aus so innig vereinten Epithelialzellen aufgebaut, dass, obgleich die Kerne dieser noch deutlich zu erkennen sind, mau die Grenzen der Zellen ohne besondere chemische Hülfs-mittel nicht mehr erkennen kann. Von Poren ist an denselben durchaus nichts wahrzunehmen; sie erscheinen vielmehr so continuirlich und homogen wie eine ungerissene Collodiumhaut. Nachdem die Capillaren eine Strecke fortgelaufen sind, setzen sich bekanntlich nach und nach kleine Venen aus ihnen zusammen, welche in die nächste Nähe kleiner Arterien treten; nicht selten wird eine Arterie von zwei Venen (zu jeder Seite eine) begleitet. Die Intima der Venen ist ebenfalls mit einer Epitheliallage überzogen; die Ringfaserhaut fehlt dagegen im Allgemeinen, oder ist, wo vorhanden, ver-hältnissmässig weit geringer entwickelt. In der Media der stärkeren Venen trifft man an Stelle der Ringfasern viele longitudinal verlaufende elastische Fasern, welche je nach Verschiedenheit der Körperstelle eine wechselnde Mächtigkeit zeigen.
Dass zwischen den Gefässen und deren Inhalte, laquo; dem in ihnen strö­menden Bluteraquo;, eine enge Beziehung und eine gegenseitige Abhängigkeit besteht, ist wohl selbstverständlich. So hoch orgauisirte Apparate, welche aus verschiedenen Geweben (Muskelfasern, Nerven, Bindegewebe, Epithelieu und selbst Ganglienzellen) aufgebaut sind , können gegen die mancherlei Einflüsse, welche sie treffen, selbstverständlich nicht indifferent sich verhalten.
Untersuchen wir jetzt, welche Bedeutung für die Circulation die ver­schiedenen Elemente der Gefässe haben. Beginnen wir mit der Media, resp. mit den Eingfasern derselben.
Jeder Eeiz, welcher die Eingfasern der Media trifft, wird eine Ver­kürzung dieser, somit eine Verengerung des Gefässes im Gefolge haben. Diese Thatsache hat in früherer Zeit zu der Ansicht geführt, dass die Arterien eine selbstständige Propulsionskraft besitzen; man nahm an, dass ihre Muscularis, ähnlich wie der Herzmuskel, pulsirende oder gar peristaltische
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Bewegungen erzeuge, wodurch die Arterien im Stande wären, die Fort­bewegung des Blutes selbstständig zu fördern und so durch vermehrte Action ihrer Muscularis eine arterielle Hypersemie hervorzubringen. *)
Sorgfältige Beobachtungen haben indeSs gezeigt, dass die Musculatur eines Gefässes auf jeden Reiz, der sie in Action versetzt, sich zusammen­zieht, dass diese Zusamraenziehung sich jedoch auf die gereizte Stelle be­schränkt, oder doch nur wenig nach beiden Seiten hin — nie aber peristaltisch — sich fortpflanzt. Je mächtiger die Muskellage und je stärker der einwirkende Reiz ist, um so stärker wird die Zusammenziehung, somit die Hemmung der Circulation des Blutes an der betroffenen Stelle sein. An kleineren Gefüssen geht die Contraction schneller vorüber als an grösseren. Der einmaligen Contraction der Muscularis folgt eine andauernde Relaxation, folglich eine Erweiterung des Gefässlumens. Die musculösen Gefässelemente sind vorzugsweise für die Blutvertheilung von Belang; dagegen haben die elastischen Fasern der grösseren Arterien den wesentlichsten Einfluss auf die gleichmässige Strömung des Blutes in den kleineren Arterien und Capillaren. Alle Beobachtungen, welche wir an lebenden Thieren in Bezug auf die Blutbewegung machen, zeigen uns, dass der stossweise Strom in den Arterien in der Richtung nach den Capillaren zu immer mehr abnimmt und in letzteren ein ganz gleichmässiger ist. Diese Gleichmässigkeit kommt aber dadurch zu Stande, dass die grösseren und grossen Arterien in Folge der Elasticität ihrer Wandungen den Stoss, welchen sie bei jeder Zusammen­ziehung der Herz Ventrikel durch erneuten Nachschub von Blut empfangen, während der Diastole der Herzventrikel dem Blute zurückgeben und dadurch einen, trotz Systole und Diastole, stets gleichmässigen Blutstrom nach den Capillaren zu und in denselben vermitteln.
Die Hyperaemie.
Mit dem Ausdrucke lt; Hyperämie gt; (von vtciq über, und atfia Blut) bezeichnet man die Ueberfüllung eines Gefässbezirkes mit Blut. Jeder Reiz, welcher Gefässe trifft, wirkt, wie wir eben gesehen haben, auf deren musculöse Kreisfasern (der Media) zusammenziehend, so dass das Lumen der Gefässe sich verengert. Hierauf tritt entweder schnell oder langsam eine Erschlaffung der betroffenen Fasern ein, wodurch eine Er­weiterung der Gefässe bedingt wird. Da dieser Erschlaffung in der Regel
*) Am Kaninclienohre ist auch eine derartige solbstständigo Pulsation der Arterien-wandnng wirklich beobachtet worden, welche weder mit dem Ilerzpulse, noch mit den Kespirationsbewegungen zusammenfallt.
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keine neue Contraction folgt, so ist s:e mehr oder weniger lange an­dauernd. Während der Verengerung der Gefässe ist an der betroffenen Stelle eine locale Ansemie, oder wie Virchow dieselbe genannt hat, eine laquo;Ischamiie gt; vorhanden.
Eine locale Hypersemie kann in zweifacher Y\Teise entstehen, nämlich:
a.nbsp; nbsp;durch vermehrten Zutluss des Blutes zu dem betreffenden Theile, oder
b.nbsp; nbsp;durch verminderten AMiuss des Blutes von demselben.
Erstere nennt man Congestion, letztere Blutstockung oder Infarctus (Anschoppung, infarcire, hineinfallen, hineinstopfen).
Früher nannte man die auf ersterem Wege entstandene Hypersemie eine active, weil man glaubte, dieselbe sei Folge einer gesteigerten Anziehung des- Blutes durch die betheiligten Gewebe, sie komme somit auf eigentlich activem Wege durch erhöhte Gewebsthätigkeit zu Stande. Die durch ver­minderten Abfluss des Blutes aus den betreffenden Geweben entstandene Hyperacmie nannte man dagegen eine passive, weil man hierbei eine l'as-sivität der betreffenden Gewebe und des Fdutes annahm. Diese Bezeiclmungen und Vorstellungen entsprechen den thatsächlichen Verhältnissen nicht. Die früher als passiv bezeichnete Hyperssmie, ist eigentlich eine active Blut­stockung, weil in Folge einer Reizung der abführenden Venen und einer hieraus resultirenden Verengerung des Lumens derselben der Abfluss des Blutes beschränkt ist. Der Grund der Hypersemie ist somit im betreffenden Falle ein activer Zustand der abführenden Gefässe. Das Blut verhält sich hierbei ebenso passiv, wie bei einem vermehrten Zuflüsse desselben zu einem Körpertheile in Folge (passiver) Erweiterung der zuführenden Arterien. Da die Action der Arterienwand, resp. die Zusammenziehung ihrer Mus-cularis, eine Verengerung des Gefässlumens (resp. Ischsemie) zur Folge hat, so wird die Hyperämie, welche in Folge der Erweiterung der Arterien zu Stande kommt, eigentlich keine active, sondern eine passive sein, da sie auf einem passiven Zustande der Arterien beruht. Es sind somit die Be­zeiclmungen lt; active raquo; und lt; passive gt; Hyperamiie gerade in umgekehrter Weise wie früher zu gebrauchen. Dass das Blut in den erweiterten Ge-fässen stets langsamer fliesse, wie früher (nach Henle's Versuchen) ange­nommen wurde, ist ein Irrthum, der durch Claude-Bernard und durch Virchow widerlegt worden ist. Beide Forscher haben gezeigt, dass das Gegentheil der Fall sein kann, wenn nicht chemische Qualitäten des ange­wendeten Reizmittels eine Verdickung des Blutes und Erstarrung der Blut­körperchen verursachen und dadurch eine verlangsamte Bewegung desselben herbeiführen. Auch Cohnheim und v. Recklinghausen haben am Mescn-terium des Frosches beobachtet, dass das Blut in den erweiterten Gefässen
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bald schneller, bald langsamer fliesst. Wenn mit der Gefässwand solche Flüssigkeiten in Berührung kommen, die eine exosmotische Strömung hervor­rufen, so kann eine so bedeatende Eindickung des Blutes dadurch verur­sacht -werden, dass eine Stockung des Blutlaufs an der betroffenen Stelle eintritt (Diftüsions-Stase). Die Stockung tritt um so sclineller ein, je stärker die exosmotische Strömung ist.
Bei Henle's Versuchen wurde Kochsalzlösung als Reizmittel benutzt und dadurch dem Blute sowohl Serum entzogen, als auch die Biegsamkeit der Blutzellen vermindert. — Irrig ist es ferner, anzunehmen, dass im lebenden Organismus der Blutstrom in verengerten Getasseu nothwendig beschleunigt sein müsse; derselbe kann im Gegentheile auch verlangsamt sein. Nach den Gesetzen der Hydrostatik wird nur in den Fällen, wo dieselbe Quantität Flüssigkeit in der nämlichen Zeit ein und dasselbe Ge-fässgebiet durchströmen muss, diese bei entsprechend erhöhtem Drucke schneller durch die verengerten, als durch die erweiterten Gefässe strömen. Beide Momente treffen nun bei der Blutcirculation nicht zu; denn 1) ist der Blutdruck nicht wesentlich vermehrt, so lange die Thätigkeit des Herzens nicht gesteigert wird, und 2) ist auch die Xotlnvendigkeit nicht vorhanden, dass die gleiche Blutmenge in der nämlichen Zeit das verengerte wie das erweiterte Gefässgebiet passiren muss, weil durch den collateralen Kreislauf hinreichend Gelegenheit geboten ist, dass das anstauende Blut auf anderen Wegen abfliessen kann. Auch die Reibung und Anziehung zwischen Blut und Gefässwand ist in verengerten Gefässen stärker, als in erweiterten, wodurch eher eine Verlangsamung des Blutstromes in verengerten Gefässen bedingt wird.
Es ist keine Frage, dass die hydrostatischen Gesetze auch auf die Blutcirculation ihren Einfiuss ausüben; ausser denselben kommen aber noch andere bis jetzt zum Theil nur wenig bekannte Factoren bei der Blutcirculation wesentlich mit in Betracht, so dass es unzulässig ist, aus der Anwendung fraglicher Gesetze allein für alle Fälle von Kreislaufs­störungen gültige Schlüsse zu ziehen.
Eine Verengerung des Stammes der Aorta, oder der Lungenarterie, wird ohne Zweifel eine Beschleunigung des Blutstromes an der betroffenen Stelle bedingen, weil hier ein collateraler Kreislauf in ausreichendem Masse nicht zu Stande kommen, folglich nicht genügend aushelfen kann; das Herz wird zu grösserer Action dadurch angeregt werden. Eine Erweiterung in Rede stehender Gefässstämme wird ebenso sicher eine Verlangsamung des Blutstromes an der dilatirten Stelle zur Folge haben. In kleineren Arterien hingegen wird das in seiner Strömung an einer Stelle behinderte Blut mit grösserer Kraft den Seitenästen zufliessen und durch collaterale
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Fluxion abgeleitet werden, ohne class an der verengerten Stelle deshalb ein beschleunigter Blutstrom entstehen muss. Nach den Beobachtungen Cohnheim's und v. Recklinghausenquot;s am Mensenterium des Frosches können nach Einwirkung des Reizes die betroffenen Arterien und Venen sofort sich erweitern, ohne class eine Zusammenziehung derselben nothwendig voraus­zugehen braucht. Es ist wahrscheinlich, class sowohl von der Beschaffenheit der einwirkenden Heize, wie auch von der Reactionsfähigkeit der betroffenen Capillargefiissgebiete es abhängt, ob zunächst eine Verengerung, oder sofort eine Erweiterung der Gefässe eintritt.
Wo eine Erweiterung der zuführenden Gefässe, namentlich mit gleich­zeitiger Beschleunigung des Blutstromes in denselben, besteht, da wird selbstverständlich in dem entsprechenden CapiUargefassgebiete eine Hyper­ämie so lange bestehen, bis der Abfluss des Blutes mit dem Zuflüsse des­selben wieder gleichen Schritt hält. Wo dagegen der Zufluss vermindert, der Abfluss aber normal oder gar vermehrt ist, da muss nothwendig in dem betroffenen CapiUargebiete Blutarmuth oder Anaemie eintreten.
Mit dem vermehrten Zuflüsse von Blut zu einem Kürpertheile ist stets eine Erhöhung der Temperatur des letzteren verbunden, weil demselben mit der grüsseren Blutmenge mehr Wärme zugeführt wird, als er durch Ausstrahlung und Mittheilung wieder abgeben kann. Die Temperatur-Steigerung ist in ihrer Höhe von dem Grade der Congestion abhängig und kann den Wärmegrad des Herzblutes nie übersteigen. Veränderungen in der Ernährung der Körpergewebe sind als Folge einfacher Hyperämie nicht wahrzunehmen. Dies wird namentlich nach Durcbsclmeidung des Sympathicus deutlich erkennbar. Durchschneidet man diesen Nerven am Halse eines Thieres, so wird die ganze entsprechende Körperhälfte hyperamiisch. Ob­gleich demnach alle gefässhaltigen Gewebe der betreffenden Seite mit Blut überfüllt sind, so tritt doch selbst nach Tagen, Wochen oder Monaten nicht die geringste Ernährungsstörung hervor; so weit wir solches erkennen können, bleiben die hyperannischen Theile sämmtlich in demselben Er­nährungszustände wie vorher. Wir ersehen hieraus, class die vermehrte Blutzufuhr für sich allein nicht ausreicht, um die Ernährungsverhältnisse des hyperannischen Körpertheiles zu alteriren. Hierzu sind noch andere Bedingungen erforderlich, namentlich eine gesteigerte Anziehung der Gewebe zu dem Ernährungsmateriale, worüber wir erst später sprechen werden. Die Function des hypenemischen Theiles ist nicht immer gesteigert, sondern Umständen und in einem gewissen Sinne sogar vermindert, und zwar unter mechanisch behindert. (Man denke z. B. an die Folgen einer Hypenemie des Gehirns). — Auch bei Ischannie ist die Function des betreffenden Theiles vermindert. — Je passiver die zuführenden Arterien eines Capillargebietes
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sich verhalten, d. h. je mehr dieselben erweitert sind, um so mehr Blut wird dein betroffenen Capillargebiete zuströmen können, oder mit anderen Worten gesagt, eine um so grössere Hypersemie des von demselben mit Blut ver­sorgten Körpertheiles wird eintreten. Jede Congestion, welche auf Er-weiterung der Arterien beruht, ist somit eine laquo;passiveraquo;. Da der Blut-strom in den erweiterten Gelassen keineswegs ein verlangsamter zu sein braucht, im Gegeutheile sogar ein beschleunigter sein kann, so wird der Grad der Hypersemie auch wesentlich von der Circulationsgeschwindigkeit des Blutes, resp. von der Stärke des Herzdruckes mit abhängen. Die richtige rSenrtheilung der in den einzelnen Fällen vorhandenen Verhältnisse ist von der grössten praktischen Wichtigkeit, indem nur dadurch eine entsprechende Therapie gesichert werden kann. Eine laquo;activeraquo; Congestion entsteht, wenn die das Blut aus den Körpertheilen abführenden Gefässe, die Venen, sich verengern, wodurch eine vermehrte Ansammlung des Blutes in dem be­troffenen Capillargebiete bedingt ist. Je activer in solchen Fällen die Venen sich verhalten, um so stärker wird die Hypersemie sein; dieselbe wird so lange dauern, bis die erhöhte Action der Venen beseitigt ist, oder bis die durch dieselbe bedingte Circulationsstörung durch den collateralen Kreis­lauf ausgeglichen ist. Es kann somit die Ausgleichung durch vermehrte Abfuhr von Blut aus dem hypcricmischen Gebiete durch andere Venen, oder aber durch verminderte Blutzufuhr zu Stande kommen.
Die Erscheinungen der Hypersemie sind denen der localen Anannie selbstverständlich so ziemlich in allen Punkten entgegengesetzte, nämlich : Zunahme des Volumens, der Ilöthe (natürlich nur an wenig behaarten und nicht pigmentirten Stellen der Haut wahrnehmbar) und bei vermehrtem Blutzuflusse auch vermehrte Wärme, während da, wo jene Zufuhr vermindert ist, auch die Wärme vermindert sein kann, wie dies z. B. der Fall ist bei Blutanhäufungen in Folge von vermindertem Abflüsse durch die Venen.
Bei Leichenöfthungen ist es nicht immer möglich, mit Bestimmtheit zu sagen, ob dieses oder jenes Gewebe während des Lebens hypersemiseh gewesen sei. oder nicht, weil in Folge stärkerer Zusammenziehung der Blutgefässe nach dem Tode ihr grösserer Blutgehalt nicht selten schwindet. *)
Bei Behandlung der Hypersemie hat man zunächst auf die causaleu Verhältnisse entsprechende Rücksicht zu nehmen und dieselben wo möglich vor allen Dingen zn entfernen. Die Therapie gründet sich auf die In­dication, entweder durch Verminderung der Blutzufuhr, oder durch
*) Nach 'lein Tode richtet sich das Blut in Bezug auf seine Verthcilung im Tluer-körper vorzugsweise nach den G-esetzen der Schwere, so dass die Erscheinungen der ..Hypostasequot; (von vsrotireegig die Senkung) bald hervortreten.
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Steigerung der Blutabfuhr einen Ausgleich zu Wege zu bringen. Welcher Weg in jedem Einzelfalle der geeignetste ist, wird in der Regel nicht schwer zu entscheiden sein. Im Allgemeinen werden local Killte, adstrin-girende Mittel oder beide miteinander verbunden (Bleiwasser u. s. w.) applicirt. Die Herabsetzung des Blutdruckes durch Digitalis, Brechwein­stein, Salpeter, Aderlass, Glaubersalz etc. kann ebenfalls indicirt sein. Diese Mittel werden in der Regel mit Nutzen angewendet werden, bei gut genährten, kräftigen Thieren, welche an Hyperaemie leiden, die in Folge vermehrter Blutzufuhr entstanden ist; Ruhe und knappe Diät werden die­selben unterstützen. Gegen Hypenemien, welche hingegen die Folge ver­minderten Blutabflusses aus den Geweben sind, werden Cataplasinen, zer-theilende oder scharfe Einreibungen, örtliche Blntentzielmngen, Gegendruck leichteBewegung bei entsprechender Diät bessere Dienste leisten. Die gute Wirkung der Wärme und zertheilender Einreibungen ist hier leicht er­klärlich, da dieselben erschlaffend wirken und dadurch sowohl die Er­weiterung der contrahirten Venen als auch die Ausgleichung der Hypenemie durch den collateralen Kreislauf fördern.
Die Ischiemie.
Der localen Hyperämie entgegengesetzt ist die locale Anämie oder die Iscluemie (von tuxeiv anhalten, aufhalten, zurückhalten, ccifia Blut). Alle Formen der Gefässverengerung bedingen in loco eine Ischsemie und in arte­riösen Gefässen überdiess eine mangelhafte Blutzufuhr zu der entsprechenden Provinz des Capillargefässsystems, während Verengerung einer Vene lt; Hyper­ämieraquo; des bezüglichen Capillardistrictes zur Folge'hat, wie dies vorhin er­örtert wurde. Ein activer Zustand, d. h. eine Verengerung arterieller Gefässe bedingt in dem hinter den verengerten Stellen gelegenen Capillargebiete so lange eine Blutarmuth, bis entweder die Verengerung wieder gehoben, oder die Circulationsstörungen durch den collateralen Kreislauf ausge­glichen worden sind.
Die Blutzufuhr wird bei Verengerung der Arterien um so geringer, die Ischsemie also um so grosser sein, in je höherem Grade gleichzeitig allgemeine Blutarmuth und Verminderung der Propulsionskraft des Herzens besteht. Es wird nun aber bei verminderter Blutzufuhr in Folge von Gefässverengerung nicht unter allen Umständen eine verbreitetere örtliche Amumie oder Ischsemie entstehen. Der Grad der Verbreitung wird von verschiedenen Verhältnissen abhängig sein und zwar von der Grosse des verengerten Gefässes, von dem Grade der Verengerung, von der Zahl der
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etwa verengerten Gefässe und von der Möglichkeit der Versorgung des betroffenen Carpillargebietes mit Blut durch einen collateralen Kreislauf.
Bei Verengerung der abführenden Gefässe, laquo;der Venenraquo;, wird begreif­licherweise eine Blutüberfüllung in der betreffenden Capillarprovinz und in den zu der verengerten Vene führenden kleineren Venenstämmclien vor­handen sein, wie ja in allen Fällen vor der Verengerung eine Anstauung des Blutes und im Gebiete der Arterien und der Pfortader laquo;collaterale Fluxion gt; *) entstellen muss.
Bei Verengerung der Capillaren, sowie der zuführenden Gefässe, (der Arterien und Pfortaderstämme) ist Ischannie des betroffenen Capillargebietes die nothwendige Folge. An der Stelle der Verengerung und hinter der­selben wird im Stromgebiete der verengerten Gefässe stets Ischaemie, vor der Verengerung dagegen Hyperämie vorhanden sein. In der Praxis findet man deshalb die Symptome der Ischsemie fast immer mit denen der Hyperiemie gemischt, und zwar so, dass bei wenig verbreiteter Ischsemie die blutarme Partie in der Regel hyperämisch umsäumt wird. Dies gilt namentlich von der arteriellen und capillaren Ischsemie. Ist die Hemmung sehr ausgedehnt, so wird die Stauung über grössere Arterienstrecken zurück sich fortsetzen und der collaterale Abfluss wird zum Theil nach ganz anderen Organen hin stattfinden. So kann es kommen, dass in Folge ausgebreiteter Ischsemie eines Körpertheiles in einem von diesem entfernten Organe oder Systeme Hyperannic entsteht. So z. B. haben Erkältungen etc., Verenge­rungen der Hautgefässe und unter Umständen Hypersemie, ja selbst Ent­zündung innerer Organe zur Folge etc. Bei venösen Hemmungen, welche nicht direct die Venenmündungen treffen, wird der seitliche Abfluss in andere Venen stattfinden; es kann somit Ischsemie oberflächlicher Venen mit Hypersemie tiefer gelegener in causalem Zusammenhange vorkommen. Die vor einer verengerten Vene gelegenen abführenden Venenzweige, sowie die entsprechenden Capillaren können so sehr mit angestautem Blute er­füllt sein, dass sie nur wenig Blut mehr zulassen. Bei einem gewissen Grade der Gefässausdehnung wird selbstverständlich ohne Zerreissung der Wan­dungen nur so viel Blut in den betroffenen Gefässbezirk einströmen können, als durch den verengerten Venenstamm abfliessen kann und durch Austreten von Blutbestandtheilen durch die Gefässwandungen an Baum gewonnen wird. Die Stauung wird dadurch bis in die zuführenden Gefässe sich fort­setzen, was in klinischer Beziehung zuweilen sehr verwerthbar ist, namerit-
*) Wenn in Folge Verengerung eines Arterienastes das in seiner Fortbewegung be-linulerte Blut mit grösserer Kraft den Seiteniisten zuströmt und hier einen Abfluss sich eröffnet, so bezeichnet man dies (nach Yirdiow) als „ collaterale Fluxionquot;.
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lieh wenn in Folge dessen stärkere Pulsation oberfiäclilicli gelegener Arte­rien entsteht. So z. B. wird die mehr oder weniger deutliche Pulsation der Plantaris (gewöhnlich Schieubeinarterie genannt), uns in der Diagnose von Lahmheiten manchmal sehr zu statten kommen. (Virchow hat die Bezeich­nung lt; Ischaemie gt; eingeführt, um mit diesem Ausdrucke die Hemmung der Blutzufuhr, die Vermehrung der Widerstände für den Blutstrom an den betreffenden Stellen zu bezeichnen).
Die arterielle Ischaemie wird immer mit Blutarmuth des entsprechen­den Capillargebietes gepaart sein, während die venöse Ischsemie, wenn die­selbe nicht die Folge von allgemeiner Blutarmuth ist, sondern in Verengerung der betreffenden Venen ihren Grund hat, von Hyperämie der entsprechenden Capillarprovinz begleitet ist, indem nur an der verengerten Stelle (und allenfalls weiter nach dem Herzen zu) der betroffenen Vene Blutarmuth vorhanden ist; dagegen wird in dem peripherisch gelegenen Gebiete der verengerten Venen für die Dauer der Verengerung das Blut so lange sich anstauen, bis die Hemmung des Blutlaufes an der betreffenden Stelle durch gesteigerten Collaterallauf (Erweiterung, resp, Hyperämie) in den benach­barten seitlichen Venen ausgeglichen wird.
Die Erweiterung der abführenden Venen wird die Entstehung von Ischsemie in dem entsprechenden Capillargebiete begünstigen, lieber Gefäss-Verengerung und Erweiterung wird später noch ausführlicher gesprochen werden.
Die wesentlichsten Erscheinungen der Ischsemie sind: Abnahme des Umfanges, der Temperatur und der natürlichen Röthe des betroffenen Theiles. (Das Blasswerden des letzteren ist bei Thiereu an der äusseren Körperoberfläche nur selten deutlich wahrnehmbar). Die Abnahme des Volumens und der Temperatur erklärt sich von selbst durch den ver­minderten Blutgehalt, sowie durch den geringeren Stoffwechsel des ischse-mischen Gewebes. Nicht nur primär ist eine Verminderung des Volumens des blutarmen Theiles, eine sogenannte Deturgescenz desselben vorhanden, sondern es werden auch bei anhaltender Ischaemie die Ernährungsstörungen schliesslich als Atrophie des betroffenen Theiles, somit auch durch seeundäre Volumsverminderung sich bemerkbar machen. Selbstverständlich ist dies nur dann der Fall, wenn die Ischaemie längere Zeit andauert, während bei schnell vorübergehender Ischaemie hiervon keine Rede sein kann. Bei Ischaemie an der Körperoberflächc gelegener Theile lässt sich selbstver­ständlich am leichtesten constatiren, dass die Secretion und Transsudation gemindert ist. Ausser der Ernährungsstörung wird ein verändertes Mischungs-verhältniss des Blutes ein weiterer consecutiver Zustand sein, sobald exere-tionelle Stoffe im Blute zurückgehalten werden, wie dies z. B. bei länereg
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Zeit hindurch andauernder Amemie der äusseren Haut (der Drüsen, be­sonders der Nieren) der Fall sein dürfte. Da bei Ischämie die Gewebe nicht hinlänglich mit Blut versorgt werden. um einen normalen Stoffwechsel zu unterhalten, so muss selbstverständlich die Function blutarmer Theile alterirt, resp. vermindert sein. Am deutlichsten treten die Functionsstörungen bei Nerven und Muskeln hervor; bei ersteren nimmt die Leitungsfähigkeit und Erregbarkeit ab (locale Anästhesie); ebenso vermindert sich die Con-tractilität der willkürlichen Muskeln.
Bei verbreiteter Ischamiie der äussern Haut und anderer Körpertheile, welche reich an seusibeln Nerven sind, kann bei einer gleichzeitig vor­handenen Hypevsesthesie ein Schüttelfrost eintreten, indem die Hypersesthesie der Haut krampfhafte Actionen der (übrigen organischen) Muskelapparate nach sich zieht. Bei Ischrcmie innerer Theile ist bei Thieren ein Frost­gefühl, wie solches von Menschen empfunden wird, nur analog zu quot;ver-muthen, da dasselbe mehr eine subjective Empfindung ist, welche nach aussen (objeetiv) wenig oder gar nicht zur Wahrnehmung gelangt.
Bei Behandlung der Ischamiio hat man vorerst die derselben zu Grunde liegenden Ursachen zu erforschen und selbige, wenn irgend möglich, zu be­seitigen. Demnach wird unter Umständen die feuchte quot;Wärme, um die Gefäss-wände zu erschlaffen, resp. die Gefüssnervcn zu beruhigen, am Platze sein; in andern Fällen werden einfache Frictionen, reizende Einreibungen, Douchen etc. gute Dienste leisten, indem durch den so hervorgerufenen Beiz (ubi Stimulus ibi affiuxus) eine vermehrte Blutzufuhr bedingt wird. Auch muss der all­gemeine Zustand des zu behandelnden Individuums berücksichtigt werden, insofern die Iscluemie bei allgemeiner Blutarmuth nur bei entsprechender diätischer Pflege dauernd beseitigt werden kann. Was in den verschiedenen Einzelfällen geschehen muss, wird der denkende Veterinär demgemäss leicht ermessen können. Aus dem Vorhergesagten ergibt sich, dass die Ver­änderungen des Gefässluraens, die Verengerung und Erweiterung desselben auf die Blutvertheilung resp. auf das Entstehen einer Hyperannie oder Ischämie einen bedeutenden Einfluss haben. Da wir die Gefässerkrankungen erst später ausführlicher behandeln werden, so wollen wir hier einige für die Blutcirculation wesentliche Zustände in Kürze anführen.
Die Verengerung der Gefiisslichtuug.
Verengerungen der Gefässlichtung werden Coarctatio oder Stenose ge­nannt (von coaretere eng machen — ariröc eng, schmal, dünn; ovtlvw eng machen, verengern). Ueberall, wo Arterien über grössere Strecken verengert werden, oder wo der üebertritt des Blutes in die Venen behindert ist, wird in
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letzteren eine Verlangsamung des Blutstromes eintreten, wobei gleichzeitig der innere Druck auf die betreffenden Gefiisse sich vermindert. Stehen diese Gefässe durch Anastomosen mit anderen benachbarten Venen in Verbindung, welche ihr Blut unter grösserem Drucke empfangen, so werden letztere einen Theil ihres Inhaltes an erstere abgehen. Dies wird namentlich bei arterieller Isclmnie geschehen, wo in Folge der Blutstauung vor der ver­engerten Stelle der Arterie ein vermehrter Druck auf den Gefassinhalt stattfindet, wesshalb die Capillaren und correspondirenden Venen der colla-teralen Arterienzweige unter stärkerem Drucke ihr Blut empfangen. Diese secundäre Hyperannie entwickelt sich um so stärker, je mehr die Stenose nur arterielle Gefässe betrifft und je länger dieser Zustand und die davon abhängige Iscluemie andauert.
Bei Verengerungen der Gefässlichtung können sowohl die muskulösen als auch .die elastischen Elemente der Gefässe in Betracht kommen. Durch Verdickung, Wucherung der elastischen Elemente können Verengerungen entstehen, welche einen activen Charakter haben, insofern diese Vorgänge auf einem activen Lebensprozesse beruhen. Es kann der Umfang des Ge­lasses trotz der Verengerung seines Lumen unverändert bleiben. Es kann indess die Verengerung der Gefässlichtung auch mit Verminderung des Ge-fässumfanges verbunden sein; dies kommt namentlich au den grösseren Arterien vor, indem die verdickten Wandschichten sich narbenartig zu­sammenziehen. Ueberhaupt können Stenosen der Gefässe laquo;Angiostenosen gt;, (von to dyye'ov das Gefäss und orsCvsiv verengern), entstehen durch:
1)nbsp; nbsp;Tonisirende Einflüsse bei Verminderung des Seitendrucks (Arterien und Venen);
2)nbsp; nbsp;Krampfzustände (Arterien und Venen);
3)nbsp; nbsp;Organische Veränderungen, z. B. Xarbenstrictur etc. (bei Arterien, nur selten bei Venen);
4)nbsp; nbsp;Druck auf die Gefasswand, Veränderung des inneren Seitendrucks (bei Arterien, Venen und Capillaren).
Die Erweiterung der Gefässliclitung.
Die Erweiterung der Gefässlichtung wird als Dilatatio oder Ektasie (von dilatare breiter machen, erweitern — *; i'xrccGig die Ausdehnung, sxTsi'vo) ausspannen, ausdehnen), bezeichnet. So weit dieselbe von den elastischen Elementen abhängt, ist sie stets in einer inneren Veränderung in einer Erkrankung der Gefässe begründet.
Gefässe, welche arm an muskulösen Elementen sind, oder derselben ganz entbehren, wie namentlich die grösseren Arterien, verschiedene Venen.
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sind häufiger solchen Erkrankungen ihrer elastischen Elemente ausgesetzt, als solche, welche reich an Muskelfasern sind. Erweiterungen der Gefäss-lichtung entstehen stets in passiver Weise, indem die erkrankten Gefäss-wände dem Seitendrucke des in sie einströmenden, oder des in ihnen an­gestauten Blutes nicht hinlänglichen Widerstand entgegenzusetzen vermögen und so nach und nach sich ausbuchten.
Gefässei-weiterungen (resp. Angiektasien) werden verursacht durch:
1)nbsp; nbsp;Atonische Zustände in Folge von Ernährungsstörungen (bei Arte­rien, Venen und Capillaren);
2)nbsp; nbsp;Lähmungszustände (bei Arterien und Venen);
3)nbsp; nbsp;organische Veränderungen, namentlich durch neoplastische z. B. durch Hypertrophie der Gefässwand (bei Arterien, Venen und Capillaren);
4)nbsp; nbsp;Zunahme des inneren Seitendruckes, Verminderung des äusseren Druckes (bei Arterien, Venen und Capillaren).
Thrombose und Emholie.
Mit dem Ausdrucke lt; Thrombose gt; bezeichnet man die Verstopfung eines Gefässes durch ursprüngliche oder eingewanderte Pfropfe, welche meist in den Blutgefässen selbst entstanden und nur selten in dieselben von aussen hineingerathen sind. Dieselben erzeugen je nach ihrer Grosse und ihrem Sitze Kreislaufsstörungen in verschiedenen Graden und haben bei vollständiger Verstopfung des Gefässlumens eine gänzliche Unterbrechung des Blutlaufs an der betroffenen Stelle zur Folge. Die Pfropfe oder Thromben entstehen am häufigsten in Folge von Blutgerinnungen. In solchen Fällen beginnt die Pfropfbildung in der Regel an der Wand des betrefi'enden Blut-gefässes resp. an dem Endocardium des Herzens; nur da, wo von aussen fremde Körper die Gefässwände perforiren und in das Lumen des Gefässes hinein­ragen, gehen die Gerinnungen von allen Berührungspunkten dieses Körpers mit dem Blute aus. Der Thromb.is wächst durch Anlagerung neuer Blut­gerinnsel, und kann endlich das Lumen des (thrombirten) Gefässes ganz ver-schliessen, in letzterem Falle wird er ein lt; obstruirender gt; Thrombus ge­nannt. Mit zunehmender Apposition neuer Blutgerinnsel wird der Blutstrom immer mehr gehemmt. Nur selten gerinnt sogleich der ganze Inhalt eines Gefässes; es kann dies geschehen bei Einwirkung gewisser chemischer Sub­stanzen. Schreitet die Gerinnselbildung über ihre Ursprungsstelle hinaus in der Länge des Gefässes weiter, so entsteht der sogenannte lt; fortgesetzte Thrombus gt;: derselbe reicht in der Regel bis zum nächsten Seitenaste.
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In den Arterien ist das Waclistluun des Thrombus gegen die Peripherie des Körpers, in den Venen dagegen nach dem Herzen zu gerichtet. Sehr ge-wöhnlich ist es, dass der Thrombus über die Grenzen seiner Ursprungs­stelle in der Richtung des Blutstromes sich fortsetzend, namentlich in den Venen und in den Herzohren, in ein bis dahin freies seitliches Gefäss hineinwächst. So bilden sich in den Herzohren zuweilen grosse (polypöse) Blutpfröpfe, welche bis in die Vorhöfe und selbst bis in die Herzkammern hineinreichen. Von kleineren Venen können Thromben als kolbige oder cylindrische Blutpfröpfe bis in die Hauptstämme hineinwachsen. Auch bei den Arterien kommt es vor, dass ein Thrombus über die nächste Theil-ungsstelle des Gefdsses in der einen oder andern Art, oder in beide sich fortsetzt. Es kann aber auch das Wachsthum des Thrombus aufhören, bevor dieser den nächsten Seiteuast des thrombirten Gefasses erreicht hat; selbst nach der Arterien-Unterbindung kann der Thrombus hinter der nächsten Theilungsstelle des betreffenden Gefasses zurückbleiben. Bei der einfachen Venenligatur entstellt gewöhnlich zwischen der Ligaturstelle und dem Herzen ein kleiner Thrombus, der nur bis zu den nächsten Klappen reicht.
Jeder Thrombus eines Seitenastes wird ein lt; secundärer oder fort­gesetzter gt; genannt, während der ursprüngliche Thrombus, gleichviel ob derselbe gross oder klein ist laquo;primitiver oder autochthonerraquo; heisst.
In den Arterien wird das durch den Thrombus angestaute Blut durch den collateralen Kreislauf abgeführt.
In der ersten Zeit hat jeder obstruirende Thrombus ganz die Form der Lichtung seines ihn umschliessenden Gefasses. Sein dem Herzen zu­gekehrtes Ende ist sowohl in den Arterien, als auch in den Venen stets rundlich kegelförmig. Bald treten an dem Thrombus Veränderungen ein, welche von seiner Mitte ausgehen und auf Form und Consistenz desselben umgestaltend einwirken; dieselben sind zum Theil als einfache Folgen der Austrocknung (Inspissatio) zu betrachten. Aber auch au der Wandseite macheu sich Veränderungen bemerkbar, die indess auf Durchfeuchtung be­ruhen. An der Wand wird der Thrombus stets von durchsickerndem Blutserum bespült und allmälig in eine braunröthliche Masse umge­wandelt , deren flüssige Theile mit dem Blutstrome fortgespült werden. Die aufgelüsten Theile haben keinen deletären infectiösen Charakter und schaden somit nicht, insofern sie nicht grössere Partikelchen enthalten, welche sich an irgend einer Stelle einkeilen und den nachher zu besprechen­den Znstand der laquo; Embolie gt; verursachen. Kleinere Thromben mögen in Folge von Erweichung vielleicht wieder ganz beseitigt werden können, indess fehlen bis dahin derartige Beobachtungen. Die grösseren Thromben verfallen nach der Inspissation der puriformen Erweichung; dieselbe beginnt
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damit, dass die rotlien Blutkörperchen ihren Farbstoff an die äusseren Schichten des Thrombus abgeben, aus welchen ein Theil desselben durch die Gefässwand diffundirt, von wo er in das benachbarte Gewebe gelangt und hier resorbirt wird. Mit diesen Prozessen ist selbstverständlich eine Entfärbung des Thrombus, namentlich im Inneren verbunden. Die ent­färbten Blutkörperchen zerfallen demnach ziemlich schnell und vollständig, indem ihre flüssigen Bestand the ile auf demselben Wege entweichen' wie der Blutfarbstoff. Nur die Eiweisskörper derselben bleiben als kleine färb- und formlose Körper zurück, welche Aehnlichkeit mit Eiter haben, wesshalb diese Veränderung den Namen der puriformen erhalten hat. In dem um­gebenden Fibringerinnsel treten demnach chemische Zersetzungsprozesse auf, in Folge deren die Fibrillen des Faserstoffes in einen feinen, körnigen Detritus zerfallen; dieser Zerfall schreitet von innen nach aussei! immer mehr fort, bis schliesslich die Detritusmasse die innere Gefässwand berührt, dieselbe in Entzündung und Eiterung versetzt. Die Zerfallsmasse kann sich nach aussen Bahn brechen, was indess nie an der jüngsten Schuht des Thrombus geschieht, weil diese durch fortwährende Anlagerung sich stets erneuert. Steht der Thrombus mit einer seitlichen Oeftimng des Gefässes in Verbindung, wie z.B. bei Aderlasswunden, so entleert sich die eiter-älmliche Masse des aufgelösten Blutpfropfes durch diese und stellt die sogenannte Aderlassfistel (Aderfistel) dar. Die aus der Fistelöffnung ent­leerte Flüssigkeit ist aber nicht wirklicher Eiter, sondern nur macroscopisch dem Eiter ähnlich. Nur bei einer eiterigen Entzündung der Gefässwand (Phlebitis suppurativa) kann der Zerfallsmasse des Thrombus wirklicher Eiter beigemischt sein. In Fällen, wo es nicht zur Entleerung kommt, findet entweder eine Einkapselung mit Verkäsung, oder eine Resorption der Zer­fallsmasse statt. Da diese nicht deletärer Natur sind, so hat die puriforme Erweichung eines Thrombus in der Regel an und für sich ebenso wenig etwas Gefährliches, wie die Erweichung desselben an seiner Peripherie. Auch hier ist nur die Gefahr einer Metastase vorhanden, indem grössere Partikelchen an der äusseren Schicht losgerissen und Veranlassung zu embolischen Processen werden können.
Weit gefährlicher ist dagegen die faulige Erweichung des Thrombus. Dieselbe entsteht leicht dann, wenn der Thrombus dem freien Zutritt der ausseien Luft zugänglich ist, oder wenn die Gerinnung durch ein putrides Ferment bedingt wurde, oder wenn derselbe mit fauligen Stoffen in Berührung kommt. Die faulige Zersetzung geht entweder von einem Punkte aus und verbreitet sich von diesem alhnälig über den ganzen Thrombus, oder sie betrifft denselben von vornherein in allen seinen Theilen. In allen derartigen Fällen tritt eine sehr schmerzhafte Heizung
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lt;\ev Gefüsswaud und deren Umgebung, eine teigige Anschwellung (Oedem) in grösserer Entfernung und in Folge der Resorption der Jauche brandige Entzündung der Lymphgefässe (Erysipelas gangraenosuin) ein. Zuweilen bricht die putride Masse nach aussen durch, indem eine dunkelbraunröth-liche, chocoladefarbige Brandjauche entleert wird. So entsteht ein Fistel-canal, wie nach dem Durchbruch bei der puriformen Erweichung.
Die putride Thrombose ist besonders dadurch gefährlich, dass die ganze Blutmasse intidrt und dadurch Septicsemie erzeugt wird. Zu Embolien gibt dieselbe wegen des fast flüssigen Zustandes ihrer Zerfallsmassen seltener Veranlassung; wo dies indess geschieht, tragen auch jene von vorne herein den putriden Charakter an sich.
Bei Sektionen darf man nicht jede in den Gefässen vorgefundene Blutgerinnung als einen während des Lebens stattgehabten Vorgang be­trachten. Man muss stets berücksichtigen, dass Blutgerinnungen in den Gefässen weit häufiger nach dem Tode, als während des Lebens entstehen. Blutgerinnungen, welche nach dem Tode in den Gefässen zu Stande kommen, unterscheiden sich aber von den im lebenden Thiere entstandenen Gefäss-thromben besonders dadurch, dass sie weicher, mehr .durchfeuchtet, gleich­artig gefärbt, nicht geschichtet sind und weder das Lumen des Gefässes vollständig ausfüllen, noch auch der Gefässwandung inniger anhängen.
Frische Thromben sind dunkelroth, weich, feucht und zeigen eine glatte, glänzende und gleiclnnässige Schnittfläche. In dem Netzwerke des geronnenen Faserstofles sind die zahlreichen rothen Blutkörperchen ein­gelagert, unter welchen einzelne farblose Blutkörperchen sich befinden. Die älteren Pröpfe sind bleicher, deutlich geschichtet und meist nur in den jüngeren Schichten röthlich, in den älteren rothgesprengelt und in den ältesten Schichten grau oder gelblich. Dieselben liegen der Gefässwand meist so fest an, dass beim Herausziehen des Propfes häufig ein Stück desselben an der Wand sitzen bleibt. Die rothen Blutkörperchen sind in einem solchen Pfropfe fast ganz verschwunden, während die woissen sich bedeutend vermehrt und zum Theil vergrüssert haben.
Die Thrombose der Venen zeigt, so lange sie keine vollständige Ver-schliessung des Gefässkanales bedingt, in der Regel keine eigentlichen Symptome; nur zuweilen wird ein leicht entzündlicher Zustand der Gefäss­wand bemerkbar. Aber auch die gänzliche Verschliessung des Gefässlumens kann ohne bemerkbare Erscheinungen verlaufen, wenn zur Ausgleichung der Kreislaufsstörungen für den collateralen Abfluss hinlänglich weite Anasto-inosen vorhanden sind; — oder wenn die Thrombose einen Verbindungsast betrifft, welcher für die Circulation nicht nothwendig ist. Da die colla-terale Circulation durch das gewöhnliche Freibleiben der kleineren Venen
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wesentlich erleichtert wird, so wird an oberflüchlichen Venen die Ver­änderung höchstens durch eine leichte Schmerzhaftigkeit angedeutet. Bei tiefer gelegeneu Venen geht der collaterale Strom gewöhnlich durch die oberflächlichen (cutanen und subcutanen) Venen, so dass die Hyperannie und Erweiterung dieser einen verwerthbaren diagnostischen Anhalt bieten.
Sind die Seitengefässe verstopft, so dass ein ausreichender Collateral-lauf sich nicht entwickeln kann, so entsteht ein schmerzhaftes Oedem oder freier Hydrops wie namentlich bei Gefässverstopfung innerer Theile, so z. B. entsteht bei Thrombose der Pfortader in Folge narbiger Zusammen­ziehung der Leber (Lebercirrhose) Ascites stets sehr schnell, während bei Verstopfung von Gefässen an äusseren Körpertheilen Oedem sich aus­bildet; es entwickeln sich die höheren Grade einer venösen Hypememie, deren Erscheinungen unter Austritt von seröser Flüssigkeit aus den Gefässen oft bald wieder verwischt werden, so dass namentlich die oberflächlichen Theile eine anannische, teigige Beschafi'enheit erhalten. Wenn die ver­stopften Venen oberflächlich liegen, so erscheint im Verlaufe derselben in der Regel eine gewisse Schmerzhaftigkeit, welche aber auch ganz fehlen kann. Am regelmassigsten findet sie sich, wo die thrombirten Venen neben Nerven liegen. Immerhin bleibt die Schmerzhaftigkeit eine untergeordnete Er­scheinung des Oedems.
Die serösen Ergiessungen kommen in der Gegend der Capillaren und Venenwurzeln zu Stande, nicht an den Venen selbst. Es kann daher der seröse Erguss unter Umständen weit von der thrombirten Vene entfernt erfolgen; derselbe stellt ein Transsudat von stark salziger Beschaffenheit dar und ist jedenfalls von dein Grade des Seitendruckes abhängig, indem durch den beständigen Nachschub von Blut aus den Arterien Flüssigkeit durch die gespannte und verdünnte Gefässwand hindurch gepresst wird.
Bekannte Zustände, in Folge deren Thrombose zu Stande kommt, sind zunächst die Blutstockung und die veränderte Molecularattraction zwischen Blut und Gefässwand.
Zustände, welche Thrombose in Folge von Blutstockung bedingen, sind:
1)nbsp; nbsp;Verengerung oder gänzliche Verschliessung der Gefässlichtung an einer Stelle (Ligatur, Druck durch Geschwülste, Exsudate etc.)
2)nbsp; nbsp;Unterbrechung der Continuität der Gefässe.
3)nbsp; nbsp;Erweiterung der Gefässe und des Herzens.
4)nbsp; nbsp;Absolute Verminderung der Herzkraft (Marasmus),
Zustände, welche Thrombose in Folge veränderter Molecularattraction bedingen können, sind:
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1)nbsp; nbsp;Brand.
2)nbsp; nbsp;Erhebliche Ernährungsstörungen der Gefässwand, namentlich ent­zündliche.
3)nbsp; nbsp;Contact des Blutes mit fremden Körpern.
Dass zwischen den Gefässen und dem in denselben strömenden Blute enge Beziehungen obwalten, wurde bereits früher hervorgehoben. Hier sei noch darauf aufmerksam gemacht, dass ganz besonders die Integrität und Yitalität der Gefässwand es ist. durch welche das Blut in den Gefässen flüssig erhalten wird.
Jeder Pathologe weiss, dass an kranken oder lädirten Stellen der Gefässwände Blutgerinnungen sich bilden, so z. B. auf verkalkten Herz­klappen, auf Unebenheiten oder Rauhigkeiten der Gefässwand, bei athero-matösen Entartungen etc.; dass ferner in entzündeten oder nekrotisirenden Gefässen das Blut gerinnt u. s. w. Auch ein abnormer Zustand des Gefäss-inhaltes z. B. puriforme Schmelzung eines Thrombus etc. versetzt die Gefäss-wände in krankhaften Zustand. Wir sind gegenwärtig noch weit davon entfernt, alle pathologischen Zustände der Gefässwände genau zu kennen, resp. zu erkennen, ob und in wie fern dieselben auf die Blutcirculation einen Eiufluss haben. Wir werden häufig in die Lage kommen, aus vor­handenen Circulationsstörungen auf das Vorhandensein von Erkrankungen der Gefässwand zu schliessen, selbst wenn der morphologische Befund dieser keine pathologischen Erscheinungen erkennen lässt.
Die Thrombose der Arterien hat am meisten Bedeutung, wenn sie die Folge atheromatöser Entartung derGefässwand ist (s. Gefässerkrankungen). Die Obturation kann dadurch zu Stande kommen, dass an der kranken Stelle der Gefässwand (wandständige) Gerinnsel sich bilden, welche in der Richtung der Peripherie allmälig fortwachsen und auf ihrem Wege einen oder mehrere abgehende Arterienzweige an ihrer Ursprungsstelle verstopfen; es kann aber auch die kranke, bereits verengerte Stelle der Gefässwand durch an-schiessende Gerinnsel selbst verstopft werden. In beiden Fällen geht der völligen Obturation erst Angiostenose einige Zeit voraus, wodurch die Collateralen allmälig erweitert und so die Gefahren einer plötzlichen Gefäss-verstopfung vermieden werden. Erstreckt sich indess die Gefässerkrankung auch auf die Collateralen, so bleiben die üblen Folgen der Thrombose nicht aus. Dieselben bestehen zunächst in Ischacmie der peripherisch gelegenen Theile; die consecutiven Zustände haben wir bereits besprochen.
Erkrankungen der Arterienwand und daraus folgende Thrombosen sind häufig auch Folge anderer pathologischer Processe benachbarter Organe oder Gewebe. So ist z. ß. Brand und ülceration nicht immer die Folgei sondern auch öfter die Ursache von Thrombosen. Beim eintretenden Brande
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görinnt das Blut in den zuführenden Gefässen häutig und zwar in der Richtung von der Peripherie nach dein Centrum hin. In den seltenen Fällen, wo ein Brandheerd an eine grosse Arterie angrenzt und die Wan­dung derselben nach und nach so verändert, dass eine Gerinnung des Blutes in dem betroffenen Gefässe zu Stande kommt, hat die Arterienthrombose bedeutende Circulationsstörungen zur Folge.
Verstopfungen von Arterien durch Druck von Seiten benachbarter Geschwülste sind sehr selten, wenn gleich bedeutende Verengerungen häufiger durch selbige verursacht werden.
Die Folgen der Arterienthrombose sind vorzugsweise davon abhängig, ob das obturirte Gefäss zahlreiche Anastomosen besitzt oder nicht; bei einem Gefässe, das einen sehr isolirten Verbreitungsbezirk hat, ist kaum eine Ausgleichung der Circulationsstörungen möglich, während dieselbe durch Collaterallauf leicht zu Stande kommt, sofern die Seitenäste für den Blut­verkehr often bleiben.
In Folge der Arteriellthrombose kommen bei längerer Dauer derselben Hsemorrhagien vor, über deren Entstehen uns Cohnheim einige nähere Aufschlüsse gegeben hat. Dieselben erfolgen nur in solchen Fällen, wo das Blut längere Zeit von einer Capillarprovinz und von den betreffenden Venenwurzeln abgeschlossen ist, später indess wieder in dieselbSn ein­strömt. Es entsteht dann in den betreuenden Capillaren und Venen des abgesperrt gewesenen Gefässgebietes zunächst Hypersemie und Aus­tritt von Blut durch die dilatirten Gefässwanduugen, welche in Folge der längere Zeit hindurch fehlenden Berührung mit strömendem Blute erkrankt sind und dadurch den Austritt von Blut per diapedesin gestatten. An Arterien, selbst an den kleinsten, kommt diese Erscheinung nicht vor.
Hat die Circulationshemmung eine gewisse Höhe und Dauer erreicht. so sind Nekrose oder regressive Metamorphosen die Folgen derselben. Letztere tragen meist den Charakter der Erweichung an sich. Mit derselben ist immer ein allmäliges Absterben des betroffenen Gewebes verbunden, so dass es sehr schwer, zuweilen sogar unmöglich ist, zwischen der einfachen und der wirklich nekrotischen Erweichung zu unterscheiden. Bei nicht ausreichendem Collaterallaufe oder bei unvollständigen Obturationen treten mein- einfache Atrophieen auf. Die Organe nehmen an Umfang ab, ihr Zusammenhang wird geringer und es stellt sich eine gewisse Welkheit ein, wie man solche am Herzen öfter findet.
Der einzige ganz günstige Ausgang ausgebreiteter Thrombose ist die Bindegewebsmetamorphose der Thromben, wodurch selbst eine partielle Herstellung des Gefässcanales eintreten kann.
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Dieselbe kommt besonders in Arterienthromben zu Stande, indem die rothen Blutkörperchen allmälig verschwinden, -während die farblosen zahl­reicher werden und zu Spindelzellen auswachsen, welche mit einander in Verbindung treten und die faserige Intercellularsubstanz zwischen sich lassen. Das so entstandene Bindegewebe steht mit der Gefässwand in inniger Verbindung und kann gänzliche Verwachsung der Gefässwände mit einander (Obliteration) zur Folge haben.
Arterienpfröpfe führen am häufigsten zu Bindegewebsneubildungen — Venenpfröpfe zu Erweichung — Thromben in kleineren Gefässen und wahrscheinlich auch in den Capillaren zu blutigen Infarkten, Eiterungen und Verjauchungen in den Geweben und geben dadurch leicht zu weiteren Erkrankungen Veranlassung.
Die Prognose der Arterienthrombose ist von verschiedenen zum Theil uns schon bekannten Verhältnissen abhängiu. Das Auftreten heftiger Schmerzen, der Eintritt typhöser Zustände, die Ausbildung regressiver Meta­morphosen und nekrotischer Processe, sowie die Einwirkung äusserer Schäd­lichkeiten oder innerer älterer Schäden, sind in der Regel für die Beurtheilung des Ausganges bedeutungsvoller, als die Störungen, welche von dem auf­gehobenen Gleichgewichte in der Blutvertheilung herrühren.
Die Fibrincoagula der Aneurysmen (siehe diese), sowie manche Thromben er Venen werden allmälig in homogene, knorpelartig dichte Massen ver­wandelt. Die bedenklichsten Störungen können entstehen, wenn grössere oder kle nere Stücke von dem centralen Ende eines Thrombus losgerissen und mit dem Blutstrome fortgeführt werden. Dieser nicht seltene Vorgang ist von Virchow lt; Embolie gt; *) - und das losgerissene Thrombusstück lt; Embolus gt; *) genannt worden. Am häufigsten tritt Embolie auf in Folge von Thrombose peripherischer Venen. Setzt nämlich der Thrombus einer kleineren Vene über deren Ostium hinaus in den nächsten Venenstamm sich fort, so wird der secundäre Thrombus *) unter Umständen weit dicker, als der primäre. Je enger das Lumen der primär thrombirten Vene und je grosser der Venenstamm, in welchen sie mündet, um so bedeutender wird das Missverhältniss zwischen autochthonem und fortgesetztem Thrombus werden können. In demselben Masse, wie dies Missverhältniss zunimmt, wird die Gefahr einer partiellen oder gänzlichen Losreissung des secundären Thrombus durch den Blutstrom sich steigern. Wird derselbe losgerissen, so
*) r; efißolrj das Hineinwerfen, der Einbruch, — o iflßoXevg der Pfropf (von sfißäXXuv hineinwerfen, hineinschleudern). — 0 ^J-QO/.ißog der Klump, ein Stück ge­ronnene Flüssigkeit — rj O-QjflßoaOtg das Gerinnenmachen (von 1/QOflßovv gerinnen machen).
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gelangt er mit dem Venenblute in das rechte Atrium und durch dieses und den rechten Ventrikel hindurch in die Lungenarterie. Je nach der Grosse des fortgeführten Thrombusstückes (Embolus) dringt derselbe mehr oder weniger tief in die Lungenarterie vor. In der Regel setzt er sich an irgend einer Theilungsstelle eines Lungenarterienastes fest, und zwar da, wo beide abgehenden Gefässe zu klein sind, um den Embolus aufnehmen zu können. Ist derselbe sehr gross, so dass schon ein Hauptast der Lungenarterie durch ihn verstopft wird, so ist in der Eegel augenblickliche Asphyxie die Folge dieses Ereignisses. Je kleiner die losgerissenen Thrombusstücke sind, um so weiter dringen sie in die Verzweigungen der Lungenarterie vor. Ganz kleine Emboli gehen bis in die feinsten Lungenarterienzweige und erzeugen von da aus die kleinsten, zuweilen railiaren Entzündungen des Lungenparenchyms.
Die Thatsache, dass in den Zweigen ein und derselben grösseren Arterie öfter eine Menge von kleinen embolischen Heerden derselben Art und des­selben Alters angetroffen werden, macht die Ansicht Virchow's sehr wahr­scheinlich, dass ein umfangreicher Embolus, welcher in einer entsprechend grossen Arterie eingekeilt ist, durch den beständig andringenden Blutstrom noch weiter zerstückelt werden kann, worauf die Trümmer in die Zweige des betroffenen Arterienastes entführt werden.
Embolische Processe in den peripherischen Zweigen der Aorta kommen wohl meist dadurch zu Stande, dass im linken Herzen Krankheitszustände vorhanden sind, welche Gelegenheit zur Losreissung kleinerer oder grösserer Partikelchen bieten, wie z. B. Klappenulceration in Folge acuter oder chro­nischer Erweichung. Die Verstopfung erfolgt hier in ganz ähnlicher Weise, wie vorhin beschrieben worden ist; nur muss der Unterschied in der Be­schaffenheit der Emboli gebührend berücksichtigt werden. Staramen die­selben von einem Erweichungsheerde ab, so begünstigt ihre Kleinheit und Weichheit das Vordringen bis in die kleinsten Gefässe in hohem Grade. Dadurch kann es zur Entwicklung der sogenannten Capillarembolie kommen. Dieselbe ist eine der wichtigsten Formen der Metastasen. Es können aber auch sehr feste Partikelchen, z. B. von verkalkten Herzklappen losgerissen werden und zu embolischen Processen Veranlassung geben; desgleichen Theilchen von solchen Arterienthromben, welche die Gefäss-lichtung nicht ganz ausfüllen (Aneurysmen). Dass in allen diesen Fällen der embolische Process nicht Folge einer Wanderkrankung der verstopften kleinen Arterien, resp. Capillaren ist, dass vielmehr hier in loco die Emboli das Primäre sind und secundär Gefässerkrankungen bedingen können, ist wohl selbstverständlich.
Berücksichtigen wir jetzt Alles, was über Thrombose und Embolie
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quot;bisher gesagt wurde, so werden wir begreifen, dass die Ausgänge der embolischen Processe sehr verschiedene sein können. So kann die Embolie in dem einen Falle fast ganz bedeutungslos und ohne nachtheilige Folgen verlaufen, während dieselbe in anderen Fällen bald einen haemoptoischen Infarct, bald Eiterung, bald Gangrän oder Nekrose bedingt.
Die Therapie vermag bei Thrombose und Embolie nicht besonders viel zu leisten, da keine Mittel uns zur Verfügung stehen, mit welchen wir die Auflösung und Zertheilung der Pfropfe bewirken können. Gleich­wohl ist in verschiedenen Fällen ein actives Eingreifen des Arztes noth-wendig.
Wo die Gefässwand entzündliche Erscheinungen bietet, da ist die Neigung des Thrombus zu bleibender Organisation gering. In solchen Fällen ist ein antiphlogistisches Verfahren angezeigt. Oertliche Blutent­ziehungen, fleissige Anwendung der Kälte sind hier die Hauptraittel. Die Umgebung des thrombirten Gefässes muss stets beachtet werden; deletäre Stoffe müssen, namentlich wenn die Gefässwand verletzt ist, von der throm­birten Stelle möglichst fern gehalten werden. Wo Gelegenheit zu der­artigen Berührungen vorhanden ist, muss man die zersetzten Ausscheidungs­produkte möglichst sorgfältig entfernen und antiseptische Mittel in Gebrauch ziehen; Waschungen eventuell Ausspritzung oder Bepinselungen mit Chlor­wasser, Phenylspiritus u. dergl., mit adstringirenden und anderen anti­septischen Mitteln sind öfter zu wiederholen. Auch allgemein e Blutent­ziehungen können nothwendig werden, namentlich bei asphyctischen Zufällen in Folge Thrombose grösserer Aeste der Lungenarterie.
Bei der venösen Thrombose werden gute und leicht verdauliche Nahrungsmittel, gelind erregendes Getränk, Ueberwachung, resp. Unter­stützung der Verdauung etc. gute Dienste zu leisten vermögen.
Gegen erhebliche Schmerzen ist ebenfalls örtlich streng antiphlogistisch zu verfahren, namentlich consequent Kälte anzuwenden; reicht man hiermit nicht aus, so müssen Narcotica hypodermatisch oder innerlich applicirt werden. Auch das Fieber verdient eine besondere Beachtung.
Unter allen Umständen ist Ruhe erforderlich, weil Bewegung den Organisationsvorgang hindert und selbst Zertümmerung des Thrombus im
Gefol
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haben kann.
Die Blutungen.
Als Blutung, Hsemorrhagie (von ttlfia Blut und Qay^ Riss) bezeichnet man den Austritt von Blut aus seinen Gefässen. Nicht jede durch die Ge-fässwände austretende rothe Flüssigkeit, wie dieselbe bei localer und allge-
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meiner Blutzersetzung häufig in der |Nachbarschaft der Blutgefässe ange­troffen wird, ist Blut oder ein lt; Extravasatraquo;; dieselbe wird vielmehr als Transsudat bezeichnet. Nur wenn alle wesentlichen Bestandtheile, feste und flüssige, des Blutes, also namentlich auch die rothen Blutkörperchen in der austretenden Flüssigkeit enthalten sind, kann von Blutung gesprochen werden. Das Extravasat das heisst lt; ausserhalb der Gefässe befindliches Blut jgt; (von gt;£ extra raquo; ausserhalb und t vas gt; Gefäss) kann mit anderen Stoffen, nament­lich mit exsudativen oder secretionellen gemischt angetroffen werden und wird dann im ersteren Falle ein hsemorrhagisches Exsudat, im zweiten Falle ein blutiges Secret genannt. Je nach der Menge des beigemischten Blutes wird in solchen Fällen das Exsudat oder Secret eine verschiedene Beschaffen­heit, namentlich eine bald mehr, bald weniger deutlich rothe Farbe zeigen. Die Zahl der beigemischten rothen Blutkörperchen kann so gering sein, dass die ausgetretene Flüssigkeit nur noch eine gelbliche oder schwach-röthliche Färbung zeigt und dass nur mit Hülfe des Microscopes entschieden werden kann, ob dieselbe haemorrhagischer Natur ist, d. h. in Wirklichkeit rothe Blutkörperchen enthält.
Je nach ihrem Sitze werden die Blutungen in innere und äussere unterschieden. Da die inneren entweder gar nicht, oder nur zu einem geringen Theile nach aussen hervortreten, so können dieselben selbstver­ständlich weniger direkt erkannt werden, als die äusseren Blutungen, mit welchen wir es hier vorzugsweise zu thun haben. Je nachdem bei inneren Blutungen das Extravasat im Gewebe der Körperorgane (zwischen den Gewebselementen) oder in vorhandenen Höhlen und Canälen ange­troffen wird, werden dieselben besonders benannt. So nennt man feinere Einsprengungen von Blut in die Gewebe laquo;Blutunterlaufung, Suffusion, Hyphaemie, haemoiThagisches Infiltrat, oder Ekchymoseraquo;; — reichlichere Blutansammlungen in Höhlen, welche in Folge Trennung des Zusammen­hanges der Gefässwand entstanden sind, werden laquo;Blutknoten, hsemorrha-gischer Heerd, oder hajmorrhagischer Infarct gt; genannt. In neuerer Zeit hat man für diese Art von Blutung auch vielfach die Namen lt; Apoplexie, apoplectischer oder apoplectiformer Heerd raquo; gebraucht. Diese Bezeichnungen sind im Allgemeinen nichts weniger als glücklich gewählt, da dieselben nur dann passen, wenn mit der Blutung auch eine Functionslähmung verbunden ist. Letzteres gehört nothwendig zum Begriffe der Apoplexie, (ij dnonXr^Ca der Schlagfluss von dTtonX^aosiv niederschlagen, betäuben!, aber keines­wegs nothwendig zum Begriffe der Blutung. Es gibt sogar grössere Blu­tungen , welche ohne jede nennenswerthe Functionsstörung verlaufen, z. B. Blutungen aus der Nase, ja selbst aus den Lungen u. dergl. mehr. Anderer­seits können hingegen plötzliche Functionsstörungen (eigentliche Apoplexie)
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ohne eine Spur von Blutung zu Stande kommen (Apoplexia nervosa). Will man den Ausdruck lt; apoplectischer Heerd etc. gt; gebrauchen, so darf dies nur dann geschehen, wenn die vorhandene Blutung wirklich die Ursache einer plötzlichen Functionsstörung ist.
Die Blutung wird in der Regel entweder nach dem betroffenen Organe,
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oder nach dessen Function benannt; so z. B. sagt man laquo; Lungenblutung oder Pneumorrhagie — oder besser Pneumonorrhagie raquo; (von itvsv(i(av,6 die Lunge und Qccy^,^ der Riss), laquo;Gebärmutterblutung Metrorrhagia gt; (von raquo;; ^tqu die Gebärmutter und (raquo;ayi'j) nach der Function sagt man z. B. c Blutharnen Hssmaturia oder Hsematuresis gt; (von ai/iia t6 das Blut und to ov^ov Urin,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ; '
Harn, otf^ffts Pissen, Harnen), wobei es allerdings unentschieden bleibt, ob die Blutung in den Nieren, den Harnleitern, der Harnblase oder der Harnröhre ihren Sitz hat.
Gewisse Blutungen haben wegen ihres häutigen Vorkommens (nament­lich beim Menschen) keinen weiteren speciellen Namen erhalten, sondern werden einfach mit dem Gattungsnamen bezeichnet. So z. B. heisst
lt;nbsp;Hsematocele gt; {afita Blut, x^Xrj der Bruch) wörtlich Blutbruch; das Wortnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; : wird indess fast ausschliesslich nur zur Bezeichnung eines Extravasates im Hodensacke gebraucht; ferner wurde laquo; Epistaxis gt; (gegenwärtig laquo;Hsemorr-
hagieraquo;), dagegen von den älteren Schriftstellern (seit Hippocrates), ebensonbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; J
ausschliesslich nur für lt; Nasenblutung gt; gebraucht, während lt; infätagig raquo; eigentlich nur ein wiederholtes Tröpfeln — und lt; alfio^ayCa raquo; Blutfluss bedeutet. Desgleichen bedeutet lt; aif.ioooo'i'c Plur. at^M^oidsg gt; eigentlich nur Blutfluss {aJna Blut, QhTr fliessen) und doch wird der Ausdruck
lt;nbsp;Hsemorrhoiden gt; ausschliesslich nur für Blutknoten am After oder für spontane Mastdarmblutungen gebraucht.
Die Art und Weise, wie Extravasate entstehen können, war bereits lange vor Christo bekannt. Schon Hippocrates (geb. 460 v. Chr.) spricht von verschiedenen Arten des Zustandekommens der Blutungen und De­metrius Poliorketes (geboren 337, gestorben zu Apamea am Orontes 285 v. Chr.) hat fünf Modalitäten des Eintritts von Blutungen angegeben, nämlich, 1) per diabrosin (ßiaßißQcSaxetv durchfressen, zernagen) in Folge Zernagung; 2) per diseresin (StaiosTv theilen, trennen) in Folge Spaltung; 3) per diapedesin {StaTir^är hinüberspringen — duxnrjdrjais das Durch­dringen des Blutes durch die erschlafften Gefässe, Durchsickerung); 4) per rhexin (sect;rffvv^u und fäyvvca Fut. Qr/ita gewaltsam reissen, durchreissen) durch Zerreissung; und 5) per anastomosin (dvaarofiovv die Mündung öffnen, Passiv, sich ergiessen) durch Ausmündung; von diesen ist nur die letztere, welche auf einer falschen anatomischen Voraussetzung beruhte, zu streichen. Man glaubte nämlich, dass an den Gefässenden eigenthüm-
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liehe Mündungen (Stomata) vorhanden seien. Indess auch heute noch nehmen viele Forscher präformirte Oeffnungen in der Gefässwand an (siehe Ühle-Wagner, Allg. Pathologie, S. 227); diese anerkennen denn auch, wenn gleich in einem etwas anderen Sinne, die Möglichkeit der Entstehung von Blutungen per anastomosin. Die Heftigkeit der Blutung ist zum grössten Theile von der Art ihrer Entstehung abhängig. Bei Blutungen per dia-pedesin erfolgt der Blutaustritt in so geringem Masse, dass derselbe mit blossem Auge gar nicht zu erkennen ist. Da nun bei der Diapedese, eine (wenn auch sehr unbedeutende) Continuitätstrennung der Gefässwand angenommen werden muss, so gehört dieselbe eigentlich zur Categoric der Rhexis, nichts destoweniger bleibt ihre Unterscheidung aus praktischen Gründen dennoch eine berechtigte. Bei der Diapedese ist die Continuitäts-störung eine schneller vorübergehende, die mehr ein Auseinanderweichen und Wiederzusammentreten der betreffenden Theile darstellt; ähnlich wie bei der Durchdringung derselben von einer feinen Nadel, einer Trichine u. s. w. (Ganz in derselben Weise, wie an Gefässen, vermag diese Erscheinung auch an benachbarten Theilen sich zu wiederholen, so class Blutkörperchen aus der Gefüssöffiiung in benachbarte Zellen, Lymphgefässe etc. eindringen können.) Somit ist ein wichtiger gradueller Unterschied zwischen der Diapedese und jeder anderen Form des Bluttaustrittes vorhanden. Es fragt sich nun, wie die Oeffnungen entstehen, durch welche die Blutkörperchen bei dieser Hsemorrhagie hervortreten? Nacli den neueren Versuchen Colin-heim's muss angenommen werden, dass bei diesem Vorgange stets eine Gefässerkrankung mit zu Grunde liegt, die allerdings nicht näher erkenn­bar ist. Ueberhaupt sind die ursächlichen Momente der Diapedese noch ziemlich unbekannt. — Blutungen per diabrosiu, per dkeresin und per rhexin können je nach der Grosse des verletzten Gefässes und der in der Gefäss­wand entstandenen Oeffnung bald in schwachem, bald in starkem Strahle erfolgen. Bei allen drei Entstehungsarten kann das Blut unter Umständen in so geringer Menge austreten, dass es nur tropfenweise hervortritt; man bezeichnet eine solche Blutung als lt;; stillicidium gt; (von stilla Tropfen und cadere fallen) oder als lt; staxis gt; (von i] ozuSig das Träufeln). Ist der Blutstrom stark, so nennt man die Blutung einen Blutfluss oder ßlutsturz laquo;Rhysisraquo; (von yvsiv tiiessen — /} yvoig das Fliessen, der Fluss).
Bei grossen Verletzungen der Gefässwand kann das Blut selbst in rückläufiger Richtung der Oeifnung zuströmen, so dass es von beiden Seiten nach derselben hinfliesst.
Wenn bei Gefässen mit zusammengesetztem Bau, d. h. also bei Arterien und Venen mittleren und grösseren Calibers, die Verletzung nicht sämmt-liche drei Häute durchdringt, sondern nur die Intima, oder diese und die
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Media betrifft, so wird ein Extravasat im eigentlichen Sinne des Wortes selbstverständlich nicht zu Stande kommen. Unter solchen Umständen kann Blut zwischen die Gefässwände sich einlagern und zwar im ersteren Falle zwischen Intima und Media, im letztern Falle dagegen zwischen Media und Adventitia. Diesen Zustand hat man mit verschiedenen Namen belegt: lt; Haemorrhagia intraparietalis gt;J lt; Extravasatum intraparietale gt;; nach
Kölliker und Pestalozzi lt; Aneurysma spuriumraquo; oder nach Virchow laquo; disse-cirende Ektasie gt;. An grösseren Gefässen sind selbst beträchtlichere
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Mengen von Blut zwischen Media und Adventitia zur Beobachtung ge­kommen, indem letztere den zerstörenden Einwirkungen häutig lange Zeitnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ' widerstand. Mit beständiger Zunahme des Extravasates wird indess die Adventitia dem Drucke schliesslich nicht mehr Stand halten können und dann durch Zerreissung derselben die Entleerung des Blutes in das Parenchym, oder an die Oberfläche der betreffenden Organe oder Gewebe erfolgen. Bei grosser Dehnbarkeit der Adventitia kann dieselbe auf sehr lange Strecken von der Media abgelöst werden, wodurch relativ grosse Ergüsse zu Stande kommen (so namentlich an den Hirnarterien). Sind die intraparietalen Blutungen nicht umfangreich, so treten sie als Blut­streifen an der Gefässwand hervor; selbige sieht man bei Sectionen öfter an den Lungen- und Milzgefässen. C
Eine intraparietule Hsemorrhagie kann nun auch durch die Vasa vasorum verursacht werden, wie dies namentlich am Herzen vorkommt, wenn dem Tode grosse Störungen in der Lungencirculation vorangegangen sind. Die venöse Stauung muss in solchen Fällen selbstverständlich auch auf die Ernährungsgefässe sich fortsetzen: dadurch entstehen, namentlich häufig am linken Herzen, besonders um die Basis und unter dem Endo­cardium mehr oder weniger grosse Ekchymosen.
Nach den Ursachen hat man die Blutungen als spontane und trau­matische unterschieden. Wodurch erstere bedingt werden, ist noch keines­wegs für alle Fälle bestimmt erwiesen. Sicher ist indess, dass bei gewissen Individuen eine grössere Neigung zu spontanen Blutungen besteht, als bei anderen. Die Existenz einer haemorrhagischen Diathese erscheint dem­nach durchaus nicht zweifelhaft; worin aber der Grund derselben zu suchen sei, ist in vielen Fällen nicht so leicht zu ermitteln. Derselbe ist wahrscheinlich für alle Fälle in chronischen oder acuten Ernährungsstörungen der Gefässhäute gegeben, welche bald anatomisch mehr oder weniger leicht nachweisbar sind, bald nur aus der gestörten Function erschlossen werden können.
Es darf nun ein anderer Umstand, der besonders für die Fortdauer einer eingetretenen Blutung von grosser Bedeutung ist, hier nicht uner-
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wähnt bleiben, nämlich die Beschaffenheit des Blutes selbst. Es ist klar, dass dieselbe einestheils für die Ernährung der Gefässwände von Be­lang ist und dadurch sowohl die Entstehung von Blutungen, als auch das Fortbestehen dieser begünstigen kann. Letzteres ist in zweifacher Weise möglich. Es kann 1) die Contractilität der Gefässwand in Folge der Er­nährungsstörung vermindert sein, so dass die Oeffnung in den Gefässhäuten nicht in entsprechender Weise sich zusammenzieht; und 2) kann auch die Gerinnbarkeit des Blutes eine so mangelhafte sein, dass sich kein Thrombus bildet.
Ob die sogenannte Bluterkrankheit (Haemo- oder Haemorrha-philie) auch bei Thieren vorkommt, eventuell ob dieselbe bei diesen sowohl sporadisch, wie auch namentlich als Familienkrankheit auftrittt und als­dann besonders auf die männlichen Nachkommen sich vererbt? wie dies beim Menschen der Fall sein soll — das alles sind Fragen, welche wir zur Zeit noch nicht beantworten können. Als Bluterkrankheit bezeichnet man nämlich beim Menschen eine hajmorrhagische Diathese, welche sich durch eine ungewöhnliche Hartnäckigkeit traumatischer Blutungen, sowie durch eine grosse Neigung zu reichlichen spontanen Blutungen zu erkennen gibt. Sowohl oberflächliche, wie auch interstitielle Hsemorrhagien führen bei den sogenannten Blutern immer eine grosse Lebensgefahr mit sich, weil auch selbst dann, wenn die Hsemorrhagie aus kleinen Gefässen erfolgt, die Blutstillung nicht immer gelingt und so der Tod in Folge Verblutung ein­tritt. Ich erinnere mich eines Falles aus meiner eigenen Praxis in den fünfziger Jahren, der vielleicht hierhin gehört. Einein Pferde hatte ich ein Fontanell vor die Brust gelegt und demselben nach der gewöhnlichen Manier unter Bildung einer Falte die Haut an der betreffenden Stelle und in der erforderlichen Länge durchschnitten. Die Blutung aus den kleinen Haut-gefässen war eine so anhaltende, dass ich mich zur Anwendung blut­stillender Mittel genöthigt sah, nachdem bei'eits eine beträchtliche Menge Blut abgeflossen war und ich anfing, wegen einer etwa möglichen Ver­blutung Besorgniss zu bekommen. Die hierauf in Anwendung gezogenen styptischen Mittel wirkten keineswegs so schnell, als ich gehofft hatte; erst nach mehreren Stunden gelang es, die Blutung ganz zum Stehen zu bringen. Ich habe damals dieser Sache keine grosse wissenschaftliche Bedeutung beigelegt und dieselbe deshalb nicht so genau verfolgt, als ich dies jetzt thun würde.
Die hamiorrhagische Disposition ist meist in folgenden Verhältnissen begründet:
1) Sie ist das Resultat der Gefässneubildung. Alle Gefässe, gleichviel ob unter normalen oder pathologischen Verhältnissen entstanden, sind in
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der ersten Zeit zartwandiger und brüchiger als später; Trennungen des Zusammenhanges ihrer Wandungen erfolgen deshalb an jüngeren Gefässen leichter, als an älteren. Bei pathologischen Gebilden hält dieser Zustand im Allgemeinen länger an, als bei physiologischen. Es gibt aber auch physiologische Gebilde, deren Gefässwandüngen in der Regel für die ganze Lebensdauer dünnwandig und zum Theil unvollkommen bleiben, so dass fast bei jeder stärkeren Hyperssmie derselben auch eine Menge feiner Hfemorrhagieen in denselben zu Stande kommt. Ein solches Gebilde ist z. B. die Milz. Demnach kann man eine physiologische und eine pathologische Diathese unterscheiden und letztere wieder in eine allgemeine und eine locale trennen.
2)nbsp; Die Häute gewisser Gefässe erkranken in Folge anhaltender Steigerung des Seitendruckes. Es kann dadurch sowohl auf directem Wege Atrophie der Gefässhäute zu Stande kommen, als auch zuerst Hypertrophie mit nach­folgender Degeneration der Gefässwand auftreten.
3)nbsp; nbsp;Die Häute gewisser Gefässe sind atheromatös entartet (siehe Ge-fässerkrankungen) und dadurch weniger widerstandsfähig.
4)nbsp; nbsp;Die hfcmorrhagische Disposition beruht auf Entzündungen, wie z. B. bei heftigen Catarrhen des Respirations-, Verdauungs- und Harn-Apparates, wo Bluthusten, blutige Diarrhöe, Haematurie u. s. w. folgen.
5)nbsp; Sie ist bedingt durch Veränderungen des Blutes, welche sowohl in quantitativen als qualitativen Mischungsveränderungen, oder in fremdartigen Beimischungen z. B. mancher Salze, fauliger oder Secretstoffe u. s. w. be­gründet sein kann. So finden wir z. B. beim Typhus, Milzbrand, Scorbut etc. eine Blutbeschaffenheit, welche zu Blutungen sehr disponirt.
Für die Praxis ist es von Bedeutung, die Blutungen aus normalen Gefässen von solchen aus kranken Gefässen, sowie zwischen inneren und äusseren Blutungen zu unterscheiden. Bei letzteren, ebenso bei Hsemorrhagien an Schleimhautoberflächen und in das Canalsystem der Ausführungsgänge drüsiger Organe gelangt das Blut mehr oder weniger unverändert nach aussen. An Stellen, wo das Blut keinen directen Abfluss hat, wirkt das Extravasat in der Regel als hinlänglicher Reiz, um Reactionen hervorzu­rufen, durch welche dasselbe entleert wird; so z. B. bei Lungenblutung Husten, bei Magenblutung Erbrechen u. s. w. Solche Reflexbewegungen können unter Umständen nützlich, in andern Fällen jedoch auch lebens­gefährlich werden; letzteres namentlich dann, wenn durch dieselben die Blutung unterhalten, gesteigert oder von Neuem hervorgerufen wird. Wo das Blut aus den Respirations- oder Verdauungsorganen resp. aus den Aus­führungsgängen drüsiger Organe etc. entleert wird, ist dasselbe bald mehr
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bald weniger mit anderen Stoffen vermischt. — Die meisten Blutungen sidn lt;parencliymatüse gt;, d. h. weder rein arterielle, noch rein venöse; indess kommen beide auch jede für sich allein vor. Die Farbe des Blutes ist keineswegs in allen Fällen entscheidend, ob eine Blutung eine arteriöse, eine venöse oder eine parenchymatöse ist, weil stagnirendes Blut (selbst arterielles) bald dunkel wird, während dunkles (venöses) Blut, wenn es mit der Luft in Berührung kommt, bald eine hellrothe Farbe annimmt, falls es nicht durch gewisse Krankheitszustände wie z. B. Typhus, Anthrax etc. seine Oxydationsfähigkeit verloren hat.
Wenn das aus den Gefässen getretene Blut nicht aus dem Körper nach aussen gelangt, so kann dasselbe verschiedenen Veränderungen unter­liegen, welche je nachdem für den Organismus eine gute oder eine üble Be­deutung haben. Das Extravasat kann in den Geweben oder in den Körper­höhlen entweder flüssig bleiben, oder, was weitaus das häufigste ist, es gerinnt. Geronnen gewesenes, dann erweichtes und bereits ganz verändertes Blut hat allerdings öfter zu der irrigen Ansicht Veranlassung gegeben, das Extravasat sei flüssig geblieben. Ist dies in Wirklichkeit der Fall, d. h. gerinnt das Blut nicht, wenn es die Gefässe verlassen hat, so sind folgende drei Fälle möglich:
A.nbsp; nbsp;Das Blut wird wieder resorbirt, indem zunächst das Serum in die Umgebung sich vertheilt, demnach die Blutkörperchen sich auflösen, und ihren Farbstoff an die benachbarten Gewebe abgeben. Das Serum wird hierauf in der Regel alsbald resorbirt, während der Farbstoff noch lange, zuweilen sogar dauernd zurückbleibt. Die Resorption des Extravasates erfolgt vorzugsweise dann, wenn das flüssige Blut zwischen die Gewebe inflltrirt ist.
B.nbsp; nbsp;Das Blut dickt sich ein, indem die Blutkörperchen alhnälig die tiefste Stelle des Extravasates einnehmen. Auch in diesem Falle wird das Serum mehr oder weniger vollständig resorbirt, so dass später an der betreffenden Stelle nur ein farbiger Beschlag zurückbleibt.
G. Das Blut geht in Fäulniss über.
Gerinnt das Blut, nachdem es die Gefässe verlassen hat, wie solches in der Regel zu geschehen pflegt, so erfolgt später die Trennung in Cruor und Serum. Letzteres kann peripherisch oder central gelagert sein. In ersterem Falle wird es leicht resorbirt, während dasselbe, wenn es im Inneren des geronnenen Fibrin's eingeschlossen ist, lange Zeit zurück bleiben kann. Das Extravasat ändert sich später in verschiedener Weise und zwar:
a. Es organisirt sich zu Bindegewebe, indem die weissen Blutzellen zu Spindelzellen auswachsen, welche mit ihren Ausläufern in Verbindung
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treten; während der Faserstoff direct in Bindegewebstibrillen sich ver­wandelt, die den Raum zwischen den Spindelzellen einnehmen. Man hat dieses gefasshaltige, meist zarte und verhältnissmässig in geringer Menge sich bildende Bindegewebe als lt; apoplectisches Narbengewebe gt; bezeichnet. In seltenen Fällen bleibt das Serum, wenn es im Fibrin central eingeschlossen wurde, in der neu entstandenen Bindegewebskapsel zurück; diesen Zustand hat man lt; apoplectische Cyste gt; genannt.
b.nbsp; Das Hämatin wandelt sich in Pigment um, indem die Blutkörperchen einzeln oder haufenweise einschrumpfen, oder indem ihr Farbstoff frei wird, in die Gewebe sich vertheilt und daselbst zunächst eine diffuse Färbung erzeugt; später schlagen sich Körner nieder und endlich können Krystalle entstehen. Die diffusen Pigmente sind stets braun, roth oder schwarz und werden im Laufe der Zeit allmälig resorbirt; die körnigen Pigmente sind gelb, braun, roth oder schwarz und verkleineren sich gewöhnlich etwas im Laufe der Zelt; die krystallinischen Pigmente sind gelbroth, roth oder schwarz und scheinen sich weiter nicht zu ändern. Jedes Organ besitzt eine besondere Disposition zur Hervorbringung bestimmter Farben.
Sobald das Extravasat gerinnt, entstehen im späteren Verlaufe fast immer Bindegewebe und Pigment, die indess ein viel geringeres Volumen einnehmen, als das Extravasat und die beide allmälig ganz beträchtlich, ja bis zum Verschwinden abnehmen können.
c.nbsp; nbsp;Das geronnene Extravasat trocknet ein, verdichtet sich und ver­kalkt. Diese beiden lezteren Vorgänge sind nicht häufig; denselben unter­liegen zuweilen grosse Extravasate in serösen Höhlen und in Schleimhaut­kanälen.
d.nbsp; Das geronnene Extravasat unterliegt, wenn gleich verhältnissmässig selten, der einfachen Erweichung. Dieser Vorgang ist im Ganzen ungünstig, weil die Erweichungsprodukte leicht einen deletären Charakter annehmen. Audi disponirt eine solche Einschmelzung des Blutgerinnsels keineswegs in dem Maasse zur Eesorptiou (des Extravasates), wie man vielfach ange­nommen hat. Eine besondere Geneigtheit hiezu ist nur- dann vorhanden, wenn das Extravasat flüssig bleibt uud die Blutkörperchen zuerst ihren Farbstoff abgeben, dann kleine dunkle Körper in sich entwickeln, allmälig immer mehr und endlich ganz verschwinden.
e.nbsp; nbsp;Wenn das geronnene Extravasat mit der äusseren Luft oder mit faulenden Stoffen in längere oder anhallende Berührung kommt, oder wenn ihm von Anfang an Fermentsubstanzen oder faulige Stoffe beigemengt waren, so tritt eine faulige Erweichung ein.
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Ein wirklich eiteriger Zerfall eines Extravasates scheint nicht vorzu­kommen ; dagegen kann im Umfange desselben ein Entzündungsprozess auf­treten, der bald zur Eiterung, bald zur Bindegewebsneubildung führt. Im letzteren Falle wird das Exsudat abgekapselt; im ersteren kann entwer der Eiter sich dem Extravasate beimengen, oder es kann dies von seiner Um­gebung abgelöst und völlig nekrotisirt werden.
Die Prognose ist von verschiedenen Verhältnissen abhängig, so dass dieselbe Blutung je nach Umständen eine sehr verschiedene Bedeutung hat. Es kommen hier besonders folgende Momente in Betracht:
1)nbsp; nbsp;Die Ursache, durch welche die vorhandene Blutung entstanden ist. Traumatische Blutungen sind bei sonst normalen Verhältnissen der Ge-fässe und des Gesammtorganismus im Allgemeinen von geringerer Be­deutung, als Blutungen, welche die Folge einer hajmorrhagischen Diathese sind. Es kommt dann aber ferner in Betracht, ob diese Diathese eine chronische oder eine acute, eine allgemeine oder eine örtliche, und im letzteren Falle, ob sie eine physiologische oder eine pathologische ist.
Bei acuter Diathese, z. B. bei Anthrax, Typhus etc. ist die Blutung an und für sich in der Regel weniger gefährlich, als die der Blutung zum Grunde liegenden Krankheitsprozesse.
2)nbsp; nbsp;Der Ort, an welchem die Blutung stattfindet. Innere Blutungen sind im Allgemeinen gefährlicher als äussere, weil durch jene leichter Func-tionsstörungen verursacht werden. Diese sind wiederum verschieden, je nachdem der eine oder andere Theil eines Organes oder Apparates von der Blutung betroffen wird. So z. B. ist eine Blutung an die Hirnoberfläche viel weniger gefährlich, als eine solche in die Hirnsubstanz; eine Blutung in das Nierenhecken ist weit gefährlicher als eine solche in die Harnblase etc. Aber auch die Dignität der von der Blutung betroffenen Organe überhaupt kommt wesentlich mit in Betracht; so z. B. sind Blutungen in das Gewebe der äusseren Haut weniger bedeutend als solche in das Gehirn, Rücken­mark, Lungen etc.
3)nbsp; nbsp;Die Menge des Blutverlustes. Dieselbe ist je nach der Thiergattung und Individualität von sehr verschiedener Bedeutung und hängt einestheils von dem Regnerationsvermögen jener, sowie von dem Blutreichthum dieser im Wesentlichen ab. — Im Allgemeinen sind Blutungen aus grossen Gefässen gefährlicher, als aus kleinen. Gleichwohl können auch aus diesen gefähr­liche Blutverluste zu Stande kommen, wenn nämlich viele kleine Gefässe gleichzeitig bluten (parenehymatöse Blutungen). Starke Blutverluste können abgesehen vom Orte des Ergusses und von der Entstehungsursache tödtlich werden, während kleine Blutungen an und für sich nur bei langer Dauer
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oder durch häufige Wiederholung eine Gefahr für das betreffende Individuum bedingen. In allen Fällen, wo in kürzerer oder längerer Zeit viel Blut verloren geht, kann der Tod in Folge acuter oder chronischer Ansemie und Hydrsemie eintreten. Wird das Gewebe eines edlen Organes zertrümmert, oder wird dessen Function durch Druck des Extravasates, oder durch Ver-schliessung der vorhandenen Canäle (z. B. in den Lungen durch Verstopfung der Bronchien) gestört, so kann der Tod apoplectisch erfolgen. Hierbei kommt wiederum in erster Linie die Dignität des betroffenen Organes mit in Be­tracht ; das Blutquantum, welches die Apoplexie hervorruft, kann je nach dem ein sehr verschiedenes sein.
4) Die Veränderungen des Extravasates. Dasselbe wird nur dann vollständig resorbirt, wenn das Blut in die Gewebe infiltrirt und nicht ge­ronnen ist. Also nur in diesem Falle ist von einer eigentlichen Heilung die Kede. Indess lassen auch die meisten Metamorphosen des Exsudates so wenig organisirte Massen zurück, dass diese entweder gar keine oder nur sehr geringfügige Funktionsstörungen verursachen. Die Grosse des Extra­vasates ist hierbei selbstverständlich von wesentlicher Bedeutung. Tritt eine faulige Zersetzung des geronnenen Blutes ein, oder entsteht in seiner Umgebung eine ausgedehntere Entzündung, so gestalten sich die Verhält­nisse ungünstiger.
Bei Behandlung der Blutungen hat man zunächst zu untersuchen, ob dieselben eine directe und absolute Lebensgefahr bedingen, oder nicht. Im ersteren Falle ist unter allen Umständen die Indication zur sofortigen Blut­stillung gegeben. Sogar bei kleineren Blutverlusten tritt diese Indication in den Vordergrund, wenn das betr. Individuum oder Organ selbst gegen solche sehr empfindlich ist. Bei spontanen Blutungen hat man die luemorrhagische Diathese allemal gebührend zu berücksichtigen, während bei traumatischen Blutungen diese Indication wegfällt. Unbedeutende Ilamiorrhagien stehen meist von selbst; auch grössere können unter gewissen Bedingungen (siehe Seite 166 und 196) spontan sich stillen. Ist dies geschehen, so hat der Arzt nur die Aufgabe, ihren Wiedereintritt zu verhindern und etwaigen ungünstigen Zufällen, welche durch das vorhandene Extravasat hervor­gerufen werden können, möglichst vorzubeugen.
Wo die Blutung Folge einer localen Hypersemie ist, kann die Unter­drückung derselben nachtheilig sein, insofern dadurch die örtliche Blutüber­füllung verlängert, oder eine Versetzung der Hyperaemie auf ein anderes, wichtigeres Organ stattfindet. Wenn demnach unter Umständen sogar die Wiederherstellung einer bereits unterdrückten Blutung nothwendig werden kann, so bleibt es gleichwohl eine Hauptaufgabe des Arztes, jede grössere
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Blutung, namentlich bei anaeniischen oder hydnemischen Individuen, zur rechten Zeit zu stillen. Ausserdem muss möglichst Sorge getragen werden, die etwa vorhandene fluxiouäre und hsemorrhagische Diathese zu mindern.
Die Blutstillung (Hsemostase) kann auf zwei verschiedenen Wegen zu Stande gebracht werden und zwar entweder durch Verschliessung der vor­handenen Gefässöffnung oder durch gänzliche oder theilweise Unterbrechung der Blutzufuhr zur blutenden Stelle. Jede Hülfe, welche in beiden Eich-tungen wirkt, ist bei dringender Gefahr besonders indicirt. Mittel, welche die Verschliessung des blutenden Gefässes bedingen, werden laquo;styptischeraquo; oder laquo;obstrairendegt; genannt. Zu denselben rechnet man zunächst die mechanisch wirkenden, wie Unterbindung, Durchsclüingung der Gefässe, Druck auf dieselben etc.; ferner die chemisch wirkenden, welche die Gerinnung des austretenden Blutes beschleunigen, wie z. B. alkoholische und adstringirende Stoffe, Glüheisen u. s. w.
Bei manchen Geschwülsten, Ulcerationen und Wucherungen kann eine zweckmassige Auswahl z. B. ein Aetzmittel, das Glüheisen, die Ligatur etc. ausser der Blutung auch gleichzeitig die sie bedingende Diathese beseitigen. Andererseits werden die mit dieser Behandlung verbundenen Anätzungen und Zerstörungen die Heilung verzögern, wie dies auch durch die Einlagerung der entstandenen Verbindungen des Blutes mit den betreffenden Arznei­körpern geschieht. Die Mittel, durch welche die Blutzufuhr vermindert oder aufgehoben wird, sind namentlich solche, welche den Blutdruck herabsetzen, wie z. B. Blutentziehungen, Futterentziehung, die Erregung antagonistischer Hypersemien, besonders blutreicher Organe (Vermehrung der Darmausscheidung, Hautreize etc.); ferner sind hier alle Medicamente indicirt, welche die Thätigkeit des Herzens vermindern (Digitalis, Aconit, Blausäure, die kühlenden Mittelsalze u. s. w.). Andere Substanzen wirken, indem sie Gefässcontractionen hervorrufen, wie z. B. Seeale cornutum, manche a;therisch-ölige und flüssige Stoffe, Sabina, 01. Terebinth. Creosot u. s. w. Auch haben verschiedene Salze, wie z. B. Chlornatrium, Natr. sulphuric. Magnes. sulphurica etc. bei innerlicher Anwendung sich einen grossen Ruf als Haemostatika erworben, ohne dass man bis jetzt bestimmt wüsste, wie diese Wirkung zu erklären ist.
Bei spontanen Blutungen bietet die Beseitigung oder Minderung der hsemorrhagischen Diathese unter Umständen die meisten Schwierigkeiten. Entweder handelt es sich hierbei um örtliche oder allgemeine Leiden, deren radicale Heilung in manchen Fällen nicht möglich ist. Man muss dann durch eine entsprechende Prophylaxis Recidiven möglichst vorzu­beugen suchen.
Ananuie und Hydriemie können sowohl als Ursache, wie auch als Folge-
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zustände von Blutungen die Aufmerksamkeit des Arztes in Anspruch nehmen. Gegen diese Zustände sind besonders die Eisenpräparate und eine gute und gleichzeitig leicht verdauliche Nahrung indicirt.
Weiteres über die Behandlung der Blutungen bei der Wundheilung.
C. Oertliche Störungen der Ernährung.
Die Ernährung der einzelnen Körpertheile beruht einestheils auf der beständigen Zufuhr von neuem Bildungsmaterial zu den Geweben und in der Assimilation desselben durch die Gewebselemente; anderntheils in einer entsprechenden Auflösung und Abfuhr verbrauchter Gewebsbestandtheile.
Als örtliche Ernährungsstörungen bezeichnet man demnach diejenigen Vorgänge und Zustände, durch welche in dem normalen Stoffwechsel eines Körpertheiles nach der einen oder nach der andern Seite hin das Gleich­gewicht gestört wird. Bekanntlich besitzen die Gewebe auf die im Blute kreisenden Stoffe eine verschiedene Anziehungskraft. Sind die in Folge derselben von den Geweben aufgenommenen Stoffe zu ihrer Ernährung geeignet, so werden bei einem Gleichgewichte in Aufnahme und Abfuhr die Ernährungsvorgänge normal sein. Tritt indess eine Störung dieses Gleichgewichtes ein, oder sind die von den Geweben angezogenen Stoffe zu ihrer Ernährung nicht geeignet, so treten Störungen in der Ernährung auf, die je nach den ihnen zu Grunde liegenden Ursachen eine verschiedene Richtung und Bedeutung haben können.
Ernährungsstoiungen können demgemäss mit Zunahme oder mit Ab­nahme des Volumens des betroffenen Theiles verbunden sein: sie können die Gewebselemente in Bezug auf ihre Qualität wesentlich unverändert lassen oder aber wesentlich verändern; ja sie können sogar zum örtlichen Tode der betroffenen Körpertheile führen.
Die Massezunahme eines Körpertheiles kann mit oder ohne numerische Vermehrung seiner Gewebselemente auftreten. Bleiben die histologischen Elemente der Zahl nach unverändert, so nennt man die Volumsvergrösserung lt; Hypertrophie gt;; dieselbe wird laquo; Hyperplasie gt; genannt, wo eine numerische Vermehrung der Gewebselemente der Massezunahme zu Grunde liegt. Beide Zustände haben in ihrem äusseren Effect eine so grosse Aehnlichkeit mit einander, dass die Unterscheidung in der Regel nur mit Hülfe des Micro-skopes möglich wird. Bei der numerischen Vermehrung der Gewebselemente können diese dem Typus des Matriculargewebes angehören, oder von dem-
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selben verschieden sein; im ersteren Falle bezeichnet man den Zustand als
lt;nbsp;einfache Hyperplasie gt;, im zweiten Falle als lt; heteroplastische Hyperplasie oder auch hyperplastische Heteroplasie. gt;
Einfache Hypertrophien kommen an den Muskeln, Nerven, Epithelien, insbesondere an Drüsen- und Bindegewebszellen, am häufigsten aber an Fettzellen vor. So z. B. verdicken sich die Primitivbündel eines Muskels in Folge massig erhöhter Leistung; das Herz wird hypertropMsch mit Zu­nahme der Widerstände in den Blutbahnen u. s. w.
Die Masseabnahme eines Körpertheiles tritt entweder mit oder ohne numerische Verminderung der Gewebselemente auf. Nehmen diese nur an Volumen, nicht aber der Zahl nach ab, so nennt man den Zustand laquo; Atrophie gt; beruht die Volumsverminderung auf einer Zerstörung der Gewebselemente (mit Detritusbildung), so wird der Prozess laquo;Nekrobiose gt; genannt. Als
lt;nbsp;Aplasie gt; aber bezeichnet man denjenigen Zustand, bei welchem ein nume­rischer Mangel an histologischen Gewebselementen ursprünglich vorhanden ist. Diese ist demnach eigentlich ein Bildungsfehler, während Atrophie und Nekrobiose regressive Prozesse sind, durch welche regelmässig gebildete Theile ihre normale Beschaffenheit einbüssen. Obgleich in diesem Punkte die beiden letzteren Prozesse übereinstimmen, so sind sie doch in Bezug auf die Art der eintretenden Rückbildung wesentlich von einander ver­schieden. Bei der Atrophie kann durch Herstellung einer normalen Er­nährung der verkümmerten Gewebselemente eine restitutio ad integrum erfolgen, während diese bei Nekrobiose nur durch Neubildung gleich­artiger Gewebselemente eintreten kann. Wo die Ernährungsstörung den örtlichen Tod zur Folge hatte, bezeichnet man den Zustand als lt; Nekrose gt; u. s. w.
Bevor wir diese Ernährungsstörungen näher betrachten, wollen wir uns zunächst mit einem Prozesse bekannt machen, der für die chirurgische Pa­thologie von der grössten Wichtigkeit ist und Ernährungsstörungen ver­schiedener Art bedingt. Es ist dies
Die Entzündnug.
Mit dem Worte lt; Entzündung gt; bezeichnet man einen Krankheitsprocess, der wegen seiner Complicirtheit sehr verschieden gedeutet und definirt worden ist, ohne dass es bis jetzt gelungen wäre, den vollen Begriff der­selben in einer kurzen Definition correct zusammenzufassen. Dieser Krank-heitsprozess ist wegen seiner ausserordentlichen Wichtigkeit für die ge-sammte Pathologie bereits seit früher Zeit fortgesetzt Gegenstand zahl­reicher Beobachtungen und Untersuchungen gewesen, ohne dass es bis heute
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gelungen wäre, alle bei demselben möglichen Vorgänge bestimmt zu er­klären, wenngleich in den letzten Jahrzehnten sehr wichtige Entdeckungen gemacht worden sind, die unsere Erkenntniss in dieser Richtung bedeutend gefördert haben.
Der Name lt; Entzündung gt; wurde in den ältesten Zeiten in die medi-cinische Wissenschaft eingeführt und ist wohl jedenfalls den allen acuten Entzündungen gefässhaltiger äusserer Theile zukommenden Erscheinungen der gesteigerten Temperatur (Entzündungshitze) und der vermehrten Röthe (beim Menschen) entnommen. In allen Sprachen finden wir für diesen Krankheitsprozess die gleiche Bezeichnung wieder und alle bisherigen Ver­suche, dieselbe durch ein Wort zu ersetzen, welches dem Wesen des Processes mehr entspreche, sind bis jetzt ohne den gewünschten Erfolg geblieben, Es soll desshalb auch hier der Name lt; Entzündung gt; beibehalten werden, weil es einen passenderen nicht gibt. Auch soll von einer Definition des Begriffes der Entzündung abgesehen werden, weil es unmöglich ist, eine solche zu geben, die bei der wünschbaren Kürze dennoch umfassend und correct wäre. Es dürfte zweckmässiger erscheinen, die wesentlichen Ent­zündungsvorgänge, so weit dieselben bis heute näher gekannt sind, über­sichtlich und in möglichst gedrängter Darstellung zu schildern. Dadurch wird am ehesten eine richtige und klare Einsicht in die Natur und das Wesen der Entzündung zu erlangen sein.
Je nachdem der Entzündungsprocess an Körpertheilen auftritt, die Blut-gefässe besitzen, oder an solchen, denen die Blutgefässe fehlen, gestalten sich die Vorgänge in entsprechender Weise verschieden. Wir werden diese sowohl an den gefässhaltigen, wie auch an den gefässlosen Geweben verfolgen müssen und wollen hier bei den ersteren anfangen.
Bei gefäss- und bluthaltigen Körpertheilen beginnt die Entzündung mit Hyperaemie des betreffenden Theiles; in ihrem weiteren Verlaufe führt sie stets zur Exsudation, nicht selten auch zur Eiterung, Neubildung oder zu verschiedenen Veränderungen, ja selbst zum Untergange der betroffenen Gewebe. Demgemäss hat die Entzündung bald nur eine geringere, bald eine grössere Störung, bald sogar eine vollkommene Destruction mit gänz­licher Aufhebung der Function zur Folge.
Schon Celsus (Aulus Cornelius), der unter der Regierung des römischen Kaisers Tiberius in den ersten Decennien nach Christus seine acht auf uns gekommenen Bücher lt; de medicina gt; schrieb, bezeichnete als die wesent­lichsten klinischen Merkmale der Entzündung (inflammatio) folgende vier:
Calor, Rubor, Tumor und Dolor, also: Hitze, Röthe, Geschwulst und Schmerz. Fügt man die Functionsstörung noch hinzu, so wäre damit gewissermassen eine klinische Charakteristik der Entzündung gegeben.
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Die.Entzündungshitze (Calor), resp. die Temperatursteigerung im entzündeten Körpertheile wird einestheils durch den grösseren Blutreich-thum, und bei fieberhaften Entzündungen auch durch die allgemein ver­mehrte Blutwärme, — anderntheils durch den local gesteigerten Stoffwechsel bedingt. Diese örtliche Temperatiirsteigerung kann drei bis vier Grad Celsius betragen, scheint iudess, soweit genaue Beobachtungen reichen, die allge­meine Blutwärme im Inneren (namentlich im Herzen) des Individuums nie zu übersteigen. (Der untersuchenden Hand des Thierarztes erscheint die Temperaturdifferenz zwischen gesunden und entzündeten Geweben zuweilen viel bedeutender; dies ist namentlich der Fall bei heftigen, acuten Ent­zündungen der Haut oder solcher Theile, welche nahe der äusseren Ober­fläche des Körpers gelegen sind). Die Hypersemie wird durch denselben Heiz hervorgerufen, der auch die Entzündung verursacht; sie ermöglicht den gereizten, in stärkerer Action befindlichen Gewebselementen die ver­mehrte Aufnahme von Bildungsmaterial. Indem dieselben mehr Blutbestand-theile aus den Gefässen anziehen, wird der Stoffwechsel und die Temperatur in loco gesteigert. Wo die allgemeine Körpertemperatur fieberhaft erhöht ist, da wird selbstverständlich auch die Temperatur des entzündeten Körpertheiles einen höheren Grad erreichen können, als in solchen Fällen, in welchen die Entzündung ohne Fieber verläuft.
Die Entzündungsröthe (Rubor) beruht immer auf einem grösseren Blutreichthume des entzündeten Theiles und variirt in verschiedenen Graden. Bei unseren Hausthieren ist dieselbe wegen Pigmentirung und Behaarung der Haut weniger deutlich wahrzunehmen, als beim Menschen; nur an äusserlich gelegenen Schleimhäuten und an solchen Körperstellen, wo die Haut dünn behaart und wenig oder gar nicht pigmentirt ist, tritt die Köthe bei Entzündungen der allgemeinen Körperdecke oder von Körper-theilen, welche in der Nähe der Körperoberfläche liegen, mehr oder quot;weniger deutlich hervor. Die Verschiedenheit der Röthe bietet für die Beurtheilung des Charakters der Entzündung keine zuverlässigen Anhaltspunkte.
Die Entzündungsgeschwulst (Tumor) wird einestheils durch den grösseren Blutreichthum und durch Schwellung der Gewebselemente, andern­theils durch Ex- und Transsudate, sowie durch Zellenwucherung, resp. Neubildung und Einwanderung von Lymphzellen bedingt.
Der Entzündungsschmerz (Dolor) wird vorzugsweise durch Druck und Spannung der Nerven, wahrscheinlich auch durch Störungen in der Ernährung, sowie durch die ursächlichen Entzündungsreize und durch die Entzündungsprodukte (pyrogene Substanzen) verursacht. Alle diese Verhält­nisse wirken auf die feinen Nerven-Fasern und -Enden, deren Sensibilität ohne diess schon gesteigert ist, als Reize ein. Der Grad des Schmerzes ist
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demnach von dem Grade der Entzündung, vom Nervenreichthume des ent­zündeten Gewebes, von der Stärke des Druckes, welchen das zwischen die Gewebselemente gesetzte Exsudat ausübt, und von der Eeizbarkeit des erkrankten Individuums abhängig.
Die Funktionsstörung ist die nothwendige Folge der Ernährungs­störungen und der Veränderung der anatomischen Verhältnisse des ent­zündeten Theiles. Dieselbe ist entweder in verschiedenen Graden vermindert oder ganz aufgehoben, so z. B. functionirt eine entzündete Drüse gar nicht oder unvollkommen, ein entzündeter Muskel contrahirt sich nicht, die ent­zündete Cornea ist weniger oder gar nicht durchsichtig u. s. w. Auch treten in Folge von Entzündung öfter Veränderungen in der Funktion ein, welche Pieflexerscheinungen, so z. B. bei Nasencatarrh: Niesen, bei Kehlkopfcatarrh: Husten und Heiserkeit, bei Mastdarmentzündung: Tenesmus, bei Harnblasen­entzündung: Blasenkrampf etc. hervorrufen. Obgleich demnach die Funk­tionsstörung ein wichtiges Symptom der Entzündung ist, so ist sie doch kein pathognomonisches Zeichen derselben, da sie auch allen anderen örtlichen Ernährungsstörungen zukommt.
Wir wollen nun zunächst die bei der Entzündung eintretenden localen Veränderungen der Reihe nach etwas näher verfolgen.
Auf die Einwirkung eines hinlänglich starken Entzündungsreizes erfolgt zunächst eine gleichmässige Erweiterung, sowie eine bedeutende Verlängerung der Arterien des betroffenen Körpertheiles, welche Vorgänge an der ge­reizten Froschzunge in etwa 2 Stunden ihren Höhepunkt erreichen und wodurch die Arterien etwa auf das Doppelte ihres normalen, ümfanges anschwellen. Die Erweiterung der Venen erfolgt viel langsamer, kann indess denselben Höhegrad erreichen, wie die Erweiterung der Arterien; eine Verlängerung derselben macht sich dagegen nicht bemerkbar. Die Stromgeschwindigkeit in den Blutgefässeu des entzündeten Gewebes ver­mindert sich im Verlaufe von einigen Stunden so bedeutend, dass man die einzelnen Blutkörperchen unterscheiden kann. An die Intima der Venen lagern sich allmälig immer mehr weisse Blutkörperchen an, bis sie schliess-lich die ganze innere Peripherie der Gefässwand bedecken. Nach einiger Zeit erscheinen dann an der Aussenwand der Venen kleine Erhebungen, welche allmälig grosser werden und schliesslich von der Vene sich ablösen. Es sind dies weisse Blutkörperchen, welche durch die unverletzte Gefäss-wand hindurch in die umliegenden Gewebe einwandern. Dieser Vorgang tritt nun aber weder bei allen Thieren, noch an allen Venen gleich schnell auf, sondern kommt bald schon nach einer halben Stunde, bald erst nach mehreren Stunden zur Beobachtung. Um dieselbe Zeit, wo die Arterien und Venen sich erweitern, tritt auch eine Erweiterung der Capillaren
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ein, welche aber niemals den Grad der Arterien- und Venen-Erweiterung erreicht, sondern sich stets auf 7/o bis 5/i des normalen Umfanges beschränkt. Der Blutstrom in den Capillaren ist stellenweise verlangsamt oder ganz sistirt, während derselbe an andern Stellen beständig mit normaler oder sogar vermehrter Geschwindigkeit fortbesteht. Früher glaubte man, dass bei jeder Entzündung eine Blutstockung (Stasis) in den Capillaren des ent­zündeten Theiles vorhanden sei. Eine solche Stase kann indess nicht in grossem Umfange und für längere Zeit bestehen, ohne dass Brand die noth-wendige Folge ist. Die massenhaften Ex- und Transsudate, welche z. B. bei Pleuritis öfters angetroffen werden, könnten bei andauernder Blut­stockung in den Capillaren selbstverständlich nicht zu Stande kommen; schon aus diesem Umstände allein ergibt sich, dass die Stasis nicht nothwendig zur Entzündung gehört. Es ist aber auch durch genaue microscopische Beobachtungen entzündeter Theile nachgewiesen worden, dass Stasen gewöhnlich bei Entzündungen fehlen. Dieselben sind vorzugs­weise asthenischen und torpiden Entzündungen eigen, die mit einer geringeren Energie der Herzaction und mit Neigung zur Mortification des Gewebes verlaufen. — Durch die Capillargefässwand treten ebenfalls weisse Blut­körperchen hindurch und wandern in die benachbarten Gewebe ein. Neben ihnen gelangen, wenn gleich in geringerer Anzahl, auch rothe Blutkügelchen nach aussen; dieselben haben indess keine selbstständige Bewegung und werden während ihrer Einkeikng in die Gefässwand nicht selten durch den Blutstrom zerrissen, so dass nur ein Theil derselben nach aussen gelangt, während der andere Theil von dem Blute weiter getragen wird.
In Folge dieser Vorgänge findet man nach einigen bis 24 Stunden die Capillaren gewissermassen in Blutkörperchen eingebettet. Die farblosen bleiben indess nur kurze Zeit in der Nähe der Gefässe liegen, sie werden jedoch während der ganzen Dauer des Prozesses stets durch neu austretende wieder ersetzt. Gleichzeitig tritt auch Serum und Plasma durch die Gefäss­wand hindurch, welches letztere bei seiner Gerinnung die rothen Blut­körperchen einschliesst. Diese entfernen sich nur in Folge einer stärkeren Exsudation von den Gefässen, da sie keine selbstständige Bewegung be­sitzen. Die weissen Blutkörperchen hingegen kriechen selbstständig in den Geweben weiter, indem sie nach Art der Amöben Fortsätze aussenden und diesen die übrige Körpermasse nachziehen.
Fassen wir nun die wesentlichsten Momente einer acuten Entzündung gefässhaltiger Theile zusammen, so ergeben sich als solche: Hypersemie, Unregehnässigkeiten im Blutstrome, Exsudation von Serum und Faserstoff, sowie Auswanderung von Blutkörperchen, namentlich farblosen.
Die Entzündung kann in diesem Stadium zurückgehen, oder es folgen
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den bisher erwähnten noch andere Vorgänge (Neubildung, Degeneration), die wir später näher besprechen werden. Im ersteren Falle wird das Exsudat resorbirt, die farblosen Blutkügelchen wandern in Lymphgefässe ein und werden so dem Blutstrome wieder zugeführt, während die rothen Blutkörperchen in der früher angegebenen Weise zerfallen.
An gefässlosen Theilen stellt sich zunächst eine vom blossen Auge be­merkbare Trübung und Schwellung ein, die mit einer vermehrten Zellen-proliferation in den Geweben verbunden ist. Alsbald aber treten in den nächsten Gefässen ähnliche Erscheinungen auf, wie die vorhin beschriebenen, so dass um die entzündete Stelle ein sogenannter Entzündungshof sich bildet, von dessen innerer Peripherie aus reichlich weisse Blutkörperchen in den gefässlosen Entzündungsherd einwandern, insofern das Gewebe dies gestattet. Die Ansammlung von jungen Zellen kann in Folge dessen so bedeutend werden, dass das ursprüngliche Gewebe durch dieselben ver­nichtet wird. Bei der Entzündung der Knorpel, (siehe Krankheiten der Knorpel), sind die Vorgänge, welche die Entzündung gefässloser Gewebe kennzeichnen, ausführlicher geschildert.
Die Exsudation ist der wichtigste Vorgang bei der Entzündung und fehlt bei derselben nie, obgleich sie der Quantität und der Qualität nach eine sehr verschiedene sein kann. Sie ist nicht selten die erste und an inneren Körpertheilen manchmal die einzige Veränderung, durch welche die Entzündung post mortem nachgewiesen werden kann. Quantität und Qualität des Exsudates sind wesentlich abhängig von dem Grade und dem Charakter der Entzündung, sowie von der Beschaffenheit der betroffenen Gewebe und des Blutes.
Eingetheilt werden die Exsudate in der Regel nach ihrem Sitze und nach ihrer Qualität. Dem Sitze nach unterscheidet man: das freie Exsudat, das interstitielle oder infiltrirte Exsudat und das parenchymatöse Exsudat.
1)nbsp; nbsp;Das freie Exsudat findet sich auf den freien Oberflächen der ver­schiedenen Häute; dasselbe reiht sich den normalen Secreten zunächst an.
2)nbsp; nbsp;Das interstitielle oder infiltrirte Exsudat findet sich zwischen den Gewebselementen, welche es, wenn sie weich sind, zertrümmert; sind da­gegen die Gewebe fester, so drängt es die Elemente nur auseinander.
3)nbsp; nbsp;Das parenchymatöse Exsudat sitzt in den Gewebselementen selbst, vorzugsweise in Epithel- und Drüsenzellen jeder Art, sowie in Bindegewebs­und Knochenkörperchen. Durch dasselbe quellen die Zellen auf, ihr Inhalt nimmt zu und wird durch Eiweissmolecüle stärker getrübt, als im Normal­zustande. Diesen Zustand bezeichnet man als lt; albuminöse Infiltration gt;. Streng genommen ist diese trübe Schwellung der Gewebselemente (vergleiche die Vorgänge bei der Knorpelentzündung) weder eine Infiltration, noch ein
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Exsudat, sondern das Resultat einer gesteigerten Aufsaugungsthätigkeit der Zellen, einer nutritiven Irritation dieser. Das Besondere des betreffenden Zustundes wird durch die Bezeichnung Virchow's lt; parenchymatöse Schwel­lungraquo; richtiger ausgedrückt. Nur insofern, als das von den Zellen aufge-noimnene Material früher die Gefässwände passirt hat, kann von einem Exsudate die Rede sein.
Nicht selten findet man zwei, ja selbst alle drei Arten des Exsudates zu gleicher Zeit in demselben Organe.
Die Quantität des Exsudates ist vorzugsweise abhängig von der In­tensität der vorhandenen Entzündung, sowie von der Beschaffenheit der betroffenen Gewebe und des Blutes, resp. von der Qualität des Exsudates.
Mit Rücksicht auf die Qualität unterscheidet man: seröse, schleimige, eiterige, blutige, fibrinöse, croupöse, diphtheritische und gemischte Exsudate.
11 Das seröse Exsudat ist von dem Blutserum nur dadurch unter­schieden, dass es ärmer an Eiweiss dagegen reicher an Wasser und gewöhn­lich durch einzelne farblose Blutkörperchen, seltener durch andere zellige Elemente, durch kleine Faserstotftheilchen, oder durch Fetttröpfchen ge­trübt ist.
2)nbsp; nbsp;Das schleimige Exsudat ist in Bezug auf Consistenz dem Schleime entweder gleich, oder es ist dicker, meist indess dünnflüssiger als nor­maler Schleim. Dasselbe kommt am häufigsten an Schleimhäuten vor und bestellt aus den von den Schleimhaut- und Schleimdrüsen-Epithelien in ver­mehrter Menge producirteu Schleimkörperchen *) und Schleimflüssigkeit, sowie aus Blutzellen und Flüssigkeiten, welche aus den betretl'enden Blut-gefässen stammen.
3)nbsp; nbsp;Das eiterige Exsudat schliesst sich den beiden sub 1 und 2 ge­nannten an; es zeichnet sich im Wesentlichen nur durch einen grössereu Gehalt an farblosen Blutzellen resp. Eiterkörperchen vor jenen aus. Da alle Exsudate diese Zellen in geringerer Menge enthalten, so gibt es keine feste Grenze;quot; an welcher man anfangen muss, dieselben als eiterige zu bezeichnen. In quot;Folge dessen sind dann noch die Uebergangs-Bezeich-nungen entständen, serös-eiteriges, schleimig-eiteriges Exsudat u. s. w. Aussei- den Eiterkörperchen enthält der Eiter in der Regel auch einzelne rothe Blutkörperchen, freie Kerne und zufällige Beimischungen, wie z. B. Epithelien, Gewebstriimmer etc.
Bei etwas längerer Dauer ist die Eiterung ein häufiger und wenn
•) Das Schleimkörperclieii ist eine grosse Eundzelle mit einem grossen Kerne und einem deutlichen Kucleolus: es ist der einkernigen Lymphzelle ähnlich.
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Substanzverluste gedeckt werden sollen, ein regelmassiger Ausgang der Ent­zündung. Je nachdem nun die Eiterung an den Oberflächen der Häute oder im Innern ihrer Lederhaut, oder aber im Parenchym der verschiedenen Organe auftritt, werden die weiteren Verhältnisse mannigfach variiren können. So ist z. ß. bei oberflächlichen (epithellalen, secretorischen) Eiterungen das Gewebe der betroffenen Haut für das blosse Auge entweder intact, oder es sind kleinere oder grössere Substanzverluste bemerkbar. Kleinere Substanzverluste betreffen in der liegel nur das Epithel resp. die Epidermis und werden lt; Erosionen gt; genannt; grössere Defecte hingegen betreffen auch die Lederhaut. Alle Eiterungen, welche an den Hautober-fläehen zu Tage treten und Substanzverlust der betroffenen Gewebe zur Folge haben, werden lt; Geschwüre gt; genannt. Dieselben können nun in Bezug auf Beschaffenheit und Charakter in den einzelnen Fällen wesent­liche und mancherlei Verschiedenheiten zeigen. (Ueber die eigentlichen Geschwüre sprechen wir später). Alle canalartigen Eiterungen, namentlich wenn sie aus tiefer liegenden Geweben an einer Hautoberfläche münden, werden lt; Fisteln gt; genannt. Ist der Eiter zwischen die Gewebselemente infiltrirt, so bezeichnet man diesen Zustand als laquo;eiterige oder purulente Infiltration^, oder bei grossein Serumgehalte des Eiters als laquo;purulentes Oedemgt;. Durch solche Infiltrationen werden die Gewebselemente anfangs nur comprimirt und auseinandergedrängt. Wird der Eiter indess nicht bald wieder entfernt, so erweichen und schwinden die Gewebselemente. Diesen Vorgang bezeichnet man als lt; eiterige Schmelzung gt;. Dieselbe kommt in den einzelnen Geweben in verschiedener Weise zu Stande; ist sie vollendet und der Eiter in einer neugebildeten und scharf begrenzten Höhle _ einge­schlossen, so nennt man den Zustand einen laquo; Abscess j. Die eitrige Infil­tration ist somit die Vorstufe des Abscesses.
Was die Entstehung des Eiters anbetrifft, so wissen wir bestimmt, dass das Eiterserum ausgetretenes Blutserum, die Eiterkürperchen, wenn nicht alle, so doch sicher zum grössten Theile, ausgewanderte farblose Blutkörperchen sind. Ob und in wie fern die Vermehrung von bereits vorhandenen Epithel-, Bindegewebs- und anderen Zellen an der Entstehung der Eiterkörperchen Antheil hat, ist noch nicht hinlänglich erforscht. Neuerdings soll die Umwandlung von sogenannten persistenten Zellen, z. B. von Bindegewebskörperchen, Hornhautkörperchen in bewegliche Zellen mit schliesslichem Untergange dieser, oder mit Vermehrung und Umwandlung derselben in Eiterkörperchen direkt beobachtet worden sein.
Von den Schleimkörperchen unterscheiden sich die Eiterkörperchen dadurch, dass diese kleine Rundzellen mit mehreren Kernen, dagegen ohne Kernkörperchen sind. Es ist indess wahrscheinlich, dass beide Zellenarten
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gleichen Ursprunges, d. h. nur verschiedene Entwicklungsstufen von Lymph­zellen sind.
Eiter ist weniger zähe und weniger fadenziehend als Schleim; zwar nähert sich in dieser Beziehung junger Eiter dem Schleime mehr, als alter. Stets aber fehlt dem Eiter der in der Intercellularflüssigkeit des Schleimes enthaltene SchleimstofF lt; das Mucin gt;. Dasselbe kann leicht erkannt werden, indem man es mit Alkohol mischt; bildet sich dann ein fadenförmiger und membranöser Niederschlag, dem spontan geronnenen Fibrin ähnlich, so zeugt dieses Verhalten für Mucin; setzt man demselben Wasser zu, so quillt es auf und wird wieder löslich.
Das Eiterserum enthält besonders Eiweissstoffe; Eiweiss wird durch Alkohol flockig gefällt und löst sich in später zugesetztem Wasser nicht wieder auf.
Die Disposition der einzelnen Gewebe und Organe zur Eiterbildung ist eine sehr verschiedene. So z. B. tritt an Schleim- und serösen Häuten leicht Eiterung ein, seltener in Muskeln und Knochen, sehr selten in der Schilddrüse u. s. w. Sie kommt überhaupt nur im Bindegewebe und in solchen Geweben vor, welche demselben in histologischer Beziehung nahe stehen. Der Grund hiefür liegt in dem communicirenden Canalsysteme, welches die Ausläufer der Bindegewebskörperchen mit einander bilden; in demselben kann die Wanderung der farblosen Blutkörperchen bequem vor sich gehen. Diese ist selbst im Knochengewebe durch die mit einander communicirenden Haversischen und Kalkcanälchen, trotz der starren Inter-cellularsubstanz möglich. Wir sehen demgemäss den Eiterungsprocess denn auch an Knochen auftreten, während derselbe am Knorpelgewebe zunächst unmöglich ist, weil die Knorpelzellen nicht mit einander communiciren und in der festen, ununterbrochenen Intercellularsubstanz die Wanderzelle nicht weiter kann; erst wenn die Intercellularsubstanz des Knorpels so verändert, d. h. für Wanderzellen passirbar geworden ist, kann Eiterung im Knorpel auftreten.
Wird Eiter längere Zeit im Körper zurückbehalten, so unterliegt er Veränderungen, welche sowohl das Serum, wie auch die zelligen Ele­mente desselben betreffen und die für das betheiligte Gewebe, ja selbst für die weitere Existenz des Individuum's von gefährlicher Bedeutung werden können.
Die wesentlichsten Schicksale des Eiters sind folgende:
a. Resorption, b. Eindickung, c. Verkalkung, d. Schleimmetamorphose und e. Verjauchung.
a. Die Eiterresorption kann in der Weise zu Stande kommen, dass die Eiterkörperchen zunächst fettig degeneriren und resorbirt werden; vielleicht
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kehren auch Eiterkörperchen durch die Lymphgefässe in den Blutstrom zurück und wandeln sich wieder in farblose BlutkörpBrehen um. Das Serum wird stets ohne Weiteres resorbirt. Nach Virchov und Anderen ist eine solche Aufnahme des Eiters in das Blut nicht nur fir dieses, sondern für den ganzen Organismus absolut unschädlich, indem dadurch niemals eine acute Dyscrasie des Blutes, eine Pyaemie entstehe! soll, wie man solches früher allgemein annahm und wie dies auch jetztnoch von Einigen nicht ohne Grund behauptet wird. (Hierüber wird beim Fieber noch aus­führlicher gesprochen werden). Am häufigsten wird Eitei resorbirt, wenn er in die Gewebe infiltrirt, oder als Abscess in denselben vorhanden, oder iu natürliche Körperhöhlen eingeschlossen ist.
b.nbsp; nbsp;Die Eindickung oder die sogenannte käsige Mitamoi-phose des Eiters besteht wesentlich darin, dass das Serum aufgesogm wird, während die zelligen Elemente Veränderungen eingehen, die ihre Resorption nicht begünstigen, oder ganz unmöglich machen. Dadurch wrd der Eiter in eine dicke, mehr oder weniger trockene, selbst käsige Maslaquo; von graugelber Farbe umgewandelt, welche mit dem gelben Tuberkel de grösste Aehn-lichkeit hat. Man bezeichnet diesen Vorgang deshalb auci wohl als lt;Tu-berkulisirungraquo; des Eiters.
c.nbsp; nbsp;Die Verkalkung betrifft meistens nur kleinere Eiterhierde; in grossen ist sie selten und erstreckt sich nur über einen kleineren Theil derselben. Sie kommt zu Stande in Folge von Einlagerung der bekainten Kalksalze iu die vorher eingedickten Eitermassen, und führt zur Bikung verschieden harter Concremente.
d.nbsp; nbsp;Die Schleimmetamorphose des Eiters, besonders derEiterkörperchen ist in grossen und kleinen Eiterhöhlen nicht selten.
e.nbsp; nbsp;Die Verjauchung oder Verwesung des Eiters konmt unter ver­schiedenen Veränderungen der Eiterkörperchen zu Stande. Ein Theil der­selben verliert seine Granulirung, während die Kerne leutlich bleiben; ein anderer Theil platzt; wiederum andere gehen die fettije Metamorphose ein und noch andere atrophiren einfach. Der so verändete Eiter, dessen Farbe, je nach dem Gehalte des Eiters an rothen Blutkörnerchen, zwischen blass und bräunlich changirt, wird laquo;Jauche gt; genannt. k.uf normale und pathologische Gebilde wirkt dieselbe corrodirend.
Zuweilen hat der Eiter keine gelbliche, sondern eine röthliche, bläuliche oder grüne Farbe. Eine röthliche Farbe verschielener Nüancirung ist in den meisten Fällen auf einen grösseren oder geriigeren Gehalt an rothen Blutkügelchen, resp. an Blutfarbstoff zurückzufihren. Dagegen rührt die blaue, seltener grüne Farbe von Vibrionen her, welche nach den Beobachtungen Luc ke's und Anderer durch unreines Verbandzeug auf die
#9632; :#9632;
'.; #9632; quot;=
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eiternde Wunde glaquo;bracht werden und nur in jenen sich vermehren. Es ist nämlich niemals der Eiter selbst, sondern stets nur das mit Eiterserum getränkte Verbandzeug blau oder grün gefärbt. *)
Schliesslich s;i noch bemerkt, dass der sogenannte specifische Eiter weder histologisci, noch chemisch in irgend einer Weise von anderem Eiter sich unterscheidet; die specifische Wirkung wird in neuester Zeit mikroscopischen Eirasiten zugeschrieben, die wegen ihrer ausserordentlichen Kleinheit zum Tieil noch weniger gekannt (und chemisch bis jetzt gar nicht nachweisbai) sind.
4)nbsp; nbsp;Das blutigt;e oder haemorrhagische Exsudat ist durch seinen grosseren Gehalt an rothen Blutkugelchen charakterisirt, so dass dadurch die Farbe desselben eine dxnkler- oder heller-rothe wird. Besteht das Exsudat fast ganz aus rothen Blutkörperchen, sind nur wenige weisse Blutkörperchen und gleichzeitig auch nur wenig Serum in demselben vorhanden, so nennt man dasselbe ein rein haemorrhagisches Exsudat. Stärkere Beimischungen dieser oder jener Substinz werden durch Zusatz eines entsprechenden Ausdruckes bezeichnet, so ;. B. serös-lnemorrhagisches, schleimig-haemorrhagisches, eiterig-, croupösj diphtheritisch-, fibrinös-hsemorrhagisches Exsudat u. s. w. Was diese Bezechnungen ausdrücken sollen, braucht wohl hier nicht erst erörtert zu wercbn.
Die Ursachen der hsemorrhagischen Exsudation liegen in verschiedenen, bei den Blutungin angegebenen Verhältnissen und ausseidem vielleicbt noch in gewissen Eigeithümlichkeiten mancher Epizootieen. Die Blutung erfolgt nun entweder nit der Exsudation der etwaigen Beimengungen gleich­zeitig oder nacl dieser; dieselbe tritt entweder in Folge Zerreissung der Gefässwandungei (per rhexin), oder ohne sichtbare Verletzung dieser (per diapedesin oder per anastomosin) ein. Dass die rothe Farbe eines Exsu­dates für sich allein nicht im Stande ist, die lisemorrhagisclie Natur desselben festzusiellen, liegt auf der Hand, da begreiflicherweise die Rothung auch von durchgbtretenem Blutfarbstoffe herrühren kann.
5)nbsp; nbsp;Das fibrhöse oder faserstoffige Exsudat verlässt die hypersemischen Gefässe in flüssger Form, gerinnt indess bald nach seinem Austritt in Faser- oder Baikaiform, indem es in seinen Lücken das Serum einschliesst. Ist der Gehalt ai Serum grosser, so bezeichnet man das Exsudat als ein serös-fibrinöses. Das Serum ist entweder klar oder trübe; fast immer sind dem Exsudate Elerkügelchen in verschiedener Menge beigemischt; ist ihre
*) Da in der Veterinärpraxis die offene quot;Wundbehandlung die gewöhnlichere ist, so kommt durch Vihrbnen blau oder grün gefärhter Eiter hei unsern Hausthieren nur selten vor.
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Anzahl eine grösse, so wird das Exsudat ein eiterig-fibrinöses genannt. Alle diese verschiedenen Formen des fibrinösen Exsudates kommen am reinsten an den freien Flächen seröser Häute vor.
Bis vor wenigen Jahren glaubte man, dass zur Entstehung von Ent­zündungen , namentlich zu solchen, welche ein fibrinöses Exsudat liefern, eine sogenannte hyperinotische Krase vorzugsweise prädisponire, ja dass diese jene sogar hervorrufe und dass die fibrinöse Exsudatioa für das Blut eine depuratorische Bedeutung habe. Jetzt indess wissen wir, dass im kreisenden Blute kein Fibrin fertig vorhanden ist, sondern dass dasselbe erst in den Geweben (oder an anderen Oberflächen) gebildet wird. Diese Fibrinbildung kommt dadurch zu Stande, dass die im Blute vorhandene fibrinogene Substanz mit der fibrino-plastischen unter Bedingungen zusammen­kommt, wo diese auf jene ihre Wirkung auszuüben im Stande ist. Ausser der atmosphärischen Luft wirken auch verschiedene Körpergebilde fibrino-plastisch, wie z. B. Zellen und deren Inhalt, Schleim, Eiter, rothe Blut­körperchen etc. Das Blut würde demnach schon in den Gefässen gerinnen, wenn nicht der vitale EinÜuss der Gefässwand die fibrinoplastische Wirkung der rothen Blutkörperchen auf die fibrinogene Substanz des Blutes ver­hinderte. Die Gefässwand übt somit eine antilibrinoplastische Wirkung aus; diese ist auch noch anderen Körpergebilden, so namentlich dem Sehnen- und Knorpelgewebe eigen.
Obgleich nun bei manchen Entzündungen, wie z. B. bei Pleuritis mehr fibrinogene Substanz ausgeschieden wird, als die gesammte Blutmenge des Körpers unter normalen Verhältnissen enthält, so wird dennoch durch diese reichliche Exsudation das Blut nicht ärmer, sondern reicher an fibrinogener Substanz. Dies ist besonders der Fall bei Entzündungen solcher Organe, welche reich an Lymphgefässen und Venen sind, wie z. B. Pleura, Lunge. Da die fibrinogene Substanz des Blutes in Folge von Entzündung genannter Organe sich demnach schnell beträchtlich vermehren kann, die fibrino­plastische (die rothen Blutkörperchen) hingegen dies nicht können, so folgt mit Nothwendigkeit, dass in solchen Fällen das Blut, welches aus den Gefässen gelassen wird, Aderlassblut etc. langsamer als gewöhnlich gerinnt, somit eine dickere laquo;Crusta inflammatoria gt; absetzen wird. Der Grund hierfür liegt selbstverständlich darin, dass im Verhältnisse zur fibrinogenen Substanz zu wenig fibrinoplastische im Blute vorhanden ist, um jene beim Austritt aus der Ader schnell in Fibrin umwandeln zu können.
Ausser an den serösen Häuten kommt das (rein) fibrinöse Exsudat in anderen Organen sehr selten vor. (Man darf nur die croupösen Exsudate nicht mit jenen verwechseln). Beimischungen von Faserstoff finden sich hingegen nicht selten, besonders in serösen Exsudaten und zwar nicht nur
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auf serösen Häuten, sondern auch in den entzündlichen Exsudationen der äusseren Haut und der Schleimhäute.
Bezüglich der Metamorphosen des Faserstoffes sei im Allgemeinen auf das früher hei der Thrombose und Blutung Gesagte verwiesen; nur das Vertrocknen, Verhornen oder Verschrumpfen soll hier noch kurz besprochen werden. Dieser Vorgang kommt blos an kleinen Mengen Faserstoff zur Beobachtung. Berselbe wird allmälig härter und trockner, lässt sich nicht mehr in feine Fibrillen, sondern nur in schollenähnliche Fragmente zer­spalten. Essigsäure verliert immer mehr ihren Einfluss auf ihn.
6) Das croupöse Exsudat wird wegen gewissen Aehnlichkeiten vielfach mit dem faserstoffigen verwechselt, oder wohl gar indentificirt; es ist indess sowohl hinsichtlich seiner histologischen Beschaffenheit, wie auch hinsicht­lich seiner Entstehung wesentlich von demselben verschieden.
Das croupöse Exsudat findet sich fast ausschliesslich auf häutigen Gehilden, welche einen Ueberzug ächter und meist geschichteter Epithelien haben. Lieblingssitz desselben sind gewisse Stellen der Schleimhäute, namentlich der Gaumen und Rachen, die Luftröhre, Bronchien, Lungen-alveolen, Harnkanälchen u. s. w. Es bilden sich an den croupös entzündeten Stellen hautartige Ueberzüge, welche anfangs der Obertiäche der betroffenen Hautstellen ziemlich fest aufsitzen und erst nach einiger Zeit von diesen sich lösen. Derartige häutige Ueberzüge werden lt; Croupmembranengt; genannt und sind, je nach dem Orte ihres Vorkommens bald flächenförmig, bald röhrenförmig u. s. w. Das croupöse Exsudat ist eine dem frisch geronnenen, von rothen Blutkörperchen freien Faserstoffe ähnlich aussehende Substanz, welche anfangs eine grauweisse, später eine mehr in's Gelbliche oder Schmutzige spielende Farbe zeigt. Es breitet sich entweder gleichmässig oder unregelmässig netzförmig über die betroffene Oberfläche aus, ist wenig durchsichtig und anfangs ziemlich bedeutend-, später wenig elastisch. Diese Croupmembran ist nun nichts weniger als eine einfache Faserstoffgerinnung. Dieselbe besteht aus einem dichten Netzwerk, dessen Lücken meist eine rundliche Form haben und mit Serum, Eiterkörperchen, freien Kernen, zuweilen auch von Epithelzellen und in manchen Fällen von rothen Blut­körperchen erfüllt sind. Die genannten zelligen Elemente können der Zahl nach in mannigfachem Wechsel neben dem Serum in dem Netzwerke auf­treten. Die Oberfläche desselben ist anfangs noch von der obersten Epithel­lage der betroffenen Membran bedeckt; später jedoch ist sie unbedeckt oder von mikroscopischen Pilzen überzogen. Die untere Fläche des Netzwerkes grenzt entweder an die nicht veränderte unterste Epithellage, oder unmittel­bar an die Oberfläche der hypersemischen oder zellig infiltrirten Schleimhaut. Das Netzwerk selbst nimmt also die Stelle des Epithels ein und ist aus
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einer eigenthümlichen Metamorphose desselben entstanden. Während bei der gewöhnlichen Eiterung an Hautoberflächen die Epithelien erweichen und schnell zu Grunde gehen, werden sie in Folge der croupösen Ent­zündung in eigenthümlich durchbrochene Massen umgewandelt, deren Reste das resistente, geronnenem. Faserstoffe ähnliche Netzwerk bilden. Ebenso wesentlich als demnach das croupöse Exsudat von dem fibrinösen unter­schieden ist, eben so wenig sind Diphtherie und Croup wesentlich gleiche Processe. *)
Croup ist eine entzündliche, nicht ansteckende Localerkrankung, während Diphtheritis eine allgemeine, ansteckende, meist seuchenartige Infections-krankheit ist, welche zur Nekrose der befallenen Gewebselemente führt. In reinen Fällen von Group zeigt hingegen die Lederhaut ausser Hyperaemie keine pathologischen Veränderungen. Es erfolgt demnach nach Ablauf des croupösen Processes eine vollständige Ilestitutio ad integrum, wenn nicht durch Nebenumstände der Tod des Individuums herbeigeführt wird, wie dies namentlich häufig bei Croup der ßespirationsschleimhaut in Folge von Erstickung zu geschehen pflegt.
7) Das diphtheritische Exsudat. Bis in die neueste Zeit galten Croup und Diphtherie für wesentlich gleiche und nur local verschiedene Processe. Man betrachtete den Croup als einen Entzündungsprocess der Hautober­flächen, bei welchem das faserstoffige Exsudat auf die Oberfläche gesetzt werde; die Diphtherie hielt man ebenfalls für einen Entzündungsprocess, bei welchem das faserstoffige Exsudat in das Gewebe der Lederhaut er­gossen werde, daselbst einen Druck auf die Gefässe ausübe, in Folge dessen Gewebsnekrose eintrete. Schon die infectiöse Natur der Diphtherie musste indess bald darauf hinweisen, dass denn doch noch anderweitige, als rein örtliche Verschiedenheiten zwischen Diphtherie und Croup vor­handen seien. —Nach Virchow handelt es sich bei Diphtherie nicht um eine faserstoffige Exsudation, sondern um einen Zerfall der Gewebselemente in Folge einer Anfüllung, namentlich der Zellen.. mit einer trüben Substanz, unter Freiwerden von Fett. — Nach Buhl und Wagner besteht die diph­theritische Infiltration aus Zellen und besonders aus freien Kernen; erstere
•) Croupöse Entzündimgen in der Luftröhre können künstlich durch Einbringen einiger Tropfen Ammoniak auf die Luftröhrenschleimhaut hervorgerufen werden; beim reinen Croup fehlen alle jene furchtbaren Zerstörungen, welche die Diphtherie charak-terisiren und die dem Virus des Mikrokoccus zugeschrieben werden müssen.
Oertel gibt an, dass die „ Mikrokoccusschwärmerquot;, d. i. der Mikrokoccus in beweg­lichem Zustande, in die jungen Exsudatzellen der Cronpmembranen eindringen, sich innerhalb derselben bewegen und deren Plasma verzehren; indess zweifelt er für einzelne Fälle selbst an der Richtigkeit dieser Beobachtung.
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sind den farblosen Blutkügdchen analog. Das Hauptgewicht wird auf die Menge der Kerne und auf die dadurch hervorgebrachte Antemie und Nekrose gelegt.
In neuerer Zeit ist nun ausserdem das Vorkommen von Pilzen bei diphtheritischen Processen fast regelmässig beobachtet worden. Zwar be­stehen noch Meinungsverschiedenheiten darüber, ob der Pilz nur ein zu­fälliger Befund, oder ob derselbe die Ursache der localen, sowie der nicht selten mit dieser verbundenen allgemeinen Erkrankung sei. In den obersten Lagen mehrschichtiger Epithelien kommt ein Pilz bei Diphtherie constant vor; man hat denselben lt; Micrococcus diphtheriticus raquo; genannt. Seine Elemente sind so klein, dass sie leicht für Gewebsdetritus gehalten werden können. Innerhalb der eigeuthümlich gestalteten Epithelien finden sich nach Nassilo ff die Pilze am zahlreichsten in den Kernen und um dieselben; nach der Peripherie hin nehmen sie ab, kommen indess auch noch in den dicken Zellenausläufern vor.
Oertel hat die ungeheure Verbreitung des Mikrokoccus diphtheriticus nachgewiesen; nach ihm findet sich derselbe ausnahmslos in allen Fällen diphtheritischer Erkrankung in dem Gewebe der zunächst ergriffenen Schleim­häute der Luftröhre und des Kehlkopfs, nicht minder aber in den Lymph-gefässen und dem die Lymphgefässe umgebenden Netze, zwischen den Maschen des Bindegewebes und der Fettzellen, ebenso aber auch in den Nieren und im Muskelgewebe, sowie im Blute selbst.
Der Diphtheriepilz besteht aus eirunden, körnchenförmigen Zellen, welche einzeln, oder häufiger paarweise, oder zu 4-G rosenkranzförmig zusammenhängen; dann aher auch in ungeheurer Vermehrung colonieförmig auf der Oberfläche und in den Gewebsinterstitien der erkrankten Organe wuchern und kugelige Ballen, cylindrische oder streifenförmige Nester bilden.
Die Hauptbedeutung der Oertel'schen Untersuchungen liegt in dem Nachweis, dass durch die Mikrokoccus-Colonien alle Gewebe, auch die Muskelfasern, welche sie überspinnen oder durchwuchern, degenerirt und zerstört werden; die Pilz Wucherungen verbreiten sich insbesondere über die Schleimhaut der Trachea; belagern die Zellen, dringen namentlich in junge Exsudatzellen ein und führen durch ihr Verhalten eine allmälige Auflösung derselben herbei; sie erfüllen die Saftcanälchen und Lymph-getässe und bewirken auf mechanische Weise eine Aufstauung der ab­strömenden Gewebsflüssigkeit, die zu serösen Exsudaten führen muss; indem sie die Capillargefässe verstopfen, bewirken sie auch Stauung in der Blutcirculation, welche bedeutende Ernährungsstörungen in den Wandungen der Capillaren und selbst Zerreissen derselben hervorruft. Ebenso sind
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bei hochgradiger Erkrankung ungeheure Massen voe Pilzen in den Harn-canälchen und Malpighischen Knäueln der Nieren angehäuft, was eine all­gemeine Erkrankung dieser Organe zur Folge hat; der Harn ist ausser-ordentlich reich an fraglichen Pilzen und scheidet dieselben aus dem Orga­nismus aus. Durch Eliminiren der Mikrokoccuszellen mit dem Harn kann ein allmäliger Heilungsprocess eingeleitet werden.
Die Diphtherie tritt zwar in der Regel zunächst in den Schleimhäuten der Trachea auf, weil diese dem Angriffe der Mikrokoccuskeime, die ohne Zweifel durch die Luft übertragen werden, zunächst ausgesetzt sind; aber die Versuche von Oertel an Thieren haben gezeigt, class durch Impfung der mit, Mikrokoccusballen inficirten Exsudate in subcutanen oder offenen Wunden der verschiedensten Körpertheile ausnahmslos eine diphtheritische Erkrankung erregt wird.
Die Diphtherie ist demnach nicht ein blos localer Krankheitsprocess. wenn Sie auch als solcher beginnt; sie ist eine allgemeine Infectionskrank-heit, welche vom Infectionsherde sich radienförmig über den ganzen Körper ausbreitet und alle Zeichen einer Blutvergiftung trägt. Das Gift geht aber aus von einem Contagium, dessen Träger, wie die Impfversuche zeigen die Mikrokoccuszellen sind. Die Wirkungen dieser Organismen sind spezifisch verschieden von dem gewöhnlichen Fäulnissferment, da Impfungen mit fauligen Stoffen nie im Stande waren, diphtheritische Erscheinungen her­vorzurufen.
Vielleicht wäre es dem Vorstehenden gemäss richtiger, die Diphtherie bei den nekrobiotischen Processen, als bei der Entzündung zu besprechen Klebs und Andere sind der Ansicht, dass als eigentliche Entztindungserreger vorzugsweise, wenn nicht ausschliesslich, mikroscopische Organismen in Betracht kommen. Hüter hat seiner . Allgemeinen Chirurgie gt; (Leipzig 1873) die Monadentheorie zu Grunde gelegt, derselbe sagt Seite 38: lt;Die Entzündung ist eine Epidemie ohne zeitlich eingeschränkte Dauer welche ungefähr über die ganze Erde verbreitet ist. Das Miasma derselben ist jedoch an verschiedenen Orten und zu verschiedenen Zeiten in sehr ver­schiedener Quantität und Qualität in der Luft vorhanden.raquo; — Ich habe des­halb die Diphtherie zunächst nicht anderswo einreihen wollen; weitere Forschungen werden uns über die Bedeutung der kleinsten Organismen als Krankheitserreger zunächst noch genauere Aufschlüsse bringen müssen.
8)quot; Die gemischten Exsudate. Alle Exsudate sind eigentlich immer gemischte, wie dies bereits erwähnt wurde; kein Exsudat tritt ohne irgend eine Beimengung anderer, als der ihm den Namen gebenden Substanzennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i
aut. Die verschiedenen Bezeichnungen für die stärkeren Beimengungen
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wie z. B. schleimig-eileriges Exsudat etc. ergeben sich aus dem früher Ge­sagten von selbst. (Siehe Seite 54 und 58.)
Bis jetzt haben wir als die wesentlichsten Momente der Entzündung die Hyperaemie und die Exsudation, incl. der Emigration der Blutkörperchen erwähnt und näher besprochen. Diese Vorgänge sind denn auch für sich allein im Stande, den Entzündungsprocess zu charakterisiren. Häufig in-dess schliesst derselbe mit diesen Veränderungen nicht ab, insofern die Rückbildung der Entzündung keinesNvegs immer nach Eintritt der Exsu-datiou beginnt, resp. ohne Weiteres zu Stande kommt. In solchen Fällen sehen wir denn als weiteres und zwar als drittes Ilauptmoment der Ent­zündung die Neubildung auftreten.
Die entziiiidlielie Geucbsneuhilduiig. Dieselbe ist weniger constant, als die Hypertemie und die Exsudation. Sie kommt vorzugsweise nach vor­ausgegangenen Verletzungen, namentlich wenn dieselben mit Substanzver­lust verbunden sind, als sogenannte Regeneration oder Narbenbildung vor;*) auch wird sie ohne Verletzungen an gewissen Körpertheilen, z.B. an serösen Häuten, oder im Gefolge mancher chronischer Entzündungen, sowie im Gefolge degenerativer und destruetiver Vorgänge bei Entzündungen fast jeder Art öfter angetroffen.
Am verbreitetsten tritt d.e Bindegewebsneubildung auf, indem dieselbe unter entsprechenden Verhältnissen fast an allen Körperstellen vorkommt. Nicht selten kommen Bindegewebsneubildungen auch ohne Entzündungs­vorgänge zu Stande. — Am häufigsten sind Neubildungen von Epithelien jeder Art, sowie von Drüsenzellen und zwar unter normalen, wie unter abnormen Verhältnissen. Von allen Neubildungen soll hier zunächst nur eine besprochen werden, und zwar die Bildung von Pseudomembranen auf serösen-, seltener auf Synovial- und Schleimhäuten in Folge sogenannter adhäsiver Entzündungen.
In erster Linie interessiren uns die fraglichen Neubildungen der Synovialhäute.
Bei den adhäsiven Entzündungen dieser Häute entsteht an den be-troifenen Stellen (sowie auch an Stelle des Gelenkknorpels) schnell ein sehr gefässreiches Granulationsgewebe. Die neu gebildeten Gefässe wachsen aus den gegenüberliegenden Wandungen einander entgegen und vereinigen sich. Ein Theil der Gefässe bildet sich zurück, während ein anderer Theil dick­wandiger und weiter wird. Gleichzeitig entsteht aus dem Granulations­gewebe Bindegewebe, welches die gewöhnliche Narbencontraction eingeht. Die Gelenkhöhle geht damit ganz oder theilweise verloren.
*) Siehe Wundheihmg per seeundam intentionem.
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An serösen Häuten kommt öfter eine Wucherung jugendlichen Binde­gewebes vor, welche bis in die neueste Zeit als ein Faserstoff-Exsudat an­gesehen wurde. Bei microscopischer Untersuchung findet sich zunächt die Serosa gequollen und reichlich mit Kernen versehen; auf ihr sitzt eine gefässhaltige Schicht, welche aus runden oder aus spindelförmigen Zellen und aus Kernen, sowie aus einer deutlich faserigen oder homogenen Inter-cellularsubstanz besteht; über dieser liegt eine gefasslose, zellenarme, aus homogenem Faserstoff bestehende Schicht, die stellenweise mit fettig oder schleimig metamorphosirten Epithelzellen besetzt ist. Die beiden unteren Schichten gehen allmählig in einander über, während die obere meist scharf sich abgrenzt. Die Gefässe sind in der Leiche in der Regel blutleer, woher das faserstoffähnliche Aussehen dieses neugebildeten Gewebes kommt. Neben demselben ist mehr oder weniger Serum vorhanden, welches zum grössten Theile aus den neugebildeten Gefässen herrührt. Aus diesem Serum scheidet sich in manchen Fällen, namentlich beim Zutritt der atmosphärischen Luft, Fibrin ab, welches gewöhnlich in der Flüssigkeit schwimmt. Am häufigsten scheint aucli dieser Faserstoff das Product der neugebildeten Gefässe zu sein.
Eine Neubildung von cytogenem Gewebe in Folge von Entzündung kommt an den solitären Follikeln der Eachenschleimhaut und des Darmes sowie an den Tonsillen und Lymphdrüsen nicht selten vor. Sie betrifft bald nur die rein zelligen Elemente, welche dann schliesslich meist der Atrophie mit oder ohne Ulceration verfallen; bald jedoch betrifft sie auch gleich­zeitig das zarte Gerüst, wonach oft bleibende sog. Hypertrophieen ent­stehen; bald betrifft sie nur das Gerüst und die gewöhnlichen Bindegewebs-scheidewände.
Das letzte Hauptmoment der Entzündung bildet die Degeneration; dieselbe fehlt niemals, ist indess häufig so gering, dass die entzündeten Gewebe vollkommen zur Norm zurückkehren. Dies ist namentlich der Fall bei der albuminösen Infiltration, wenn dieselbe nicht zu hohe Grade erreicht, wahrscheinlich auch bei den geringen Graden der serösen Infiltration und der fettigen Metamorphose. — Bei den sogenannten catarrhalisehen Entzündungen, wo neben vermehrter Schleiraproduction und meist geringer Eiterung die Epithelien entweder gar nicht, oder nicht bis in die untersten Lagen zu Grunde gehen, werden dieselben rasch wieder regenerirt.
In anderen Fällen jedoch sind die degenerativen Processe bei Ent­zündungen so bedeutend, dass eine Eestitutio ad integrum unmöglich ist; so z. B. in den höheren Graden der albuminösen und serösen Infiltration, der fettigen und croupösen Metamorphose, der schleimigen Erweichung.
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Die betroffenen Gewebstheile gehen in Folge solcher Degenerationen zu Grunde; es hängt dann weiterhin von der Dauer und Beschaifenheit der Entzündung, von der Art des betroffenen und von dem Grade der Be­theiligung des benachbarten (namentlich des Matricular-) Gewebes ab, ob die verloren gegangenen Gewebstheile regenerirt werden. Dies geschieht bei den meisten Epithelien, bei Knochen und zuweilen bei Muskelfasern, während beim Drüsengewebe, beim Nervengewebe (Ganglien) ein bleibender Defect fortbesteht, insofern der Substanzverlust nur durch Narbengewebe gedeckt wird.
Die degenerative Seite der Entzündung tritt am deutlichsten hervor bei vielen epithelialen Geweben, am Gehirn- und Rückenmarke, am Muskel-und Knochengewebe. Sie ist ferner vorwiegend bei vielen sogenannten chronischen Entzündungen, wo neben einer Neubildung von Bindegewebe häufig ein Untergang der darin eingeschlossenen Elemente drüsiger oder nervöser Natur stattfindet.
Mehrere degenerative Entzündungsformen, sowohl in Weichtheilen als n Knochen, gehen ohne scharfe Grenze in Brand über. Theoretisch sind beide Processe ganz verschieden; in der Praxis aber beobachtet man viel­fache Zwischenstufen derselben. (Näheres hierüber bei der Nekrose).
Allgemeine Krankheits-Symptome fehlen bei geringer Ausbreitung und Intensität der Entzündung in der Regel. Das Blut von Thieren, welche an Entzündung eines Körpertheiles leiden, ist stets durch absolute und relative Zunahme fibrinogener Substanz, resp. durch das Auftreten der so­genannten laquo; Crusta inflammatoria gt; des Aderlassblutes characterisirt. Gleich­wohl sind die Schlüsse, welche man früher aus dem Vorhandensein dieser Haut auf die Existenz der Entzündung überhaupt, aus der Grosse, Dicke und Festigkeit jener auf die Intensität dieser machte, nicht durchgehends berechtigt, da fragliche Haut auch bei Thieren (namentlich bei Pferden) vorkommt, welche nicht mit Entzündung behaftet sind.
Zu manchen, besonders zu ausgebreiteren und intensiveren Entzün­dungen gesellt sich Fieber, d. h. Steigerung der allgemeinen Blutwärme, eine vermehrte Puls- und Atherafrequenz etc. hinzu. Die Höhe des Fiebers steht zur Höhe der Entzündung keineswegs immer in geradem Verhältnisse. (Für die Diagnose innerer Entzündungen ist das Fieber nicht selten von grossem Werthe. (Siehe Näheres über das Fieber im III. Abschnitte.)
Ausserdem treten häufig noch weitere allgemeine Entzündungssymptome, so. z. B. bei lange andauernder Eiterung allgemeine Ansemie, Speckentartung von Milz, Leber, Nieren u. s. w.; bei diphtheritischen Processen schweres Allgemeinleiden, Lähmungen etc. hinzu.
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Die Ausgänge der Entzündung sind: Zertheilung, Resolution, örtlicher oder allgemeiner Tod und bleibende Ernährungsstörungen in Eolge von Adhäsionen, Iticlurationen, Degenerationen etc.
Eintheilung der Entzündungen.
Dieselbe gründet sich auf verschiedene Momente und zwar auf 1) die Dauer, 2) die Ursachen, 3) das Vorwiegen bestimmter Elementarprozesse und 4) auf den Charakter der Entzündung.
1)nbsp; Mit Bezug auf die Dauer unterscheidet man: a. acute und h. chro­nische Entzündungen.
2)nbsp; nbsp;Mit Bezug auf die Ursachen unterscheidet man: a. traumatische, h. toxische, c. dyskrasische, d. metastatische, e. rheumatische, f. virulente (d. h. durch Contagien oder Miasmen entstandene) und g. hypostatische Entzündungen. *)
3)nbsp; Nach dem Vorwiegen einzelner Elementarprozesse unterscheidet man: a. congestive, h. exsudative, c. productive, cl. degenerative und e. spezifische Entzündungen.
4)nbsp;Nach dem Charakter unterscheidet man : a. sthenische und asthenische und b. active und passive Entzündungen.
1)nbsp; nbsp;Nach der Dauer.
a. Acute Entzündungen verlaufen schnell, indem der Entzündungsreiz nur kurze Zeit einwirkt und nach Beseitigung desselben die Entzündungs­prozesse bald zum Abschlüsse gelangen.
h. Chronische Entzündungen sind von längerer Dauer; die Entzündungs­prozesse werden entweder durch die andauernde Einwirkung des ersten Entzündungsreizes unterhalten, oder es treten neue Reize auf, zu denen nicht selten die Entzllndungsproducte mitzählen.
2)nbsp; nbsp;Nach den ätiologischen Momenten.
a. Die traumatischen Entzündungen sind im Allgemeinen am günstigsten resp. am sichersten zu beurtheilen, weil ihre Ursachen meist klar zu Tage liegen und in der Regel mehr oder weniger leicht beseitigt werden, können. Auch treffen sie oft einen sonst gesunden Organismus. Gleichwohl ist die Beurtheilung derselben je nach dem Grade der vorhandenen Quetschung und Gewebszertrümmerung eine sehr verschiedene.
*) Wo eine veranlassende Ursache nicht zu ermitteln ist, nennt man die Entzündung eine idiopathische, genuine oder spontane.
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Im weiteren Sinne sind auch Entzündungen, welche durch die Ein­wirkung fremder Substanzen in den Geweben hervorgerufen werden (z. B. durch Blasensteine etc.) als traumatische zu betrachten.
h. Toxische Entzündungen sind solche, welche durch Einwirkung eines Giftes entständen sind. Den Uebergang von den traumatischen zu den toxischen Entzündungen bilden einerseits gewisse Parasiten, andererseits die Aetzmittel. Durch diese verursachte Entzündungen characterisiren sich durch die Anwesenheit von Anätzungen, Blutgerinnungen, Schorfen. Eine eigentlich toxische Entzündung ist indess eine solche, wo erst durch Ver­mittlung des Blutes an entfernten Stellen der Entzündungsprozess eintritt, wie z. B. wenn nach der Anwendung von Canthariden Nierenentzündung entsteht.
c.nbsp; nbsp;Die dyskrasischen Entzündungen schliessen sich den toxischen an, indem auch hier durch eine abnorme Blutbescliaffenheit die Entstehung der Entzündung vermittelt wird.
d.nbsp; nbsp;Die metastatischen Entzündungen entstehen theils in Folge von Embolie, theils durch chemisch inficirende. im Körper erzeugte Stoffe, welche vom Blute aus als Reiz auf die Gewebe wirken. Sie treten gewöhnlich an mehreren Stellen in demselben Organe zu gleicher Zeit auf, besonders in Nieren und Milz bei Embolie, in Lungen, Leber und Milz bei sogenannter Septicaimie oder Pysemie. Sie betreffen immer beschränkte Stellen, ge­wöhnlich in Läppchen- oder Keilform. Eiterung und Entartung sind die häufigsten Ausgänge derselben.
e.nbsp; nbsp;Die rheumatischen Entzündungen entstehen durch plötzliche Er­kältungen. Die näheren Vorgänge sind noch wenig erforscht.
f.nbsp; nbsp;Die virulenten Entzündungen sind die Folge der Aufnahme von Contagien oder Miasmen, welche uns ihrem Wesen nach meistens noch gänzlich unbekannt sind. Manche der bis jetzt ermittelten Umstände be­rechtigen zu der Annahme, dass dieselben durch kleinste Organismen be­dingt werden.
g.nbsp; nbsp;Die hypostatischen Entzündungen sind die Folge von geschwächter Herzaction und andauernder Hypersemie, von Absonderungsproducten, welche liegen bleiben und dadurch einen Entzündungreiz abgeben. Bei denselben ist die Röthung gewöhnlich dunkel, livid, sowohl durch Injection, als durch Imbibition bedingt. Die Exsudation ist gering und von mehr seröser Be­schaffenheit; Neubildungen fehlen in der Regel und die Destructionen beruhen meist auf macerirendem Zerfall und Necrose (Decubitus).
3) Nach dem Vorwiegen einzelner Elementarprozesse unterscheidet man:
a. Die vasculösen oder congestiven Entzündungen; dieselben zeichnen
sich besonders durch congestive Hypersemie aus: Röthung und Schwellung,
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später auch zuweilen Verlängerung und Neubildung von Gefässen, sind die hervorragendsten Erscheinungen derselben. Neubildung und Rückbildung fehlen entweder ganz, oder sind nur unbedeutend; fast immer ist eine seröse oder schleimige Exsudation, indess in geringerer Quantität, vorhanden; nur selten ist sie stärker; es kann auch zur Eiterbildung kommen.
Hierhin gehören manche Entzündungen der Haut, welche acut ver­laufen und mit Genesung enden; so z. B. das Erythema, Erysipelas, die phlegmonöse Entzündung der Haut; ferner gehören hierhin die Entzündungen der Schleimhäute, welche als acute Catarrhs ohne oder mit wenig Secret verlaufen, oder als phlegmonöse Formen bezeichnet werden. Die erythema-tösen Entzündungen betreffen die oberen, die phlegmonösen die tieferen Schichten der Schleimhäute und der äusseren Haut; bei letzteren wird auch zuweilen das submucöse resp. subcutane und das intermusculäre Binde­gewebe mit ergriffen. Zu den vasculösen Entzündungen gehören ferner noch die leichten, rasch verlaufenden Formen der Entzündung der serösen Häute und die einfachen acuten Drüsenentzündungen (Mastitis, Parotitis, Nephritis u. s. w.).
Bei Leichen sind die Erscheinungen der vasculösen Entzündungen an verschiedenen Schleimhäuten wegen ihres reichlichen Gehaltes an elastischen Fasern wenig hervortretend; so z. B. an der Schleimhaut des Kehlkopfes etc.
h. Die exsudativen Entzündungsformen kennzeichnen sich sowohl durch die Menge wie durch bestimmte Eigenthümlichkeiten des Exsudats. Bei denselben ist stets eine entsprechend vermehrte Blutzufuhr vorhanden. Die verschiedene Beschaffenheit des Exsudates ist uns bereits von früher bekannt.
Den Uebergang von den exsudativen zu den productiven Formen der Entzündung bilden die Catarrhe, bei denen Schwellungen der solitären Follikel und der Lymphdrüsen, sowie der Milz auftreten; die Schwellung ist bedingt durch Vermehrung der Kerne und der Zellen des Drüsensaftes. (Siehe Uhle-Wagner's laquo;Allgemeine Pathologiegt;, Seite 305).
c. Die productiven Entzündungen führen zur Neubildung persistenter Gewebe. Es gehören hierhin zunächst die meisten subacuten und chronischen Entzündungen seröser Häute, bei denen gefässhaltiges Bindegewebe entsteht. Ferner gehören hieher die meist chronischen Entzündungen des interstitiellen Bindegewebes drüsiger und parenchymatöser Organe. Bei productiven Ent­zündungen an den Schleimhäuten betreffen die Neubildungen bald sämmt-liche, bald nur einzelne Schichten. Die Schleimhaut selbst, sowie die Sub-mucosa werden dicker in Folge Wucherung ihres Bindegewebes und ihrer Gefässe, bisweilen auch durch Hypertrophie ihrer Drüsen. Geschieht dies an beschränkten Stellen, so entstehen die sogenannten Polypen, bei denen bald die Gefässe, bald das Bindegewebe und bald die Drüsen vorherrschen.
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Es kommen aber auch zottenförmige (papilläre) Wucherungen in Folge von productiven Entzündungen der verschiedenen Häute vor.
d. Die degenerativen Entzündungen sind meist einfach parenchymatöse Entzündungen, bei welchen Gefässveränderungen und freies Exsudat fast gänzlich fehlen, bei denen indess ein wahrscheinlich auch qualitativ ver­ändertes Ernährungsplasma in die Zellen der betroffenen parenchymatösen Organe eintritt. Die /eilen blähen in Folge dessen zunächst auf und gehen schliesslich durch albuminüse Infiltration mit consecutiver Fettmetamorphose oder auch ohne letztere zu Grunde.
Hierhin gehüien die sogenannten phagedänischen Entzündungen {(fccyeScavixoc fressend, ätzend, von (pciysiv essen und SuCvsiv nagen, fressen). Bis vor Kurzem wurde auch die sogenannte diphtheritische Entzündung zu den degenerativen gezählt. Gegenwärtig ist man indess kaum mehr be­rechtigt, von diphtheritischer Entzündung zu sprechen, da die Zerstörungen bei Diphtherie nach den neueren Anschauungen durch pflanzliche Parasiten und nicht durch Entzündungsprocesse verursacht werden. (Die Diphtherie­pilze dringen selbst in Knochen und Knorpel zerstörend vor, wie dies von Nassilo ff im Pflugscharbeine und vonEberth in der Nasenscheidewand eines Fundes beobachtet worden ist.)
Die phagedänischen Entzündungen können als eine besondere Art von den brandigen Entzündungen unterschieden werden; bei denselben zerfallen die Gebilde, nach vorausgegangener eiteriger Infiltration, schichtweise. Sie kommen in der Haut, im Bindegewebe, in den Lungen und au anderen Körpertheilen vor. Der Brand wird bedingt bald durch Berührung des Eiters mit faulenden Substanzen, bald durch absolute Blutstockung in einem grösseren Gefässgebiete, bald dadurch, dass die Entzündung durch brandige Jauche, Gifte, Contagien angeregt war, bald durch Lähmung der entzündeten Theile und manchmal dadurch, dass die Peripherie der Theile durch Eiter zerstört worden ist.
Zu den degenerativen Entzündungen kann man schliesslich auch die sogenannten tuberculösen Entzündungen rechnen. Bei denselben wird ent­weder ein rein faserstoffiges Exsudat auf die freie Oberfläche seröser Säcke oder in Parenchyme gesetzt, zu welchen stets eine mehr oder wreniger reichliche Kern- und Zellenbildung hinzutritt; oder es kommt nur zu massen­hafter Kern- und Zellenbildung. In beiden E'ällen geht das Exsudat sehr bald die käsige Metamorphose ein, indem dasselbe sammt den Kernen und Zellen molecular zerfällt; hierbei entstehen auf Häuten geschwürähnliche, in Parenchymen höhlenartige Defecte, oder es kommt zu Verkalkungen oder zu atheroinatösen Entartungen.
e. Spezifische Entzündungen kennzeichnen sich sowohl durch die Art
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des Prozesses überhaupt, wie auch durch ihre Localisation, endlich auch durch die eigenthümliche, meist spezifische Betheiligung des Gesammt-organismus. Sie sind die Folge ganz spezifischer, ihrer Art nach aber meist noch ungekannter Ursachen. Hierhin gehören die rotzigen und andere Entzündungen, die indess mit demselben Rechte auch zu den Neubildungen gestellt werden können. Es mag hier nochmals daran erinnert werden, dass auch bei diesen Krankheitszuständen parasitäre Organismen vielleicht eine Hauptrolle spielen.
4) Nach dem Charakter der Entzündungen unterscheidet man:
a.nbsp; sthenische und asthenische;
b.nbsp; active und passive Entzündungen.
Bei sthenischen Entzündungen treten sowohl die örtlichen wie auch die etwa vorhandenen Fiebererscheinungen intensiver auf. Da bei denselben der betroffene Theil sich in guten Ernährungsverhältnissen befindet, so ist der Ausgang der Entzündung in der Kegel ein günstiger. Es kann aber der betroffene Theil in Folge von Brand oder zu starker Eiterung zu Grunde gehen; namentlich bei den sogenannten hypersthenischen Entzündungen.
Astbenische Entzündungen, welche auch adynamische und bei höheren Graden der Asthenie auch torpide genannt werden, kommen schlecht er­nährten, zu Entartungen disponirten Theilen zu. Hierhin gehören die meisten chronischen, die metastatischen und hypostatischen, sowie die dege­nerativen Entzündungen und ausser diesen viele Entzündungen gelähmter Theile.
Es sollen nun noch gewisse Egenthümlichkeiten der chronischen Ent­zündung hier besprochen werden.
Die chronische Entzündung.
Durch verschiedene Umstände, so z. B. durch die wiederholte Ein­wirkung von Entzttndungsreizen auf einen Körpertheil etc. kann jede Ent­zündung schliesslich zu einer chronischen werden. Es gibt aber auch Entzündungen, welche gleich von ihrer Entwicklung an die Tendenz zu einem chronischen Verlaufe in sich selbst tragen; von diesen letzteren wird in Folgendem vorzugsweise die Rede sein.
Bei der chronischen Entzündung kommen ähnliche Processe vor, wie bei der acuten; es treten indess noch manche andere Erscheinungen hinzu. Ihre ursächlichen Verhältnisse sind verschieden, so dass es sich nicht um einen einmaligen Reiz, den man bestimmt kennt. sondern meistens um verwickelte Verhältnisse handelt, welche nicht immer leicht und sicher zu ermitteln sind.
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Bei der acuten Entzündung haben wir die Ä.usdehnung und Vermehrung der Capillaren durch Schlingenbildung, nebst seröser und plastischer Gewebs­infiltration als die wesentlichsten anatomisch-physiologischen resp. patho­logischen Vorgänge kennen gelernt. Bei der chronischen Entzündung tritt die Ausdehnung der Gapillargefässe, die Fluxion, als Symptom mehr zurück, während die Gewebsneubildung, sowie die seröse Infiltration eine grosse Rolle spielen. Die infiltrirten Zellen erlangen oft eine etwas grössere Aus­bildung, wobei sich das Intercellulargewebe vermindert. Die Bindegewebs-faser verliert ihre zähe faserige Beschaffenheit, das Unterhautzellgewebe büsst seine Dehnbarkeit und Elasticität ein, wodurch die Gewebe mehr geschwellt, mehr gallertig-speckicht erscheinen und weniger verschiebbar sind, als im normalen Zustande. — So gestaltet sich jede chronische Ent­zündung in ihrem Anfangsstadium. Der weitere Verlauf kann dann in folgender Weise verschieden sein:
1) Die Gewebe bleiben dauernd in diesem Zustande der serösen und zum Theil plastischen, festen Infiltration; Haut- und Unterhautgewebe, Gelenkkapseln, Sehnen, Bänder, Fascien, kurz alle bindegewebigen Kürper-theile, welche sich im Zustande der chronischen Entzündung befinden, bieten in diesem Falle beim Durchschneiden eine ziemlich homogene, speckige Beschaffenheit dar. Bei Gelenkkrankheiten s.eht man dies häufig, und da beim Menschen fragliche Anschwellung der Gelenke ohne Hautröthung vor sich geht, so hat man diesen Zustand früher laquo; Tumor albusraquo; genannt, eine Bezeichnung, welche auch in die Veterinärpraxis übergegangen ist, obgleich er hier wenig passt.
Das Gewebe kann aus diesem Zustande fast vollständig zum normalen zurückkehren, indem das seröse Infiltrat resorbirt wird, während die zelligen Elemente theils zerfallen, theils in Bindegewebskörperchen sich verwandeln. Es kehrt also nicht ganz vollständig der frühere Zustand wieder, so dass eine mehr oder weniger deutlich erkennbare Verdickung und Verdichtung zurückbleibt, welche mit der Contraction des neugebildeten Bindegewebes bis zu einem gewissen Punkte abnimmt.
In Folge des Ueberschusses von Ernährungsmaterial, der bei manchen chronischen Entzündungen in den Geweben andauernd besteht, können die Gewebselemente grosser und dicker werden, wodurch ein Zustand einfacher Hypertrophie sich ausbildet. Es kann aber auch zur Hyperplasie, d. h. zur Bildung neuer gleichartiger Gewebe und dadurch zu manchmal bedeutenden Verdickungen, zur störenden UmfangsVermehrung, kommen. Solche Hyper­trophien und Hyperplasien bilden sich niemals ganz vollständig zurück, sondern ble.ben nach Ablauf der Entzündung häufig sogar in demselben Umfange, selbst wenn die Ursachen ihrer Entstehung beseitigt sind. Sie
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kommen bei unseren Hausthieren nicht ganz selten vor und betreffen meist das Gewebe der äusseren Haut, sowie das subcutane Bindegewebe. Sie sind unter dem Namen der laquo;Elephantiasisraquo; allgemein bekannt und wegen ihrer ausserordentliehen Hartnäckigkeit, mit welcher s e jeder Behandlung widerstehen, berüchtigt, indem sie nicht nur das Ansehen der Thiere be­einträchtigen, sondern auch die Brauchbarkeit derselben mehr oder weniger bedeutend vermindern.
2)nbsp; nbsp;Wenn der chronische Entzündungsprozess eine Schleimhaut oder eine seröse Haut betrifft, so wird in Folge der pathologischen Ver­änderungen in den Geweben dieser Häute selbstverständlich auch die Secretion derselben nicht normal bleiben. Gewöhnlich tritt eine Steigerung dieser ein, eine Hypersecretion; die chronische Entzündung kann sich sogar vorzugsweise in dieser Hypersecretion äussern.
Die chronischen Catarrhe der Schleimhäute können bald mehr die epitheliale, bald mehr die bindegewebigen Lagen, bald mehr die Drüsen der Schleimhaut betreffen; in vielen Fällen leiden alle drei zugleich in gleichem Masse. Aehnlich sind die Verhältnisse auch in den Synovial-membranen der Gelenke; es gibt Formen chronischer Gelenkentzündungen, die sich hauptsächlich in reichlicher Secretion einer sehr wässerigen Synovia äussern, andere, die mehr in einer Verdickung der Synovialmeinbran mit nur wenig vermehrter Secretion bestehen. Die namentlich bei Pferden so häufig vorkommenden sogenannten lt; kalten Gelenk- und Sehnenscheiden­gallen raquo; verdanken einer solchen chronischen Entzündung der betreffenden Synovialmembran wohl in den meisten Fällen ihre Entstehung. (Siehe Gelenkkrankheiten.)
3)nbsp; nbsp;Die chronische Entzündung kann auch mit Eiterung verlaufen, und zwar sind die feineren Vorgänge dabei ebenso, wie bei dem acuten Ent-züudungs- resp. Eiterungsprozesse, nur dass Alles langsamer vor sich geht. Es entsteht z. B. an irgend einer beliebigen Stelle des Körpers eine An­häufung von Wanderzellen mit Bildung von flüssiger Intercellularsubstanz, wobei natürlich das Gewebe, in welche diese Zellen abgesetzt werden, zu Grunde geht. Die Infiltration breitet sich allmählig aus; die Neigung zur Eiterbildung ist um so grosser, je weniger in dem betroffenen Gewebe die Gefässe entwickelt sind, da in Folge der ungenügenden Zufuhr von Er-nährungsmaterial die Weiterentwicklung der übermässig angehäuften Zellen nicht möglich wird. So entsteht dann langsam ein Abscess, dessen Wan­dungen fortwährend in eiterigem Zerfalle begriffen sind. Da dies sehr langsam und häufig ohne die sonst bei Entzündung hervortretenden Er­scheinungen vor sich geht, so nennt man derartige Eitersäcke laquo;kalte Abscesse gt; oder lt; Verschwärung gt;. Der Eiter dieser zeigt sich bei micro-
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scopischer Untersuchung sehr reich an moleculären Zerfallsmassen, an aus­gebildeten Eiterzellen hingegen ziemlich arm. Auch das macroscopische Aussehen dieses Eiters ist ein anderes, als das von frischem Eiter acut entzündeter Weichtheile; jener Eiter ist nämlich dünner und heller als bei acuten Processen und entwickelt mitunter einen üblen Geruch nach Fett­säuren ; auch können demselben Fibrinüocken und Fetzen necrotisirter Ge­webe beigemengt sein. Beim Menschen kann ein solcher kalter Abscess Jahre lang bestehen, und endlich zum Stillstehen kommen, so dass seine Wandungen sich zu Narbenkapseln umbilden, welche den Eiter vollständig einschliessen. Dieser wird in eine Emulsionsflüssigkeit, zum Theil mit krystallinischem Fette umgewandelt, wobei zuweilen jede Spur von Eiter­zellen verschwindet, so dass man aus dem anatomischen Befunde selbst schwerlich schliessen könnte, dass der betreffende Sack ein Abscess ge­wesen sei, wenn nicht der ganze Verlauf dafür zeugte. Viel seltener ist der Fall, dass in einem kalten Abscesse die Flüssigkeit resorbirt wTird und ein käsiger Brei zurückbleibt. Die Ausheilung eines kalten Abscesses kann zu Stande kommen, wenn der Eiter nach aussen sich entleert und in den Abscesswandungen eine entsprechende Gefässentwicklung eintritt. An der Innenfläche muss Granulationsgewebe sich entwickeln, wodurch eine Verwachsung der gegenüberliegenden Höhlenwandungen unter Verdichtung und Schrumpfung des neugebildeten Gewebes (Narbengewebes) alhnälig be­zweckt wird. Mit der Zeit verliert sich die anfangs fühlbare subcutane Narbe des Abscesses, indem diese die Beschaffenheit des gewöhnlichen Bindegewebes annimmt.
lt; Senkungs- oder Congestionsabscesseraquo; nennt man solche, welche nicht an der Stelle, wo sie angetroffen werden, ursprünglich entstanden sind, sondern zum Theil durch Senkung des Eiters, anderntheils durch den haupt­sächlich nach einer Richtung hin intensiver vorschreitenden Verschwärungs-process eine Locomotion erlitten haben.
Der vorhin besprochene Ausheilungsprocess erfolgt nicht immer in #9632;wünschenswerth schneller Weise, sondern es sind die allgemeinen und localen Verhältnisse zuweilen der Art, dass nach der Entleerung des Eiters entweder in dem Abscesse eine sehr acute Entzündung Platz greift, welcher heftiges Fieber, Pyohasmie und Marasmus folgen, oder dass der chronische Verschwärungsprocess trotz der Entleerung des Eiters in den Höhlenwan­dungen langsam, doch unaufhörlich weiter sich verbreitet. In solchen Fällen secerniren die Oeffnungen dieser meist grossen, oft tiefliegenden Höhlen continuirlich einen dünnen, schlechten Eiter; die Oeffnungen solcher Höhlengeschwüre von kleinerem und grösserem Durchmesser nennt man lt; Fisteln raquo;,
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Ein derartiger Eiterungs- oder Verschwärungsprocess kann auch auf einer Fläche, auf einer Haut sich abwickeln, in welchem Falle derselbe ein sogenanntes lt; Flächen- oder offenes Geschwür gt; darstellt. (Näheres über Geschwüre wird später folgen.)
4)nbsp; Die chronische Entzündung kann einen der Vereiterung sehr ähn­lichen Verlauf nehmen, nämlich den der Verkäsung, wenn eine starke Anhäufung von Zellen im Centrum ohne Absonderung flüssiger Inter-cellularsubstanz molecular zerfällt und dadurch ein käsiger Brei entsteht. Die Infiltration schreitet in der Peripherie des käsigen Heerdes durch Anhäufung von Wanderzellen langsam weiter, das infiltrirte Gewebe geht jedoch ebenfalls bald die käsige Metamorphose ein und so vergrossert sich der centrale Heerd immer mehr und mehr. Auch hier ist der Mangel einer mit der Zellenbildung gleichen Schritt haltenden Vascularisation die locale Ursache des Zerfalls; diese Art der Verschwärung kann man als die lt; trockene oder käsige Verschwärung gt; oder die laquo;trockene avasculäre Ne-crotisirunggt; bezeichnen. Fraglicher Vorgang ist besonders häufig bei chronischen Entzündungen der Lymphdrüsen und wird namentlich bei der sogenannten Darrsucht in den Mesenterialdrüsen angetroffen. Auch äusserlich gelegene Drüsen erkranken in derselben Weise und zwar nie eine einzelne allein, sondern stets mehrere, in Gruppen beisammen gelagerte. Wenn der käsige Heerd nur einen kleinen Umfang erreicht, so kann er schrumpfen und verkalken, so dass ein von einer Narbe concentrisch um­schlossenes laquo; kalkiges Concrement gt; entsteht. (Die Darrsucht wird in Folge der Zerstörung der Gekrösdrüsen tödtlich).
5)nbsp; Die chronische Entzündung kann zur Ablagerung des sogenannten Speckstoffes oder Amyloids führen. Dieser Prozess kommt hauptsächlich den inneren Organen zu und hat deshalb für die Chirurgie ein geringeres Interesse. Bei Thieren wurde derselbe bisher nur selten beobachtet, ist indess wahrscheinlich häufiger als man bis dato glaubte.
In der Zeitschrift für practische Veterinärwissenschaften Jahrgang 1874, Nr. 6, S. 177 bis 191, macht Friedberger Mittheilung über eine Massen­erkrankung unter den Fasanen der Kgl. Fasanerie Moosach bei München, bei welcher die Section in allen Fällen amyloide Entartung verschiedener innerer Organe ergab.
Wenn der chronische Entzflndungsprocess in einem Muskel oder in einem Nerven Platz greift, so leidet das Gewebe in hohem Grade secundär mit. Die contractile Substanz im Muskel, sowie der Axencylinder und die Markscheide der Nervenfaser gehen dabei nicht selten durch moleculären Zerfall oder fettige Degeneration in Folge der Ernährungsstörung zu Grunde. Atrophie der Muskeln und Paralysen können daher die Folgen chronischer
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Entzündung sein. Wie weit unter solchen Umständen die Regenerations­fähigkeit der Muskeln und Nerven geht, ist nicht genau festzustellen.
Die Symptome der chronischen Entzündung sind dieselben, wie die der acuten, nur dass sie oft theilweise eine geringere Intensität erlangen und oft in anderer Ileihenfolge und in anderen Corabinationen auftreten.
Die Anschwellung des erkrankten Theiles ist gewöhnlich die zuerst auffallende Erscheinung; sie beruht zum Theil auf der serösen, zum Theil auf der plastischen Infiltration, weshalb die betreffenden Theile sich teigig und anfangs ziemlich fest anfühlen. Wo es zur Abscessbildung kommt, tritt nach Wochen oder Monaten allmälig deutliche Fluctuation ein.
Der Schmerz ist bald bedeutend, bald nur gering oder fehlt ganz; bald tritt er mehr spontan, bald mehr auf Druck oder auf leise Berührung hervor. Von dem Grade des Schmerzes und der Geschwulst, sowie von dem Sitze dieser hängt der Grad der Funktionsstörung wesentlich ab. — Vermehrte Wärme ist bei der chronischen Entzündung gewöhnlich nur in einem geringen Grade oder gar nicht vorhanden. — Fieber gehört nicht nothwendig zur chronischen Entzündung, kann indess je nach Umstünden zu derselben hinzutreten und verschieden zu beurtheilen sein.
Der Verlauf der chronischen Entzündung ist häufig nicht gleich von Anfang an bestimmt vorher zu sehen; wo dieselbe nicht aus einem acuten Processe sich entwickelte, wird man auf ihr Vorhandensein in der Regel erst dann aufmerksam, wenn dieselbe schon einige Zeit bestanden hat und mehr oder weniger auffällige äusserlich wahrnehmbare pathologische Vei'-
änderungen des betreffenden Theiles verursacht hat.
Am wenigsten ist
etwas Bestimmtes über die Dauer der chronischen Entzündung im Allge­meinen zu sagen, indem diese vorzugsweise von den zu Grunde liegenden ursächlichen Momenten abhängt; nur das gilt im Allgemeinen, class bei derselben die Neubildung schliesslich niemals über die Entwicklung ganz bestimmt characterisirter Gewebsmetamorphosen hinausgeßt, welche, wenn das erkrankte Gewebe nicht durch Zerfall vernichtet wird, zur Binde-gewebsneubildung (zur Vernarbung) auf die eine oder andere Weise führen. Dass die Neubildung kein typisches Ende erreicht, wenn die Ursachen der chronischen Entzündung nicht gehoben werden können, oder nicht von selbst erlöschen, dass der Process sogar mit dem Tode endet, wenn Organe zerstört werden, welche zum Leben nothwendig sind, oder wenn durch Eiterung die Kräfte erschöpft werden, versteht sich von selbst.
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Allgemeine Aetiologie der chronischen Entzündung.
Die Ursachen der chronischen Entzündungen bestehen entweder in andauernd einwirkenden Reizen, oder in einer abnormen Reaction der Ge­webe auf Einwirkung von Reizen.
1)nbsp; nbsp;Die andauernden Reize.
Nicht selten wirken bei unseren Hausthieren Reize lange Zeit hindurch auf gewisse Stellen des Körpers ein und erregen dadurch chronische Ent­zündung des betroffenen Theiles. So z. B. kommen in der Haut thierische und pflanzliche Parasiten vor, welche durch ihren beständigen Reiz chronische Hautentzündungen unterhalten, bis mit Entfernung des einwirkenden Reizes auch die Entzündung beseitigt wird. Es sind dann ferner die andauernden Reize hier zu nennen, welche durch schlechte Geschirre hervorgerufen werden, öfter wiederkehrender Druck oder Anschlagen der Hufe oder Eisen an gewisse Körpertheile, wodurch oft langwierige Entzündungen entstehen. Stollbeulen, Brustbeulen, Knieschwamm der Kühe, Streichen u. s. w. ge­hören hierhin.
So mannigfach diese andauernd, oder heftig wiederholt einwirkenden Reize und die durch sie bedingten chronischen Entzündungen auch sein mögen, so reichen dieselben doch nicht aus, um das Vorkommen aller chronischen Entzündungen zu begründen. Wir sehen vielmehr, dass nicht selten chronische Entzündungen sich entwickeln, ohne dass eine derartige Ursache vorliegt, so z. B. die so häufige chronische Periostitis bei Pferden am Schienbeine, in Folge deren die sogenannten Ueberbeine sich ent­wickeln ; die chronische Entzündung der Gelenke, in Folge deren die oft colossalen Verdickungen sich bilden, wie wir dieselben bei Pferden als sogenanntes lt; Rehbein 3gt; etc. nicht selten finden. In solchen Fällen sind die causaleu Verhältnisse andere, meist nicht genau erkannte.
2)nbsp; nbsp;Die betroifenen Gewebe reagiren auf die Einwirkung eines Reizes abnorm. Es ist leicht zu begreifen, dass, wenn ein einmaliger Reiz ein bereits pathologisches Gewebe trifft, in diesem die Verhältnisse sich anders gestalten werden, als wenn ein vollständig normales Gewebe von demselben Reize betroffen wird, da in dem pathologischen Gewebe die Bedingungen zur typischen Ausgleichung der Störung fehlen. Auch in diesem Falle können die Ursachen für das Entstehen chronischer Entzündungen manch­mal sehr nahe liegen, während dieselben in andern Fällen schwer oder gar nicht ausgemittelt werden können. Ich erinnere hier z. B. an den Strahl­krebs, dessen setiologische Momente noch so gut wie ganz unbekannt sind. Wir sehen zwar, dass gewisse Thiere eine unverkennbare Disposition haben, an dieser oder jener chronischen Entzündung zu erkranken, und
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wir sind deshalb berechtigt, gewisse Diathesen oder Dyscrasien anzu­nehmen, auf welchen die fraglichen Entzündungen eigentlich beruhen. Da indess die eigentliche Kenntniss des wahren Wesens dieser Diathesen uns so gut wie gänzlich fehlt, so legen wir auf dieselben vor der Hand keinen allzu grossen Werth. Wir wollen gleichwohl nicht unterlassen, selbige hier kurz zu besprechen, soweit denselben nach den seitherigen Erfahrungen eine gewisse Existenzberechtigung zuerkannt werden kann.
a.nbsp; nbsp;Die lymphatische oder scrophulöse Diathese besteht vorzugsweise im jugendlichen Alter und wird bei unseren Hausthieren weitaus am häufigsten bei Pferden beobachtet. Sie ist zuweilen so bedeutend ent­wickelt, dass sie den Grund legt zu einem mehr oder weniger chronisch verlaufenden allgemeinen Siechthume (Darrsucht der Füllen) oder auch zur Entzündung und Vereiterung der mehr äusserlich gelagerten Lymphdrüsen Veranlassung wird (chronische Druse). Wie weit diese Diathese zur Ent­stehung anderweitiger chronischer Entzündungen Veranlassung geben kann, ist nicht genau bestimmt. Im Allgemeinen gilt, dass bei der lymphatischen Constitution eine Disposition zu chronischen Entzündungen der Drüsen, Knochen und Gelenke vorhanden ist, wobei der entzündliche Process zur Bildung von wuchernden Granulationsmassen, zur Eiterbildung und Ver­käsung führen kann. Die in der thierärztlichen Literatur in neuerer Zeit öfter besprochene Osteoporose der Pferde (siehe Zeitschrift für praktische Veterinärwissenschaften, Jahrgang 1873, Nr. 5, S. 152 und Nr. 6, S. 157 und folgender Jahrgang 1874, Nr. 8, S. 233 u. ff. wurde stets an Pferden mit mehr oder weniger deutlich ausgesprochener lymphatischer Constitution angetroffen. Auch die llhachitis dürfte zum Theil auf eine lymphatische Diathese mit zurückzuführen sein, wenn gleich nicht zu läugnen resp. zu verkennen ist, class auch die Art der Ernährung an der Entstehung dieser Krankheiten ihren wesentlichen Antheil hat. Eine Materia peccans im Sinne der Alten ist hier eben so wenig vorhanden, wie anderswo, sondern eine Schwäche bestimmter Apparate, die vielleicht durch Parasiten bedingt wird.
b.nbsp; Die tuberculöse Dyscrasie oder die Tuberculosis. Mit dem Ausdrucke lt; Tuberkel (tuberculuin das Knotehen)raquo; bezeichnet man eine Neubildung, welche aus einer Menge mittelgrosser Pamdzellen besteht, die peripherisch sich immer vermehren, während sie vom Centrum aus zu einem feinen, molecularen, trockenen Brei zerfallen, welcher bei grösserer Ausdehnung des Knötchens eine gelbe käsige Beschaffenheit bekommt und, wie die käsigen Produkte chronischer Entzündung überhaupt, seeundär erweichen kann, oder bei dem Stillstand des Tuberkels in seinem Wachsthum ver­schrumpft oder verkalkt; diese kleinsten Tuberkelknötchen entwickeln sich nach Rindfleisch am häufigsten in den Scheiden der kleinen Blutgefässe.
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Das pathalogisch-anatomische Kennzeichen der Tuberculose besteht in der Combination der geschilderten Vorgänge, in Knötchenbildung mit von innen beginnendem Verkäsungsprozesse und den verschiedenen nachfolgenden Aus­gängen.
Am häufigsten entwickeln sich Tuberkeln in den Lungen, besonders in den Lungenspitzen; (auch in den Knochen, besonders in den spongiösen kommen sie vor). In den Lymphdrüsen ist dagegen der eigentliche Miliar-tuberkel ungemein selten, während grössere verkäsende Heerde in denselben öfter angetroffen werden.
Buhl hat zuerst die Behauptung aufgestellt, dass der Tuberkelbildung stets die Resorption von Substanzen aus älteren verkästen oder eiterigen Eutzünduugsheerden zu Grunde liege. Nach Niemeyer ist wohl eine Diathese zu chronisch-eiterigen Entzündungen gewisser Organe angeboren, jedoch nicht eigentlich die tuberculose Infection. Diese Auffassung der tuberculösen Diathese oder Dyscrasie wird durch die gelungenen bezüglichen Versuche an Meerschweinchen und Kaninchen wesentlich unterstützt. Bei diesen Thieren erzeugt (nach dem von Villemin begonnenen und demnach von vielen Anderen fortgesetzten resp. wiederholten Versuchen) jeder dauernde Reiz eine Entzündung mit käsig-eiterigen Producten und dann erfolgt von diesem Heerde aus eine tuberculose Dyscrasie, welche sich in der Production theils von Miliartuberkeln, zumal auf den serösen Häuten, theils von gelb­lichen Knoten in Lunge, Leber, Milz u. s. w. kundgibt und zum Tode führt. Somit scheint die Buhl'sehe Ansicht richtig und der Tuberkel nur eine eigenthümliche Form der entzündlichen Neubildung zu sein Es sind indess die Verhältnisse, welche die individuellen und die generellen Ver­schiedenheiten bedingen, durch welche die Resorption der verkästen Massen resp. die Tuberkelbildung begünstigt oder verhindert wird, noch wenig oder gar nicht gekannt. Wir kennen nur die Thatsachen, dass bei der einen Thierart leichter, bei der andern seltener Tuberkelbildung in Folge localer Eiterungsprocesse entsteht, so dass unter gewissen unbekannten Umständen bei unseren grösseren Hausthieren keine Resorption verkäster Massen ein­tritt, oder, wenn dies geschieht, keine Tuberkelbildung erfolgt. Dieser Unvollkommenheiten in unserem gegenwärtigen Wissen ungeachtet, darf man die grosse Tragweite der vorhin besprochenen neueren Uutersuchungs-ergebnisse nicht unterschätzen; sie sind als ein wesentlicher Fortschritt der modernen Pathologie zu betrachten und werden in Zukunft vielleicht noch zu werthvolleren Resultaten führen.
Was die Erblichkeit der Tuberculosis anbelangt, so lassen sich den neueren Untersuchungsresultaten manche frühere Erfahrungen anpassen, wie z. B. die öfter gemachte Wahrnehmung, dass die directen Nachkommen
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(Kinder) tuberculöser Eltern von fraglicher Krankheit verschont bleiben, während die Enkel und spätere Nachkommen der Tuberculose verfallen, wie dies bei Perlsucht von Jessen und Andern beobachtet worden ist.
Wenn die wahren Tuberkel nur durch Selbstinfection entstehen können, so ist von einer directen Vererbung der Tuberculosis streng genommen nicht mehr weiter die Rede; es ist vielmehr nur die Neigung (Diathese) zu chronisch-entzündlichen Processen mit Ausgang in Eiterung und Ver­käsung, sowie die Disposition zur Resorption der eiterigen, verkästen Masse und daraus folgender Tuberkelbildung erblich; d. h. es ist nur die scrophu-löse, nicht aber die tuberculose Dyscrasie erblich; dadurch würde das Ueberspringen, resp. das Nichterkranken einzelner Nachkommen tuberculöser Eltern schon eher erklärlich. Hoffentlich werden weitere Forschungen auf diesem Gebiete zu bestimmteren Resultaten führen.
3)nbsp; nbsp;Die Arthritis oder Gicht ist eine Krankheitsanlage, welche beim Menschen gewöhnlich erst gegen das 30. bis 45. Jahr und selbst später noch als Krankheit sich offenbart. Sie wird vielfach mit dem chronischen Rheumatismus zusammengeworfen, ist jedoch von demselben verschieden. Die wahre Gicht unterscheidet sich von dem Rheumatismus wesentlich dadurch, dass sie anfallsweise, oft jährlich nur einmal und zwar zu be­stimmten Zeiten die betreffenden Menschen befällt, während dieselben in der Zwischenzeit gesund sind. Die Entzündung, welche bei der Gicht auf­treten, sind besonders auf einige bestimmte Gelenke und ihre Umgebung beschränkt (Podagra und Chiragra).
Ob eigentliche Gicht bei Thieren vorkommt, ist zur Zeit nicht ent­schieden.
4)nbsp; nbsp;Die scorbutische Dyscrasie äussert sich durch eine grosse Brüchig­keit der Capillargefässe und dadurch entstehende subcutane Blutungen, die indess nach Stricker auch per diapedesin entstehen und bei Fröschen durch Kochsalzintoxicationen erzeugt werden können. Als Wesen dieser Krank­heit nimmt man einen Dissolutionszustand des Blutes an. Sie scheint spontan, resp. sporadisch bei Hunden am häufigsten vorzukommen.
5)nbsp; nbsp;Die syphilitische Dyscrasie, welche beim Menschen eine so bedeu­tende Rolle spielt, kommt bei Thieren selten oder gar nicht vor. Affen können zwar an Syphilis erkranken, wie dies durch zahlreiche Versuche nachgewiesen ist. Nach den Mittheilungen Lund's (On the Occurence of Syphilis in a Monkey) scheint zwar nicht bestritten werden zu können, dass möglicherweise bei Affen die Syphilis spontan zu entstehen vermag. (Schmidt, zoologische Klinik, Bd. L, Seite 107 und 108.)
Die Behandlung chronischer Entzündungen hat aussei- den örtlichen Processen auch stets ein sorgsames Augenmerk auf den allgemeinen Körper-
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zustand zu richten. Der wirklich rationell gebildete Arzt wird sich in den verschiedenen Fällen, wo Heilung überhaupt möglich ist, schon zu helfen wissen, während der Empiriker häufig rathlos dasteht. Die örtliche Be­handlung hat vorzugsweise für Beseitigung der veranlassenden Ursachen und für Abhaltung aller der Heilung entgegenstehenden Hindernisse zu sorgen. Die Erregung eines acuten Entzündungsprocesses in den chronisch entzündeten Geweben, der Gebrauch resorbirender Mittel, eines Druck­verbandes etc. wird je nach Umständen zu empfehlen sein. Bei chronischen Entzündungen, die zum Zerfalle der Gewebe führen, wird namentlich für eine entsprechende Vascularisation, wie solche zur Entstehung eines Granu­lationsgewebes erforderlich ist, gesorgt werden müssen, um die Substanz­verluste zu ersetzen und eine Vernarbung zu Wege zu bringen. Es wird also das eine oder andere Reizmittel in solchen Fällen eine geeignete Anwendung finden können.
Die Geschwüre.
In früheren Zeiten wurde jede eiternde Wunde ein Geschwür und zwar (nach Rust) lt; ulcus simplex gt; genannt. Was man heute unter einem eigent­lichen Geschwüre versteht, lässt sich nicht mit wenigen Worten genau ausdrücken. Folgende Definition dürfte wohl die wesentlichsten Criterien eines Geschwüres zusammenfassen:
lt; Ein Geschwür ist eine eiternde Wundfläche, welche keine Tendenz zur Heilung zeigt und meist einem chronischen Entzündungsproce^se seine Entstehung verdankt, indem dieser Process in Folge einer zelligen Infil­tration des entzündeten Gewebes zur Eiterung und zum Zerfalle führt. gt;
Ein solcher Entzündungsprocess kann in den verschiedenen Schichten der Cutis, im Bindegewebe, in den Muskeln, in den Drüsen, im Periost oder in den Knochen seinen Sitz haben und überall zur Geschwürsbildung führen. Es scheint demgemäss das naturgemässeste, die Geschwüre im Anschlüsse an die chronische Entzündung zu besprechen.
Was die causalen Verhältnisse der Geschwüre anbelangt, so gilt für dieselben alles bei der Aetiologie der chronischen Entzündung Gesagte.
Tritt im Centrum eines tiefer gelegenen Entzündungsherdes Eiterung, Verkäsung oder eine andere Art von Erweichung und Zerfall mit allmäliger peripherischer Progression und schliesslich mit Perforation der Haut von innen nach aussen ein, so entsteht ein Hohlgeschwür, welches vor seinem Durchbruche nach aussen einen kalten Abscess (im Kleinen) darstellt. Wenn hingegen der Verschwärungsprocess in den obersten Schichten einer Haut von Statten geht, so entsteht ein offenes Hautgeschwür. Die Haut ist
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in diesem Falle von erweiterten Gefässen durchzogen und sowohl in Folge dessen, als auch in Folge von seröser und plastischer Infiltration ange­schwollen und auf Druck etwas empfindlich. Die entzündete Cutis, zumal die oberflächlichen Schichten derselben, werden von quot;Wanderzellen infiltrirt und dadurch die Papillen grosser und saftreicher; auch die Zellen des Eete Malpighii werden reichlicher producirt, so dass die oberflächliche Schicht desselben kaum mehr den gehörigen Grad der Verhornung erlangt. Das Bindegewebe der Papillarschicht ist weicher, zum Theil fast gallertig geworden. Eine leichte Beibang genügt, das #9632;weiche dünne Hornblatt der Epidermis an einer Stelle zu entfernen, wodurch die Zellenschicht des Kete Malpighii frei gelegt wird. Kommen jetzt neue Reize hinzu, so bildet sich eine eiternde Fläche, die in ihrer oberen Schicht aus Wanderzellen, in ihrer unteren aus den bereits stark degenerirten vergrösserten Hautpapillen besteht. — Würde in diesem Stadium die nöthige Ruhe und Schonung, sowie Schutz gegen neue Reize gewährt, so könnte sich alhnälig die Epi­dermis regeneriren und das bis jetzt noch ganz oberflächliche Geschwür würde benarben. Gewöhnlich jedoch wird der oberflächliche Process zu wenig geachtet, neue Schädlichkeiten verschiedener Art kommen hinzu, es tritt Vereiterung und moleculärer Zerfall des freiliegenden entzündeten Gewebes ein, und so entsteht allmälig ein nach und nach tiefer und breiter werdender Defect, ein eigentliches Geschwür.
Zu diesen Hautgeschwüren gehören unter anderen zwei bei Pferden häufig vorkommende Hufleiden, über deren Wesen man lange nicht recht im Klaren war, nämlich die laquo;Strahlfäulegt; und der sogenannte laquo;Strahl­krebsraquo;. Beide sind wohl in der Regel nichts anderes, als verschiedene Grade eines eigentlichen Verschwärungsprocesses des Papillarkörpers der sogenannten Fleischtheile des Hufes, nämlich des Fleischstrahles, der Fleisch-sohle und der Fleischwand.
In neuerer Zeit ist die Ansicht ausgesprochen worden, dass diese Huf­leiden möglicherweise durch pflanzliche Parasiten verursacht werden. Zürn fand bei Strahlfäule Mikrokoccen, ohne indess vor der Hand sich darüber aussprechen zu wollen, ob diese zu jener in causaler Beziehung stehen oder nicht. Hingegen scheint er geneigt, die Ansicht Megnin's, wonach ein Pilz die Ursache des Strahlkrebses sein soll, für richtig zu halten. M e g n i n hat bei seinen Untersuchungen der Produkte des Strahlkrebses in den feigwarzenähnlichen Bildungen des Papillarkörpers Parasiten gefunden, die er lt; Keraphytonraquo; *) nennen möchte. Vorläufig ist in ätiologischer Be­ziehung nur bestimmt ausgemacht, dass Verletzungen (namentlich zu starkes
*) Eichtiger in Bezug auf Etymologie wäre „ Keratophyton quot;.
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Beschneiden des Strahles beim Beschlagen etc.), sowie Unreinlichkeit, die Entstehung der Strahltäule und des Strahlkrebses wesentlich begünstigen. *)
Aehnliehe Geschwürsprocesse wie an der äusseren Haut kommen auch an den Schleimhäuten vor. Auch an diesen tritt zunächst eine stärkere Auswanderung junger Zellen an die Oberfläche auf; sehr bald gesellt sich seröse und plastische Infiltration massigen Grades in dem Bindegewebe der betreffenden Schleimhaut und eine reichlichere Secretion der Schleimdrüsen hinzu. Durch andauernde Reizung einer chronisch catarrhalisch afficirten Schleimhaut erfolgt Erweichung und Zerfall des Gewebes, in derselben Weise, wie bei Geschwürsbildung an der Cutis dieser Vorgang vorhin ge­schildert wurde; so entsteht ein catarrhalisches Geschwür. Bei unseren Hausthieren kommen solche am häufigsten am weiblichen Genitalapparate vor.
Hautgeschwüre können auch in einer mehr acut verlaufenden Weise aus Pusteln sich bilden, wenn diese nicht zur Heilung kommen, sondern sich nach Entleerung des Eiters vergrössern und dabei einen entzündlichen Charakter behalten.
Bei der Verschwärung kommen also, ähnlich wie bei der Entzündung, Neubildung und Zerfall in Verbindung mit einander vor; der Zerfall er­folgt entweder durch Verflüssigung (Vereiterung) des Gewebes, oder durch moleculäre Nekrotisirung desselben, oder durch beide zugleich. Je nach dem nun der eine oder der andere Process, die Neubildung oder der Zerfall überwiegt, hat man die Geschwüre in zwei Hauptarten unterschieden und dieselben im ersteren Falle als lt; wuchernde gt;, im letzteren Falle als lt; fressende gt; bezeichnet.
Wuchernde Geschwüre sind demnach solche, bei denen der Neubildungs-process über den Zerfall das Uebergewicht hat. Treten in Folge dessen die Granulationen pilzartig wuchernd auf, so dass sie das Niveau der Ge­schwürsfläche mehr oder weniger bedeutend überragen, so nennt man die Geschwüre laquo;fungöseraquo;. Dieselben sind äusserst gefässreich und sondern einen schleimigen Eiter ab.
Bei den fressenden oder laquo;phagedänischen ^ Geschwüren erreicht der Zerfall des Gewebes manchmal einen hohen Grad von Schnelligkeit, wo­durch die Vergrösserung der Geschwüre rapid zunimmt. — Dass zwischen den extremen Formen dieser beiden Hauptgeschwürsarten zahlreiche Zwischen­stufen vorkommen, ist wohl selbstverständlich.
*) Ueber die Behandlung des Stralükrebses siehe Dammann's Mittheilung in Nr. 10 der Zeitschrift für praktische Veterinär-Wissenschaften 1873, Seite 311 u. ff. Ferner in derselben Zeitschrift, Jahrgang 1874, Nr. 1, Seite 14 u. ff. „lieber Hufkrebsquot; von Prof. Dr. Leonhardt.
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Die Diagnose fraglicher Geschwürsformen bietet in der Regel keine Schwierigkeiten.
Die Prognose ist von mancherlei Umständen abhängig und demnach in den einzelnen Fällen verschieden. Sind die der Geschwürsbildung zu Grunde liegenden Ursachen zu beseitigen, so ist die Vorhersage in der Eegel eine günstige, insofern bei einer entsprechenden Behandlung und Pflege Heilung meistens erzielt werden kann. Wo sogenannte Dyscrasien der Geschwürsbildung zu Grunde liegen, da wird die Prognose wesentlich davon abhängen, ob die vorhandene Dyscrasie beseitigt werden kann oder nicht.
Für die Behandlung von Geschwüren gilt im Allgemeinen als erste Bedingung, neben der Entfernung der veranlassenden Ursachen dafür Sorge zu tragen, dass der Grund der Geschwüre wenigstens annähernd die Beschaffenheit einer gesunden Granulationsfläche annimmt, und dass der Zerfall an ihrer Oberfläche (und in der Tiefe) aufhört.
Bei wuchernden Geschwüren müssen die üppigen Granulationen be­schränkt und nöthigenfalls zerstört werden. Druck, Adstringentien, Aetz-mittel, das glühende Eisen u. s. w. sind die Mitte), welche bei der richtigen Auswahl und zeitgeraässen Application in der Eegel die Heilung fördern.
Bei fressenden Geschwüren muss man danach streben, die Ent­wicklung reichlicher Gefässe und einer entsprechenden Zellenproliferation in der Granulationsflache anzuregen und zu unterhalten, um dadurch eines-theils die Gewebsneubildung zu fördern, anderntheils den Zerfall zu be­schränken, wozu eine hinlängliche Vascularisation der Granulationsfläche unbedingt erforderlich ist. Sind Umstände vorhanden, die den Zersetzungs-process an der Geschwürsfläche begünstigen, so dass dadurch mehr oder weniger stark jauchende Geschwüre entstehen, so müssen dieselben, wenn sie gekannt und entfernbar sind, so bald wie möglich beseitigt werden. Im Allgemeinen finden hier eine geeignete Anwendung: Holzessig, Phenyl-säure in verschiedener Concentration, Chlorwasser und dergleichen mehr, sowie unter Umständen das Ferrum candens.
Nach diesen allgemeinen Angaben wollen wir uns jetzt mit den weiteren gebräuchlichen Bezeichnungen der verschiedenen Geschwürsformen noch etwas näher bekannt machen.
Der Entstehung nach kann man die Geschwüre in lt; traumatische gt; und in lt; spontane oder symptomatische gt; unterscheiden. Erstere entstehen in Folge rein localer Reize, weshalb sie auch lt; Reizgeschwüreraquo; genannt werden. Dieselben heilen in der Regel bei sorgfältiger Fernhaltung des veranlassenden Reizes ohne grosse Mühe, wenn sie noch nicht allzu lang bestanden haben, d. h. nicht bereits habituell geworden sind, bevor sie
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zur Behandlung kommen. Recidive sind allerdings nicht selten, namentlich wenn nach gelungener Heilung neuerdings die früheren ursächlichen Mo­mente wiederholt oder dauernd einwirken. — Die spontanen oder symptomatischen Geschwüre sind solche, bei welchen die veranlas­senden Ursachen in der Regel nicht näher gekannt sind und deshalb in irgend einer Dyscrasie gesucht werden. Bei denselben hat die Therapie aussei- einer entsprechenden örtlichen Behandlung auch die vorhandene Dyscrasie gebührend zu berücksichtigen. quot;Wo diese nicht beseitigt werden kann, ist in der Regel jede Behandlung unnütz.
Für die Praxis sind nun im Weiteren folgende Eintheilungsmomente nicht ohne Bedeutung:
1)nbsp; nbsp;Die äussere Beschaffenheit, Form und Ausbreitung des Geschwürs. Dasselbe kann kreisrund, .halbmondförmig, ringförmig, ganz unregelmässig, flach oder tief sein; es kann einen Canal darstellen, welcher in die Tiefe führt, somit ein röhrenförmiges Geschwür, eine lt; Fistel gt; bilden. Der Bildung dieser liegt in der Regel ein Hohlgeschwür, d. h. ein mehr oder weniger tief liegender Verschwärungsherd zu Grunde.
Diese Unterscheidungen haben im Allgemeinen nur für die Zwecke einer näheren Bezeichnung der Geschwüre eine gewisse Bedeutung, während sie für die Therapie mehr oder weniger gleichgültig sind. Nur die fistu­lösen und Hohlgeschwüre erfordern eine besondere therapeutische Berück­sichtigung , indem dieselben schwerer heilen, als flache Geschwüre, und deshalb durch Spaltung am besten in offene Geschwüre verwandelt werden, wenn nicht besondere Verhältnisse diese Operation verbieten.
2)nbsp; nbsp;Der Grund und die Absonderung des Geschwüres. Dieselben kommen bei der Therapie mehr in Betracht. Der Grund kann flach, ver­tieft oder hervorragend sein; er kann mit schmutziger, stinkender, seröser, jauchiger Flüssigkeit, selbst mit gangränösen Gewebsfetzen bedeckt sein; es kann ferner eine amorphe, speckig aussehende, schmierige Substanz ihn bedecken; er kann aber auch allzu üppige Granulationen mit schleimiger Eiterabsonderung zeigen (fungöse Geschwüre).
Die Therapie wird sich für die einzelnen Fälle aus dem früher Ge­sagten leicht von selbst ergeben.
3)nbsp; nbsp;Die Ränder sind flach oder erhaben; wallartig, hart (callöse Ge­schwüre) #9632;— oder weich, ausgebuchtet (sinuöse Geschwüre), gezackt, um­geworfen , unterminirt u. s. w. Die sinuösen Geschwüre entstehen (ebenso wie die fistulösen) in der Regel als Hohlgeschwüre. Die Spaltung der unterminirten Ränder wird die Heilung meist beschleunigen.
4)nbsp; nbsp;Die Umgebung des Geschwürs, sowie der Grad seiner Empfindlich­keit können normal oder abnorm sein; die Umgebung kann entzündet,
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ödematös, indurirt, pigmentivt u. s. w. erscheinen. Leichte Entzündungs-grade der Umgebung des Geschwürs, welche die Folge von anhaltender oder periodisch wiederkehrender gelinder Reizung sind, verlieren sich in der Regel bei entsprechender Behandlung ohne Anwendung von Arzneimitteln. Ruhe und Schutz gegen schädliche Einwirkungen von aussen reichen ge­wöhnlich aus, die Entzündung der Umgebung und damit die gesteigerte Empfindlichkeit zu beseitigen.
Es kommen indess Fälle vor, wo die Umgebung des Geschwürs dauernd entzündet erscheint, wo namentlich die Empfindlichkeit sehr gesteigert ist, das Geschwür leicht blutet, und wo selbst die Granulationen bei der Be­rührung schmerzhaft sind. Ein solches Geschwür nennt man ein laquo;ere­thisches gt;. Die gesteigerte Empfindlichkeit der Granulationen scheint in der vermehrten Bildung von Nervenprimitivfasern in der Wundfiäche ihren Grund zu haben.
Entzündete und erethische Geschwüre verlangen im Allgemeinen eine reizmildernde Behandlung, wie z. B. die Anwendung einfacher Fettsalben, Zinksalben, Bleisalben, Waschungen mit Bleiwasser u. dergl. Erst wenn nach dieser Behandlung die abnorme Schmerzhaftigkeit sich nicht verliert, während die Entzündung in der Umgebung abgenommen hat, ist es indicirt, die Geschwürsfläche gehörig zu cauterisiren, namentlich wenn die Granu­lationen schlecht aussehen. In solchen Fällen findet wiederum das Ferrum candens eine vortbeilliafte Anwendung, indem durch dasselbe die etwa neugebildeten Nervenprimitivtäsern zerstört werden und ein gesunder Granu-lationsprocess in der Geschwürsfläche angeregt wird. Es sei hier ausdrück­lichst bemerkt, dass in solchen Fällen narcotische Mittel in der Regel nichts nützen, obgleich dieselben vielfach empfohlen worden sind.
Den erethischen Geschwüren entgegengesetzt verhalten sich die laquo;t o r -pidengt; Geschwüre, die nicht nur eine geringe Empfindlichkeit, sondern überhaupt eine geringe Vitalität zeigen. Basis, Ränder und Umgebung des Geschwürs sind in Folge einer lange bestandenen Entzündung verdickt und zuweilen knorpelhart geworden.
Die Therapie' hat hier folgende Aufgaben: a. Eine Erweichung des festen, sehr gefässarmen Gewebes der ver­härteten Ränder und des Geschwürsgrundes anzustreben; und h. eine entsprechende Vascularisation, sowohl der Ränder, als der Basis des Geschwürs herbeizuführen.
Die feuchte quot;Wärme kann in Form von Cataplasmen oder von warmen Wasserbädem oft recht gute Dienste leisten, indem bei conse-quenter Anwendung derselben eine künstliche Quellung und Erweichung des Geschwürs und seiner Umgebung erzielt wird. Auch empfiehlt sich
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der Gebrauch einer Salbe aus acht Theilen Terebinth, comm. und aus einem Theile Hydrgr. prsecip. rubr. zum Verband. Sehr zweckmassig jedoch kann auch hier das Ferrum candens, oder das Ung. Tart. stib. oder Ung. Canthar. angewendet werden. Diese Mittel rufen eine reactive Entzündung in dem atonischen Geschwüre hervor, wo dann die feuchte Wärme immer noch ihre Anwendung finden kann. Die Heilung solcher Geschwüre fordert stets viel Zeit, und es können Falle vorkommen, in denen dieselbe ungemein schwierig, ja selbst unmöglich ist. Die Starrheit des Gewebes in der Um­gebung des Geschwürs kann die Zusammenziehung der Geschwürsränder so wesentlich behindern, dass dadurch die ganze Granulationsfläche in ihrer ursprünglichen Ausdehnung benarben muss. Die junge Narbe kann sich in Folge dessen nicht gehörig, namentlich nicht schnell verdichten, weshalb sie leicht wieder wund wird, also zu Recidiven sehr disponirt; sie muss deshalb stets noch eine Zeit lang nach erfolgter Heilung vorsichtig geschützt werden.
Vorstehend angegebene Bezeichnungen der verschiedenen Geschwürs-formen dürften ausreichen, um jedes Geschwür einem Kunstgenossen genau beschreiben und die therapeutischen Anordnungen nach denselben treffen zu können. Die in der Menschenheilkunde gebräuchlichen Bezeichnungen scrophulöse, tuberculöse etc. Geschwüre werden in der Thierheilkunde seltener angewendet.
Es sei schliesslich noch erwähnt, dass der Verschwärungsprocess nicht nur in normalen Geweben, sondern auch oft in Neubildungen, in den eigent­lichen Geschwülsten, auftritt und dass an diesen sowohl Flächen- als Hohl-Geschwüre sich bilden können.
Die Nekrose.
Der Nekrotisirungsprocess oder Brand ist der Verschwärung oder Ulce-ration, wie wir dieselbe bei den fressenden Geschwüren kennen gelernt haben, sehr nahe verwandt; bei dieser handelt es sich um einen molecu-lären Zerfall der betreffenden Gewebe, während beim Brande grössere und zusammenhängende Gewebspartien (möglicherweise sogar ganze Extremitäten oder andere Körperabschnitte) ungefähr zur gleichen Zelt absterben.
Die Nekrose (17 vsxqwOic das Absterben, von vtxgovv todt machen) ist ein Zustand des örtlichen Todes und nicht ein eigentlicher Lebens- oder Krankheitsprocess. Nekrotische Theile zeigen anfangs keine bemerkbaren Veränderungen ihrer Form; dagegen haben sie jede lebendige Reaction verloren und besitzen somit keine Empfindung, keine Bewegung mehr.
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An denselben vollziehen sich nur noch rein chemische und physikalische Processe, wodurch sie über kurz oder lang ihre Form einhüssen können.
Die Ursachen der Nekrose sind verschieden. Im Wesentlichen kommen dieselben darin überein, dass sie die Blutcirculation in dem betroffenen Theile aufheben. Jedoch nicht jede schnell vorübergehende Unterbrechung der Cir­culation hat Nekrose zur Folge. Es können sogar Körpertheile, welche aus dem Zusammenhange mit ihrer Nachbarschaft losgelöst sind, eine kurze Zeit lang ein selbstständiges Leben führen, wie dies die vielen gelungenen Transplantationen losgelöster Körpertheile, z. B. der Hahnensporn u. s. w. hinlänglich beweisen. Erst wenn die Störungen, resp. Unterbrechung der Blutcirculatiou eine gewisse Zeit andauern, führen sie zur Nekrose des betreffenden Theiles. Alles, was die Circulation in einem Gefässahschuitte für einige Zeit zu sistiren vermag, kann Nekrose des entsprechenden Ge­webes zur Folge haben, vorausgesetzt, dass dasselbe nicht durch den Col-laterallauf das zu seiner Ernährung erforderliche Material zugeführt erhält. So hat z. B. ein längere Zeit hindurch anhaltender oder öfter einwirkender Druck auf gewisse Stellen der äusseren Haut Nekrose zur Folge, die je nach dem auf das Hautgewebe sich beschränkt, wie dies hei Geschirrdruck nicht selten der Fall ist, oder über grössere Partien der unter der Haut gelegenen Gewebe sich ausdehnt (Decubitus); auch zu fest angelegte Verbände, wenn dieselben nicht zeitig gelockert werden, können aus­gedehnte Nekrose zur Folge haben. Gewisse innere Zustände (Dyscrasien) begünstigen den Eintritt von Nekrose wesentlich, so z. B. Milzbrand, all­gemeine Schwäche, verminderte Energie der Herzthätigkeit u. s. w. Wo der Brand die Folge von Entzündung ist, tritt derselbe in der Eegel in Folge der zu starken Spannimg der Gewebe durch die Exsudate ein, wo­durch die Gefässe zu sehr gedehnt und zusammengedrückt werden und so die Blutzufuhr abgeschnitten wird; in Folge der erhöhten Reibungswider­stände tritt Capillarthrombose ein.
Der Process, welcher die Nekrose herbeiführt, wird Mortifications-process, Brand oder laquo;Gangrsenaraquo; genannt. Schon Galen gebrauchte das griechische Wort laquo; yayyQttiva. gt; von yquiveiv zerfressen, für Brand. Früher glaubte man, Brand könne nur in Folge von Entzündung entstehen; dies ist indess ganz irrig. So z. B. haben wir bereits früher gesehen, dass Gangrän auch die Folge von Thrombose und Embolie sein kann, ohne dass Entzündung vorauszugehen braucht. Selbst bis in die neueste Zeit be­zeichnet man mit Gangrän den sogenannten heissen Brand, bei welchem der leidende Theil noch Aeusserungen des Lebens zeigt; man versteht darunter eigentlich eine hochgradige Entzündung mit theilweiser Lähmung und mangelhafter Reaction des betreffenden Theiles. Von demselben wird
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der sogenannte kalte Brand oder lt; Sphacelus gt; unterschieden, der das gänz­liche Abgestorbensein des betreffenden Theiles bedeutet.
Der Ausdruck laquo;Nekrosis gt; wurde früher fast ausschliesslich gebraucht, um den Brand der Knochen damit zu bezeichnen.
Das Wort lt; Sphacelus gt; wird heute auch wohl gebraucht, um damit den nekrotischen Körpertheil selbst zu bezeichnen. Nach Galen war laquo;aydxsXog gt; ein sehr allgemeiner Ausdruck, der im gemeinen Leben jeden heftigen Schmerz, Convulsionen oder eine grössere Entzündung bezeichnete, die leicht mit Brand enden konnte.
Die Veränderung des nekrotischen Theiles hängt wesentlich von seiner histologischen Beschaffenheit und von verschiedenen äusseren Verhältnissen ab, besonders von der Berührung desselben mit der äusseren Luft, oder von dem Abgeschlossensein desselben. Im ersteren Falle tritt öfter Fäul-niss, im letzteren Falle Schrumpfung, Verfettung oder Verkalkung des brandigen Theiles ein. Im Allgemeinen unterliegt derselbe (und seine Um­gebung) folgenden Veränderungen:
Ist der brandige Theil weich und saftreich, so zerfällt er leicht zu einer breiigen Masse oder er wird sogar flüssig; der Zustand wird dann als feuchter Brand lt; Gangriena humida gt; bezeichnet. Bei demselben ent­wickeln sich verschiedene Gase, wodurch der sogenannte Brandgeruch (Foctor) entsteht. Diese Gase können so massenhaft auftreten, dass sie die Flüssigkeiten des Brandherdes schaumig machen. Wenn dieselben unter der Haut oder in den grossen Körperhöhlen sich ansammeln, so stellen sie im ersteren Falle den sogenannten rauschenden Brand dar, lt; Emphysema grangraenosum gt;, im zweiten Falle den sogenannten laquo;Pneumothoraxraquo; (von nvavpa Hauch, Wind und ÜwQcc'g Brustpanzer, Brust) oder lt; Meteorismus gt; (fletremgaffXos Aufblähen des Hinterleibes von [Xävsagfäew in die Höhe heben), je nachdem die Gase in der Brusthöhle oder in der Bauchhöhle sich ange­sammelt haben.
Dem trockenen Brande, der laquo; Gangrama sicca gt;, verfällt der nekrotische Theil, wenn er hart ist und wenig Feuchtigkeit enthält. Die Unterschiede zwischen trockenem und heissem Brand beruhen demnach lediglich auf physikalischen und chemischen Verhältnissen des brandigen Theiles und seiner Umgebung. Aus dem feuchten Brande kann in Folge von Feuchtig­keitsverlust somit später noch trockener Brand sich entwickeln.
Beim Eintritt von Gangrsena tritt in den Gefässen des betreffenden Theiles Blutgerinnung ein und in Folge dessen capilläre Hypersemie der Umgebung, welcher Durchtränkung der benachbarten Gewebe folgt. Die Blutkügelchen des geronnenen Blutes geben ihr Hsematin ab, das Oedem ver­breitet sich bis unter die Epidermis, und indem diese abgehoben wird,
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zeigen sich die bekannten Brandblasen (Bullae gangranosie) mit ihrem röth-lichen Inhalte; dieselben platzen in der Regel bald und die Theile schrumpfen demnach ein.
Der brandige Theil kann entweder abgestossen und nach aussen ent­fernt werden, oder er kann eingekapselt (sequestrirt) werden, wobei der­selbe der Schrumpfung, der fettigen Metamorphose, der Verkalkung oder der Verkleidung anheimfällt. Aeusserlich gelegene nekrotisirte Körpertheile werden in der Regel abgestossen, während tiefer gelegene häufiger se­questrirt werden.
Die Zeit, innerhalb deren nekrotische Gewebsstücke sich ablösen, ist eine sehr verschiedene. Die Ablösung erfolgt früher oder später, je nach dem Umfange des abgestorbenen Körpertheiles, je nach der Consistenz des­selben und des angrenzenden Gewebes, sowie nach dem Gefässreichthume des letzteren und je nach dem Kräftezustande und der Lebensenergie des Patienten.
Als laquo;Gangiiena sine odoregt;, d. h. als geruchlosen Brand bezeichnete man früher einen Process, durch welchen die Gewebselemente ihre Form einbüssen, indem sie allmälig in eine flüssige Detritusmasse umgewandelt werden, ohne dass dabei Fäulnissprodukte entstehen. Es ist dies jedoch keine eigentliche Gangrama, sondern eine nekrobiotische Schmelzung des betroffenen Gewebes, eine einfache Malacie. (Siehe Seite 93.)
Wird der nekrotische Theil von seiner Umgebung abgestossen, so wird derselbe stets an seiner Peripherie durchfeuchtet, wenn nicht bereits Gan-gnena humida vorher bestand. Die Abstossung kommt dadurch zu Stande, dass in Folge des von Seiten des brandigen Theiles auf die Umgebung aus­geübten Reizes ein reactiver Entzündungsprocess mit Neubildung und Zellen-proliferation an der Grenze der lebendigen Gewebe entsteht, wodurch diese als sogenannte lt; Demarcationslinieraquo; deutlich hervortritt. Dieselbe zeigt sich zunächst als eine um den nekrotischen Theil gezogene Linie, die durch den Eintritt von Eiterung in eine Furche, in den lt; Demarcationsgraben gt; verwandelt wird, der allmälig sich vertiefend, das gesunde Gewebe vom todten trennt. Hat diese Trennung nach allen Seiten hin stattgefunden, so fällt der nekrotische Theil ab, oder kann durch einen leichten Zug an dem­selben ohne Mühe entfernt werden. Sehnen, Bänder und Knochen wider­stehen der Abstossung länger als andere Gewebe. Bis diese erfolgt ist, bleibt für den Patienten stets eine Lebensgefahr vorhanden, da die Auf­nahme von Brandjauche in das Blut leicht tödtlich endende Allgemein-erkrankungen zur Folge hat.
Ist die Abstossung des brandigen Theiles erfolgt, so wird derselbe regenerirt oder durch Xarbengewebe ersetzt.
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Es kann der brandige Theil aber auch verschiedeneu Metamorphosen anheimfallen, durch welche derselbe ebenfalls unschädlich gemacht wird. Es sind dies namentlich die Verschrumpfung, Verfettung und Verkalkung.
Die Schrumpfung nekrotisirter Theile beruht immer auf dem Ver­luste von Flüssigkeit (Wasser). Zuerst wird das extracelluläre, später auch das intracelluläre Wasser in die Umgebung diftündirt und demnach zum Theil verdunstet, zum Theil resorbirt. In Folge dieser Vorgänge verändern die Zellen ihre Form und rücken näher an einander. Der Schrumpfungs-oder Mumificationsprocess kann sich an einzelnen Gewebsabschnitten, oder an ganzen Organen und Systemen, ja selbst an ganzen Individuen vollziehen (Muraification eines Fötus). Kleinere Partien saftreicher Organe oder Ge­webe können nicht muinificiren, weil von der Umgebung stets Feuchtigkeit in den brandigen Theil wieder eindringt.
Die Verfettung nekrotisirter Körpertheile erfolgt, indem in die Poren und Lücken des Sphacelus von den benachbarten Geweben aus Fett abge­lagert wird, oder indem die Eiweissstoffe und niedriger oxydirte Stickstoff­verbindungen desselben sich in Fett umsetzen. Die Verfettung tritt erst dann ein, wenn der Sphacelus bereits einen grossen Theil seines quot;Wassers verloren hat. Sobald indess die Mumification desselben stattgefunden hat oder nur einigermassen fortgeschritten ist, kann Verfettimg nicht mehr eintreten. Dagegen kann es geschehen, dass die Aussenflächen nekrotisirter Theile verfetten, erweichen, sich verflüssigen, während im Inneren der­selben Mumification eintritt. '
Die Verkalkung oder Verkleidung (Petrificatio) tritt öfter und schneller bei kleinen Körpertheilen, als an grossen auf. Letztere verkalken bei beträchtlichem Umfange in der Regel nur theihveise, so z. B. die Stein­früchte im Uterus (Lithopasdion). Die Verkalkung erfolgt entweder von innen nach aussen, oder von aussen nach innen; im ersteren Falle dehnt sich die­selbe in der Regel vollständig über den ganzen nekrotischen Körpertheil aus, während im zweiten Falle der Sphacelus, wenn er nicht sehr klein ist, in seinem Inneren nicht verkalken kann, weil durch die von aussen gebildete Kalkhülle hindurch ein Stoffwechsel unmöglich ist. Diese Art der Ver­kalkung nennt man laquo;Incrustatiogt;. Zuweilen sind die Kalkeinlageruugen eingesprengt und wechseln mit Verfettung des Sphacelus ab. Ein solcher Körpertheil fühlt sich wie sandiges Fett an. Die eingelagerte Kaikniasse besteht in allen Fällen vorzugsweise aus kohlensaurem, etwas phosphor­saurem Kalk und aus Spuren von kohlensaurer Magnesia. Verkalkung tritt immer erst dann ein, wenn die Eintrocknung bereits ziemlich fortge­schritten ist, oder wenn der nekrotische Theil von vorn herein nur wenig
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Wasser enthält. Neben der Verkalkung kann bei Luftzutritt sowohl par­tielle Mumification, als auch Erweichung des Sphacelus auftreten.
Die Diagnose von Brand ist nicht immer leicht, namentlich wenn der­selbe die Knochen oder andere verdeckt gelegene Theile betrifft. An äusserlich gelegenen Theilen wird hingegen der Eintritt von Nekrose aus den vorhin angegebenen Merkmalen leicht zu erkennen sein. (Ueber Knochen-nekrose wird bei den Erkrankungen der Knochen noch gesprochen werden.) Wo Brandblasen auf der äusseren Haut sich zeigen, oder wo diese auf­gepolstert erscheint und wo beim Ueberstreichen mit den Fingern über eine derartige Stelle ein Knistern oder Rauschen bemerkbar wird, d. h. wo ein Emphysem unter der allgemeinen Körperdecke vorhanden ist, ohne dass dies in Folge einer äusseren Hautverletzung entstanden oder von den Lungen ausgegangen ist, da darf man an einen in der Zersetzung begriffenen nekrotischen Theil in der Nähe der betreffenden Hautstelle denken. Hat bereits eine Aufnahme von Brandjauche in das Blut laquo; eine Blutvergiftung gt;, stattgefunden, so bekundet sich dieses durch die Gegenwart eines mehr oder weniger hochgradigen (septischen) Fiebers. (Siehe Septicaemie.) Dasselbe tritt weit häutiger und schneller bei feuchtem, als bei trockenem Brande ein, weil bei jenem die Bedingungen für die Entstehung und Aufnahme von Zersetzungsprodukten begreiflicherweise weit günstiger sind, als bei diesem.
Die Prognose muss stets mit Vorsicht gestellt werden, (namentlich als0 bei feuchtem Brande), weil jederzeit eine Blutvergiftung eintreten und den Tod zur Folge haben kann, so lange der brandige Theil nicht vollständig beseitigt oder durch die vorhin angegebenen Metamorphosen unschädlich geworden ist.
Die Therapie hat bei Nekrose vorzugsweise zwei Hauptindicationen zu berücksichtigen und zwar :
1)nbsp; nbsp;Das weitere Umsichgreifen des Brandes zu verhüten und die Ab-stossung des nekrotisirten Theiles zu fördern, was durch Hervor­rufung einer reichlichen Eitersecretion an der Grenzlinie der ge­sunden Gewebe geschieht;
2)nbsp; nbsp;der Eintritt der Fäulniss des nekrotisirten Theiles, eventuell die Resorption der Zersetzungsprodukte zu verhüten.
Die abgestorbenen Gewebsfetzen müssen sorgfältig und vorsichtig (ohne Verletzung des Gesunden) mittelst der Scheere entfernt und die kranke Stelle mit Creosotwasser, verdünnter Phenylsäure, Phenylspiritus (1 : 10), Holzessig, Chlorwasser (1 ^ = 30,0 Chlorkalk auf 1 S1 Wasser), Alkohol u. dergl. verbunden odes des Tages öfter bespritzt werden. Bei Gaseut-
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Wicklung an der Wundfläche ist das reichliche Bestreuen der kranken Stelle mit Kohlenpulver nach jeder Reinigung zu empfehlen. Auch kann als Antisepticum eine Auflösung von etwa 8 Th. Bleizucker, 5 Th. Alaun auf 100 Th. Wasser, oder Steinkohlentheer mit Gyps (1 :-20) angewandt werden.
Will man gleichzeitig eine innerliche Behandlung einleiten, so mögen roborhende und antiseptische Mittel (China und Säuren) in entsprechender Menge und mit geeigneten anderen Mitteln verbunden, verabreicht werden. Eine sorgfältige, dem Kräfte- und Ernährungszustande des Patienten ange­messene Diät muss die Kur unterstützen.
Die Nekrobiose.
Die Nekrobiose oder Involutio ist ein regressiver Process, der zur Entartung und schliesslich zum Untergang der Gewebselemente mit Verlust ihrer Form führt. Der in Folge dessen entstehende Detritus wird entweder alsbald resorbirt, oder er bleibt als Flüssigkeit zurück. Den ersteren Zustand bezeichnet man als laquo; Atrophia ad numerumraquo;, den zweiten als lt; Erweichung oder Malacieraquo;. Beide Zustände unterscheiden sich also nur dadurch, dass bei der numerischen Atrophie Resorption und Zerfall gleichen Schritt halten, während bei der Malacie der Zerfall vorherrscht. Die anatomische Beschaffenheit der betroffenen GewTebe, namentlich ihr Blut- und Lymphgefässreichthum, ferner die Schnelligkeit und der Umfang des Zerfalles bedingen wesentlich die Verschiedenheit des Endresultates des nekrobiotischen Processes. Aus der Malacie kann dann auch später noch die numerische Atrophie hervorgehen, wenn nämlich die Detritusmassen nachträglich noch resorbirt werden.
Von der Nekrose ist die Nekrobiose also wesentlich dadurch ver­schieden, dass letztere kein nekrotisches Gewebe, sondern eine Masse liefert, in welcher die früheren Gewebe nicht mehr zu erkennen sind, während nekrotische Theile, wie wir gesehen haben, vor ihrer Zerstörung durch rein physikalische und chemische (Verwesungs-)Processe, keine bemerkbaren Ver­änderungen ihrer Form zeigen. Diese Fäulnissprodukte sind deletärer Natur, was die Detritusmassen, welche durch Nekrobiose entstehen, nicht sind. (Siehe Wundfieber.)
Die Nekrobiose kann durch verschiedene Ursachen hervorgerufen werden. So z. B. erzeugen Aetzmittel einen nekrobiotischen Process, indem sie die Form, Consistenz, Farbe etc. des betroffenen Theiles verändern und mittelbar den Tod desselben verursachen; ferner können übermässige An-
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strengungen, sowie anhaltende träge Ruhe bei üppiger besonders stick-stoffarmer Fütterung Nekrobiose zur Folge haben.
Der nekrobiotische Process kann in einer fettigen Metamorphose, in einer Erweichung und Schmelzung der Gewebe sich äussern, und wenn die Resorption mit der Schmelzung Schritt hält, als sogenannter Schwund in die Erscheinung treten, indem das Volumen des betreffenden Körper-theiles abnimmt; in allen Fällen ist die Function desselben in grösserem oder geringerem Grade vermindert.
Bei der fettigen Metamorphose werden die specifischen Gewebszellen in Fett umgewandelt, wodurch selbstverständlich ihre Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird. Zunächst treten im Protoplasma kleine, runde, glän­zende Fettkörnchen auf, mit deren Vermehrung das Protoplasma sich trübt, während Membran und Kern in der ersten Zeit noch durchsichtig und frei von Fett bleiben; doch später unterliegen auch diese demselben Processe. So lange die Membran noch vorhanden ist, heisst die Zelle eine Körnchen­zelle; ist die Membran und der Kern ebenfalls fettig entartet, so wird sie Körnchenkugel genannt. Dieselbe ist ein todtes Häufchen von Fetttröpfchen, welches aus einer Zelle hervorgegangen ist, von dieser aber nur noch etwa eine grosse Aehnlichkeit der äusseren Form besitzt. Die Intercellularsubstanz wird nicht in die Fettmetamorphose hineingezogen, sondern erweicht einfach und zerfliesst. Ob die Form der Zelle zerstört wird, oder sich noch längere Zeit erhält, hängt ganz von zufälligen äusseren Bedingungen ab. Wo die Form vernichtet wird, entsteht eine homogene, trübe oder milchähnliche Flüssigkeit, welche aus Wasser, eiweissartigen Substanzen, Fetttröpfchen und Salzen besteht. Diese Detritusmassen wurden früher für Milchmetastasen angesehen, weil aussei- der Aehnlichkeit mit Milch auch die Milchsecretion bei derartigen Processen, bei welchen in der Eegel Fieber vorhanden ist, schnell nachlässt oder ganz eingestellt wird. Die Fettmassen werden nun entweder resorbirt, oder verbleiben längere Zeit am Orte ihrer Entstehung liegen, in Folge dessen allmälig Cholestearin-Crystalle aus denselben sich absetzen. Liegen sie in der Nähe der Hautoberfläche, so öffnen sie sich nicht selten nach aussen und bilden ein nekrobiotisches Geschwür, eine sogenannte fettige üsur. Die fettige Metamorphose kann mit Ausnahme der rothen Blutkügelchen, der Ganglienzellen und der intercentralen Nerven­fasern der Centralorgane an allen übrigen Gewebszellen (die peripherischen Nervenfasern nicht ausgeschlossen) vorkommen.
Es gehört zur nekrobiotischen Schmelzung auch die colloide und die schleimige Erweichung. — Die Colloidmetamorphose besteht in einer Um­wandlung der Zellen in eine leimartige Masse, welche ihrer Consistenz nach dem rohen Eiweiss sehr ähnlich ist. Zuweilen ist die Masse auch derber,
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speckalmlich, körnig und leicht brüchig. — Diese Erweichung kommt am häufigsten in den Schilddrüsen und in den quergestreiften Muskeln (be­sonders nach Starrkrampf) vor.
Die Schleimmetamorphose ist der Colloülmetamorphose sehr ähnlich; sie kommt besonders.an der Grundsubstanz der Knorpel, des Knochens und des Bindegewebes vor. Sie besteht in einer Umwandlung des Collagen und Chondrigen in Schleimstoff [(Mucin), welcher sich von den Albuminaten dadurch unterscheidet, dass er keinen Schwefel enthält.
Die Behandlung nekrobiotischer Zustände wird je nach ihren Folgen etwas verschieden sein. Eine Hauptindication bleibt indess für alle Fälle, durch entsprechende Reize und Pflege die Ernährung und Thätigkeit der betreffenden Körpertheile zu fördern, weshalb bei Schwund der Gewebs-elemente reizende Einreibungen auf die äussere Haut, sowie ein massiger Gebrauch der Thiere im Allgemeinen zu empfehlen ist.
Angesammelte Detritusmassen müssen je nach Umständen zur Re­sorption gebracht, oder nach aussei! entleert werden; nekrobiotische Ge­schwüre haben meist einen atonischen Charakter und verlangen deshalb neben einer kräftigen Ernährung die locale Anwendung tonisirender und geliud reizender Mittel.
Die Verhärtung, Verdichtung, Imluratio.
Hierhin gehört jeder Degenerationsprocess, welcher mit Verdichtung des Gewebes und mit verminderter Leistungsfähigkeit der betreffenden Organe, resp. Gewebe verbunden ist. Letztere können dabei an Umfang zunehmen, wenn nämlich die eingelagerten fremden Stoffe mehr Raum ein­nehmen als die schwindenden Gewebselemente. (Paratrophie, Degeneratio).
Es gehören hierhin:
1)nbsp; nbsp; Die Verkreidung (Cretificatio) und die Versteinerung (Petrificatio);
2)nbsp; nbsp; die Pigmentirung (Chromatosis); und
3)nbsp; nbsp; die amyloide Metamorphose.
In der chirurgischen Praxis kommt nur die Verkleidung und Ver­steinerung in Betracht. Dieselben gehören zu den gröbsten degenerativen Processen und bestehen in einer Ablagerung von Kalksalzen in die Gewebe, wodurch diese zwar nicht ertödtet, indess in ihrer Ernährung und Function beeinträchtigt werden. Diese Processe gehen ganz in derselben Weise wie bei geologischen Versteinerungen vor sich, indem Kalkkörnchen an Kalk­körnchen abgelagert und durch allmälige Verschmelzung fest mit einander verbunden werden. Sind die Kalksalze in die Intercellularsubstanz ab-
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gelagert, so bezeichnet man den Zustand als lt; Verkreidung oder Ver­kalkung (Cretificatio seu Calcificatio) gt;, während eine Verkalkung der Zellen selbst als lt; Versteinerung (Petrificatio) gt; bezeichnet wird, weil in diesem Falle die Elemente ganz von Kalksalzen durchdrungen, versteinert sind. Die Form bleibt auch selbst dann erhalten.
Beginnt die Verkalkung an der Oberfläche eines Körpertheiles, so kann sie in der Regel nicht auf dessen Inneres sich verbreiten, weil durch die von aussen gebildete Kalkschale der Stoffwechsel unterbrochen wird. Eine solche oberflächliche Verkalkung nennt mau laquo;Incrustationraquo;. Ein petri-ficirter Körpertheil kann nachträglich noch incrustirt und dadurch sein Umfang noch vergrüssert werden.
Mit einziger Ausnahme der rothen Blutkörperchen können alle Zellen des thierischen Organismus der Verkalkung unterliegen. Diese -Processe kommen nicht allein an normalen Geweben, sondern auch an pathologischen Neubildungen vor. wodurch den weiteren Metamorphosen dieser ein Ziel gesetzt wird und so nicht selten grosse Gefahren für die Existenz des be­troffenen Organes oder selbst des Individuums auf diesem Wege beseitigt werden. Dahingegen kann auch die Brauchbarkeit und somit der Werth der Thiere in Folge der Einlagerung von Kalksalzen in normale oder patho­logische Gewebe verlieren. Dies ist z. B. der Fall, wenn Sehnen, Sehnen­scheiden, Gelenkbänder u. dergl., kurz wenn Theile des Locomotions-apparates in Folglaquo; der Verkalkung ihre Biegsamkeit verlieren. Am häufigsten wird die Verkalkung der Sehnenscheiden der Kronen- und Hutbeinbeuger angetroffen, wodurch die Umgebung der Fesselgelenke bedeutend verdickt und die Articulation derselben beeinträchtigt wird.
Die Diagnose dieser Zustände, sofern dieselben in das Gebiet der Chirurgie gehören, bietet in der Regel keine sonderlichen Schwierigkeiten. Zwar kann während des Lebens eine sichere Unterscheidung zwischen ver­kalkten und verknöcherten Geweben nicht gemacht werden, während eine solche Verwechselung nach dem Tode im Allgemeinen nicht leicht möglich ist. Nur bei verkalktem Bindegewebe ist zur Unterscheidung eine genauere Untersuchung nöthig. Bei demselben verkalkt die Intercellularsubstanz, während die Bindegewebszellen frei bleiben; letztere können, da sie mit ihren strahlenförmigen Ausläufern mit einander in Verbindung bleiben, selbst bei microscopischer Untersuchung leicht mit Knochenkörperchen ver­wechselt werden, Verkalktes Bindegewebe unterscheidet sich indess auch macroscopisch von Knochen, sowohl durch seine Farbe, wie durch seine Consistenz. Dasselbe ist gelblich braun und hat das Ansehen eines Kiesels; auch ist es härter, derber und dichter, somit weniger elastisch als Knochen.
Die Ursachen der Verkalkung sind zum Theile in geringem Stoffwechsel
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und in Circulationsstonmgen, zum anderen Theile in einem vermehrten Kalkgehalte des Blutes gegeben.
Die Prognose gestaltet sich in Bezug auf Heilbarkeit im Allgemeinen wenig günstig. Nur da, wo die verkalkten Körpertheile ohne Nachtheil ausgeschält werden können, ist der Erfolg der Behandlung ein sicherer. Eine diagnostische Verwechselung von Verkalkung und Verknöcherung der Gewebe hat deshalb für die chirurgische Praxis in der Regel keine sonder­liche Bedeutung.
Die Therapie vermag nämlich im Ganzen wenig gegen die Verkalkungs­vorgänge (ebenso wenig wie gegen die der Verknöcherung) zu leisten. Wo der Process erst anhebt, können zu seiner Sistirung äusserlicb. belebende Einreibungen auf den erkrankten Theil und innerlich die Verabreichung weniger kalkhaltiger Nahrungsmittel versucht werden. Selbstverständlich ist von einer solchen Behandlung nur bei längerer Fortsetzung etwas und selbst dann nicht viel zu erwarten. Verkalkte Körpertheile, welche durch Druck auf d:e Umgegend schaden und ohne Nachtheil ausgeschnitten werden können, sind auf operativem Wege und zwar nur auf diesem zu entfernen.
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Die Neuhilduuffen.
Alle hierhin gehörigen Processe sind gekennzeichnet durch Gewebs-bildung normaler oder abnormer Art. Jede Neubildung (Neoplasie), sei sie physiologischer öder pathologischer Natur, geht stets aus einem bereits vorhandenen Muttergewebe (Matriculargewebe) hervor. Körperbestandtheile, oder beliebig andere Substanzen, welche keine Zellen enthalten, sind zur Gcwcbsbildung absolut untauglich, wenn nicht etwa von aussen eine Ein­wanderung von Zellen in dieselben stattfindet. Omnis cellula c cellula; denn auch für diese gilt die Urzeugung heute ziemlich allgemein als eine unberechtigte Hypothese. Der formative Process kann entweder zur Wieder­erzeugung verloren gegangener Gewebselemente — oder zur Wucherung und Transformation vorhandener Gewebe führen. Im ersteren Falle werden die verloren gegangenen Elemente oder Gewebe entweder durch völlig gleiche ersetzt, in welchem Falle die Neubildung eine lt; homologeraquo; (von ofioXoyog übereinstimmend, gleichartig) und der Process lt; Regeneration gt; (von Regenerare wiedererzeugen) genannt wird; — oder es wird das ver­loren gegangene Gewebe durch ein heterologes (von dem neugebildeten Worte griechischen Ursprunges irsQÖkoyog verschiedenartig) Gewebe, z. B. Muskelgewebe durch Bindegewebe ersetzt, in welchem Falle die Neubildung als lt; Narbenbildung oder Cicatrisatio gt; bezeichnet wird.
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Die Regeneration ist wesentlich eine einfache Hyperplasie, bei welcher die neu gebildeten Gewebseleinente an die Stelle des verloren gegangenen Gewebes treten. Da bei der Regeneration Elemente derselben Art ent­stehen, so werden auch die Funktionen des verloren gegangenen Gewebes durch das -neu gebildete wieder aufgenommen.
Auf die Regeneration und Cicatrisation werden wir später (bei den Wunden mit Substanzverlust) noch spezieller zurückkommen; an dieser Stelle soll zunächst die Transformation vorhandener Gewebe und die Neubildung ohne vorhergegangene Substanzverluste besprochen werden.
Durch die einfache Transformation werden bereits vorhandene Gewebs­eleinente umgestaltet, ohne dass neue hinzutreten. Diesen Vorgang be­zeichnet man als laquo; Entartung ;gt; oder laquo; Degeneration gt;; dieselbe ist ein hetero­plastischer (von trsQog fremdartig und nXäon; Bildung) Process, insofern die normalen Gewebseleinente in abnorme verwandelt werden. Tritt mit der Degeneration gleichzeitig eine Hyperplasie der betroffenen Gewebe auf, so kommt es zur Bildung der sogenannten lt; Geschwülste oder Tumorenraquo;. Dieselben sind also das Resultat einer hyperplastischen Heteroplasie, oder, wenn man lieber will, einer heteroplastischen Hyperplasie. Eine einfache, nicht heteroplastische Hyperplasie - oder was dasselbesagt: eine einfache Ueberproduktion der normalen Elemente des Matrikulargewebes führt selbst­verständlich nur zur nummerischen Vermehrung, nicht aber zur abnormen Qualität derselben.
Bei allen heteroplastischen Neubildungen findet eine Transformation der eingewanderten oder bereits vorhandenen Zellen statt, so dass die Structur der heteroplastischen Gewebe von der Matrix abweicht. Solche Neu­bildungen vergrössern sich in der Regel nicht durch Vermehrung ihrer eigenen Gewebseleinente, sondern durch Zunahme des Umfanges dieser, oder durch Apposition neuer Elemente von der Grenze des Normalen aus.
Gehört die heteropla'stische Neubildung histologisch zu derselben Ge-websgruppe, wie die Matrix, so nennt man die Heteroplasie eine unvoll­kommene, so z. B. wenn Bindegewebe durch Fettgewebe, Cylinder-Epithel durch rtiaster-Epithel etc. ersetzt wird. Dagegen wird die Heteroplasie als vollkommen bezeichnet, wenn das neugebildete Gewebe einer andern histo-logischen Gruppe angehört, wie das Gewebe der Matrix. Die unvollkommene Heteroplasie bildet ein Mittelglied zwischen der Hpyerplasie und der voll­kommen fremdartigen Neubildung, der vollkommenen Heteroplasie.
Da alle Neubildungen von den Zellen ausgehen, so wollen wir der Zellenvermehrung an dieser Stelle kurz gedenken. Die meisten Forscher nehmen an, dass dieselbe an und in den Zellen selbst und zwar entweder durch Theilung derselben oder durch Erzeugung von Tochterzellen im
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. ,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;99
Inneren vorhandener Mutterzellen zu Stande kommt. Die Theilung soll allemal am Nucleus beginnen und jede kernlose thierische Zelle für die Fortpflanzung untauglich sein. Zellen, welche zwei oder mehrere Kerne enthalten, oder von Kernen ganz erfüllt sind, werden laquo; multinucleäre gt; ge­nannt. Die Bedeutung dieser ist in mancher Hinsicht noch unbekannt.
Die im Knochenmarke regelmässig vorhandenen multinucleären Zellen werden in jüngster Zeit als die Mutterzellen rother Blutkörperchen ange­sehen. Auch im Gehirne, in der Leber und in den verschiedensten Keo-plasmen werden mehrkernige Zellen angetroffen, so dass dieselben weder als physiologische Erscheinung selten sind, noch die eine oder andere Hetero-plasie besonders charakterisiren. In gewissen Neubildungen und zwar am häufigsten in Cancroiden werden im Protoplasma der Zellen nicht selten Hohlräume angetroffen; solche Zellen haben von dem griechischen Worte lt;raquo;; (pvaccXig die Wasserblaseraquo; den Namen laquo; Physaliden gt; erhalten.
Da bis jetzt die Vermehrung der Gewebszellen aus und durch sich selbst noch niemals in allen Stadien der Entwicklung direkt beobachtet worden ist, so wird dieselbe von Manchen bezweifelt und die Zellen Ver­mehrung auschliesslich auf die Einwanderung vom Lymphzellen zurückge­führt. Diese letztere werden dann als lt; Zuchtzellen gt; für jede physiologische und pathologische Neubildung angesehen. Alle Zellen sind im jugendlichen Alter kleiner, als in vorgerückteren Lebensperioden; sie nehmen bis zu einer gewissen Zeit und bis zu einem gewissen Grade allmälig an Umfang zu.
Kehren wir jetzt zu den Neubildungen zurück. Nach ihrer histo-logischeu Structur hat man dieselben in einfache und in zusammengesetzte unterschieden. Erstere entsprechen in histologischer Beziehung einem ein­fachen normalen Gewebe; letztere dagegen sind aus verschiedenen Geweben zusammengesetzt. Ist die Anordnung dieser eine regelmässige, so nennt man die Neubildung eine laquo; organoüle gt;. Sind mehrere derselben so gruppirt, dass sie einem ganzen Systeme des Körpers in unvollkommener Repro­duktion entsprechen, so bezeichnet man die Neoplasie als laquo;teratoide oder als Missbildungraquo;. Liegen dagegen organoide Neubildungen ganz unregel-mässig beisammen, so nennt man dies ein Naturspiel, Lusus naturae.
Alle Neubildungen, welche aus mehr als einem Gewebe zusammen­gesetzt sind, können als gemischte oder combinirte bezeichnet werden. Gewöhnlich jedoch versteht man unter Combination die Vereinigung von zwei oder mehr zusammengesetzten Neubildungen.
Das Vorkommen von Neubildungen ist in Bezug auf die Zahl ver­schieden. Treten dieselben vereinzelt auf, so werden sie laquo;solitäre gt; ge­nannt; kommen hingegen Neubildungen derselben Art an mehreren Körper­stellen gleichzeitig oder kurz nach einander zur Entwicklung, so bezeichnet
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man sie als laquo;multiple?. quot; Nicht jedesmal, indess häufig sind die letzteren infectiös, so dass eine bereits vorhandene Neubildung zur Entstehung se-cundärer Neubildungen derselben Art Veranlassung gibt. Die Infection kann durch zellige Elemente, oder durch den Transport flüssiger Produkte, der primären Neubildung, vermittelt werden. Den ersteren Vorgang be­zeichnet man als Dissemination, den zweiten als Metastase. Findet eine allgemeine Verbreitung der infectiösen Neubildung im Körper statt, so be­zeichnet man diese als lt; Generalisation gt;.
i Permanent oder persistentraquo; werden diejenigen Neubildungen genannt, welche die Tendenz haben, während des ganzen Lebens fortzubestehen; tragen sie dagegen gleich von Anfang an die Tendenz des Unterganges iu sich, so werden sie laquo;transitorische Neubildungen j genannt. Vereinigen sich beide Charaktere mit einander, so sind' sie laquo;gemischter Natur gt;.
Die Art der Neubildung ist im Allgemeinen abhängig von der Natur der Reize, von der histologischen und spezifischen Beschaffenheit der be­troffenen Gewebe, sowie auch von den Ernährungsverhältnissen. Wird das Irritamentum durch Seminien bedingt, so entstehen Neubildungen, welche denen gleich sind, von welchen die Seminien herrühren.
Nach diesen allgemeinen Vorbemerkungen wollen wir jetzt zu den­jenigen Neubildungen übergehen, welche in der chirurgischen Praxis eine nicht unbedeutende Rolle spielen und deren sorgfältiges Studium der modernen Vetcrinär-Mcdiciu vorbehalten ist.
Sie Gesclnvülsto (Tumores).
Geschwülste werden solche Neubildungen genannt, welche in dem Matriculargewebe ein für sich abgeschlossenes Ganze darstellen, sodann eine gewisse Selbstständigkeit der Organisation und des Wachsthums be­sitzen, ohne zu einem bestimmten physiologischen Abschluss zu gelangen. Die Gewebe der Geschwülste entwickeln sich nach denselben Gesetzen, wie die normalen Körpergewebe. Das Resultat ist nur deshalb ein abnormes, weil die physiologischen Geset'e bei der Geschwulstbildung unter abnormen Bedingungen zur Geltung gelangen.
Auch die Ernährung der Geschwdilste erfolgt nach den bekannten Ge­setzen. Von den Arterien der Matrix gehen Zweige in den Tumor, die sich in ein Capillarnetz auflösen, aus welchem die Venen mit feinen Zweigen entspringen, die später zu grösseren Stämmen vereinigt, in die Venen der Matrix einmünden. Demnach bilden die Geschwülste gewissermassen Schmarotzergewächse, welche in einem normalen Gewebe wurzeln und sich
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auf Kosten desselben bilden und ernähren. Die Vertheilung der Blutgefässe in den Geschwülsten bietet nur die Eigenthüinlichkeit, dass in denselben die CapiUaren überwiegen, indem die in sie eintretenden Arterien nicht tief eindringen, bevor sie sich in ein Capillarnetz auflösen. Der Stoffwechsel in den Geschwülsten wird sich wohl auf die Ernährung beschränken, da von einer Function dieser Neubildung im eigentlich physiologischen Sinne keine Hede sein kann.
Es wird angenommen, dass alle Geschwülste auch Lymphgefässe haben, wenn gleich dieselben noch nicht in allen Geschwulstformen nachgewiesen worden sind. Ob dem Blute aussei- den Produkten des Stoffwechsels auch noch andere spezifische Substanzen aus den Geschwülsten zugeführt werden, ist wahrscheinlich, aber nicht absolut sicher.
Nerven fehlen den meisten Geschwulstformen. Ob hierin ein Grund der atypischen Bildung und Ernährung des Gesehwulstgewebes zu linden sei, kann nur vermuthet, nicht aber mit Bestimmtheit behauptet werden. Im Allgemeinen ist ja über den Einfuiss der Nerven auf die Ernährung noch wenig bekannt.
Wie die Tumoren bei ihrer Entwicklung und Ernährung den allge­meinen physiologischen Gesetzen folgen, so seilen wir an denselben die näm­lichen pathologischen Processe auftreten, wie an normalen Geweben. Ent­zündung, Eiterung, Nekrose, Blutungen. Hydrops, Fettmetamorphose und Verkalkung; ja es kann eine Geschwnst zum Mutterboden für andere Neu­bildungen und Geschwüste werden. Die Fettmetamorphose und Verkalkung derselben sind manchmal von heilsamer Bedeutung, insofern sie ihrem weiteren Lestande und Wachsthum ein Ziel setzen.
Die Classification der Tumoren bietet gewisse Schwierigkeiten. So ist namentlich die klinische Eintheilnng in gutartige und bösartige kaum halt­bar, weil es nicht immer möglich ist, den Grad der Gutartigkeit oder Bösartigkeit einer Geschwulst a priori zu bestimmen. Dennoch wollen versuchen, die klinischen Merkmale, welche im Allgemeinen auf dieBeuignität oder Malignjtät einen Schluss zu ziehen erlauben, hier kurz anzuführen.
Im Allgemeinen sind gutartige Geschwülste an sich gar nicht, oder nur vorübergehend schmerzhaft. Nur wenn sie durch ihre Grosse oder durch ihren Sitz Druck oder Zerrung der Umgebung veranlassen, oder wenn dieselben schädlichen Einwirkungen ausgest tzt sind, pflegen sie Scbmerz-erscheinuugen zu verursachen. Eine Ausnahme hievon bilden die sogenannten Neurome, welche in der Hegel sehr schmerzhaft, sonst aber anschädlich sind. Diese, sowie alle gutartigen Tumoren sind meist homologe Neu­bildungen, welche sowohl solitär, wie multipel auftreten können, indess nicht
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infectiös sind; sie erweisen sich mir schädlich durch Verdrängung des normalen Gewebes.
Bösartige Geschwülste sind gewöhnlich schmerzhaft, weil sie das um­gebende Gewebe spezifisch reizen. Dieselben sind fast immer infectiös und treten demgemäss secundär gleichzeitig an mehreren Körperstellen und in verschiedenen Gewebssystemen auf, während gutartige Geschwülste, wie z. B. Warzen, Lipome, Fibrome, Chondrome und Balggeschwülste höchstens in einem bestimmten Matriculargewebe multipel erscheinen.
Bei gutartigen Geschwülsten bleibt, selbst wenn dieselben nahe unter der allgemeinen Körperdecke liegen, diese über jenen in der Regel verschieb­bar, und die Begrenzung derselben von den benachbarten Theilen ist meist eine scharf begrenzte, — während bösartige Tumoren bereits frühzeitig mit der äusseren Haut zu verwachsen pflegen und in Form von Gewebs­infiltrationen, also ohne scharfe Begrenzung mit den benachbarten Geweben zusammenhängen. Es kann auch eine bösartige Geschwulst in fast allen Eichtungen umschrieben und mit der äusseren Haut nicht verwachsen sein, selbst wenn dieselbe in der Nähe der Körperoberfläche gelegen ist; die Verwachsung wird in solchen Fällen namentlich durch Aponeurosen oder durch seröse Membranen verhindert. Umgekehrt können aber gut­artige Geschwülste mit der Cutis verwachsen, wenn durch Druck etc. eine Entzündung derselben hervorgerufen wurde.
Bösartige Geschwülste wachsen in der Hegel schneller als gutartige; aber auch hier kommen Ausnahmen vor. So z. B. wachsen einzelne Krebs­formen in den ersten Jahren oft langsam, während in anderen Fällen ein relativ gutartiger Tumor in wenigen Tagen bedeutend anwachsen und dadurch sogar gefährlich werden kann.
Bei bösartigen Geschwülsten schwellen die benachbarten Lymphdrüsen an, werden hart, mehr oder weniger schmerzhaft und weniger beweglich. Ob die Drüsenanschwellung früher oder später eintritt, hängt von der früheren oder späteren Erweichung des Geschwulstgewebes ab. In der Regel erweichen bösartige Geschülste an mehreren Stellen gleichzeitig, während gutartige Tumoren nur an der Oberfläche und zwar in Folge mechanischer Einwirkungen erweichen, eitern oder verschwären.
Je reicher ein bösartiger Tumor an zelligen Elementen und an Ge-fässen ist, um so leichter und schneller erfolgt eine Infection der benach­barten Lymphdrüsen und des Gesammtorganismus. Die infectiöse Schwellung der Lymphdrüsen darf nicht mit der consensuellen verwechselt werden, bei welcher die Härte weniger bedeutend und die Empfindlichkeit entweder gar nicht, #9632; oder in Folge von entzündlichen Processen gesteigert ist. Diese letztere Schwellung nimmt bei einer antiphlogistischen Behandlung ab und
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verliert sich ganz, wenn der dieselbe veranlassende primäre Krankheits-process beseitigt ist.
Bösartige Geschwülste erzeugen früher oder später eine allgemeine Dyscrasie und besitzen in hohem Gratle tlie Fähigkeit zu recidiviren. Jede Reizung, Verletzung, theilweise Entfernung derelben etc. regt den Vege-tationsprocess in ihnen nur lebhafter an. Auch vervielfältigen sich die­selben auf dem Wege der Dissemination und der Metastase, was später noch näher besprochen wird.
Gutartige Geschwülste erzeugen nur bei sehr copiöser und anhaltender Eiterung Dyscrasie; sie recidiviren im Allgemeinen local weniger leicht und sind gegen äussere Einwirkungen weniger empfindlich als bösartige.
Die Classification der Tumoren ist in der Gegenwart auf ihre histologische Structur gegründet. Bei Bestimmung derselben darf man nie vergessen, dass auch diese Gebilde ein Stadium ihrer vollen Entwicklung, der Keife haben, in welchem der Typus der betreffenden Art am vollstän­digsten ausgeprägt erscheint; dass hingegen während des Entwicklungs­stadiums sowohl, als auch während der in denselben auftretenden Meta­morphosen und regressiven Processe die histologischen Verhältnisse weniger deutlich differenzirt sind. Um demnach einen Tumor richtig classificiren zu können, muss man eine genaue Keuntniss der ganzen Geschwulstbildung, resp. einschliesslich der an den Tumoren vorkommenden Metamorphosen und regressiven Processe besitzen. In Bezug hierauf ist noch zu bemerken, dass nicht alle Geschwülste einem bestimmten einfachen Typus angehören, ' sondern dass es verschiedene Uebergangsformen zwischen den Haupttypen gibt, und dass auch zwei oder mehrere Geschwulstformen mit einander combinirt in einem Tumor auftreten können.
Es sei hier ferner noch erwähnt, dass bei Thieren sämmtliche Haupt­arten der Geschwülste angetroffen werden, wie beim Menschen, wenn gleich die Geschwulstlehre in der Menschenheilkunde eine weit bedeutendere Piolle spielt als in der Tierheilkunde. Bei Thieren kommen nämlich im All­gemeinen viel seltener Geschwülste vor als beim Menschen. Da die Körper­gewebe bei den höheren Thieren ganz so wie beim Menschen gebaut sind, so ist es wahrscheinlich, dass die Prädisposition zur Geschwulstbildung bei diesem in den besonderen Lebensverhältnissen, namentlich in der Besonder­heit der Ernährung und der Beschäftigungen ihren Grund hat. In dieser Beziehung ist die Thatsache von besonderem Interesse, dass bei pflanzen­fressenden Thieren Carcinoine weit seltener sind, als bei fleischfressenden.
Die Geschwülste sind aus denselben histologischen Elementen zusammen­gesetzt, wie die normalen Gewebe; Zellen, Intercellularsubstanzen, Fasern, Membrane, Köhren u. s. w. finden sich auch in ihnen. Der einzige wesent-
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liehe Unterschied besteht tiarin, class in den Geschwülsten die Gewebe nicht nach dem normalen Typus angeordnet, sondern in scheinbar un-regelmässiger Willkür unter und durch einander liegen. Es gibt also keine Gewebselemeiile, welche den Geschwülsten überhaupt, oder einer bestimmten Geschwulstart 'ausschliesslich angehörig oder eigenthümlich wären; die­selben finden vielmehr in dem einen oder anderen normalen Körpergewebe ihr natürliches Analogen.
Das Wachsthum der Geschwülste kann sehr mannigfaltig sein. Es kann der erste Geschwulstknoten in sich selbst weiter wachsen, ohne dass neue Erkrankungen in der Umgebung dieses Heerdes entstellen, indem in der Mitte der Geschwulst selbst, aus den an einer circumscripten Stelle angehäuften Zellen immer-wieder neue mit derselben Entwicklungsrichtung, gewissennassen prädestinirt für den in der Neubildung eingeschlagenen Entwicklungstypus, entstehen. Früher glaubte man, dass die Gefässaus-dehnung ein sehr wesentliches Kennzeichen für die entzündliche Neubildung sei; vielfache Studien berühmter Forscher (Billroth's u.A.) haben indess gezeigt, dass die Gefässausdehnung und Gefässverbildung bei der Entwick­lung der ersten Geschwulstknoten derjenigen bei der Entzündung nichts nachgibt.
Es kann jedoch der ursprüngliche Erkrankungshecrd auch dadurch wachsen, dass in seiner unmittelbaren Umgebung immer neue Erkrankungs-heerde entstehen; das einmal in dieser Weise erkrankte Organ wird nicht nur von der Geschwulst gedrückt und seine Elemente von einander ge­schoben, sundern es erkrankt in sich selbst immer weiter und wird so durch die Geschwulst infiltrirt und zerstört; es geht in dieselbe auf.
Im ersteren Falle haben wir es mit einem isolirten Kraukheitsheerde zu thun, der einmal vorhanden, die Mittel zu seiner Vergrösserung nur aus und in sich selbst findet (selbstverständlich mit Unterstützung durch Wanderzellen); im zweiten Falle findet eine continuirliche Ausbreitung des Krankheitsheerdes statt. Es ist leicht begreiflich, dass das gewissermassen rein centrale Wachsthum für das erkrankte Organ entschieden weniger un­günstig ist, als das peripherische Wachsthum, welches, wenn es unbegrenzt fortschreitet, zur vollständigen Zerstörung des betrofi'enen Orgaues führen muss, (ebenso als wenn ein entzündlicher Process, eine entzündliche Neu­bildung progressiv bleibt). Am ungünstigsten ist die Combination beider Arten des Wachsthums, welche jedoch nicht selten vorkommt.
Wenn man das Leben der Geschwulst selbst in's Auge fasst, so findet man, dass das neugebildete Gewebe keineswegs stabil bleibt, sondern wieder manchen Veränderungen unterworfen ist, wie solche z. B. auch beim Ent-zündungsprocesse vorkommen. In den Geschwülsten können sich aus ver-
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sclücdenen Gründen acute und chronische Entzündungen etabliren, d. h. es kann unter Schmerzen, Schwellung und (Jefässausdehnung eine kleinzellige, selbst zur eiterigen Schmelzung führende Infiltration im Geschwulstgewebe zuStande kommen. Diese Erkrankung einer Geschwulst ist um so häufiger,' je weniger solid ihre Elemente zu einem stabilen, lebensfähigen Gewebe organisirt sind, zumal je weniger ihr Gefässsystem regulirt und entwickelt ist. Geschwülste, in denen der Zellbildungsprocess sich so überstürzt, so rapid fortschreitet, dass die Gefässbiklung nur langsam, dein Wachsthum des Tumors nicht entsprechend nachrückt, sind am wenigsten lebensfähig; geringe Störungen genügen dann, den ganzen Bildungsprocess hier oder da zum Stocken, oder, da ein Stillstand nicht stattfindet, zum Zerfall zu bringen.
Wir wollen hier auf die Metamorphose der Geschwulstgewebe etwas näher eingehen. Dieselben können acut oder chronisch auftreten. Acute Entzündungen der Geschwülste sind im Ganzen selten, indess können Ver­letzungen, Stoss, Quetschung etc. Veranlassung dazu werden. Der Ausgang dieser traumatischen Entzündung kann bei vascularisirten, bindegewebs-reichen Tumoren sehr wohl in Zertheilung mit oder ohne narbige Schrum­pfung erfolgen; häutiger aber kommen mehr oder weniger ausgedehnte Extravasate, Gangrän, auch wohl Eiterung danach vor. — Chronisch-ent­zündliche Processe sind in den Geschwülsten bei weitem häufiger, sowohl solche mit vorwiegender Production entzündlicher Neubildung, mit bedeu­tender Vascularisirung, mit Bildung fungöser ülcerationen, als auch solche mit torpiden Ülcerationen.
Die Verkäsung und Verfettung des Gewebes, auch die schleimige Ver­flüssigung desselben sind nicht seltene Vorkommnisse. Bei diesen Er-weichungsprocessen tritt Gel'ässthrombose und collaterale Gefässectasie um den Erweichungsheerd ein, wie bei der Umbildung eines Entzündungs-heerdes zum Abcess oder zur Verkäsung.
Durch diese verschiedenen Vorgänge der Entwicklung und Erkrankung der Geschwülste kann das Bild derselben derart complicirt sein, dass es nicht immer ganz leicht ist, im einzelnen Falle sofort das ursprüngliche Gewebe der Geschwulst richtig zu beurtheilen. Es kann hierbei auch der Umstand mit in's Gewicht fallen, dass die Tumoren im Laufe der Zeit zu­weilen ihre Beschaffenheit ändern, z. B. dass eine Bindegewebsgeschwulst, welche lange als solche bestand, durch rasche Zellenwucherungen und stärkere Vascularisation weicher wird, oder umgekehrt: dass eine weiche Geschwulst durch Schwund der Zellen und narbige Contraction des in der Geschwulst befindlichen Bindegewebes hart wird.
Um nur diese anatomischen Verhältnisse, welche der Geschwulstlehre als Basis dienen, in jedem einzelnen Falle richtig beurtheilen zu können.
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ist eine Summe von Kenntnissen und Erfahrungen nothwenclig. Ja, es wird sich zuweilen ereignen, dass selbst ein Kenner der untersuchten Geschwulst keinen bestimmten Namen zu geben vermag. Geschwülste, welche aus ver­schiedenen Gewebsarten zusammengesetzt sind, werden gewöhnlich nach dem Gewebe, welches in grösster Menge in der Geschwulst vorhanden ist, bezeichnet.
lieber die äussere gröbere Erscheinungsform der Tumoren ist nur wenig zu sagen. Dieselben sind meist rundliche, knotige• Gebilde, welche durch das Gefühl und das Gesicht als mehr oder weniger von ihrer Umgebung abgegrenzt erkannt werden; jedoch ist dies nicht immer der Fall. So können z. B. auf Häuten die Geschwülste sowohl eine papilläre, als auch eine knotige Form annehmen, ähnlich wie ja die chronisch-entzündlichen Neubildungen an Oberriächen häufig in Form von papillären Wucherungen (Zotten) auftreten. Auch können Tumoren (von knotiger Form) an ihrer Oberfläche, ebenso Cysten an ihrer Innenfläche papilläre Wucherungen produciren. Die äussere Form bietet demnach für sich allein keine genügende Anhaltspunkte, um die eigentlichen Geschwülste von Neubildungen anderer Art genau abzugrenzen.
Es gibt eine Anzahl von Bezeichnungen verschiedener Eigenschaften der Tumoren, welche auch heute noch vielfach gebräuchlich sind, obgleich sie nicht immer auf wesentliche Dinge sich beziehen. So z. B. pflegt man eine Geschwulst, welche in einer Höhle mit kleinerer oder grösserer Basis, mit längerem oder kürzerem Stiel festsitzt, einen laquo;Polypenraquo; zu nennen; man spricht demnach von Nasenpolypen, Uteruspolyp en etc., deren histologische Eigenschaften dann durch entsprechende Zusätze, z. B. fibrös, myxomatös u. s. w. näher präcisirt werden. Geschwülste, welche ulcerirt sind, wie ein Pilz hervorquellen und die Form eines solchen haben, nennt man wohl laquo;Schwämme, Fungigt;. — Wollte man früher ausdrücken, dass eine Geschwulst sehr reich an Gefässen und Blut sei, so hing man das Wort lt; hsamp;matodes gt; an, während man heute lt; telangiectatisch gt; oder laquo;caverncesraquo; sagt. War eine Geschwulst sehr fest, faserig (nicht knorpelig oder knöchern), so nannte man sie früher lt; Scirrhus gt;; dieser Ausdruck wird gegenwärtig wenig mehr gebraucht, noch weniger das Adjectivum laquo;scirrhoesraquo;, welches eigentlich so viel wie lt; fest gt; bedeutete und von entzündlichen Infiltrationen eben so wohl, wie von Krebsen etc. gebraucht wurde. lt; Medullarraquo; nennt man eine Geschwulst, welche Farbe und Consistenz des Hirns hat, deren Structur aber sowohl einem Sarcom, als einem Carcinom, oder einem Lymphom u. s. w. entsprechen kann. Da Geschwülste von fraglicher Be­schaffenheit als besonders bösartig bekannt sind, so wird die Bezeichnung laquo;Medullarraquo; auch heute noch zur Bezeiclmung der bösartigen Geschwulst-
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formen überhaupt Coline Rücksicht auf deren histologische Structur) ge­braucht; so z. B. sagt man: Medullarsarcom, Medullarcarcinom u. svw. — Manche Gewächse sind gefärbt: hellbraun, gelblich, braunschwarz, blau­schwarz ; diese Pigmente können aus Extravasaten hervorgegangen sein, oder spezifischen Zellenthätigkeiten ihre Entstehung verdanken. (B i 11 r o t h, Allgemeine chirurgische Pathologie, Seite GH — 612) gt;. Die Färbung, Pigmentirung (Chromatosis) kann entstehen: a. durch Neubildung von Pigmentgewebe; b. durch die eig'ne pigmentbildende Thätigkeit der vor­handenen Zellen, und c. durch Eindringen von Pigment von aussen, oder von anderen Körpertheilen. Obgleich nur die sub a erwähnte Pigmentirung zu den Neubildungen gehört, so will ich doch auch die sub h und c hier kurz besprechen. Die von aussei! in den Körper gelangenden Farbstoffe lagern sich, je nach der Saftströmung, oder nach der Prädilection gewisser Gewebe, an bestimmten Stellen des Körpers ab, so z. B. Höllenstein in der äusseren Haut und in den Nieren, Färberröthe in verknöchernden Geweben, Kohlenstaub in den Lungen und in den Bronchialdrüsen u. s. w. Die soge­nannte Anthrakosis letzterer Organe bei Menschen und Thieren (bei diesen am häufigsten bei Hunden vorkommend) ist die Folge der Autnahme fär­bender Substanzen mit der eingeathmeten Luft. — Alle Pigmentirungen, welche von anderen Körpertheilen ausgehen, sind die Folge des Umsatzes von Hämatin in Hämatoidin, welches letztere viel resistenter als das erstere ist und zwischen roth, schwarzbraun, hellbraun und gelb variirt. Den ver­schiedenen Wechsel der Farbe sieht man nicht selten schön an Blutunter-laufungen ungefärbter äusserlicher Körpertheile (namentlich unter und in der äusseren Haut beim Menschen) im Verlaufe von einigen Tagen sich vollziehen.
Solche pigmentirte Geschwülste werden Melanome oder Melanosen ge­nannt; dieselben sind ganz oder theihveise gefärbt und gehören ihrer Structur nach in der Regel zu den Sarkomen oder Carcinomen. Dieselben kommen nur bei Pferden und Hunden (Bruckmüller), zuweilen in grosser Anzahl, vor. Lydtin erwähnt in seinen Reisenotizen über Ungarn's Pferdezucht Seite 44, dass er in Mezöhegyes mehrere braune Nachkommen von mela-notischen Schimmeleltern gesehen habe, woraus er schliesst, dass das in Knoten angesammelte Pigment bei den Nachkommen in gleichmassiger Ver-theilung wieder erscheint.
Es mag genügen, hier nur diese wenigen Ausdrücke erwähnt zu haben, obgleich man früher vielfach derartige Bezeichnungen und Vergleiche mit diesem oder jenem Gewebe wählte.
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Äetiologie der Gesclimilste.
Die Ursachen der Geschwulstbildung können äusserliche und inner­liche, sporadische und miasmatische sein. Meist sind dieselben unbekannt oder nur dunkel zu vermuthen. Wie und wo man die ätiologischen Momente für chronische Entzündung und Geschwulstbildung unterscheiden soll, weiss man eben so wenig, als man den Begriff lt; Geschwulstraquo; rein anatomisch festzustellen im Stande ist. Dass die Geschwulstbildimg spezifische Ursachen habe, die man bald innerhalb, bald ausserhalb des Organismus sucht, wird im Ganzen kaum ernstlich bestritten, obgleich man dieselben nicht näher kennt. Vergleicht man die Produkte der Entzündung mit den histologisch entwickelteren Geschwulstformen, so muss man zugeben, dass den Ge­schwülsten als den langsamer sich entwickelnden Neubildungen wahrschein­lich ein schwächerer, dem normalen Wachsthume mehr verwandter lokaler Reiz zu Grunde liegt, als der Entzündung (Eillroth).
Eine wichtige, bis jetzt noch nicht entschiedene Frage ist die, ob durch Einimpfung von Geschwulstsäften oder von kleinen Geschwulstbestandtheileu auch eine Geschwulstkrankheit erzeugt werden kann. Einige derartige von Doutrelepout angestellte Versuche, bei welchen die Impfung von Car-cinomen von Hunden auf Hunde vorgenommen wurde, hatten keinen Erfolg; ebenso fielen einige von mir angestellte derartige Versuche negativ aus.
Was besonders für die Specificität der Geschwülste und für die Ver­schiedenheit derselben von gewöhnlichen Entzündungsprozessen spricht, ist die Thatsache, dass wenn in Folge von lokalen Entzündungsprozessen die benachbarten Lymphgefässe und Lymphdrüsen in Mitleidenschaft gezogen werden, diese nach Beseitigung des primären Entzundungsheerdes sich von selbst wieder restauriren, wahrend solches bei Infectionen der Lymphdrüsen bei und nach Geschwülsten nicht der Fall ist. Derartige infectiöse Eigen­schaften haben namentlich diejenigen Geschwülste, welche (wie die ent­zündlichen Neubildungen) sehr zellenreich sind. Durch ihre Zellen wird nicht allein die nächste Umgebung inficirt, so dass sich zahllose neue Heerde unmittelbar um den ersten Geschwulstknoten bilden können, sondern sehr häufig werden auch die Lymphdrüsen afficirt, und es entstehen dann in denselben seeundäre Geschwülste, welche die gleiche Beschaffenheit haben, wie die primären.
Weder die letzteren, noch die ersteren schwinden spontan, wenn auch die primäre periphere Geschwulst entfernt ist; im Gegentheü treten nun auch sehr häufig in anderen ganz entfernten Körpergegenden gleichartige Geschwülste auf: laquo;meta-statische Geschwülsten Niemals entstehen durch
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plilogistische Infection laquo; metastatische Gewächseraquo; eben so wenig als durch Infection von einer Geschwulst aus: laquo;metastatische Abscesso in inneren Organen. Hierin liegt eine ganz specifische Verschiedenheit zwischen der Infection hei Entzündung und bei Geschwülsten.
Nicht alle Geschwülste sind infectiös, jedoch die überwiegende Mehr­zahl; man nennt die infectiösefi laquo;bösartigeraquo;, die nicht infectiösen dagegen laquo;gutartigeraquo;. Worin der eigentliche Grund der Infectionsfähigkeit liegt, ist schwer zu sagen. Theils liegt er wohl in der Art und spezifischen Be­schaffenheit der Elemente, in der leichten Beweglichkeit derselben, und darin, dass sie, wie die Samen mancher niederen Pflanzen, fast überall geeigneten Boden für ihre Fortentwicklung finden, in den ineisten Geweben des Körpers sich weiter ausbilden und zu neuen Gewächsen werden können; theils liegt der Grund auch wohl darin, dass die Bedingungen für die Aufnahme der Geschwulstelemente in die Lymph- oder Blutgefässe bald mehr, bald weniger günstig sind; so ist es z. B. auffallend, dass oft ganz weiche, fast nur aus Zellen bestehende Medullarsarcome, wenn sie von einer festen Bindegawebskapsel umschlossen sind, häufig keine Lymph-drüseninfection machen, sich hierin also ähnlich verhalten, wie manche grosse abgekapselte Abscesse.
Was den Entstehungsmodus der metastatischen Tumoren, den eigent­lichen Vorgang der Infection betrifft, so liegt es aus Analogie sehr nahe, dass auch sie, wie die Lymphdrüsentumoren, durch ein Semen von den primären Geschwülsten aus entstehen. Bei den jetzigen Kenntnissen über das selbstständige Leben der .pathologisch neugebildeten Zellen darf man wenigstens nicht mehr an der Möglichkeit solcher Vorgänge zweifeln. Wenn auch bei der ersten Entwicklung eines Tumors, wie bei der Entstehung einer entzündlichen Neubildung die Lymphgefässe theilweise verschlossen und durch Zellen erfüllt werden dürften, so können sich doch sehr wohl im weiteren Verlaufe durch Compressionsstenose capilläre Lymph- und Gefäss-thromben bilden, in welche spezifische Geschwulstelemente einwandern, und kleinste Thrombenbröckel, welche sich zumal bei Erweichungsprozessen in den Geschwülsten bilden dürften, können in den Kreislauf gelangen, bald hier, bald dort sich festsetzen und zu neuen Geschwülsten heranwachsen. An kleineren und grösseren Venen ist die Bildung solcher mit spezifischen Geschwulstelementen durchsetzten Thromben wirklich beobachtet und zu­gleich sind analoge Geschwülste in den Aesten der Lungenarterie nach­gewiesen. Gerade der Umstand ist nicht gering anzuschlagen, dass meta­statische Abscesse vorwiegend in Lunge und Leber gefunden werden, abgesehen von den Fällen, wo die Vermittlung der Geschwulstmetastasen auf directem Wege nahe liegt, wie z. B. bei Lebergeschwülsten, welche
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neben Geschwülsten des Darmes oder des Magens gefunden werden: in diesen Fällen ist eine directe Wanderung der Geschwulstelemente durch, die Lymphgefilsse leicht denkbar. (Billroth.J Weitere Forschungen werden uns im Laufe der Zeit wohl noch manche Aufschlüsse und eiuen klareren Einblick in dieses Gebiet bringen.
Die Produkte der acuten Entzündung wirken meist pyrogen, während die der chronischen Entzündung diese Eigenschaft in ebenso geringem Grade besitzen, wie diejenigen der Geschwülste; nur wenn in letzteren Neu­bildungen Zerfall eintritt, und die Zerfallmassen in den Kreislauf gerathen, tritt Fieber ein; die Infection mit solchen Auswurfsstoffen zufolge chronischer Entzündung von Geschwülsten äussert sich später nicht selten in einem allgemeinen kachektischen Zustande, zumal in bedeutenden Störungen der gesammten Ernährung.
Aus dem bisher über die Contagiosität der Geschwülste Gesagten, ergibt sich, dass die Uebertragbarkeit derselben von einem Individuum auf ein anderes noch keineswegs bestimmt bewiesen ist;*) es kann aber nicht daran gezweifelt werden, dass von Geschwülsten aus die Lymphdrüsen und auch andere Organe inficirt werden können.
Ueber die mechanischen und chemischen Einwirkungen als Ursachen von Geschwulstbildungen, sind die Ansichten sehr verschieden. So mannig­faltig die Reize sein können und so vielfach man damit experimentirt hat, so liegt doch kein einziger Versuch vor, bei welchem es gelungen wäre, eine Geschwulst willkürlich durch mechanische .oder chemische Heize zu erzeugen; wo wir diese auch anbringen, immer erregen sie nur Entzün­dungen , welche den ausseien Reiz in der Regel nicht lange überdauern. Wenn es also spezifische mechanische und chemische (nicht von Geschwülsten herstammende) Reize gibt, nach deren Einwirkung eine Geschwulst ent­stehen muss, so sind sie bisher unbekannt. Es fragt sich nun, ob Gründe vorhanden sind, welche trotzdem die Annahme solcher ausserhalb des Organismus gelegener spezifischer mechanischer und chemischer Reize begünstigen. Obgleich Fälle vorkommen, wo nach Schlag, Stoss, Ver­wundung etc. eine Gesclnvulst entsteht, so ist die Zahl dieser Fälle doch verschwindend klein im Verhältnisse zu denjenigen, wo nach denselben Einwirkungen entsprechende Entzündungsprocesse, aber keine Gesclnvulst-bildung eintritt. Bildet sich nun aber z. B. nach Druck eine Geschwulst, die nach Aufhebung des Reizes nicht wieder verschwindet, so kann man
*) Einzelne von mir angestellte Kropfimpfungen bei Hunden waren gleich den Carciuomimpfungen ohne positiven Erfolg. Ich beabsichtige diese Versuche gelegentlich zu vermehren und später über deren Ergebniss ausführlichere ilittheilungen zu machen.
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deshalb den Reiz gewiss nicht als spezifisch betrachten, so.ndern muss viel­mehr die Spezificität in dem gereizten Gewebe suchen. Eine spezifische, qualitativ abnorme Ileactionsweise der Gewebe ist in manchen Fällen nicht zu verkennen. Virchow sagt, dass in der anatomischen Zusammensetzung einzelner Theile gewisse bleibende Störungen existiren können, welche das Zustandekommen regulatorischer Processe hindern, und welche bei einem ßeize, der an einem anderen Orte nur eine einfache entzündliche Affection zu Stande gebracht haben würde, eine Reizung erzeugen, aus welcher die spezifische Geschwulst hervorgeht. Als Beweis dafür, dass in der anato­mischen Zusammensetzung einzelner Theile gewisse bleibende Störungen existiren können, die zur Geschwulstbildung disponiren, wird von Virchow ein höheres Lebensalter angeführt.
Es muss dem Gesagten noch beigefügt werden, dass man keineswegs im Stande ist, immer einen localen äusseren Reiz bei der Geschwulst­entwicklung nachzuweisen; für die primär entstehenden Geschwülste kann man für viele Fälle auch spezifische, im Körper selbst entstehende soge­nannte innere Reize annehmen.
Interessant ist die Beobachtung Zaleski's, wonach durch Unter­bindung der Uretheren bei einer Gaus die ausgezeichnetste Arthritis sich entwickelte. So wäre es denkbar, dass nach Störungen der Function der Leber oder eines anderen Excretibnsorganes Geschwülste entstehen können?! Gewiss ist vieles-in Folge solcher Störungen möglich, worüber wir jetzt noch wenig oder gar nichts wissen. Schliesslich muss noch erwähnt werden, dass die Diathese zur Geschwulstproduction erblich ist, wenn auch nicht in dem Grade, wie die Anlage zu chronischen Entzündungen.
Fassen wir zur leichteren Uebersicht das über die Aetiologie Gesagte hier noch kurz zusammen:
Die Tumoren entstehen wie die entzündlichen Xeubildungen in Folge von Reizung der Gewebe; die Differenz der ursächlichen Momente liegt
1)nbsp; in den spezifischen Qualitäten des Reizes. Hierfür ist die Infection des gesunden-, einer Geschwulst benachbarten Gewebes, der nächstgelegenen Lymphdrüsen etc. als vollgültiger Beweis anerkannt. Hypothetisch wird angenommen, dass unter unbekannten Umständen auch local im Gewebe solche spezifische, gleich an Ort und Stelle wirkende Reizstoffe gebildet werden können (Rindfleisch). Billroth ist der Ansicht, dass theils durch erbliche, theils durch erworbene Disposition, also bei vorhandener Diathese, die Entstehung von Stoffen in der Säftemasse des Organismus denkbar ist, welche spezifisch irritirend auf dieses oder jenes Gewebe wirken.
2)nbsp; Auch ein beliebiger, in den meisten Fällen Entzündung erregender Reiz kann ein Gewächs erzeugen, falls das gereizte Gewebe spezifisch für die
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Bildung von Gewächsen disponirt ist. Virchow, 0. Webei-, Rind­fleisch u. A. nehmen an, class solche spezifische Eigenschaften ganz local auf einen gerade zufällig gereizten Körpertheil, oder auf ein gewisses System des Körpers (Knochen, Haut, Muskeln, Nerven etc.' beschränkt sind. Billroth hält die Localisation solcher spezifischer Eigenschaften nicht für wahrscheinlich; er glaubt vielmehr, dass die scheinbar localen spezifischen Eigenschaften ihren Grund in Eigenthümlichkeiten haben, welche in dem innigsten Zusammenhange mit dem Gcsammtorganismus stehen.
Aus dieser Zusammenstellung erhellt, dass eine Differenz der ver­schiedenen Ansichten nur in dem rein hypothetischen Theile derselben liegt.
Zum Schlüsse wollen wir noch einer enzootischen Ursache gedenken, die wenig oder gar nicht näher gekannt, indess unbestreitbar ist. Es ist dies nämlich die geschwulstbüdende Ursache, welche bei Menschen und Thieren die Entwicklung des Kropfes zu einer Plage mancher Gegenden werden lässt. Ich habe hier in Bern junge Hunde behandelt, die mit colossalen Kröpfen zur Welt gekommen waren.
Was die Prognose und den Verlauf der Geschwülste anbelangt, so geht aus dem bereits Gesagten hervor 1) dass dieselben weder spontan zu heilen pflegen, noch durch Arzneimittel leicht zu beseitigen sind, und 2) dass sie theils infectiös wirken, andererseits nicht. Es gibt Geschwülste, welche nach der Exstirpation nicht wiederkehren, und solche, die nicht allein in der Operationsnarbe und ihrer unmittelbaren Umgebung wiederkehren, sondern später auch in gleicher Weise in den nächsten Lymphdrüsen, dann auch in inneren Organen auftreten. wie schon früher bemerkt wurde. Erstere nannte man von Alters her die gutartigen, letztere die bösartigen Geschwülste oder Krebse. Man sollte also denken, es würde nur darauf ankommen, diese Eigenschaften der einen und der anderen Geschwulstart genau zu studiren um eine sichere Prognose stellen zu können. Ein genaues klinisches und anatomisches Studium führte aber nicht zu dem gewünschten einfachen Resultate, sondern es ergab sich, dass ein solcher einfacher Dualismus gar nicht vorhanden ist, sondern dass die Verhältnisse viel complicirter sind. Es stellt sich nach sorgfältigen und zahlreichen Unter­suchungen heraus, dass ein Gegensatz von absoluter Bösartigkeit und Gut­artigkeit in dem angedeuteten Sinne nicht existirt, und dass man nicht allein solitäre, multiple und infectiöse,Geschwulstbildungen zu unterscheiden habe, sondern dass auch in den Graden der Infectiosität noch eine Scala aufgestellt merdeiraquo; müsse. Die Bedeutung von solitär und multipel wurde bereits Seite 99 und 100 angedeutet.
laquo;Solitär gt; nennen wir demnach eine Geschwulst, welche nur in einem Exemplare am Körper vorkommt und nur rein locale Erscheinungen macht;
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dies sind gewöhnlich Gewächse, welche aus irgend einem ausgebildeten Gewebe bestehen: Fibrome, Chondrome, Osteome u. s. w.
lt; Multipel gt; sind die Geschwülste, wenn eine Reihe gleichorganisirter Gewächse nur an einem bestimmten Gewebssysteme auftritt, wenn z. B. viele Fibrome nur in der Haut, viele Lipome nur im Unterhautzellgewebe vor-' kommen u. s. w. Im Allgemeinen kann man annehmen, dass jede Art von Geschwulst gelegentlich solitär und multipel vorkommen kann, wenn gleich letzteres bei einzelnen Geschwülsten nur äusserst selten der Fall ist.
laquo;Infectiös gt; nennt man eine Geschwulst, welche nicht allein in ihre nächste Umgebung hineinwächst, diese infiltrirt und so fortwährend durch Apposition neuer Heerde zunimmt, sondern auch die nächsten Lymphdrüsen und endlich auch andere Organe in den Krankheitsprocess hineinzuziehen vermag. In dieser Hinsicht bestehen ausserordentliche Verschiedenheiten; bei manchen Geschwülsten geht die Infection regelmässig nur bis zum nächsten Lymphdrüsenpacket, bei anderen geht sie von hieraus weiter, besonders auf innere Organe; endlich kommt auch Infection des ganzen Körpers mit metastatischen Geschwülsten vor, ohne Infection der Lymphdrüsen (manche Sarcomformen). Ausserdem ist die Schnelligkeit, mit der die Infection er­folgt, ungemein verschieden.
Das Studium der anatomischen Structur der Gewächse ist in neuerer Zeit mit besonderer Vorliebe betrieben worden, und es hat sich ergeben, dass eine grosse Reihe der bösartigen Tumoren allerdings charakteristische, durch macroscopische und microscöpische Analyse zu bestimmende Eigen­schaften besitzen, dass aber dadurch keinesfalls immer die Prognose sicher zu ergründen ist; im Allgemeinen lässt sich jedoch sagen, dass es ge­wöhnlich sehr zellenreiche, zu ulcerativen Processen disponirte Gewebs-bildungen sind, welche sich im weiteren Verlaufe als infectiös erweisen. Da es im höchsten Grade wahrscheinlich ist, dass die Infection durch die Locomotion spezifischer Geschwulstelemente erfolgt, so werden auch manche auf die Resorption bezügliche Momente herangezogen werden können. Der Reichthum an Blut- und Lymphgefässen in dem Geschwulstheerde und in seiner nächsten Umgebung, die Verhältnisse, welche auf Eröffnung und Schluss dieser Bahnen Bezug haben, die Energie des Kreislaufs überhaupt, sind in Betracht zu ziehen.
Die infectiösen Geschwülste treten anfangs solitär auf, fast nie multipel in dem früher angedeuteten Sinne. Geschwülste welche gleich von Anfang an multipel auftreten, werden nur selten infectiös. — Wenn man gefährlich, bösartig und infectiös synonym gebraucht, so sieht man dabei von der speziellen Localität ab, an welcher die Gewächse zur Entwicklung kommen. Eine solitäre gutartige Geschwulst im Gehirn ist z. B. immer bösartig durch
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ihren Sitz, in Bezug auf Lebensgefahr; eine an und für sich infectiöse Ge­schwulst an gleicher Stelle kommt vielleicht, weil sie früh tödtet, nie über die locale Infection hinaus. Alles dies ist genau zu berücksichtigen, wenn man sich Klarheit über fragliche Dinge verschaffen will.
Man darf auch nicht deshalb Geschwülste unbedingt infectiös nennen, weil nach der Operation ein Recitliv an der operirten Stelle entsteht. Es ist hierbei wohl zu unterscheiden, ob die llecidivgeschwulst aus Theilen der ursprünglichen Geschwulst hervorgegangen ist, welche bei der Operation zurückgeblieben waren (continuirliche Uecidive nach Thiersch), oder ob nach einer vollständigen Operation in der Narbe, oder in der Nahe viel­leicht erst nach Jahren eine neue Geschwulst aus gleichen Ursachen, wie die erste entstand (regionäres Eecidiv). Bleibt die operirte Stelle frei und treten nach der Operation Lvinphdrüsengeschwülste von gleicher Art, wie die exstirpirte Geschwulst auf, oder entwickeln sich unter gleichen Verhält­nissen ohne Lymphdrüsenerkrankungen Gewächse in anderen Organen, so ist als sicher anzunehmen, dass die betretfenden Lymphdrüsen und sonstigen Organe zur Zeit der Operation bereits inficirt waren, wenn dies damals auch nicht durch die Untersuchung festgestellt werden konnte.
Wenn von einer Geschwulst (oder von Entzündungsheerden) eine Allge-meininfection ausgegangen ist, so nennt man das bezügliche Individuum laquo; dyscraslsch 5. In solchen Fällen circuliren fremde Materien in den Säften, welche eine pathologische Erkrankung in gewissen Organen und Geweben und schliesslich allgemeine Ernährungsstörungen im Gefolge haben. Wie bald und in welchem Grade Abmagerung, Marasmus etc. eintritt, hängt sehr wesentlich von dem Sitze der die Dyscrasie bedingenden Geschwülste und von deren Eigenschaften (Erweichung, Gangränescirung, Ulceration etc.), sowie von dem Kräftezustaude und von dem Alter der erkrankten Indi­viduen ab.
Bezüglich der Behandlung der Geschwülste sei hier im Allgemeinen nur bemerkt, dass dieselben in irgend einer Weise aus dem Organismus entfernt werden müssen, was entweder durch das Messer, vermittelst der Ligatur, des Ecraseurs.durch Aetzmittel oder sonst wie geschehen muss. Die Entfernung intensiv und rasch inficirender Geschwülste ist meist nur ein Mittel, das Leben etwas zu verlängern, oder die Schmerzen des Patienten zu mildern; bei den unoperirbaren Tumoren kann es sich nur um symptomatische Behandlung zur Linderung der Schmerzen handeln, was jedoch in der thierärztlichen Praxis nur selten. geschieht, indem hier in den meisten derartigen Fällen das Tödten des Patienten einer palliativen Behandlung vorgezogen wird. — Näheres wird bei den verschiedenen Ge­schwulstarten angegeben werden.
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Was die Classification der einzelnen Geschwulstfonneu anbelangt, so müssen wir uns zunächst nach einem bestimmten Eintheilungsprincipe um­sehen. Von den Autoren sind verschiedene Systeme aufgestellt worden, die aber alle ihre entschiedenen Mängel und Vorzüge, wenn auch in nicht ganz gleichem Masse besitzen. Früher wurden die Geschwülste mit Vor­liebe nach der Prognose, also hauptsächlich in gutartige und bösartige unterschieden, und dann nach ihrem äusseren Ansehen, nach dem Grade ihrer Consistenz, nach dem Aussehen der Durchschnittsflächen etc.. einige weitere Unterabtheilungen gemacht. Heute jedoch ist in dieser Richtung das anatomische Princip das allgemein angenommene und wir werden des­halb dieser Eintheilung folgen, indem wir mit den aus einfachen Geweben gebildeten Geschwülsten beginnen, und nach und nach zu den complicirter zusammengesetzten vorschreiten.
Wir werden uns hier auf die Darstellung derjenigen Tumoren be­schränken, welche ihrem Sitze nach in das Gebiet der Chirurgie gehören, während wir der pathologischen Anatomie und der speziellen Pathologie es überlassen müssen, die Geschwulstkrankheiten innerer Organe zu be­handeln. In Betreff derselben werden wir uns auf gelegentliche allgemeinere Andeutungen beschränken.
Man kann die Tumoren ihrem histologischen Charakter nach in zwei Hauptgruppen abtheilen, nämlich in solche, welche aus den Geweben des mittleren Keimblattes hervorgehen, und in solche, welche von dem oberen und unteren Keimblatte abstammen.
Ohne hier auf die Entwicklung des thierischen Organismus specieller einzugehen dürften doch einige diesen Gegenstand betreffende allgemeine Bemerkungen am Platze sein, da die Vorgänge bei pathologischen Neubil­dungen nur dann verständlich werden, wenn man die Genesis des Thier-kövpers einigermassen versteht.
Es ist eine bekannte Thatsache, dass in dem Säugethierei mit dessen Austritt aus dem Graaf'schen Follikel der sogenannte Furchungs-process beginnt, in Folge dessen die Dotterhaut (Zellhaut) mit Furchungs-kugeln sich füllt. Dieser Furchungsprocess ist nichts anderes, als eine endogene Zellenvermehrung, mit welcher eine entsprechende Vergrösserung der Mutterzelle (des thierischen Eies) verbunden ist. Wird ein in der Furclmng begriffenes thierisches Ei befruchtet, so wird dadurch der Anstoss zur weiteren Entwicklung der ersten Embryo-Anlage (und des Foetus) ge­geben, während dasselbe zerfällt, wenn nicht rechtzeitig seine Befruchtung erfolgt.
Es ist bis jetzt noch ganz unbekannt, in welcher Weise dieser Anstoss
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zu Stande kommt, insofern wir nur die gröberen Vorgänge bei der Be-fruclitung kennen. Aus den gleichartig aussehenden Furchungskugeln, den Tochterzellen des thlerischen Eies, differenziren sich nach und nach alle Gewebe und Organe des thierischen Körpers. Zunächst entsteht aus den Tochterzellen eine geschlossene Membran, die sogenannte laquo;Keimblaseraquo;, welche au die Dotterhaut sich anlegt. An einer Stelle der Keimblase bildet sich eine stärkere Zellenanhäufung, laquo;Fruchthofraquo; genannt, aus welchem sich der Ertibryo mit seinen Eihäuten entwickelt. Die Bildung dieser letzteren soll hier nicht weiter verfolgt werden, da dieselben für die Chirurgie nur eine geringe Bedeutung haben. Der Fruchthof spaltet sich zunächst in drei Blätter, in ein oberes, mittleres und unteres laquo; Keimblattgt;. Da die Fruchtanlage von ihren Bändern her sich krümmt und gegen einander wächst, bis die Ränder einander treffen und sich mit einander verbinden, so wird das obere Keimblatt dadurch zum Aeusseren, das untere zum Inneren.
Das mittlere Keimblatt (Stratum intermedium) spaltet sich schon früh in zwei Platten, deren äussere zur Bildung der Rumpfwand, deren innere (Visceralplatte) zur Bildung der Darmwand verwendet wird. Die Spalte repräsentirt die spätere Brust- und Bauchhöhle, die sogenannte c Pleuro-peritonalhöhle gt;. Solche Spalträume entwickeln sich im mittleren Keim­blatte vielfach (so z. B. entstehen an den Gliedmassen auf diese Weise die Gelenkhöhleu); dieselben glätten sich an ihrer Innenfläche ab, wobei diese von einer mit unächtem Epithel bedeckten Bindegewebshaut überzogen wird. So kommen im Allgemeinen die sogenannten serösen Höhlen zu Stande, deren auch im späteren Leben (in Folge pathologischer Vorgänge) in ana­loger Weise sich bilden können. Die Gliedmassen treten aus dem mittleren Keimblatte seitlich der Fruchtanlage als zw'ei paarige, solide Fortsätze, welche von dem oberen Keimblatte überzogen werden, nach aussen hervor; sie wachsen allmälig weiter, indem in ihnen sich immer mehr die ver­schiedenen Gewebe differenziren.
An der Entwicklung der Gliedmassen ist das untere oder innere Keim­blatt in keiner Weise betheiligt; dasselbe dient nur der Bildung der wahren Schleimhautepithelien und der aus diesen hervorgehenden drüsigen Organe, während das obere oder äussere Keimblatt nur zur Bildung der Epidermis der äusseren Haut und der aus derselben hervorgehenden Drüsen, sowie des Gehirnes und Rückenmarkes verwendet wird. Das Chorion der äusseren Haut, sowie die Umhüllungen der Nervencentra, ferner die Muskel, Nerven, Gefässe, das Bindegewebe, die Knochen und Knorpel etc. gehen alle aus dem mittleren Keimblatte hervor. Auch das ganze Gerüst drüsiger Organe entsteht aus dem mittleren Keimblatte, da das obere, resp. untere Keim-
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blatt stets nur die eigentlich thätigea Drüsenelemente, die Drüsenzellen zu den betreffenden Drüsen liefern.
Versuchen wir jetzt, die Tumoren ihrer histologischen Beschaffenheit nach zu charakterisiren.
Geschwülste der Gewebe des mittleren Keimblattes.
Fibrome, Fasergeschwiilste, Bindegewebsgescliwülste.
Geschwülste, welche vorwiegend aus ausgebildeten Biudegewebsfasern bestehen, nennt man Fibroide. Man unterscheidet folgende Formen derselben:
a.nbsp; Die weichen Fasergeschwülste oder Bindegewebsgeschwülste, welche bei Menschen öfter vorkommen und ihren Sitz sonst ausschliesslich in der Cutis haben. Sie bestehen aus einem sehr zähen, auch wohl etwas ödema-tösen, weissen Gewebe und sind meist mit der, wenn auch oft sehr dünnen Papillarschicht der Cutis bedeckt. (Billroth.) Ob dieselben bei unseren Hausthieren vorkommen, weiss ich nicht. Bruckraüller führt dieselben nicht an, was bei den vielen Erfahrungen dieses Autors ihre Existenz bei Thiören zweifelhaft erscheinen lässt.
b.nbsp; nbsp;Die festen Fibrome oder Fibroide, auch Desmoide genannt, sind immer von sehr harter Consistenz und rundlicher, knolliger Form, meist genau begrenzt und über die Körperoberfläche hervorragend. Dieselben
haben am häufigsten im Unterhautbinde-
Rlaquo;. 1.
gewebe ihren Sitz, sind anscheinend arm an Gefässen und zeigen auf der Durch-schnittstiäche ein weiss glänzendes, oder zuweilen blassrüthliches Ansehen. Viele derselben zeigen auf der Schnittfläche schon dem unbewaffneten Auge eine ganz deutliche concentrische Schichtun ihrer Fasern um mehrere Achsen. Nach Bill­roth kommt diese concentrische Anord­nung dadurch zu Stande, dass die Faser­bildung um Nerven und Gefässe herum
entsteht und letztere also in der Mitte der ^ . , , , ,
Kleines Jnbrom des Uterus: ratur-Faserlagen eingebettet sind, wobei die liehe Grosse des Durchschnitts. Nerven nicht selten zu Grunde gehen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;(Nach Billroth.)
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Die Fibrome sind verschiedener anatomischer Metamorphosen fähig, die indess bei Thieren im Ganzen nicht häufig sind. Partielle schleimige Erweichung, stark sei Öse Infiltration (sulziges Ansehen und Consistenz), Verkalkung, auch wahre Verknöcherung derselben, kommen nicht so ganz selten vor. — Wir sagten vorhin, dass Fibrome anscheinend arm an Ge-fässen seien; sie enthalten aber, dieses Scheines ungeachtet, manchmal sehr viele Gefässe und zwar sowohl Arterien, als Venen, welche mit dem Ge­schwulstgewebe so innig verwachsen sind, dass ihre Adventitia darin meist aufgegangen ist. Dies hat zur Folge, dass die Gefässe nach Verletzungen sich weder der Quere, noch der Länge nach zurückziehen können, dass somit ihre Lumina nach erfolgten Zusammenhangsstörungen dauernd klaffen müssen, weshalb Blutungen aus Fibromen oft nicht ohne Kunsthülfe zu stillen sind.
Fibroide, welche dicht unter einer Schleimhaut liegen, sind häufig oberflächlichen Ulcerationen ausgesetzt; sitzen sie in der Schleimhaut selbst und ragen über deren freie Oberfläche hervor, so werden sie laquo;Polypenraquo; genannt. Groth exstirpirte bei einer Kuh einen Scheidenpolypen von 14 Pfund. (Mittheilungen aus der thierärztlichen Praxis 18G9, Seite 168 und 169). Gelbke fand bei einem Schweine eine Gebärmutter-Geschwulst, die mit der blutreichen Gebärmutter 72 Pfund wog und nach Leisering's Untersuchung ein festes Fibrom war. (Sächsischer Bericht 18G9, Seite 30.)
Als Ursachen können für Fibroide, welche an der äusseren Oberfläche des Körpers hervortreten, mechanische Einwirkungen als wesentliche Factoren angenommen werden; zuweilen entstehen diese Geschwülste ganz augenfällig nach Quetschungen. Dieselben entwickeln sich in der Regel lang­sam und machen zuweilen für längere Zeit in ihrem Wachsthum einen Stillstand.
Die Prognose ist im Allgemeinen günstig, insofern nämlich diese Neu­bildungen bei entsprechender Lage leicht und sicher (Messer, Ecraseur und Galvanocaustik) entfernt werden können und zu den nicht infectiösen ge­hören. Bei vollständiger Ausschälung der ganzen Geschwulst ist weder ein Eecidiv, noch eine Blutung, die zu dem Fibroid selbst in directer Be­ziehung steht, zu befürchten.
Die Nachbehandlung ist je nach Beschaffenheit der Operationswunde zu leiten.
Lipoine, Fettgeschwülste.
Die anatomische Beschaffenheit der Fettgeschwülste ist einfach; sie bestehen aus Fettgewebe, welches durch Bindegewebe in einzelne Läppchen
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getheilt ist. Je nachdem das Bindegewebe mehr oder weniger entwickelt ist, erscheinen die Geschwülste bald fester (fibromatöses Lipora), bald weicher (einfaches Lipom). Diejenigen Lipome, in welchen das Binde­gewebe so stark verbreitet ist, dass das eigentliche Fettgewebe mehr zurücktritt, bezeichnet man als laquo;Steatome gt;, auch wenn die grössere Consistenz derselben nicht von einer Stearinablagerung herrührt. Bei den Fettgeschwülsten am Schweife der Rinder, welche so ziemlich die derbsten sind, ist wirklich Stearin in die Fettzellen eingelagert. Die äussere Form ist gewöhnlich rund oder lappig, und die neugebildete Fettmasse ist durch eine verdichtete Schicht von Bindegewebe von den Nachbargeweben abgegrenzt (circumscriptes Lipom, es ist dies die gewöhnliche Form) und leicht von der Umgebung abzulösen; seltener kommt das Lipora als auf einen Körpertheil beschränkte Fettsucht als laquo; diffuses Lipom raquo; vor, welches eine Anschwellung ohne deutliche Abgrenzung bedingt. Der Sitz der Lipome ist meist im Unterhautzellgewebe, besonders des Körperstammes; am häufigsten sind dieselben bei Hausthieren am Schweife, After und Schlauche. Auch im Inneren des Körpers, namentlich in dem submucösen Bindegewebe des Verdauungsrohres, sowie in dem snbserösen Bindegewebe, besonders häufig am Gekröse, Netz, peritonealen Darmüberzüge.
Das Wachsthum der Fettgeschwülste ist fast immer ein sehr lang­sames, ihre Entwicklung nie mit wahrnehmbaren Schmerzäusserungen ver­bunden, wenn nicht gerade Nervenstännne durch sie gezerrt oder gedrückt werden, was allerdings, wenn auch nur selten, vorkommt. Aulfallend schnelle Bildung und schnelles Wachsthum zahlreicher Lipome an ver­schiedenen Körperstellen sah Jost bei einem Pferde. (Siehe iMittheilungen aus der thierärztlichen Praxis 1869, Seite 169.)
Diese Geschwülste können eine sehr verschiedene Grosse erreichen und bis gegen einen halben Fuss im Durchmesser anwachsen. 'Sie sind nur selten zu mehreren (und zwar von verschiedener Grosse) beisammen; über­haupt sind Lipome bei unseren Hausthieren nicht häufig. Ueber die Aetio-logie derselben weiss man nichts Zuverlässiges; mechanische Einwirkungen mögen in manchen Fällen als Gelegenbeitsursachen zu beschuldigen sein.
Die Veränderungen, welchen Lipome ausgesetzt sind, scheinen mehr die innerlich gelegenen zu betreffen, hingegen bei oberflächlicher Lage sehr selten vorzukommen. Diese Geschwülste gehören zu den gutartigen; allen­falls können sie durch Durck etc. nachtheilig werden.
Die Diagnose stützt sich auf die angegebenen Formverhältnisse und auf die Consistenz der Geschwulst; ein gewöhnliches Lipora hat etwa die Consistenz einer normalen Milchdrüse, wählend Steatome sich fester anfühlen.
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Die Behandlung begrenzter Lipome besteht in einfacher Ausschälung derselben, welche in der Regel keine Schwierigkeiten bietet; hingegen ist die gänzliche Beseitigung diffuser Lipome bedenklicher, da in der Regel die Exstirpation in grosser Ausdehnung erfolgen muss, wenn man einiger-niassen sicher sein will, dass dieselben später nicht wieder nachwachsen. Die Ausführung dieser Operation dürfte in der Veteriuärpraxis kaum jemals, oder doch nur in ganz besonderen, sehr seltenen Fällen verlangt werden.
Chondrome, Knorpelgeschwülste.
Diese Geschwülste bestehen aus hyalinem oder seltener aus Faser­knorpel und kommen bei Thieren im Ganzen nicht häufig vor; äusserlich sind sie in den Hoden, unter der äusseren Haut und an Knochen be­obachtet worden. Damm an n hat ein centrales Cysteuchondrom der Knochenenden des Ellenbogengelenks bei einer Kuh (siebe Zeitschrift für praktische Veterinär-Wissenschaften, 1874. Nr. 5) beschrieben. Leon-hardt theilte mir mit Cystenchondrome in der Brustdrüse bei Hunden mehrmals gesehen zu haben.
Fig. 2.
Direr histologischen Beschaffenheit nach sind sie normalen Knorpeln ähnlich. Die Knorpelzellen variireu der Form nach und sind oft mit mehreren Schichten einer hautartigen Masse, gleichsam wie von einer Kapsel eingeschlossen. Die Grund­substanz ist gewöhnlich gleichartig, nur selten gefasert; die den einzelnen Zellen­gruppen angehörige Intercellularsubstanz
MMm
*
ist oft von einander differenzirt, so dass
f//S/mm
zwischen den grösseren Zellengruppen die hyaline Substanz sich zu feinen Fasern umbildet, wodurch die durchgeschnittene Knorpelgeschwulst von kapselartig ange­
7 /
mw/i
ordneten, zusammenhängenden Bindegewebs-Jlicroscopischer Schnitt aus der von maschen durchzogen erscheint, die dem
Uammanu beschriebenen Ge-
freien Auge als netzförmige Zeichnungen
schwulst.
auffallen. Eine so vollständige Ver-
Bei a hyaline, bei b und c streifige, bei . , xnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;itnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;x .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; n tnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i
a bsiige Grunasubstanz, überall Knorpekeiien, Schmelzung der hyaluien Intercellularsub-
stellcnweise Fettkörnchenringe sichtbar.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;stanz ZU eiliei- homogenen MaSSC , wie im
normalen Knorpelgewebe, findet sich in den Chondromen seltener. Ausser-
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dem unterscheidet sich das Gewebe des Chondroms von demjenigen des normalen Knorpels auch noch dadurch, dass ersteres in den erwähnten Faserzügen meist vascularisirt ist, während letzterem bekanntlich die Ge-fässe fehlen. Es kommt nicht selten vor, dass die IntercellularsubstanzT
Fig. 3.
Geschwulst im Zusammen­hange von vorn und lateral gesehen.
a. Armbein.
h. IJruclistelle desselten.
c.nbsp; Vorarm.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
d.nbsp; Ellenbogen.
e.nbsp; Oberer Hauptknoten der Ge­schwulst.
f.nbsp; f. Kleine Anliangsknoten des­selben.
ff* 9- ffraquo; ff* ff* Unterer Haupt­knoten.
h. h. Tlieile des mit KnÖtchen besetzten Kapselbandes.
Anmerkung. Fig. 2 bis 5 sind Ab­bildungen des von D a m m a n n 1. c. be­schriebenen Cystenchondroms, Das Arm­bein war von der Geschwulst so destruirt und perforirt, dass es schliesslich über dem Ellenbogengelenke zur Fräctur kam.
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sei sie hyalin oder leicht gefasert, anstatt der gleichmässig festen Consistenz •des normalen Knorpels eine mehr gallertige oder bröcklige Beschaffenheit
Fig. 4.
Laterale Hälfte des durchsägten Armbeins mit
dem grössten Theile der Creschwulst.
a.nbsp; Armbein.
b.nbsp; Bruchstelle desselben. . c. Mark der Markhöhle.
Kollo des Armbeins.
e. Sehnenmasse.
/. In der Markhöhle steckender
Tlieil der Geschwulst. g. Durchbruehstelle in die Ellen*
bogengrube. h. In der Ellimbogongrube liegender
Tlieil der Geschwulst. i i Durchbruchstelle in die Roll-grubc.
Oberer Hauptknoten auf dorn Durchschnitte.
I. Unterer Hauptknoten, lateral zur Seite geschoben. in. Taubeneigrosser Knoten, der die Kollo pertbrirt hat, auf dem Durch­schnitt. n. Knoten, welcher nach der Rolle zu Tordringt und die-selbe nahezu durch-broclien bat. 0. Kleiner accesso-
rischar Knoten. y. p. Nischen in der Rolle, welche durch den aus dem Vorarm herausge­wachsenen Knoten geschaffen sind.
zeigt; Verkalkungen des Knorpels sind in den Chondromen etwas Häufiges; die Zellenformen können äusserst verschieden sein.
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Die äusseve Form der Cliondrome ist rundlich; sie sind meist scharf be­grenzt, an der äusseren Oberfläche jedoch sind dieselben sehr uneben, selbst höckerig, als wenn sie aus einer Anhäufung kleinerer Knollen gebildet wären; sie fühlen sicli derb an, sind auf der Schnittfläche glatt und glänzend. Die einzelnen Knollen werden von einem sehr dicht uinschliessenden Bindegewebe, welches derb, aber sehr gefässreich ist und der Schnittfläche ein grob gefasertes, streifiges Ansehen gibt, umgeben. Ihr Wachsthum ist anfangs ein rein cen-trales; im weiteren Verlaufe wird je­doch theils durch das Auftreten neuer Krankheitsheerde in der unmittelbaren Umgebung, theils durch Umwandlung der zunächst gelegenen Gewebe in Knorpel (locale Infection) die Ver-grösseruug der Geschwulst bewerk­stelligt. An jedem Chondrom treten anatomische Metamorphosen auf; am häufigsten entstehen verhältnissmässig grosse Hohlräume, welche entweder mit blasigen Bildungen, oder mit einer schmutzigen, röthlich gelben i'adenzie-henden Schleimmasse ausgefüllt sind; durch die Schleimcysten können die sonst sehr hart anzufühlenden Chondrorae
Fig. 5.
stellenweise fluetuiren. ZwischeCysten sind in der Regel Kalksagelagert ; häufig gehen dabei diezu Grunde und die Geschwulwandelt sich dadurch an den beden Stellen in eine bröcklige, gKalkmasse um. Neben dieseartunsen kann gleichzeitifraquo;- an
a.nbsp; Ulna.
b.nbsp; Vorann.
c.nbsp; Markgewebe der Markhöhle.
d.nbsp; d'. In der Vorarm-Epiphyse steckender Theil der Gescliwulst.
d'. Schleimig erweichte Partie desselben.
e.nbsp; nbsp;Schmale Brücke spongiöspr Substanz, welche letztere von dem Mark- (c) trennt.
/. f'. Durch die Gelcnkfiäche des Vorarms durch­gebrochener Theil der Geschwulst. anderen f. IIkU der letzteren, welcher die Nischen in der
Stellen desselben Chondroms fettiger Zerfall vorhanden sein, und in ganz
Kolle des Armbeins geschaffen hat.
g. Gruben in der Ulna, durch die vordringendö
Geschwulst bewirkt.
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seltenen Fällen tritt auch stellenweise Verknöcherung ein. — Diese Geschwulste sind bei Thieren im Ganzen selten; am häutigsten kommen sie bei Hunden und zwar als cystoüle Neubildungen in den Brustdrüsen vor; äusserlich sind sie seltener und treten an den im Anfange dieses Kapitels erwähnten Stellen auf.
Die gelegentlichen Ursachen sind zuweilen in Verletzungen, zu suchen; auch mag eine erbliche Diathese vorkommen. Das Chondrpm kann mög­licherweise mit Carcinom oder Sarcom sich combiniren und dadurch, wie auch ohne dies infectiös werden. Ferner können bei grossen Chon-dromen oberflächliche Ulcerationsprocesse auftreten; dieselben entstehen am ehesten bei stark gespannter Haut und bei Einwirkung trauma­tischer Reize.
Die Diagnose richtet sich nach den angegebenen Merkmalen. — Die Prognose ist verschieden, je nach der Beschaffenheit der Geschwulst und ihrer Combination mit anderen Geschwulstformen. Da sowohl in Fibromen, Sarcomen, Adenomen und Drüsenkrebsen ebenso wie in Chon-dromen die epithelialeu Elemente und auch das Bindegewebsgerüst in eine gallertige Masse sich verwandeln können, so wird es oft genug Schwierig­keiten bieten, selbst nach der Exstirpation zu bestimmen, mit welcher Tumorart man es zu thun hat.
Die Behandlung ist auf die Entfernung der betreffenden Geschwulst ausschliesslich angewiesen. Grosse Chondrome lässt man anr Besten unbe­rührt, namentlich wenn solche an Knochen sitzen, da die Knorpelmasse den ganzen Markcanal des Knochens allmälig durchwuchert, so dass, wie bei b der Figuren 3 und 4 zu ersehen ist, in Folge dessen leicht eine Fractur zu Stande kommt.
Osteome, Exostosen, Knocliengeschwülste.
Eigentliche Osteome sind nicht von einein chronischen Entzündungs-processe abhängig; dieselben besitzen vielmehr ein selbstständiges, eigenes Wachsthum und stellen umschriebene Knochengeschwülste dar. Knochen-bildung kommt gelegentlich auch wohl in manchen anderen Geschwülsten vor; als Osteom bezeichnet man indess nur solche, welche vollständig aus Knochengewebe gebildet werden. Ein solcher Tumor besteht entweder aus spongiöser Substanz, die mit Knochenmark durchsetzt ist, oder aus elfen­beinartiger, in der Anordnung regelmässiger Lamellensysteme der Cortical-substanz der Röhrenknochen analoger Knochemnasse; man kann demnach spongiöse und Elfenbein-Osteome unterscheiden. Dieselben treten ebenso
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häufig multipel, als solitär auf; ihr Wachsthum ist in der Regel ein lang­sames und pflegt mit vorgerückterein Alter der Thiere zu erlöschen. Unter den Weichtheilen sind es nach Förster besonders die Hirnhäute, an denen Osteome beobachtet wurden.
Es ist in der Praxis schwierig zu unterscheiden, ob vorhandene Knochen-auftreibungen eigentliche Osteome oder das Produkt einer vorausgegangenen Entzündung sind. Knochenneubildungen und Verknöcherungen kommen in den verschiedensten Geweben, so z. ß. in den Seimen und Muskeln, in den Eierstöcken, in den Kieferhöhlen u. s. w. vor. Bei vielen Thieren ist eine Disposition zu solchen Neubildungen unverkennbar. Am Hinterkiefer findet man, namentlich bei Pferden, nicht selten gestielte Knochenauswüchse. Alle Osteome lässt man am besten in Ruhe, wenn nicht dringende Indi-cationen zu ihrer Entfernung nöthigen. Nur auf den ausdrücklichen Wunsch des Eigenthtimers kann man gestielte Osteome mittels Meissel oder Säge entfernen.
Myome oder Muskelgeselnvülste.
Dieselben sind aus glatten Muskelfasern gebildet und werden ge­wöhnlich für röthlich gefärbte Fibro'ide gehalten; ob es auch Muskel­geschwülste gibt, welche blos aus quergestreiften Muskelfasern oder aus Mus keif as er zellen bestehen, ist fraglich. Nur ungemein selten ist die Bildung von quergestreiften Muskelfasern in Geschwülsten (beim Menschen) beobachtet worden, niemals aber bestand ein Tumor ganz aus solchen. — Die Myome bilden rundliche, sehr derbe Geschwülste, welche einen Durchmesser von 1 bis 2 Zoll erreichen. Sie liefern eine glatte Durchschnittsfläche, welche röthlich gefärbt und deutlich gefasert erscheint; von röthlich gefärbten Fibromen sind sie erst durch eine microscopische Untersuchung zu unterscheiden. Dieselben sind an der Schleimhaut des Darmtraktus bei Pferden, auch unter der Schleimhaut des Uterus und der Scheide bei Hunden und Rindern beobachtet worden. Nur die in der Scheide zum Vorschein kommenden können Gegenstand einer chirurgischen Behandlung werden, die nach den für Geschwülste geltenden Regeln durch­zuführen ist.
Neurome, Nervengesclnvülste.
Dieser Name wird gewöhnlich zur Bezeichnung von Geschwülsten ge­braucht, welche an Nerven, namentlich nach Operationen (bei Thieren
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indess sehr selten) sieh bilden. Der Name ist eigentlich nicht ganz richtig; denn wirkliche N euro me würden Geschwülste sein, welche ganz aus Nervenfasern bestehen. Ob solche bei Thieren vorkommen ist fraglich. Die bei Thieren an Nerven beobachteten Geschwülste dürften nach Bruck-müller's Meinung wohl hauptsächlich aus Bindegewebe be­stehen, dem möglicherweise einzelne Nervenfasern beigemengt s^nd. Solche Geschwülste können nie für sich allein, sondern müssen stets mit einem Theil des betreffenden Nerven entfernt werden. Dieselben recidiviren leicht. In der chirurgischen Abtheilung der Berner Universitätsklinik sind Neurome in jüngster Zeit erfolgreich durch den electrischen Strom be­handelt worden, nachdem dieselben nach Entfernung mit dem Messer sich einige Mal wieder gebildet hatte ;.
Angiome, Oefässgesehwülste.
Als solche bezeichnet man Geschwülste, welche weitaus ihrer grössten Masse nach aus Gefässen (ro ayystov das Gefäss, medicinisch besonders Blutgefäss) bestehen, die durch Bindegewebe zusammengehalten werden. Man hat dieselben in laquo; plexiforme Angiome oder Telangiectasien gt; (von ro Tbloc das Ende, to dy/stov das Blutgefäss und raquo;y i'xiuuig die Ausdehnung) und in lt; cavernöse Angiome oder cavernöse Venengeschwülsteraquo; unter­schieden. Letztere sind in ihrer histologischen Structur den Corpora cavernosa penis ähnlich. Telangiectasien kommen nur an der äussern Haut vor; Joeim Menschen sind dieselben leicht an ihrer lebhaft rothen Farbe zu erkennen und unter den Namen lt; Weinflecken oder Feuennal (Naevus flammeus) gt; ziemlich allgemein bekannt. Angiome scheinen bei Thieren nicht häufig vorzukommen; nach Förster sind solche bei (Jenseiben nur in der Haut und im Darme, beobachtet worden. Leisering untersuchte eine ihm von Opitz junior übersandte Geschwulst an der Schamlippe einer Kuh, die sich als ein Angiom erwies. Aus einem zufällig in derselben entstandenen Risse war eine nicht zu stillende Blutung eingetreten, in Folge deren man das Thier getödtet hatte.
Die Telangiectasien sind aus kleinen Läppchen zusammengesetzt und werden desshalb plexiforme Gefässgeschwülste genannt. Ihre gelappte Beschaffenheit ist die Folge der eigenthümlich abgegrenzten Gefässgebiete der Schweissdrüsen, Haarbälge, Fettdrüsen und Fettläppchen der äusseren Haut. Diese Abgrenzung ist mit blossem Auge sichtbar, weil die einzelnen betreffenden Gefässsysteme alle an der Erkrankung betheiligt sind und jedes für sich wuchert.
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Die Diagnose der Angiome ist nicht immer leicht; oberflächlich gelegene erkennt man an ihrem wechselnden Umfange, der nach dem jedes­maligen Grade ihrer Blutfüllung verschieden ist. Ich sah einige Mal bei Hunden Angiom der Schilddrüsen; dasselbe war klinisch dadurch charac-terisirt, dass die Kröpfe zeitweise den doppelten, ja drei- und mehrfachen Umfang zeigten als zu anderen Zeiten und dass sie während ihrer Füllung mit Blut deutliche Fluctuation wahrnehmen Hessen, während sie bei relativer Blutleere fast ganz verschwanden.
In Bezug auf Prognose und Therapie ist zu bemerken, dass man dieselben, so lange sie nicht besonders nachtheilig werden, am besten in Euhe lässt, da für die thierärztliche Praxis kaum ein anderes Radikalmittel zu empfehlen sein dürfte, als die Exstirpation. Diese ist indess in der Regel nicht leicht und sicher auszuführen, wegen der mit derselben verbundenen oder ihr folgenden Blutungen. Man erwäge deshalb in jedem Falle, reiflich, ob die Exstirpation oder die vorhandene Geschwulst das Leben des Thieres am meisten bedroht. Unter Umständen können Aetzmittel mit Vorsicht und Ausdauer angewandt, Heilung oder doch Besserung bewirken.
Sarcome.
Der Name cSarconn, von dem
griechischen Worte lt; uclt;q'sect; gt; abgeleitet, deutet das fleischähnliche Ausseben an, welches diese Geschwülste bei Durch­schnitten zeigen. Ueber den anato­mischen Charakter dieser Geschwülste war man lange nicht einig. Man hat versucht (Schuh), das Sarcom mit dem Myom zu identificiren. Da dies nicht statthaft ist, so definirte man dasselbe als eine zellenreiche Geschwulst, ohne ausgeprägten alveolären Bau, welches kein Carcinom sei. In neuerer Zeit hat folgende Definition eine all­gemeinere und bestimmtere Anwendung gefunden:
laquo;Ein Sarcom ist eine Geschwulst, welche aus einem Gewebe besteht, das in die Entwicklungsreihe der Binde-
Euiulzellen-Sarcom (nach Rindfleisch.)
aa. Gfifiissluraina. bb. Parenchym zum Theil ausgepinselt. Vergrösserung 300.
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Substanzen, Muskeln und Nerven gehört, wobei es in der Regel gar nicht oder nur theilweise zur Ausbildung eines fertigen Gewebes, wohl aber zu eigenthümlichen Entwicklungsformen kommtraquo;.
Man unterscheidet folgende Arten von Sarcomen:
a. Das Granulationssarcom oder das Kund zell ensarcom (Vlrchow), dessen Gewebe demjenigen der oberen Schicht einer Granu­lationsfläche gleich oder sehr ähnlich ist. Dasselbe enthält immer kleine
Fig. 7.
runde Zellen wie Lymphkörperchen in vor­wiegender Menge, während die Intercellular-substanz bald sehr reichlich, bald in kaum wahrnehmbarer Menge vorhanden ist; die­selbe ist entweder völlig homogen, oder leicht streifig, oder selbst faserig, dabei auch wohl ödematös sulzig; oder sie kann auch netzförmig sein und so dem Gewebe der Lymphome sich nähern.
h. Das Spiudelzellensarcom , dessen Gewebe durch dicht aneinandergelagerte, meist dünne, langgestreckte Spindelzellen, sogenannte Faserzellen gebildet wird, die gewöhnlich in Bündel angeordnet sind. In der Eegel fehlt diesen Geschwülsten jede Intercellularsubstanz; ist sie vorhanden, was zuweilen in geringer Menge der Fall ist, so kann sie homogen weich, auch faserig sein; überwiegt die Fasermasse, so nennt man den Tumor ein laquo;Fibro-Sarcom oder Fibromraquo;. In Nr. 6 der Zeitschrift für prak­tische Veterinär-Wissenschaften hat Dam-m a n n ein Spindelzellensarcom der Haut des Schlauches eines siebenjährigen Wallachs beschrieben, welchem er mit Ilücksicht auf die Form, in welcher der Tumor der Haut aufsitzt, die nähere Bezeichnung lt; fungös gt; beigelegt hat.
c. Das Riesenzellensarcom, dessen Zellen eine ganz colossale Grosse besitzen und theils rund, theils polygonal und mit vielen Ausläufern versehen sind. (Siehe Fig. 8.) Diese Zellen, wenn gleich etwas kleiner,
Spindelzellen-Sarcom (nach Kindfleisch).
Die leeren Stellen sintl klaifende Gcfiiss-
lumina. lgt;ie Spindelzellen theils der Lunge.
tlieils der Quere nach durclischnitten.
Vergrösserung 300.
Filaquo;. 8.
Eiesenzellen mit Ausläufern aus
einem Vnterkiefer-Sarcom
(nach Billroth).
Vergrösserung 350.
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kommen normalerweise im fötalen Knochenmarke vor; sie-können 30 und mehr Kerne enthalten. Ihre Entstehung aus einer einfachen Zelle ist durch eine Reihe von Uebergangsstufen meist leicht zu verfolgen. Diese Eiesenzellen finden sich sowohl in Spindelzellen —, als in Fibro-Sarcoinen, zuweilen auch in Granulations- und Myxo-Sarcomen. xVm häufigsten sind sie in den centralen, seltener in den periostalen Osteosarcomen und auch in Muskelsarcomen angetroffen worden. Sie geben durch ihre Grosse dem Gewebe manchmal eine scheinbar alveoläre Structur und können durch Erweichung zur Cystenbiklung führen; auch können sie verknöchern.
d.nbsp; Das Schleim- oder Netzzellen-Sarcom, nach Ilokitansky lt; g a 11 e r t a r t i g e s S a r c o m gt; genannt, das einestheils durch die Gegenwart von Sternzellen, anderntheils durch eine gallertige, schleimige Intercellular-substanz gekennzeichnet ist. (Es gibt auch Granulationssar come, die den Anspruch haben, als Schleim- oder Galiertgeschwülste bezeichnet zu werden). Diese Geschwulstform ist wenig sicher zu charakterisiren.
e.nbsp; Pigmentsarcome, oder melanotische Sarcoma, in welche ein braunes oder schwarzes Pigment, meist körnig, selten diffus eingelagert ist. Das­selbe liegt fast immer nur in Zellen, zuweilen jedoch auch in der Inter-cellularsubstanz. Bald ist nur ein Theil, bald die ganze Masse der Ge­schwulst mehr oder weniger pigmentirt. Am häufigsten finden sich Spindel-zellensarcome und die alveolären Sarcome pigmentirt.
Im Allgemeinen bilden die Zellensarcome unserer Hausthiere knoten-oder knollenförmige Geschwülste, die oft eine enorme Ausdehnung und Verbreitung erlangen. Die einzelnen Tumoren sind rundlich, weich und saftig; auf der Schnittiläche oft drüsenähnlich, oft deutlich gefasert, von hellweisser. oder bei grossem Gefässreichthume von röthlich-weisser Farbe. Wenn dieselben sehr zellenreich. weich und saftig sind, so werden sie laquo; Markkrebse oder Markgeschwülste gt; genannt. Sie unterscheiden sich dann histologisch vtm den eigentlichen Zellenkrebsen durch den Mangel eines gefächerten Bindegewebsgertistes und durch den Mangel der epithelialen Zellen. Eine Verwechslung beider Geschwulstformen mit einander hat prac-tisch keine grosse Bedeutung, da die weichen Sarcome ganz so wie die Krebse sich gern ausbreiten und selbst auf innere Organe übergehen, so dass die Gefahr, welche durch beide Geschwulstformen für die weitere Existenz des betreffenden Individuums gegeben ist, ziemlich gleich hoch anzuschlagen ist. Die Zellensarcome breiten sich namentlich rasch im Ver­laufe der Lymphgefässe aus. Nach Bruckmüller kommen die weichen Zellensarcome häufig in den Drüsen bei Hunden und zwar in der Brust­drüse, in der Schilddrüse, sehr selten in den Gekrösdrüsen, ferner auf
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serösen Häuten und in den von diesen überzogenen Organen vor. Doch fehlen dieselben auch bei Pfmlen nicht, wo Bruckmüller sie in dem submncösen Gewebe der Schleimhaut im Verdauungstracte, dann in unge heurer Verbreitung auf dem Bauchfelle, in der Leber, in der Milz und in den Nieren, sowie in den Hoden gesehen hat.
Von verschiedenen Autoren werden auch die bei der Perlsucht des Rindes an den serösen Häuten der Pleura und des Peritonäums vorkom­menden Geschwülste zu den Zellensarcomen gezählt, während Andere sie als Tuberkel ansehen.
Riesenzellen kommen bei Thieren am häufigsten in den von dem Knochenmarke ausgehenden Osteosarcomen vor. Mit diesem Worte be­zeichnet man Tumoren, in deren Gewebe eine wirkliche Knochenneubildung auftritt. Dieselben gehen entweder von dem Periost oder von dem Knochen-marke aus.
Die von dem Periost ausgehenden Osteosarcome zeigen immer eine knöcherne Grundlage mit strahligen Auswüchsen, zwischen welchen das Sarcom eingelagert ist. In den tieferen Schichten hat dasselbe oft mehr den Character eines Knorpel- oder Fasergewebes, während es in den oberen Schichten häufig Spindclzellen enthält. Die Sehnen, Nerven und Gefässe werden nie in den Krankheitsprocess hineingezogen, selbst wenn der Tumor sich noch so sehr vergrössert; dieselben durchziehen, ohne irgend eine Veränderung zu zeigen, in Furchen oder Kanälen die Geschwulstmasse.
Nach Bruckmüller sind die an den Gelenkenden der Pferde, namentlich am Sprung- und Fesselgelenke oft in ungeheurer Grosse vor­kommenden knöchernen Massen, solche Osteosarcome. Dieser Autor hält dieselben für die Folge fortgesetzter Reizungen bei einfachen Knochenaus­wüchsen. Sie wurden früher und auch wohl jetzt noch als laquo;Winddorngt; bezeichnet und werden in allen Veterinärsammlungen ziemlich häufig an­getroffen, während sie gegenwärtig seltener vorzukommen scheinen.
Die von dem Knochenmarke ausgehenden Osteosarcome bewirken eine blasenartige, oft ganz enorme Auftreibuug der Knochen, in dessen knö­chernem Fachwerke die weiche, sarcomatöse Masse eingelagert ist. Dieselbe ist in den meisten Fällen ziemlich derb, theilweise wohl auch aus Faser­gewebe gebildet, allein an zahlreichen Stellen treten sehr weiche, saftige, meistens auch mehr röthliche Massen auf, welche vorzugsweise aus den grossen, vielkernigen Zellen, oder auch aus Faserzellen mit einer gallertigen Grundsubstanz bestehen; nicht selten endlich zeigen sich in dieser Ge­schwulstmasse einzelne cystenartige, gewöhnlich mit einer zähen schleimigen Flüssigkeit gefüllte Hohlräume.
Diese Knochengeschwülste kommen am häufigsten an den Hinterkiefern,
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besonders der Wiederkäuer, vor und sind früher ebenfalls als laquo;Winddornraquo; oder als laquo;Knochenkrebseraquo; bezeichnet worden; Bruckmüller hat solche Sarcome mit fast gänzlicher Zerstörung der Knochenreste auch am Vorder­kiefer bei Pferden und bei Rindern gesehen.
Am Zahnfleische, an der Schleimhaut der Kiefer- und Nasenhöhle und in der Nähe alter Knochenbrüche kommen bei Thieren Geschwülste vor, die durch ihr ungemein rasches Wachsthum und ihre Verbreitung in die Umgebung ausgezeichnet sind , ohne indess in die Lymphdrüsen oder in innere Organe sich abzulagern. Fragliche Geschwülste sind sogenannte Fasersarcome; dieselben erscheinen wie aus vielen Knollen zusammengesetzt, haben somit eine höckerige, unebene, indess glänzende Oberfläche. Sie sind derb und zeigen sich auf der Schnittfläche deutlich gefasert; sie besitzen eine fleischartige Consistenz, von graulich-weisser- und bei grösserem Ge-fässreichthume von röthlich-weisser Farbe. Sie sind den Fibromen sehr ähnlich, bestehen indess aus sehr zahlreichen, dicht gehäuften spindel­förmigen Zellen, welche in oft sehr breiten, fast bündelartigen Zügen an einander gelagert sind. Beim Menschen kommen ähnliche, scheinbar am Zahnfleische aufsitzende Geschwülste ebenfalls vor, welche man laquo;Epulisgt; (s'ttI auf und ovkov Zahnfleisch), d. h. auf dem Zahnfleische aufsitzend genannt hat. Dieselben gehören zum grossen Theile zu den Riesenzellen-sarcomen; sie gehen gewöhnlich von Granulationen um cariöse Zahnwurzeln aus, so dass ihr Aufsitzen auf dem Zahnfleische meist nur scheinbar ist.
Die pigmentirten Sarcome oder Melanosen bilden Knoten oder knollen­förmige Geschwülste, die auch bis zu einer beträchtlichen Grosse heran­wachsen , namentlich aber durch Zusammenhäufung mehrerer derselben einen beträchtlichen Umfang erreichen können. Die Consistenz derselben ist je nach ihrem Baue verschieden; einige sind so saftreich, dass beim Durchschneiden eine braune Flüssigkeit reichlich hervorquillt; dieselben bestehen vorzugaweise aus pigmentirten grossen Rundzellen; die nach der Exstirpation wiederkehrenden Knoten zeigen häufig eine gesprenkelte. Färbung.
Häufiger als diese weichen Melanosen sind die harten, welche beim Durchschneiden auf der Schnittfläche ganz trocken erscheinen. Dieselben bestehen zum grossen Theile aus sehr dicht aneinander gelagerten Pigment­körnern, von denen es zweifelhaft ist, ob sie noch in Zellen eingeschlossen sind. Nach Bruckmüller gelingt es nur selten, grosse und fast stern­förmige, mit Pigment gefüllte Zellen nachzuweisen.
Die Melanosen entwickeln sich am häufigsten in dem subcutanen und subserösen, nur sehr selten in dem submucösen Bindegewebe ; auch kommen sie öfter in den parenchymatösen Organen, wie im Herzen, in den Lymph-
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driisen, in Lungen und Nieren, sowie in Leber und Milz vor. Beide letztere Organe erleiden in Folge massenhafter Bildung von Melanosen in ihrem Gewebe zuweilen eine solche Schwellung und Vergrösserung, dass sie bersten und den Tod der Thiere durch Verblutung im Gefolge haben. Manchmal bleiben diese Tumoren, nachdem sie eine gewisse Grosse erreicht haben, Jahre lang, ja bis an's Ende des Lebens stehen, ohne irgend einen erkenn­baren Nachtheil auf den Gesundheitszustand des Thieres auszuüben; in anderen Fällen dagegen nebnien sie an Grosse und Zahl bedeutend zu und können zu Functionsstörungen verschiedener Organe Veranlassung geben, so dass die Tödtung des Patienten rathsam erscheinen kann. Sie treten in der Hegel in grosser Anzahl auf, aber nur einzelne erreichen eine bedeutende Grosse (bis zu 5 Zoll); die meisten bleiben klein, werden oft kaum hirsekorngross, linsenförmig etc. Sie brechen zuweilen von selbst auf, wodurch ein Theil des Pigmentes mit dem Eiter entleert wird; es bilden sich eiternde Flächen, welche entweder vernarben oder unheilbare Geschwüre hinterlassen. Durchschnitten und in Wasser gelegt, geben sie einen Theil ihres Pigmentes ab, wodurch das Wasser sich entsprechend verfärbt. In der Nähe grösserer Melanome werden die kleineren immer nach allen Seiten hin zahlreich ausgebreitet angetroffen.
Melanosen kommen vorzugsweise bei Pferden (und nach den Angaben verschiedener Beobachter namentlich bei Schimmeln von orientalischer Ab­stammung) vor. Zuweilen werden sie auch bei Rindern oder Hunden angetroffen. B r u c k m ü 11 e r , der sie bei Hunden zu wiederholten Malen sah, hat dieselben nie bei weissen Hunden angetroffen; auch kein anderer Beobachter bat dieselben bis dabin bei weissen Hunden beschrieben.
In drüsigen Organen findet man oft nur ganz vereinzelte sarcomatöse Heerde, und mehr oder weniger zahlreiche Cysten neben reichlichem Binde­gewebe eingelagert. Das diesen laquo;Cystosarcomenraquo; zu Grunde liegende, die einzelnen Geschwulstknollen verbindende Gewebe ist manchmal sehr fest und derb und aus dichtem Bindegewebe gebildet (Fibrosarcome), in anderen Fällen aber sehr weich, gallertig und dem Schleiingewebe ähnlich (Myxosarcome). Die sarcomatösen Heerde sind nur aus Zellen gebildet und stellen eine meist sehr weiche, saftige, markähnliche Masse dar. Die Cysten sind oft nur spaltförmige Oeffnungen, meist aber ziemlich grosse Hohlräume, oft nur in dem Gewebe hie und da zerstreut, oft aber in solcher Menge zugegen, dass die ganze Geschwulst zum grossen Theile aus Cysten zusammengesetzt ist. Dieselben enthalten selten eine seröse, sondern meist nur eine mehr oder weniger zähe, schleimige oder gallertige, fast immer bräunlich gefärbte Flüssigkeit. An der inneren Wand der Cysten erheben sich warzenähnliche, hahnenkammförmige, sehr selten grössere
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Wucherungen, meist auch von sarcomatüser Bildung, mit zahlreichen, mehr faserartigen Zellen, fast ohne Tntercellularsubstanz, wodurch diese Wuche­rungen eine bedeutende Festigkeit erhalten.
Die Cystosarcome werden bei Thieren fast ausschliesslich in den Drüsen der •Geschlechtsorgane, und zwar die weicheren in der Milchdrüse und im Hoden, die derberen (Cystofibrome) im Eierstocke und in der Vor­steherdrüse, gewöhnlich nur beim Hunde angetroffen. Daramann hat in Nr. i des Jahrganges 1874 der Zeitschrift für praktische Veterinär-Wissen­schaften ein ihm von Kreisthierarzt Glokke übersandtes Cystosarcom des rechten Hodens eines Schafbockes beschrieben, dessen zahlreiche kleine Cysten mit einer schleimigen Masse angefüllt waren; er bezeichnet deshalb die Geschwulst als laquo;cystisches Schleimsarcom (Myxosarcoma cysticum) gt;.
Für die klinische Diagnose sind gewisse makroscopische Verhältnisse von Belang. Sarcoine haben in der Hegel eine rundliche Form und sind gewöhnlich von der Nachbarschaft scharf abgegrenzt, oft sogar deutlich abgekapselt, wodurch sie sich wesentlich von den infiltrirten Carcinomen unterscheiden. Wenn die Sarcoine im Unterhautzellgewebe oder im Euter liegen, so sind sie als bewegliche abgekapselte Geschwülste fühlbar. Nur selten tritt das^ Sarcom an Oberflächen in papillärer oder polypöser Form auf. Consistenz und Farbe der Sarcoine sind so verschieden, dass darüber im Allgemeinen sich nur sagen lässt, es herrsche in dieser Beziehung die grösste Mannigfaltigkeit. Wie wir bereits früher gesehen haben, gibt es sehr feste Sarcome und von da an in verschiedenen Abstufungen weichere bis zu fast flüssiger Consistenz. Die Farbe derselben kann hell-rosa, weiss, gelblich, braun, grau, schwarz, dunkelroth sein, ja alle diese Farben können in verschiedenem Wechsel auf der Schnitttiäche ein und desselben Sarcoms auftreten. Die Farbenverschiedenheit ist theils von Pig­menten, theils vom Gefässreichthume der Tumoren und von etwaigen Blut-extravasaten älteren oder neuereu Datums abhängig. Der Gefässreichthum ist ungemein verschieden; bald ist nur ein spärliches Gefässnetz vorhanden, bald ist die Geschwulst, wie ein Schwamm, von cavernösen Venen durchzogen. Von allen am bösartigsten sind die Medullarsarcome, welche zuweilen eine so rein weisse Farbe haben, dass sie, bei gleichzeitiger sehr weicher Con­sistenz, mit Hirnmasse eine grosse Aehnlichkeit zeigen. Der histologische Bau dieser Medullarsarcome kann dem einer jeden der früher beschriebenen Formen entsprechen.
Die anatomischen Veränderungen, welchen Sarcome unterliegen können, sind verschiedener Art. Erweichungsprozesse. fettige, käsige Degenerationen sind häufig. In den mit Knochen zusammenhängenden Sarcomen ist Ossifi-
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cation etwas sehr gewöhnliches und kann bis zur mehr oder weniger voll­ständigen Umbildung des Sarcoms in Osteom gedeihen. Dagegen kommt narbige Schrumpfung in Sarcomen fast nie vor, wodurch wiederum ein wesentlicher Unterschied zwischen Sarcom und Carcinom gegeben ist. Ulcerirende Sarcome zeigen zuweilen gut ausgebildete Granulationen.
Als Gelegenheitsursachen für die Sarcombildung werden besonders locale Reize, namentlich mit Verletzungen, angenommen; auch Narben werden zuweilen Sitz der Sarcom bildung. Das Wachsthum der Sarcome ist bald schnell, bald langsam. Wenn diese Geschwülste nicht gerade auf Nerven drücken, so sind sie in der Regel so lange schmerzlos, bis sie etwa aufbrechen.
Ein Sarcom kann solitär entstehen und bleiben und nach der Exstir-pation nicht mehr wiederkehren; es kann aber auch solitär oder multipel auftreten und nach Exstirpationen wiederholt recidiviren. Bei Sarcomen sind regionäre Recidive Tiegel; bei Carcinomen die continuirlichen. Wird ein Sarcom vollständig exstirpirt, so kann nach einiger Zeit in, unter oder neben der Narbe ein neues sich bilden; nach Entfernung dieses tritt an der operirten Stelle oder in einiger Entfernung davon abermals eine neue Geschwulst auf, daneben immer mehr neue und so fort bis weitere Opera­tionen unnütz erscheinen und Patient an Marasmus zu Grunde geht. Auch können metastatische Geschwülste in inneren Organen entstehen und bald den Tod zur Folge haben. — Sarcome von der gleichen histologischen Structur, in der Regel jedoch von verschiedener Consistenz, können in ihrem Verlaufe sich ganz verschieden verhalten, und bald einen ganz gutartigen, bald aber auch einen höchst bösartigen Verlauf zeigen.
In Bezug auf die Prognose gilt nun im Allgemeinen Folgendes: Alle festen Sarcome sind günstiger zu beurtheileu als die weichen. Zu der Con­sistenz der Geschwulst steht das Wachsthum derselben meist in geradem Verhältnisse, so dass weiche Sarcome in der Regel schneller sich entwickeln, als feste. Wächst ein Sarcom langsam, so ist die Prognose günstiger, als wenn dasselbe schnell wächst. Namentlich gefährlich sind die schwarzen (besonders weichen) Saroome, sowie die weichen Granulations- und Spindel-zellen-Sarcorae; auch die alveolaren Sarcome sind sehr ungünstig zu be­urtheileu.
Die Behandlung der Sarcome ist auf eine möglichst sorgfältige, wenn nöthig wiederholte Exstirpation beschränkt. Bei mehrmals wieder­kehrenden Recidiven kann das Schlachten der Thiere, so lange dieselben noch in gutem Ernährungszustände sich befinden, als das Rathsamste erscheinen. Dies gilt namentlich auch für Osteosarcome.
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Lymphome.
Als solche bezeichnet man hyperplastische Lyniphdrusenschwellungen, wobei alle zelligen Elemente der betroffenen Drüse, die Lyniphzellen in den Alveolen, die Bindegewebszellen der Trabekeln, der Kapseln der Al-#9632;veolen und Sinusnetze vermehrt und auch wohl vergrossert sind. Beim Menschen hat in den letzten 10 Jahren die Kenntniss dieser Geschwülste wesentliche Fortschritte gemacht; nicht alle LypMrüsengruppen desselben sind für deren Entstehung in gleichem Grade disponirt. Auch in Ge­weben , welche nicht zu den Lymphdrüsen gehören, kommen Geschwülste vor, in welchen sich ein den Lymphdrüsen analoges Netz nachweisen lässt und die desshalb als Lymphome angesprochen werden können. Wie früher in der menschenärztlichen, so sind noch heute in der thierärztlichen Praxis die Lymphome als solche wenig gekannt und dürften theils unter die Drüsenhyperplasien, theils unter die Sarcome und Markschwämme einge­reiht werden, woraus für die Therapie allerdings kein grosser Nachtheil erwächst. Erst in neuerer Zeit sind in verschiedenen thierärztlichen Schriften Lymphome unserer Hausthiere beschrieben worden, so unter An­deren z. B. von Anacker in der Mai-Nummer des laquo;Thierarztraquo; 1874; es handelt sich hier um einen derartigen Tumor der Sammlung unserer Lehranstalt, welcher in unmittelbarer Nähe einer wassersüchtigen Rinds­niere seinen Sitz hatte. — Leisering beschreibt bereits im Berichte über das Veterinärwesen im Königreich Sachsen 1869, Seite 14—16 eine grössere und zwei kleinere Geschwülste im Schlundkopfe eines Bullen, bei deren Untersuchung sich die völlige Indentität mit normalen Lymphdrüsen ergab. Derselbe berichtet 1. c. 1870, Seite 18 über eine entartete Lymphdrüse einer Kuh, welche auf dem Schlundkopfe lag und Form und Grosse eines Strausseneies besass. Bei off fand bei einem Schweine Lymphome in der Leber. (Siehe Mittheilungen aus der thierärztlichen Praxis 1869, Seite 168.)
In den Jahresberichten der Thierarzneischule in Hannover sind von Carsten Harms im Jahrgange 1871, Seite 29 bis 42 über Puichen-Lymphome, und im Jahrgange 1872, Seite 44 bis 49 über Ohrdrüsen-Lymphome im Wesentlichen folgende interessante Mittheilungen gemacht worden.
Als Eachen-Lymphome bezeichnet G. H. über dem Kehlkopfe in der Eachenhöhle gelegene Geschwülste, welche im Allgemeinen folgende kli­nische Erscheinungen bieten: Respirationsbeschwerden, Schlingbeschwerden, Husten und zuweilen eine grössere Fülle in der Bachengegend. Der Eintritt und Grad der Respirationsheschwerden sind nicht nur von der Grosse, sondern
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auch namentlich von der Lage des Tumors abhängig, wenngleich Wallnuss bis Hühnerei grosse Hachenlymphome keine oder doch nur geringe Respi-rationsbesclnverden zu verursachen pflegen. C. H. hat jedoch auch bei geringerem Umfange solcher Geschwülste beträchtliche — und bei grossem Umfange — nur geringe Eespirationsbeschwerden wahrgenommen, was wesentlich auf die Lage derselben ankommt. Je weiter rückwärts ein Rachen-lymphom liegt, um so geringer sind in der Regel die Athembeschwerden. In vielen Fällen werden die Thiere häufig, namentlich während des Fressens, von einem starken Hustenreize geplagt; mitunter fangen sie nach jedem Abschlucken an zu husten und strecken dabei die Zunge weit vor. Der Husten ist kräftig, aber trocken und pfeifend. Das Schlingen ist ebenfalls zuweilen erschwert, manchmal fast unmöglich. Ausnahmsweise sieht man eine stärkere Fülle in der Rachengegend. Der Zustand an und für sich ist fieberlos. Bei starker Beugung des Kopfes nehmen die Respirations­geräusche in der Regel zu, wenn ein Rachen-Lymphom vorhanden ist, so dass C. H. manchmal erst dadurch auf dasselbe aufmerksam wurde. — Bei stark gestrecktem Kopfe kann man, wenn eine grössere Geschwulst in der hintern Partie des Rachens liegt. dieselbe fühlen, indem man die Finger beider Hände von den Seiten des Kehlkopfes stark vorschiebt. In zweifelhaften Fällen gibt die Untersuchung lt; per o.s gt; Gewissheit. Patient wird gut befestigt, gebrems't und dessen Kopf stark gestreckt. Alsdann führt man die Hand mit der Volarflache gegen den harten Gaumen ge­richtet, bis zum Keilbeine, resp. bis zum Kehlkopfe vor. wo man selbst eine nur wenig grosse Geschwulst fühlen und ihre Beschatfenheit leicht fesstelleu kann. Nöthigenfalls wird Patient zur Vornahme dieser Unter­suchung niedergelegt. Die Entwicklung der Rachenlymphome geht ungleich schnell von Statten, so dass dieselben manchmal mehr, manchmal weniger Zeit gebrauchen, um Störungen genannter Art hervorzurufen. Sitzen die­selben in der hinteren Rachenpartie, so treten für gewöhnlich nur geringe Respirations- und Schlingbeschwerden ein; die Aufnahme und Verwerthung des Futters ist bei diesem Sitze wenig oder gar nicht behindert, somit die Krankheit von nicht wesentlicher Bedeutung. In der vorderen Partie des Rachens aber werden solche Lymphome um so nachtheiliger, je mehr sie Respirations- und namentlich Schlingbeschwerden verursachen, weiLdann das Futter in zu geringer Menge aufgenommen wird und schon desshalb die Ernährung des Thieres leidet.
Das Uebel ist stets ein locales und nicht etwa von Scrophulosis oder einem andere:) Allgemeinleiden abhängig. Die Ursachen, welche dasselbe hervorrufen, sind unbekannt; vereinzelt kommt es in allen Gegenden vor, in manchen Bezirken jedoch verhältnissmässig sehr häufig. In Folge der Ein-
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Wirkung eines zur Zeit noch gänzlich unbekannten Reizes nimmt die Drüse durch Wucherung ihrer Elemente an Umfang zu. Hat der Wucherungs-process eine gewisse, jedoch nicht näher anzugebende Zeit bestanden, so tritt neben demselben Nekrobiose ein; beide Processe verlaufen- dann neben einander und zwar, wie C. H. annimmt, in der Weise, class, wenn Zeit gegeben wird, von dem folliculären Gewebe schliesslich nur noch Spuren übrig bleiben.
So lange diese Geschwülste fest und derb (namentlich wenn sie vorn angewachsen) sind, besitzen sie sehr viele ßlutgefässe; sobald sie aber im Inneren stark zerfallen, sind kaum mehr Blutgefässe in der noch ziem­lich gut erhaltenen Substanz nachzuweisen. G. H. stellt die Möglichkeit einer Naturheilung fraglicher Tumoren nicht geradezu in Abrede, bemerkt indess, selbst keine solche gesehen zu haben. Mir ergeht es ebenso, ob­gleich ich in früheren Jahren viele Patienten mit den angegebenen Erschei­nungen untersucht habe, die zum Theil lange Zeit an fraglichem Zustande laborirten, so ist mir doch kein einziger Fall von Naturheilung bekannt geworden.
Die pathologisch-anatomischen Verhältnisse sind nach C. H. im All­gemeinen folgende:
Fragliche Geschwülste sind hyperplastische Lymphome, welche aus den Rachendrüsen hervorgehen und an dem vorderen Ende mit den begren­zenden Theilen verwachsen, oder im ganzen Umfange nur durch lockeres Bindegewebe angeheftet sind. Diejenigen Rachenlymphome, die schon nach geringerer Grössenzunahme Respirationsbeschwerden hervorrufen, sind in der Hälfte aller Fälle vorn angewachsen; solche hingegen, welche erst Respirationsbeschwerden verursachen, nachdem sie einen grösseren umfang erreicht haben und im Centrum zu einer käsigen Masse zerfallen, liegen gewöhnlich im lockeren Bindegewebe und sind mit keinem der begren­zenden Theile innig verbunden.
Die Therapie besteht in der Exstirpation der Geschwulst. C. H. macht dieselbe, indem er in der Mitte unter dem Kehlkopfe die Haut in einer solchen Länge durchschneidet, dass er die Hand bequem durch die Haut­wunde hindurchschieben kann: er trennt dann die unter dem Kehlkopfe liegenden Muskel- und Bindegewebsmassen, dringt mit der Hand seitlich und dicht neben dem Kehlkopfe in der Richtung nach dem mittleren Theile des Keilbeins vor, bis er die Geschwulst erreicht hat und verfährt dann, je nach den vorhandenen Umständen weiter. Meyer, Tbierarzt in Neuhaus an der Üste, der in den letzten zwölf Jahren 300 Racliengeschwiilste ent­fernt hat, operirt direkt von der Mundhöhle aus. Der Erfolg ist nach beiden Methoden ein günstiger. Ich bedaure, an dieser Stelle nicht spezieller
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auf die Ausführung der Operation eintreten zu können. Ich verweise dess-halb auf die bezüglichen Mittheilungen von Carsten Harms in frag­lichem Jahresberichte, sowie auf die Nr. 10, 1874 der Zeitschrift für prak­tische Veteriuänvissenschaften, in welcher diese Mittheilungen ihres grossen Interesses halber eine weitere Veröffentlichung gefunden haben.
Von nicht geringerer praktischer Bedeutung als die Ilachenlymphome sind die von C. H. im Jahresberichte der Thierarzneischule zu Hannover pro 1872 beschriebenen Ohrdrüsen-Lymphome beim Rinde, die desshalb auch an dieser Stelle kurz besprochen werden sollen.
Ohrdrüsen-Lymphome nennt C. H. diejenigen Geschwülste, welche sich unter der Ohrdrüse aus den hier liegenden Lymphdrüsen entwickeln und in C. H.'s Heimath unter dem Namen Igel- oder Ihlenkröpfe bekannt sind. Sie kommen in einigen Gegenden selten, in anderen aber sehr häufig vor und bieten folgende klinische Erscheinungen : Unter der Ohrdrüse liegt eine unempfindliche, nicht fluctuirende, zur Zeit der Feststellung gewöhnlich Hühnerei bis Gänseei grosse Geschwulst, welche sich durch geeignete Ma­nipulationen hin- und herbewegen lässt, also mit den begrenzenden Theilen nicht innig verbunden ist. In dem eben beschriebenen Zustande kann sie dann Wochen, sogar Monate lang verharren; sie wird jedoch alhniilig grosser, weniger verschiebbar, tritt schliesslich zunächst mit dem unteren Ende gegen die Haut und verwächst mit derselben. An verschiedenen Stellen im Inneren der Drüse bilden sich in Folge von Nekrobiose kleine, mit einer flockigen, gelblichen, lymphatischen Flüssigkeit, oder mit einer gelbgrauen, käsigen Masse gefüllte Höhlen, welche durch weitere Einschmelzung der begrenzenden Partien allmälig an Grosse zunehmen, so dass schliesslich das Ganze aus mehreren , theils gut abgeschlossenen, theils mit einander communicirenden Hohlräumen besteht, oder zu einem einzigen Balge um gewandelt worden ist. Dem entsprechend tritt dann nach und nach eine ziemlich scharf begrenzte Fluctuation und bald darauf ein Durchbruch ein. Von dieser Zeit an ist der Verlauf ein verschiedener.
In seltenen Fällen erfogt eine Ausheilung der Höhle, nachdem sich ihr Inhalt entleert hat, so dass für die fernere Lebenszeit nur eine geringe Verdickung mit leicht eingezogener Narbe zurückbleibt. Das Hauptgewicht bei der Beurtheilung legt C. H. auf die Beschaffenheit des.Lymphoms. Nur wenn dasselbe vor dem Durchbruche in einen einfachen Balg sich umge­wandelt hat, der an der innern Fläche weissgrau erscheint und eine käsige Masse enthält, kommt nach seinen Beobachtungen Heilung in vorhin angegebener Weise zu Stande; ist hingegen die Innenfläche des Balges roth, d. h. ist noch folliculäres Gewebe vorhanden, so tritt dieser Ausgang nie ein, wenn auch der Inhalt aus einer käsigen Masse besteht.
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Aber auch in solchen Fällen, wo Heilunff in der an
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benen Weise
erfolgt ist, können nach kürzerer oder längerer Zeit, mitunter erst nach Monaten, ein oder mehrere Ausbrüche erscheinen, welche ganz so wie der erst ere zur Heilung führen.
Nicht selten jedoch entwickelt sich nach dem Durchbruche, leichter noch nach künstlicher Eröffnung, eine üppige Granulation, wobei die ganze Nach­barschaft in Mitleidenschaft gezogen und stark verbildet wird. Es können die Granulationen sich allmälig mehr und mehr organisiren und entweder stark schrumpfen, so dass nach erfolgter Heilung an fraglicher Stelle keine Hervorragung weiter zu sehen ist, oder die Granulationen bilden sich nicht zurück und bedecken sich schliessüch mit einer feinen, glänzenden, gänzlich haarlosen Haut. Es bleibt in diesem Falle ein verschieden stark hervorra­gender Zapfen zurück, der in der eisten Zeit noch immer sehr reich an Blutgefässen ist, folglich bei etwaigem Abreissen zu Blutungen führen kann.
Mit dem Ohrdrüsen-Lymphome gleichzeitig, oder etwas später, können in dessen Nähe, am häufigsten über demselben, am Grunde des Ohres, ein oder zwei andere Lymphome auftreten, die schliesslich zusammentiiessen und in Folge einer damit verbundenen grossartigen Vorbildung der ganzen Umgebung Respirationsbeschwerden hervorrufen. Der fernere Verlauf eines jeden einzelnen Knotens gestaltet sich, wie bereits angegeben wurde.
Bei Tiüeren, die mit mehreren Lymphomen an der Körperoberfläche behaftet sind, wird nicht selten eine schlechte Verwerthung des Futters, Abmagerung und schliesslich Cachexie wahrgenommen; in solchen Fällen liegt, wie man sich durch die Untersuchung per rectum überzeugen kann, eine allgemeine Affection der Lymphdrüsen (Scrophulosis) vor.
Eine Verwechslung dieser Geschwülste ist nur dann möglich, wenn dieselben mit der Haut verwachsen sind und vielleicht schon fluctuiren, wo man sie etwa für einen sogenannten kalten Abscess ansehen kann. Ein solcher Irrthum lässt sich jedoch vermeiden, wenn man die Entwicklungs­vorgänge beider Zustände genauer berücksichtigt.
Die Ursachen sind unbekannt. Das Leiden wird von den Viehbesitzern im Allgemeinen sehr gescheut, mehr als eigentlich Grund vorhanden ist.
Die Therapie besteht auch hier in der Exstirpation, deren Aus­führung, so lange die Grenzen der Geschwulst noch einigermassen festzu­stellen sind, unbedingt empfohlen werden darf. Aufgebrochene Lymphome kann man leicht brennen und demnach ein Aetzmittel in Form einer Paste hineinbringen.
Zertheilende oder scharfe Einreibungen auf die aüssere Haut sind mehr schädlich als nützlich, da sie den Krankheitsprocess eher anregen als inhibiren.
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Geschwülste der Gewebe des oberen und unteren Keimblattes.
Carcinome.
Als Carcinome bezeichnet man Tumoren, welche unter reichlicher Wucherung epithelialer Zellen innerhalb eines Gewebes zu Stande kommen. Dieselben sind in hohem Grade infectiös und zwar erfolgt die Infection wahrscheinlich vorzugsweise in Folge Verschleppung von Elementen aus der Geschwulst durch die Lymphgefässc und Venen in's Blut; ob nur Krebszellen oder auch zellenfreier Saft einer Krebsgeschwulst infectiös wirkt, ist zur Zeit noch unentschieden. Die Infection erstreckt sich zunächst auf die benachbarten Lymphdrüsen, verbreitet sich dann später auch auf andere entfernter liegende Organe.
Das Carcinom ist dadurch gekennzeichnet, dass die epitheliale Decke der äusseren Haut oder einer Schleimhaut, oder die epitheliale Auskleidung einer Drüse in Form von rundlichen Kolben und Beeren (acinös), oder in Form von runden Cylindem oder Walzen (tubulös) in das Gewebe der Haut und tiefer hineinwächst, in gleicher Weise, wie dies beim Fötus der Fall ist. Die Epithelialzellen pflegen in den ineisten Fällen dabei ihre Form beizubehalten, nur oft weit grosser als nurmal zu werden. Die Form der Drüsen, von welchen diese Bildungen ausgehen, bleibt auch für die Neu­bildung im Allgemeinen typisch; nur äusserst selten kommt es zur Bildung von Hohlräumen und zu einer eigentlich secretorischen Thätigkeit in diesen. Das Bindegewebe, die Knochen, Muskeln u. s. w., in welche die Ein­
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brüche von Seiten des Epithels erfolgen,
verhalten sich dabei folgendennassen: Die Gewebe können in Bezug auf Cun-sistenz wesentliche Verschiedenheiten bieten; bald sind sie in grösserem oder geringerem Grade erweicht, bald abnorm fest; sie sind in der Piegel von kleinen runden (Lymph-) Zellen, oft in so hohem Masse durchsetzt, dass kaum noch Faser­gewebe übrig bleibt. Knochen werden beim Vordringen des Krebsprocesses aufgezehrt, wie bei der Caries. Die bindegewebigen Theile der Carcinome sind reichlich vascularisirt. während die
.Ansgebildetes Carcinomgewebe (nach Bindfleisch.)
Die leeren Maschen lassen den alveolaren Ban deutlich erkennen.
J.
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epithelialen Theile frei bleiben. Durchschneidet man ein Carcinom, so unterscheidet man meist mit blossem Auge ein bindegewebiges Gerüst, welches Hohlräume (Areoli) bildet, die mit Zellen ausgefüllt sind. Nur wenn dies Balkenwerk sehr fein und zart ist, kann es leicht übersehen werden. Bei microscopischer Untersuchung findet man, dass die Zellen in Haufen oder zuweilen auch regelmässig geschichtet in den Maschen­räumen liegen; dieselben zeigen eine verschiedene Gestalt und Ausbildung; gewöhnlich sind sie gross und durch einen veihältnissmässig sehr grossen Kern ausgezeichnet; sie haben meist eine abgeplattete, selten eine rundliche Form und gleichen zuweilen vollkommen den Cylinder-oder Platten-Epithelien.
Es finden sich auch sehr grosse, mit vielen Kernen versehene, in viel­fache Ausläufer übergehende, nicht von einer Zellhaut umschlossene Proto­plasmahaufen, die als laquo;Mutterzellenraquo; bezeichnet werden. Sehr gewöhnlich bemerkt man in den grösseren Zellen fettige Degeneration, wodurch die­selben allmälig in Körnchenkugeln umgewandelt werden und schliesslich zu einer weichen, schmierigen Körnchenmasse zerfallen. Zwischen den Krebs­zellen findet sich keine Intercellularsubstanz; zuweilen ist jedoch eine etwas grössere Menge Flüssigkeit zugegen, durch deren Vermischung mit den Zellen der milchartige Krebssaft gebildet wird.
Da die Krebse stets von einem mit Epithel-Zellen bedeckten Binde­gewebe ausgehen, so finden wir dieselben hauptsächlich an den Körper-oberflächen und in drüsigen Organen. Ihr Wachsthum kommt einestheils durch Vermehrung des Gerüstes, anderentheils durch Vermehrung der Zellen zu Stande.
In Folge der Veränderungen, welchen die Krebszellen unterliegen können diese Tumoren auf der Schnittfläche ein verschiedenes Ansehen zeigen. Wenn die Krebszellen fettig degeneriren und meist zur Aufsaugung gelangen , so dass nur wenige fettige Körner zurückbleiben, so sieht man nur die weissen, sehr derben Balken des Bindegewebsgerüstes, in welchem gelbliche Flecken und Streifen wahrnehmbar sind. In diese harte Krebse werden dann meist Kalksalze in grosser Menge abgelagert, so dass der Tumor beim Durchschneiden unter dem Messer knirscht. Wird die fettige Körnchenmasse nicht resorbirt, so sieht man dieselbe als eine schmierige, _
g
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rützebreiähnliche Masse zwischen die Maschen des BindegewebsgeVüstes
eingelagert. Fettige, käsige und kalkige Degeneration wird nicht selten neben einander angetroffen.
Eine andere Entartung der Krebszellen ist die colloide Umänderung derselben, wodurch der sogenannte lt;Gallertkrebsgt; entsteht; derselbe ist bei Thieren sehr selten.
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Der Krebs zerstört das benachbarte Gewebe und breitet sich dabei immer weiter aus; er wird daher besonders als bösartige oder fressende Neubildung bezeichnet. Die fortwährende Zunahme der schrankenlos wu­chernden Zellen muss nach und nach das umgebende Gewebe zum Schwunde bringen und daher dasselbe allmälig zerstören, so dass an seine Stelle die neugebildete Krebsmasse tritt. Besonders gefährlich werden die Krebse aber dadurch, dass sie auf die Lymphdrüsen übergehen und sogar in inneren Organen Metastasen herbeiführen, welche mit Kachexie enden.
Alle Carcinome erscheinen immer in Form deutlicher Geschwülste und man hat dieselben je nach ihrer Zusammensetzung und je nach der Art, der in denselben vorkommenden Zellen verschieden benannt. Der Name laquo;Krebsraquo; soll dadurch entstanden sein, dass wenn eine Krebsgeschwulst des Menschen schmerzhaft oder entzündet ist, häufig die nahe gelegenen Blut-gefässe dabei aufschwellen und sich gleichsam wie die Füsse eines Krebses ausdehnen.
1)nbsp; Der weiche Krebs, Medullarcarcinom; derselbe stellt eine un­gemein rasch heranwachsende, sehr weiche Geschwulst von meist beträcht­licher Grosse dar; dieselbe hat auf der Schnittfläche eine weisse oder röthlich-weisse Farbe, ein dem Hirnmarke ähnliches Aussehen und ergiesst mit oder ohne Druck einen trüben, milchähnlichen Saft (Krebssaft); zuweilen sieht man deutlich ein faseriges, oft selbst strahlig angeordnetes, derbes Gerüste, in welchem Gefässe verlaufen. — Erst die genauere weitere Untersuchung zeigt das alveoläre Balkengerüst und die in dem Safte befindlichen Krebs­zellen , welche durch ihre Aufeinanderschichtung mehr oder weniger abge­plattet sind und durch ihren grossen Kern, oft auch durch ihre Grosse überhaupt sich auszeichnen. Diese Krebsform ist gewissen Zellensarcomen sehr ähnlich, kommt indess bei Thieren selten vor. So weit ich auf Grund macroscopischer Beobachtungen zu einem Urtheile berechtigt bin, habe ich diese Krebsform vor etwa zehn Jahren einmal bei einem Binde, linker­seits neben der Wirbelsäule gerade hinter dem Widerriste in der äusseren Haut gesehen.
2)nbsp; Der harte Krebs (Fibrocarcinom) bildet eine höckerige, mehr derbe Geschwulst, welche selten einen bedeutenden Umfang erreicht. Auf der Schnittfläche zeigt sich ein weisses, derbes, oft deutlich strahliges Gefüge mit weicheren und härteren Stellen, oft auch mit weichen, gelblichen Flecken und Streifen. Die Schnittfläche selbst erscheint nur wenig feucht und es kann in der Regel nur durch Ausübung eines starken Druckes etwas Flüssigkeit ausgeprägt werden.
Diese Krebse unterscheiden sich von den Medullarsarcomen durch ihre grössere Festigkeitj welche in der stärkeren Entwicklung des Gerüstes und
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in der geringeren Zellenproduction ihren Grund hat. Ein wesentlicher Unterschied zwischen beiden Formen ist indes? nicht vorhanden, was auch klinisch dadurch sich ausspricht, dass bei Dissemination eines Fibrocar-cinoms in inneren Organen Medullarcarcinome auftreten können.
Der harte Krebs zieht oft die Haut mit in seine Bildung hinein und zeigt sich dann als eine pilzähnliche, wie auf einem Stiele sitzende Ge­schwulst. Derselbe führt bei Thieren nur selten zu Verschwärungen, indem in den obertiächlichen Schichten das Gerüste weicher und saftiger wird, die Zellen sich immer mehr vermehren und endlich auch die Flüssigkeit bedeutend zunimmt. Zuletzt zerfallen oder zerfliessen diese Zellenmassen zu einer Jauche, welche in Folge einer andauernden Erzeugung- neuer hin­fälliger Zellen beständig abfliesst. Bei Thieren sind es in der Regel mecha­nische Einwirkungen, welche an der Oberfläche der Krebse Eiterungen und Verschwärungen erzeugen.
3) Der gewöhnliche Epithelial krebs besteht in dichteren, aber nicht sehr derben Geschwülsten, welche nur selten weit über die Ober­fläche hervorragen. Derselbe wird auch laquo;vulgäres Epithelialcar-c i n o m gt; genannt, weil noch bis vor wenigen Jahren an ihm allein bekannt war, dass die Hauptmasse des Krebsgewebes aus Epithelien bestellt. Der Epithelialkrebs kommt an der äusseren Haut und an Schleimhäuten mit Pflasterepithelien vor. Dam mann beschreibt ein C yli n d e r - Epithelial-Cancroid vom Zahnfleisch der obern Schneidezähne eines Pferdes (Magazin von Gurlt und Her twig 1865, Seite 290 u. ff.). Sie werden als laquo;Can-cro'idegt;, d. h. krebsähnliche Geschwülste angesprochen, weil man diese Hautkrebse nicht für so bösartig hielt, wie die Brustdrüsenkrebse, die man fast ausschliesslich als Typus ächter Krebse ansah. Das Cancroid zeigt an der Schnittfläche eine weisse, ziemlich dichte und saftarme Masse, aus welcher zuweilen zufolge eines angebrachten Druckes, weichere, cylindrische, zusammenhängende Pfröpfchen hervortreten. Die Cancroide bestehen ebenfalls aus einem bindegewebigen Gerüste und aus in die Maschenräume dieses eingelagerten Zellen, welche letzteren durch ihre Form und ihre Anhäufung von denen der Carcinome sich unterscheiden; sie haben eine rundliche, ovale, cylindrige, selbst zapfenartige Form und Aehnlichkeit mit den Zellen der Pflaster- oder Cylinderepithelien. Die an den Wandungen der Alveolen anliegenden Zellen sind mehr abgerundet, klein, die von der Wand weiter entfernten sind grosser und mehr zusammen­gedrückt, wie dies bei den geschichteten Epithelien ebenfalls der Fall ist. Da die Bildung der Zellen von den Wandungen der Alverlen ausgeht, so zeigen die Zellenhaufen eine concentrische Schichtung, so dass dadurch Körper entstehen, welche in ihrer Form von den bindegewebigen Hohl-
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räumen abhängen. Die innersten Zellenschicliten sind in der Regel fettig degenerirt und selbst zu einein fettigen Brei umgewandelt, der nach Durch­schneidung des Tumors bei einem angebrachten Drucke in Form von Pfröpfchen auf die Oberfläche tritt.
Die gewöhnlichste Veränderung, welche Epithelialkrebse eingehen, ist die Verschwärung; dieselbe ist die Folge des Zerfalles der Zellenhaufen zu einem fettigen Breie. Zunächst sind bei der fettigen Degeneration die Fettzellen noch von einander getrennt; später jedoch fiiessen sie zu grösseren Heerden zusammen. Dadurch entstehen in der Tiefe mit Detritus gefüllte Höhlungen, an der Oberfläche mit solchen Massen ausgefüllte Spalten und Risse; der Zerfall greift in dem benachbarten Gewebe immer weiter um sich.
Die Epithelialkrebse treten bei Thieren oft als sogenannte bösartige Warzen auf, die nach der Ausrottung, wenn dieselben nicht früh genug erfolgt, sowohl an der operirten Stelle, als auch in der Umgebung neuer­dings wiederkehren. — In anderen Fällen erscheinen die Cancroide bei Thieren als flache oder vielfach papilläre Geschwülste, welche ebenfalls an einzelnen Stellen gern geschwürig werden.
Der Epithelialkrebs ist bisher bei den Thieren nur in der äusseren Haut und in der Schleimhaut der Verdauungsorgane, namentlich bei Pferden und Rindern angetroffen worden. Ich habe denselben im Jahre 1872 auch bei einem zwölfjährigen Hunde (Pudel) auf der linken Hüfte und Secundar-knoten hinter der linken Schulter, dann bei einer Katze als Lippenkrebs, beobachtet.
4'- Der Gallert krebs besteht aus einem sehr zarten Gerüste mit grossen Maschenräumen, in welche weiche, bräunlich gelbe, oft kugelförmige, einer Gallerte ähnliche Massen eingelagert sind. Derselbe geht aus einem gewöhnlichen Krebse dadurch hervor, dass die in den Maschcnräumen lie­genden Krebszellen colloid entarten. Indem solche entartete Zellenhaufen bei ihrer Vergrösserung das dazwischen liegende Bindegewebe durch Druck zum Schwinden bringen, entstehen dann die grossen und unregelmässigen Gallertmassen.
Dieser Krebs wurde von Bruckmüller in den Schilddrüsen bei Hunden ziemlich häufig angetroffen; von Müller wurde er in der Leber eines Lippenbären gefunden.
Die Prognose der Carcinome und Cancroide gestaltet sich nach dem Alter, der Beschaffenheit und Verbreitung derselben verschieden. Noch locale Krebse können durch Exstirpation dauernd geheilt werden. Ist bereits eine Infection der benachbarten Lymphdrüsen erfolgt, so sind Re-cidive und schliesslich der Tod trotz wiederholter Exstirpationeu die ge-
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wohnlich unabwendbaren Ausgänge. Aussei- der operativen ist eine arznei­liche Behandlung, namentlich die Anwendung innerlicher Mittel unnütz.
Papillome, Papiilar-Hypertrophieen.
#9632; #9632; #9632; i
Das Paradigma für diese Tumoren geben die Papillen der Schleimhäute (Zotten, Darmzotten). Die Papillome sind nämlich längliche Erhebungen der Häute, welche von der ephitlielialen Decke überzogen sind, die an ihrer Oberfläche stärkere Verhornung zeigt. Man unterscheidet zwei Haupt­formen, nämlich Warzen und Hauthörner.
a. Die Warzen sind dadurch gekennzeichnet, dass sie aus einem über-mässigen Längs- und Dickenwachsthum der Hautpapillen hervorgehen. Auf diesen abnorm vergrösserten Papillen verhornt dann die Epidermis in Form von Zäpfchen, welche an jeder Warze mit blossem Auge wahrgenommen werden können. Diese Warzen entstehen ohne bekannte Veranlassung oft massenhaft. Ich sah selbige in solcher Menge unter dem Bauche eines Ochsen beisammen, dass ihr Gesammtgewicht prffiter propter SO Pfund he tragen haben mag; dieselben nahmen die ganze untere Bauchfläche vom Scrotum bis zum Schaufelknorpel ein, so dass die tief herunterhängenden Massen fast die Erde berührten. (Exstirpation in drei Malen.)
Unter den harten Warzen finden sich nicht selten, namentlich wenn sie massenhaft an einer Körperstelle (wie bei jungem Rindvieh zuweilen unter dem Bauche) vorkommen, sogenannte Fleischwarzen; dieselben bilden rundliche oder etwas abgeplattete, weiche schlaffe Geschwülste, welche der Haut entweder unmittelbar oder an je einem dünnen Stiele aufsitzen und die Grosse einer Baumnuss erreichen oder gar übersteigen. Sie bestehen aus einem sehr weichen, stark durchfeuchteten, gefässarmen Bindegewebe, welches sich aus dem Papillarkörper über die Haut erhebt und zum Theile eine sehr grosse Menge kleiner Zellen enthält. Sie haben in der Eegel einen stark pigmentirten, aber kaum verdickten, nicht hornigen Ueberzug und sind entweder ganz nackt, oder nur mit einzelnen Häärchen besetzt. Bei Pferden werden dieselben vereinzelt am Schlauche angetroffen. Gefäss-reichere Bindegewebswucherungen sind die Condylome, welche mit einer mehrfachen, aus jungen Epidermiszellen gebildeten Schicht und mit einer schleimigen Masse bedeckt sind. Sie sind länglich runde, beerenartige, vielfach gelappte, hahnenkammförmige oder blumenkohlähnliche Wuche­rungen der Haut von weicher Consistenz und mit glatter, glänzender Ober­fläche. Sie erreichen keine bedeutende Grosse und kommen bei Hunden
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an den äusseren Geschlechtsorganen, an den Lippen und um das Maul herum, bei Stuten an der Scham, vor.
b. Die Haut hörner sind gewissermassen vergrösserte Warzen, auf welchen die Epidermis enorm vermehrt und zu einer festen Substanz sich verdichtet. Diese bildet eine Art Horn, von gerader oder gewundener Form, welches eine Länge von mehreren Centimetern undquot; darüber erreichen kann. Derartige Hauthörner sind unbeweglich mit ihrer Matrix verbunden und von sehr zahlreichen, der Länge nach verlaufenden Hohlgängen durchzogen, um welche in concentrischer Anordnung die hornigen Epithelplatten gelagert sind. Bei Längsschnitten zeigen sie ein fast faserartiges Ansehen. Werden sie von der Haut getrennt, so findet man an dieser die Papillen der be­treffenden Stelle stark verlängert und verdickt; an den Hauthörnern selbst zeigen sich an der Basis hervorstehende Zapfen, welche in die Haarfollikel eingesenkt waren.
Hauthörner sind bei Thieren nicht ganz selten und kommen bei Pferden an der Stirn, am Ohre und am Fessel vor; bei Rindern ist die Stirn ihr Lieblingssitz und zwar entwickeln sie sich namentlich bei ungarischen Ochsen an dieser Stelle als sogenanntes drittes Horn oft in ungemeiner Grosse; auch am Bauche sind bei Rindvieh Hauthörner beobachtet worden; bei Schafen an der Kehle und an den Ohren; bei Hunden an der Stirn, an den Ohren und in der Flankengegend. (Bruckmüller.)
Diesen Tumoren, namentlich aber der Warzenbildung liegt unverkenn­bar eine allgemeine Disposition der Haut zu Grunde, da sie nicht selten, namentlich im jugendlichen Alter, in grosser Anzahl und an verschiedenen Körperstellen bei dem einen oder anderen Individuum auftreten. Diese Disposition ist eine durchaus ungefährliche, insofern sie nicht zur Bildung solcher colossalen Massen von Warzen führt, dass dadurch die Ernährung des Körpers im Allgemeinen beeinträchtigt wird, wie ich dies bei Rindvieh im jugendlichen Alter einigemal gesehen habe; in manchen Fällen verlieren sich die Warzen im späteren Alter von selbst. Im Volke gelten dieselben für ansteckend; ob mit Recht, weiss ich nicht. Professor Richter in Dresden hat in den Warzen eines Mannes sehr zahlreiche Micrococcen ge­funden; da nun die Anwendung der Phenylsäure gegen Warzen im Allge­meinen befriedigende Resultate geliefert hat, so hält Zürn es für wahr­scheinlich, dass die Warzen durch Parasiten pflanzlicher Natur erzeugt, oder doch in ihrer Weiterentwicklung gefördert werden. Ich will diese Möglichkeit nicht in Abrede stellen; gleichwohl verlange ich für eine solche Annahme doch zahlreichere und genau controlirte Beobachtungen; der ein­fache Schluss laquo; post hoc, ergo propter hocraquo; hat bereits zu vielen Irrthümern
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geführt. So sehr die Verdienste der Parasitologen auf Anerkennung die gerechtesten Ansprüche haben, so muss man doch ebenso sehr vor über­eilten Schlüssen auf diesem Gebiete, wie andererseits vor einem zu ängst­lichen Seepticismus sich hüten.
Wird eine Behandlung gegen Warzen verlangt, so kann man, je nach Umständen Aetzmittel anwenden, oder dieselben mit dem Messer abtragen und die Operationsfläche mit dem glühenden Eisen brennen; gegen Haut-hörner ist die Exstirpation das einzig anwendbare Mittel und zwar müssen dieselben stets mit dem betreffenden Stücke Haut, welchem sie aufsitzen, entfernt werden.
In anatomischer Beziehung sind zu diesen Epithelialwucherungen auch noch zu rechnen der lt; Hystricismusraquo; und die lt; Ichthyosis raquo; (von vOtqisect;, o oder /; eigentlich die Sauborste, dann der Igel, das Stachelschwein; — o Ixamp;vc der Fisch).
Die Ichthyosis besteht in einer schuppenartigen Verdickung der Epidermis über den ganzen Körper, die bei Thieren sehr selten und wohl immer angeboren ist; wenigstens ist sie bisher bei Thieren nur bei neugebornen Kälbern beobachtet worden. (Siehe Bruckmüller, Patho­logische Anatomie, Seite 805.)
Von einer therapeutischen Behandlung dieses Zustandes ist selbstver­ständlich in der Veterinär-Praxis keine Rede.
Der Hystricismus besteht in Papillarwucherungen der Haut, welche sich von den Warzen dadurch unterscheiden, class bei ihnen jede einzelne Hautpapille zu einer langen und dicken Wucherung heranwächst und sich mit einer stark verdickten, selbstständigen Oberhaut bedeckt, ohne dass diese Bedeckungen der einzelnen Papillen mit einander verschmelzen; die Verdickung der Hornhautschicht kann bis zu V Zoll und mehr betragen. Ist die Oberfläche derselben in Nadeln, Dornen oder Säulen geborsten, so gewinnt die Geschwulst ein Ansehen, welches an den Igel oder das Stachel­schwein erinnert und ist in diesem Falle der Name lt; Hystricismus gt; nicht unpassend.
Im Allgemeinen bilden derartige Papillarwucherungen Kastanien- bis Hühnereigrosse, rundliche, gestielte Geschwülste der Haut, welche an der Oberfläche, wie die Aeste eines dichtbelaubten Baumes oder eines Blumen­kohls gebaut sind, indem sich aus dem stielförmigen Stamme sehr zahlreiche, kolbige, oft selbst wieder verästelte Zweige abheben, zwischen welchen tief eingreifende, meist mit einer schmierigen erweichten Hornschichte gefüllte Vertiefungen zugegen sind.
Partielle Epidermiswucherungen können an verschiedenen Körperstellen als sogenannte Hautschwielen vorkommen; dieselben gehen ohne scharfe
•#9632;raquo;
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Grenzen in die normale Haut und Oberhaut über. Unter denselben ist der Papillarkörper der Haut verdickt und stärker gerothet. Diese Schwielen entstehen namentlich an Hautstellen, welche einem andauernden, oder häufig wiederkehrenden Drucke, oder einer stärkeren Eeibung ausgesetzt sind; am häufigsten kommen sie bei Pferden und Ochsen am Widerriste und an den Bugspitzen und bei Piindvieh überhaupt häufig in der Gegend der Vorderfusswurzel vor. Sie zählen eigentlich nicht zu den Geschwülsten, da sie durch einen beständig unterhaltenen chronischen Entzünduugsprocess erzeugt werden, mit dessen Verschwinden sie sich wieder verlieren.
Adenome, Drüsengeschwülste.
Eigentliche Adenome sind Neubildungen, welche sich in ihrem ana­tomischen Bau den echten Epithel!aldrüsen (also nicht den Lymphdrüsen, wie die Lymphome) nähern. Sie entwickeln sich in der Regel in einer vorhandenen echten Epithelialdrüse, sind aber von dem Gewebe dieser in Form einer mehr oder weniger deutlich abgegrenzten kugeligen Gesehwulst zu unterscheiden. Diese Knoten ersetzen in der Drüse die verhältniss-mässig kleine Partie normalen Drüsengewebes aus dem sie hervorgegangen sind. Jeder einzelne Knoten zeigt ein centrales Wachsthum; die benach­barten Gewebe werden durch sie mehr verdrängt als infiltrirt. Solche
lig. 10.
Tumoren, welche in ihrer Struc-
tur den echten Epithelialdrüsen gleichen, sind sehr selten, während die atypischen epithelialen Neu­bildungen bei den Krebsen, weit häufiger vorkommen.
Die Adenome sind ausser-ordentlich zellenreiche Ge­schwulstmassen, die aber zu arm an gefässtragendem Bindegewebe sind, als dass die Ernährung der­selben überall in erforderlichem Maasse von Statten ginge. Sie unterscheiden sich dadurch we­sentlich von normalem Drüsen­gewebe; auch liegt in diesem Mangel der Grund, weshalb Adenome zerfallen.
Querdurchschnitt einer acinösen Brustdriisen-Adenoms (nach C. Wedl).
Das die Acini umgel)eiide Bindcgewebsgorüst tritt deutlich hervor. Vergrösserung 350.
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Das neugebildete Gewebe der Adenome besteht aus einem meist weichen lockeren Bindegewehe, welches Hohlräume einschliesst; eine Communication dieser mit dem Ausführungsgange der Drüse ist nicht vorhanden.
Nach Bruckraüller sind Adenome bei unseren Hausthieren ver­schiedene Male in der Leber, etwas häufiger in der Brustdrüse und in der quot;Vorsteherdrüse der Hunde angetrotfen worden. Zündel sah solche am Präputium des Hundes (Dictionnaire etc., Seite 22). Vorstehende Figur 10 ist ein microscopischer Schnitt aus einem Adenome des Menschen.
Billroth gibt an, dass die beim Menschen so häufig vorkommenden Vergrösserungen der Prostata nach seinen Untersuchungen nie in wirklicher Adenombilduug begründet gewesen seien, sondern entweder in Ektasie der Drüsenacini und in epithelialer Hyperplasie bestanden, oder aber meist auf diffuser oder knotiger Myombildung beruht hätten.
üeber die Bedeutung der Adenome bei Thieren in prognostischer Hin­sicht ist bis jetzt wenig Bestimmtes zu sagen; in der menschenärztlichen Praxis werden sie im Allgemeinen für durchaus gutartig gehalten. Bill-roth glaubt dessenungeachtet annehmen zu müssen, dass sie aus anato­mischen Gründen den Carcinomen prognostisch niclit so sehr fern stehen dürften. —Zündel gibt am angegebenen Orte au, dass Adenome nicht selten blos durch ihren Umfang geniren, sehr oft aber verschwären und über die Nachbarschaft sich verbreiten, die Kräfte des Thieres erschöpfen und tödtlich werden. Eine Allgemein-Infection sei iudess noch nicht constatirt. Vor der Ulceration können sie zuweilen durch Jodmittel, oft aber nur auf operativem Wege geheilt werden, worauf Ilecidive möglich sind, aber nicht vorkommen, wenn die ganze Drüse, von welcher der Tumor ausgeht, mit entfernt werde.
Demnach würde die Therapie entweder eine zuwartende sein, oder in der rechtzeitigen Exstirpation der Adenome bestehen.
Auf den Schleimhäuten kommen zuweilen runde, oder länglich runde, sehr weiche Geschwülste vor, welche bald einfach, bald mehr gelappt sind. Dieselben sind von dem Schleimhautepithel überzogen und zeigen an der Oberfläche sehr zahlreiche, oft selbst mit unbewaffnetem Auge sichtbare Oeffnungen, aus welchen sich nicht selten Schleim ausdrücken lässt. Diese Tumoren sitzen in der Schleimhaut selbst und bestehen aus einem sehr weichen, lockeren Bindegewebe, in welches Schleimdriisenhälge ungemein zahlreich eingebettet sind. Viele dieser Drüsenbälge sind ganz geschlossen, in welchem Falle sie mit einer mehr oder weniger schleimigen Masse ge­füllte Hohlräume darstellen. Manchmal erweitern sich diese Schleimbälge zu grösseren Hohlräumen, so dass die Geschwulst fast nur aus letzteren zusammengesetzt erscheint. In Rede stehende Neubildungen werden im
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Allgemeinen lt;Scli leimpol ypengt; und in letzterem Falle lt; Blasen­polypen gt; genannt; dieselben gehören, wie aus ihrem Baue und aus ihrer Secretion hervorgeht, zu den Adenomen, deren Paradigma die Schleim­drüsen sind. Die Schleimpolypen kommen bei Thieren sehr selten vor; Bruckmüller, dessen Angaben ich vorstehend gefolgt bin, sah sie am häufigsten in der Nasenhöhle, in der Scheide und nur ganz vereinzelt in den Verdauuugsorganen. Im sächsischen Berichte 1871, Seite 11 u. ff. beschreibt Leise ring einen Schleimpolypen des Kehlkopfes einer Kuh.' Seite 82—86 am angegebenen Orte ein zottiges Schweissdrüsenadenom vom Hunde, welches unterhalb der Ohrdrüse — und Seite 86-88 1. c. ein Talg-drüsenadenom von einem Jagdhunde, welches an der vorderen Fläche des Vordermittelfusses sass. Bericht pro 1870 enthält Seite 32—34 von dem­selben Autor eine Mittheilung über die Untersuchung eines Talgdrüsen-denoms des linken Vorderfasses eines Dachshundes.
Es muss hier bemerkt werden, dass eben so wenig bei Thieren, wie beim Menschen, alle als Schleimpolypen bezeichnete Neubildungen wirkliche Adenome sind, da keineswegs säimntliche so bezeichnete Neubildungen in ihrem Gewebe Schleimdrüsen enthalten. Alle sind jedoch an ihrer Oberfläche der Regel nach mit dem Epithel der sie tragenden Schleimhaut bedeckt. Die sogenannten Schleimpolypen des Menschen gehören bezüglich ihres anato­mischen Charakters (nach Billroth) theils zu den Adenomen, theils zu den Adeno-Sarcomen, theils zu den ödematösen Fibromen, theils zu den Myxo-Sarcomen.
Schleimpolypen können durch Vordrängen benachbarter Gewebe, durch Verstopfung natürlicher Oeffhungen etc. je nach ihrem Sitze mehr oder weniger erhebliche Störungen verursachen. Dieselben werden am besten vermittelst des Ecraseur's oder der sog. Polypenzange entfernt; Recidive sind nicht selten.
Von den Drüsen ohne Ausführungsgang verdient die Schilddrüse hier besonders erwähnt zu werden, insofern dieselbe nicht selten der Sitz ver­schiedener Geschwulstbildungen ist und als ächte Epithelialdrüse auch zur Adenombildung den Boden hergeben kann.
Nicht selten kommen in gewissen Gegenden, namentlich bei Hunden, in der Schilddrüse Geschwülste vor, welche auf der Entwicklung neuer Drüsenschläuche beruhen, wobei es aber zugleich zu Entartungen in den Zellen und in dem parenchymatösen Bindegewebe kommt.
Jede Umfangsvennehrung der Schilddrüsen wird laquo;Kropf oder Strumagt; genannt. Dieser Zustand besteht aber keineswegs immer in Adenombildung in dem Gewebe der Drüse oder in einfacher Hypertrophie des Drüsen-
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gewebes. sondern es kommen auch sarcomatöse und krebsige Neubildungen in den Schilddrüsen nicht selten vor, wie dies bereits früher erwähnt wurde.
Im ersteren Falle bestehen die Kröpfe aus weichen, markähnlichen weissen Wucherungen, welche besonders an den Cystenwänden als zottige, papillare, selbst als hahnenkammförmige Neubildungen auftreten; zuweilen finden sich auch in dem Drüsengewebe selbst grössere, knotenförmige. sehr weiche und sehr blutreiche Neubildungen, welche wie jene Wucherungen an der Cystenwand grösstentheils aus Rundzellen gebildet werden. Ge­wöhnlich sind auch die benachbarten Lymphdrüsen in derselben Weise entartet; oft ziehen sich längs den Lymphgefässeu an der Seite des Halses ganze Kränze des entarteten Bindegewebes zu den am Brasteingange liegenden Lymphdrüsen; aber auch die Bronchialdrüsen nehmen oft an der Entartung Theil und gewöhnlich haben sich diese papillaren Wucherungen auf das Brustfell fortgesetzt, wo sie eine tödtliche Brustfellentzündung hervorrufen; auch auf dem Herzbeutel und im Herzen treten solche sarco­matöse (secundäre) Wucherungen auf.
Bei dem krebsartigen Kröpfe ist die Schilddrüse von mehr oder weniger grossen. knolligen Neubildungen durchsetzt, welche ungemein weich, saftig sind und aus einer zellenreichen Krebsmasse gebildet werden; ausserdem aber zeigen sich auch unregelmässige, aus deutlich geschichteten Lagen bestehende, bräunlich-gelbe, gallertige Massen, zwischen welchen sich ebenso, wie zwischen den Knollen, sehr derbe Bindewebsstränge verbreiten, von denen aus ein zartes Netz in die Knollen und Gallertmassen sich fortsetzt oft lassen sich noch innerhalb der Gallertmassen regelmässige Reihen von Krebszellen unterscheiden, so dass es keinem Zweifel unterliegt, dass man es hier mit einem Gallertkrebse zu thun hat. Bestätigt wird diese Ansicht noch dadurch, dass nicht nur sehr häufig die benachbarten Lymphdrüsen ebenfalls krebsig entartet sind, sondern dass Metastasen eines weichen Zellenkrebses in fast allen parenchymatosen Organen getroffen werden.
Die sarcomatösen Wucherungen gehen von der Cystenwand aus und werden selten so gross, dass sie den Raum der Cyste ganz ausfüllen. Die krebsigen Wucherungen gehen unmittelbar von den Follikeln aus und entarten zuletzt gleich diesen zu colloiden und schleimigen Massen.
Von der eigentlichen Adenombildung muss, theoretisch wenigstens, die Hypertrophie der Schilddrüse unterschieden werden. Diese entsteht durch #9632;Vermehrung und Verdichtung des Bindegewebsgerüstes, sowie durch Er­weiterung und Verdichtung der Drüsenfollikel. Beim Durchschneiden einer hypertrophischen Schilddrüse ergiesst sich über die Schnittfläche eine zähe, fadenziehende Flüssigkeit: in dem Gewebe sind sehr zahlreiche, Stecknadel-
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kopfgrosse, gelbliche Bläschen, welche kleine Klumpen einer leimartigen Masse enthalten. Gewöhnlich trifft man auch vollständig ausgebildete Cysteu an, welche die Grosse einer Bohne, ja selbst einer Wallnuss erreichen, von dem übrigen Gewebe durch eine dichtere, oft ziemlich derbe Bindegewebs-kapsel abgeschlossen sind und eine trübe, gelblich-grüne, dicke Flüssigkeit oder eine weiche, gallertige, mit Fett gemengte Masse enthalten. In der Wand der Cyste sind oft Kalksalze in so bedeutender Menge abgelagert, dass dieselbe eine feste, selbst knochenartige Kapsel darzustellen scheint; auch der Inhalt wird zuweilen in eine von Kalksalzen durchsetzte, mörtel­artige, selbst ziemlich consistente Masse umgewandelt.
Die Drüse erscheint oft höckerig und uneben, indem sich in derselben mehr als bolmengrosse Knoten abgrenzen und über die Oberfläche hervor­ragen ; sie bestehen aus dem sehr weichen, saftigen, von einer bräunlichen, gallertigen Flüssigkeit durchsetzten Drüsengewebe, in welchem ebenfalls grössere und kleinere Cysteu mit dem vorhin beschriebenen Inhalte ange­troffen werden. Die Gefüsse, welche die Drüsen selbst durchziehen, sowie auch jene, welche aus der Schilddrüse hervortreten, sind gewöhnlich stark erweitert und in ihren Wandungen verdickt. Die Konsistenz des Kropfes ist im Beginne ziemlich derb, indem sich das Balkengewebe der Drüse stärker entwickelt; bei reichlicher Cystenbildung wird die Geschwulst weicher, an manchen Stellen selbst fluctuirend, bis endlich in Folge der oben erwähnten Kalkeinlagerungen die Resistenz an einzelnen Stellen sich bis zur Knochenharte steigert.
Die Kropfbildung erstreckt sich entweder nur auf einen Lappen, ge­wöhnlich aber auf die ganze Drüse, so jedoch, dass sie öfter an einem Lappen mehr, als an dein andern entwickelt ist. Auch der Verbindungs­strang zwischen den beiden Lappen nimmt oft sehr bedeutend zu. Die benachbarten Organe werden insofern in Mitleidenschaft gezogen. als die Gefässe zur Seite gedrückt, die Luftröhre aber wie von einem Halbkanale des entarteten Drüsengewebes eingeschlossen, beträchtlich abgeplattet und oft durch die Verschiebung nach einer Seite auch seitlich zusammengedrückt und gekrümint wird.
Die Veränderungen, welche in dem Kröpfe auftreten, sind nebst der Verkreidung der Cystenwand und des Cysteninhaltes laquo;Blutung und Eiterungraquo;.
In Folge der HiBinorrhagie findet man nicht nur das Gewebe stellenweise blutig infiltrirt, sondern besonders die Cysten mit einem Extravasate aus­gefüllt; nach länger bestandenen Blutungen ist in den Cysten ein aus Schichten gebildeter Faserstoftklumpen eingelagert, der wenigstens an den
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äussern Schichten durch reichliche Bildung von farblosen Blutzellen er­bleicht ist; oft sind auch die Cysten mit einem weichen lymphzellenreichen, breiigen Inhalte gefüllt, und die Cystenwand ist jnit Massen von Blut-krystallen und Pigmenthaufen belegt. — Die Eiterung, welche wahrschein­lich wie die Blutung durch mechanische Einwirkungen hervorgerufen wird und von der Cystenwand ausgeht, gibt sich dadurch zu erkennen, dass die grösseren Cysten mit einem dicken, schmutzig-grauen Eiter gefüllt sind, während in der Cystenwand und in dem umliegenden Bindegewebe eine beträchtliche Verdickung und Verdichtung eingetreten ist.
Die Prognose ist bei Kröpfen im Allgemeinen insoweit günstig, als bei unseren Hausthieren nur selten durch dieselben erhebliche Beschwerden oder Lebensgefahr bedingt werden, es sei denn dass bei sarcomatösen oder krebsigen Processen die früher erwähnte Dissemination und allgemeine Infection erfolge.
Die Behandlung liefert im Ganzen wenig zuverlässige Resultate. Sie besteht entweder in Jodinjectionen unter die Haut, oder bei Struma cystica in die Cyste — oder in der Exstirpation. Letztere ist bei sarcomatösen und krebsigen Entartungen, sowie bei Struma cystica mit verkalkten Wänden das einzige Verfahren, welches Aussichten auf Erfolg gewährt. Man vergesse indess nicht, dass Kropf-Operationen sowohl bei Menschen als bei Thieren gefährliche Unternehmungen sind.
Schliesslich sei noch eine krebsartige Geschwulst hier erwähnt, die Siedamgrotzky im sächsischen Berichte 1872, Seite 59 u. ff. beschrieben und als laquo;Epitheliomraquo; bezeichnet hat. Dieselbe nahm die ganze untere Halsfläche eines Pudels, vom Kehlkopfe bis zum Brustbeine ein. Sie füllte die lugularis interna bis zu ihrem Eintritt in die Brusthöhle aus, sowie namentlich einen erweiterten Ast der lugularis externa und alle grösseren und kleineren Venen der bezeichneten Region. Nachdem S. die Neubildung auf Grund macroscopischer und microscopischer Unter­suchungen geschildert hat, bemerkt er, dass es schwer sei, derselben einen richtigen Namen zu geben, Es ergibt sich hieraus die Berechtigung meiner früher aufgestellten Behauptung, laquo;dass es selbst dem in solchen Unter­suchungen Geübten zur Zeit nicht immer möglich sei, allen vorkommenden Neubildungen eine bestimmte Stelle im Systeme anzuweisenraquo;. — Es wird dies noch dadurch erschwert, dass man über die Bedeutung einzelner Be­zeichnungen nicht einig ist. So ist gerade der Begriff des Epithelioms noch nicht genau festgestellt. Manche Autoren nehmen zwei Hauptarten desselben an und bezeichnen als solche die Papillome und Adenome. Andere hingegen reihen sie den Krebsen (Cancroiden) an.
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nim
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1.
Cysten, Balggeschwülste und Cystome.
Diese Neubildungen werden am besten den Tumoren angereiht, ob­gleich sie nicht eigentlich als solche zu betrachten sind.
Jede scharf abgegrenzte Höhle, welche mit einer Flüssigkeit oder mit einem Breie angefüllt ist und eine runde oder rundliche Form hat, nennt man eine Cyste; ist dieselbe von einem besonderen häutigen Sacke um­schlossen, so wird sie laquo;Balggeschwulstraquo; genannt. Letztere wird lt;Cystomgt; genannt, wenn sie nicht aus einem bereits vorhandenen Sacke sich ent­wickelt, sondern wenn auch dieser um die Höhle sich neu gebildet hat. Dass in den verschiedenen Tumoren Cysten sich bilden können, wurde ge­legentlich bereits zu wiederholten Malen gesagt; nehmen dieselben einen wesentlichen Theil des Tumors ein, so entstehen zu dessen Bezeichnung Namen, wie Cysto-Fibrora, Cysto-Chondrom, Cysto-Saixom, Cysto-Car-cinom etc.
Mit Rücksicht auf die der Cystenbildung zu Grunde liegenden Vor­gänge unterscheidet man folgende Arten von Cysten:
a.nbsp; Retentionscysten,
h.nbsp; Exsudationscysten,
c.nbsp; Extravasationscysten und
d.nbsp; Erweichungscysten.
a. Retentionscysten entstehen als Folge von Absperrung des Secretes eines mit einem Ausführungsgange versehenen, blind endigenden Hohl­raumes, so dass das Secret nicht an die Körperoberliäche gelangt, sondern in den betreffenden Hohlräumen zurückgehalten wird. Vorzugsweise (wenn­gleich nicht ausschliesslich) kommen hier die Drüsen der äusseren Haut und der Schleimhäute in Betracht. Unter den Drüsen der äusseren Haut sind es nur die Talgdrüsen, aus denen Retentionscysten sich entwickeln. Kann das Secret der Talgdrüsen nicht auf die Körperoberfläche abfliessen, so werden die Acini der Drüse mit Secret allmälig immer mehr und mehr angefüllt und erweitert, bis die Hohlräume des betreffenden Talgdrüschens und Haarfollikels mit einander verschmolzen sind. Der Retentionsraum nimmt dabei schliesslich immer die Gestalt der Kugel an, gleichviel welche Form derselbe ursprünglich besass. (Die Kugel ist bekanntlich derjenige stereometrische Körper, welcher bei gleicher Oberfläche den grössten Inhalt hat. So lange also bei gleichbleibender Oberfläche der Inhalt des Hohl-
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raumes zunimmt, wird'dieser der Kugelgestalt immer mehr sich nähern müssen).
Solche Eetentlonscysten kommen beim Menschen in den Talgdrüsen der äusseren Haut, namentlich der Gesichtshaut, nicht selten in grösserer Anzahl vor und sind unter dem Namen der laquo;Mitesser oder Comedonesgt; allgemein bekannt.
Bei unseren Hausthieren fallen diese Gebilde in der Regel erst dann auf, wenn in Folge der andauernden Secretion und Ansammlung der Talg­drüsen dieselben bereits eine beträchtlichere Grosse erlangt haben. Die Follikelwände sowie das benachbarte Bindegewebe werden durch das ange­häufte Secret in Spannung und in einen Reizzustand versetzt, wodurch eine vermehrte Bildungsthätigkeit in denselben angeregt und so die Follikelwände an Dichtigkeit, Derbheit und Stärke zunehmen. Ja, es kann selbst zur Neubildung von Talgdrüsen und Haarfollikeln in dem entstandenen Ge­schwulstbalge kommen.
Retentiönscysten haben bei Thieren entweder in der Lederhaut selbst oder in dem Unterhautbindegewebe ihren Sitz.
b.nbsp; Excudationscysten entstehen dadurch, dass entweder in bereits vorhandene allseitig geschlossene Säcke (Schleimbeutel oder seröse Säcke) ein abnormes Secret ergossen wird (Exsudat) oder indem um einen fremden Körper eine Bindegewebsmembran sich bildet, welche Serum abscheidet. Stollbeulen, Piephacken, Hydatiden etc. sind solche Exsudationscysten.
c.nbsp; nbsp;Extravasationscysten sind solche, welche von einem Blut-extravasate ausgehen. Dieselben können sich bilden, indem Blut zwischen zwei platte Oberflächen (Periost und Knochen etcl ergossen wird, oder indem an andern Stellen von dem benachbarten Gewebe aus eine binde-gewebige Kapsel um das Extravasat erzeugt wird. Das Blut selbst kann dabei verschiedenen Veränderungen unterliegen.
d.nbsp; nbsp;Erweichungscysten kominen in Folge fettiger Degeneration oder sehleimiger Erweichung zu Stande, wobei die erweichten Massen glatt abgegrenzt werden, ohne dass aber es zur Bildung eines selbst­ständigen Balges kommt; zwar kann ein solcher anscheinend vorhanden sein, indem das den Erweichungsheerd begrenzende Gewebe den gleichen Veränderungen unterliegt und dadurch gegen die erweichte Masse, wie auch gegen das gesunde Gewebe absticht.
Je nach der Beschaffenheit des Inhaltes unterscheidet man:
1)nbsp; Dermoidcysten, deren Inhalt aus Producten der Lederhaut besteht;
2)nbsp; Schleimcysten oder Colloidcysten;
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3)nbsp; seröse Cysten oder Hydatiden;
4)nbsp; Cysten, -welche fremde Körper enthalten.
1)nbsp; nbsp;Als Dermoidcysten gelten: Atherome, Cholesteatome, Fett-laquo;ystea, Haarcysten und Zahncysten.
Atherome oder Grützbeutel nennt man mit Fettbrei und mit Epidermis gefüllte Cysten, welchen einzelne Cholestearinkrystalle beigemengt sind. Die.ganze Masse hat eine Grützebrei ähnliche Consistenz und Farbe. Grützbeutel kommen nur in der äusseren Haut vor.
Cholesteatome sind mit einem blendend milchweissen oder hell­gelblichen Breie angefüllt, der fast nur aus Epidermiszellen, aus Fett­körnchen und aus perlmutterartig glänzenden Cholestearinkrystallen besteht. Diese Cysten sind in der äusseren Haut, in den Adergeflechten und in den Kopfknochen gefunden worden.
Die Fettcysten enthalten vorzugsweise ein weiches, schmieriges Fett, #9632;welchem Cholestearinkrystalle und Epidermisschuppen beigemengt sind. Ihre Wand enthält zahlreiche Talgdrüsen und kleine Haarfollikel, welche sehr feine Häärchen produciren. Diese Cysten kommen ausschliesslich in der äusseren Haut vor.
Die Haarcysten enthalten eine grössere Menge gut ausgebildeter Haare, welche mit dem schmierigen talgichten Inhalte vermengt und häufig verfilzt sind. Solche Haarbälge sind in der äusseren Haut und in den Eierstöcken angetroffen worden.
Zahncysten sind Bälge, deren Inhalt aus einem zaknähnlichen Körper besteht; dieselben sind von Gurlt in den Hoden und Eierstöcken gefunden worden. In verschiedenen Kopfknochen wird nicht selten Zahnsubstanz angetrofi'en, welche meist von einer knöchernen Hülle umgeben ist, die der Bindegewebskapsel in weichen Geweben zu entsprechen scheint.
2)nbsp; Sch 1 eimcysten oder Colloidcysten enthalten eine schleimige Masse, die meist gelb oder grünlich gefärbt, trüb und dickflüssig ist. Hat der Inhalt eine honiggelbe Farbe und ein dem Honig überhaupt ähnliches Aussehen, so wird die Cyste eine Honiggeschwulst oder laquo;Melicerisgt; genannt.
Schleimcysten kommen in der Schilddrüse, in den Eierstöcken, in den zusammengesetzten Drüsen und in verschiedenen Neubildungen vor.
3)nbsp; nbsp;Seröse Cysten oder Hydatiden besitzen eine an der Innen­fläche mit Pflasterepithel überzogene Wand, welche eine helle, wässerige Flüssigkeit seceinirt. Dieselben kommen in den Eierstöcken, Hoden, Nieren, in der Leber, in der Milz , im Bauchfelle und zuweilen auch im Unter-
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hautbindegewebe vor. Es gibt belebte und unbelebte Hydatiden. Die be­lebten Hydatyden sind unter dem Namen laquo;Blasenwürmer) allgemein bekannt. Der laquo;Cysticercus cellulos8egt;, sowie der laquo;Ccenurus cerebrailsraquo; können mit einem gewissen Kechte als in den Bereich der Chirurgie gehörig betrachtet werden.
4) Cysten^ welche fremde Körper enthalten. Dieselben sind in der Eegel Cysten neuer Bildung. Als fremde Körper sind auch Er­weichungsprodukte, ausserhalb den Gefässen befindliches Blut und dergleichen anzusehen.
Ein und dieselbe Balggeschwulst kann zu verschiedenen Zeiten erst dieser, später jener Art von Cysten zugehören. Wenn z. B. um die ver­flüssigten Massen einer Erweichungscyste ein Sack sich gebildet hat, so tritt in manchen Fällen an der Innenfläche dieses eine Secretion ein, wodurch die ussprüngliche Erweichungscyste zur Secretions- oder Exsudationscyste wird und als solche sich vergrössert. Derartige secundäre Secretionscysten kommen nicht allein in Weichtheilen, sondern auch in festen, überhaupt in zellen­reichen Geweben vor. So können z. B. in Knochen Erweichuugsprocesse auftreten und dadurch Cysten gebildet werden, die eine sehr glänzende und glatte Membran besitzen, welche im Laufe der Zeit zu secerniren an­fängt. Stellen wir hier schliesslich die Momente kurz zusammen, welche wir als mitwirkende bei Cystbildung kennen gelernt haben, so wären dies folgende:
1)nbsp; nbsp;Blind endigende nicht allseitig geschlossene Hohlräume, deren Aus­führungsgang durch irgend einen Umstand verschlossen wird.
2)nbsp; nbsp;Vorhandene allseitig geschlossene Hohlräume, in deren Innerem ein abnorme Secretions- resp. Exsudationsprocess zu Stande kommt; und
3)nbsp; nbsp;Fremde Körper, wie z. B. Blutergüsse, Eiter, seröse Ergüsse, Para­siten, zerfallenes Gewebe, von aussen eingedrungene fremde Körper u. s. w.
Eine Zusammenhäufung mehrerer Balggeschwülste nennt man laquo;zu­sammengesetzte Cysten gt;; dieselben werden auch wohl lt; Cystome gt; ge­nannt, wenn gleich sie dem früher angegebenen Begriffe eines Cystomes nicht entsprechen.
Die Diagnose oberflächlich gelegener Cysten ist im Allgemeinen nicht schwer; nichts destoweniger wird häufig eine Probepunktion erst sicheren Aufschluss gewähren, ob man es in dem gegebenen Falle mit einem (kalten) Abscesse oder mit einer Cyste zu thun hat; die einfache Palpation kann hier allein nicht entscheiden, da beide bei dieser Untersuchung sich gleich verhalten, nämlich Fluctuation zeigen.
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Die Prognose richtet sich vorzugsweise nach dem Sitze der Cysten. Im Allgemeinen sind äusserlich gelegene leicht und ohne Gefahr zu ent­fernen. Nur wenn sie in Knochen, Knorpeln, oder in blutreichen oder sonst wichtigen Organen liegen, kann ihre Entfernung Schwierigkeit und Gefahr mit sich bringen.
Die Behandlung hat in allen Fällen die gänzliche Zerstörung der Cyste anzustreben; vorhandene Bälge müssen gründlich ausgerottet werden. Ent­weder kann die Punktion mit nachfolgender Cauterisation, oder die Exstir-pation der ganzen C3-sten zum Ziele führen.
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laquo;Ä
11. Abschnitt.
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II. Abschnitt.
Die Erkrankungen der verschiedenen Gewebe im Besonderen.
ß
ie einzelnen Gewebe des tliierischen Körpers können in verschiedener Weise und in Folge mannigfacher — äusserer wie innerer — Einwirkungen erkranken.
Auf die Art und den Verlauf der Erkrankung hat die Consistenz der Gewebe keinen unwesentlichen Einfluss, weshalb eine Eintheilung in Er­krankungen a. der Weichtheile, b. der festen und c. der gemischten, d. h. derjenigen Körpertheile, welche aus festen und weichen Geweben zusammen­gesetzt sind, vor Allem zweckmässig erscheint.
Mit Rücksicht auf die Aetiologie theilt man die Gewebserkrankungen in traumatische und in spontane oder idiopathische. Dieselben sollen in ihrem Verlaufe an den Weichtheilen, an den festen und an den gemischten Körpertheilen hier beschrieben werden. Beginnen wir mit den fraglichen Erkrankungen der Weichtheile.
D. Die Erkrankungen der quot;Weichtheile,
Die Gewebserkrankungen, welche in Folge äusserer Einwirkungen ent­stehen, werden im Allgemeinen als laquo;Gewebsverletzungenraquo; bezeichnet. Die­selben können entweder mehr einfacher, oder mehr complizirter Natur sein und demgemäss in prognostischer Beziehung eine sehr verschiedene Bedeu­tung haben. Sehr häufig werden zum Zwecke der Beseitigung krankhafter
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Zustände (kunstgerechte) Verletzungen der Gewebe nothwendig; eine richtige Würdigung der verschiedenen Arten von Verletzungen ist für den Chirurgen somit in mehrfacher Hinsicht wünschenswerth, ja nothwendig.
Mit Rücksicht auf klinische Zwecke unterscheiden wir Verletzungen mit und ohne offene Hautwunde. Es darf als ein entschiedenes Factum angesehen werden, dass im Allgemeinen alle subeutanen Körperverletzungen weit leichter heilen, als die gleichen Verletzungen, wenn sie durch eine Hautwunde mit der Aussenwelt in Communication stehen. Die Erkenntniss dieser bedeutungsvollen Thatsache hat uns zu den sogenannten subeutanen Operationen geführt und ist uns vielfach ein Leitstern für die chirurgische Therapie geworden, insofern wir Verletzungen mit communicirender Haut­wunde, wo irgend thunlich, durch möglichst hermetischen Abschluss gegen aussen schützen, gewissennassen in subeutaue Verletzungen verwandeln. Die Einthe.lung wird deingemäss folgende sein: Subcutane Verletzungen der Weichtheile, einfache Wunden, resp. Verletzungen mit offener Hautwunde ohne erhebliche Quetschungen der betroffenen Gewebe und ohne sonstige Complicationen, Quetschwunden (also Quetschungen mit offener Haut­wunde) , vergiftete Wunden, Verbrennungen und Erfrierungen der Weich­theile. Denselben werden sodann die spontanen Erkrankungen der Weichtheile angereiht werden.
Subcutane Verletzungen der Weichtheile.
Bei mehr oder weniger gewaltsamer Einwirkung eines stumpfen Körpers auf die Weichtheile werden diese verletzt, indem die Haut in ihrem Zu­sammenhange entweder getrennt wird oder nicht. Man unterscheidet dem­nach :
Verletzungen der Weichtheile mit und ohne offene Hautwunden. Letztere wollen wir hier zunächst besprechen.
Subcntanlaquo; Verletzungen laquo;1er Weich! heile entstehen in Folge eines ausser-gewöhnlich starken, meist plötzlich einwirkenden Druckes auf dieselben. Die Veränderungen, welche die Gewebethiednrch erleiden, können dem Grade nach sehr verschieden sein; der betroffene Körpertheil wird bald nur kaum merkbare Veränderungen zeigen, bald indess mehr oder weniger zertrümmert oder gar in einen Brei verwandelt sein. Solche Ver­letzungen werden im Allgemeinen lt; Quetschungen gt; genannt. Ob die äussere Haut bei Entstehung dieser eine Trennung des Zusammenhanges erfährt oder nicht, hängt von verschiedenen Umständen ab, uud zwar vorzugsweise
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von der Beschaffenheit des verletzenden Gegenstandes, von der Dicke und Stärke der Haut an der betroffenen Stelle, sowie von der Unterlage, welche fragliche Hautstelle hat und endlich von der Stärke des Anpralles des verletzenden Gegenstandes und Tlüerkörpers auf einander.
Bei Quetschungen ohne Wunde lässt sich der Grad der Zerstörung nicht unmittelbar, sondern nur mittelbar erkennen. Treten z. B. Paralysen auf, so werden wir aus dem Umfange dieser auf den Grad der Gewebs-zertrümmerung schliessen können. Indess sind solche Paralysen in Folge von Quetschungen selten, da die Hauptnervenstänune tief zwischen den Muskeln liegen und deshalb wenigstens nicht direct getroffen werden. Da­gegen ist der Grad und Umfang der fast regelinässig vorhandenen subcutanen Blutung ein Moment, welches uns in Stand setzt, auf die Ausdehnung der erfolgten Gewebszertrümmerung einen aproxiinativen Schluss zu ziehen. Man muss jedoi h hierbei berücksichtigen, dass die subcutanen Blutungen in Folge von Quetschungen der Weichtheile immer viel geringer sind, als nach Schnittwunden, weil die Gefässenden meist rauh, uneben und fetzig dem Ausflüsse des Blutes grössere Hindernisse eutgegengestellen als bei glatten (Sclmitt-)Rändern der getrennten Gefässe. An den Fetzen der Gefässwand schlagen sich Coagula an, welche das Lumen der zerrissenen Gefässe allmälig verstopfen und so die Blutstillung bewirken. Diese Wirkung wird dadurch wesentlich begünstigt, dass die Muskeln und die äussere Haut als natürliche Compresse dienen; wo letztere Factoren fehlen, da werden Hiemorrhagien leichter gefährlich. Dies gilt namentlich von Blutungen in die Körperhöhlen; der häufig tödtliche Ausgang ist hier jedoch auch oft die Folge des Druckes auf die in der betreffenden Höhle gelagerten Ein­geweide von Seiten des entstandenen Extravasates.
Im Allgemeinen wird die Blutung um so stärker sein, je gefässreicher der gequetschte Theil und je umfangreicher die Gewebszertrümmerung ist. Auch die Beschaffenheit des benachbarten Gewebes ist von wesentlichem Einflüsse. In lockeren und nachgiebigen Geweben breitet sich das Extra-vasat selbstverständlich leichter und weiter aus , als in dichten und festen Geweben. Wo das Blut sich weit in das Gewebe vertheilt und wo in diesem die Gefässe nicht mit gequetscht worden sind, da findet die Resorption des Extravasates am leichtesten statt. Ist aber das laxe Bindegewebe be­trächtlich auseinandergewichen, so dass es zur Bildung einer mehr oder weniger abgegrenzten, mit Blut erfüllten Höhle, zu einer laquo;Blutgeschwulst (Hsematoin)gt; gekommen ist, so ist die Resorption weniger häufig.
Die Heilung subcutaner Quetschungen erfolgt, indem die zertrümmerten Gewebselemente vorher molecular zerfallen und resorbirt, oder bei Ver-
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eiterung des Extravasates mit dem Eiter eliminirt werden, worauf dann zunächst Bindegewebsneubildung eintritt.
Die Prognose gestaltet sich bei subcutanen Quetschungen relativ günstig, indem denselben verhältnissmässig geringere Entzündungsgrade und weit seltener Eiterung, noch seltener aber Nekrose folgen, als den gleichgradigen Quetschungen mit offener Hautwunde. Die gequetschten Gewebe heilen entweder wieder aus, oder wenn ihre Elemente zertrümmert sind, werden sie resorbirt und in Folge von Gewebsneubildung ersetzt.
Die Therapie hat die letzteren Vorgänge anzustreben und vor allen Dingen die Aufgabe, eine unnöthige Perforation der Haut zu vermeiden; nur wenn die Heilung voraussichtlich subcutan nicht möglich ist; namentlich wenn ein eiteriger Zerfall in grösserem Umfange bereits eingetreten ist, darf man zur Eröffnung des Abscesses schreiten.
Bei frischen subcutanen Quetschungen der Weichtheile ist die örtliche Anwendung der Kälte, adstringirender Mittel (Bleisalbe, Bleiwasser u. dgl.), wo möglich combinirt mit leichtem und gleichmässigem Drucke, am Platze. Wo indess kein zuverlässiger Wärter den Patienten zu besorgen hat, wird man statt des ersten Mittels besser resorbirende, erregende, gelind reizende oder scharfe Einreibungen appliciren; letztere bewirken nicht selten selbst dann noch Resorption, wenn bereits Eiterung in geringerem Umfange ein­getreten ist. Erfolgt die Heilung bei dieser Behandlung auf dem ersten Wege nicht, so müssen die für Abscesse (siehe Phlegmone) angegebenen Regeln befolgt werden. Die Kälte kann bei Gewebszertrümmerung leicht schaden, darf deshalb nur mit Vorsicht angewendet werden.
Einfache Wunden.
Als einfache Wunde bezeichnet man jede durch mechanische Einwirkung entstandene Trennung des Zusammenhanges der Weichtheile, welche ohne erhebliche Quetschung der betroffenen Gewebe zu Stande gekommen ist. Je nach der Beschaffenheit des verletzenden Instrumentes unterscheidet man Schnitt-, Hieb-, Stich-, Schusswunden etc.
Als Schnittwunden bezeichnet man Verletzungen der Weichtheile, welche durch Einwirkung eines schneidenden Instrumentes entstanden und durch ebenmässig glatte Wundränder gekennzeichnet sind. Dieselben er­strecken sich gewöhnlich mehr in die Länge als in die Tiefe und heilen bei passender Behandlung unter sonst gleichen Verhältnissen, d. h. bei derselben Grosse, Tiefe und Richtung, bei Gleichheit des Ortes, des Sub-
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stanzverlustes u. s. w. im Allgemeinen leichter, als fast alle übrigen Wunden. Der Grund hiefür liegt vorzugsweise darin, dass die Ge-webszertrümmerung bei der Einwirkung schneidender Instrumente nur am Orte der Trennung erfolgt, während dieselbe bei allen andern Gewebsverletzungen, mit Aus­nahme mancher Stichwunden, mehr oder weniger über die Nachbarschaft sich erstreckt.
Grössere Substanzverluste kommen bei einfachen Schnittwunden ge­wöhnlich nur dann vor,. wenn das schneidende Instrument in einer der Körperoberfläche fast parallelen Richtung einwirkt. In diesem Falle entstehen Lappen- oder Schälwunden, deren leichtere oder schwerere Heilbarkeit wesentlich davon abhängt, ob der Lappen noch mit der Nachbarschaft in lebendigem Zusammenhange steht, resp. wie breit oder schmal die Brücke ist, durch welche dieser Zusammenhang vermittelt wird. Gelingt die An-heilung nicht, so entstehen Substanzverluste von mehr oder weniger be­trächtlichem Umfange, was auch der Fall ist, wenn der Lappen von vorne-herein ganz vom Körper getrennt worden war. Solche Schnittwunden mit Substanzverlust erfordern immer mehr Zeit zu ihrer Heilung, als solche ohne Substanzverlust, um so mehr, je grosser der Hautdefect ist, wie dies später näher erklärt werden wird. Schnittwunden haben mit andern Wunden die Schmerzerregung, die Blutung und mit den meisten auch das Klaffen der Wundränder gemein; diese Erscheinungen können in den einzelnen Fällen dem Grade nach sehr verschieden sein.
Was den Schmerz anbelangt, so sind die nerven reich en Weich-theile, namentlich solche, welche viele Endungen sensitiver Nerven ent­halten am empfindlichsten gegen Verletzungen jeglicher Art; dies ist z. B. deutlich erkennbar bei jeder Operation an Wekhtheilen, indem die Thiere regelmässig beim Durchschneiden der äusseren Haut am auffälligsten den empfundenen Schmerz äussern. Je schärfer das Instrument ist, und je schneller der Hautschnitt vollführt wird, um so geringere Reaktion erfolgt von Seiten des Operationsobjectes.
Die Grosse der Blutung ist von der Zahl, dem Durchmesser und der Art der durchschnittenen Gefässe abhängig und erfordert je nachdem eine besondere Berücksichtigung. Selbstverständlich ist hier nur die Rede von Verletzungen sonst normaler Weichtheile, folglich von Blutungen aus ge­sunden Geweben. Man unterscheidet capillare , parenchymatöse, arterielle und venöse Blutungen. Die meisten Hamiorrhagien bei Verletzungen sind parenchymatöse, d. h. weder rein arterielle, noch rein venöse. Ihre Be­deutung ist von der Zahl, Grosse und Lage der betroffenen Gefässe abhängig. Obgleich bei eigentlichen parenchymatosen Blutungen der Blut­verlust nur aus kleinen Gefässen stattfindet, so kann derselbe dennoch
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gross und lebensgefährlich werden, nämlich dann, wenn viele Gefässe ver­letzt worden sind. Capillare Blutungen aus gesunden Körpertheilen stillen sich von selbst, indem die Geflissöftuungen in Folge der Contraction der verletzten Gewebe zusammengedrückt werden. In kranken Geweben, welche ihre Contractionsfähigkeit theilweise oder ganz verloren haben, kann indess
selbst eine capillare Blutung sehr bedenklich, ja sogar
lebensgefährlich
werden.
Bei arteriösen Hismorrhagien ergiesst sich das Blut meist in einem Strahle, an welchem die rliythmisclien Contractionen des Herzens bald mehr, bald weniger deutlich zu erkennen sind. Die Farbe des Blutes darf (wie bereits angegeben wurde) nur unter Berücksichtigung aller auf die Oxydation des Blutes einwirkenden Momente für die Differential-Diagnose laquo;ob arteriöse oder venöse Blutungraquo;, mit verwerthet werden. Da die Gefässlichtung durch­schnittener Arterien vom grösseren bis zum kleinsten Kaliber in Folge der Zusammenziehung ihrer musculösen Elemente verengert wird, so ist der Blutstrahl in der Kegel nicht so stark, als der Durchmesser des Gefäss-lumens an der durchschnittenen Stelle vor der Verletzung betrug. Auch , wird in Folge der Contraction der Media die Arterie verkürzt, wodurch die Schnittöffnungen derselben in die Gewebe sich zurückziehen. Beide genannte Factoren stellen sich dem Abtiusse des Blutes als Widerstände entgegen, die so bedeutend sein können, dass die Blutung weder in einem Strahle, noch in rhythmischen Stössen erfolgt. Der Blutabfluss aus ganz kleinen Arterien wird in Folge dieser Verhältnisse häufig so wesentlich behindert, dass er sehr bald abnimmt und dass die Blutung in Folge gänzlichen Verschlusses der Gefässöffnungen durch geronnenes Blut spontan zum Stehen kommt. Bei Blutungen aus grösseren Arterien ist der Blutverlust selbst endlich Mitursache der Hsemostase, indem mit Verminderung der gesammten Blutmenge stets eine Schwächung der Herz-contractionen verbunden ist, wodurch die Blutung allmälig in dem Masse abnimmt, wie die Gesammtblutmenge, bis sie endlich ganz steht. In Folge dessen können Hamiorrhagien sogar aus grösseren Arterien von selbst sich stillen, noch ehe der Blutverlust ein so beträchtlicher geworden ist, dass der Tod die nothwendige Folge desselben sein müsste. Auf derselben Ursache des abnehmenden Blutdruckes mit Verminderung der Blutmenge beruht die bekannte klinische Erscheinung, dass im Anfange von Operationen aus durchschnittenen kleineren Arterien ein verhältnissmässig stärkerer Blutstrahl hervorquillt, als gegen Ende der Operation selbst aus durch­schnittenen grösseren Arterien, wenn die Gesarinmtblutmenge in Folge des erfolgten Blutverlustes bereits wesentlich vermindert worden ist. So können auch innere Blutungen durch einen ergiebigen Aderlass zum Stehen gebracht
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und damit grosse Gefahren für das Leben des betreffenden Thieres abge­wendet werden, welche durch den Erguss des Blutes in Höhlen oder in Parenchyme des Körpers öfter eintreten.
Verletzungen grosser Arterien, wie z. B. der Carotis, Cmralis, Axil-laris etc. etc. können nur durch Kunstmittel. namentlich durch Unterbindung oder andauernde Compression, mit hinlänglicher Sicherheit gestillt werden. Nur in Fällen, wto derartige Gefässe bloss angestochen sind und die Oeffnung klein ist, oder wo die Verletzung subcutan und ohne Verletzung der äusseren Haut zu Stande kam, darf eine spontane Blutstillung aus grösseren Arterien erwartet werden.
Blutungen aus Venen characterisiren sich im Allgemeiuen durch gleich-massig, nicht stossweise erfolgendes Ausfliessen eines dunkeln (venösen) Blutes. Eine benachbarte Arterie kann jedoch den Stoss auf die Vene übertragen. Verletzungen kleiner und mittelgrosser Venen haben in der Kegel keine andauernde, sondern nur eine unbedeutende, bald vorüber gehende Blutung zur Folge. Während die Wandungen verletzter Arterien von einander entfernt bleiben, d. h. klaffen, fallen die verletzten Venen­wände zusammen, wodurch Blutungen aus Venen eben erwähnten Calibers in der Kegel alsbald von selbst aufhören; eine andauernde Hsennorrhagie aus Venen fraglichen Durchmessers findet nur dann statt, wenn der Kückfiuss des Blutes nach dem Herzen behindert oder wenn die Blutung durch Muskel­bewegungen unterhalten wird, oder wenn die Venenwandungen mit dem benachbarten Gewebe so verbunden sind, dass die Gefässwandungen nicht zusammenfallen können, wie dies in pathologischen Geweben nicht selten ist. So z. B. stehen Haemorrhagiep aus der Vena iugularis nach Aderlässen in der Kegel von selbst, sobald die Compression zwischen der Aderlasswunde und dem Herzen aufgehoben wird. Um jedoch etwa möglichen unangenehmen Eventualitäten vorzubeugen, schliesst man die Wunde der äusseren Haut in bekannter Weise. Ist eine Vene quer durchschnitten, oder mehr oder weniger tief eingeschnitten, so fliesst das Blut in der Kegel nur aus dem vom Herzen entfernten Ende; das centrale Ende blutet gewöhnlich nicht, weil ein Rücktiuss des Blutes in der Richtung vom Herzen zur Peripherie in den Venen so lange verhindert wird, als die Klappen nicht insufficient sind. Mit der klappenlosen Pfortader hat die Chirurgie wenig zu thun; es ver­langen deshalb nur die Mastdarmvenen und die Vena spennatica eine aus­nahmsweise Berücksichtigung.
In verletzten Arterien, gleichviel ob dieselben der Quere oder der Länge nach an- oder durchgeschnitten sind, strömt hingegen das Blut von beiden Seiten, von der centralen wie von der peripherischen Seite her, der
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vorhandenen Oeffnung zu. Hieraus ergibt sich, dass eine .verletzte nicht ganz kleine Arterie zwei Mal, und zwar über und unter der Wunde unter­bunden werden muss, wenn die Blutung zum Stehen gebracht werden soll, während die Unterbindung grösserer Venen, wenn sie der Länge nach angeschnitten sind, in der Kegel unterlassen werden kann und nur dann erforderlich wird, wenn dieselben der Quere nach durch- oder mehr oder weniger tief eingeschnitten sind.
quot;Was nun die Blutungen aus den grossen Venen anbelangt, so sind dieselben immer gefährlich; sie werden in den meisten Fällen tödtlich, namentlich wenn nicht schnell Hülfe zur Hand ist. Aber selbst aus den grossen, dein Herzen nahe gelegenen Venen fliesst das Blut nicht in un­unterbrochenem Strome, weil an denselben der Eiufluss der Respiration sich in hohem Masse geltend macht. Mit der Exspiration quillt das Blut aus ,deni verletzten Venenstamme hervor, während dessen Wandungen bei der Inspiration zusammenfallen. Aussei- dem schnell eintretenden grossen Blutverluste kommt bei derartigen Verletzungen noch die Gefahr hinzu, dass bei jeder, namentlich kräftigen Inspiration das Blut aus den Venen in das Herz sich entleert, wobei nicht selten Luft eingesogen wird, was sofort den Tod zur Folge haben kann. In solchen Fällen stürzen die Thiere plötzlich zusammen, indem der erfolgte Lufteintritt durch ein quir­lendes Geräusch sich ankündigt. Zuweilen kommen die Thiere nach einiger Zeit wieder zu sich; in der Regel jedoch ist der Tod die Folge dieses Zii-falles. Wie derselbe erfolgt, ist physiologisch noch nicht hinlänglich auf­geklärt. Die Ansicht, dass Luftblasen bis in die mittelstarken Aeste der Lungenarterie vordringen und den weiteren Zutritt von Blut in die Lungen behindern, hat eine gewisse Wahrscheinlichkeit für sich.
Die bei Verletzungen der Weichtheile vorkommenden Blutungen können dem Vorstehenden gemäss bald so bedeutungslos sein, dass sie bei der Behandlung keine besondere Berücksichtigung erfordern; bald jedoch kann ihre Stillung die allererste und wichtigste Aufgabe des Arztes bilden. Wir haben bereits früher von den verschiedenen ßlutstillungsmethoden im All­gemeinen gesprochen. An dieser Stelle nun wollen wir die Stillung traumatischer Haemorrhagien etwas ausführlicher erörtern. Es kommen hier vorzugsweise in Betracht:
1)nbsp; die Unterbindung, Ligatur;
2)nbsp; die Compression, Torsion und Durchschlingung;
3)nbsp; chemisch wirkende Mittel, welche eine schnelle Blutgerinnung bedingen, die sogenannte. laquo;Styptica?.
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1) Die Unterbindung kann in verschiedener Weise ausgeführt werden, und zwar in der Nähe der verletzten Stelle, oder von dieser mehr entfernt; letzteres Verfahren bezeichnet man als laquo;Unterbindung in der Continuitätgt;. Es kann dann ferner das blutende Gefäss frei gelegt und für sich allein, d. h. insolirt, oder es. kann dasselbe umstechen und mit den zunächst gelegenen Weichtheilen unterbunden werden. Im letzteren Falle muss man namentlich genau darauf achten, dass man nicht etwa einen Kervenstamm mit in die Ligatur nimmt, weil durch das Zusammenschnüren desselben nicht nur heftige Schmerzen, sondern auch gefährliche allgemeine Zustände herbeigeführt werden können. Deshalb sollte die Urastechung nur da vor­genommen werden, wo die isolirte Unterbindung gar nicht möglich oder nur sehr schwer ausführbar ist.
Die isolirte Unterbindung wird ausgeführt, indem man das blu­tende Gefäss mit einer Schieberpincette erfasst, demnach die Arme dieser vermittelst des Schiebers feststellt und so das Gefäss aus den Weichtheilen so weit hervorzieht, als zur Anlegung des Ligaturfadens nothwendig ist. Zu diesem Zwecke wird man das Gefäss von der Umgebung etwas lösen müssen, wenn dasselbe nicht ganz durchschnitten, sondern nur angeschnitten war. Alsdann zieht man mittelst einer stumpfen krummen Nadel den Ligaturfaden in der Nähe der Gefässwunde um das Gefäss und unterbindet dasselbe. Arterien werden zweimal, und zwar sowohl über wie auch unter der verletzten Stelle unterbunden. Nach der Unterbindung schneidet man das Gefäss in der Nähe der Ligatur, bei Arterien zwischen den beiden Ligaturen durch. Waren die Gefässe bereits vor der Unterbindung durch­schnitten , so fasst man das zu unterbindende Ende ebenfalls möglichst isolirt mit einer Schieberpincette, schliesst dieselbe und zieht das Gefäss aus den Geweben so weit hervor als nöthig ist, um die Ligatur anlegen zu können. Dann legt man zunächst lose auf die Arme der Pincette eine Schlinge, schiebt dieselbe von da auf das hervorgezogene, isolirte Ende des zu unterbindenden Gefässes und zieht sie fest zu, worauf man noch eine Schlinge bildet und so einen haltbaren Knoten schnürt. — Das eine Ende des Ligaturfadens wird kurz abgeschnitten, das andere Ende auf dem nächsten Wege zur Wunde herausgeführt.
Die ümstechung kann nach zwei verschiedenen Methoden ausgeführt werden, nämlich subeutan, oder mit Einschluss eines Theiles der äusseren Haut. Letzteres Verfahren ist im Allgemeinen nicht rathsam und überhaupt nur da zulässig, wo das blutende Gefäss der Körperoberfläche nahe liegt; blos in Nothfällen und zwar auch dann nur provisorisch sollte diese Blut-stillungsinethode angewendet werden. — Die Unterbindung in der Conti-
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nuität ist blos an Arterien ausführbar und da angezeigt, wo das blutende Gefäss selbst ohne bedeutende Nebenverletzungen nicht frei gelegt und die Blutung in anderer Weise nicht gestillt werden kann. Ist in solchen Fällen der Arterienstamm zu erreichen und kann derselbe ohne erhebliche Gefahr unterbunden werden, so wird die Ligatur an einer geeigneten Stelle zwischen der Verletzung und dem Herzen, und zwar der blutenden Stelle so nahe wie möglich angelegt.
Es wurde bereits früher bemerkt, dass bei venösen Blutungen die Unterbindung nur sehr selten nothwendig wird. Da ihre Folgen gefährlich werden können, so vermeidet man sie möglichst. An grossen Venenstämmen ist sie zuweilen unvermeidlich.
2) Die Compression kann als provisorisches oder als definitives Blut­stillungsmittel angewendet werden. Die einfachste Art jener ist die Digital­compression, wobei man die blutende Arterie oder deren Stamm mit dem Finger gegen einen festen Gegenstand, gewöhnlich gegen einen nachbarlich gelegenen Knochen drückt. Wo die provisorische Blutstillung auf längere Zeit ausgeführt werden muss, da bedient man sich zweckmässig eines anderen Compressoriums, weil die Finger zu schnell ermüden. Ein geeignetes und früher in der Menscheuheilkunde häufiger gebrauchtes Compressorium ist das laquo;Tourniquetraquo;, welches aus einem länglich geformten Stück Holz oder Leder, der sog. laquo;Pelottegt; und aus einem Bandapparate besteht. Die Pelotte wird an die Weichtheile angelegt und vermittelst Schnallen oder Schrauben fest gegen den Knochen angedrückt, so dass dadurch die Blutung zum Stehen kommt. Statt eines solchen Apparates kann man ein Flachs­oder Leinwandpolster an den zu coinprimirenden Theil anlegen und mit einer einfachen Binde gegen den benachbarten Knochen fest andrücken. Die so bewirkte Compression darf nicht zu lange andauern, weil durch sie die Circulation des Blutes in dem abgeschnürten Theile entweder ganz auf­gehoben oder doch wesentlich beeinträchtigt wird. Dieselbe hat indess den grossen Werth, dass sie jeden grösseren Blutverlust bis zur definitiven Blutstillung verhindert, was in gewissen Fällen einer Lebensrettung gleich geachtet werden muss. Eine provisorische Blutstillung dürfte noch voll­kommener und einfacher zu erreichen sein durch ein geeignetes Gummi­band, an welchem entsprechende Vorrichtungen zum Binden oder Haken und Ketten zum beliebigen engeren oder weiteren Zuschnüren angebracht sind. Von Professor Esmarch ist in die chirurgische Praxis beim Menschen zur möglichst vollständigen Verhütung jeglichen Blutverlustes bei Operationen die Einwicklang mittelst Kautschukbinde eingeführt worden, mit welcher Friedberger (siehe dessen Mittheilung in der Zeitschrift für praktische
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Veterinärwisseuschaften, Jahrgang 1874, Nr. 5, Seite 163—165) einige zufriedenstellende Versuche bei Thieren gemacht hat.
Die Compression kann unter Umständen auch als dauerndes Blut­stillungsmittel verwendet werden. Namentlich geschieht dies öfter bei venösen und parenchymatösen, sowie auch bei solchen Blutungen, welche aus einer grösseren Zahl kleinerer Arterien stattfinden. In allen derartigen Fällen wird der Druck dann durch Einwicklung oder durch Tamponade angestrebt. Solche Einwicklangen oder Involutionen können bei unseren Hausthieren fast ausschliesslich nur an den Gliedmassen angebracht werden und auch an diesen bietet es in den meisten Fällen nicht geringe Schwie­rigkeiten, den Verband so anzulegen, dass er hei hinlänglich fester Lage ilie Circulation nicht zu sehr behindert. Es werden deshalb diese Involu­tionen in der thierärztlichen Praxis als blutstillendes Mittel nur selten als genügend zuverlässig sich erweisen. Dieselben werden applicirt, indem man die Wunde zunächst mit einer Compresse bedeckt, dann über diese einen mehrfach zusammengelegten Leinwandlappen in der Eichtung der Haupt­arterie auflegt und demnach die Extreraität von unten herauf mit einer Cirkelbinde einwickelt.
Man kann auch die blutende Wunde mit Flachs oder Charpie aus­stopfen und dann die Binde in Cirkeltouren um die Gliedmasse anlegen. Es ist aber wohl zu berücksichtigen, dass der Verband, wenn er einiger-massen Aussicht auf Haltbarkeit bieten soll, ziemlich fest angelegt sein muss; wird er zu locker angelegt, so verschiebt er sich in Folge der unvermeid­lichen Bewegungen, welche die Thiere machen und die Blutung tritt wieder ein. Er darf aber auch nicht so fest angelegt werden, dass er die Blut-circulation wesentlich behindert. Nur bei absoluter Euhe. wie dieselbe bei Menschen bewirkt werden kann, sind solche Involutionen behufs Blut­stillung practisch anwendbar. Für die thierärztliche Praxis sind sie dagegen wenig oder gar nicht (allenfalls nur bei kleineren Thieren) zur definitiven Blutstillung geeignet.
DieTaraponade besteht darin, dass man eine vorhandene Höhle mit­telst eingelegter Tampons (das sind Zapfen aus Flachs, Charpie u. dgl.) ausfüllt. Sie passt am besten zur Stillung von Blutungen aus einzelnen natürlichen Körperöffnungen, namentlich des Kectums und der Vagina. Es gibt verschiedene Arten der Tamponade. Die einfachste ist folgende: Man nimmt ein viereckiges Stück Leinwand (dessen Grosse nach dem Umfange der blutenden Höhle sich richten muss) und schiebt dasselbe, indem man die Mitte über die geballte Faust legt, in das Rectum, resp. in die Vagina hinein, wobei die offenen Enden der Leinwand aussen festgehalten werden.
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Hierauf füllt man den Raum, in welchem die Faust und der Arm des Operateurs sich befinden, recht fest mit Flachs aus, so dass ein starker Druck auf die Wandungen der betrefi'enden Körperhöhle ausgeübt wird. Nachdem man die Blutung so zum Stehen gebracht hat, lässt man den Tampon 24 Stunden, oder wenn möglich und nöthig, etwas länger liegen. Dann entfernt man denselben, indem man an den nach aussen vorstehenden Leinwandenden einen leisen Zug ausübt und dadurch den ganzen Tampon vermittelst des Leinwandsackes nach aussen befördert. — Man kann auch eine Thier- oder Kautschukblase zum Zwecke der Tamponade benutzen, indem man dieselbe in die betreffende Höhle einlegt, demnach prall mit Wasser füllt, gut zubindet und ihre Lage in geeigneter Weise sichert. Wenn Eis billig zu haben ist, füllt mau die Blase zum Theil mit klein geschlagenem Eis und nachdem dieselbe in die blutende Höhle einge­bracht worden ist, prall mit kaltem Wasser. Schliesslich hätten wir hier noch die Kluppen zu erwähnen, die zuweilen sehr zweckmässig zur Con-pression und Blutstillung verwendet werden können.
Die Tamponade ist in der thierärzthchen Praxis ebenfalls wenig ge­bräuchlich; dieselbe kann indess nach Analogie der geinachten Angaben auch in solchen Höhlen ausgeführt werden, welche in Folge von Substanz­verlusten entstanden sind. Im Rectum und in der Vagina beschränken die natürlichen Ausleerungen ihre Anwendbarkeit.
Die Torsion sowie die Durch schlingung können nur bei Blutungen aus völlig durchrissenen oder durchschnittenen Gefässen zur Anwendung kommen.
Erstere wird ausgeführt, indem man die Gefässenden mit einer Schieber-pincette erfasst, diese zunächst mittelst des Schiebers schliesst und dem­nach verschiedene Male um ihre Axe dreht; es entstehen dadurch spiral ige Drehungen der Gefässwände, durch welche das Gefässkunen geschlossen wird. Dieses Verfahren ist bei Blutungen aus kleineren Gefässstäinmchen recht brauchbar. Eine besondere Art der Torsion ist die Akutorsion; dieselbe besteht darin, dass man eine etwa 12 Ctm. lange Kopfuadel mit ihrer Spitze durch das blutende Gefässende steckt und dieses durch kreis­förmige Wendungen der Nadel verschiedene Mal um seine Axe dreht, worauf die Nadelspitze in die benachbarte Muskulatur eingestochen wird. Die Akutorsion wird in der Menschenheilkunde vorzugsweise nach Ampu­tationen öfter angewandt; sie ist in der Veterinärchirurgie wenig brauchbar und ganz entbehrlich. — Die Durchschlingung wird selten und nur an grösseren und mittleren Gefässstämmen vorgenommen. Sie besteht darin, dass man die blutenden Gefässenden mittelst der Schieberpincette erfasst
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und schliesst; die Gefässwandungen etwa 1 Cmt. vom (glatten) Schnitt­rande und zwar in der Nähe eines Seitenrandes mit einem spitzen Bistouri durchsticht, worauf das Gefässende durch die entsprechend lange Spalte hindurchgezogen wird. Hierzu bedient man sich einer besonderen, an ihrem unteren Ende gebogenen Pincette. Es wird so das Gefässlumen ebenfalls geschlossen, ohne dass ein fremder Körper in der Wunde verbleibt.
3) Die Stiyptica sind Mittel, welche entweder eine schnelle und feste Gerinnung des Blutes oder eine feste Zusammenziehung der Gewebe be­wirken. (Siehe Seite 46.) Die Zahl derselben ist sehr gross. Hier sollen nur die in der thierärztlichen Praxis ;gebräuchlichsten und bewährtesten be­sprochen werden. Zu diesen gehören: die Kälte, die verschiedenen minera­lischen und vegetabilischen Adstringentia, das Creosot, Terpentinöl und • besonders der Liquor ferri sesquichlorati, sowie das Glüheisen.
Die Kälte wirkt blutstillend, indem sie die blutenden Gefässe und die letztere umgebenden Weichtheile zu Contractionen veranlasst, wodurch die GefässöffiTungen sowohl direct, als auch in Folge des Druckes der zusammen­gezogenen benachbarten Weichtheile, verengert und schliesslich durch Thromben ganz geschlossen werden. Durch dieselbe wird auch die Blut­gerinnung beschleunigt. Doch nur bei parenchymatösen oder capillären Blutungen darf man eine ausreichende styptische Wirkung von ihr er­warten ; bei Hsemorrhagien aus grösseren Gefässen reicht sie für sich allein zur Blutstillung nicht aus. — Die Kälte wird angewendet in Form von Aufschlägen von kaltem Wasser, Schnee oder Eis ; oder bei Blutungen aus Höhlen auch als Einspritzung von kaltem Wasser, und, wie bereits ange-• geben, als Eisblasen etc.
Die verschiedenen Adstringentien sind ebenfalls nur bei kleineren Hsemorrhagien (capillären und parenchymatösen) zu versuchen; bei grösseren Blutungen reichen sie nicht aus. Die mineralischen sowie die vege­tabilischen Adstringentien können einfach als feine Pulver aufgestreut werden; die mineralischen Substanzen und die Pflanzenalcaloide können aber auch in concentrirten Lösungen und die Pflanzenkörper in concentrirten Abkochungen angewendet werden.
Man vergesse nie, welche Bedeutung anhaltende Blutverluste haben können; wo ein geringer Verlust schon Gefahr bringt, lasse man die beiden eben genannten Blutstillungsarten lieber von vorneherein bei Seite.
Creosot und Terpentinöl, namentlich letzteres, sind weit zuverlässigere Styptica. Ihre Wirksamkeit ist wahrscheinlich dem Umstände zuzuschreiben, dass sie eine energische Reizung und Contraction der durchschnittenen Gefässenden hervorrufen. Auch beschleunigen sie die Blutgerinnung, indess
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sind die Coagula nicht besonders fest. Das Creosot wird zu diesem Zwecke als Creosotwasser, d. i. Creosotum solutura s. Aqua Binelii, oder als Creosot-spiritus und nur selten unverdünnt angewandt. (Aqua Binelii besteht aus 3 Th. Creosot auf 400 Th. Wasser. Creosotspiritus besteht aus 1 Th. Creosot und 3 Th. Spiritus Vini i-ectificatissirai. Beide kann man nach Bedürfniss stärker oder schwächer machen.) Das 01. terebinthinse wird gewöhnlich, unverdünnt angewandt, namentlich in bedenklicheren Fällen. Man berück­sichtige stets, dass dasselbe die betreffenden Theile stark reizt.
Der Liquor ferri sesquichlorati ist neben dem Glüheisen das beste Stypticum. Er bildet mit dem Blute ein festes, lederartiges Coagulum, das so gut aufsitzt, wie kaum ein mit dem Glülieisen erzeugter Brandschorf. Seine Anwendung ist sehr einfach, indem man ein mit demselben getränktes Flachs- oder Charpie-Bäuschchen fest auf das blutende Gewebe andrückt, nachdem man dasselbe vorher mit einem Schwämme möglichst frei gelegt hat. Nach 2 bis 5 Minuten nimmt man das Bäuschchen weg. worauf selbst ziemlich starke Blutungen aus kleineren Arterien in der Regel stehen. Nöthigenfalls werden diese Betupfungeu wiederholt. —#9632; Das Glüheisen muss bei seiner Application weissglühend sein, weil ein rothglühendes Eisen einen weniger festen Schorf erzeugt, der schon beim Wegnehmen des Eisens leicht wieder abfällt, resp. an demselben kleben bleibt, während der mit dem weissglühenden Eisen erzeugte Schorf fest aufsitzt.
Die Anwendung der früher (Seite 46) angeführten, sowie anderer innerlicher Arzneimittel zum Zwecke der Blutstillung ist in der Veterinär­praxis von untergeordneter Bedeutung. Dieselben können in geeigneten Fällen und bei entsprechender Wahl allenfalls als Hülfsmittel neben anderen raquo; schneller und energischer wirkenden Stypticis in Gebrauch gezogen werden.
Wenn die Blutstillung in der Chlorofornmarkose vorgenommen wird, so hat man wohl zu berücksichtigen, dass diese auf jene hemmend ein­wirkt , dass somit Blutungen, welche während der Narkose nur gering ersdieinen, nach derselben bedeutender und dadurch zu unangenehmen Nachblutungen werden können. Man muss deshalb bei Operationen unter der Chloroformnarkose auf die Blutstillung eine ganz besondere Sorgfalt verwenden. — Schliesslich sei noch bemerkt, dass man bei Blutungen aus mehreren grösseren Gefässen zu gleicher Zeit an jedes derselben zunächst eine Schieberpincette anhängt und erst nach dieser provisorischen zur definitiven Blutstillung schreitet.
Was das Klaffen der Wundränder anbetritft, so ist dasselbe graduell je nach der Tiefe, Länge und dem Orte der Verletzung, sowie nach der Beschaffenheit der betroffenen Weichtheile verschieden. Im Allgemeinen
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klaffen grosse und tiefe Wunden stärker als kleine und seichte; Querwunden mehr als Längswunden. Ausser der normalen Spannung der betroffenen Gewebe kommt auch die Anschwellung der Wundränder und ihrer Nach­barschaft hier in Betracht. 0
Sobald die Blutung gestillt ist, untersucht man die quot;Wunde genauer, indem man dieselbe zunächst mit kaltem Wasser reinigt und von deren Tiefe und sonstigen Beschaffenheit ein möglichst klares Bild sich zu ver­schaffen sucht. Vor allen Dingen muss man zusehen, ob eine seröse oder Synovial-Höhle geöffnet ist, ob grössere Xervenstäinme oder ob Knochen verletzt oder auch nur entblösst sind etc., da von dem Fehlen oder Vor­handensein derartiger und anderweitiger Complicationen die Prognose und Behandlung wesentlich mit abhängt.
Znnächst wollen wir solche Schnittwunden betrachten, welche einfach in einer Trennung der Weichtheile bestehen, ohne dass weitere Compli­cationen zugegen sind.
Schnittwunden der Weichtheile können auf zwei Wegen zur Wieder­vereinigung, resp. zur Heilung gelangen, und zwar:
a. durch die erste Vereinigung (per primam intentionem); h. in Folge einer eintretenden Eiterung und Gewebsneubildung (per secundam intentionem).
Die Heilung auf dem Wege der ersten Vereinigung führt am schnellsten zum Ziele. Ihr Eintritt setzt folgende äussere Bedingungen voraus: Zwischen den Wundrändern dürfen weder stärkere Lagen von Blut, noch irgend ein anderer fremder Körper sich befinden; dieselben müssen mit einander so in Berührung gebracht und bis zu ihrer Ver­wachsung so zusammengehalten werden, wie sie vor der Verletzung ver­einigt waren. Dies Vereinigen und Zusammenhalten der Wundränder kann wegen der stärkeren Hautmuskel und der allgemeinen Behaarung unserer Hausthiere in der thierärztlichen Praxis weit weniger als in der raenschen-ärztlichen durch Pflaster, Collodium u. dgl. bewirkt werden, da genannte Mittel auf der (behaarten) Haut nicht fest genug haften und deshalb im Allgemeinen eine zu geringe Sicherheit bieten. Eine absolute Garantie in dieser Hinsicht gewährt selbst nicht einmal für alle Fälle die Naht. Gleich­wohl ist dieselbe am meisten geeignet, um die Wundränder zusammen­zufügen und aneinander zu halten. Zu diesem Zwecke bedienen wir uns gegenwärtig fast ausschliesslich der umschlungenen Naht oder der Knopfnaht.
Die umschlungene Nah t, laquo;sutura circu mvolutaraquo;, in der Menschenheilkunde wohl auch lt; Hasenschartennaht gt; genannt, wird in fol­gender Weise angelegt: Man führt in angemessener Entfernung von einander
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lange und feine Stecknadeln durch die beiden Wundränder, indem man von diesen so viel Substanz fasst, als die Haltbarkeit der Naht verlangt. Nach der Durchführung jeder einzelnen Nadel umschlingt man dieselbe mit einem hinlänglich starken seidenen oder leinenen Faden und zieht vermittelst desselben die Wundränder aneinander. Mit dem nämlichen Faden geht man nach Application der nächstfolgenden Nadel zu dieser und umschlingt auch sie in der angegebenen Weise. So fährt man fort, bis die Wundränder von dem einen Ende bis zum anderen gehörig vereinigt sind. Demnach werden die Nadeln an beiden hervorstehenden Enden so weit ab­gekniffen, dass sie an jeder Seite den umschlungenen Faden nur um 1 bis 2 Millimeter überragen. Endlich kann man die Naht in ihrer'ganzen Länge noch mit Collodium überziehen, um so den Zutritt der Luft möglichst voll­ständig abzusperren. Da die Fadentouren um je zwei Nadeln einer arabischen 8 ähnlich sehen, so hat man diese Naht auch laquo;Achternaht gt; genannt.
Die Knopfnaht, laquo;sutura nodosagt;, wird angelegt, indem man den einen Wundrand (am besten mit einer Hakenpincette) erfasst und in einer der Grosse der Wunde und der Beschaffenheit der Haut entsprechenden Ent­fernung vom Wundrande mittelst einer mit Heftfaden versehenen Nadel von aussen nach innen, dann den anderen Wundrand an der correspon-direnden Stelle von innen nach aussen durchsticht, hierauf den Heftfaden so abschneidet, dass er gut gebunden werden kann, und demnach auf die fest aneinander gezogenen Wundränder einen Knoten schlingt.
In neuerer Zeit bedient man sich zum Heften del' Wundränder statt seidener oder leinener Fäden, öfter feiner weicher Drähte aus Silber oder Eisen. Dieselben bieten den Vortheil, dass sie in ihrer Umgebung weniger leicht Eiterung verursachen. In der thierärztlichen Praxis werden nichts­destoweniger meist seidene oder leinene Heftfäden verwendet, die ihrem Zwecke im Allgemeinen auch in befriedigender Weise entsprechen. Wo man indess geeigneten Eisen- oder Silberdraht zur Hand hat und den höheren Preis der letzteren nicht scheut, da kann man dieselben ganz zweckmässig benutzen.
Seit einigen Jahren werden besonders präparirte Darmsaiten sowohl zu Ligaturen als auch zu Suturen öfter verwendet. List er hat dieselben unter dem Namen lt; Catgut gt; in die chirurgische Praxis eingeführt; sie werden gewöhnlich in carbolisirtem Oel aufbewahrt, in der menschenärzt­lichen Chirurgie besonders da gebraucht, wo die Fäden liegen bleiben sollen. Die Resultate, welche in der hiesigen Universisätsklinik mit den­selben erzielt wurden, veranlassen mich, in Zukunft auch in der Veterinär­praxis unter entsprechenden Verhältnissen mich ihrer zu bedienen.
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Schliesslich sei noch bemerkt, class nur frische Wund­ränder per primam intentionem mit einander verwachsen; sind dieselben bereits trocken oder gar vernarbt, somüssen sie vor ihrer Vereinigung durch die Naht mit dem Messer oder mit der Scheere angefrischt werden.
In der Regel entwickeln sich demnach innerhalb der ersten 24 Stunden alle Erscheinungen der Entzündung, welche am zweiten und dritten Tage sich ziemlich auf gleicher Höhe erhalten können, ohne class dies als eine besondere Abweichung vom normalen Verlaufe zu betrachten wäre. Bis spätestens zum fünften Tage müssen jedoch die Entzündungserscheinungen nachlassen, wenn auch noch nicht ganz vollständig wieder verschwinden. Steigern sich dieselben noch am zweiten, dritten, vierten Tage, oder treten einzelne Symptome, z. B. heftiger Schmerz, starke Geschwulst an diesen Tagen neuerdings wieder hervor, nachdem sie bereits beseitigt waren, oder dauern sie mit gleicher Heftigkeit über den fünften, sechsten Tag hinaus fort, so weicht der Verlauf der Entzündung von dem normalen Wege ab, der durch die erste Vereinigung zur Heilung führt. In solchen Fällen pflegt eine allgemeine Reaction von Seiten des Organismus durch den Eintritt eines sogenannten Wundfiebers sich einzustellen. Bei regehnässigem Ent­zündungsverlaufe fehlt dieses, selbst bei grösseren Schnittwunden unserer Hausthiere gewöhnlich ganz; vielleicht jedoch mögen geringe Fiebergrade, die der Wahrnehmung entgehen, öfter auftreten, als man weiss. (Siehe AVundfieber.)
Den traumatischen Entzündungen ist es eigenthümlich, class die localen Erscheinungen in der Regel auf die Wuudränder sich beschränken, d. h. ohne besondere innere oder äussere Veranlassung sich nicht weiter ausbreiten; anders verhält sich dies bei den spontanen Entzündungen, wie wir später sehen werden.
Beim normalen Verlaufe kann man am dritten Tage diejenigen Fäden der Knopfnaht lösen, welche am wenigsten zu halten haben: die anderen lässt man bis zum vierten, fünften Tage liegen. An stark gespannten Haut­stellen entfernt man die Hefte erst nach acht Tagen, oder lässt sich die­selben von selbst lösen. Nur in den Fällen, wo die Entzündungserschei­nungen die gewöhnlichen Grenzen überschreiten, muss man die Hefte früher entfernen, um den vorhandenen abnormen Reizzustand möglichst bald zu beseitigen. Als Ursache desselben trifft man in der Tiefe der Wunde nicht selten zersetztes oder mit Eiter untermischtes Blut an.
Das Entfernen der Nähte muss stets mit möglichster Schonung ge­schehen, um eine abermalige Trennung der erst frisch verklebten Wund-
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rändier zu vermeiden, welche durch gewaltsame Zerrung derselben leicht verursacht wird.
Da man in der thierärztlichen Praxis das Zusammenhalten der Wund­ränder nicht wohl durch Pflaster oder andere Mittel unterstützen kann, so nehme man sich wohl in Acht, die Nähte ohne Noth zu entfernen, bevor die Vereinigung der Wundränder so fest ist, dass diese ohne weitere Stütze zusammenhalten. Die meisten einfachen Schnittwunden sind bei günstigem Verlaufe meist in sechs bis acht Tagen so fest mit einander verwachsen, dass die Lösung der letzten Nähte ohne Bedenken erfolgen kann.
Auch bei der umwundenen Naht darf man in der Eegel mit dem dritten Tage einige Nadeln entfernen; die anderen löst man am fünften, sechsten Tage, ohne indess den umgeschlungenen Faden abzuheben. Derselbe ist gewöhnlich mit den Wundrändern fest verklebt, weshalb man seine Los-stossung in den meisten Fällen am besten sich selbst überlässt.
In Vorstehendem haben wir die macroscopischen Erscheinungen dar­gestellt, wie sie bei einfachen Schnittwunden, welche per primam intentionem zur Heilung gelangen, sich zu gestalten pflegen. Wir wollen nun in Fol­gendem die microscopischen Vorgänge etwas näher in's Auge fassen. Die­selben beziehen sich auf das verletzte Gewebe selbst, auf seine Gefässe und Nerven. Ueber das Verhalten der letztern bei den Heilprocessen per primam intentionem wissen wir zur Zeit so wenig Bestimmtes, dass ich hier darauf verzichte, die verschiedenen physiologischen Annahmen in Bezug auf ihren grössern oder geringern Grad von Möglichkeit und Wahrscheinlichkeit zu discutiren. Gerade über die Punkte, welche hier zur Sprache kommen müssten, wissen wir so gut wie gar nichts. So z. B. kennen wir bis jetzt das Ende der Nerven nur für wenige Körpertheile mit einiger Sicherheit, während es für andere noch ganz unbekannt ist. Eben so wenig weiss man über die Beziehungen der Nervenenden zu den Capillaren und über die Art und Weise, wie die trophischen Nerven wirken. Mit diesem Geständ­nisse unserer Unkenntniss in fraglichen Dingen soll indess keineswegs negirt werden, dass dieselben überhaupt einen Einfluss auf die Vorgänge bei der Heilung per primam intentionem ausüben.
Um die Vorgänge bei der Heilung per primam intentionem einfach und klar darstellen zu können, wollen wir uns zunächst an das Biede-gewebe halten, welches bei Verletzungen der Weichtheile gewöhnlich auch in Wirklichkeit im Heilprocesse eine hervorragende Kolle spielt.
Zwischen den vereinigten Wundrändern verletzter Weichtheile finden wir der vorausgegangenen Blutstillung ungeachtet stets ein kleines Extra-vasat, welches, ebenso wie das Blut in den Capillaren von den verletzten
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Stellen bis zum nächsten Knotenpunkte des Capillarnetzes, d. h. bis zu den nächsten Verzweigungen, geronnen ist. Da hiedurch ein Theil der Blut­bahnen thrombirt, resp. unpassirbar wird, so müssen die nächsten Zweige des Capillarnetzes mehr Blut aufnehmen, oder mit anderen Worten gesagt: hype-rämisch werden, wodurch Eothung und zum Theil auch Schwellung in der Umgebung der Wunde sich einstellt. Die Schwellung wird noch vermehrt in Folge reichlicheren Austritts von Blutplasma in die Gewebe durch die ausgedehnte Wandung der Capillaren. Bereits einige Stunden nach der Verletzung findet man die Wundränder von weissen Blutzellen ganz durchsetzt. Diese nehmen in kurzer Zeit sehr bedeutend zu, infiltiiren das erweichte Gewebe und wandern auch wohl von dem einen Wrund-rande zu dem andern hinüber. Unterdessen wird die Intercellularsubstanz des Bindegewebes allmälig zu einer homogenen gleichförmigen Masse um­gewandelt, die mit Zunahme der Zellen immer mehr und mehr verschwindet, bis die aneinander liegenden Wundflächen nach einiger Zeit fast nur aus Zellen bestehen und durch eine nur geringe Menge gallertartigen Zwischen­gewebes mit einander verbunden werden. Das neu gebildete Gewebe be­zeichnet manuals laquo;primäres Zellengewebegt;, nach Virchow als laquo;Granu­lationsgewebe gt;, oder nach Rindfleisch als laquo;Keimgeweberaquo;. Diese entzünd­liche Neubildung geht also aus der reichlichen Einwanderung von weissen Blutzellen in das Gewebe und vielleicht auch zum Theil aus einer Zellen-proliferation von Seiten der Bindegewebszellen hervor. Man kann die Ent­wicklung fraglichen Zustandes leicht verfolgen, wenn man bei der micros-copischen Untersuchung geeigneter Präparate von dem normalen Gewebe gegen die Wundränder hin fortschreitet. Die zellige (plastische) Infiltration erstreckt sich stets über die unmittelbare Nähe der verletzten Stelle etwas hinaus, so dass die Wundränder eine festere, derbere Beschaffenheit an­nehmen. Die meist zwischen denselben gelegene dünnere Schicht geronnenen Blutes, welche sich auch eine kurze Strecke in die Gewebsinterstitien der Wundflächen hineinerstreckt, vermag unter Umständen der Heilung per primam intentionem hinderlich zu werden. Je mächtiger das eingelagerte Extravasat ist, um so leichter geht dasselbe die faulige Zersetzung ein oder zerfällt eitrig, wodurch die Heilung nur noch auf dem zweiten Wege erfolgen kann. Soll diese per primam intentionem zu Stande kommen?, so muss die Blutgerinnung in dem Narbengewebe mit aufgehen und mit der Neubildung in den Wundflächen vollkommen verschmelzen. Diese Verschmelzung wird dadurch möglich, dass die Zellen an den bereits locker verklebten Wund­flächen allmälig in Spindelzellen sich verwandeln, während die Intercellular­substanz wieder fester wird. Jene gestalten sich zu fixen Bindegewebszellen und das junge Narbengewebe verwandelt sich schliesslich in normales fase-
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riges Bindegewebe. — In der Umgebung der Wundränder nimmt inzwischen die Zelleninfiltration immer mehr ab, bis sie endlich ihr gewöhnliches nor­males Maass wieder erreicht.
Unterdessen sind die verstopften Gefässenden der Wundränder zum Theil durch Resorption wieder frei geworden, anderntheils obliterirt. Die angreuzenden Gefässchlingen schlängeln und winden sich frühzeitig vielfach und aus den Wandungen derselben sprossen zahlreiche Zweige hervor, welche sowohl unter seh, als auch mit den (neu gebildeten) Gefässschlingen der gegenüber liegenden Wundfläche in offene Verbindung treten. Die früher vorhanden gewesenen Gefässverbindungen werden so durch ein neu gebildetes Gefässnetz ersetzt, welches zunächst weit zahlreicher ist, als das untergegangene. Dadurch erscheint die junge Narbe anfangs höher gerothet; später verschwinden diese Gefässe zum Theil wieder, indem ihre Wan­dungen zusammensinken und in solide, feine Bindegewebsstränge sich um­wandeln. Das Intercellulargewebe wird immer fester, wasserarmer, während, wie bereits erwähnt wurde, die Zellen die bekannte platte Form der Binde-gewebskörperchen annehmen, oder auch zum Theil verschwinden. — Auf diesen Vorgängen beruht die Schrumpfung und die bedeutende Zusammen­ziehung des Narbengewebes, in Folge deren der manchmal beträchtliche Umfang frischer Narben zuweilen auf die Hälfte ihrer ursprünglichen Grosse sich reducirt.
Schon sehr früh wird bei der Heilung per priraam intentionem das neu gebildete, verklebende und ineinander wachsende zellige Gewebe fest, so dass schon nach 24 Stunden die Intercellularsubstanz desselben ziemlich starr fibrinös geworden ist. Diese aus erweichtem Bindegewebe, aus trans-sudirtem Serum und aus eingewanderten Zellen hervorgegangene Kittmasse verklebt meist schon am dritten Tage die Wundränder so innig, dass sie nach dieser Zeit ohne Naht ziemlich fest aneinanderhalten.
Mit dem allmäligen Verschwinden ihres Gefässreichthumes verliert die Narbe ihre Röthe und wird schliesslich sogar bleicher als ihre Um­gebung. An der behaarten Haut unserer Hausthiere fällt diese Erschei­nung in der Piegel weniger in die Augen, als an der unbehaarten Haut des Menschen.
Die Heilung per primam intentionem wird durch folgende Umstände verhindert:
1) Wenn die Spannung der gehefteten Wundränder so gross ist, dass diese von den Heftfäden oder Nadeln zu früh durchschnitten werden, — oder dass durch die starke Spannung der Gewebe die Circulation in den Capillaren gehemmt und dadurch die Aus- und Einwanderung, sowie die
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weitere Entwicklung der Zellen gestört wird. Schon beim Anlegen von Suturen muss man hierauf Rücksicht nehmen und die Fäden nicht stärker anziehen, als uöthig ist, um die Wundränder in leise Berührung mit ein­ander zu bringen.
2)nbsp; Wenn eine grössere Menge Blutes zwischen die Wundflächen ergossen wird; dasselbe wirkt namentlich dann als fremder Körper, wenn es der fauligen Zersetzung anheimfällt. Ebenso different verhalten sich zer­trümmerte Gewebselemente. Die Gewebszertrümmerung ist zuweilen eine so wenig in die Augen fallende, dass sie beim Anlegen der Naht ganz übersehen wird. Betrifft dieselbe nur ganz kleine Stellen, so können die betroffenen Gewebselemente alsbald molecular zerfallen und resorbirt #9632;werden, ohne dass die Heilung per primam intentionem dadurch wesent­lich zerstört wird.
3)nbsp; Wenn von aussen fremde Körper zwischen die Wundränder ein­dringen, wie namentlich Urin, Koth oder Schmutz jeder Art. Durch die­selben wird die Wunde theils auf mechanischem , theils auf chemischem Wege gereizt und eine directe Berührung der Wundflächen verhindert.
Schliesslich bemerken wir noch, dass auch ganz getrennte Körpertheile möglicherweise und bedingungsweise wieder anwachsen können und zwar auf dem Wege der ersten Vereinigung, wie dies die häufig gelungene Trans­plantation abgeschnittener Hahnensporen an Stelle des abgeschnittenen Hahnenkammes nach der Kastration hinlänglich beweist. Dieses Wieder­anheilen ganz losgetrennter Körpertheile ist indess im Allgemeinen ein so beschränktes, dass wir bei unseren grösseren Hausthieren hieraus so gut wie gar keinen Nutzen ziehen können, namentlich deshalb nicht, weil behaarte Körpertheile nur selten oder gar nie wieder anheilen, wenn sie vollständig vom Körper losgelöst waren. Ueberhaupt heilen nur kleinere Stücke wieder an und auch diese nur zuweilen; aber nie anders, als wenn sie bald nach erfolgter Trennung wieder in geeignete Verbindung mit dem Körper gebracht werden.
Wo die Wiedervereinigung nicht gelingt, da wird der Substanzverlust ganz in derselben Weise gedeckt, als bei anderen Schnittwunden, Avelche nicht auf dem Wege der ersten Vereinigung zusammenwachsen. Es er­folgt dann die Heilung auf dem Wege der zweiten Vereinigung, oder mit anderen Worten: per secundam intentionem. Wir wollen die bei derselben auftretenden Vorgänge an einer klaffenden Wunde etwas genauer studiren.
Verletzungen der Weichtheile mit klaffenden Wundrändern verhalten sich in Bezug auf die Heilprocesse ganz ebenso, wie Wunden mit Substanz-
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verlust; in beiden Fällen muss Gewebe in entsprechende!' Menge neu ge­bildet werden, um die Verbindung der getrennten Wundränder wieder herzustellen. Die Grundprocesse sind hierbei dieselben, wie bei einer Heilung per primam intentionem. Die Heilung per secundam intentionem wird nämlich ebenfalls durch einen Entzündungsprocess eingeleitet, bezüglich dessen Grades und Ausbreitung im Allgemeinen Alles das anwendbar ist, was über die Vorgänge nach der Vereinigung der Wundränder durch die Naht, resp. über die nachfolgenden klinischen Entzündungserscheinungen angegeben worden ist. Etwa 24 Stunden nach der Verletzung zeigen sich an den klaffenden Wundrändern höhere Röthe, vermehrte Wärme, Geschwulst und Schmerz, deren Grad und Aus­breitung für die Prognose von Belang sind. Hierüber ist bereits bei der Heilung per primam intentionem das Nöthige gesagt worden. Zunächst sind die Gewebe noch ziemlich deutlich erkennbar, wenngleich dieselben bereits ein eigenthlimliches, grauliches, gallertartiges Ansehen angenommen haben. Auf der Wundfiäche zeigen sich viele kleine Gewebsfetzen, welche in Form von gelblichen oder grauröthlichen Partikelchen mit den Wundflächen noch fest verbunden sind. Am zweiten Tage verwischen sich allmälig die Grenzen der Gewebe, indem die Wundflächen nach und nach ein gleichmässiges, grauröthliches, gallertartiges Aussehen annehmen und an ihrer Oberfläche mit einem rothgelblichen, dünnen Secrete sich bedecken. Am dritten Tage ist dieses Secret schon reiner gelb, etwas dicker; die abgestorbenen Ge-webspartikelchen lösen sich und fliessen mit dem Secrete ab. Die Wund­fläche wird immer ebener und gleichmässiger roth, oder wie wir diesen ganzen Vorgang technisch bezeichnen laquo; die Wunde reinigt sich gt;.
Wenn man genauer nachsieht, so findet man, namentlich bei Zuhülfe-nahme einer guten Lupe, dass aus dem Gewebe viele, kaum hirsekorn-grosse, rothe Knötchen hervorsprossen, welche unter dem Namen der Fleisch­wärzchen, Granulationen oder Granula allgemein gekannt sind. Dieselben entwickeln sich bis zum vierten, fünften und sechsten Tage viel stärker und fliessen alsbald zu einer feinkörnigen, glänzend roth aussehenden Fläche, der lt; Granulationsfläche gt;, zusammen. Die von dieser secernirte Flüssigkeit ist inzwischen allmälig dicker geworden und hat eine rein gelbliche, rahmartige Beschaffenheit angenommen; sie stellt das lt;pus bonum et laudabileraquo; der Alten dar.
Von diesem normalen Verlaufe der Entwicklung [fraglicher Vorgänge kommen viele Abweichungen vor, die besonders von der Beschaffenheit der Verletzung und der verletzten Gewebe abhängig sind. So z. B. treten bei Sehnen und Fasern, selbst in Folge von einfachen Schnittwunden, nicht
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selten so bedeutende Circulationsstörungen auf, dass von den Wundrändern an das Gewebe in unerwartet grosser Ausdehnung abstirbt, während von lockerem Bindegewebe oder von Muskelgewebe nur dann grössere Partieü absterben, wenn die Verletzung keine einfache Schnittwunde, sondern mit Gewebszertrümmerung, Vergiftung etc. complicirt ist. In solchen Fällen dauert es natürlich viel länger, bis die Reinigung der Wunde sich vollzogen hat; in Folge dessen trifft man die abgestorbenen Gewebstheile noch mehrere Tage lang als weisse Fetzen mit den Wundflächen in festem Zusammenhange. — Fragen wir nach dem Grunde, weshalb Sehnen und Fascien häufig in grösserem Umfange abgestossen werden, so finden wir denselben einestheils in der Gefässarmuth, auderntheils in der Dichtigkeit und Festigkeit frag­licher Gewebe. Durch beide Factoren wird die Entwicklung eines aus­reichenden collateralen Kreislaufes wesentlich erschwert, so dass derselbe häufig nicht schnell genug eintreten kann, um das Absterben einzelner Partien dieser Gewebe, deren Gefässe in Folge der Verletzung obturirt sind, zu verhüten. Dieselben Verhältnisse werden wir bei Verletzungen der Knochen wieder antreffen und ausführlicher besprechen.
Eine Abweichung vom normalen Verlaufe der Fleischwärzchenbildung kann auch bedingt sein in gewissen Constitutionsverhältnissen des betref­fenden Individuums. Hohes Alter, schlechter Ernährungszustand, allgemeine oder locale Schwäche etc. sind z. B. Zustände, welche die Entwicklung der Granulationen einestheils verzögern, anderntheils verursachen, dass dieselben ein schlaffes, blasses Aussehen bekommen.
Verfolgen wir zunächst die weiteren normalen Heilungsvorgänge. Die Granulationen mehren sich und erheben sich allmälig immer mehr aus der Tiefe nach der Oberfläche hin, bis sie nach kürzerer oder längerer Zeit das Niveau der äusseren Haut erreichen oder gar überragen. Letzteres muss in einer später anzugebenden Weise verhindert werden, damit die Narbenbildung im Niveau der Körperfläche abschliesse. Die Granulationen werden nach und nach dicker und fliessen immer mehr zusammen, so dass sie mit blossem Auge kaum noch oder gar nicht mehr, als gesonderte Knöpfchen erkannt werden können. Die ganze Granulationsfläche bekommt dadurch ein glasiges, gallertartiges Ansehen; sie beginnt alsbald sich zu­sammen zu ziehen, und von ihren Rändern aus mit neu gebildeter Epidermis sich zu bedecken. Dies geschieht, indem von den Hauträndern aus zu­nächst ein trockener, weisslicher Saum sich bildet, der ganz allmälig nach dem Centrum der Granulationsfläche hin vorrückt und diese endlich ganz überzieht; erst durch die neu gebildete Epidermisdecke wird die Narbenbildung vollendet und nach aussen abgeschlossen. Wo grosse Stücke
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Haut verloren gegangen sind, kann in Rede stehender Process mehrere Monate Zeit in Anspruch nehmen, da die Epidermisbildung nur vom Rete Malpighi ausgehen, folglich bei Hautverlusten nur von den vorhandenen Hauträndern aus erfolgen kann. Zuweilen hört die Bildung der Fleisch­wärzchen auf, bevor diese das Niveau der Körperoberfläche erreicht haben. In solchen Fällen muss die Wunde in geeigneter Weise gereizt und der Granulationsprocess neuerdings augeregt werden; derselbe ist so lange zu unterhalten, bis ein quantitativer Ausgleich zwischen verloren gegangener Substanz und Xarbengewebe stattgefunden hat.
Nachdem wir jetzt die macroscoplschen Veränderungen bei der Hei­lung von Wunden mit Substanzverlust oder mit klaffenden Wundflächen kennen gelernt haben, wollen wir die microscopischen Verhältnisse und zwar wieder an einfachem Bindegewebe verfolgen.
Fte. 11.
Eine in der Eiterung begriffene Wunde mit Substanzverlust.
Schematische Zeichnung zur Veranschaulichung der in die Granulationsflüche hineingewachsenen von den
zunächst gelegenen Capillaren ausgehenden Gefassschlingen; zwischen diesen liegen Anfänge der Granula,
Die Oberfläche ist mit Eiterkügelchen bedeckt. (Nach Billroth, etwas verändert.)
Vergrösserung circa 350.
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Zunächst treten auch hier in den äusseren Schichten der Wundtiäche dieselben Processe auf, wie bei Schnittwunden, deren Wundränder durch die Naht vereinigt worden sind. (Siehe Seite 178 u. ff.) Da indess die entzündliche Neubildung mit der gegenüber erzeugten nicht inein-anderfliessen, somit die Vereinigung der Wundränder nicht sofort er­folgen kann, so bleibt das Secret zunächst auf der Wundtiäche liegen. Die (exsudirte) fibrinöse Substanz der entzündlichen Neubildung wird gallertartig weich; auch das zellig infiltrirte Gewebe der Wundränder nimmt an seiner Oberfläche dieselben Eigenschaften an. Die nur in ge­ringer Menge vorhandene weiche Bindesubstanz, in welche alsbald junge Gefässe in beträchtlicher Menge hineinwachsen, hält die Zellen zusammen, deren Zahl fortwährend zunimmt. So entsteht eine reichlich vascularisirte Neubildung, welche laquo;Granulationsgeweberaquo; genannt wird. Dasselbe wächst besonders stark vom Grunde der Wunde gegen ihre Oberfläche hin. Die verschiedenen Schichten des Granulationsgewebes sind von ungleicher Con-sistenz, und zwar nimmt diese in der Richtung von aussen nach innen an Festigkeit zu. Die äusserste Schicht ist so weich, dass dieselbe fort­während abfliesst; sie wird durch Zellenauswanderung und Verflüssigung der Intercellularsubstanz aus der oberen Granulationsschicht stets erneuert. Diese andauernd neu abgesonderte Flüssigkeit ist der lt;Eiterraquo;. Derselbe ist demgemäss eigentlich geschmolzenes Keimgewebe, während die Granu­lationen (ebenfalls eine entzündliche Neubildung) ein persistirendes Gewebe repräsentiren, welches sich bald an der Eiterbildung betheiligt, ohne durch diese Leistung selbst an Substanz abzunehmen. An der Oberfläche der Fleichwärzcheu wandert fortwährend eine grosse Anzahl Eiterzellen aus und zwar theils direct aus dem Granulationsgewebe, theils indirect aus den Gefässschlingen. Diese Art Secretion ist der an serösen und Schleim­häuten ganz analog, besonders gilt dies in Bezug auf letztere bei ge­steigerter Schleimsecretion, also bei Catarrh.
Lässt man frischen Eiter in einem Gefässe eine kurze Zeit hindurch ruhig stehen, so scheidet sich derselbe in eine obere, dünne, helle Schicht und in eine untere gelbe; erstere ist die flüssige Intercellularsubstanz, letztere besteht vorwiegend aus Eiterzellen. Diese stellen sich unter dem Microscope als runde, fein punktirte Körperchen von der Grosse der weissen Blutkörperchen dar; sie besitzen drei bis vier kleine, dunkle Kerne, welche bei Zusatz von etwas Essigsäure besonders deutlich hervortreten. Die Kerne werden durch diese Säure nicht sichtlich verändert, während die Proto-plasmakörnchen der Eiterzellen in derselben sich lösen oder wenigstens durchsichtiger werden. Lebende Eiterzellen zeigen unter entsprechenden Bedingungen eine veränderliche Gestalt. Bringt man solche frisch in die
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feuchte Kammer eines Schultze'sehen Objecttisches und erwärmt den­selben, so nimmt man fdurch das Microscop amöboide Bewegungen mehr oder weniger deutlich wahr, je nachdem die Temperatur der feuchten Kammer steigt. Am lebhaftesten werden diese Bewegungen, wenn die Tem­peratur bis zu einem gewissen Grade über die Blutwärme hinaus gesteigert wird. Das pus bonum et laudabile ist eine transitorische entzündliche Neu­bildung, welche eine so beträchtliche Menge Eiterzellen enthält, dass man unter dem Microscop gar keine Intercellularsubstanz wahrnimmt.
Das Granulationsgewebe aber ist eine persistirende entzündliche Neubildung, welche nach gewissen Metamor­phosen in Bindegewebe sich verwandelt. Sein frisches rothes Aussehen verdankt es einem bedeutenden Gefässreichthume. Die Gefäss-bildung kommt in demselben ganz in der nämlichen Weise zu Stande, wie bei der Heilung per primam intentionem. Die Gefässschlingen in der Nähe der quot;Wundoberttäche erweitern sich, bedeutend besonders in der unmittel­baren Nachbarschaft der obturirten Gefässe und fangen an, mit dem Wachs-thume des Granulationsgewebes sich zu verlängern und stärker sich zu schlängeln. Um den vierten, fünften Tag beginnt, (ganz so wie bei der Heilung auf dem ersten Wege der Vereinigungquot;) die Vascularisation der Wundoberfläche, welche alsbald sehr reich an Gefässen wird. Diese sind am Cadaver gar nicht wieder zu erkennen, weil das Blut aus denselben ganz zurückgetreten ist oder selbige in weit geringerem Grade als während des Lebens füllt. Aus diesem einfachen Grunde erscheint das Granulationsgewebe an todten Thieren stets viel blasser, schlaffer und weniger dick, als an lebenden. Das granulirte Ausehen desselben ist wahrscheinlich die Folge der Anordnung der Gefässschlingen zu isollrten Büscheln. Die Granula treten nicht in allen Geweben gleich scharf hervor, so z. B. sind sie im eiternden Muskelgewebe weniger deutlich marquirt, als im Haut- und Fettgewebe, weil beide letztere circumscripte Capillardistricte besitzen, die dem Muskelgewebe fehlen.
Mit der Gefässbildung im Granulationsgewebe nimmt die Hyper-semie der collateralen Aeste der (zufolge der Verletzung) thrombirten Ge­fässe ab, wodurch die Röthe um die Wundränder allmälig verschwindet. Wie bereits früher bemerkt wurde, schliesst die Heilung per seeundam inten­tionem damit ab, dass die Granulationen, wenn sie das Niveau der Körper­oberfläche erreicht haben, sich mit Epidermis bedecken, oder, wie man zu sagen pflegt, laquo;sich benarben gt;. Diese Benarbung kommt in folgender Weise zu Stande: Bei der Heilung per seeundam intentionem gehen im Granulationsgewebe, abgesehen von den unzähligen Eiterzellen, welche
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nach aussen gelangen, auch eine grosse Anzahl von Zellen durch fettigen Zerfall und Resorption zu Grunde, ebenso wie dies bei der Heilung per primam intentionem in den Wundrändern geschieht. Auch kehrt ein Theil der Wanderzellen in den Blutstrom zurück. Mit dem Abschlüsse der von der Peripherie gegen das Centrum der Wundfläche vorschreitenden Organi­sation des Granulationsgewebes zu Bindegewebe, hört die Eitersecretion der Wundfläche auf; diese deckt sicli centripetal mit Epidermis, welche nach Arnold durch Spaltung eines in der unmittelbaren Nähe des Haut­randes sich bildenden, anfangs ganz amorphen Protoplasmas entsteht. Die
Fig. 12.
Junges Karbengewebe, welches aus einer nach Granulation und Eiterung entstandene Narbe, aus dem Eücken eines Hundes, 4 his 5 Wochen nach der Verletzung
genommen ist.
Nach B i 11 r o t h (Yergrösaerung 300) a a a sind tlieils obliterirte, tlieils noch fimctionirende Blutgefässe.
Die Bindegewehszellen sind noch relativ gross, succulent und deutlich spindelförmig, doch ist die
Intercellularsuhstanz reichlich entwickelt.
überschüssigen Capillaren obliteriren, das Narbenge webe contrahirt sich bis zu einem gewissen Grade allmälig immer mehr, indem es nach und nach an Feuchtigkeit verliert, an Zähigkeit hingegen Jzunimmt. Häufig gehen, namentlich bei grossen Substanzverlusten, oder besser gesagt, bei reichlicher Neubildung von Bindegewebe, mehrere Jahre darüber hin, bis die Narbe ihre dauernde Beschaffenheit angenommen hat (Tenotomie).
Von den Tumoren, die, wie Seite lOu gesagt wurde, meist dauernd weiter wachsen, somit keinen definitiven physiologischen Abschluss er­reichen, unterscheidet sich jede rein entzündliche Neubildung durch die Tendenz, nur bis zu einem bestimmten Punkte voranzuschreiten und von diesem aus
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theihveise sich zurückzubilden, um demnach bleibend sich zu gestalten. Wo fraglicher Process nicht in der eben angegebenen Weise abschliesst, sondern anders verläuft, da tragen Abnormitäten der allgemeinen Körper­konstitution, oder krankhafte örtliche Verhältnisse hieran die Schuld.
Aus einer comparativen Durchsicht des über diese Vorgänge vorstehend Gesagten wird sich leicht er­geben, dass dieProcesse bei der Heilung per primam und per secundain intentionem wesentlich dieselben sind. Auch in der Praxis tritt solches oft recht deutlich hervor, wenn nämlich eine per primam intentionem frisch vereinigte Wunde wieder auf­gerissen wird, was bei unseren Hausthieren öfter passirt, als dem Eigen-thümer und dem behandelnden Veterinärarzte lieb ist. Man hat dann sofort eine granulirende und recht bald auch eine Eiter secernirende Wunde vor sich.
Die Prognose der einfachen Schnittwunden gestaltet sich im Allgemeinen sehr verschieden, je nachdem ein für den Gesammt-organismus mehr oder weniger wichtiger Körpertheil verletzt ist und je nachdem zufällige äussere oder innere Zustände auf den schliesslichen Ausgang günstig oder ungünstig einwirken. So z. B. sind Verletzungen der Nervencentren, des Herzens, der grossen Gefässstämme, der Brust- und Bauchorgane theils absolut tödtlich, theils mehr oder weniger lebens­gefährlich, während Verletzungen der äusseren Haut, der willkührlichen Muskel, des ünterhautbindegewebes u. s. w. an und für sich nicht gefährlich sind. Aber auch Verletzungen dieser Theile können lebensgefährlich und wirklich tödtlich werden, wenn äussere oder innere ungünstige Momente einwirken;, wie z. B. wenn eine einfache Schnittwunde durch genannte Theile hindurch bis in eine der grossen serösen Körperhöhlen oder in eine Gelenkhöhle eindringt, oder wenn in die Wunde Gift gelangt; ferner wenn die Thiere an allgemeinen Krankheitszuständen leiden, oder wenn solche zu fraglichen Verletzungen hinzutreten u. dgl. An dieser Stelle können wir nicht alle Möglichkeiten speciell berücksichtigen, welche auf die Prognose bei einfachen Schnittwunden einen Einfluss auszuüben vermögen; wir werden dieselben erst später, und zwar jede an ihrem geeigneten Orte ausführlicher besprechen.
Die Behandlung der einfachen Schnittwunden ist im Ganzen eine wenig umständliche, und so fern sie die etwaige Application und Entfernung der Nähte betrifft, bereits besprochen worden. Sie besteht nun im Weiteren darin. Alles abzuhalten, was die normalen Heilungsprocesse stören könnte; ferner ist es wichtig, dass etwa vorkommende Abweichungen
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vom normalen Verlaufe frühzeitig erkannt und die etwa zu Gebote stehenden Correctivmittel in Anwendung gezogen werden. So lange indess der Verlauf der Heilprocesse normal ist, muss man sich auf eine einfache Pflege der Wunde beschränken, weil in diesem Falle die Heilung weder per prim am, noch per secun-dam intentionem durch Arzneimittel beschleunigt werden kann.
Was nun die Pflege einfacher Schnittwunden anbelangt, so entsteht zunächst die Frage, ob man dieselben decken soll oder nicht. Wolstein sagt in seinem Buche für Thierärzte im Kriege, 1. Auti. 1788, Vorkapitel Seite X: laquo;Es ist übel, wenn eine Wunde heute mit diesen und morgen mit jenen Hilfsmitteln bedeckt wird; übel wenn sie der Arzt zu oft verbindet, mit Hilfsmitteln überschwemmt, durch Pflaster, durch Salben, durch Bal­same zum Heilen zwingen will. Die Eindrücke, welche diese Dinge in Wunden machen, sind Inschriften, die den Meister oder den Pfuscher ver-rathen, der sie verordnet hat.
Was ich hier von den Arzneien sage, ist nicht weniger von dem Ge­brauche der Binden, der Instrumente, der mechanischen Mittel, dem Schwärm von Heilmethoden, von Künsteleien und so vielen andern Thorheiten wahr. Pott sagt: was nichts nützet #9632;— schadet. — Die Hilfsmittel der Natur muss der Thierarzt zu benutzen, die der Kunst anzuwenden wissen.? — Seite XI. 1. c: laquo;Der Arzt, der diese Kunst versteht, der das Alter der Wunden und in jedem die Zufälle kennt, verdient den Namen — Arzt. Nur dieser kann unterscheiden, was die Zufälle für Wirkungen haben , — wann sie
Gefahr anzeigen — und wann sie heilsam sind........Wunden ohne
Entzündung, ohne Schmerz, ohne Geschwulst und ohne Fieber (?) in den verletzten Theilen, heilen eben so wenig, als die Wunden der todten Thiere heilen.
So nothwendig den Thieren die Luft und den Fischen das Wasser ist, so nothwendig ist den Wunden — nach der Verschiedenheit der getrennten Theile — der Schmerz, der Reiz, die Entzündung, die Eiterung und in vielen Veidetzungen der Brand. Der letzte ist in Quetschungen und Schlägen und in sehr vielen anderen Gebrechen eine eben so natürliche Folge, als der erste bei Entzündungsgeschwülsten ist.....
. . . Nie wird es dem Arzte an Hilfsmitteln fehlen, der die Sprache der Natur versteht, der die Kräfte des Lebens kennt, der die Thierarznei im Kopfe, geübte Sinne und Hände für sein Messer hat.raquo;
Ich habe früher gesagt, dass man die Achternaht zwTeckmässig mit Collodium bestreichen könne; dagegen rathe ich für gewöhnlich nicht .zu einem Verbinden der Wunde, weil dies meist unnütz, wenn nicht gar
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schädlich ist. Dieser scheinbare Widerspruch lös't sich, wenn man erwägt, dass durch ersteres Verfahren die Wunde möglichst hermetisch nach aussen abgeschlossen und dadurch gewissermassen in eine subcutane verwandelt wird, was durch einen Verband, namentlich klaffender Wunden, bei Thieren niemals auf längere Zeit erreicht werden kann. Da dieser den Luftzutritt zur Wunde nur beschränkt, so begünstigt er geradezu den Eintritt von Zersetzungsprocessen, die bekanntlich bei ganz freiem Luftwechsel weniger leicht, als bei behindertem Luftverkehr zu Stande kommen. Die offene Behandlung empfiehlt sich besonders für eiternde Wundflächen, indem die mit Eiter und Luft imbibirten Verbandmittel den Eintritt der fauligen Zersetzung der Wundsecrete wesentlich fördern. Man sorge desshalb nur dafür, dass der Eiter freien Abfluss hat und an keiner Stelle der Wund­fläche längere Zeit liegen bleibt. Man hüte sich aber vor zu häufigem Ab­waschen der Wundfläche; gesunder Eiter ist ein reizloses Schutzmittel für das junge Granulationsgewebe, den man deshalb ohne besondern Grund nicht entfernen soll. Die Nachbarschaft der Wunde muss stets sauber ge­halten und zu diesem Zwecke von Zeit zu Zeit gereinigt, resp. abgewaschen werden. Zeigt der Eiter auf der Wundfläche auch nur eine Spur von Zersetzung, so muss man für Ileinigung der Wundfläche und für nach­herige Application eines Desinfectionsmittels sorgen, welches gleichzeitig als ein den Verhältnissen entsprechendes Deckmittel dient.
Unregelmässigkeiten im Verlaufe können zu verschiedenen Zeiten und in verschiedenen Stadien des Heilungsprocesses sich einstellen. In den ersten Tagen nach stattgefundener Verletzung äussern sich dieselben in einer zu starken oder zu geringen Schwellung der Wundränder, oder in einer ausser-gewöhnlichen Ausbreitung des Entzündungsprocesses in der Nachbarschaft der Wundränder: auch können die Schmerzen einen ungewöhnlich hohen Grad erreichen u. s. w. Gegen zu starke Geschwulst und zu grosse Schmerzen kann man zunächst die Kälte in Anwendung ziehen; wo indess nicht bald, d. h. nicht bereits nach den ersten 24 Stunden Linderung, sondern eher eine Steigerung der Entzündungserscheinungen eintritt, da versuche man es mit der feuchten Wärme (schleimige Cataplasmen). Zu lange fortgesetzte kalte Bäder oder Ueberschläge führen zuweilen zu erysipelatösen Entzündungen in der Umgebung der Wunde, oder zur Brand­bildung in den Wundrändern, während warme Cataplasmen diesen üblen Zufällen, wenigstens dem letzteren, eher vorbeugen. Bei zu grosser Trockne und Härte der Wundränder bestreicht man dieselben für die Nacht ganz zweckmässig mit einem warmen Fette, so z. B. mit Olivenöl, Glycerin und dergleichen.
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Was die Granulationen anbelangt, so können diese zu üppig hervor­sprossen , schlaff sein und leicht bluten, oder sie können auch zu gering sein oder gänzlich fehlen. In den meisten Fällen wird hier eine mehr oder weniger gelind reizende Behandlung eine normale Granulationsthätigkeit ei'zeugen. Nur da, wo dieselbe als Folge einer hypersthenischen Entzündung der Wundränder fehlt, wird eine reizende Behandlung contraindicirt ?ein und am besten durch eine erschlaffende, reizmildernde ersetzt werden.
Wo die Benarbung nicht beginnt, nachdem das neu gebildete Gewebe das Niveau der Hautoberfläche erreicht hat, da muss der fortdauernde Granulationsprocess zum Abschlüsse gebracht werden; man bezweckt dies in der Regel durch Anwendung von Druck, adstringirender, austrocknender Mittel, nöthigenfalls der Aetzmittel oder des glühenden Eisens.
Die Heilung aller Schnittwunden wird wesentlich be­günstigt durch möglichste Ruhe des verletzten Theiles. Per primam intentionem tritt sie nur dann ein, wenn die Wundränder unbeweglich mit einander vereinigt sind; sobald dieselben sich anein­ander verschieben, kann die Heilung nur per secundam intentionem er­folgen. Aber auch diese wird bei wiederholten Reibungen der granulirenden Wundflächen an einander sehr verzögert, weil jedes Mal die Granulationen dadurch theilweise oder ganz zu Grunde gehen. Man sorge deshalb stets so gut man kann, dass die verwundeten Theile möglichst ruhig gehalten werden.
Gegen das etwa eintretende Wundfieber ist eine directe Behandlung für gewöhnlich kaum nothwendig oder nützlich. Man sorge nur für die Bedingungen, welche der normale Verlauf der Heilprocesse in der Wunde fordert; sind diese vorhanden, so wird das Fieber in der Regel von selbst nachlassen und alsbald sich verlieren. Allerdings kann eine entsprechende Diät unter Umständen hierbei gute Dienste leisten; auch Blutentziehungen und Antiphlogistica können bei vollsaftigen Thieren eine nützliche Anwen­dung finden. (Näheres hierüber später beim Fieber.)
Wir haben bisher die Wundheilung so dargestellt, wie sie sich im reinen Bindegewebe entwickelt; sehen wir nun zu, wie dieselbe in den Körpertheilen mit gemischten Geweben sich gestaltet. Es dürfte sich bald ergeben, dass der Gang unserer Darstellung praktisch war und nur durch einige Bemerkungen über das Verhalten der einzelnen Gebilde bei der Narbenbildung ergänzt zu werden braucht.
Zunächst sei hier bemerkt, dass nicht alle Schnittwunden der Weich-theile (abgesehen von Complicationen durch Fracturen u. dgl.), welche
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tiefer in die Körpersubstanz eindringen, per primam intentionem geheilt werden dürfen. Wenn die unter der Cutis gelegenen verletzten Gewebe sich so stark zurückziehen, dass durch Anlegen einer Xaht nur die Hautränder, nicht aber die tiefer gelegenen, getrennten We ich theile aneinander gehalten werden, so kann zwar die Heilung jener, nicht aber dieser, per primam intentionem erfolgen. Es wird demnach leicht sich ereignen, dass die zu­nächst mit Luft, dann mit Blut und Exsudat gefüllte subcutane Höhle in einen Eiterheerd sich verwandelt, wodurch hei Sorglosigkeit leicht nach-theilige Folgen entstehen können. Man wird deshalb derartige Schnitt­wunden der Weichthcile besser per secuudam intentionem heilen lassen und auf ein Heften der Wundränder gleich von vorneherein verzichten.
Bei Muskel Verletzungen besteht das Narbengewebe nur aus Bindegewebe. Die Muskelpriinitivfasern zerfallen während der Xarbenbildung an ihren getrennten Enden bis zu einer gewissen Grenze, woselbst eine Anhäufung von Zellen stattfindet. Diese Enden runden sich ab, indem sie gewöhnlich eine konisch zugespitzte, seltener eine kolbenartige Form an­nehmen ; sie verbinden sich demnach mit dem neu gebildeten Naibengewebe in ganz ähnlicher Weise wie die Muskelfasern mit den Sehnen verbunden sind (Inscriptio tendinea). Eine Neubildung von Muskelgewebe findet während der Narbenbildung entweder gar nicht oder nur in sehr beschranktem Maasse statt. Im Laufe der Zeit indess soll nach 0. Weber die llegeneration der Muskelfasern allmälig hervortreten und in den meisten Fällen eine viel vollkommenere werden, als man gewöhnlich annimmt.
Das Nervengewebe vermag unter entsprechenden Ver­hältnissen bekanntlich in sehr vollkommener Weise sich zu regeneriren. Wird ein Nerv durchschnitten, so weichen die Schnitt­enden etwas auseinander, schwellen leicht an und treten dann durch neu gebildetes Nervengewebe wieder mit einander in Verbindung, so dass die Nervenleitung alsbald völlig restituirt wird. Selbst durch nicht zu grosse Flächennarben wachsen im Laufe der Zeit neue Nerven hindurch, womit das normale Empfindungsvermögen allmälig wiederkehrt. Bei diesen Vor­gängen ist noch Manches räthselhaft und wunderbar; namentlich wenn man bedenkt, dass durch die neu gebildete Nervenmasse die betreffenden einzelnen Fasern, sensibele wie motorische, genau so wie vor der Trennung mit einander verbunden werden müssen, wenn die richtige Leitung zurück­kehren soll, wie dies beim Menschen und höchst wahrscheinlich, ja ich möchte fast sagen lt; unzweifelhaft gt; auch bei Thieren in Wirklichkeit zu geschehen pflegt. Die hierbei auftretenden feinern Vorgänge sind von Schiff, Hjelt und Andern sehr genau verfolgt worden und gestalten sich im Allgemeinen
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folgendermassen: In den Nervenschnittenden findet zunächst ein Zerfall der Markscheide, vielleicht auch des Achsencylinders bis zu einem gewissen Punkte hin statt; gleichzeitig tritt im Neurilemraa eine Zellenanhäufung ein, die zur Entwicklung von spindelförmigen Zellen führt, #9632;welche in der zwi­schen den Nervenenden liegenden und in diese hinein sich erstreckenden Substanz entstehen. Von fraglichen Zellen aus bilden sich, wie im Embryo, neue Nervenfibrillen, deren Fasern anfangs sehr blass, später aber, nach­dem sie eine Markscheide bekommen haben, von den gewöhnlichen Nerven­fasern nicht mehr zu unterscheiden sind.
Die Regeneration derNerven hat jedoch ihre bestimmten Grenzen. Bei grossen Nervenstämmen, wie z. B. beim N. medianus etc. kommt sie nicht zu Stande. Auch erfolgt dieselbe nicht, wenn die Enden eines durchschnittenen kleineren Nervs circa drei und mehr Linien wert von einander getrennt bleiben. Eine möglichst genaue Gegeneinanderlagerung der getrennten Nervenenden ist nothwendig, indem die Umwandlung des neu gebildeten Zwischengewebes zu Nervensubstanz nur unter Vermittlung der Nervenstümpfe möglich ist. So viel scheint festzustehen, wenn auch die feineren Vorgänge bis jetzt noch nicht genau erkannt sind.
Bei Verwundungen der Nervencentren tritt bei niederen Thieren und selbst noch bei Tauben eine Regeneration mit Ausgleichung der Lähmung ein; bei höheren Thieren ist dies jedoch nicht der Fall.
In dem Narbengewebe treten zuweilen Wucherungen auf, welche meist vom Bindegewebe ausgehen, die jedoch auch das Nervengewebe betreffen können. Während die Binde-gewebswucherungen einfache Fibroide darstellen, die an und für sich nicht schmerzen, sind die Wucherungen des Nervengewebes zuweilen sehr schmerz­haft. Solche laquo;traumatische Neuromeraquo; werden in der Regel mit dem Messer sorgfältig abgetragen und demnach die Wuudfläche cauterisirt. In neuerer Zeit hat man in der Menschenheilkunde auch den galvanischen Strom (Elektropunctur) mit gutem Erfolge gegen dieselben angewendet. Nach Rindfleisch entwickeln sich in Narben des Menschen zuweilen sarcomatöse Geschwülste, welche als laquo;unächte Keloide^ angesprochen werden. KeloYd nennt Rindfleisch ein narbenähnliches Sarcom der äusseren Haut, welches an vorher gesunder Stelle spontan entstanden ist.
Dass nicht alle traumatischen Neurome gleich schmerzhaft sind, wTurde bereits angedeutet; es gibt sogar solche, die gar nicht schmerzen.
Aus dem über die Wundheilung bei verletztem Muskel- und Nerven­gewebe Gesagten dürfte zur Genüge hervorgehen, dass die nächsten
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Vorgänge vorzugsweise auf das Bindegewebe sich beziehen, weshalb wir die fraglichen Processe bei den übrigen Weichtheilen hier nicht noch be­sonders abhandeln wollen. Bei der später folgenden Darstellung der Er­krankungen der einzelnen Körpergewebe werden wir, so weit als nothig, darauf zurückkommen und namentlich die durch die grössere Consistenz der Intercellularsubstanz bei Knochen und Knorpel bedingten Eigenthtira-lichkeiten ausführlicher aus einander setzen.
Wir wollen nunmehr zu den Stichwunden übergehen. Dieselben sind bald einfache Schnittwunden, bald tragen sie mehr oder weniger den Cha­rakter gequetschter Wunden an sich, je nachdem das stechende Instrument spitz und schneidend, oder spitz und dann in seinem ganzen Umfange breiter werdend, oder überhaupt stumpf war.
Viele Stichwunden gehören zu den einfachen Wunden und heilen per primam intentionem. Wenn durch dieselben weder grössere Gefässe, noch Knochen, Nerven oder eine seröse Höhle (einschliesslich Synovialhöhleu) getroffen worden und die Wundränder nicht bedeutend gequetscht noch irgendwie verunreinigt sind, so erfordert die Heilung selten irgend eine arzneiliche Behandlung, weil bei kleineren Stichverletzungen die Wund­ränder nicht klaffen, also nicht erst vereinigt zu werden brauchen. Bei unseren Hausthieren kommen öfter Stichverletzungen vor, die mit mehr stumpfen Stallutensilien, Mistgabeln und dergleichen Gerätheu erzeugt worden sind; auch ist das Eintreten von Nägeln oder von sonstigen mehr oder weniger stumpfspitzigen Gegenständen in die Hufe und Klauen eine keines­wegs seltene Art von Stichverletzung. Die bei den grösseren Hausthieren in Folge des Hufbeschlages vorkommenden sogenannten Vernagelungen gehören ebenfalls zu den Stich Verletzungen. Auch gelangen zuweilen stechende oder schneidende Gegenstände mit den Futterstoffen in den Nahrungsschlauch und dringen von hier aus in andere Körpertheile ein. Dies passirt namentlich häufig bei Wiederkäuern, besonders beim Kind­vieh ; in Gegenden, wo dasselbe von Frauenzimmern gepflegt wird, kommen solche Stichverletzungen innerer Organe häufiger vor, als wo Mannspersonen die Pflege der Thiere zu besorgen haben, und zwar aus dem einfachen Grunde, weil diese weniger Nadeln und dergleichen an sich tragen als jene. Dringen solche spitze Körper auf ihren Wanderungen in ein wichtiges Organ, z. B. in das Herz, so verursachen sie eine lethale laquo;Pericarditis und Myocarditisraquo;. In anderen Fällen, wo sie weniger edle Organe verletzen, gelangen sie nicht selten nach längerer oder kürzerer Zeit wieder nach aussen, ohne vielleicht jemals erhebliche Störungen in den Lebensvorgängen
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hervorgerufen zu haben. Auch in der menschenärztlichen Praxis sind interes­sante Fälle dieser oder ähnlicher Art bekannt. So z. B. fand v. Langen-beck in dem Centrum eines Harnblasensteines eine Stecknadel, welche Patient vor vielen Jahren (als Kind) verschluckt hatte. Dr. Ad. Ziegler in Bern zeigte vor zwei Jahren in einer Versammlung des med.-chirurgischen Vereins des Cantons Bern eine reichlich 15 Centimeler lange Messerklinge, welche ein Mann seiner Ehefrau vom Rücken aus neben dem Schulterblatte in die Brust eingestossen hatte; das Heft des Messers war abgebrochen und die Klinge in der Brusthöhle sitzen geblieben, bis sie nach 592 Tagen vorn unter der linken Mamma von selbst wieder hervorkam. — So habe ich im Laufe meiner Praxis beim Rinde mehrere Male Gabeln und Küchenmesser hinter dem Schaufelknorpel aus dem Magen hervorgezogen, ohne dass die Heilung demnach jemals besondere Schwierigkeiten verursacht hätte. Auch habe ich Nadeln nach aussen gelangen sehen und aus Abscessen an ver­schiedeneu Körperstellen, an den Hinterschenkeln etc. hervorgeholt, ohne dass irgend ein dauernder Schaden in Folge dessen entstanden wäre, während selbstverständlich alle derartigen Herzverletzungen tödlich endeten. Ferner habe ich verschiedene scharfe Körper im sehnigen Theile des Zwerch­felles so fest von einer bindegewebig-knöchernen Kapsel umschlossen ange­troffen, dass dieselben dadurch absolut unschädlich gemacht waren. Ich könnte diese Casuistik aus der thierärztlichen und menschenärztlichen Praxis noch bedeutend vermehren; die angegebenen Fälle reichen indess aus, um zu zeigen, wie verschieden Stichwunden sich gestalten können und wie demgemäss die Prognose zwischen absoluter Gefahrlosigkeit und absoluter Tödtlichkeit schwankt. Dies gilt nicht nur für die inneren, sondern auch für die äusseren Stichverletzuugen. So kann z. B. das Eintreten eines Nagels oder eines anderen spitzen, resp. stumpfspitzen Gegenstandes in den Huf, je nachdem derselbe mehr oder weniger tief eindringt und blos die sogenannten Fleischtheile, oder aber die Seimen, Bänder, Knochen, das Hufgelenk etc. verletzt, bald nur unerhebliche Folgen nach sich ziehen, bald jedoch zu langwierigen und schmerzhaften Leiden, ja selbst zum Tode führen. — Wir können hier unmöglich alle bezüglichen Verhältnisse besprechen; wir beschränken uns auf einige Bemerkungen über Stichverletzungen der Nerven.
Stichwunden der Nerven verursachen je nach ihrem Umfange ' eine mehr oder weniger ausgebreitete Lähmung; nach Entfernung des ver­letzenden Körpers heilen dieselben in der Regel leicht und vollständig. Wird der verletzende Körper nicht entfernt, so kann derselbe einheilen; in diesem Falle bleibt die betreffende Stelle in der Regel gegen jede Be­rührung schmerzhaft.
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Quetschwunden.
Dieselben entstehen im Allgemeinen durch ähnliche Ursachen, wie subcutane Quetschungen; es kommt hierbei hauptsächlich auf die Form des verletzenden Körpers, auf den Grad der Heftigkeit seiner Einwirkung auf die Widerstandsfähigkeit der Haut und auf die Starrheit oder Nach­giebigkeit ihrer Unterlage an der betoffenen Stelle an. Quetschverletzungen sind im Allgemeinen häufig mit Knochenbrüchen complicirt; hier aber werden wir nur die Quetschwunden der Weichtheile ohne Eücksicht auf etwaige weitere Complicationen betrachten. — Dieselben stellen entweder eine einfache Continuitätstrennung mit mehr oder weniger umfangreicher Zertrümmerung der Weichtheile dar, oder sie sind ausserdem mit erheb­licherem Substanzverluste verbunden. Die Ränder solcher Wunden sind in der Regel uneben, zerfetzt, besonders an der Haut, die zuweilen auf grössere Strecken von den zerquetschten Wundrändern abgelöst ist. Grössere und kleinere Fetzen, nicht selten grosse Lappen von Weichtheilen, sind in der Wunde sichtbar.
Die Grade der Zerstörung können sehr verschie­den sein; ihre Ausdehnung ist nicht immer gleich anfangs genau zu bestimmen, weil häufig die Grenzen der Quetschung nicht zu erkennen sind. Manchmal überzeugt man sich erst später, dass diese viel weiter reicht, als man bei den ersten Untersuchungen dachte. Die Grosse der Hautwunde bietet durchaus keinen Maassstab für die Ausdehnung und Tiefe der vorhandenen Quetschung, weil die Zerstörungen der Weichtheile noch weit unter die Ränder der verhältnissmässig nur kleinen Hautwunde sich erstrecken können.
Da der Akt der Verletzung in der Regel sehr schnell vorübergeht, so ist die Schmerzempfindung während desselben meist gering; auch unmittel­bar nach stattgehabter Verletzung sind die Schmerzen häufig unbedeutend. Dem Unkundigen erscheint dies um so merkwürdiger, je vollständiger die Zermalmung der betroffenen Weichtheile erfolgte. Die Erklärung dieser Erscheinung bietet jedoch keine besonderen Schwierigkeiten; wo mit den übrigen Geweben auch die Nerven vollständig zerquetscht sind, da ist selbstverständlich die Leitungsfähigkeit dieser, somit die Möglichkeit der Schmerzempfindung vernichtet.
Was die Blutung anbetrifft, so ist dieselbe trotz der Gewebszertrüm-merung häufig gegen Erwarten gering, weil verschiedene Umstände die baldige
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Verstopfung der blutenden Gefässe bewirken können. Die Hsemostase tritt bei vollkommener Trennung der Gefässe weit eher ein, als wenn diese nur eingerissen sind. Zu den bereits bei den einfachen Schnittwunden angeführten Momenten der Contraction der Längs- und Querfasern der Media und der dadurch bedingten Verminderung des Gefässlumens kommt hier noch der Umstand hinzu, class die Fetzen der Gefässwände, nament­lich der Intima in die Gefässöffnung hinein sich aufrollen und dadurch den Blutstrom so wesentlich behindern, dass nur wenig Blut verloren geht, obgleich stärkere Gefässe verletzt sind. Die Fetzen der Intima haben ihre Vitalität und damit die Eigenschaft verloren, die Gerinnung der fibrinogenen Substanz des Blutes zu verhindern. Gleichwohl darf man nicht zu leicht über die Blutstillung hinweggehen, da es nicht selten vorkommt, dass erst später sogenannte lt;Nachblutungenraquo; eintreten, welche laquo;absente medicogt; leicht gefährlich werden können. Man sehe sich also in dieser Beziehung stets bei Zeiten vor.
Was nun die Behandlung gequetschter Wunden anbetrifft, so ist zunächst zu bemerken, dass bei denselben von einer Vereinigung per primam inten-tionem aus dem einfachen Grunde keine Rede sein kann, weil in den ge­quetschten Wundrändern in Folge der Zerstörung der Gewebselemente, der Gefässe und Nerven die Girculationsverhaltnisse, sowie die Nervenein­wirkung in einem zu bedeutendem Grade gestört sind; die Heilung per primam intentionein verlangt eine nur wenig oder gar nicht beschränkte Lebensfähigkeit der Gewebe in der unmittelbaren Nähe der Wundflächen selbst. Gequetschte Wunden heilen deshalb stets per secundam intentionem, d. h. unter Granulations- und Eiterbildung, weil bei denselben die Lebens­fähigkeit der Gewebselemente in der Nähe der Wunde vernichtet ist, und von entfernter gelegenen Elementen die Actionen ausgehen müssen, durch welche die zerstörten Gewebe entfernt und ersetzt werden. Obgleich demnach von Anlegung einer Naht im Allgemeinen und namentlich zum Zwecke der Heilung auf dem Wege der ersten Vereinigung gänzlich ab­zusehen ist, so kommt es doch vor, dass die theilweise Vereinigung ge­trennter Quetschwunden zweckmässig, ja durchaus rathsam erscheint. Dies kann z. B. der Fall sein, bei grossen abgerissenen Hautlappen, die man in ihrer ursprünglichen Lage blos deshalb heftet, damit sie sich nicht gleich von vorne herein zu weit zurückziehen und einschrumpfen. Dies Anheften ist besonders nöthig, wenn die Brücke des Hautlappens unterhalb der los­gerissenen Partie sich befindet, so dass diese durch ihr eigenes Gewicht von der Wundfläche abgezogen ward und dadurch leichter austrocknet, was eine Beeinträchtigung der Circulation und Ernährung zur Folge haben
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muss. Schälwunden heilen deshalb am leichtesten, wenn der losgeschälte Hautlappen an seinem oberen Ende mit dem Körper noch zusammen­hängt, somit durch sein eigenes Gewicht der Wundfläche genähert wird.
Di e Granulationsbildung und Eiter ung erfolgt im Wesentlichen, wie bei Schnittwunden mit Substanz­verlust, nur mit dem Unterschiede, dass diese Pro-cesse etwas langsamer und stellenweise etwas un­sicherer auftreten. Viele Tage, oft Wochen lang, hängen hier zuweilen die Fetzen von abgestorbener Haut, Fascien, Sehnen etc. in der Wunde, während andere Stellen bereits tippig granuliren. Stets wird ein Theil der Wundränder in grösserem oder geringerem Umfange brandig und im günstigen Falle durch Eiterung abgestossen, indem an der Grenze des lebens­fähigen Gewebes gegen das zertrümmerte Gewebe die sogenannte Demar-cationslinie sich bildet. Diese besteht aus einer Zelleninfiltration, sowie aus neugebildeten Gefässen und bald kommt es zur Granulationsbildung an derselben. Mit der Verflüssigung der den zertrümmerten Gewebstheilen zunächst gelegenen Partie der neugebildeten Granulationen, das heisst: laquo;mit Eintritt der Eiterungraquo; an der Demarcationslinie, werden die todten Massen von den gesunden Gewebstheilen getrennt und aus der Wunde entfernt. Sobald demnach in einer gequetschten Wunde eine gleicbmässig eiternde Granulationsfläche sich zeigt, oder mit anderen Worten gesagt, lt; sobald die Wunde sich gänzlich gereinigt hatraquo; ist der Heilprocess auf gutem Wege und nimmt von da ab seinen Verlauf ganz nach denselben Bedingungen, wie bei eingetretener Eiterung nach Schnittwunden mit Sub­stanzverlust.
Die Zeit, innerhalb welcher sich die zerquetschten Fetzen von dem Lebenden ablösen, ist je nach den betroffenen Geweben sehr verschieden und hängt in erster Linie von dem Gefässreichthume derselben ab. J e reicher ein Gewebe anCapillaren ist, je leichter sich Zellen in demselben verbreiten und weiter entwickeln können, um so früher wird die Granulationsbildung und dieAbstossung des brandigen Theiles erfolgen. Alle diese Bedingungen treffen am besten bei dem lockeren Unterhaut­bindegewebe und bei den Muskeln zu, am wenigsten bei Sehnen und Fascien; die Cutis steht in der Mitte. Der Nervenreichthum scheint bei diesen Processen wenig in Betracht zu kommen. Ueberhaupt gehen die Entzündungsvorgänge, so weit dieselben bis jetzt erkannt sind, von den gereizten Gewebselemente direkt aus, ohne dass sie auf eine be­sondere Innervation dieser nothwendig zurückzuführen wären. Am deut-
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liebsten lässt sich dies an den Oberflächen der Gelenkknorpel, die gar keine Nerven besitzen, nachweisen. Auf direkte Reizung derselben folgen Vergrösserung der Zellen und die der Knorpelentzündung (siehe diese) zu­kommenden Vorgänge. Von einer vermittelnden Rolle der Nerven kann hier doch wohl keine Rede sein, da die nächsten in dem benachbarten Knochenmarke gelegen sind. — Aber auch an den nervenreichsten Geweben kann man die Beobachtung machen, dass der Umfang des Reizungsheerdes keineswegs der Grosse eines bestimmten Nerventerritoriums, sondern der Ausdehnung der localen Reizung entspricht. Wenn ein Reiz in der ganzen Ausbreitung der betroffenen Nervenbezirke eine Entzündung hervorriefe, würden wir von Haarseilen und anderen Reizmitteln einen weit be­schränkteren, oder gar keinen Gebrauch in der thierärztlichen Praxis machen können.
Die Ablösung des Sphacelus kann durch Einwir­kung ungünstiger äusserer Einflüsse verzögert werden. So wird anhaltende Kälteeinwirkung auf die Wunde den Austritt der w e i s s e n B1 u t z e 11 e n durch die G e f ä s s -wände wesentlich beeinträchtigen, während hingegen die Einwirkung.feuchter Wärme diesen Vorgang be­günstigt. Es liegt dies nicht allein in der Veränderung der Dichtig­keitsverhältnisse der Gefässe und Gewebe allein, sondern auch in der direkten Belebung resp. Beeinträchtigung der Bewegungserscheinungen an den weissen Blutkörperchen, je nachdem sie innerhalb gewisser Grenzen einer höheren oder geringeren Wärme ausgesetzt sind.
Ferner kommen auch innere Körperzustände in Betracht, die indess gänzlich ausser aller Berechnung liegen. Im Allgemeinen kann man zwar annehmen, dass die localen Processe bei kräftigen, jugendlichen Individuen heftiger auftreten, als bei schwachen und alten, indess kommen so viele Ausnahmen von dieser Regel vor, dass man nicht allzu viel auf dieselbe bauen kann.
Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die gequetschten Wunden im Allgemeinen bedeutend längere Zeit zu ihrer Ausheilung bedürfen, als ein­fache Schnittwunden, so dass der Thierarzt stets zu erwägen hat, ob ein Heilversuch in den gegebenen einzelnen Fällen überhaupt rathsam erscheint oder ob etwa die Tödtung des Thieres vorzuziehen ist. Dies muss nament­lich bei Schlachtwaare sorgfältig ventilirt werden, ganz besonders aber, wenn die vorhandenen Quetschungen noch mit Knochenbrüchen oder ander­weitigen üblen Zuständen complicirt sind.
Bei allen Quetschwunden kann eine bedeutende Gefahr dadurch ent-
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stehen, dass die auf der Wunde sich zersetzenden Gewebstrümmer an­steckend auf die gesunden Theile einwirken und von diesen in die Blutmasse übergeführt, den Tod des betreffenden Individuums durch Septicaemie zur Folge haben können, üeber diese Art der Blutvergiftung werden wir später ausführlicher sprechen. Es ist ein wahres Glück, dass die an der Demar-cationslinie in den meisten Fällen schnell erfolgende Zellenthätigkeit ge-wissermassen eine lebendige Schutzmauer gegen aussen bildet. Besonders widerstandsfähig gegen die genannten schädlichen Einflüsse ist das Granu­lationsgewebe, weshalb man, sobald an der ganzen Wundfläche Granulations-bildung' und Eiterung eingetreten ist, die Gefahr einer Blutvergiftung durch Brandjauche als ziemlich vollständig beseitigt betrachten darf. Diese Re­sistenz des Granulationsgewebes kommt uns in der Praxis in vielen Fällen sehr zu Statten. Der Grund dieses Factums dürfte darin liegen, dass faulige Substanzen vorzugsweise durch die Lymphgefässe resorbirt werden, welche an der Granulationsoberfläche fehlen.
Je mehr die Gewebe von Feuchtigkeit durchtränkt sind, um so mehr sind sie zur Fäulniss disponirt. Je mehr der Venenkreislauf durch aus­gedehnte Gefässzerreissungen und Quetschungen gehemmt ist, um so grosser wird in der Regel die Durchfeuchtung sein; wo starke ödematöse An­schwellungen nach Quetschungen auftreten, da ist der Eintritt des Brandes häufig die Folge der vorhandenen Circulationsstörungen. Das Oedem erreicht manchmal eine Ausdehnung, welche weit über die Wundränder hinaus sich verbreitet. Dies geschieht namentlich dann, wenn die Arterien circulationsfähig geblieben sind, das Blut durch dieselben in die Capillaren getrieben wird, von da aber nicht weiter kann, weil der Venenkreislauf in dem betroffenen Bezirke entweder ganz oder theilweise aufgehoben ist, Dass in Folge dessen das Serum in grösserer Menge durch die Capillar-wandungen hindurch in die Gewebe austreten muss, ist leicht begreiflich. Die Epidermis wird durch Serum, welches aus den Capillargefässen der Haut austritt, in Form von Blasen abgehoben, wobei die Haut ein durch­feuchtetes , matt glänzendes Ansehen erhält. Solche Blasen sind für die Prognose von Bedeutung, da sie den eintre­tenden Brand und somit eine Gefahr für das Leben des betreffenden Individuums anzeigen. In der Regel treten fragliche Erscheinungen bereits am dritten Tage auf. — Manchmal sterben nur die Fascien, Sehnen und einzelne Hautfetzen ab. — Die Zellen­infiltration und Eiterung im Bindegewebe kann eine solche Ausbreitung gewinnen, dass bereits gegen den sechsten bis achten Tag, wenn die Verletzung die obere Partie einer Extremität betrifft, diese von oben bis unten von Eiter und Jauche völlig durchtränkt ist. Eine solche
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Phlegmone hat dann gewöhnlich den Untergang des Thieres zur Folge, indem dieselbe zu ausgedehnter Gewebsnekrose, sowie zu Blutinfectionen führt. Je früher in derartigen Fällen die örtlichen Processe sich begrenzen, um so günstiger gestaltet sich die Prognose, während mit der Zunahme der localen Erscheinungen die Todesgefahr in geradem Verhältnisse wächst. — Eine grosse Gefahr kann auch durch nachher eintretende Blutungen, durch sog. laquo;Nachblutungenraquo; herbeigeführt werden, besonders wenn sie aus Arterien kommen, deren Gefässwand erst einige Zeit nach der Quetschung theilweise abgestorben ist und am sechsten bis neunten Tage oder noch später sich losgelöst hat.
Eine arteriöse Nachblutung kann auch durch Vereiterung eines Throm­bus oder der Arterien wand entstehen; kommt dieselbe aus grösseren Arterien, so ist sie mit Sicherheit nur durch Unterbindung zu stillen.
Bei parenchymatösen Nachblutungen quillt das Blut wie aus einem Schwämme aus den Granulationen hervor. Die ursachlichen Momente liegen hier entweder in einer fehlerhaften Beschaffenheit der Granulationen, oder in einer Allgemeinerkrankung des betreffenden Thieres, oder es bestehen in den benachbarten Venen ausge­dehnte Blutgerinnungen, durch welche die Circulation so beeinträchtigt wird, dass in dem Granulationsgewebe die feinen Gefässwandungen reissen und dadurch Blut aus der Oberfläche hervorquillt.
Die Stillung solcher Hsemorrhagien ist nicht in allen Fällen leicht. Je nach den ihnen zu Grunde liegenden Ursachen werden die Kälte, Compression oder Styptica ausreichen, während in anderu Fällen weder diese, noch andere Mittel fja manchmal sogar die Unterbindung) nicht im Stande sind, die Hsemostase zu bewirken.
Die Granulations flächen gequetschter Wunden sind meist sehr unregelmässig geformt und zeigen oft viele Ecken und Taschen. Die Quetschwunde geräth nicht nur an ihrer Oberfläche, sondern auch in der Umgebung in Entzündung. Die Haut wird von Eiter unterminirt; zwischen den Muskeln, Sehnen und Knochen kriecht der Entzündungs- und Eiterungsprocess nicht selten un­erwartet weiter und es zeigen sich bald hier, bald dort neue, in die Tiefe dringende Eiterherde. Der verletzte Theil bleibt geschwollen, ödematös, die Granulationen der Oberfläche sind schmierig-gelb, gequollen, schwammig. In der Umgebung der Wunde bilden sich im Laufe der Zeit kleinere oder grössere Oeffnungen in der Haut: aus denselben kann der Eiter, welcher
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in der Tiefe stockt, sich zersetzt und dadurch einen Übeln Geruch ver­breitet, mühsam herausgepresst werden. Hat dieser Zerstörungsprocess einen grössern Umfang angenommen und dauert derselbe längere Zeit an, so magern die Patienten ab, bis sie schliesslich an den Folgen eines febrilen Marasmus zu Grunde gehen.
Diese progressiv eiterige Entzündung ist von der früher beschriebenen rapid progressiven septischen Entzündung dadurch wesentlich verschieden, dass letztere im Laufe der ersten drei bis vier Tage, selten später, aber möglicher Weise früher (schon mit 24 Stunden) nach stattgehabter Verletzung auftritt und durch locale Infection von Gewebstheilen, welche an der Oberfläche der Wunde faulen, bedingt wird.
Zuweilen treten Verschlimmerungen ein, wenn die Wunde bereits ganz sich gereinigt hatte, ja selbst wenn zum Theil schon die Benarbung im Gange ist. Es können verschiedene Umstände einwirken, welche neuerdings eine Entzündung hervorrufen, die dann gern einen diffusen, eiterigen Cha­rakter annimmt. Auch kann die Entzündung der Wundränder einen crou-pösen oder diphtheritischen Charakter zeigen. Der Eiter wird dünn, der verletzte Theil schwillt bedeutend an, es stellen sich neuerdings Fieber­anfälle ein etc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;*
Der Ausgang ist verschieden; möglicher Weise kann der Verlauf wieder normal sich gestalten mit Genesung oder in Folge der Allgemein-infection mit Tod enden.
' Zuweilen treten Entzündungen der Lymphgefäss-stämme hinzu und eine speeifische Form von Capillar-lymphangoitis der äusseren'Haut, das Erysipel oder die erysipelatöse Entzündung (siehe diese) ,oder auch Entzündung der Venen (Phlebitis). Nicht selten vermischen sich mehrere oder alle diese Processe miteinander.
Als Ursachen derartiger seeundärer Entzündungen gelten im Allgemeinen folgende:
1) Heftige Congestion zur Wunde, welche namentlich durch starke Bewegung des verletzten Theiles oder durch Körperbewegung überhaupt veranlasst wird. Auch können schlechte Verbände lt;Stauungshyperämiengt; verursachen, welche in gleicher Weise schädlich wirken.
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2)nbsp; Locale oder allgemeine Erkältung, über deren quot;Wir­kung wir uns noch nicht immer genügend Rechenschaft geben können.
3)nbsp; Mechanische Reizung der Wunde, namentlich wenn dieselbe eine partielle oder gänzliche Zerstörung der Granulationsfläche im Gefolge hat, wodurch die unter diesen liegenden Lymphgefässe blos gelegt, somit der Aufnahme virulenter Stoffe zugänglich werden.
4)nbsp; nbsp;Chemische, fermentartige Wund reize; dieselben entstehen häufig durch von aussen in die Wunde gelangende organische Substanzen, welche von den Wundsecreten imprägnirt und mit diesen zer­setzt auf die Wundränder ätzend einwirken. Charpie, Papierfetzen, Knochen­splitter etc. — Ferner werden microscopische Parasiten beschuldigt und von Manchen, z. B. von Hüter, Klebs und Anderen als der eigentliche Hauptfactor für alle derartige Processe angesehen.
Es gibt auch Stoffe, welche von den Eiterzellen aufgenommen und durch das Granulationsgewebe hin­durch in den Körper eingeführt werden, wie dies durch Aufstreuen von fein gepulvertem Carmin auf eine eiternde Wunde jederzeit leicht nachgewiesen werden kann. Ob und welche infectiöse Substanzen auf diesem Wege durch das unversehrte Granulationsgewebe hindurch in den Körper gelangen können, ist noch nicht sicher festgestellt.
Da ss infectiöse Stoffe, welche in den Körper ein­geführt werden, indem sie d as G r anulation sge webe zerstören, heftigeEntzündung verursachen, ist lejcht begreiflich. Zum Glücke ist die Zahl der auf Wunden einwirkenden schädlichen Substanzen relativ klein, im Verhältnisse nämlich zu der unendlichen Zahl von organischen und nicht organischen Stoffen, welche der die Patienten umgebenden Luft beigemengt sind.
DasWundfieber pflegt beiQuetschwunden heftiger aufzutreten, als bei Schnittwunden. Der Grund hiefür liegt wohl darin, dass bei ersteren mehr deletäre Stoffe in das Blut gelangen, als bei letzteren, indem bei jenen die Zersetzung an der Obei'fläche der quot;Wundränder in der Regel viel beträchtlicher ist, als bei diesen. — In solchen Fällen, wo von dem fauligen Gifte grössere Quantitäten in das Blut gelangen, oder wo dasselbe eine besonders intensive Wirkung besitzt, nimmt das Fieber den Charakter des sogen. laquo;Faulfiebersraquo; an. Wir werden dasselbe später unter der Rubrik der Septicsemie einlässlicher besprechen.
Als laquo;Nachfieber gt; oder laquo;Eiter ungsfiebergt; bezeichnet
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man im Allgemeinen alle Fieber, welche nicht als einfache, primäre Wund­fieber angesehen werden können. Dieselben treten in der Eegel heftiger auf, als das primäre Wundfieber, so dass selbst bei unseren Hausthieren meist deutliche Schüttelfröste sich einstellen. Schliesslich sei hier in Bezug auf Fiebererscheinungen noch bemerkt, dass nach stärkeren Blutverlusten nicht selten ein Frösteln bemerkbar wird, ohne class indess Fieber vor­handen wäre; Temperaturerhöhung ist in solchen Fällen weder während des Frösteins wahrnehmbar, noch folgt sie bald nach.
Die Behandlung der Quetschwunden ist im Wesentlichen nach den­selben Kegeln und Grundsätzen zu leiten, wie die Behandlung der Schnitt­wunden. Zunächst muss die Wunde sorgfältig gereinigt, lose Gewebsfetzen und andere fremde Körper aus derselben entfernt werden; dann kann die vorsichtige Anwendung der Kälte folgen. Ich habe mich bereits früher bezüglich dieses Mittels dahin ausgesprochen, dass dasselbe unter Umständen und in entsprechendem Umfange angewendet, zweckmässig sei, in anderen Fällen hingegen auch recht nachtheilig, ja lebensgefährlich werden kann, wenn es nicht zur rechten Zeit durch andere Mittel ersetzt wird. Bei allen Quetschverletzungen, wo ja ohnediess eine grössere Disposition zu gefährlichen Circulationsstörungen vorhanden ist, sei man deshalb besonders auf der Hut. Die feuchte Wärme wird, frühzeitig augewandt, die Bildung der De-marcationslinie in der Regel mehr begünstigen, weshalb die Kälte durch diese bald zu ersetzen ist. Aber auch der Anwendungsweise warmer Aufschläge muss man stets die nöthige Sorgfalt zuwenden.
Zunächst kommt ihre Temperatur in Betracht, dann ihr rechtzeitiger Wechsel, ferner die nothwendige Reinlichkeit der aufgelegten Lappen oder Säcke, sodann die richtige Consistenz der Cataplasmamasse, die nöthige Frische, d. h. der Ersatz derselben durch frisch bereitete, bevor Gährungs-processe in ihr auftreten u. s. wr. u. s. w. Als Zusatz zu den verschiedenen kalten oder warmen Flüssigkeiten, oder auch für sich allein in circa 100 Theilen Wasser gelöst, kann Kali hypermanganic. als belebendes und gleichzeitig desinficirendes Mittel gegen Quetschwunden empfohlen werden. Auch spirituöse Mittel, besonders Phenylspiritus (1 : 12) können hier im Allgemeinen recht oft eine nützliche Verwendung finden.
Wo die Wundränder trocken sind und nur wenig secerniren, da wird die Eiterung durch feuchte Wärme angeregt, resp. gefördert werden; wo hingegen die Eiterung bereits eingetreten, sogar profus ist, wo die Gra­nulationen schlaff, ödematös und blass sind, da werden wir zu Digestiv­mitteln und Exsiccantien unsere Zuflucht nehmen müssen. Arg. nitr., Hydrg. prsec. rubr., Terebinth, comm., Cupr. sulphur., Alumen ustum, Ferr. und
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Zinc, sulph., Holzkohle, Tinct. Myrrhae, Tinct. Aloes, die Empyreumatica, Collodium und Tannin, sowie andere Mittel werden uns bei geeigneter Wahl und Verbindung hier recht oft gute Dienste leisten.
Ueber das Verbinden eiternder Wunden haben wir schon gesprochen. Wo ein Verband angelegt wird, darf dies immer nur unter Beobach­tung folgender Cautelen geschehen:
1)nbsp; Die Verbandstücke müssen öfter gewechselt werden, und zwar bevor in, resp. zwischen denselben und der Granulationstläche eine Zersetzung der Wundsecrete eintritt.
2)nbsp; Jede Gelegenheit einer Infection durch die Verbandstücke muss vermieden, diese sowie die Wundflächen von Zeit zu Zeit mit der nöthigen Sorgfalt gereinigt werden.
Der freie Zutritt der Luft begünstigt den Zersetzungsprocess weit weniger, als abgeschlossene Luft, was bereits früher bemerkt worden ist. Deshalb darf man sich nicht fürchten, sondern man muss stets Sorge tragen, dem Eiter freien Abfluss zu verschaffen und nöthigenfalls zu Gegenöffnungen, Haarseilen, Drainage u. s. w. seine Zuflucht nehmen; auch kann Bespritzen der Wunden mit desinficirenden Substanzen unter Um­ständen recht nützlich, ja nöthig werden.
Möglichst vollkommene Ruhe des verletzten Theiles, Vermeidung aller Momente, welche Congestivzustände oder Erkältungen verursachen können, Abhaltung aller mechanischer, chemischer und infectiöser Irritation u. dgl. sind Aufgaben einer verständigen Therapie.
Die Regelung der Diät, sowie die etwa erforderliche innerliche Be­handlung wird sich nach dem allgemeinen Zustande des Patienten, sowie nach dem Stadium der Entzündung richten müssen. Bei fieberhaften Zu­ständen kommen die Antifebrilia, Sedativa und Antiseptica, China, Opium, Ferrum etc. etc. mit in Betracht.
Risswunden können mit Zerreissung eines Theiles der ausseien Haut, oder subcutan zu Stande kommen. Erstere werden in der Regel durch von aussen eingedrungene mehr oder weniger stumpfe Fremdkörper (Haken u. dgl.) vei'ursacht, indem die erfassten Gewebe entweder in Folge der schnellen Bewegung des Fremdkörpers oder des (erschrockenen) Thieres auf kleinere oder grössere Strecken zerrissen werden. Diese Wunden sind eigentliche Quetschwunden, jedoch von den vorhin beschriebenen dadurch nicht unwesentlich verschieden, dass die Quetschung gewöhnlich auf die Wundränder begrenzt ist und nicht weit über die Nachbarschaft sich
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ausdehnt, während die Haut nicht selten auf grössere Strecken von ihrer Unterlage losgerissen ist.
Die Prognose und Behandlung haben sich nach den vorhin angegebenen Grundsätzen zu richten. Zuweilen wird eine Heilung per primam intentionera möglich sein, weshalb in geeigneten Fällen, wenn nämlich die Verletzung einer Schnittwunde ähnlich ist, die Wundränder mit dem Messer oder der Scheere geebnet und nach Vorschrift vereinigt werden müssen.
Im Allgemeinen heilen Risswunden aus nahe liegenden Gründen leichter als andere Quetschwunden. Ich sah bei einem iV^jährigen Füllen, welches an einem spitzigen, abgebrochenen Aste eines gefällten Baumes, bei einem Versuche über denselben wegzuspringen, sich die Scapula auf eine grosse Strecke losgerissen hatte, wobei die Haut und die Muskulatur zwischen Brust und Oberarm zerrissen waren, in sechs Wochen Heilung eintreten.
Bei völliger Losreissung von Körpertheilen, z. B. der Zunge, eines Ohres, des Scrotums u. s. w., wie dies in seltenen Fällen vorkommt, ist von einem Versuche dieselben anzuheilen, erfahrungsgemäss nichts zu er­warten. Man muss sich damit begnügen, eine Vernarbung der entstandenen Wunde mit bleibendem Defect zu erzielen. Näheres hierüber gehört in das Gebiet der speciellen Chirurgie.
In Bezug auf die Aetiologie der subcutanen Zerreissungen sei hier kurz bemerkt, dass dieselben meist in Folge übermässiger Kraftanstren­gungen, oder in Folge von gewaltsamen Erschütterungen durch Nieder­werfen u. dgl. entstehen. Zerreissungen innerer Organe, z. B. des Magens, der Leber u. s. w. sind unheilbar und gewöhnlich erst nach dem Tode mit Sicherheit zu diagnosticiren. Während des Lebens kann nur dann eine subcutane Zerreissung poripherisch gelegener Gewebe bestimmt erkannt werden, wenn dieselbe einen gewissen Umfang erreicht und das zerrissene Gebilde so nahe der äusseren Körperoberfläche liegt, dass bei der Be­tastung die Lücke im Zusammenhange wahrgenommen wird. Liegen die betroffenen Theile tiefer oder gar in einer Körperhöhle, so kann nur aus der gestörten Function und aus der vorausgegangenen Gelegenheit, welcher die Läsion etwa zuzuschreiben ist (die demnach durch die Anamnese erforscht werden muss), mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit aut das Vorhandensein oder Fehlen einer Zerreissung geschlossen werden. *)
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*) Leonliardt sah vor zwei Jahren (und diagnosticirte ans den vorhandenen Functionsstöruugen) beim Pferde eine Zerreissung der beiden Back-Schenkelbeinmuskel (muse. vast. ext. und int.), welche durch plötzliches Anhalten und Wenden im Wagen entstanden war. Carsten-Harms beobachtete einen ähnliehen Fall bei einer Kuh.
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Zur Heilung von subcutanen Zeri'eissungen ist eben­falls absolute Ruhe vor allen Dingen nothwendig; im Uebrigen ist die Behandlung nach den für subcutane Quetschungen gegebenen Regeln zu leiten. Vogel heilte ein Pferd, das sich bei einem Sprunge über einen hohen Gartenzaun die Sehne des rechten vorderen Kronbeinbeugers sub-cutan total abgerissen hatte, innerhalb 96 Tagen vollständig.
Schusswunden kommen am häufigsten im Kriege vor und zählen im Allgemeinen zu den Quetschwunden. Dieselben sind häufig absolut und schnell tödtlich, nicht selten zerschmettern sie ganze Körpertheile, so dass in der thierärztlichen Praxis in derartigen Fällen von Kurversuchen keine Eede sein kann.
Es kommen hier deshalb nur solche Schusswunden in Betracht, welche keine directe Lebensgefahr mit sich bringen und auch von diesen zunächst nur diejenigen, welche ohne Complication mit Knochenfracturen u. dgl. auftreten.
Die Verletzungen, welche vermittelst Schusswaffen verursacht werden, sind mannigfach verschieden. Zunächst ist hier die Waffe, sowie die Ladung laquo;das Projectilraquo;, von Bedeutung. Es ist selbstverständlich, dass ein Schrot-schuss andere Verletzungen erzeugt als eine Kugel, und dass die Ver­letzungen dieser wieder sehr verschieden sein können, je nachdem sie mehr oder weniger schwer, rund, spitz, solid oder hohl ist u. s. w. Auch die Distanz, aus welcher der Schuss gekommen ist, verdient berücksichtigt zu werden. Die Veterinärchirurgie ist in Bezug auf Schusswunden im Ganzen noch sehr wenig entwickelt, während die sogen. Kriegschirurgie der men­schenärztlichen Praxis über dieses Kapitel eine bedeutende Literatur auf­zuweisen hat, die nach jedem Kriege und so auch iiainentlich nach dem deutsch-französischen (1870/71) einen bedeutenden Zuwachs erfährt, resp. erfahren hat.
Zunächst mag darauf aufmerksam gemacht werden, dass Schussver­letzungen keineswegs nothwendig mit Perforation der äusseren Haut ver­bunden sein müssen, obgleich dies wohl weitaus am häufigsten der Fall sein wird. Kugeln, deren Fluggeschwindigkeit bereits bedeutend abgenommen hat, die, wie man zu sagen pflegt, schon matt geworden sind, bevor sie den Thierkörper erreichen, haben manchmal nicht mehr die Kraft, die feste, zähe Haut zu durchdringen, am allerwenigsten aber dann, wenn sie dabei in einem Winkel auflällen, der sich zwei Bechten nähert. Es werden dann die äussere Haut und die unter derselben gelegenen Weichtheile einen den Verhältnissen entsprechenden Grad von Quetschung erfahren können.
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ohne dass eine Perforation jener zu Stande kommt. Derartige Schussver­letzungen wurden früher als laquo;Luftstreifschüsseraquo; bezeichnet, weil man glaubte, dass in den betreffenden Fällen die Contusionen der Haut und der untergelegenen Weichtheile nicht durch unmittelbaren Contact mit dem Projectil, sondern durch die zwischen diesem und dem Thierkörper befindliche Luft entstanden sei. Man dachte sich nämlich die Sache etwa so: wenn das Projectil nahe an der Körperoberfläche vorbeigehe, so werde die Luft zwischen Projectil und Körperoberfläche so stark comprimirt, dass in Folge dessen die Contusionen hervorgerufen würden, oder aber: es werde die Kugel electrisch und dadurch in einer unbekannten Weise die Verletzung per Distanz veranlasst. Von dieser etwas träumerischen Ansicht ist man inzwischen ganz abgekommen, ohne jedoch die Bezeich­nung c Luftstreifschuss gt; volllständig aussei- Kurs gesetzt zu haben. Wo man also diesem Ausdrucke begegnet, möge man denselben in dem eben angegebenen Sinne interpretiren. Durch solche matte Kugeln kann nun die Haut in die Weichtheile eingedrückt und dadurch eine Quetschung dieser verursacht werden, ja es können sogar Rippen oder nicht zu resistente andere Knochen in Folge solcher Einwirkungen brechen, ohne dass eine offene Hautwunde nothwendig entstehen muss.
Es gibt auch noch eine andere Art von Quetschverletzungen ohne perforirende Hautwunde, welche die Folge der Einwirkung von Geschossen sein können. Nicht selten treffen die Projectile den einen oder anderen Theil der Bekleidungsgegenstände der Thiere (vorzugsweise also der Cam-pagne-, Train- und Bagage-Pferde), so dass dadurch selbst noch ziem­lich flugkräftige Kugeln vor dem Eindringen in oder auf den Thierkörper abgehalten werden. Derartige Quetschungen verhalten sich dem Umfange und dem Grade nach selbstver­ständlich sehr verschieden, und sind erhebliche Commotionen edler innerer Organe in Folge der­selben nicht selten, so dass selbst durch diese eine grosse oder gar absolute Gefahr für das Leben des betreffenden Thieres verursacht werden kann.
Im Uebrigen sind alle derartigen Contusionen ganz nach den früher für Quetschungen ohne offene Hautwunde angegebenen Regeln zu be­handeln.
Unter den Schussverletzungen mit perforirter äusserer Haut verhalten sich am einfachsten die sogen. tStreifschüsseraquo;. Bei denselben sind nur die Körperdecke und die ihr zunächst liegenden Weichtheile verletzt.
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Die Schusswuude bildet eine mehr oder weniger lange Hohlrinne. Derartige Streifschüsse sowie auch die vorhin beschriebenen Luftstreifschüsse können aber auch üble Folgen nach sich ziehen, besonders wenn unmittelbar unter der Haut liegende Knochen mit verletzt wurden. Diese Eventualitäten werden wir jedoch an einem andern Orte zu besprechen haben.
Ausser diesen beiden Hauptformen von Schussverletzungen kommen noch zwei andere vor. Es kann nämlich das Projectil an der einen Stelle in den Körper eindringen und an einer andern Stelle wieder aus demselben heraustreten, so dass ein perforirender Schusscanal sich vorfindet, oder es kann ein blinder Schusscanal entstehen, indem das Geschoss nur an einer Stelle die Haut durchbohrt. In diesem letzteren Falle wird das Projectil in der Regel im Körper stecken bleiben, wenngleich die Möglichkeit vorhanden ist, dass dasselbe an einen Knochen anprallt und wieder aus derselben Oeffnung, durch welche es in den Körper eingedrungen ist, herausfällt. Schusswunden mit perforirendem Schusskanale werden laquo;Haarseil-schüssegt; genannt; bei denselben ist die Oeffnung, welche das Geschoss an seiner Eintrittsstelle in den Körper macht, in der Regel rund, ihre Ränder sind gequetscht und gewöhnlich etwas eingedrückt. Mit dem Pro­jectile können auch andere fremde Körper in den Organismus hineinge­schleudert werden, so z. B. Kugelpflaster, Theile von Ausrüstungsgegen­ständen ix. s. w.; auch kann ein Knochen zertrümmert und Theile desselben tiefer in den Organismus hineingerissen werden.
Ist der Schusscanal ein perforirender, so pflegt die Austrittsöffnung des Geschosses grosser zu sein, als dessen Eintrittsöffnung. Durch Zerspringen des Projectils, (was namentlich bei kleineren Hohlgeschossen im Inneren des Körpers erfolgen kann), sowie auch durch Knochensplitter können zwei und mehr Ausgangsöffnungen entstehen*); wobei ein oder mehrere Kugelstücke oder Knochensplitter im Körper stecken bleiben können. Die Kugel kann auch an irgend einer Stelle des Schusscanals ganz stecken bleiben.
Die verschiedenartige Beschaffenheit der Aus- und Eintrittsöffnungen hat einen gewissen diagnostischen Werth. Bei strafbaren Verletzungen kann die Bestimmung der Eintrittsöffnung unter umständen von Be­deutung sein, insofern sie die Richtung angibt, aus welcher der Schuss gekommen ist. Ein perforirender Schusscanal ist keineswegs immer noth-wendig ein gerader; es kann das Geschoss in seiner Richtung durch
.*) Hohle Gewehrkugeln sind in dem letzten italienischen Kriege vielfach verwendet, durch die Genfer Convention indess vertoten worden.
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Knochen oder straff gespannte Sehnen abgelenkt und dadurch der Schuss-canal winkelig werden. Die letztjährigen Erfahrungen haben aber gelehrt, dass Umkreisungen der grossen Körperhöblen jedenfalls viel seltener sind, als man bis dahin angenommen hatte, und dass dieselben in dem früher für möglich gehaltenen Umfange wohl gar nicht vorkommen. Es hat sich gezeigt, class Kugeln unter Umständen Eingeweide durchdringen können, ohne nothwendig absolut tödtliche Folgen nach sich ziehen zu müssen; man hat sich auf das Bestimmteste überzeugt, dass solche Schussverletzungen keineswegs immer so gefährliche sind, als man früher glaubte. Ich habe selbst durchschossene Menschenmagen, Leber etc. gesehen, ohne dass die Leute, an den Folgen dieser Schusswunden gestorben, oder auch nur schwer erkrankt gewesen wären, wo jedoch eine neue Verletzung oder eine bald nachher eingetretene Krankheit den Tod des betreffenden Individuums nach sich zog und zur Entdeckung dieser interessanten Data führte. Ebenso habe ich das Kniegelenk perforirende Schusscanäle gesehen, wo die Pa­tienten nach sehr kurzer Zeit wieder vollständig geheilt waren. Derartige Thatsachen sind für die erst in der Entwicklung begriffene veterinär­ärztliche Kriegschirurgie von Bedeutung und verdienen alle Beachtung. Die Hülfeleistungen des Thierarztes erstrecken sich im Kriege vorzugsweise auf solche Verletzungen, welche durch Handfeuerwaffen hervorgebracht sind. In Bezug auf diese möchte ich anrathen, nicht jedes Thier, das eine in eine Körperhöhle eintretende Schusswunde erhalten hat, ohne Weiteres zu tödten, da die eben angeführten Erfahrungen in der menschenärztlichen Praxis zu dem Schlüsse berechtigen, dass auch bei Thieren derartige Verletzungen möglicherweise recht bald ohne Nachttheil heilen können. Dies bestätigt folgender in Stockfleth's Chirurgie, Seite 94 und 95 mitgetheilte Fall: laquo;Ein Militärpferd wurde am 12 September 1850 bei Missunde durch eine Spitzkugel, welche zwischen der vierten und fünften Rippe eingedrungen war, verwundet. Obgleich die Kugel stecken blieb, so genas Patient doch vollkommen und blieb bis zum 16. Mär^Wö es wegen vorgerückten Alters getödtet wurde, bei der Artillerie. Die Kugel hatte das Zwerchfell durch­bohrt und lag, von etwas Bindegewebe umhüllt, nahe hinter demselben. Das Loch im Zwerchfell war geblieben, seine Ränder waren vernarbt.
Schusswunden sind im Allgemeinen, wenigstens in der ersten Zeit wenig schmerzhaft, wie dies mit Bezug auf Thieve nicht nur per analogiam, sondern auch aus dem Umstände erschlossen werden kann, dass in der Schlacht verletzte Pferde, selbst wenn der Schuss eine Gliedmasse per-forirte, je nach Beschaffenheit der Verletzung noch längere Zeit vollständig dienstfähig geblieben sind. Bei Menschen ist diese fast absolute Schmerz-
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losigkeit leicht und sicher zu constätiren und ein Eückschluss auf Thiere in diesem Falle wohl kaum als ein gewagtes Unterfangen anzusehen.
Dass indess die Schmerzempfindung und Schmerzäusserung individuell sehr verschieden ist, zeigt sich auch hier. Nach den Erfahrungen von Reuss (im deutsch-französischen Kriege 1870—71) sollen scheinbar unbedeutende Abschürfungen der äusseren Haut durch Streifschüsse, besonders wenn dieselben in der Nähe der Knochen und Gelenke sich befinden, oft ungewöhnliche Schmerzen verursachen. Das Allgemeinbefinden gestaltete sich nach der individuellen Natur der verwundeten Thiere sehr ver­schieden, so class Reuss sensibele Pferde oft sehr aufgeregt, mit Schweiss bedeckt und zitternd fand, während weniger empfindliche, ge­wöhnliche Landpferde selbst bei bedenklichen Wunden sich häufig ganz abgestumpft zeigten. Wo das Geschoss nicht tief eingedrungen war und ohne grosse Schwierigkeiten entfernt werden konnte, heilte die Wunde bei einfachem Reinigen mit warmem Wasser, ohne dass die Patienten auch
nur dienstunfäh
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worden wären.
E. Viborg sah 1807 ein Pferd, dem eine Kugel in das linke Knie­gelenk eingedrungen war, den äusseren Gelenkkopf des Femur abgebrochen und in zwei Stücke getheilt hatte. Patient laugte auf der Thierarznei-schule an, ohne kaum lahm zu gehen, obgleich es eine halbe Meile nach erhaltener Verletzung zurückgelegt hatte. Erst am dritten Tage stellte sich Functionsstörung und Schmerz ein. — Ein Trainpferd hatte einen Büchseuschuss in die rechte Flanke bekommen und es zeigte sich bei der Untersuchung, dass die Kugel in die Bauchhöhle eingedrungen war. Das Pferd frass und trank, wie im gesunden Zustande; das Einzige, was auffiel, war der kleine Puls, woraus man auf innere Verblutung schloss. Nach Verlauf von zehn Stunden stürzte das Pferd zusammen und starb. Die Obduktion ergab Zerreissung eines bedeutenden Blutgefässes im Gekröse durch die Kugel. (Stockfleth 1. c. Seite 92.)
Die Blutung ist bei Schüsswunden in der Regel geringer, als bei Schnittwunden; gleichwohl bleibt dieselbe immer eine sehr zu beachtende Gefahr. Menschen und Thiere sind auf dem Schlachtfelde häufig das Opfer einer nicht zur Zeit gestillten Blutung. Die Haemostase bietet manchmal grosse Schwierigkeiten, so dass man nolens volens zur Tamponade schreiten muss, obgleich diese für den Heilungsprocess nachtheilig wirkt, weil sie die Reizung des Schusscanales und demnach die eintretende Entzündung er-#9632; heblich steigert.
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Die Behandlung der Schusswunden hat sich im Wesent­lichen nach denselben Grundsätzen zu richten, wie die der Quetschwunden überhaupt. Zuerst muss eine etwa vorhandene Blutung gestillt und dem­nach der Schusscanal sorgfältig sondirt werden, um zu ermitteln, ob in demselben noch ein fremder Körper steckt. Wo die Finger zu dieser Son-dirung ausreichen, sind sie am besten zu verwenden. laquo;Das beste aller Werkzeuge ist die Hand gt; sagte sehr richtig einer der ältesten Aerzte.
Wo dw Finger nicht lang genug sind, oder wo der Schusscanal zu eng ist, bedient man sich natürlich einer geeigneten Sonde. Ist die Kugel in eine der grossen Körperhöhlen eingedrungen, so unterbleibt am besten .lies Sondiren des betreffenden Schusscanales. Dass etwa aufgefundene fremde Körper zunächst extrahirt werden müssen, bedarf wohl kaum der Erwähnung. Es ist dies allerdings nicht immer so leicht gethan wie ge­sagt. Nicht selten wird eine Erweiterung der Eintrittsöffiuung und des vor dem fremden Körper befindlichen Theiles des Schusscanales nothwendig werden. Manchmal jedoch bringt eine solche Erweiterung wegen Nachbar­schaft grösserer Blutgefässe und dergleichen eine erheblichere Gefahr mit sich, als etwa eine Kugel, oder überhaupt ein metallischer Körper, da diese bekanntlich recht gut ohne Nachtheil zu verursachen, an verschiedenen Körpertheilen einheilen können. Diesen Thatsachen hat mau stets in ge­bührender Weise Rechnung zu tragen.
Es ist nun ferner darauf aufmerksam zu machen, dass eine Erweiterung des Schusscanales blos zum Zwecke der Heilung nicht nothwendig ist; dieselbe erfolgt, so weit die Wundheilung dies verlangt, von selbst, indem die gequetschen Canalränder brandig abgestossen werden. Diesem Processe geht die Loslösung eines kleinen ringförmigen Brandschorfes um die Ein­gangsöffnung voraus. Die Heilung erfolgt demnach durch Granulation und Eiterung von innen nach aussen. Bei Haarseilschüssen tritt die Vernarbung der Ausgangsöffnung in der Regel etwas früher ein, als die der Eiutritts-öffuung.
Zuweilen wird auch die Heilung von Schusswunden per primam in-tentionem beobachtet; dies ist jedoch im Ganzen nicht häufig, indem fast alle Schusswunden eine bald kürzere, bald längere Zeit eitern. — Wo fremde, namentlich organische Körper an irgend einer Stelle im Schusscanale zurückbleiben, da treten beinahe ausnahmslos stärkere und mehr in die Tiefe dringende Entzündungen auf. Metallische Gegenstände sind im Allgemeinen weit weniger ge­neigt, in ihrem Umfange heftige Entzündungen her­vorzurufen, als vegetabilische, weil letztere sich leicht zer-
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setzen und dann besonders durch ihre Zersetzungsprodukte schädlich ein­wirken. Aus diesem Grunde müssen nicht metallische Gegenstände überall, wo dies irgend möglich ist, aus der Wunde entfernt werden. Eingeheilte Metallkörper bleiben nicht immer an der betreffenden Stelle liegen, son­dern senken sich zuweilen; dies geschieht einestheils in Folge ihrer Schwere, anderntheils in Folge der Muskelactionen, durch welche eine alhnälige Verschiebung zu Stande kommt. In der menschenärztlichen Praxis, wo Schussverletzungen viel häufiger vorkommen, und wo im All­gemeinen nach der Heilung auch mehr Zeit zur Beobachtung der couse-cutiven Zustände vorhanden ist, sind in diesem Gebiete eine grosse Menge von interessanten Vorkommnissen beobachtet und mitgetheilt worden. So z.B. haben Kugeln, welche in der Hüftgegend eingedrungen und stecken geblieben waren, nach einer Reihe von Jahren unter den Waden, oder unter der Fersenhaut sich bemerkbar gemacht und sind dann mit Leichtigkeit herausgeschnitten worden.
Reuss gelang es in mehreren Fällen nicht, das Geschoss zu finden. Dies war namentlich beim Einschlagen desselben in die starken Muskel­partien der Kruppe und des Oberschenkels der Fall.
Derartige Verletzungen wurden immer complicirt, indem die eingedrungene Kugel ausgedehnte Quetschungen und Zerreissungen der Gewebe herbeiführte, welche ausser dem eigentlichen Schusscanale die Bildung von fortgesetzt eiternden Fistelgüngen nach sich zogen. Die Be­handlung solcher Patienten war trotz aller Heilmittel langwierig und un­dankbar.
Bei Haarseilschüssen gestalteten sich die Re­sultate etwas besser; Perforationen des Hinterkiefers ohne Zer­splitterung des Knochens und ohne Verletzungen der Hauptgefässe verliefen gewöhnlich günstig. Am Halse jedoch waren solche Schüsse bedenklicher^ da starke Blutungen die Thiere sehr entkräfteten nnd das lockere Unter­hautbindegewebe zu umfangreichen Blutunterlaufungen Veranlassung gab. Mitunter gelang es indess auch hier Heilung zu erzielen.
Luft-Streifschüsse in der IST ä he von Knochen und an der Kör per ober fläche gelegener Gelenke riefen sehr heftige Zufälle hervor, die nicht selten nach­haltige Lähmungen und Verdickungen zur Folge hatten, gegen welche spirituöse Einreibungen mit Jod gute Dienste leisteten. Solche Contusionen wurden nicht blos durch Gewehrkugeln, sondern auch durch Sprengstttcke explodirender Hohl­geschosse erzeugt. Zahl, Form und Grosse der Sprengstücke, sowie die
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Distanz, aus welcher dieselben kamen, waren natürlich für ihre Wirkungen wesentlich bestimmend. — Die Wunden v o n P r o j e c 111 e n aus Geschützen waren meist umfangreiche, mit erheblicherem Substanz­verluste verbunden; und wenn auch nicht immer absolut tödtliche; so doch immerhin in hohem Grade bedenkliche. Die betroffenen Weichtheile waren in der Regel zerrissen und die Knochen zertrümmert, so dass der Tod häufig in Folge heftiger Commotionen oder Blutungen eintrat, oder dass die Tödtung der Patienten geboten erschien.
Oefter wurden nachhaltige Schwäche des ganzen Körpers, langdauernde Eiterungen, Nachblutungen, Aufbrechen bereits geschlossener Wunden, An­schwellungen der Gliedmassen, Lähmungen u. s. w. unangenehm und nicht selten trat noch Starrkrampf ein, wenn die Gefahr bereits ganz beseitigt zu sein schien.
Der Grad des Fiebers richtet sich bei Schusswunden im All­gemeinen nach der Grosse und Ausdehnung dieser, sowie nach den bereits früher erwähnten accidentellen Vorkommnissen und Zuständen.
Wie bei Quetschungen überhaupt, so kommen auch bei Schusswunden nicht selten Nachblutungen vor; man muss deshalb Sorge tragen, dass hierdurch nicht etwa ein lethaler oder sonst übler Ausgang herbeigeführt wird.
Es ist von Bedeutung zu wissen, dass secundäre eiterige Entzündungen bei Schusswunden fast noch häufiger vorkommen, wie bei anderen Quetschwunden; dieselben dürften wohl meist dem Eindringen vege­tabilischer Substanzen in den Schusscanal und dem Steckenbleiben jener in diesem ihre Entstehung ver­danken.
Schusswunden, welche in Körperhöhlen eindringen, sind je nach ihrer Beschaffenheit, sowie nach der Wichtigkeit der etwa betoffenen Organe zu beurtheilen und zu behandeln.
Die vergifteten Wunden.
Dieselben verbalten sich mannigfach verschieden, je nach der Natur des in die Wunde eingedrungenen Giftes. Hier ist nicht die Rede von Giften, die überhaupt in der Natur vorkommen, sondern vorzugsweise nur von solchen, welche in thierischen Körpern erzeugt und von diesen während ihres Lebens oder nach ihrem Tode auf andere lebende Thiere gelegentlich bei Verwundungen dieser übertragen werden können und bereits öfter über-
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tragen worden sind. In einigen Thieren wird beständig an dieser oder jener Stelle des Körpers ein Secret erzeugt, welches bei Einimpfung in Indivi­duen anderer Thierspecies eine mehr oder weniger heftige Entzündung, ja selbst den Tod zur Folge haben kann. Einzelne Gifte werden nur zu ge­wissen Zeiten und in Folge bestimmter Krankheitsprocesse im Thierkörper producirt und verursachen bei Uebertragung auf andere empfängliche In­dividuen entweder mehr oder weniger locale Zufälle mit nachfolgender all­gemeiner Intoxication, oder aber es zeigen sich zunächst örtlich keine besonderen Wirkungen des Giftes, (wie z. B. beim Wuthgifte), indem erst mit Hervortreten des Allgemeinleidens bestimmte locale Wirkungen sich bemerkbar machen.
Giftige Thiere. Zunächst kommen hier einige bei uns vorkommende giftige Insekten in Betracht, namentlich die
1) Bienen und Wespen. Dieselben besitzen an ihrem hinteren Leibes­ende bekanntlich einen röhrenförmigen Stachel, der mit einer Drüse in Verbindung steht, die ein scharfes ätzendes Secret liefert, welches in die Haut anderer Thiere gebracht eine verhältnissmässig starke Reizung her­vorruft. Zwar ist ein einzelner Bienen- oder Wespenstich ohne weitere bedenkliche Folgen, so dass dieserhalb die Hülfe des Thierarztes nicht leicht in Anspruch genommen werden dürfte. Wird indess ein Thier von vielen Bienen oder Wespen, namentlich von mehreren sogenannten Hornissen überfallen, so können die Verletzungen so erhebliche Störungen nach sich ziehen, dass selbst das Leben des Thieres in Gefahr kommt.
Die Behandlung solcher Insektenstiche besteht am besten in Waschungen mit kaltem Wasser, Bleiwasser, oder mit verdünntem Salmiakgeiste, 1 Th. Liqu. amm. caust. zu 10 Th. Wasser.
Ob auch Fliegenstiche, die an und für sich ungefährlich oder ganz unschädlich sind, durch zufällig dem Stachel anhaftende thierische Gifte tödtlich werden können, ist noch nicht sicher entschieden, obgleich mehrere Angaben und Thatsachen dafür zu sprechen scheinen. So z. B. werden Milzbrandinfectionen des Menschen (pustula maligna) nicht selten auf Fliegen-Stiche zurückgeführt. — Auch berichtet D a v a i n e von einer Septicannie, welche ebenso, wie der Milzbrand, durch Inoculation übertragbar sei. Er will in Folge fortgesetzter Impfungen die Wirkung dieses Giftes nach und nach so gesteigert haben, dass schliesslich die einem Fliegenstachel an­haftende, weniger als den millionsten Theil eines Tropfens betragende Menge etwa 35 Stunden nach der Einimpfung eine tödtlich verlaufende
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Septicsemie zur Folge hatte. Diese unglaublich erscheinende Mittheilung ist in neuerer Zeit von Bouley und Vulpian bestätigt worden. (Panum in Virchow's Archiv, Juli-Heft 1874, Seite 341.)
2) Giftschlangen. Es gibt (namentlich lebendige Jungen gebärende) Schlangen, welche sich durch Besitz einer Giftdrüse auszeichnen. Diese steht durch einen hohlen Zahn mit der Mundhöhle in Communication, so dass beim Bisse (einer Giftschlange) der Hohlzahn sich aufrichtet, auf die Giftdrüse drückt und dadurch der giftige Saft in die Bisswunde ein­strömt. Die in Deutschland und der Schweiz vorkommenden Giftschlangen sind einzig die Kreuzotter = Vipera- oder Pelias Berns und die Vipera Redii. Beide erreichen eine Grosse von circa ll/a bis 2l/2 Fuss. Ihr Biss wird glücklicherweise nicht leicht tödtlich; (nach statitischen Berechnungen sollen von 60 gebissenen Menschen etwa zwei sterben). Unsere Hausthiere werden zuweilen beim Weidegange und Jagdhunde auf der Jagd von einbeimischen Giftschlangen gebissen; nur bei den kleineren Arten werden die Zufälle manchmal so heftig, dass Lebensgefahr eintritt und eine thierärztliche Behandlung dieserhalb nachgesucht wird.
Das verletzte Glied schwillt in der Regel mehr oder weniger bedeutend an, bei Bissen in die Lippen kann die Anschwelllung selbst über den Kopf hinaus auf den oberen Theil des Halses sich ausbreiten. Bisse in die Gliedmassen verursachen gewöhnlich bedeutendes Lahmgehen, indem die entzündliche Anschwellung sich bis zum Rumpfe hin ausbreitet. Auch können Symptome einer Allgemeininfection, Erbrechen, Athemnotb, Fieber, später Krämpfe und schliesslich der Tod eintreten, wenn nicht in den ersten Tagen die Erscheinungen nachlassen.
In anderen, namentlich südlichen Länderen kommen weit giftigere Schlangen vor, so z. B. in Amerika die Klapperschlange, in Ostindien die Brillenschlange, am Cap der guten Hoffnung die Puffotter etc. deren Biss alljährlich viele Opfer fallen.
Behandlung: Unterhaltung einer Blutung, später Aetzen der Bisswunde, Brechmittel. In Amerika will man durch den inneren Gebrauch von Sal­miakgeist (selbst enormer Dosen) und durch directe Application desselben auf die Wunde oft Heilung erzielt haben (bei Negern namentlich) selbst nach Bissen von Klapperschlangen, und in Alabama z. B. ist (nach Heustis-Stille) Salmiakgeist das übliche Hausmittel bei Verletzungen durch diese Reptilien. (Siehe Nothnagel, Heilmittellehre, Seite 544.)
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Das Leichengift kommt hier weniger mit Rücksicht auf die Patienten des Thierarztes, als mit Rücksicht auf seine eigene Person in Betracht. Dasselbe ist eine phlogogen wirkende, bis jetzt wenig gekannte Substanz, welche in menschlichen und thierischen Cadavern öfter sich entwickelt, ohne dass man zur Zeit die Bedingungen ergründet hätte, unter denen dieses geschieht.
Kommt etwas Leichengift in eine vorhandene Wunde eines Menschen, so kann eine local bleibende, oder eine bis zur nächsten Lymphdrüsen-Station gehende, oder eine allgemeine Infection erfolgen. Bei rein localer Wirkung entsteht an der Infectionsstelle (in der Regel wird diese beim Menschen an einem Finger sein) im Verlaufe von 24 Stunden massiger Schmerz und eine leichte Induration; dann entsteht auf der Wunde ein trockener Schorf, unter welchem sich stets, (wenn auch nur wenig) Eiter befindet. Der Schorf bildet sich, so oft man ihn entfernt, von neuem, die Stelle bleibt schmerzhaft, hart; mit der Zeit verdickt sich die Epidermis auf der Wunde, wodurch an deren Oberfläche ein nässender, schmerzhafter, warzenähnlicher Knoten sich entwickelt, den mau gewöhnlich mit dem Namen lt; Leichentuberkel gt; bezeichnet. Wer Neigung zu diesen secundären örtlichen, rein Bildungen hat, ist meist zu allgemeiner Infection wenig disponirt. Diese besteht darin, dass zu den ersten örtlichen Erscheinungen eine Entzündung der Lymphgefässe und der zunächst gelegenen Lymph­drüse (Achseldrüse) sich hinzugesellt, welche bei frühzeitiger Behandlung in Zertheilung übergehen kann, aber oft zur Bildung von Abscessen führt.
Manchmal verursacht die Wunde anfangs nur wenig Schmerzen; den­noch aber empfindet der inficirte Mensch bald eine starke Abgeschlagenheit, Kopfweh, Fieber und Uebelkeit, welchen Delirien, Sopor und zuweilen schon nach 40 Stunden der Tod folgt. (Billroth.)
Der Thierarzt muss diese Zustände kennen, um sich vorkommenden Falles frühzeitig schützen zu können.
Vergiftungen durch Leichengift werden nach Rillroth am besten zuerst mit fleissigen Kaltwasser-Begiessungen oder -Waschungen behandelt, während die Blutung, wenn eine solche vorhanden ist, nicht gehemmt, sondern eher gefördert werden soll. In sehr vielen Fällen wird dadurch der schädliche Stoff gleich ausgespült und es erfolgt keine weitere Infection. Da man in der Regel nicht weiss, ob in einem Cadaver Leichengift vor­handen ist, so müsste man, um möglichst sicher zu gehen, nach jeder Ver­letzung bei Sectionen in der angegebenen Weise prophylaktisch verfahren. — Kommt es zur Röthung um die Wunde, so empfehlen sich Aetzungen mit
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Argent, nitr. oder mit rauchender Salpetersäure. Dieselben sind allerdings sehr schmerzhaft, aber auch von vortheilhafter Wirkung. Es bildet sich nicht selten unter dem Aetzschorf neuer Eiter; derselbe muss immer wieder abgehoben und die Stelle neuerdings geätzt werden, bis sich kein Eiter unter dem Schorfe mehr bildet und letzterer fest aufsitzt.
Tritt Lymphangoitis auf, so ist der Arm vor Allem durch einen Ver­band ruhig zu stellen und dann eine entsprechende Behandlung einzuleiten, welche der Veterinär seinem menschenärztlichen Genossen überlassen muss.
Die Empfänglichkeit für das Leichengift ist individuell verschieden; wiederholte lufectionen scheinen die Disposition eher zu steigern als zu mildern. Kleine, nicht bedeutende, noch offene nicht verschorfte oder sonst­wie gedeckte Risswuuden und excoriirte Hautstellen sind immer gefährlicher in Bezug auf die Aufnahme infectiöser Substanzen, als tiefere, namentlich stark blutende Schnittwunden. Die Gründe für diese Thatsachen liegen nahe, da einerseits die Ausbreitung der am stärksten resorbirenden wan­dungslosen Lymphgefässnetze gerade in der oberflächlichen Schicht der Cutis liegt, während andererseits durch Blutungen der in die Wunde ein­gedrungene Giftstoff zum Theil oder ganz mit fortgerissen wird.
Durch thierische Ansteckungsstoffe vergiftete Wunden werden öfter absichtlich erzeugt, wie z. B. bei der Schafpocken-, Lungenseuche- und anderen Impfungen. Es können aber auch unbeabsichtigte und häufig sehr unangenehme Vergiftungen von Wunden mit fraglichen Substanzen vor­kommen. Derartige Zustände sind jedoch nicht häufig Gegenstand veterinär­chirurgischer Behandlung, weil nur selten kurze Zeit nach der Infection Er­scheinunger auftreten, welche den Eigenthümer veranlassen, die Hülfe eines Veterinärs in Anspruch zu nehmen. Dessen ungeachtet haben die betref­fenden Gifte, sowie namentlich die sie erzeugenden Krankheiten wenigstens zum Theil für den Veterinär eine hervorragende Wichtigkeit, weil auch Menschen durch dieselben erkranken und in grosse Lebensgefahr gerathen können. Aus diesem Grunde sollen hier die Rotzkrankheit, der Milzbrand, die Hundswuth, die Aphthenseuche und die Lungenseuche kurz besprochen werden.
Die Rotzkrankheit (Malleus humidus, Maliasmus) geht ursprünglich, so viel wir wissen, vom Pferdegeschlechte aus, kann indess auf den Menschen und auf unsere sämintlicheu Hausthiere, sowie auf verschiedene wilde Thiere (wenigstens in Gefangenschaft gehaltene) übertragen werden. Die Zufälle, welche nach Rotzinfectionen auftreten, sind je nach der Thierspecies und Individualität für den betreffenden Organismus von sehr verschiedener
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Bedeutung. Sie bleiben entweder local oder sie haben eine Allgemein-erkrankung zur Folge, welche meist mit dem Tode endet.
Von unseren Hausthieren zeigen die Gattungen lt; Schwein und Bind gt; die geringste Empfänglichkeit für dieses Gift; nur sehr selten haftet es bei denselben und niemals verursacht es bei ihnen ein Allgemeinleiden, so dass Kotzinfectionen für diese Thierspecies so gut wie bedeutungslos sind.
Das klinische Bild der Rotzkrankheit kann ausserordentlich variiren, so dass selbst der beste Sachverständige nicht immer in der Lage ist, erkennen zu können, ob ein Individuum an derselben leidet oder nicht. Zwar gibt es Symptome, bei deren Anwesenheit man mit Sicherheit auf Rotzkrankheit schliessen kann; indess nicht selten fehlen alle diese, sowie andere Krankheitserscheinungen, durch welche auch nur ein Verdacht, viel weniger eine sichere Diagnose begründet werden könnte. Wenn bei einem Pferde ein einseitiger Nasenausfluss, einseitige, knotige Anschwellung der correspondirenden Kehlgangsdrüse, schankröse Geschwüre auf der Xasen-schleimhaut, oder wenn sogen. quot;Wurmbeulen im subcutanen Bindegewebe, oder Rotzknötchen in der Haut sich zeigen, so wird der Kenner in der Regel nicht im Unklaren sein, womit er es zu thun hat, da durch diese Erschei­nungen der Nasen- und Hautrotz meist so deutlich gekennzeichnet wird, dass eineVerkennung dieser Zustände kaum möglich ist. Dies sind aber nicht die einzigen Erscheinungsformen, unter denen die Rotzkrankheit auftritt, indem dieselbe nicht immer auf der Nasenschleimhaut, oder in, resp. unmittelbar unter der äusseren Haut sich localisirt. Es kann auch die Rachenhöhle, der Kehlkopf und die Trachea, sowie die Lunge der Sitz der betreffenden pathologischen Veränderungen sein, wo dann erst klinische Symptome zur Wahrnehmung gelangen, wenn die Krankheit schon längere Zeit bestanden und an verborgenen Stellen vielleicht zu bedeutenderen Destructionen ge­führt hat, oder wenn die äussere Haut oder Nasenschleimhaut schliesslich in Mitleidenschaft gezogen und dadurch characteristische Erscheinungen geboten werden. Nicht selten sind von dem betreffenden Patienten schon mehrere Infectionen ausgegangen, ohne dass auf ihn selbst auch nur der leiseste Verdacht einer Rotzerkrankung gefallen wäre. Auch gibt es Fälle, die unter den Erscheinungen eines gewöhnlichen Catarrhs, oder einer gewöhn­lichen Druse mit Eiterung im subcutanen Bindegewebe in der Umgebung der Kehlgangsdrüsen, oder eines Luftsackcatarrhs auftreten und erst später, manchmal erst nach längerer Zeit, als Rotz sich zu erkennen geben. Der­artige Fälle mögen zu der Ansicht verleitet haben, dass aus Druse (sowie aus andern Krankheitszuständen) Rotz entstehen könne, während die Sache meist wohl so liegen dürfte, dass dieser im Verborgenen schon vorhanden
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war, ehe die Erscheinungen der Druse auftraten. Dass somit gegen Ge­fahren, welche die occulten Rotzformen mit sich führen, ein Schutz in der Regel nicht möglich ist, weil der Zustand unerkannt bleibt, liegt auf der Hand. Wenn der Arzt jeder etwa möglichen Infectionsgefahr ausweichen wollte, würde er die Hälfte seiner Zeit mit Desinficiren etc. zubringen müssen. So wenig demnach der Veterinär die Aengstlichkeit zu weit treiben darf, eben so wenig soll er die ihm zu Gebote stehenden Schutzmassregeln leichtsinnig vernachlässigen. Bei Untersuchungen rotzverdächtiger Pferde kann man sich zweckmässig einer Glasscheibe bedienen, was ich zuerst von Leonhardt gesehen habe. Dieselbe wird bei Inspection der Nasen­höhlen zwischen diese und das Gesicht des Exploranteu gehalten und ist überall da zu empfehlen, wo man einen eigenen Concavspiegel mit durch­sichtigem Centrum nicht besitzt. Ein solcher Spiegel hat etwa 36—40 Ctra. Peripherie und im Mittelpunkte einen durchsichtigen Kreis von circa 1 Ctm. Durchmesser. Derselbe wird am einfachsten vermittelst eines Bandes vor einem Auge so befestigt, dass man durch das Fenster hindurchsehen und gleichzeitig das reflectirte Licht zur Beleuchtung der zu betrachtenden Stellen verwenden kann. Nach vollendeter Untersuchung ist eine ent­sprechende Reinigung und Desinfection vorzunehmen.
Ohne an dieser Stelle auf die verschiedenen klinischen Erscheinungen des Rotzes näher eintreten zu können, will ich nur bemerken, dass die spontane Entwicklung in Rede stehender Krankheit, resp. deren Ent­stehung aus anderen Krankheitszuständen, sehr zweifelhaft und wenn über­haupt möglich, so gewiss doch sehr selten ist. Ich stimme mit Ger lach darin vollkommen überein, dass vom sanitätspolizeilichen Standpunkte aus die Rotzkrankheit als reine Contagion zu behandeln sei; bereits vor zehn Jahren habe ich als preussischer Kreisthierarzt in meinen Sanitätsberichten sowie bei einer Versammlung des Vereines rheinpreussischer Thierärzte in Cöln den Antrag gestellt, die geeigneten Schritte zu thun, damit die veterinär-polizeilichen Gesetze gegen die Rotzkrankheit dem entsprechend geändert würden. Ich bemerke dies hier, um Missverständnissen vorzu­beugen, welche aus nachstehender Opposition gegen das Dogma der Un-heilbarkeit der Rotzkrankheit entstehen könnten.
Ich will nun zunächt über die beim Menschen vorkommenden Rotzinfec-tionen meine Ansichten und Erfahrungen in Kürze mittheilen, weil über diesen Punkt selbst in ärztlichen Kreisen zum Theil eine grosse Unwissen­heit besteht, zum anderen Theile ganz unrichtige Ansichten herrschen.
Wie beim Pferde, so gibt es auch beim Menschen eine acut und eine chronisch verlaufende Rotzkrankheit, deren erste nach vollständiger Ent-
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#9632;wicklung fast absolut tödtlich ist, während die letztere nicht selten nach langwierigen Leiden zum Tode, fast eben so häufig aber zu mehr oder weniger vollständiger Genesung führt.
Im Allgemeinen ist die Empfänglichkeit des Menschen für das Rotzgift keine besonders grosse, jedenfalls aber kommen Infectionen häufiger vor, als mau nach den Angahen der Aerzte schliessen sollte. Wie mancher Fall mag abortiv verlaufen, ohne class der Patient eine Ahnung davon hat, was ihm fehlt, und ohne dass irgend ein Arzt zu Rathe gezogen .wird. Ein solcher Ahortivverlauf kommt aber nicht nur dann vor, wenn in Folge der Infection eine locale Erkrankung eingetreten ist (Gerlach, Bouley), sondern auch dann, wenn jede äussere Localaffection fehlt, und eine vorhandene Erkrankung objectiv überhaupt nicht festgestellt, sondern nur subjectiv empfunden werden kann. So theilte mir der vor circa zwei Jahren hier in Bern verstorbene Professor Gerber einige Zeit vor seinem Tode mit, class er vor etwa 15 Jahren ungefähr 14 Monate lang an einer llotzinfec-tion gelitten habe, ohne dass sein Arzt irgendwie characteristische Erschei­nungen hätte wahrnehmen können. Die Schmerzen im Kehlkopfe, in der Trachea und deren Verzweigungen hätten sich später ganz verloren und seitdem sei er im Allgemeinen wieder recht gesund gewesen. In solchen Fällen ergeht es den Menschenärzten ähnlich wie den Thierärzten, wenn Pferde an sogen, occultem Rotz leiden. Es ist hier jiicht der Ort, auf eine weitere Casuistik einzutreten; ich beschränke mich deshalb darauf zu bemerken, dass es mir an weiteren Gründen nicht fehlt, anzunehmen, dass auch beim Menschen der occulte Rotz über Jahr und Tag bestehen kann, und schliesslich entweder mit Genesung oder mit Tod endet, ohne vielleicht jemals characteristische Anhaltspunkte für die Diagnose geboten zu haben.
Man hat in früheren Zeiten (namentlich in Frankreich) die Contagiosität der Rotzkrankheit, gänzlich geleugnet und noch vor wenigen Jahren be­stritten, dass dieselbe auf den Menschen übergehen könne. So hat Bar the-lemy der Aeltere noch im Jahre 1837 in der Academie der Medicin seine ganze Reredtsamkeit für die Immunität des Menschen gegen das Rotzgift aufgewendet. R a y e r widerlegte denselben, indem er von einem Menschen, der nach seiner Diagnose an Rotzinfection litt, die Krankheit einem Pferde mit Erfolg einimpfte.
Gelangt in eine Wunde oder in eine excoriirte Hautstelle des Menschen oder auf die Schleimhaut der Nase oder des Auges etwas Rotzgift, so können sehr acute locale Entzündungen sich entwickeln. Selbst von der unverletzten Haut, namentlich von solchen Stellen, an denen die Epidermis
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dünn ist, sowie von Stellen in der Nähe der Nägel bei vorhandenen Nagel­wurzeln, soll eine Aufnahme des Contagiums erfolgen können, was für den Verkehr mit rotzigen Pferden zu beachten ist. In günstigen Fällen bleibt die Infection eine mehr oder weniger locale, so dass keine weiteren Allge­meinerscheinungen folgen, indem unter allmäliger Heilung der örtlichen Entzündung vollkommene Genesung eintritt. Nicht selten aber folgt alsbald eine Ausbreitung der Infection, die sowohl der Art als dem Grade nach sehr verschieden sein kann. Erreicht dieselbe einen höheren Grad, gesellen sich zu ihr rheumatische Schmerzen in den Muskeln und Gelenken, diffuse erysipelatöse Röthung, Knoten- und Pustelbildung, starke Schwellung der Haut, copiöser oder übelriechender (oft nur einseitiger Nasenausfluss), Heiserkeit (die bis zu gänzlicher Aphonie sich steigern kann), Athem-beschwerden, zuweilen etwas blutiger Auswurf, Delirien, Diarrhöe, Coma und die für Rotzpyohäraie des Menschen so characteristisch angesehenen Muskelabcesse, so erfolgt das lethale Ende in der Regel innerhalb vierzehn Tagen bis vier Wochen. Bei diesem acuten Verlaufe ist die Krankheit fast absolut unheilbar.
Weniger gefährlich sind die Rotzinfectionen des Menschen mit chro­nischem Verlaufe, die zum Theil in Genesung übergehen, was vielleicht am häufigsten bei occulten Rotzerkrankungen vorkommen mag.
Die äusserlicii wahrnehmbaren Symptome der chronischen Rotzkrankheit des Menschen sind im Wesentlichen dieselben, wie bei acutem Rotz, nur pflegt das Fieber geringer zu sein und die Abwicklung der localen Erscheinungen weniger stürmisch zu erfolgen. Die Dauer variirt zwischen einigen Monaten und mehreren Jahren, mag indessen im Mittel auf vier Monate berechnet werden können. Die Zahl der acuten Rotzfälle beim Menschen soll grosser sein, als die der chronischen; es ist dies jedenfalls richtig, wenn man die occulten Rotzerkrankungen abrechnet: wie gross die Zahl dieser ist, lässt sich natürlich nicht ermitteln, jedenfalls aber ist sie grosser als man im Allgemeinen annimmt.
Meine Ansichten über die Häufigkeit der Rotzinfectionen und deren Uebergang in Genesung bei Menschen und Pferden weichen von den heute ziemlich allgemein gültigen nicht unwesentlich ab, weshalb ich dieselben hier kurz resümiren will.
Ich halte die Rotzkrankheit weder beim Pferde, noch beim Menschen in dem gewöhnlichen Sinne für absolut unheilbar; dies ist erst dann der Fall, wenn dieselbe bis zu gewissen, noch genauer zu ermittelnden Stadien sich entwickelt hat. Dass die Widerstandsfähigkeit der einzelnen Organismen gegen die Angriffe des Rotzgiftes eine sehr verschiedene ist, kann nicht
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bestritten werden; es geht dies unzweifelhaft daraus hervor, dass nicht nur die einzelnen Thierspezies, sondern auch die Individuen dieser eine sehr verschiedene Empfänglichkeit für dasselbe besitzen.
Es scheint mir nun zunächst ziemlich folgerichtig, anzunehmen, dass der Kampf zwischen Organismus und Virus nicht in allen Fällen sofort sich entscheide, sondern dass es je nach dem Grade der Empfänglichkeit und Widerstandsfähigkeit einzelnen Individuen gelingt, alle sichtbaren Wir­kungen des Ansteckungsstoffes niederzuhalten, während andere erst nach kürzerem oder längerem Kampfe siegen oder unterliegen. Demgemäss glaube ich, dass Rotzinfectionen bei Menschen wie bei Pferden auf verschiedenen Stufen der Entwicklungsstadien, wenigstens der ersten, sich zurückbilden und in Genesung übergehen können. Dieser Ansicht entsprechen auch die klinischen Erfahrungen, wenn man nicht, wie es zu geschehen pflegt, die absolute Unheilbarkeit der ßotzkrankheit als Glaubensartikel betrachtet; derselbe ist jedoch bis jetzt keineswegs bewiesen und kann nur dadurch cursfähig erhalten werden, dass man alle Fälle von dauernd geheiltem Piotzverdachte einfach für etwas Anderes, als für Rotzinfection erklärt. Ein solches Dogma ist um so schädlicher, je mehr man ihm den Anschein gibt, das Resultat exacter Beobachtungen zu sein; es verleitet dadurch zu der irrigen Meinung, class auf diesem Gebiete für weitere Forschungen kein ergiebiges Feld mehr vorhanden sei. Prüft man aber die bis jetzt feststehenden klinischen und experimentellen Thatsachen genauer, so ergibt sich alsbald, dass gerade die Frage über die Heilbarkeit von Rotzinfec­tionen noch weit, davon entfernt ist, eine entscheidende Lösung gefunden zu haben. Wir müssen hoffen, dass weitere Beobachtungen allmälig immer mehr Lichtstrahlen in das Dunkel dieses Gebietes senden werden. Es scheint mir vor allen Dingen nöthig, den Glaubenssatz von der absoluten Unheilbarkeit der Rotzinfectionen bei Menschen, Pferden und verschiedenen anderen Thieren auf seine thatsächliche Berechtigung zu prüfen, um dadurch neuerdings zu weiteren und zahlreicheren Studien dieser Frage einzuladen.
Eine arzneiliche Behandlung gegen die ausgebildete Kotzkrankheit hat bis jetzt eben so wenig beim Menschen wie beim Thiere besondere Resultate aufzuweisen. Es ist deshalb um so nothiger, sich vor etwaigen Infectionen so gut wie möglich zu schützen. Phenylsäure und Chlor erfreuen sich als Zerstörungsmittel des Rotzgiftes eines besonderen Rufes; der Sublimat dürfte indess nicht weniger wirksam sein. Letzteren, sowie die Jodprä­parate, namentlich das Judkalium (wegen seiner milderen örtlichen Wirkung anderen Jodpräparaten gegenüber) halte ich für die wirksamsten Mittel, um die Krankheit in ihren Anfangsstadien zu bekämpfen. Bei jeder thera-
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peutischen Behandlung rotzkranker Individuen muss die Ernährung eine intensive sein, wobei Verdauungsstörungen zu verhüten sind.
Was die Verbreitung der Rotzkrankheit bei Pferden anbelangt, so sei zunächt bemerkt, dass dieselbe von verschiedenen Verhältnissen abhängig ist. Eben so wenig wie alle Individuen derselben Thierspezies die gleiche Empfäng­lichkeit für diesen oder jenen Ansteckungsstoff besitzen, eben so wenig hat dieser in allen Fällen eine gleich intensive Virulenz. Nach meinen Wahr­nehmungen scheint die Krankheit in einem Pferdestande besonders schnell sich auszubreiten, wenn die Glieder desselben Hautverletzungen an sich tragen, wie dies bei schlecht gehaltenen Zugpferden (Fuhrmanns- und Schiffspferden) nicht selten ist. Ich schliesse daraus, dass die immer wieder von neuem wund geriebenen Stellen als Atrium dienen, obgleich ich an denselben nie spcziüsche Erscheinungen wahrgenommen habe, die zu einem bestimmten Schlüsse über den Eintritt am betreffenden Orte berechtigen.
Ich bezweifle überhaupt, dass das ßotzgift in allen Fällen an der Stelle seines Eintritts in den Thierkörper mehr oder weniger spezifische Symptome hervorruft. Wo eine unverletzte Schleimhaut (und vielleicht auch die unverletzte äussere Haut) als Atrium dient, da dürfte eine Intoxi­cation nicht selten ohne objectiv wahrnehmbare, namentlich ohne charac-teristische Localaffection zu Stande kommen.
Das Contagium ist fixer und, wie vielfach angenommen wird, auch flüchtiger Natur. Für letztere Eigenschaft sprechen die nicht seltenen Infec-tionen durch Pferde, welche an occultemRotz leiden, wobei die Ansteckung per distance statthaben kann, indem Pferde inficirt werden, die nicht in der nächsten Nähe des verborgen erkrankten Individuums stehen. Dieses Argument ist jedoch keineswegs ein so schwer wiegendes, dass es keine Einwendungen zuliesse. Beachtenswerth ist das Experiment Renault's, der sieben Nasen rotziger mit denen sieben gesunder Pferde durch je einen Schlauch so in Verbindung brachte, dass letztere die exspirirte Luft der kranken Thiere während einer Woche täglich eine Stunde lang einathmen mussten. Keins der gesunden Pferde wurde in Folge dessen rotzkrauk.
Der Fleischgenuss von Thieren, die mit Rotzkrankheit behaftet, getödtet worden oder gestorben sind, muss auf's strengste untersagt werden. Zwar scheint es, dass die unverletzte Schleimhaut des Verdauungsapparates die Virulenz des Rotzgiftes zu zerstören oder doch bedeutend zu mindern vermag. Die in neuerer Zeit nicht selten vorgekommenen Fälle von Rotz-infectionen in Gefangenschaft gehaltener wilder Fleischfresser beweisen, dass ein bezügliches Verbot gerechtfertigt ist, wenngleich die Ansteckung vor-
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zugsweise auf den Contact rait verletzten Hautstellen zurückzufüliren sein dürfte.
Der Milzbrand, der (vielleicht wegen der schwarzen Farbe des Blutes) auch laquo; Anthrax gt; (von o uvDqu'sect; die Kohle) genannt wird, verursacht bei unseren Hausthieren im Ganzen nur selten Vergiftungen von Wunden und wohl nur dann, wenn eine Uebertragung des betreffenden Ansteckungs­stoffes durch nicht ganz sorgfältig gereinigte chirurgische Instrumente oder durch Stiche von Insecten vermittelt wird, welche auf Cadavern von Thieren gesessen haben, die an Milzbrand verendet sind. Im Allgemeinen schreibt man dem Milzbrandgifte eine grosse Lebenstenacität zu; seine Wirksamkeit bei directer Einverleibung in die Säftemasse ist eine sehr energische, so dass schon kleine Quantitäten ausreichen, um eine Intoxication zu Stande zu bringen.
Der Veterinär wird nicht häufig dazu kommen, durch Milzbrand ver­giftete Wunden bei Thieren zu behandeln. Da aber die Behandlung des Milzbrandkarbunkels bei Menschen und Thieren vorzugsweise eine chirur­gische ist, so sei hier kurz bemerkt, dass Incisionen, die nicht ganz bis in's gesunde Gewebe eindringen dürfen, mit nachfolgender Cauterisation mit Aetzkali, rauchender Salpetersäure, concentrirter Carbolsäure oder mittelst des Glüheisens, welcher später fleissiges Befeuchten, resp. Ausspritzen mit Phenylspiritus oder der Gebrauch von Cataplasmen mit Zusatz von Car­bolsäure folgen müssen, besonders zu empfehlen sind. — Der Thierarzt hat beim Milzbrände ferner noch eine andere, nicht minder wichtige Auf­gabe, nämlich die, sich und seine Nebenmenschen vor etwaigen Infectiouen zu schützen.
Gelangt Milzbrandgift in eine Wunde oder auf eine von der Epidermis entblösste Hautstelle, so entstellt beim Menschen eine anfangs nicht selten unscheinbare Pustel oder eine diffuse Entzündung in der Haut, mit später folgendem bedeutendeni Fieber.
Im Allgemeinen bleibt das Gift beim Menschen viel länger local, als bei Thieren; bei diesen war nach Renault's Versuchen bereits 10 bis 12 Minuten nach erfolgter Impfung die Cauterisation nicht mehr im Stande, eine Allgemeinerkrankung zu verhindern.
Diese Hautentzündung nimmt beim Menschen sehr bald die Beschaffen­heit eines Carbunkels mit raschem Ausgange in Brand an; sich selbst überlassen endet die Krankheit häufig tödtlich.
So lange eine Allgemeinerkrankung sich noch nicht eingestellt hat, ist der Verlauf beim Menschen häufig ein so milder, dass die Patienten
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sich nicht einmal ernstlich unwohl fühlen. Nach oder mit dem Auftreten von Fieberscheinungen kommt es zuweilen zur Bildung metastatischer Kar­bunkel an verschiedenen Körperstellen.
Ob der Milzbrandkarbunkel auch beim Menschen primär sich entwickeln kann, oder nur in Folge von Infection entsteht, ist bis jetzt nicht ganz bestimmt entschieden. Derselbe darf nicht indentificirt werden mit dem gewöhnlichen Karbunkel des Menschen, der ein Conglomerat von Furunkeln ist, während der Milzbrandkarbunkel von einem einzelnen scharf begrenzten Centrum ausgeht; in diesem werden meist Bacterien gefunden, in jenem nicht. Auch der Ort des Vorkommens ist verschieden. Der Milzbrand­karbunkel kommt gewöhnlich an unbedeckten Hautstellen, der nicht con-tagiöse Carbunkel im Rücken und Nacken vor.
Die Impfungen mit dem Inhalte der Pustula maligna des Menschen auf Thiere haben verschiedene, zum Theil widersprechende Resultate ge­liefert.
Die Behandlung localer Infoctionen beim Menschen besteht in der Ausführung kräftiger Incisionen mit nachfolgender Application von Phenyl-spiritus oder in der Anwendung des ferrum candens, sowie sonstiger Aetz-mittel. Kommt der Karbunkel früh zur Behandlung und ist noch keine intensive Blutinfectkm vorhanden, so tritt gewöhnlich Genesung ein; bei vollkommener Entwicklung des Milzbrandkarbunkels und daheriger Septi-caunie ist dagegen der Tod so gut wie sicher.
Bei energischer Localbehandlung tritt zwar öfter noch Genesung ein, wenn die Erscheinungen bereits eine bedenkliche Höhe erreicht hatten. Man darf dieselbe deshalb selbst in den verzweifeltsten Fällen nicht unver­sucht lassen. Bei günstigem Ausgange verlieren sich mit den örtlichen auch die allgemeinen Erscheinungen.
Die Frage nach der Zulässigkeit des Fleischgenusses milzbrandkranker Thiere kann unmöglich einer difierenten Beurtheilimg unterliegen, da schon die Gefahr, welche der Contact mit solchem Fleische in sich birgt, den mit der Zubereitung zum Essen erforderlichen Verkehr durchaus verbietet. Ueberdies ist es aber auch kaum mehr fraglich, dass nicht nur von ver­letzten, sondern auch von intacten Schleimhautstellen des Verdauungstractus Infectionen mit Milzbrandgift ausgehen können. Die bezüglichen Erschei­nungen der dadurch entstehenden abdominalen Anthraxformen entsprechen dem Milzbrandfieber des Rindes und führen fast ausnahmslos zum Tode.
Die Erscheinungen, welche beim Menschen nach einem Mahle (ge­kochten oder gebratenen) Milzbrandfleisches eine erfolgte Infection bekunden,
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sind bezüglich der Zeit ihres Eintrittes, sowie der Qualität verschieden. Manchmal stellt sich bereits nach mehreren Stunden Kopfschmerz. Mattigkeit, Frösteln, Brechneigung und wirkliches Erbrechen, Leibschmerzen, und ohne dass es zur äusseren Localisation kommt, das lethale Ende ein, nachdem Cyanose und allgemeiner Collapsus vorausgegangen sind. Es kann aber auch das Leiden weniger acut verlaufen, indem erst nach mehreren Tagen Appetitlosigkeit, unruhiger Schlaf, Depression der Kräfte und des Gemüthes sich bemerkbar machen, welchen Erscheinungen Erbrechen, Leibschmerzen, Durchfall und Cyanose folgen; ziemlich regelmässig enden solche Fälle innerhall) zwei bis sieben Tagen mit dem Tode, während welcher Zeit an der Körperobertiäche Localisationen (Karbunkel) auftreten oder nicht.
Die Hundswuth (Rabies oder Lyssa). Der Giftstoff, welcher von dieser Krankheit erzeugt wird, ist kein phlogogener, insofern er auf die primäre Heilung der Wunden in der Regel keinen bestimmten Einfluss ausübt; kurz vor dem Krankheitsausbruche zeigt die Narbe (wenigstens bei Menschen) häufig neuerdings entzündliche Erscheinungen. Die nach solchen Vergiftungen nicht selten folgende Allgemeinerkrankung ist eine so fürchter liehe, wie kaum eine der andern Infectionskrankheiten. Alle Säugethiere, viel­leicht mit nur wenigen oder gar keinen Ausnahmen, können von der Wuth befallen werden; ist diese einmal bei einem Individuum zum Ausbruche ge­kommen, so ist der Tod der gewisse Ausgang. Beim Menschen dauert die Incu-bationszeit in der Regel drei bis sieben Wochen; es kommen indess nicht selten auch noch spätere Erkrankungen vor, sowie auch, wenngleich seltener, frühere. Den ersten Krankheitserscheinungen beim Menschen pflegt ein Jucken, oder ein gelinder Schmerz und Röthung der Bissnarbe vorauszugehen. Es zeigt sich im Allgemeinen zunächst eine grosse Empfindlichkeit für Gemüthseindrücke, verbunden mit grosser Reizbarkeit, Aufregung und Unruhe, und in seltenen Fällen schon frühzeitig Krämpfe heim Schlingen. In der Regel jedoch treten erst später allgemeine Zuckungen und Schlund­krämpfe ein, welche durch plötzlich wirkende Sinneseindrücke, so nament­lich beim Anblicke von Wasser oder spiegelnder Oberflächen, leicht her­vorgerufen werden, weshalb die Krankheit beim Menschen auch Hydro­phobie, d. i. Wasserscheu genannt wird.
Thiere, welche von einem anderen wuthkranken oder wuthverdächtigen Individuum gebissen wurden, müssen der öffentlichen Sicherheit halber ge-tödtet, oder längere Zeit unter strenge, sachverständige Controle gestellt werden. Eine Behandlung der Bisswunde ist bei Menschen und Thieren in erster Linie zu unternehmen, insofern es sich auch bei letzteren um Verhütung des Krankheitsausbruches handeln sollte.
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In der ersten Zeit ist die etwa vorhandene Blutung der Bisswunde, durch Waschungen mit warmem Wasser möglichst zu unterhalten. Nach­dem dies längere Zeit hindurch geschehen ist, wird die Wunde tüchtig kauterisirt. sei es mit dem Glüheisen oder, was besser ist, mit Aetzkali oder einer concentrirten Säure; die nachfolgende Eiterung muss Wochen lang unterhalten werden. Ist die Bisswunde tief und eng, so wird dieselbe so viel erweitert, dass man mit den angewandten Mitteln bis auf den Grund kommt. Um den Giftstoff zu entfernen, ist beim Menschen auch das Aussaugen der frischen Wunden empfohlen worden; dasselbe schliesst, wenn es durch eine Person besorgt wird, die Möglichkeit einer Infection dieser nicht ganz aus, insofern die Mundschleimhaut an irgend einer Stelle verletzt sein und dadurch die Aufnahme des Giftes in den Blutstrom er­folgen kann. Wo die Gelegenheit sich bietet, wird mau deshalb zu diesem Zwecke eines sogenannten trocknen Schröpfkopfes sich bedienen.
Ist die Wunde bereits vernarbt, so soll auch selbst dann noch das Ausschneiden der Narbe und die Aetzung derselben mit nachfolgender, mehrere Wochen hindurch unterhaltener Eiterung von Nutzen sein. Den vielen bestätigenden Angaben gegenüber wäre es Unrecht, die Anwendung dieses Prophylacticums, namentlich im Hinblick auf die absolute Erfolg­losigkeit jeder ärztlichen Behandlung der zum Ausbruche gekommenen Wuth, zu vernachlässigen.
Die Aphthenseuche scheint ebenfalls eine grössere Beachtung zu ver­dienen, als man bisher geglaubt hat. Fälle von Uebertragungen derselben auf Menschen sind keine so grosse Seltenheit; indess sind in neuester Zeit Mittheilungen gemacht worden, namentlich von Hugues in den laquo;Annales de Medecine veterinairo und von Ilulin in einer Denkschrift an die Academic der Medicin in Paris, mitgetheilt im laquo;Eecueil de Medecine veterinaire 1873raquo;, I. Heft, welche zu genaueren Untersuchungen auffordern. Die Mittheilungen Beider betreffen denselben Fall und stimmen mit einander ziemlich voll­ständig überein. Es sollen demnach Kinder, welche baarfuss gingen, an den Füssen sich die Krankheit eingeimpft haben. Alle, welche ohne ärztliche Behandlung blieben, sollen unter Hinzutreten von Halsaffectionen gestorben sein, während die durch Dr. Hui in mit Salzsäure behandelten Patienten sämmtlich genasen. Der von der Löwener Sanitätsbehörde nach Vieux-Everle, so heisst nämlich der betreffende Ort, geschickte Commissar, Prof. Craninx, bestreitet die aphthöse Natur der Krankheit, indem er dieselbe als Croup darstellt. Letztere Ansicht ist nach den bekannt gewordenen Thatsachen jedenfalls unrichtig, während andererseits auch der Zusammenhang mit der
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Maul- und Klauenseuche in keiner Weise bestimmt nachgewiesen worden ist. Es bleibt demnach vorläufig dahin gestellt, ob in der That so bösartige Infectioneu des Menschen durch Aphthenseuchegift, namentlich bei nur äusserem Contact mit diesem, verursacht werden können, wenngleich die Empfänglichkeit des Menschen für diesen Ansteckungsstoftquot; aussei- Zweifel gesetzt ist. An den Händen und Lippen habe ich einen blasigen Ausschlag nach Einimpfung des Inhaltes von Aphthen des Kindes mehrmals bei Men­schen entstehen sehen, ohne dass ügend welche erhebliche Folgen sich bemerkbar gemacht hätten; die Blasen heilten von selbst ab. Nur beiläufig sei hier noch erwähnt, dass die Milch von Thieren, welche an Aphthen-seuche leiden, im ungekochten Zustande bei Kindern einen blasigen Aus­schlag im Munde und Verdauungsstörungen hervorrufen kann; dies soll namentlich dann der Fall sein, wenn auch am Euter Aphthen vorhanden sind. Ob hier die Erkrankung als solche auf die Milchsecretion einen schädlichen Einfluss ausübt, oder ob vielmehr einzig die Verunreinigung der Milch mit dem Inhalte der Aphthen die schädliche Wirkung erzeugt, ist noch nicht ganz bestimmt entschieden. So viel ist indess sicher, dass Milch, welcher der Inhalt mehrerer Aphthen beigemengt ist, jedenfalls eine der Quantität entsprechende Ansteckungsfähigkeit besitzen, eventuell dieselbe erhöhen rauss.
Dass Saugkälber nach dem Genüsse der Milch von Kühen, welche an Aphthenseuche erkrankt sind, häufig an Gastroenteritis zu Grunde gehen, ist allgemein bekannt. Es soll aber die Erkrankung und das lethale Ende weniger dem eigentlichen Milchgenusse, als vielmehr dem directen Contact der Mundschleimhaut (beim Saugen) mit dem Aphthenseuchegifte, resp. der Beimengung dieses zur Milch, beizumessen sein.
Die Prognose ist bei Wunden, die mit dem Ansteckungsstoffe der Klauenseuche verunreinigt wurden, im Allgemeinen günstig.
Eine besondere Therapie für gewöhnlich nicht erforderlich, da die Heilung bei entsprechender Pflege der Wunde in der Kegel von selbst erfolgt. Wo ein therapeutischer Eingriff nothwendig wird, ist lediglich auf die Be­schaffenheit der Wunde zu sehen, ohne auf den Ansteckungsstoff besondere Rücksicht zu nehmen.
5) Die Lungenseuche erzeugt ebenfalls einen phlogogenen Ansteckungs­stoff, der unter die Epidermis eines für diese Krankheit empfänglichen Thieres gebracht, nach einigen Tagen heftige Entzündung hervorruft. Es wurden Impfungen mit diesem Ansteckungsstoffe zu gewissen Zeiten,
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namentlich in den letzten beiden Jahrzehnten, häutig vorgenommen, durch welche wir die phlogogene Wirkung dieses Stoffes näher kennen gelernt haben. Nicht selten entsteht Brand in solchen vergifteten Wunden, so dass Thiere, welche am Schwänze geimpft wurden, in früheren Jahren häufig dadurch ihren Schwanz verloren, manche sogar ihr Leben eingebüsst haben. Die Behandlung richtet sich ganz nach den bereits angegebenen Regeln; Mittel, welche eine gute Eiterung und Granulation befördern, sind bis zur erfolgten Heilung in jedem Stadium dieser Infection indicirt.
In jüngerer Zeit ist auch die Behauptung aufgestellt worden, dass der bösartige Carbunkel des Menschen zur Lungenseuche des Rindes in causaler Beziehung stehe. Man will nämlich beobachtet haben, dass in Gegenden, wo unter dem Rindvieh die Lungenseuche herrscht, beim Men­schen verhältnissmässig oft bösartige Karbunkel vorkommen. Ob dies in der That der Fall ist, weiss ich nicht; ich bezweifle aber, dass ein Causal-nexus zwischen den bezüglichen Erkrankungen des Menschen und des Rindes besteht.
Es sei hier noch kurz erwähnt, dass alle Fäulnissstoffe eine Wunde zu vergiften vermögen, und dass man deshalb mit denselben vorsichtig umgehen muss, wenn man eine frische Wunde hat oder sich eine solche zuzieht. Näheres hierüber bei den septischen Fiebern.
Verbrennungen und Erfrierungen.
Diese beiden Arten der Verletzungen werden deshalb zusammengestellt, weil dieselben in ihren Folgeerscheinungen viel Aehnlichkeit mit einander haben, so wunderbar dies auch dein Unkundigen erscheinen mag. Sprechen wir zunächst von den
Verbrennungen.
Dieselben entstehen in Folge der Einwirkung hoher Temperaturgrade auf den thierischen Organismus. Am häufigsten und ausgebreitetsten kommen Verbrennungen unserer Hausthiere bei Brandunglücken vor, bei denen es oft grosse Schwierigkeiten bietet, die Thiere dem Flammentode zu ent-reissen. Besonders Rindvieh und Schweine sind schwer aus brennenden Stallungen hinauszubringen; ich habe gesehen, dass dieselben gewaltsam herausgezogen werden mussten, um vor dem Feuertode bewahrt zu bleiben.
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Ich habe bei solchen Gelegenheiten die mannigfachsten Abstufungen von dem ersten Grade der Braudverletzung bis zur theihveisen Verkohhing einzelner Individuen angetroffen. Bei kleineren Haasthieren, welche meist in den Wohnungen der Menschen,, namentlich in den Küchen sich aufhalten, sind auch Verbrennungen durch heisse Flüssigkeiten, glühende Kohlen u. dgl. keineswegs selten. Verbrennungen mit glühenden Eisen werden in der thierärztlichen Praxis häufig absichtlich vorgenommen und können selbstverständlich auch durch Zufall, resp. gegen Wunsch vorkommen.
Der Einwirkung höherer Temperaturgrade verhalten sich die conce i-trirten Säuren und caustischen Alkalien analog, so dass die Anätzungen durch dieselben hier mit eingeschlossen werden können. Im Volksinuude werden sie fast überall schlechtweg lt; Verbrennungen gt; genannt. Wird frisch gebrannter Kalk, das Anhydrit des Calciumoxyd, mit Wasser über­schüttet, wie dies zum Zwecke der Mörtelbereitung bei Bauten zu geschehen pflegt, so entsteht aus bekannten Gründen eine bedeutende Temperatur­erhöhung, weshalb das noch nicht fertige, erst im Werden begriffene Cal-ciumoxyd-Hydrat sowohl durch seine hohe Temperatur, wie durch seine chemische Qualität zerstörend auf alle thierische Gewebe einwirkt.
Bei Verbrennungen ist der Grad der Intensität und Extensität der Gewebsverletzung zu berücksichtigen. Erstere ist abhängig von der Höhe der Temperatur und von der Dauer der Einwirkung des die Verbrennung erzeugenden Körpers. Man unterscheidet gewöhnlich drei verschiedene Grade der Verbrennung, welche sich in folgender Weise charakterisiren:
Der erstere, resp. leichtere Grad ist durch Röthung und Geschwulst der betreffenden Stelle mit gesteigerter Empfindlichkeit charakterisirt (Erythema von sovOcdvsiv roth machen). Diese Erscheinungen haben ihren anatomischen Grund in einer Ausdehnung (Hypertemie) der Capil-laren und in einer geringen Ausscheidung von Serum in das Gewebe der Cutis. In vielen Fällen erfolgt an der äusseren Haut nachträglich eine Abschuppung der Epidermis, wobei natürlich eine vermehrte Zellen-proliferation im Rete Malpighii vorhanden ist. In vielen Fällen wird wegen der dunklen Farbe der Haut und wegen dichter Behaarung derselben weder eine Röthung, noch eine Geschwulst deutlich erkannt werden können, so dass dann nur die gesteigerte Empfindlichkeit als äusserlich wahrnehmbares Krankheitssymptom vorhanden ist.
Die Dauer dieser wechselt bei leichten Verbrennungen zwischen wenigen Stunden bis zu einigen Tagen.
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Der zweite Grad der Verbrennung ist vorzugsweise durch Blasenbildung (bullse) gekennzeichnet, welche zu den vorhin genannten Erscheinungen des ersten Grades hinzutritt. Die Blasen entstehen entweder unmittelbar, oder erst einige Zeit nach der Verbrennung und können ihrer Grosse nach sehr ver­schieden sein; ihr Inhalt ist entweder ganz klares oder mit etwas Blut vermischtes Serum. Dasselbe befindet sich in der Regel zwischen dem Hornblatte und dem Schleimblatte der Epidermis, wie dies auch nach der Einwirkung blasenziehender Mittel der Fall ist. Sich selbst überlassen platzt die Blase und in Zeit von sechs bis acht Tagen wird die verloren gegangene Hornpiatte der Epidermis von dem Bete Malpighii vollständig regenerirt. Es kann indess auch vorkommen, dass au der verletzten Stelle nach dem Platzen der Blase eine mehrere Wochen andauernde Eiterung eintritt, wo dann der Eiter schliesslich zu einem Schorfe eintrocknet, unter welchem die Regeneration der Epidermis erfolgt. Auch diesen Zustand sehen wir nach einer etwas anhaltenden und kräftigen Einwirkung blasen­ziehender Mittel auf die Körperoberfläche in der thierärztlichen Praxis häufig. Je nachdem die Nerven in den Papillen der Hautobertiäche mehr oder weniger frei gelegt sind, wird der Grad der Schmerzhaftigkeit solcher Verletzungen verschieden sein.
Der dritte Grad der Verbrennung beginnt mit der Escharabildung, d. h. mit der Mortification eines Theiles der Haut durch die Verbrennung, (Es kann die Mortification auch auf tiefer liegende Weichtheile sich aut­dehnen.) Ueberall, wo die Zerstörung auf den Papillarkörper mit dem Bete Malpighii sich erstreckt, wird es zu einer mehr oder weniger ergiebigen Eiterung kommen, durch welche das mortificirte Hautstück abgelöst wird und die Heilung auf dem gewöhnlichen Wege der Granulation und Narben-gewebsbildung erfolgt. Ist nur die Epidermis und die Obertläche der Pa­pillen verkohlt, so wird die Eiterung in der Regel nicht lange andauern, indem von den Resten des Rete Malpighii der Ersatz der verloren gegan­genen Hornschicht bald erfolgt.
Bei ausgedehnteren Verbrennungen findet man die verschiedenen Grade derselben in der Regel vielfach neben- und durcheinander, so dass an der einen Stelle die Eiterung bald eine oberflächliche, an anderen Stellen eine mehr oder weniger tief gehende ist. während an noch anderen Stellen bald hier, bald dort nur die ersten Grade der Verbrennung angetroffen werden. Zuweilen bilden sich mitten in einer granulirenden Wunde Inseln von junger Epidermis. Dies hat zu der vielfach bestrittenen Ansicht geführt, dass bei jeder granulirenden Wunde nicht nur von ihren Rändern, sondern auch
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von einzelnen Punkten der mehr central gelegenen Wundfläche die Benar-bung ausgehen könne. Dies scheint jedoch nur da möglich zu sein, wo einzelne Reste des ßete Malpighii stehen gehlieben sind; wo bei Granula-tionsprocessen der ganze Papülarkörper der Haut fehlt, da wird die Be-narbuug wahrscheinlich stets und ausschliesslich nur von den Wundrändern her erfolgen, wenn nicht irgendwie Epidermiszellen aufgepflanzt werden. Hierüber bei den Erkrankungen der Haut Näheres.
Was die Prognose anbelangt, so ist dieselbe je nach dem Grade und der Ausbreitung der Brandwunden sehr verschieden. Es wurde bereits erwähnt, class Verbrennungen des ersten und zweiten Grades in der Regel leicht und schnell heilen, während die des dritten Grades manchmal lange Zeli zur Heilung bedürfen. Bei grösserer Ausdehnung des Hautverlustes wird sogar der Tod eintreten können, ohne dass der Hauptgrund in der zum Theii aufgehobenen Hautperspiration zu finden wäre; das letztere Ende ist vielmehr die Folge der andauernden Eiterung, durch welche die Kräfte des Patienten alhnälig ganz erschöpft werden, was namentlich bei jungen und sehr alten Thieren, besonders bei nicht intensiver Ernährung häufiger zu passiren pflegt.
Man darf nicht unbeachtet lassen, dass (vorzüglich bei langer und dichter Behaarung der Haut) die Ausbreitung und der Grad der Verbrennung, (namentlich wenn dieselbe durch heisse oder ätzende Flüssigkeiten verur­sacht worden ist) von vorneherein nicht immer bestimmt erkannt werden können, so dass dieselben im späteren Verlaufe sich manchmal bedeutender erweisen, als es zuerst den Anschein hatte.
In Rücksicht auf die Ausdehnung der Brandverletzungen ist prognostisch Folgendes zu bemerken: Im Allgemeinen gilt als Regel, dass Verbrennungen, welche zwei Drittel der Körperoberfläche betreffen, absolut tödtlich sind, und zwar den Untergang des betreffenden Individuums meist bald zur Folge haben, selbst wenn der Grad der Verbrennung auch nur ein leichter ist. Man hat den schnell eintretenden Tod in verschiedener Weise zu erklären versucht. Zuerst nahm man an, dass die gleichzeitige Reizung fast aller peripherischer Nervenendungen in der Haut als Ueberreizung auf das centrale Nervensystem wirke und dadurch eine Paralyse dieses erzeugt werde; — dann glaubte man, dass der Tod ähnlich wie nach Firnissüber­zügen u. dgl. der Körperoberdäche, durch Retention der für die Hautaus­dünstung bestimmten Ausscheidungen bedingt werde (Blutvergiftung, be­sonders durch Zurückbehaltung von Ammoniak), endlich glaubte man auch, dass der Tod die Folge einer intensiven phlogistischen oder septischen Intoxication sein könne. Die Bedeutung der constant gefundenen Darm-
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geschwüre (Duodenum) ist noch unbekannt und eine befriedigende Antwort auf diese Frage der Zukunft vorbehalten.
Durch arzneiliche Mittel vermag man die Heilung von Verbrennungen des ersten und zweiten Grades nicht zu beschleunigen; allenfalls kann man durch einhüllende, deckende Mittel die Schmerzen lindern, wenn die Hornplatte der Epidermis fehlt und die peripherischen Nervenenden dadurch blos gelegt sind. Im Uebrigen ist die Therapie darauf beschränkt, alle Momente fern zu halten, welche den normalen Heilprozess stören. Zur Deckung entblösster Hautstellen bedient man sich in der Veterinär­praxis ganz zweckmässig eines Gemenges aus gleichen Theilen Kalk­wassers und Leinöls, welche man durch sorgfältiges Schütteln in ein Liniment verwandelt. Auch ist eine Solution von Argent, nitricum (10 Gran auf 1 Unze Wasser) zu empfehlen, indess bei grossen, ausgebreiteten Ver­letzungen und bei einer grösseren Anzahl von Thieren ihres höheren Preises wegen nicht so gebräuchlich. Wo gerade kein Kalkwasser und keine Apotheke zur Hand ist, kann man die Brandwunden vorläufig mit irgend einem flüssigen Fette oder auch mit Eiweiss u. dgl. bestreichen. Die in Gebrauch gezogenen Mittel müssen nach angemessenen Zwischenzeiten wiederholt angewendet werden.
Die Behandlung der Verbrennungen des dritten Grades ist dieselbe wie vorhin angegeben wurde, wenn die Mortification nur die Cutis betrifft. Will man die Loslösung der Eschara befördern, so kann man dies durch Auflegen von Cataplasmen thun. An Körperstellen, welche viel be­wegt werden, nimmt die Heilung stets eine lange Zeit in Anspruch. Es bilden sich sehr üppig wuchernde Granulationen, bei denen die Tendenz zur Vernarbung eine geringe zu sein pflegt. oder aber es reiben sich, namentlich an Stellen, wo bei der Bewegung Falten entstehen, die Gra­nulationen aneinander ab, wodurch die Narbenbildung verzögert oder ganz verhindert wird.
Bei Anätzungen durch caustische Alkalien oder Säuren muss man zunächst die dem Thierkörper noch anhaftenden ätzenden Substanzen gründlich entfernen. Man kann dies durch schleimige Flüssigkeiten be­wirken, z. B. durch sorgfältiges Waschen mit Mehlwasser, Leinsamenschleim, oder einem innigen Gemisch von Eiweiss mit Milch oder Wasser u. s. w. Die beschädigten Hautstellen werden dadurch nicht nur rein abgespült, sondern gleichzeitig gedeckt. Sehr zweckmässig ist es, wenn man die Aetz-mittel direct unwirksam zu machen sucht, indem man dieselben neutralisirt. Hierzu bedient man sich gegen caustische Alkalien der verdünnten Säuren und gegen Säuren schwacher Auflösungen der Alkalien. Essig. Aschenlauge,
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Kalkwosser sind im Allgemeinen recht brauchbare Hausmittel. Besonders zu empfehlen ist: gegen Schwefelsäure: Bleiwasser, gegen Brechweinstein: Lösungen von Tannin oder Eichenrindendecoct, gegen frisch gelöschten Kalk, wie derselbe bei Bauten bereitet wird (siehe Seite 231): Essig, gegen Subli­mat: Kalkwasser, gegen Arsenik: Eisenoxyd-Hydrat. — Die eintretenden Entzündungsprocesse und ihre Folgen werden nach den bekannten allge­meinen Eegeln behandelt.
Thiere, welche als Fleischwaare zu verwerthen sind, lasse mau zur rechten Zeit schlachten, wenn keine Aussicht auf Heilung besteht. Aber auch da, wo diese wahrscheinlich oder gar sicher ist, muss man bei in-und extensiven Verbrennungen die später nachfolgende Karbencontraction berücksichtigen; wo durch dieselbe die zukünftige Brauchbarkeit des Thieres wesentlich beeinträchtigt wird, bleibt unter Umständen (besonders bei Sehlachtwaare) die frühzeitige Tödtung des so beschädigten Individuums am rathsainsten.
Es können auch Verbrennungen durch Blitz bei unseren Hausthieren verursacht werden. Werden diese direkt von einem Blitzstrahle getroffen, so sterben sie meistens sofort; schlägt der Blitz in unmittelbarer Nähe ein, so finden wir Verletzungen verschiedener Grade. Die betroffenen Thiere können so bedeutende Hirnerschütterungen erleiden, class sie einige Zeit betäubt daliegen; auch kommen Paralysen einzelner Glieder oder Sinnes­organe , zuweilen auch Verbrennungen und Extravasate an verschiedenen Körperstellen vor. Die Blitz Verletzungen verlaufen beim Menschen in eigen-thünilich verzweigten Zickzacklinien, die man an der unbehaarten Haut desselben deutlich erkennen kann. Ob dies auch bei Thieren der Fall ist, vermag ich nicht zu sagen, da mir weder aus der Literatur, noch aus meiner eigenen Praxis etwas Näheres hierüber bekannt geworden ist. Die bezüglichen Angaben des Kreisthierarztes Römer (im zweiten Hefte der Mittheilungen des schleswig-holsteinischen thierärztlichen Vereines 1872) sprechen nicht dafür, insofern man nicht annehmen will, dass die Ver­ästelungen der Hauptlinien in der behaarten Thierhaut der Beobachtung leicht entgehen und dadurch unbemerkt geblieben seien. Römer gibt an, class selbst bei tödtlichem Ausgange an der Haut und unter derselben manchmal jede Spur von der Einwirkung des Blitzes fehlt, während in anderen von ihm gesehenen Fällen von der Widerristgegend (der Einschlags­stelle) ausgehend sich längs des Rückens deutlich eine Rinne zeigte, die auf dem Kreuze entweder sich theilte und an den beiden Hinterschenkeln herablaufend bis zu den Klauen sich verfolgen liess; oder wie er einmal sah, dass die beiden Zweige vor dem Euter sich wieder vereinigten, ohne
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von da an weitere Spuren zu hinterlassen, oder aber dass die Kinne unge-theilt vom Kreuze aus nur an einem Hinterbeine herunterlief, an welchem ihre Windungen äusserlich durch die versengten. nicht immer bis auf die Haut verbrannten Haare gekennzeichnet waren. Nach Abnahme jener zeigte sich an deren Innenfläche ein 3—4 Zoll breiter rother Streifen, der dem Verlaufe der Rinne entsprach. — Dadurch wird es unwahrscheinlich, dass auch die Blitzverbrennungen bei Thieren in einer Zickzacklinie verlaufen, da diese an der Innenseite der Haut nicht wohl übersehen werden kann.
Die Heilung der entstandenen Verletzungen erfolgt beim Menschen ganz wie bei anderen Verbrennungen. Auch gestaltet sich die Prognose in Bezug auf die Blitzparalysen im Allgemeinen nicht ungünstig, indem die Nerven- und Muskelthätigkeit nach kürzerer oder längerer Zeit vollständig wiederzukehren pflegt. (B i11 r o t h.)
Erfrierung, Congelatio.
Wenn sehr niedere Temperaturgrade längere Zeit hindurch auf den Thierkörper einwirken, so können dadurch örtliche Erscheinungen hervor­gerufen werden, welche denen der Verbrennung sehr ähnlich sind, in diesem Falle aber als laquo;Erfrierungenraquo; bezeichnet werden. Solche Zustände kommen bei Gebrauchsthieren nicht so ganz selten vor. Wenn dieselben längere Zeit in frisch aufthauendem Schneewasser gehen oder stehen müssen, zeigen sich über den Hufen manchmal die nachtheiligen Einwirkungen der Kälte. Nicht so häufig leiden durch diese andere periphere Körper-theile (Schwanzspitze , Ohren), am ehesten geschieht dies noch hei recht scharfem, feuchtkaltem Winde. Wie bei den Verbrennungen so kann man auch bei Erfrierungen die vorhin beschriebenen drei Grade unterscheiden. Der erste Grad dieser bietet indess für die Diagnose noch mehr Schwierig­keiten als bei jenen. Der zweite Grad bedingt schon immer eine gewisse Gefahr für den betreffenden Körpertheil, und ist im Allgemeinen un­günstiger zu beurtheilen, als der nämliche Grad einer Verbrennung. Die Frostblasen unterscheiden sich von den Brandblasen dadurch, dass ihr In­halt selten klar, sondern meist blutig ist.
Bei etwaiger Behandlung des ersten Stadiums eines jeden der drei Grade von Erfrierungen gilt als Regel, die betroffenen Theile nicht zu schnell zu erwärmen. Im Allgemeinen ist in der thierärztlichen Praxis hier nicht viel zu thun, weil derartige Patienten in der Regel erst zur Behandlung kommen, wenn die ersten Wirkungen der Kälte vorüber sind
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und nur mehr die consecutiven Processe zu behandeln sind. Wo erfrorene Theile gangränös -werden, wird nur ganz ausnahmsweise Patient noch am Leben gelassen, in der Regel jedoch getödtet werden. Bei der Beurtheilung von Erfrierungen muss man stets vorsichtig sein, da sich anfangs nie sicher bestimmen lässt, wie der Ausgang wird.
Es können auch totale Erfrierungen, d. h. Erstarrung des ganzen Körpers vorkommen, die entweder mit Genesung oder mit Tod enden. Während der Erstarrung sind die Lebenserscheinungen sehr beschränkt; der Puls ist nicht mehr fühlbar, der Herzschlag kaum hörbar, der ganze Körper eisig kalt.
Die Behandlung dieses Zustandes besteht zunächst darin, dass man den Patienten in einem nur. wenig erwärmten Räume auf Stroh bettet und tüchtig mit Strohwischen frottiren lässt; auch muss man von Zeit zu Zeit die Respiration künstlich anregen. Die in neuerer Zeit über die Wieder­belebung erstarrter Thiere angestellten Experimente scheinen dafür zu sprechen, dass der früheren Annahme entgegen, erfrorene Thiere sicherer bei schnellem, als bei langsamem Erwärmen vom Tode errettet werden.
Die meisten Hausthiere, mit Ausnahme des Esels, ertragen höhere Kältegrade besser, als der Mensch, so dass ihre Einwirkung meist ohne Nachtheil bleibt. Stockfleth theilt in seinem Handbuche der Chirurgie, I. Theil, Seite 51 mit, dass am 28. Mai 1855 bei einem furchtbarem Nacht­froste mit starkem Sturm und Hagelschauern 55 Stück Rindvieh mit sehr feiner Haut und feinem Haare, welche an Anpfahlstricke festgebunden waren auf der Weide bei Eöskilde den Tod durch Erfrieren fanden.
Spontane Erkrankungen der Weichtheiie.
Bis jetzt haben wir nur von denjenigen Erkrankungen der Weichtheiie gesprochen, welche die Folge der einmaligen Einwirkung eines äusseren Reizes waren. Es können incless auch Erkrankungen der Weichtheiie auf­treten, welche nicht von so auffälligen äusseren Insulten abhängig sind, so dass die Ursachen manchmal schwer, oder überhaupt gar nicht mit Be­stimmtheit eruirt werden können. Solche Erkrankungen hat man im Allgemeinen laquo;spontaneraquo; genannt. Ich will diese Bezeichnung der Kürze halber beibehalten, obgleich sie nicht ganz passend ist. insofern damit eine gewisse Unabhängigkeit von äusseren Einwirkungen — und ein darin
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liegender Gegensatz zu traumatischen Gewebserkrankungeu ausgedrückt wird, was, wie sich bald ergeben wird, nicht so unbedingt begründet ist.
Diese sogenannten spontanen Erkrankungen der Weichtheile unter­scheiden sich auch durch einen bald acuteu, bald chronischen Verlauf. Wir werden dieselben hier nur kurz besprechen, indem wir bei den Er­krankungen der verschiedenen Gewebe gelegentlich auf dieselben zurück­kommen.
Zunächst dürften einige allgemeine Bemerkungen über die A e t i o -1 o g i e der spontanen Entzündungen hier am Platze sein. Hierhin gehören:
1)nbsp; nbsp;0 eft er wiederkehrende mechanische Reizungen, welche durch ihre cumulative Wirkung sich wesentlich in ihren Folge-zuständen von denen eines einmaligen Reizes unterscheiden. Obgleich alle Entzündungen der Weichtheile, welche die Folge mechanischer Einwirkungen sind, streng genommen zu den traumatischen gehören, so ist in Rücksicht auf die grosse Verschiedenheit des Verlaufes und des Ausganges der nach öfter wiederkehrenden Reizen entstehenden Entzündungen, im Vergleiche zu den nach einem einmaligen mechanischen Insulte entstandenen, es den­noch für die praktischen Zwecke empfehlenswerth, jene bei den spontanen Erkrankungen der Weichtheile zu besprechen.
2)nbsp; nbsp;E r k ä 11 u n g. Auch diese krankmachende Potenz kann mit mehr oder weniger Recht als eine äussere angesehen werden. Man darf den Ausdruck: „Erkältungquot; nicht etwa für gleichbedeutend halten mit „Er­frierungquot;; diese entsteht in Folge nachhaltiger Einwirkung sehr niedriger Wärmegrade, resp. hoher Kältegrade; jene durch plötzliche Abkühlung einzelner Körpertheile (oder des ganzen Körpers), namentlich wenn die­selben gerade in starker Transspiration begriffen sind. Die durch diese letztere Ursache entstandenen Entzündungen werden wegen ihres Verlaufes und ihrer Ausgänge ebenfalls zweckmässiger bei den spontanen Entzün­dungen der Weichtheile behandelt.
In Folge von Erkältung können sowohl rein locale, wie auch allge­meine Erkrankungen zu Stande kommen; gewöhnlich erkrankt derjenige Theil, welcher überhaupt am meisten zu Erkrankungen disponirt ist. Die zufolge Erkältung entstehenden Entzündungen treten meist gleich von Anfang an diffus auf. Nach humoral-pathologischer Auffassung ist diese Thatsache so zu erklären, dass die laquo;materia peccans gt; gleich in einen grösseren Gewebsbezirk oder in ein ganzes Organ sich ergiesst. Leiden, welche als die Folge von Erkältung angesehen werden, nennt man seit
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Alters laquo;rheumatischeraquo; ($ev/ia der Fluss). Die Disposition zu derartigen Erkrankungen, sowie auch der locus minoris resistentite ist individuell ver­schieden. Während z. B. abgehärtete Thiere solche plötzliche Temperatar-wechsel im Allgemeinen leichter ohne Xachtheil ertragen, als verweichlichte Thiere, treten auch in dieser Hinsicht Verschiedenheiten deutlich hervor^ dass bei manchen Individuen nach Erkältungen vorzugsweise Erkrankungen der Respirationsorgane, bei anderen hingegen vorzugsweise Erkrankungen der Verdauungsorgane, bei wieder anderen Lahmheiten etc. etc. sich aus­bilden, je nachdem dieses oder jenes Organ oder System bei den verschie­denen Individuen gegen derartige Reize eine grössere oder geringere Wider­standskraft besitzt.
Seit je ist mit der Diagnose rheumatischer Leiden vielfach Missbrauch getrieben worden, indem man in unbestimmten Fällen mit der Diagnose eines rheumatischen Zustandes sich gewöhnlich ausgeholfen hat, was auch heut zu Tage leider immer noch zu häufig geschieht. So spielen namentlich in der Veterinärpraxis die rheumatischen Lahmheiten immer noch eine zum Theil unberechtigte grosse Rolle. Dass solche überhaupt nicht vorkommen, will ich keineswegs behaupten, sondern nur, dass sie häufig diagnosticirt werden, wo bei genauerer Untersuchung eine ganz andere Ursache der Lahmheit sich ergibt.
Die Leichtfertigkeit in der Diagnose rheumatischer Lahmheit dieses oder jenes Theiles (die rheumatische Buggelenklälime spielt namentlich eine Hauptrolle) geht zuweilen so weit, dass alle nicht gleich in ihrer Aetiologie und ihrem Sitze näher zu bestimmende Lahmheiten für rheumatische ausgegeben werden. Wenn dann unerwartet der Eiter über dem Horn-schuh hervorbricht, oder irgend ein anderer Umstand als Ursache des Lahmgehens deutlich zu Tage tritt, so wird der verwunderte Eigenthümer von solchen oberflächlichen und gewissenlosen Kurirern, die in der That die ehrbare Bezeichnung laquo;Arztraquo; nicht verdienen, mit verschiedenen Aus­reden angelogen; besonders geläufig ist solchen Ignoranten der AusdrutV lt; die Krankheit habe sich im Hufe oder an einer andern Stelle zusammen­gezogen raquo; etc.
Es gibt allerdings Lahmheiten, die häufig genug der erfahrenste und sorgfältigste Veterinär nicht mit Sicherheit zu diagnosticiren vermag. Man wird indess erst dann auf ein rheumatisches Leiden schliessen dürfen (und zwar nur mit einer grösseren oder geringeren Wahrscheinlichkeit), wenn wiederholte genaue Untersuchungen der ganzen betreffenden Gliedmasse und die Prüfung aller einschlägigen Verhältnisse ein negatives Resultat liefern.
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3) Toxische, con tag löse und miasmatische Infection. Es gibt eine gvosse Menge von giftigen Stoffen, welche, wenn sie in den Thierkörper gelangen, örtliche oder allgemeine Erkrankungen verursachen. Diese Stoffe sind entweder anorganischer oder organischer Natur. Letztere kommen hier vorzugsweise in Betracht; sie werden in lt; Contagien gt; und lt; Miasmen gt; unterschieden.
Contagium (von contingere berühren) nennt man jeden Infectionsstoff, der in einem kranken Organismus producirt, resp. vermehrt wird und auf ein empfängliches Individuum übertragen diejenige Krankheit erzeugt, welcher es seine Production verdankt.
^ Miasma gt; (juuafia, von (uuCvsiv verunreinigen, die Verunreinigun
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vorzugsweise ein ausserhalb des Thierkörpers sich entwickelnder An­steckungsstoff) nennt man einen krankmachenden Stoff, der seine Ent­stehung der Zersetzung organischer Körper verdankt. Findet diese an der Obertiäche oder in den Geweben des Thierkörpers statt, so werden ihre Producte nicht als m i a s m a t i s c h e , sondern als p u t r i d e bezeichnet, wie dies bereits früher gesagt worden ist. (Näheres hierüber bei den septischen Fiebern.)
Die Wirkung dieser Gifte ist unter Andern auch dadurch verschieden, dass manche von ihnen direct, andere mehr indirect laquo;phlogogen gt; wirken. So z. B. wirken Leichengift, Milzbrandgift u. s. w. an der Stelle ihres Eintrittes in den Körper phlogogen, während quot;Wuthgift am Infectionsatrium keine Entzündung erregt. Gewisse derartige Stoffe scheinen auf be­stimmte Organe schädlich einzuwirken, wie dies ja auch bei verschiedenen Mitteln, welche zu Heilzwecken Verwendung finden, der Fall ist; so z. B. Canthariden auf die Nieren, Digitalis auf das Herz, Strychnin auf das Rückenmark etc. Worin eine solche spezifische Wirkung ursächlich begründet ist, kann gegenwärtig noch nicht dargethan werden.
Bei den vergifteten Wunden sind bereits einige dieser toxischen Po­tenzen besprochen worden. Wo mau den Ort des Gifteintrittes kennt und dessen Wirkung, da wird man über die ursächlichen Momente nicht leicht im Unklaren bleiben. Es gibt indess noch eine grosse Anzahl von spontanen Erkrankungen, wo unser Wissen über Ursache und Wirkung der bethei-ligten Factoren sehr beschränkt, zum Theil gleich Null ist. Vielleicht spielt die Infection bei den meisten sogenannten spontanen Erkrankungen eine viel grössere Rolle, als bisher angenommen wird, resp. nachgewiesen ist.
Was die Form und den Verlauf der spontanen Entzündungen anbelangt, so unterscheiden sich dieselben von den früher besprochenen traumatischen
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dadurch, dass diese, wie wir gesehen haben, an und für sich immer auf den Bezirk der Verwundung beschränkt bleiben, während jene meist eine mehr oder weniger auffallende Neigung zur Progression zeigen, d. h. zur Ausbreitung auf benachbarte Körpertheile. Es kommen hierbei in Betracht: die Intensität des vorausgegangenen Reizes, oder die Quantität und Qualität des eingedrungenen Giftes, namentlich der Grad seiner fermentirenden Wirkung auf die das Gewebe durchtränkenden Säfte.
Wenn aus einem vorhandenen Entzündungsherde ein phlogogener Stoff in das Blut eintritt und von hier aus in einem anderen Organe Entzündung verursacht, so nennen wir diese eine laquo;metastatischeraquo;. Solche meta­statische Entzündungen können aber auch noch auf eine viel gröbere AVeise unter Vermittlung von Gerinnseln in den Blutgefässen entstehen, wie wir dies bereits bei der Thrombose und Einbolie gesehen haben.
Die Aus.gänge der spontanen Entzündungen sind folgende:
Z e r t h e i 1 u n g oder feste Organisation der.Entzün-dungsproducte, Eiterung, Brand.
Die Erkrankungen der einzelnen Gewebe und Organe.
Die verschiedenen Weichtheile, welche hier noch besonders berück­sichtigt werden, sind folgende:
Die äussere Haut, die Muskeln und Sehnen, sowie die Blut- und die Lymphgefässe.
Die Erkrankungen der äusseren Haut.
Einzelne pathologische Zustände dieses wichtigen Organes sind bereits früher besprochen worden. Um das Verständuiss des bereits Gesagten, sowie des Folgenden zu fördern, wollen wir uns an dieser Stelle die histo-logische Structur der Haut kurz vergegenwärtigen.
Die allgemeine Körperdecke besteht aus zwei optisch und physicalisch ziemlich scharf von einander zu unterscheidenden Platten, deren äussere c Oberhaut oder Epidermis gt;, deren innere laquo;unterbaut oder Cutis gt; genannt wird. Beide sind aus je zwei unter sich inniger mit einander verbundenen Schichten zusammengesetzt, so dass die Epidermis aus einer Hornschicht
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und einer Schleimschicht, die Cutis aus dem Papillarkörper und dem. Unterhautbindegewebe gebildet wird.
Die Grenze zwischen Epidermis und Cutis wird durch eine wellen­förmige Linie bezeichnet, deren Curven je nach der stärkeren oder gerin­geren Entwicklung der Papillen der inneren Hautplatte verschieden steil sind.
Die Epidermis besteht, abgesehen von den sie durchsetzenden Haaren, Talg- und Schweissdrüsengängen, ausschliesslich aus Zellen; sie entbehrt der ßlutgefässe und Nerven. Die kleinen rundlichen Elemente ihrer Schleim­schicht (des sogenannten ßete Malpighi) sind dem Papillarkörper überall unmittelbar aufgelagert; sie liegen dicht gedrängt neben einander und sind nur durch flüssige Intercellularsubstanz von einander getrennt. Sie beziehen Ihr Ernährungsmaterial aus den Capillaren der Gefässpapillen; die Lymph-gefässe der Papillen führen die Lymphe ab. Die Zellen werden gegen die Hornschicht zu immer grosser und flacher, wobei ihr Feuchtigkeitsgehalt nach innen und ausseu allmälig abnimmt, bis die Zellen schliesslich ganz platt, polygonal und trocken werden und so die Hornschicht der Epidermis bilden.
Die Cutis besteht aus Bindegewebe, welches mit (dicken i groben Fasern von den benachbarten central gelegenen Kürpertheilen besonders von den Fascien ausgeht. Dasselbe bildet ein in verschiedener Anordnung ver­schlungenes Filzwerk, welches sich im Papillarkörper in feine wellige Fasern auflöst, aus denen die einzelnen Papillen bestehen. Indem in den Tast­wärzchen und an der Obertläche des Papillarkürpers die Verflechtung der Bindegewebsfasern, ähnlich wie an der vorderen Fläche der Cornea, eine so innige wird, dass alle Zwischenräume verschwinden, konnte man zur Annahme einer structurlosen Begrenzungsschicht, einer sogenannten inter­mediären Haut (oder Basement membrane) sich verleiten lassen. Die derben Fasern des Unterhautbindegewebes enthalten nur eine geringe Zahl von zelligen Elementen, während die zarten Fasern der Papillen etwas reich­licher mit solchen durchsetzt sind. Die Cutis ist reich an Nerven, an Blut-gefässen und an lymphatischen Kanälen; sie enthält viele kleine Bündel platter Muskeln und wird von den Haaren mit ihren Bälgen, sowie von zahlreichen Schweiss- und Talgdrüsen durchsetzt. Im Unterhautbindegewebe ist an vielen Stellen Fettgewebe eingeschlossen. Die grössere Zahl der Papillen enthält Gefässe, die kleinern Nerven. Die Lymphgefässe umspinnen das Gefässnetz der Papillen.
Jede äussere Gewalt, durch welche subcutane Gewebe verletzt werden, muss zunächst die allgemeine Körperdecke treffen; es sei denn, dass der
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verletzende Körper zufällig von einer Schleimliauthöhle eindringt. Aber auch dann, wenn die aussere Haut nicht ursprünglich mit beschädigt worden ist, wird sie später in den Krankheitsprocess häufig mit hineingezogen und selbst innerliche Krankheiten compliciren sich nicht selten, namentlich in ihrem spätem Verlaufe, mit Hauterkrankung. Hieraus ergibt sich einer­seits , dass die Hautkrankheiten sehr mannigfach und verschieden sein müssen, andererseits, dass dieselben nur zum Theil in das Gebiet der Chirurgie fallen, dass es somit nicht Aufgabe der allgemeinen chirurgischen Pathologie und Therapie sein kann, dieselben alle zu besprechen. Wir werden uns hier blos mit den primären Hauterkrankungen beschäftigen. Dieselben sind sämmtlich durch Entzündungszustäude characterisirt, welche entweder die Folge bekannter äusserer oder zur Zeit noch nicht näher gekannter Einwirkungen sind, weshalb wir auch hier wieder traumatische und spontane Erkrankungen unterscheiden.
Die Hautwunden sind entweder Schnitt- oder Quetschwunden. Sie können entweder alle vier oder nur einzelne Hautschichten betreffen. Schnittwunden, welche nicht bis in den Papillarkörper eindringen, bluten nicht. Nur selten wird wegen einfacher Hautwunden unserer Hausthiere sachverständige Hülfe nachgesucht. Wo dies geschieht, wird man durch Anlegen einer Naht oder durch Absperren der atmosphärischen Luft vermittelst eines Deckmittels (Collodium) die Heilung zu fördern suchen.
Auch ohne sichtbare Störung des Zusammenhanges kommen Haut­verletzungen verschiedener Grade bei unseren Hausthieren vor; dieselben sind bald nur unbedeutead, bald mehr oder weniger bedeutend und können selbst mit so hochgradiger Zertrümmerung des Hautgewebes verbunden sein, dass in der Folge ein entsprechend grosser Hautdefect entsteht.
Oberflächliche Hautquetschungen sind nicht immer leicht zu erkennen, namentlich wenn dieselben ganz frisch und nicht mit Abschürfung der Epidermis (Excoriation) verbunden sind. Das Benehmen der Thiere führt uns indess gewöhnlich auf die richtige Spur, indem dieselben die gequetschten Hautstellen zu reiben oder mit den Zähnen zu benagen suchen. Bei genauerer Untersuchung findet man die erkrankten Partien vermehrt warm und mehr oder weniger deutlich geschwollen. Solche Quetschungen sind nicht selten die Folge von Geschirrdruck (durch den Sattel, Kummet oder andere Be­kleidungsgegenstände hervorgebracht) und namentlich bei Militärpferden sehr beachtenswerth, weil bei einer geeigneten frühzeitigen Behandlung (selbst auf Märschen) die Thiere gebrauchsfähig bleiben, während durch wiederholten Druck der betreffenden Stelle leicht bedeutende Quetschungen
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dei' Haut und der benachbarten subcutanen Theile entstehen, durch welche die Patienten für längere Zeit dienstuntauglich -werden können. Die Sattellage (namentlich der Widerrist) und die vordere (Bug-)Partie der Brust sind am häufigsten solchen Verletzungen ausgesetzt. Sind dieselben mir oberflächliche, -so heilen sie bei Fernhaltung der Ursachen in einigen Tagen von selbst, während bei andauernder Einwirkung des Druckes auf die kranken Stellen Verschlimmerung des Leidens die gewöhnliche noth-wendige Folge' ist. Die unter der Haut gelegenen Gewebe werden in Mit­leidenschaft gezogen und je nach der Beschaffenheit dieser mehr oder weniger hartnäckigen Zustände verursacht. So greifen namentlich am Widerriste anfangs nur oberflächliche Hautquetschungen in Folge von Unachtsamkeit und Vernachlässigung leicht auf das Nackenband und die Knorpel der Stachelfortsätze über, wodurch die Benutzimg der Thiere zu verschiedenen Verrichtungen auf mehrere Monate wesentlich beeinträchtigt zu werden pflegt.
In ätio 1 ogischer Beziehung gilt im Allgemeinen Folgendes: Wo die allgemeine Körperdecke eine weiche Unterlage (Muskel, Fett­polster etc.) hat, kommen Quetschungen derselben weniger leicht vor, als an anderen j(namentlich hervorragenden) Körperstellen, an welchen die Haut festen Körpergeweben unmittelbar anliegt. Zu enge oder zu grosse, schlecht gepolsterte; zerrissene, resp. zerbrochene ßekleidungsgegenstände verursachen leichter üruckscbäden, als unbeschädigte und vollkommen passende. Satteldrücke entstehen leicht nach zu losem Anziehen der Sattel­gurten, oder nach faltigem Auflegen der Unterdecke; gute Reiter, welche im Gleichgewichte und ruhig sitzen, drücken seltener, als sogenannte Sonntagsreiter u. s. w. Ausserdem sind die Pferde selbst in sehr verschie­dener Weise empfindlich gegen derartige Insulte.
Die Therapie ist bei leichten Hautquetschungen einfach; fleissiges Befeuchten mit kaltem Wasser, Bleiwasser, das Auflegen und Festbinden eines Rasens, der durch anhaltendes Begiessen mit kaltem Wasser feucht und kalt erhalten werden muss, Eisblasen u. dgl. führen bei geeigneter Anwendung in der Regel in Kurzem zum gewünschten Ziele, insofern die Patienten bis zur gänzlichen Heilung Ruhe haben, oder zu Diensten ver­wendet werden, durch welche die kranke Stelle nicht von neuem gedrückt wird.
Müssen Pferde trotz Sattel- oder Kummetdruck dennoch geritten oder gefahren werden, wie dies bei militärischen Hebungen und im Kriege nicht selten ist, so hat man in entsprechender Weise dafür zu sorgen, dass die kranken Stellen möglichst geschont werden. Dies wird
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erreicht', indem man unter dem Sattel, resp, Kummet einen passenden Untersattel oder Unterkummet befestigt, welcher an der betreffenden Stelle so ausgeschnitten ist, dass diese während des Reitens oder Fabrens vom Sattel oder Kummet nicht berührt wird. Unter ungarische Sättel (Böcke) kann man geflochtene Strohmatten befestigen, die, wenn sie zweckmässig ausgeschnitten und aufgelegt werden, die Heilung eines Satteldruckes selbst bei fortgesetztem Gebrauche ermöglichen.
Nicht selten ist bei unseren Hausthieren, namentlich bei den grossen, der sogenannte Druckbrand, Gangraena per decubitum, der sowohl durch anhaltenden, resp. häutig wiederkehrenden Druck von Seiten der eben genannten Bekleidungsgegenstände, wie auch durch längeres Liegen am Boden verursacht wird. Derselbe kann als gangraena humida, oder als gangrama sicca auftreten; erstere ist selten auf das betroffene 11 autstück beschränkt, sondern mehr oder weniger über dessen Unterlage verbreitet und nach dem Umfange des Zerfalles und der Beschaffenheit der betheiligten Gewebe von grösserer oder geringerer Bedeutung. Der trockene Hautbrand wird in der Regel als laquo; Brandfleck gt; bezeichnet, weil bei demselben der Mortificationsprocess auf den betroffenen Theil der allgemeinen Körperdecke sich zu beschränken pflegt. Das brandige Hautstück erscheint hart, un­biegsam und unempfindlich; die Haare desselben haben ihren Glanz ver­loren und liegen in der Regel flach an, oder stehen verworren durchein­ander. Zuerst findet man im Umfange des Brandfleckes geringe Entzün­dungserscheinungen, die sich meist bald verlieren; in der Peripherie bildet sich eine Demarcationslinie, während das brandige Hautstück mit seiner Unterlage oft Wochen, selbst Monate lang innig verbunden bleibt, so dass es manchmal sehr lange dauert, bis die Losstossung desselben von selbst erfolgt.
Der Druckbrand ist gewöhnlich das Resultat einer zu anhaltenden und zu starken Compression der Hautgefässe, wodurch der Stoffwechsel be­schränkt und schliesslich ganz aufgehoben wird. Sein Entstehen scheint durch gewisse Kraukheitszustände begünstigt zu werden. So sah ich bei einem an verbreiteter Osteoporose (resp.Gsteomyelitis) leidenden Pferde bereits nach 48 Stunden, während welcher Patient auf reichlicher guter Streu gelegen hatte, auf der linken Seite in der Mitte des Rippengewölbes einen circa 30 Ctm. langen und 8 Ctm. breiten Decubitus entstehen, der nicht nur die Haut, sondern auch die Unterlage bis auf die Rippen betraf. — Dass ein hartes, unebenes und unreinliches Lager, sowie ein unruhiges Verhalten der darniederliegenden Thiere das Entstehen von Decubitus begünstigen, versteht sich wohl von selbst.
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Die Therapie richtet sich nach den uns bereits bekannten allgemeinen Regeln. Brandflecke werden am besten mit möglichster Schonung der lebens fähigen Gewebe auf operativem Wege entfernt und demnächst die Wund­fläche (nöthigenfalls desiuficirt und dann) gereizt, um dieselbe zur Gra-nulationsbildung anzuregen. Wenn sämmtliche Hautschichten durch den Mortificationsprocess vernichtet wurden, so bleibt nach der Heilung eine haarlose Narbe, während diese mit weissen Haaren sich deckt, wenn der Brand nur die obersten Hautschichten betraf, üeberall, wo grosse Hautdefecte entstehen, erfordert die Benarbung der Granulationsfläche manchmal viele Monate Zeit, so dass dadurch die unbehinderte Benutzung der Gebrauchsthiere wesentlich beeinträchtigt wird. Mau kann in solchen Fällen die Heilung zu beschleunigen suchen, indem man an verschiedenen Stellen der granulirenden Fläche Hautaufpttanzungen vornimmt. Dieselben sind erst in diesem Jahrhundert in die deutsche Chirurgie eingeführt worden, während die Inder solche schon vor mehrern Jahrhunderten prac-ticirt haben. Es ist ein besonderes Verdienst Reverdin's, diese Operation systematisch ausgebildet und dadurch wenigstens für die menschenärztliche Chirurgie ein werthvolles Heilverfahren geschaffen zu haben.
Das Gelingen derselben ist wesentlich von der Art des Verfahrens abhängig. Vor allen Dingen ist eine normale eiternde Wunde erforderlich, deren Granula intensiv roth gefärbt und körnig erscheinen müssen. Nach­dem der Eiter sauber abgewaschen, resp. abgespült worden ist, nimmt man, am besten an einer wenig behaarten Hautstelle (z. B. von der Innenfläche des Oberschenkels) ein etwa l/a ^is ! Quadratcentimeter grosses Haut­stückchen mit einem recht scharfen Messer fort. Der Schnitt muss so geführt werden, dass derselbe durch den Papillarkörper fällt und die durchschnittenen Gefässpapillen als kleine, durch die minimale Blutung roth gefärbte Punkte erscheinen.
Das Hautstückchen wird dann sofort auf die vorher gut abgespülte Granulationsfläche aufgelegt und durch Leinwandstreifen, die mit Kleb­pflaster bestrichen sind, recht sorgfältig befestigt. Die Zahl der aufzu­pflanzenden Hautstückchen richtet sich vorzüglich nach der Grosse des Hautdefectes. Die Ueberpflanzung gelingt häufiger, wenn die Hautstückehen von dem gleichen, als wenn sie von einem andern Individuum genommen werden. Adhäriren dieselben nach etwa 24 Stunden ziemlich fest auf der Granulationsfläche, so darf man auf ihr Einheilen rechnen. Häufig werfen dann die Läppchen ihre Hornschicht ab , worauf sie als hellrothe Inseln erscheinen und gewöhnlich schon am vierten bis sechsten Tage nach der Ueberpflanzung an ihrer Peripherie Narbenepidermis erzeugen. — Oft wachsen die Läppchen nicht an; auch passirt es, dass einzelne, welche
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angewachsen sind, nichts leisten. Trotz alleclem darf man sich dennoch nicht abhalten lassen, die üeberpflanzung neuerdings zu versuchen, da durch ihr schliessliches Gelingen die Benarbung grosser Wundflächen be­deutend abgekürzt wird.
Zu den traumatischen Hautentzündungen können auch die durch Pa­rasiten verursachten gerechnet werden, wie z. B. Scabies, Herpes tonsurans u. s. w. Dieselben gehören jedoch nicht in das Gebiet der allgemeinen chirurgischen Veterinärpathologie, weshalb sie hier übergangen werden.
Wir wenden uns jetzt zu den sogenannten spontanen Hauterkrankungen.
Die erysipelatöse Entzündung (igvatneXag, to [Hippocrates und Galen] von sqvamp;qös roth und to Titkoeg das Fell), hat ihren Sitz vorzüglich in der Papillarschicht und im Eete Malpighi der Cutis. Sie charakterisirt sich durch ödematöse Schwellung der Haut, welche selbst bei leiser Berührung- schmerzhaft ist; an dünnbehaarten, nicht pig-mentirten Stellen derselben macht sich eine starke Röthung bemerkbar. Später tritt eine reichlichere Abschilferung der Epidermis auf. Nicht selten gesellt sich zu diesen örtlichen Erscheinungen ein Fieber hinzu, welches im Verhältnisse zur Ausbreitung des Localleidens einen mehr oder weniger auffallend hohen Grad erreicht. Die Krankheitsdauer erstreckt sich auf einige Tage bis zu mehreren Wochen. Diese Entzündung kommt bei allen Hausthieren und an allen Körpertheüen vor; am häufigsten indess befällt sie die weniger behaarten, feineren Partien der Haut, so namentlich die Innenfläche der Schenkel, die hintere Seite der Köthe, die Haut der Geni­talien, der Augenlider, Lippen u. s. w.
Erysipelatöse Entzündungen kommen bei unseren Hausthieren zuweilen in seuchenartiger Ausbreitung vor, oft jedoch auch sporadisch. Dieselben bieten ausser den angeführten Erscheinungen noch gewisse Eigenthümlich-keiten. Die Anschwellung ist stets flach und ausgebreitet, sehr oft teig­artig , so dass beim Drucke mit den Fingern Vertiefungen entstehen, welche erst ganz langsam sich wieder erheben. Die Geschwulst senkt sich all-mälig nach unten. Die ergriffenen Hauptpartien sind vermehrt warm, im Anfange ist die Empfindlichkeit wenig, später indess bedeutend gesteigert. Wo eine Hautröthe wahrnehmbar hervortritt, kann man dieselbe durch Druck mit den Fingern auf kurze Zeit verschwinden machen. Zuweilen bilden sich an der Oberfläche Blasen, welche eine gelbliche Flüssigkeit ent­halten und bald früher, bald später platzen, dann entweder verschorfen oder längere Zeit hindurch nässende Stellen bilden, oder gar zur Ver-schwärung der betreffenden Hautpartie führen. Derartige Hautulcerationen besitzen gewöhnlich eine ungleiche Oberfläche, sind sehr schmerzhaft und
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secerniren eine dünne, jauchige Flüssigkeit. — An der Oberfläche der erkrankten Ilautstellen kann es auch ohne vorhergehende Blasenbildung zu einer klebrigen Ausschwitzung kommen.
Zuweilen treten die erysipelatösen Entzündungen mit solcher Heftig­keit auf, dass die ergriffenen Hautpartien brandig absterben und dass die brandige Zerstörung auch auf das subcutane Bindegewebe und auf andere tiefer gelegene Theile sich ausdehnt.
Wir haben bei den traumatischen Entzündungen der Weichtheile bereits erwähnt, dass nicht selten Erysipelas denselben sich zugesellt. Dieses Erysipelas trauniaticum, oder diese sogenannte laquo;Wundroseraquo;, kommt zu gewissen Zeiten so häufig (bei Wunden) vor, dass man sein Auftreten mög­licherweise von einem Ansteckungsstoffe abhängig sich vorstellen muss. Es kann dem Exanthem Fieber vorausgehen oder gleichzeitig mit demselben auftreten. Erst wenn die Secretion der Wunde sich mindert, oder croupös wird, die Granulationen schwellen, kann die Diagnose auf laquo; Erysipelas traumaticum gt; gestellt werden, da das Fieber ja auch durch andere um­stände bedingt sein kann und das Erysipelas-Fieber durch nichts von anderen Fiebern sich bestimmt unterscheidet. Selbst nach dem Hervor­treten, der ersten localen Erscheinungen, kann man noch eine Zeitlang im Unklaren bleiben, ob man es mit einem Eiysipel, oder mit einer Lymph­angitis zu thun hat; jedoch wird der weitere Verlauf dies bald zeigen. Erysipelas erreicht selten am ersten Tage seine volle Ausdehnung; dasselbe nimmt vielmehr nach und nach an Umfang zu, indem seine deutlich auf­geworfenen Grenzen bald nach der einen, oder anderen Seite hin sich ver­schieben. So kann der Process sich allmälig immer weiter ausbreiten, ohne dass der Grad der Entzündung an allen betroffenen Hautstellen ein gleich heftiger ist. Das laquo;Erysipelas ambulansraquo; — so nennt man den weiter kriechenden Rothlauf — ist vielmehr dadurch gekennzeichnet, dass immer nur ein Theil der von der Entzündung ergriffenen Hautpartie in der Acme sich befindet.
Einige Tage nach Eintritt der erysipelatösen Entzündung beginnt die Epidermis in bald mehr, bald weniger zusammenhängenden, grösseren oder kleineren Schuppen sich abzustossen. Zuweilen wird das Hornblatt bereits beim Beginne des Erysipels blasig abgehoben, indem die Exsudation stür­mischer als gewöhnlich auftritt; man bezeichnet dann das Leiden als laquo;Erysipelas bullosumraquo;.
Zum Eothlauf treten zuweilen andere Krankheiten, namentlich Ent­zündungen seröser Häute hinzu. Der Verlauf des Erysipels ist gewöhnlich ein günstiger. Wenn dasselbe eine grosse Ausbreitung erhält und das
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Fieber bei dem allmäligeu Fortschreiten der Hauterkrankung sich längere Zeit auf gleicher Höhe erhält, so wird dadurch für schwächere Thiere eine gewisse Gefahr herbeigeführt, indem zuweilen in Folge von Erschöpfung der Tod eintritt. Wir haben bereits vorhin erwähnt, dass auch ausge­breitete Verjauchungen oder Brand bei Rothlauf entstehen und ein lethales Ende bedingen können.
Neben den äusseren localen Erscheinungen findet man am Cadaver keine besonders auffälligen Veränderungen eines bestimmten Ürganes, welche als Todesursache angesehen werden könnten. Die anatomischen Verän­derungen bei Erysipelas bestehen in Erweiterung der Hautcapillaren, in seröser Exsudation in das Hautgewebe und in lebhafter Zellenproliferation im Pvete Malpighi. lieber die causalen Verhältnisse sind wir bis jetzt noch keineswegs genügend aufgeklärt. Es bleibt selbst die Frage noch definitiv zu entscheiden, ob die veranlassende Ursache eine spezifische, d. h. immer die gleiche ist, oder ob verschiedene Ursachen einen erysipelatösen Ent-zündungsprocess zu erzeugen im Staude sind. Die klinische Erfahrung hat gelehrt, dass einmal überstandene Erysipele stets eine gewisse Neigung zu Eecidiven hinterlassen.
In neuerer Zeit hat die Ansicht Anhänger gewonnen, dass das Erysipel eine contagiöse Infectionskrankheit sei. In England fasste die Lehre von der Contagiosität des Erysipeis zuerst festen Boden und scheint dort gegenwärtig ziemlich allgemeine Geltung erlangt zu haben; auch die Mehr­zahl der französischen Chirurgen ist derselben zugethan. Dass das Ery­sipel (wenigstens das Wunderysipel), ebenso wie die quot;Wunddiphtheritis die Folge der Einwanderung von Parasiten (Monaden i sei, ist wohl zuerst von Hüter ausgesprochen worden. Nepveu bat bei Erysipel (und zwar bei traumatischem und spontanem) angeblich Organismen (Bacterium punctmn) gefunden, die mit den Hut er'sehen Monaden identisch zu sein scheinen. Orth hat im Archiv für experimentelle Pathologie etc. Aprilheft 1873. Seite 81—137 drei Versuchsreihen an Kaninchen und zwar: 1) über die Uebertragbarkeit des Erysipeis überhaupt; 2) über die Wirkung künstlich gezüchteter Bacterien des Erysipeis und 3) über die Wirkung bacterien-haltiger spezifisch wirkender Flüssigkeiten nach Tödtung der Bacterien mitgetheilt, aus welchen er folgende Schlüsse zieht:
a. Das (epidemische Wund-) Erysipel wird hervorgerufen durch ein Gift, welches sowohl im Blute, als auch besonders in den an der afficirten Hautsteüe befindlichen Flüssigkeiten enthalten ist.
h. Das Erysipel kann durch Impfung mit diesen Flüssigkeiten auf andere Individuen (vom Menschen auf Thiere und von Thieren auf Thiere) übertragen werden.
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c.nbsp; nbsp;Mit der Entwicklung des Erysipels geht die Entwicklung von Bacterien Hand in Hand.
d.nbsp; nbsp;Die Bacterien stehen in enger Beziehung zu dem Gifte, da man auch durch künstlich gezüchtete Bacterien die charakteristischen Symptome der Krankheit hervorrufen kann.
e.nbsp; nbsp;Die Bacterien sind aber nur die indirekte Ursache der Krankheit, da sie sich nicht im Blute der Inficirten in grösserer Menge finden und da durch ihre Zerstörung die Wirksamkeit der Infectionsflüssigkeiten zwar herabgesetzt, aber nicht ganz zerstört werden kann. (Orth glaubt, dass die Bacterien das Gift secerniren).
f.nbsp; nbsp;Die Bacterien gehören wahrscheinlich in die von C o h n aufgestellte Gruppe der Microsphären (Kugelbacterien) Schizoinyceten.
g.nbsp; nbsp;Es ist anzunehmen, dass die bei den verschiedenen Krankheits­formen beobachteten Bacterien auch verschieden sind, doch lässt sich bis jetzt noch kein ganz sicherer Nachweis dafür erbringen.
Obgleich Orth für sich und vorstehende Schlüsse keine Unfehlbarkeit •in Anspruch nimmt, so verdienen dieselben doch um so mehr Beachtung, als sie für die Therapie schon jetzt versuchsweise verwerthet werden können, wozu die bezüglichen Mittheilungen von Zippelius ermuntern. (Siehe Zeitschrift für praktische Veterinär-Wissenschaften, Jahrgang 1874. Nr. 8, Seite 246—248 raquo; zur Therapie des Erysipels gt;). Von der parasitären Natur des Erysipels ausgehend hat Zippelius folgende Einreibung in zwei Fällen sehr wirksam gefunden: 01. Terebinth. 4 Theile, Acid, carbolic, crud. 1 Theil, zweistündlich einzureiben. Wenn eine antiparasitäre Therapie so schnelle und günstige llesultate liefert, wie Zippelius angibt, so dürfte diese neue Errungenschaft um so mehr zu begrüssen sein, als wir bis dahin mit der Behandlung des Erysipelas so ziemlich in der Luft schwebten und deshalb vorwiegend abwartend, verfuhren. In der menschenärztlichen Praxis werden Bepinselungen mit.Terpenthinöl (Lücke), sowie Anstriche von Theer mit gutem Erfolge benutzt. Nach Leonhardt hat eine wässerige Lösung von Natr. sulphuros. carbolicura amorphum (pro dosi 2 bis 3 Gramm) in der Peripherie des Erysipels hypodermatisch applicirt, bei Thieren sich gut bewährt; die Wirksamkeit soll nur dem amorphen, nicht aber dem crystallinischen Präparate zukommen. (Das Natrum sulphurosum ist von Polli gegen verschiedene Krankheiten, bei welchen er abnorme Gährungs-vorgänge im Blute annimmt, empfohlen worden.)
Sollte sich die neue Methode nicht bewähren so müssen wir zu fol­genden bis dahin geltenden Vorschriften zurückkehren.
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Bei Gegenwart von Wunden wird eine entsprechende Prophylaxis in der Regel mehr zu leisten vermögen, als die beste curative Behandlung. Alle bisher versuchten Mittel, die weitere Ausbreitung des Rothlaufs zu beschränken, haben sich als ziemlich ohnmächtig erwiesen. Dass gewisse entziindungswidrige Mittel, wie z. B. die Anwendung des kalten Wassers die Entstehung von Gangrän begünstigt, haben wir bereits früher bemerkt. Die besten Dienste leistet noch eine einhüllende Behandlung. Anstriche mit einem fetten Oele und nachherige Einwicklungen in Watte, sind an und für sich ganz zweckmässig, indess in der thierärztlichen Praxis nicht immer anwendbar. In solchen Fällen muss man sich auf Fettanstrich oder Bekleisteruugen der kranken Hautstellen beschränken. Blasen werden an der tiefsten Stelle eröffnet; die abgelöste Epidermis lässt man eintrocknen. Wo Gangrän sich bildet, wird zweckmässig feuchte Wärme (Cataplasmen oder Fomentationen) angewendet, bis die Eschara sich gelöst hat und eine gute Eiterung eingetreten ist. Wo Abscesse im Unterhautbindegewebe sich bilden, müssen dieselben zur rechten Zeit geöffnet und demnach wie andere eiternde Wunden behandelt werden.
Eine entsprechende innerliche Behandlung kann unter Umständen rath-sam sein, ist indess keineswegs immer nothwendig, noch von unbestreit­barem Nutzen. Thieren, welche erbrechen können, reiche man zu Anfang des Leidens ein Brechmittel, gutgenährten Pferden eine abführende Dosis Aloe mit Calomel. Bei lange andauerndem Fieber sind Antifebrilia, nament­lich China indicirt. Dies Mittel, sowie andere Tonica und Excitantia finden auch bei eintretender Ermattung, oder bei kraftlosen Thieren überhaupt eine entsprechende Verwendung (Eisen, Wein, Campher u. dergl). Die zum Erysipelas hinzutretenden Complicationen sind nach den gewöhnlichen Regeln der Kunst zu behandeln.
Gegen zurückgebliebene Verdickungen der äusseren Haut sind den Tag über warme alkalische Bäder fleissig anzuwenden und Abends Einreibungen eines Linimentes aus grauer Salbe und Rüböl, zu gleichen Theilen mit einander verrieben, zu appliciren.
Eine andere Art spontaner Dermatitis ist das Eczema. Dasselbe ist durch die Eruption kleiner, dicht gedrängt nebeneinander stehender Bläschen gekennzeichnet, die manchmal zu grösseren zusammenäiessen. Ihr Inhalt trocknet nach dem Platzen auf der Oberfläche der Haut zu einer Kruste (einem Schorfe) ein, unter welcher die Vernarbung der kleinen Defecte im günstigen Falle von selbst erfolgt. Bei intensiverer Hautentzündung fliesst manchmal längere Zeit fortwährend Serum ab, welcher Zustand als nässendes Eczem und wegen des Salzgehaltes der ablüessenden Flüssigkeit
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252nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; • .
beim Menschen in der Volkssprache laquo;Salztluss gt; genannt wird. Nach Ab-stossung der Schorfe und nach Vernarbung der Hautdefecte bleibt in der Kegel noch für längere Zeit ein hyperaimischer Zustand des Papillarkörpers, sowie eine reichliche Abschuppung verhornter Epidermiszelleu (weisser Schüppchen) bestehen.
Steigert sich die Entzündung bis zu dem Grade, dass dem Serum eine bedeutende Menge weisser Blutkörperchen sich beimischen, so entstehen statt der Bläschen vielfach kleine Pusteln; das Leiden wird dann als Impetigo angesprochen. Je nachdem die Impetigopusteln und Eczembläschen durchein­ander vorkommen und diese oder jene der Zahl nach überwiegen, bezeicbnet man den Hautausschlag als Eczema impetiginodes oder Impetigo eczematodes.
Ueber die x\etiologie dieser Hautentzündungen ist zur Zeit nichts Näheres bekannt; in neuerer Zeit will man ihre Entstehung ebenfalls auf Parasiten zurückführen. (Hüter.)
Die Therapie ist im Ganzen einfach. Bei frisch entstandenem Eczem sucht man die Schorfbildung zu begünstigen, weil dadurch für die defecten Stellen eine schützende Decke gebildet wird, unter welcher die Heilung nach der bekannten Weise in der Regel (jedoch nicht immer) bald erfolgt. Substanzen, welche die Gerinnung der eiweisshaltigen Exsudate fördern, oder welche ihren Wassergehalt absorbiren, sind demnach indicirt. Ein sehr billiges und wirksames Mittel ist Bleiwasser, Kohlenpulver mit Bleizucker u. drgl. Auch Glycerin, namentlich in Verbindung mit Collodium, Tannin etc. leistet gute Dienste. Als ein recht wirksames Mittel ist ferner seit langer Zeit die Theersalbe bekannt (Pix liquida mit gleichen Theilen Axung. porc); dieselbe ist namentlich gegen chronisches Eczem. sowie auch gegen Erysi­pelas zu empfehlen. Bei ersterein muss stets eine gründliche Befreiung der Haut von den aufsitzenden Schorfen oder sonstigen Unreinigkeiten vorausgehen bevor die eigentlichen Eemedia angewandt werden. Man er­reicht dies am schnellsten und einfachsten durch zeitweiliges Waschen mit lauwarmem Seifenwasser (Kaliseife); nöthigenfalls werden die Schorfe durch Bestreichen mit einem fetten Oele, was je nach Umständen ein oder mehrere Mal wiederholt wird, aufgeweicht. Das Waschen muss mit der nöthigen Vorsicht geschehen, so dass Erkältungen und zu starke Durchweichung der Haut vermieden werden. Sobald diese rein ist, werden die Wa­schungen ausgesetzt und die Theersalbe oder ein anderes geeignetes Mittel applicirt. Der Gebrauch von Sublimatlösungen (1 : 50 bis 100 Wasser) mit Zusatz von etwas Spiritus hat mir regehnässig vorzügliche Dienste geleistet. Ich ziehe diese Solution besonders wegen verschiedener Annehm­lichkeiten bei der Application, der Theersalbe vor. Theer zu gleichen
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Theilen rait grüner Seife zusammengerieben, ist ebenso wirksam und wäscht sich leichter ab wie Theersalbe.
Die Erkrankungen des Bindegewebes.
Die Vorgänge bei der Entzündung, wie wir sie Seite 48 u. ff. dargestellt haben, treten am deutlichsten in der angegebenen Weise am Bindegewebe auf. Ueber die allgemeinen chirurgischen Erkrankungen dieses Gewebes bleibt uns deshalb hier um so weniger zu bemerken, als die localen und allgemeinen Erscheinungen, welche durch Cysticercus cellulosce und andere Parasiten im Bindegewebe hervorgerufen werden, in das Gebiet der spe­ziellen Krankheitslehre gehört. Es bleibt uns hier noch übrig, über die mehr oder weniger verbreitete Bindegewebsentzündung einige nähere Mit-theilungen zu machen.
Die acute Bindegewebsentzündung wird gewöhnlich laquo;phlegmonöse Ent­zündungraquo;, besser indess einfach laquo; Phlegmone gt; genannt, da dieses Wort eine Entzündung bedeutet (jj (plsy/jiovrj heisst ursprünglich die Erhitzung, dann jede Entzündung). Dieser Ausdruck wurde früher fast nur für fieberhafte Entzündungen gebraucht, während er jetzt ausschliesslich die zur Eiterung neigende Bindegewebsentzündung bezeichnet, für welche auch wohl der Name laquo;Pseudoerysipelas gt; dient. Die ursächlichen Momente sind noch keineswegs klar gelegt; es wurde bis vor Kurzem ziemlich allgemein angenommen, class dieselbe in Folge heftiger Erkältungen entstehen könne. Es ist indess möglich, ja wahrscheinlich, dass auch hier eine Infection, (selbst b'ii unverletzter Haut) dem Entzündungsprocesse zu Grunde liegen dürfte. Bei Quetschungen und Quetschwunden haben wir dieselben als accidentelle Folgezustände, durch Infection von gangränescirenden Gewebs-fetzen, bereits kennen gelernt.
Die spontane Bindegewebsentzündung kommt bei unseren Hausthieren am häufigsten an den Gliedmassen vor und zum Glücke häufiger zwischen den Fascien und der äusseren Haut, als zwischen Fascien und den unter ihnen gelegenen Theilen. Derartige Entzündungen treten zuweilen unmittelbar über den Hufen oder Klauen auf und werden dann laquo; Panaritium gt; genannt. Dieses Wort, wahrscheinlich entstanden aus laquo;Paronychias {tuxqcc neben, bei, in der Nähe und ow| der Nagel), bezeichnet allgemein eine Entzün­dung der Fussenden.
Es ist nicht immer möglich, eine Phlegmone des subcutanen Binde­gewebes gleich im Anfange von einer perirausculären Entzündung unterhalb
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der Fascien, oder von einer Periostitis oder Ostitis-zu unterscheiden. Be­trifft die Entzündung nur das Unterhautbindegewebe und kommt es zur Eiterung, wie dies häufig zu geschehen pflegt, so tritt bereits nach Verlauf weniger Tage an der betreffenden Stelle Fluctuation auf. Die Entleerung des Eiters erfolgt dann entweder spontan oder sie muss durch einen Einschnitt bewirkt werden. Im Uebrigen sind die Erscheinungen der Phlegmone im Anfang wie bei anderen Entzündungen; Schmerz, Geschwulst und unter Umständen Eöthung der Haut, gewöhnlich mit heftigem Fieber verbunden; die Haut ist etwas ödematös und gespannt. An Stellen, wo dieselbe in Falten zu liegen pflegt, wie z. B. an den Augenlidern, am Scrotum, Präpuz u. s. w. werden diese ausgeglichen, wobei die Haut ein glänzendes Aussehen an­nimmt.
Je bedeutender das Oedem, je heftiger die Schmerzen und je stärker das Fieber, um se mehr darf man auf einen tiefer liegenden Entzündungs-prozess schliessen. Ist die Spannung in den Geweben sehr gross, so wird in Folge dessen die Circulation behindert und es kann dadurch ein Stück Haut gangränös ausfallen. Auch die Fascien werden zuweilen in ihrer Er­nährung gestört, so dass sie theilweise absterben und als weisse Fetzen Von grösserem oder geringerem Umfange aus den Oeffnungen der Cutis her vor hängen.
Was die anatomischen Veränderungen bei Phlegmone anbelangt, so finden wir zunächst eine Erweiterung der Capillaren, mit darauf folgender seröser und plastischer Infiltration der Gewebe, wobei eine grosse Menge weisser Blutzellen in das Bindegewebe einwandert. Diese Zelleneinwanderung tritt im entzündeten Binde- und Fettgewebe immer stärker auf, bis die Gewebe stark gespannt sind, so dass an mehreren Stellen eine Blutstockung in den Gefässen, besonders in den Capillaren und Venen eintritt, wodurch es zum Absterben grösserer oder kleinerer Gewebspartien kommen kann. Meist jedoch geschieht dies deshalb nicht, weil die fibrilläre Intercellular-substanz in einem der Zelleneinwanderung mehr oder weniger entsprechenden Maasse schwindet. Es kann die Intercellularsubstanz hierbei eiterig zerfallen und selbst der ganze Entzündungsheerd in Eiter umgewandelt werden, dem dann häufig viele abgestorbene Gewebsfetzen beigemengt sind. Dieser eiterige Zerfall schreitet häufig (und zwar meist von innen gegen die Körperfläche zu^ weiter vor, so dass auch die Cutis schliesslich geschmolzen und der Eiter nach aussen entleert wird. Damit erreicht denn die Aus­breitung des Processes in der Regel ihr Ende, wenn nämlich das den Eiterheerd umgebende Gewebe reichlich vascularisirt und von Zellen durch­setzt ist, so dass die Wandungen der Eiterhöhle einer Granulationsfläche gleichen (ohne deshalb immer deutliche Granula zu zeigen), wodurch
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die Heilung per secundam intentionem gewöhnlich ziemlich schnell erfolgt. Eine Zeit lang bleibt noch das plastische Infiltrat zurück und die Haut bleibt dadurch fester und starrer als normal. Allmälig zerfallen die infiltrirenden Zellen oder wandern zum Theil in die Gefässe zurück; das verflüssigte Infiltrat wird resorbirt und die normalen Verhältnisse kehrenquot; wieder, üeberhaupt sind die Vorgänge wesentlich dieselben wie sie bereits früher bei entzündeten Wunden mit granulirenden Wundrändern dargestellt wurden.
Bei acuten Entzündungen des Unterhautbindegewebes tritt ähnlich, wie bei manchen progressiven Entzündungen um Quetschwunden etc., ein rapider Zerfall der Gewebe ein, bevor es zur Bildung einer eigentlichen Granulationsfläche kommt, resp. bevor die Lymphgefässe durch Zellenneu­bildung verstopft sind; es kommt vielleicht gar nicht oder erst später bei Begrenzung des gangränösen Zerfalls zur organisirten entzündlichen Neu­bildung. Die Zersetzungsproducte des zerfallenden Gewebes dringen in die offenen Lymphräume ein und verursachen dadurch eine Blutvergiftung, welche sich zunächst durch Fiebererscheinungen kund gibt, deren Intensität und Dauer wiederum von der Quantität (und Qualität?) des resorbirten Giftes wesentlich mit abhängen. Es bleibt häufig genug ganz unerklärlich, warum spontan entstandene Phlegmonen zuweilen so ausserordentlich be­denklich auftreten, während die meisten verhültnissmässig leicht verlaufen. Dass Phlegmone und Lymphangitis sich häufig mit einander combiniren, wird später noch erwähnt werden.
Die Prognose der Phlegmone gestaltet sich, je nach der Localität, der Ausbreitung und Entstehungsursache sehr verschieden. Während die eiterige Bindegewebsentzündung an den Extremitäten nach kurzer Dauer in Genesung überzugehen pflegt, *) sind phlegmonöse Entzündungen in der Nähe der grossen Körperhöhlen in der Regel bedenklicher, weil hier tiefliegende Abscesse in die benachbarte Körperhöhle sich öffnen und dadurch gefährlich werden können. Nicht selten wird diese Gefahr durch die Vorsorge der Natur abgewendet, indem entweder das centrale Vordringen des eitrigen Zerfalles durch einen festen Granulationswall verhindert wird, oder indem an der die Höhle auskleidenden Serosa eine circumscripte adhäsive Entzündung eintritt, in Folge deren diese Stelle mit dem anliegenden Eingeweide ver­wächst, wodurch der Abscess bei seinem Durchbruche nach innen nicht in den freien Pgt;,aum der betreffenden Körperhöhle, sondern in das ange­wachsene Eingeweide erfolgt. Dass die Folgen hiervon je nach der Be-
*) Eiteriger Zerfall am Spranggelenke wird nicht selten bedenklieli, manclimal sogar tötitlich.
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schaffenheit des Aufnalimeorganes sehr verschieden sein müssen, ist leicht hegreiflich. Eine Entleerung in den Darmkanal wird häufig ohne jeden weiteren Nachtheil bleiben, während eine solche in die Leber, die Lungen etc. zum lethalen Ende (bald oder erst nach längerer Zeit) führen •kann.
Ist die Phlegmone als Metastase bei allgemeiner phlogistischer oder Eiterdiathese, oder als Folge von ßotzvergiftung u. dgl. entstanden, so ist wenig oder gar keine Hoffnung auf Heilung vorhanden. Im Allgemeinen ist die Prognose um so günstiger, je umschriebener der Entzündungsheerd ist und je schneller die Eiterung eintritt.
Die Behandlung richtet sich nach dem Stadium der Entzündung. Ist dieselbe erst frisch entstanden, so muss man danach streben, die Zer-theilimg herbeizuführen. Dies geschieht bei unverletzter Haut am sichersten durch Application einer Scharfsalbe. Dieselbe ist hier um so mehr am Platze, als sie den Eintritt der Eiterung nicht behindert, falls es nicht gelingt, die Zertheilung herbeizuführen. Wo es sich nur mehr darum handelt, den Eintritt der Eiterung zu befördern, da sind ausser Cata-plasmen und Fomentationen erschlaffende Einreibungen indicirt, wie zum Beispiel die milden Fette, oder besser noch gelinde Digestivsalben, namentlich wiederum das Ung. Alth. c. 01. Lauri. Stellt sich Fluctuation ein, so eröffne man den Abscess, was bei oberliächlicher Lage desselben in der Regel keine Schwierigkeiten macht. Bei tieferliegenden Phlegmonen erfordern die anatomischen Verhältnisse stets eine entsprechende Berück­sichtigung ; die Eröffnung (Onchotomie von oyxog Geschwulst und rdinj das Durchschneiden) kann unter Umständen viel Vorsicht erfordern. Ist die Eiterbildung unter der Haut eine sehr verbreitete, so macht man je nach­dem zwei und mehrere Oeffnungen, wenn nämlich eine Spaltung des ganzen Eiterheerdes eine gar zu grosse Hautwunde verursachen sollte. Im üebrigen ist die Behandlung solcher Abscesse im Wesentlichen dieselbe, wie bereits früher angegeben wurden.
Nicht immer ist es leicht, das Vorhandensein von Eiter zu erkennen, namentlich dann nicht, wenn der Abscess tief liegt. Und doch ist es häufig gerade in solchen Fällen wichtig, denselben zur rechten Zeit zu diaguosti-ciren, um ihn zu entleeren, bevor er in eine benachbarte grössere Körper­höhle durchgebrochen ist. Eine Explorativpunction mittelst eines geeigneten Troicarts wird meist den erforderlichen Aufschluss gewähren. Die Eröffnung geschieht, indem man mit dem Bistouri die auf dem Entzündungs-, resp. Eiterheerde gelegenen Gewebe vorsichtig und schichtweise durchschneidet und eine kleine Oeffnung in diesen macht und dann die ganze Schnitt­wunde vermittelst einer feinen Kornzange erweitert, wrenn stärkere Blut-
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gefässe iu der Nachbarschaft eine grössere Incision verbieten. Man kann auch nach Durchschneidung der äusseren Haut vermittelst einer nicht gar zu stumpfen Hohlsonde bis zur Eiterhöhle vordringen und die so ent­stehende Oeffnung mittelst eines Knopfbistouris oder einer Kornzange entsprechend erweitern. Zuweilen bildet sich in Folge von Eiterzersetzung so viel Gas in der Abscesshöhle, dass bei der Percussion ein tympanitischer Ton entsteht. Derartige Abscesse muss man nach der Erötthung mit Chlor­wasser, Phenylspiritus oder einem anderen Desinficiens ausspritzen.
Es kommen zuweilen Entzündungen des subcutanen Bindegewebes vor, welche weder in Eiterung noch in Zertheilung übergehen, sondern einen chronischen Verlauf annehmen und zu bedeutenden Verunstaltungen führen können. Am häufigsten ereignet sich dies an den Gliedmassen (namentlich den hinteren). Der Process schreitet manchmal, jeder Behandlung spottend, bis zu einem nicht näher zu bestimmenden Punkte weiter, so dass man zufrieden sein darf, denselben zum Stillstand zu bringen, bevor die Um-fangsvermehruug eine sehr beträchtliche geworden ist.
Eine Rückbildung ist bei grösserer Verbreitung derselben kaum zu hoffen; allenfalls eine Verminderung, welche der Contraction des neu ge­bildeten Bindegewebes entspricht. Die Behandlung kann die bei Lymphan­gitis (siehe diese) angegebene sein. Am meisten ist noch von einem continuir-lichen gleichmässigen Drucke zu erwarten (elastische Binden). Leider kann derselbe bei Thieren schwer oder gar nicht für die erforderliche Zeit in Anwendung gebracht werden, weil durch die unvermeidlichen Bewegungen der Patienten die angelegten Verbände sich immer mehr und mehr ver­schieben und so ihre Aufgabe nur höchst unvollkommen erfüllen.
Die Krankheiten der Muskel.
Die Chirurgie hat vorzugsweise nur die willkührlichen Muskeln (und zwar ihrer peripherischen Lage halber) zu berücksichtigen. Erkrankungen derselben sind einestheils wegen ihrer grossen Verbreitung im Thierkörper nicht selten, anderntheils wegen Verminderung der Brauchbarkeit des be­treffenden Thieres, welche sie bald in höherem, bald in geringerem Grade für die Krankheitsdauer bedingen, von Bedeutung, wenn auch nicht häufig eine absolute Lebensgefahr durch sie verursacht wird. Es sollen deshalb in Folgendem die wichtigsten Erkrankungen der Muskeln in angemessener Kürze besprochen werden.
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Hierhin gehören zunächst:
1)nbsp; nbsp;Blutungen und Trennungen des Zusammenhanges (einschliesslich Her­men und Vorfälle).
2)nbsp; Die Muskelentzündung mit ihren Ausgängen und Folgen, einschliess­lich der Atrophie und Hypertrophie der Muskeln, sowie der fremden Körper und Neubildungen in denselben.
3)nbsp; nbsp;Lähmungen und Krämpfe der Muskeln.
Muskel blutungen und Trennungen des Zusammenhanges.
Dieselben können die Folge einer äusseren Gewalt, oder spontan ent­standen sein.
Die traumatischen Muskelblutungen bieten wenig Eigenthümliches, wes­halb wir dieselben mit Verweisung auf das über Blutungen, Seite 35 u. if. im Allgemeinen Gesagte, hier kurz erledigen können. - Sie sind entweder mit oder ohne Hautwunde zu Stande gekommen; im ersteren Falle ist Kunsthülfe häufiger nothwendig, als im letzteren. Der Grund hierfür liegt darin, dass das Blut bei unverletzter Haut in den subcutanen Geweben sich ansammelt und schliesslich einen für das Zustandekommen der Hse-mostase ausreichenden Druck auf die blutenden Gefässe ausübt, während bei einer vorhandenen Hautwunde das Blut nach aussen abfliesst, was möglicherweise den Tod des betroffenen Thieres (Verblutung) zur Folge haben kann. Die Grosse der hierdurch bedingten Gefahr ist wesentlich mit abhängig von der Stärke und der Zahl der verletzten Blutgefässe, von dem Grade der Gewebszertrümmerung, sowie von dem früheren oder späteren Eintritt und der Art der geleisteten Kunsthülfe. Ist das Muskel­gewebe gänzlich zertrümmert, so kann dasselbe auf die blutenden Gefässe keinen activen Druck mehr ausüben; es wird deshalb die Blutung in der Regel stärker sein, als wenn keine oder nur eine unbedeutende Beeinträch­tigung der Gontractilität der Muskelfasern vorhanden ist. Die Zertrümme­rung des Muskelgewebes hat überdiess noch den Nachtheil, dass die mit Blut getränkten Massen leicht zerfallen und sich in einen Jaucheheerd verwandeln, von welchem eine Blutvergiftung mit lethalem Ende ausgehen kann. Subcutane Muskeltrümmer werden zuweilen von einer Bindegewebs-kapsel umgeben, innerhalb welcher die Verflüssigung des Inhaltes sich vollzieht.
Die Diagnose traumatischer Muskelblutungen wird, so weit dieselbe für die klinischen Zwecke von Wichtigkeit ist, in der Eegel keine Schwierig­keiten bieten. — Frisch entstandene subcutane Muskeltrennungen sind
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durch entsprechende Functionsstörung — und bei oberflächlicher Lage des betroffenen Muskels, durch eine Lücke in demselben gekennzeichnet, welche indess gewöhnlich bald durch Blut oder Exsudat ausgefüllt wird.
Subcutane Muskelzerreissungen können nicht nur nach Einwirkung äusserer Momente, z. B. Druck, Stoss, Schlag u. s. w. entstehen, sondern auch die Folge zu starker und plötzlich eintretender Ausdehnung der Muskelfasern sein. Zustände, welche eine Verminderung der Consistenz des Muskelgewebes bedingen, begünstigen natürlich das Entstehen solcher Zer-reissungen. Hierher gehört unter anderen auch die Entzündung mit ihren Ausgängen, so dass dieselbe sowohl Ursache als auch Folge einer Muskel-zerreissung sein kann.
Die Prognose richtet sich nach den angegebenen Verhältnissen; dieselbe wird in den Einzelfällen sehr verschieden sein, indem in Rede stehende Verletzungen bald ganz unerheblich, bald in verschiedenen Graden lebens­gefährlich sind.
Die Behandlung ist zunächst davon abhängig, ob die äussere Haut in ihrem Zusammenhange getrennt ist oder nicht. Subcutane Muskelblutungen erfordern in der Regel keine Kunsthülfe, namentlich dann nicht, wenn dieselben unbedeutend und ohne erhebliche Gewebszertrümmerung entstanden sind. Bei bedeutender Zerstörung des Muskelgewebes kann die Durchschnei­dung der äusseren Haut und nöthigenfalls die Anwendung blutstillender Mittel nothwendig werden; dies muss geschehen, sobald das zertrümmerte Gewebe und das Extravasat zerfällt; namentlich aber, wenn bereits ein Jaucheheerd sich gebildet hat, von welchem leicht eine allgemeine Blut­vergiftung ausgehen kann, oder gar schon ausgegangen ist. Solche Jauche­heerde werden zuweilen durch Einkapselung unschädlich gemacht.
Kleinere Muskelblutungen mit offener Hautwunde stehen in der Regel, wenn die Wundränder vereinigt werden; avo demnach die Bedingungen zur Heilung per priraam intentionem vorhanden sind, wird in der früher be­sprochenen Weise die Naht angelegt. Wo dies nicht zulässig ist, bedient man sich der styptischen Mittel, des Druckverbandes, des Brennens mit dem weissglühenden Eisen und nöthigenfalls der Torsion einzelner Gefässe. Muskelblutungen aus grossen Gefässen verlangen bei offener Hautwunde stets die Unterbindung; dieselbe kann auch ohne Hautwunde nothwendig werden, namentlich dann, wenn das Extravasat unter der Haut einen zu grossen Umfang annimmt, was besonders an solchen Körperstellen zu geschehen pflegt, an welchen die Haut locker oder in Falten über den blutenden Muskeln liegt.
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Spontane Muskelblutungen können local oder mehr verbreitet auftreten; im ersteren Falle sind sie in der Regel die Folge von Gefasserkrankungen, im letzteren Falle hingegen die Folge einer allgemeinen Sepsis.
Die Blutergüsse sind oft nur klein, oft aber sind sie sehr gross, so dass ein beträchtlicher Theil eines oder mehrerer Muskel zu einer fast gleichartigen, dunkelrothen, mit Blut gieichmässig infiltrirten Masse um­gewandelt wird.
Da die spontanen Muskelblutungen subcutane zu sein pflegen, so ist deren Diagnose nur bei grösserem Umfange möglich; dieselbe bietet selbst dann nicht selten noch gewisse Schwierigkeiten, namentlich wenn sie nicht in der Nähe der Körperoberfläche stattfinden. Das Weitere hierüber, sowie über Prognose und Behandlung solcher M u s k e 1 b 1 u t u n g e n wird bei Besprechung der Gefasserkrankungen, so weit es in das Gebiet der Chirurgie fällt, angegeben werden. Im Uebrigen verweise ich auf die betreffenden Abschnitte der speziellen Pathologie und Therapie (Anthrax und andere mit Sepsis verbundene Krankheiten).
Beiläufig sei hier noch bemerkt, dass man bei Sectionen, namentlich an Thieren, welche unter Kolikerscheinungen oder in Folge von Blut­zersetzung gestorben sind, zuweilen kleinere Blutungen, sowohl in dem musculösen als auch im sehnigen Theile des Zwerchfells antrifft. Wo die­selben nicht von Blutzersetzung herrühren, sind dieselben auf das gewalt­same Niederwerfen zurückzuführen; die damit verbundenen Erschütterungen des Zwerchfelles sind manchmal hinreichend, um Zerreissungen desselben nach sich zu ziehen. Es fällt hierbei in's Gewicht, dass alle von einer serösen Haut überzogenen vegetativen Muskeln (Zwerchfell, Darmrohr) sehr mürbe werden, wenn ihr subseröses Bindegewebe von einer grösseren Menge serösen Exsudates infiltrirt ist. Zerreissungen solcher Muskeln sind während des Lebens weder mit Sicherheit zu diagnosticiren, noch zu heilen.
Trennungen des Zusammenhanges der Wandungen der grossen Körper­höhlen haben die Bildung von laquo;Hernien gt; oder lt; Vorfällen raquo; zur Folge.
Als Hernie, Eingeweidebruch oder Vorlagerung bezeichnet man im Allgemeinen denjenigen Zustand, bei welchem Theile von Eingeweiden ihre normale Lage verlassen haben und durch eine Oeffnung in der Wandung der betreffenden Körperhöhle von der äusseren Haut bedeckt, äusserlich sichtbar hervortreten. Ist auch die äussere Haut in ihrem Zusammenhange an der betreffenden Stelle getrennt, so dass in Folge dessen das dis-
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locirte Eingeweide frei nach aussen hervortritt, so nennt man den Zustand einen laquo;Vorfall oder Prolapsusraquo;.
Hernien können entweder angeborene oder erst nach der Geburt erworbene sein.
Die Oetfnung in der Wand der betrefl'enden Körperhöhle wird lt; Bruch-Öffnung , Bruchpforte, oder Bruchriug gt; genannt; durch dieselbe tritt also bei Hernien ein Theil der dislocirten Eingeweide, und indem er die äussere Haut vor sich hertreibt, buchtet er diese als sogenannten
lt;nbsp;Bruchsack gt; mehr oder weniger stark nach aussen hervor. Derselbe kann ein einfacher sein und aus der äusseren Haut allein bestehen, er kann aber auch ein doppelter sein, indem er von der die Höhle innen auskleidenden Serosa mit gebildet wird, wenn diese nämlich in ihrem Zusammenhange ebenfalls nicht verletzt wurde. Ja, es kann unter Umständen ein einfacher Bruchsack nur von dieser lunenhaut allein ge­bildet werden. Dies dürfte relativ am häufigsten am Schädeldache vor­kommen, da die Serosa der Schädelhöhle durch ihre sehr starke Fibrosa
lt;nbsp;die harte Hirnhaut jgt; sowohl der grösseren Eesistenz, als auch dem ge­ringeren Drucke von innen zufolge, länger widerstehen kann, als die schwächere Serosa der Bauch- und Brusthöhle dem stärkeren Drucke von Seiten der Bauch-, resp. Brusteingeweide. Die hierdurch entstehende Her­vorragung an der ümfläche der Wandung der betreffenden Körperhöhle wird gewöhnlich laquo;Bruchgeschwulst gt; und ihr zwischen der äusseren Haut und der Bruchpforte gelegener Raum laquo;die Bruchhöhleraquo; genannt.
Man unterscheidet zunächst angeborene und erworbene Hernien; es ist dies eine Unterscheidung, welche für die Praxis von besonderer Wich­tigkeit ist. Angeborene Brüche nennt man solclie, welche bereits seit der Geburt bestehen und wo der Bruchring durch eine bei der Entwicklung des betreffenden Individuums im Mutterleibe offen gebliebene Spalte gebildet wird. Hierhin gehören z. B. die Nabelbrüche und bedingungsweise auch die Schenkelbrüche und Bauchringbrüche oder Hodensackbrüche. Er­worbene Brüche sind hingegen solche, bei welchen die Bruchöffnung erst nach der Geburt entstanden ist. Diese sind unter sonst gleichen Ver­hältnissen leichter als erstere zu heilen, namentlich wenn sie noch nicht veraltet sind, sondern noch im frischen Zustande sich befinden.
Je nach dem Inhalte des Bruchsackes unterscheidet man: Hirnbrüche, Lungenbrüche, Darmbrüche, Netzbrüche, Magenbrüche, Blasenbrüche u. s. w. Weitaus am häufigsten kommen Hernien im Umfange des Bauches bei unseren Hausthieren vor; ja es sind dieselben, wenn auch nicht ganz, so
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doch fast ausschliesslich diejenigen Hernien, welche das Object der veterinär­chirurgischen Praxis bilden. Im Allgemeinen werden dieselben schlechtweg lt; Bauchbrtiche gt; genannt; die besonderen Bezeichnungen * Nabelbrüche, Leistenbrüche, Schenkelbrüche und Flankenbrüche gt; bezeichnen den Ort ihres Vorkommens etwas genauer.
Es sei hier noch erwähnt, dass man auch von inneren Hernien spricht und als solche die Zwerchfellbrüche, sowie den sogenannten Ueber-wurf bei Ochsen bezeichnet hat. Es sind dies jedoch in der Regel keine eigentlichen Hernien, da ihnen gewöhnlich kein Bruchsack zukommt. Man kann mit Recht nur dann von Zwerchfellbrüchen reden, wenn die dislo-cirten Eingeweide noch überall mit einem Theile des nicht völlig durch­gerissenen Zwerchfelles bedeckt sind; meist sind jedoch Eingeweidetheile der Bauchhöhle frei in die Brusthohle getreten, also eigentlich prolabirt.
Was die Aetiologie der Hernien anbelangt, so bestehen dieselben bei den angeboruen Brüchen in Bildungsfehlern, indem entweder an irgend einer Stelle der Leibeswand eine Oeffnung verbleibt, die bei normaler Entwicklung, resp. Ausbildung nicht vorhanden ist, oder indem eine unter normalen Ver­hältnissen für die ganze Lebensdauer verbleibende, nur von der äusseren Haut bedeckte Oeffnung zu grosse Dimensionen hat. In diesen Fällen ist gewöhnlich nur die Anlage eine angeborne, indem in der Regel erst längere Zeit nach der Geburt Eingeweide durch die natürliche Bruchpforte, z. B. Bauchring oder Schenkelring hindurchtreten und die sogenannten Hodensackbrüche oder Schenkelbrüche bilden. Als begünstigende Momente wirken Schlaffheit der Gewebe, grosse Anstrengungen, zufolge deren die Eingeweide nach der Körperperipherie hingedrängt werden u. s. w. — Die sogenannten erworbenen Hernien entstehen vorzugsweise nach mechani­schen Insulten, als deren Folge die Trennung des Zusammenhanges in der Leibeswand zu Stande kommt. Man könnte demgemäss diese Art von Hernien als traumatische bezeichnen.
Dass auch durch Eiterung und durch andere pathologische Processe die Gewebselemente vernichtet und in Folge dessen Bruchpforten ge­bildet werden, resp. Hernien entstehen können, braucht wrohl nur kurz hier erwähnt zu werden.
Die klinische Diagnose einer Hernie bietet im Allgemeinen wenig Schwierigkeiten, da der Zustand in den meisten Fällen ein so deutlich erkennbarer ist, dass er durch das Gefühl leicht von ähnlichen Hervor­ragungen, welche im Umfange der Körperhöhlen manchmal vorkommen, meist leicht unterschieden werden kann. Damit soll jedoch nicht gesagt sein,
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dass es überhaupt keine Hernien gibt, welche in diagnostischer Beziehung Schwierigkeiten bieten. So kann z. B. eine Hernie möglicherweise mit einem Abscesse verwechselt werden, was unter Umständen böse.Folgeu hat. In zweifelhaften Fällen, wo man trotz genauer Untersuchung keine Bruch­pforte finden kann, hüte man sich, sofort eine Lanzette einzustossen, um den (vielleicht nur vermeintlichen) Abscess zu entleeren. Erst mache man der Vorsicht halber mit einem dünnen Troicart eine Explorativpunktion, die selbst bei Anwesenheit einer Hernie keine nachtheiiigen Folgen haben würde.
Die Prognose bei Brüchen ist sehr verschieden; dieselbe richtet sich vorzugsweise nach der Grosse der Bruchpforte, nach dem Orte des Vor­kommens und nach dem Alter des Leidens. So sind z. B. grosse Brüche an tief gelegenen Stellen der Bauchhöhle schwerer heilbar, als kleinere und als solche, welche an höher gelegenen Partien der Bauchhöhle vor­kommen, weil im ersteren Falle die Verschliessung der Bruchpforte weit schwieriger ist als im letzteren.
Es kommt aber auch das Alter der Brüche bei der Prognose derselben wesentlich mit in Betracht, und zwar sind frisch entstandene Hernien unter sonst gleichen Verhältnissen im Allgemeinen leichter zu heilen, als alte, bei denen die Bänder der Bruchpforte vernarbt oder gar entartet und in Folge dessen schwerer heilbar sind. Es ist ferner zu beachten, ob die dislocirten Eingeweide mit dem Bruchsacke verwachsen, oder ob jene in diesem frei beweglich sind. Wo eine Verwachsung stattgefunden hat, ist natürlicherweise die Heilung schwieriger, als wo keine solche Verwachsung besteht.
Bei der Prognose der Hernien hat man jedoch nicht allein auf die vorhandene Möglichkeit einer Heilung, sondern auch auf den grösseren oder geringeren Grad der Gefahr zu sehen, welche Brüche der weiteren Existenz des Patienten zu bereiten im Stande sind. In Bezug hierauf hat man zu­nächst darauf zu achten, ob die dislocirten Eingeweide in der Bruchpforte eingeklemmt sind, so dass die Circulation dadurch wesentlich beeinträchtigt wird. Eingeklemmte Brüche fühlen sich mehr oder weniger fest, ja manchmal fast steinhart an und haben allemal, wenn die Einklemmung nicht zeitig genug gehoben wird, den Tod des Patienten in Folge Necrose des einge­klemmten Eingeweidetheiles zur Folge. Wo eine Einklemmung noch nicht vorhanden ist, hat man zu erwägen, ob dieselbe mit mehr oder weniger Wahrscheinlichkeit zu befürchten steht. Es gilt hier im Allgemeinen, dass die Gefahr oder Möglichkeit einer Einklemmuug wächst, je enger die Bruch­pforte im Verhältnisse zur Grosse des Bruches ist.
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Bei entsprechender Berücksichtigung aller angegebenen Verhältnisse wird es nicht schwer sein, in den vorkommenden Einzelfällen bei Hernien eine richtige Prognose zu stellen.
Die Therapie hat bei Hernien stets die Aufgabe, die dislocirten Ein­geweide in ihre normale Lage zurückzubringen und demnach den Verschluss des Bruchringes in möglichst kurzer Zeit zu bewirken. Sind die Eingeweide-theile weder mit der Bruchpforte oder dem Bruchsacke verwachsen, noch in jeuer eingeklemmt, so ist die Reposition derselben in der Regel nicht schwer. Dieselbe ist stets am leichtesten ausführbar, wenn das Thier in eine Lage gebracht wird, in welcher der Bruch den höchsten Punkt der Leibeswand bildet, indem dadurch die Reposition der dislocirten Eingeweide-theile entweder von selbst erfolgt oder doch wesentlich unterstützt wird. Sind Verwachsungen vorhanden, so müssen dieselben vorsichtig gelöst werden, wenn trotz derselben ein Heilungsversuch verlangt werden sollte. Man erwäge aber in solchen Fällen vorher wohl, ob nicht die mit der Operation verbundene Gefahr grosser ist, als die Gefahr, welche durch das Vorhandensein des Bruches bedingt wird. Anders verhält sich die Sache bei eingeklemmten Brüchen; bei diesen muss die Reposition unter allen Umständen gemacht werden, wo an die Möglichkeit der Erhaltung des Thieres gedacht wird. Ein eingeklemmter Bruch führt, sich selbst über­lassen, stets zum Tode, während die kunstgerechte Operation desselben oft noch Rettung bringt. Zunächt versucht man die Reposition oder Taxis durch gelinden Druck auf den Bruchinhalt, wobei man zweckinässig gleichzeitig reibende Bewegungen ausführt. Wo man durch eine natür­liche Körperötfnung eingehen und den dislocirten Theil erfassen kann, wird man die Reposition desselben dadurch unterstützen, dass man neben dem Reiben und Drücken von aussen gleichzeitig an dem von innen erfassten Eingeweidetheile einen leichten Zug ausübt; so z. B. kann mau die Re­position eines eingeklemmten Hodensackdarmbruches dadurch fördern, dass man mit einer Hand durch das Rectum eingeht und die durch den Bauch­ring in das Scrotum eingetretene Darmschlinge au ihrer Fortsetzung ober­halb des Bauchringes erfasst und in die Bauchhöhle zurückzuziehen sucht. Wo die Reposition in dieser Weise nicht möglich ist, da wird dieselbe selbst nach einer nur unbedeutenden Erweiterung der Bruchpforte in der Regel leicht zu bewerkstelligen sein, weshalb diese Operation in kunst­gerechter Weise vorzunehmen ist.
Nach gelungener Taxis hat man dann dafür zu sorgen, dass die Ein­geweide in ihrer normalen Lage verbleiben und die Bruchpforte durch Verwachsung ihrer Ränder sobald wie möglich dauernd geschlossen wird.
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Wo eine Heilung per primam intentionem möglich ist, kann dieselbe ver­sucht -werden, indem man die noch frischen oder neu angefrischten Ränder der Bruchpforte durch die Knopfnaht mit einander vereinigt. Der ge­wünschte Erfolg wird dadurch in der Regel nur bei frisch entstandenen traumatischen Hernien erreicht. Wo dies nicht der Fall ist, muss man den Verschluss der Bruchpforte auf anderen quot;Wegen zu erzielen suchen. Dies geschieht, indem man nach sorgfältiger Reposition der vorgelagerten Ein­geweide den Bruchsack abnäht und dadurch eine Entzündung hervorruft, in Folge deren die Haut mit ihrer Unterlage verwächst, somit in Zukunft an der betreffenden Stelle sich nicht mehr ausbuchten, resp. keinen Bruchsack mehr bilden kann. Dasselbe Ziel wird erreicht, wenn man den Bruchsack durch Aetzmittel, z. B. durch Schwefel- oder Salpetersäure in Entzündung versetzt und theilweise zum Absterben', anderntheils zum Verwachsen mit den Rändern der Bruchpforte bringt. Hierbei ist eine vorhergehende Reposition nicht nothwendig. ja sie wäre sogar ganz unnütz. Die Contractionen der Haut, welche durch den vorsichtigen Ge­brauch der Säuren hervorgerufen werden, bewirken nach und nach die Reposition, indem die dislocirten Eingeweide, ähnlich wie durch ein Bruchband, alhnälig in die betreffende Körperhöhle zurückgedrängt werden. Mit dem Gebrauche dieser Mittel muss man jedoch stets die nöthige Vorsicht verbinden. Man bestreicht den Bruchsack mittelst eines Pinsels einmal mit einer der genannten Säuren, die man mit Wasser zu gleichen Theilen vorher ver­dünnt hat. Es sei hier daran erinnert, dass man die Säure langsam in's Wasser und nicht umgekehrt dieses zu jener giessen darf, weil in letzterem Falle aus bekannten Gründen leicht Verletzungen der die Mischling besorgenden Person und ihrer nachten Umgebung erfolgen können. Wenn 24 Stunden nach der ersten Application sich weder eine deutlich erkennbare Entzündung, noch eine lederartige Trockenheit der Oberhaut zeigt, so wird am zweiten Tage die Bepinselung nochmals wiederholt. Alsdann setzt man das Mittel aus, bis die Hautentzündung wieder ziemlich voll­ständig verschwunden ist und wiederholt dessen Application nach Bedürf-niss. Dies geschieht mit geeigneten Intermissionen so oft und so lange, bis die Heilung des Bruches erfolgt ist. — Chromsaures Kali (1 : 5—8 Th. Fett) in Salbenform tüchtig eingerieben bedingt nach kurzer Zeit eine manchmal sehr bedeutende Anschwellung, worauf nach etwa einer Woche ein trockener Hautschorf sich bildet, der nach mehrern Tagen durch Eiterung abgestossen wird. Durch nachfolgende Verwachsung der Haut mit der Nachbarschaft, resp. mit den Bruchrändern, sowie durch Neubildung von Bindegewebe und Schrumpfung desselben erfolgt die Heilung des Bruches. Fragliches Ver­fahren kann selbstverständlich nur da Anwendung finden, wo ein blutiger
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Eingriff nicht kurz vorausgegangen ist. Nach Operation eines eingeklemmten Bruches kann die Bruchpforte nur durch die Naht geschlossen oder der Bruchsack in geeigneter Weise zum Verschlüsse der Bruchpforte benutzt werden. Letzteres geschieht, hulem man nach vollendeter Reposition des Bruchinhaltes zwei Kluppen aussei! dicht bis an die Bruchpforte heran-schiebt, den Bruehsack zwischen den Kluppen so viel als möglich hervor­zieht und diese fest zusammendrückt und sorgfältig bindet. Dadurch wird die Verwachsung der Hautränder üher den Kluppen unter sich und mit der Bruchpforte (durch die eintretende Entzündung) herbeigeführt und der grösste Theil des Bruchsackes hrandig abgestossen. Bei Hodensack­brüchen wird in der Regel einzig die tunica propria als innerer Bruchsack (mit dem Saamenstrange), in allen andern Fällen auch die äussere Haut mit zwischen die Kluppen genommen, gleichviel ob der Bruchsack ein ein­facher oder ein doppelter ist.
Vorfall oder Prolapsus nennt man denjenigen Zustand, bei welchem Eingeweidetheile ihre Lage verlassen haben und aus der Körperhöhle nach aussen hervorgetreten sind. Durch die Eröffnung eines Bruchsackes wird demnach leicht ein Vorfall entstehen. Es können aber auch Eingeweidetheile aus einer natürlichen Körperöffnuug hervortreten, wie z. B. bei Mastdarm­vorfall, Scheiden- und Gebärmuttervorfall, Vorfall der Crystallinse, Vorfall des ganzen Augapfels u. dgl.
Die Diagnose eines Prolapsus ist im Allgemeinen leicht, insofern der vorgefallene Theil an irgend einer Stelle der Körperoberfläche wahrge­nommen werden kann. Am häufigsten prolabiren die in der Bauch- und Beckenhöhle gelagerten Eingeweide. Die bei den Hernien erwähnten Vorfälle von Baucheingeweiden in die Brusthöhle kommen hier nicht in Betracht.
Die Prognose ist bei Vorfällen sehr verschieden. Im Allgemeinen sind die aus den natürlichen Körperöffnungen weniger gefährlich, als die aus abnormen Oeffnungen; bei erstem haben die prolabirten Eingeweidetheile ihre Schleimhaut nach aussen gekehrt, wodurch dieselben weniger leicht gefährlichen Entzündungen unterworfen sind, als wenn ihre Serosa die Aussenwand des vorgefallenen Eingeweidetheiles bildet. Die serösen Häute sind ja bekanntlich gegen den Contact mit der äusseren Luft und mit anderen Aussendingen sehr empfindlich und werden dadurch leicht in einen gefährlichen Entzündungszustand versetzt. In Rücksicht hierauf kommt denn namentlich in Betracht, ob der Prolapsus schon längere Zeit bestanden hat und bereits mit Entzündung der prolabirten Eingeweide verbunden ist, oder ob derselbe erst frisch entstanden und die Eingeweide
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rei von Entzündung und anderen Beschädigungen sind. Ausserdem ist die Grosse und Beschaifenheit der Verletzung in der Wand der betreffenden Körperhöhle von Belang. Die meisten traumatischen Vorfälle sind mit mehr oder weniger grosser Lebensgefahr für das betreifende Individuum ver­bunden. Wenngleich die aus natürlichen Körperöffnungen bestehenden Vorfälle, namentlich bei entsprechender Hülfe, nur selten das Leben des betreffenden Individuums gefährden, so kann doch die Prognose in Bezug auf radicale Heilung recht ungünstig sein. Auch hier verdient vorzugsweise das Alter des Vorfalles Berücksichtigung. Veraltete Vorfälle aus natür­lichen Körperöffnungen sind stets weit hartnäckiger als frisch entstandene; verschiedene habituelle Vorfälle sind sogar absolut unheilbar. So z. B. die bei trächtigem Rindvieh nicht selten vorkommenden Prolapse der Va­gina, die zwar häufig von selbst zurücktreten, wenn die Thiere auf­stehen, aber jedes Mal beim Niederlegen wieder zum Vorschein kommen, wenn dies nicht durch entsprechende Vorkehrungen verhindert wird. So sind auch veraltete Mastdarmvorfälle (besonders bei Schweinen) meist sehr hartnäckig, indess so wenig lebensgefährlich, class im Laufe der Zeit der vorgefallene Theil des umgestülpten Mastdarmstückes ohne irgend einen Nachtheil für die Gesundheit des betreffenden Individuums, ja sogar mit gänzlicher Selbstheilung, brandig absterben kann. Bei jungen Schweinen entstehen Mastdarmvorfälle leicht in Folge von Diarrhöe und Schwäche; sind dieselben noch nicht veraltet, so pflegen sie nach Stillung des Durch­falles bei guter Fütterung und Pflege leicht zu heilen. Bei weiblichen Thieren sind auch Harnblasenvorfälle aus der Urethra zuweilen beobachtet worden; dieselben führen meist durch brandiges Absterben der Blase zum Tode, wenn die Reposition nicht bei Zeiten erfolgt.
Die Therapie hat in allen Fällen die Aufgabe, zunächst die prolabirten Körpertheile sorgfältig zu reinigen und darauf in ihre normale Lage zurück­zubringen und in dieser (wo möglich) zu erhalten. Die Reposition bietet in den einzelnen Fällen bald mehr, bald weniger erhebliche Schwierigkeiten. Wo möglich soll dieselbe am stehenden Thiere bewirkt werden, wenn nicht der Patient etwa sich freiwillig niederlegt oder bereits am Boden liegend ange­troffen wird. Bei Vorfällen aus den natürlichen Körperöffnungen kann die Reposition wohl so ziemlich ohne Ausnahme am stehenden Thiere vollführt werden; bei traumatischen Vorfällen hingegen müssen in den meisten Fällen die Patienten niedergelegt werden, wenn sie solches nicht etwa freiwillig thun; geschieht letzteres, so hat man den Moment mit Geschick zu benutzen, um durch Anlegung der Fesseln u. s. w. das Aufstehen für die Dauer der Operation unmöglich zu machen.
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Beim Niederlegen von Patienten, die an einem Vorfalle leiden, muss man immer möglichst vorsichtig und schonend zu Werke gehen: bei grösseren Thieren wird man unter Umständen die ßeinigung der prolabirten Theile und die Reposition derselben so weit als thunlich am stehenden Indi­viduum bewirken, dann eine entsprechende Binde anlegen und demnach erst das Niederlegen des Patienten mit aller Vorsicht und Schonung besorgen, um nach gründlicher Taxis die kunstgerechte Verschliessung der Wunde vorzunehmen. Die Behandlung dieser ist nach den gewöhnlichen Kegeln der Chirurgie zu besorgen. Tritt die Verwachsung der Wundränder nicht per primam intentionem ein, so ist in der Regel keine Aussicht auf Hei­lung. Dass also alle Fälle, welche eine solche Heilung von vorneherein als durchaus unmöglich erscheinen lassen, von jedem Kurversuche abrathen, dass ferner, wo ein Kurversuch gemacht werden solldie für die Heilung per primam intentionein erforderlichen Grundbedingungen erfüllt werden müssen, ist selbstverständlich. (Siehe Seite 175 u. folg.) Nach vollendeter Reposition muss zunächst für Leibesöffnung gesorgt werden, damit der Kothabsatz leicht und ohne besondere Anstrengung erfolgen kann. Starkes Drängen muss begreiflicher Weise bei allen Arten von Vorfällen den Eintritt von Recidiven begünstigen. Um solche möglichst zu verhüten, kann man natürliche Körperöfi'nungen in geeigneter Weise und für eine ent­sprechende Zeit verschliessen. Dies ist namentlich bei der Vagina auf ver­schiedenen Wegen ausführbar und manchmal nicht nur statthaft, sondern geradezu nothwendig. Das Einlegen einiger Knopfnähte oder Sauberg'scher Scheidenringe (es sind dies einfache Metallringe mit Haken und Oehse) wird diesem Zwecke entsprechen.
Mnskelentzündnng (Myositis) mit ihren Ausgängen und Folgen.
Die Entzündung betriift in der Regel nur einzelne Abschnitte einer oder mehrerer Muskeln. Die klinischen Erscheinungen und der Verlauf sind im Allgemeinen wie bei Entzündungen anderer blutreicher Weichtheile. Schmerz, Geschwulst, vermehrte Wärme und gestörte Function sind die bekannten diagnostischen Symptome; Zertheilung, Bindegewebsneubildung, Eiterung und Schwund die gewöhnlichen Ausgänge.
Zertheilung pflegt einzutreten, wenn die Entzündung ohne Hautwunde und ohne erhebliche Quetschung der Muskelfasern besteht. Aber auch bei vorhandener Hautwunde wird die nach einer einfachen Trennung des Zu­sammenhanges entstehende Muskelentzündung sich zertheüen und per primam intentionem durch Bindegewebsneubildung zur Vernarbung führen
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können, wenn die Wundränder keine Quetschung erlitten haben. Tritt hier eine Eiterung ein, so pflegt dieselbe, wenn keine aussergewöhnlieh ungün­stigen Verhältnisse einwirken, nur gering zu sein und per secundam inten-tionem bald zur Vernarbung und zur Beendigung des Entzündungsprocesses zu führen.
Ist dagegen eine erhebliche Quetschung oder gar eine völlige Zer­trümmerung des Muskelgewebes vorhanden, so kann die Heilung nur erst nach einer längeren und entsprechend umfangreichen Eiterung eintreten. Breitet sich dieselbe über grössere Strecken des entzündeten Muskels aus, so folgt eine fettige Degeneration seiner Fasern, indem der Eiter sich zwischen dieselben einlagert. Indem die Muskelfasern allmälig ganz ein­schmelzen, entstehen ein oder mehrere Eiterheerde; im letzteren Falle fliessen dieselben schliesslich in der Regel zu einem grösseren Abscesse zusammen. Derselbe wird häufig eingekapselt; die gewöhnliche derbe und sehr dichte Bindegewebshülle ist meist von mehreren Oetfaungen durch­brochen, aus welchen der Eiter in das benachbarte Gewebe, resp. nach aussei! abfliesst. Bei kleineren Abscessen ist in der Regel wenigstens eine Fistelöffnung vorhanden, nur ganz selten kapseln kleine, nie aber grosse Muskelabscesse sich vollständig ab; wo dies geschieht, verwandeln sie sich durch Eintrocknung und Einlagerung von Kalksalzen in concrementartige Knoten.
Bei der prognostischen Beurtheilung traumatischer Muskelentzündungen verdient vorzugsweise der Umfang und der Grad der Quetschung, resp. Zer­trümmerung des Gewebes beachtet zu werden. Man muss wohl bedenken, dass zu Grunde gegangenes Muskelgewebe zunächst immer durch Bindegewebe (Narbengewebe) ersetzt wird und dass demnach sowohl in Folge des Aus­falles activer Elemente, als auch durch die Contraction des neugebildeten Bindegewebes eine wesentliche Beeinträchtigung des Thieres für bestimmte Gebrauchszwecke selbst nach erfolgter Heilung bedingt wird. — Namentlich leicht und vollkommen heilen traumatische Muskelentzündungen ohne Sub­stanzverlust und ohne erhebliche Blutung, besonders bei unverletzter Haut; Extravasat und Exsudat werden resorbirt, so dass der frühere normale Zustand vollständig wieder hergestellt oder doch nur so unbedeutend wieder verändert wird, dass die Function keineswegs merkbar leidet. Handelt es sich jedoch um einen eiterigen Zerfall tief liegender Muskelschichten, so kann durch das ceutrale Vordringen des Abscesses selbst das Leben des Thieres in grosse Gefahr kommen. Auch können unheilbare Hohlgeschwüre sich bilden, die allmälig zur Cachexie und schliesslich zum tödtlichen Ende führen.
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Die Indicationen für die Therapie der traumatischen Muskelentzündung ergeben sich aus dem bisher Gesagten von selbst. Bei einfachen Verletzungen ist in erster Linie Reinigung und Vereinigung der Wundränder zu bewirken, während bei Zertrümmerung des Muskelgewebes letzteres mittelst des Messers entfernt und der Eiterungsprocess angeregt werden muss.
Bei subcutaner Abscessbildung sorge man für rechtzeitige Oeffnung, sowie für unbehinderten Abtiuss des Eiters. Im Uebrigen gelten die bereits früher angegebenen therapeutischen Kegeln.
Die spontane oder idiopathische Myositis ist relativ selten, indem die meisten Muskelentzündungen traumatischen Ursprunges sind. Dem Rheu­matismus, wie derselbe (besonders bei Pferden) in den Vorarmmuskeln bei der Schulterlähme und vorzugsweise häufig bei Hüftlähme, oder in höherm Grade bei Lähmung der Nachhand in den Psoas- und Schenkelmuskeln vorkommt, liegen leichtere Grade der Muskelentzündung zu Grunde. Durch öfter wiederkehrende Ueberanstrengung entsteht manchmal (namentlich bei Schiffs-, Post- und Droschkenpferden) eine chronische Myositis, gegen welche eine längere Ruhe oder etwas ganz leichte Arbeit bei massiger Diät zu empfehlen ist. Solche Patienten liegen viel.
Kheumatismus der Rückenmuskeln wird nach B r u c k m ü 11 e r bei Hunden öfter angetroffen. Derartige Entzündungen sollen in der Regel über mehrere Muskeln sich ausbreiten, wobei nicht selten die Herzmus­kulatur ähnliche Veränderungen zeigt.
Die Ausgänge der idiopathischen Myositis sind: Restitution des nor­malen Zustandes, Schwund und Vereiterung; letztere bei den sogenannten metastatischen Muskelentzündungen.
Als Ursachen werden namentlich Erkältungen und embolische Processe angesehen; diese beziehen sich auf die metastatischen, jene auf die rheu­matischen Muskelentzündungen. Jede Myositis, deren Ursachen man nicht kennt, wird zunächst als eine idiopathische bezeichnet; jedenfalls ist ein Theil dieser auf mechanische Reize zurückzuführen. So z. B. wurde die Trichinose als Rheumatismus angesehen, während die bei derselben auf­tretenden Muskelschmerzen durch die massenhaft eingewanderten Trichinen rein mechanisch bedingt werden.
Die Diagnose der metastatischen Muskelentzündungen bietet bei oberflächlicher Lage der betroffenen Muskeln keine Schwierigkeiten; dagegen sind die rheumatischen Muskelentzündungen während des Lebens in der Regel nicht leicht und meisteutheils nur mit mehr oder weniger Wahr-
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scheinlichkeit zu diagnosticiren. Da rheumatische Schmerzen vorzugsweise nur subjectiv empfunden werden, und selbst bei grosser Heftigkeit kaum oder gar nicht zur objectiven Wahrnehmung gebracht werden können, so sind unsere Wahrscheinlichkeitsdiagnosen ziemlich ausschliesslich auf den Rheumatismus der locomotorischen Muskel und hier einzig auf das Lahra-gehen und einen ziemlich vollkommen negativen Befund angewiesen; selbst die angebliche Periodicität der rheumatischen Schmerzen ist bei Thieren in der Regel nicht so auffällig, um die Diagnose auch nur einigermassen sicher stellen zu können. Es scheint fast, als wenn Manche gerade für Lahmheiten daraus die Regel sich construirt hätten:
Was man nicht erkennen kann
Gibt man als Rheumatismus an.
Jedenfalls hat diese Regel sehr viele Ausnahmen, und führt deshalb bei nicht sorgfältiger Berücksichtigung derselben häufig zu Fehldiagnosen.
Der Muskelrheuraatismus verläuft häufig chronisch und endet entweder mit Genesung oder mit Atrophie der betreffenden Muskeln; gern bleibt auch im ersteren Falle eine Neigung zu Recidiven.
Die metastatische Myositis wird nach Thrombose und bei Eiterinfection zuweilen beobachtet; auch bei der Rotzkrankheit kommt sie vor und betrifft hier besonders den Hautmuskel. Es bilden sich ziemlich derbe Knoten von der Grosse einer Erbse bis zu der einer Haselnuss, welche zu kleinen Abscessen zerfallen.
Die Prognose der idiopathischen Muskelentzündung ist sehr verschieden; im Ganzen unsicher und häufig ungünstig. Sie ist bei Metastasen vorzugs­weise von der Beschaffenheit des Grundleidens abhängig. Besteht dasselbe in einer schweren Allgemeinerkrankung, so ist sie natürlich ungünstig. Auch kommt die Lage der betrofienen Muskel bei Metastasen in Betracht. In Bezug hierauf gilt das bei den traumatischen Muskelentzündungen Gesagte.
Die Behandlung des Muskelrheumatismus ist eine rein empirische; spirituöse Einreibungen, Campher etc., sowie die seit neuerer Zeit mehrfach empfohlenen hypodermatischen Veratrin-Injectionen sind am meisten in Gebrauch. Von letzterem Mittel habe ich zu wiederholten Malen eine recht befriedigende Wirkung gesehen. Man verwendet am besten stark wässerige Lösungen, weil die zu viel Spiritus haltenden leicht Abscessbildung im subcutanen Bindegewebe zur Folge haben, die bei grosser Ausbreitung sogar den Untergang des Patienten nach sich ziehen kann. (Veratr. 0,6—0.15, Aqu. dest. A. Spirit, vini aa 5,0 — 6,0.) Schwitzkuren oder kalte Douchen
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mit nachherigem Frottiren und Schwitzen unter Decken haben bei geeigneter Durchfülimug häufig ebenfalls gute Resultate geliefert. — Bei metasta-tischer Muskeleutzündung, wo gegen das derselben zu Grunde liegende Leiden nichts zu machen ist, bleibt die Therapie auf eine entsprechende Behandlung der Abscesse beschränkt; im andern Falle inuss das primäre Leiden seiner Natur nach behandelt werden.
Die anatomischen Veränderungen, welche die Muskelentzündung charac-terisiren sind im Allgemeinen folgende: Anfangs ist die Muskelsubstanz lebhaft gerüthet, später wird sie bleich, ja selbst ganz fahl und gelblich-roth. Das intramuskuläre Bindegewebe ist stark durchfeuchtet, von einer röthlich-gelben, zähen, gallertigen Flüssigkeit durchsetzt, so dass die Muskel­substanz gelockert, weich, mürbe, leicht zu fasern ist. Die Muskelfasern sind bleich und haben ihre Querstreifung verloren; in denselben befindet sich eine aus feinen, bräunlichen Körnern bestehende, mit Fetttröpfchen gemengte Masse. Die Muskelbündel sind weich, von fahlen und gelblichen Streifen durchsetzt, welche letzteren durch die fettig-körnige Entartung vieler neben einander liegender Muskelfasern gebildet werden. Nach abge­laufenen Muskelentzündungen findet man zwischen den erhaltenen Muskel­fasern ein graues, ziemlich derbes und starres Gewebe, welches strangartige, streifige oder rundlich begrenzte oder verästelte Verdickungen zeigt. Man bezeichnet diese Neubildungen als lt; rheumatische Schwielen gt;; sie finden sich aber auch nach Muskelentzündungen, welche traumatischen Ursprunges waren, bald nur vereinzelt, bald mehrfach in den Muskeln der Pferde, Rinder und Schweine.
Atrophie und Hypertrophie der Muskeln kommen unter verschiedenen Verhältnissen vor. So z. B. ist Muskelatrophie im höheren Alter, feiner bei mangelhafter Ernährung, bei verschiedenen Krankheiten, namentlich bei chronischen Lahmheiten, oder bei anhaltendem Druck, z. B. durch benachbarter Neubildung etc. eine gewöhnliche Erscheinung. quot;Wo nicht das Sarkolemma selbst, sondern nur sein Inhalt schwindet, pflegt die Atrophie eine vorübergehende zu sein, indem nach Beseitigung der Ursachen eine vollständige Regeneration der Muskelfasern eintritt. Massiger Gebrauch der betroffenen Muskeln ist aber der Entfernung der ursächlichen Momente hierzu fast absolut nothwendig und zuweilen allein ausreichend. Wo die Muskelfasern vollständig (also auch das Sarkolemma) zu Grunde gegangen sind, werden dieselben nicht regenerirt. Es bleibt in diesem Falle eine wirkliche Atrophie dauernd zurück, selbst wenn auch die verloren gegangene Muskelsubstanz durch Bindegewebe reichlich, ja über das normale Maass hinaus, ersetzt wird. Damit ist weder die Atrophie beseitigt, viel weniger
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#9632;•nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 273
eine eigentliche Hypertrophie des Muskels entstanden. Solche kommen im Bereiche der willkürlichen Muskel selten oder nie, öfter dagegen in den vegetativen Muskeln (Herzhypertrophie etc.) vor. Es kann demnach ein Muskel atrophiren, indem er an Umfang abnimmt, oder indem er sich gleich bleibt, oder gar zunimmt. Die Atrophie kann nämlich ohne Neubildung auftreten, oder von mehr oder weniger reichlicher Neubildung anderer Gewebe begleitet sein (rheumatische Schwielen).
Fremde Körper in den Muskeln sind nicht selten. Als solche kommen sowohl thierische Parasiten als auch abnorme Gewebsbildungen in Betracht. Von ersteren kommen in den Muskeln vor die Blasenwürmer einiger Tänien (Cysticercus, Echinococcus), die Trichina spiralis, die Psorospermien und der Stützschwanz (Onchocerca reticulatum).
Als abnorme Gewebsneubildungen in den Muskeln sind anzuführen:
a.nbsp; Die Neubildung eines derben Bindegewebes, welches gern tief in die Musculatur eindringt und ein verästeltes Narbengewebe bildet. Das­selbe findet sich nicht nur in Folge einer chronischen Entzündung bei der sogenannten Schwielenbildung, sondern auch als eigentliches Narbengewebe nach Verletzungen und Eiterung.
b.nbsp; Die Vermehrung und Neubildung von Fettgewebe zwischen den ver­schiedenen Muskeln und selbst zwischen den Muskelfasern ; dieselben greifen bei mastig gefütterten Thieren häufig derart um sich, dass in Folge dessen die Muskelfasern durch Druck zum Schwinden ge­bracht werden. Die Fettwucherung kann aber auch secundär auf­treten, wenn nämlich in Folge von andauernder Unthätigkeit der Muskel, Atrophie dieser sich ausbildet und an Stelle der Muskelbündel Fettgewebe tritt.
c.nbsp; Die Neubildung von Knochenmasse wurde bei einem Pferde von Gurlt in einer fibrösen Geschwulst des Eückenmuskels gefunden.
d.nbsp; Concremente sind in den Muskeln nicht selten gefunden worden; verkalkte Eiterherde, Trichinenkapseln und Bindegewebsschwielen etc.
e.nbsp; Melanosen kommen bald als derbe, bald als sehr saftige Geschwülste zwischen den Muskelfasern vor.
/. Carcinom.
Muskellähmnug.
Eigentliche Muskellähmimg, Akinesis (amnjata, dxivrjOic die Unbeweg-lichkeit, sowohl die active als passive von d priv. und xivsTv bewegen) ist
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274nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; •
bei willkührlichen Muskeln da vorhanden, wo die motorischen Nervenfasern durch Willensacte nicht erregt, folglich die Muskel des oder der betroffenen Nerven nicht contrahirt werden können. Störungen der willkührlichen Be­wegung, welche durch andere Ursachen, z. B. durch Gelenk- oder Knochen-ki-ankheiten bedingt sind, zählen demnach nicht zu den eigentlichen Läh­mungen. Die Ursachen der Muskellähmung sind verschieden ; dieselben können auf die Nervencentren (Gehirn und Kückenmark) oder auf die peri-pherischen Verbreitungen der motorischen Nerven einwirken.
Die vom Gehirn ausgehenden Muskellähmungen sind meistens mit Störungen des Bewusstseins verbunden; auch verbreiten sie sich gewöhnlich über grössere Körperabschnitte und sind häufig nur auf einer Seite vor­handen (Paraplegie oder Hemiplegie; laquo;.nccQciTilrjyi'a* von nccQanh'jOasiv amp;amp;-neben schlagen, naQanlrjaosaamp;ui betäubt werden, die Lähmung eines oder einiger Theile des Körpers; t^fUJrXrjyiay ff[.a halb und nlrfli] der Schlag, der einseitige Schlag, die einseitige Lähmung). Sie sind Folge von Gehirn­erkrankungen, welche die Centralherde des Willens oder der Vorstellung in ihrer Function theilweise oder vollständig behindern.
Die vom Bückenmarke ausgehenden Muskellähmungen sind häufig beidseitig; sie verbreiten sich über die Muskelgebiete derjenigen Nerven, welche an und hinter der erkrankten Stelle des Rückenmarkes entspringen. Störungen der Gehirnfunctionen sind gar nicht oder nur in geringem Grade mit denselben verbunden. Sie entstehen in Folge von Rückenmarkserkrankungen, welche die Function derjenigen Fasern, die die Erregung von den Central-herden des Willens zu den motorischen Nerven leiten, beträchtlich alteriren oder gänzlich sistiren. Als causa proxima liegen den centralen Muskel-lähmungen folgende pathologische Zustände zu Grunde: Hyperämie und Entzündung des bezüglichen Nervencentrums; Extravasate, Exsudate, Neu­bildungen, Parasiten oder behinderte Blutcirculation in denselben (Behin­derung der Blutzufuhr durch Druck auf die zuführenden, oder Behinderung des Abflusses auf die abführenden Gefässe; Thrombose und Embolie); ferner Veränderungen des Blutes durch narcotische und metallische Gifte, oder durch andere (pathologische) Processe.
Die von einem der beiden Nervencentren ausgehenden Lähmungen werden als laquo; c e n t r a 1 e gt;, die von einem oder mehreren Nervenstämmen ausgehenden als laquo; pe r iph er i s ehe gt; Lähmungen bezeichnet.
Die nächste Ursache dieser liegt in der Regel in traumatischen Ein­wirkungen, in Trennungen von dem betreffenden Nervencentrum,. in Er­nährungsstörungen und daraus folgenden Texturveränderungen in Druck, welcher durch Extravasate, Exsudate oder Neubildungen auf grössere oder
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kleinere Nervenstamme ausgeübt wird u. s. w. Peripherische Lähmungen werden am häufigsten im Bereiche der N. N. facialis, recurrens und vagus, sowie im Bereiche des Plexus brachialis und ischiadicus bei Pferden ange­troffen. Bei einem Pferde, welches im Frühling des Jahres 1873 dem hiesigen Thierspitale zur Behandlung übergeben wurde, war eine Lähmung der rechten Vordergliedmasse zugegen; dieselbe trat ohne Störung des Bewusstseins auf, verbreitete sich bald über den rechten N. facialis, so dass das Gesicht, namentlich der Mund, nach der linken Seite hin verzogen war; später verbreitete sich die Lähmung auch über die rechte hintere Extremität, wenngleich in geringerem Grade.
Als Ursache von Muskellähmungen müssen nun schliesslich noch üher-mässige Anstrengungen und starke Erkältungen angeführt werden. Die auf letztere Weise entstandenen Lähmungen werden als laquo;rheumatischeraquo; be zeichnet. Dieselben können auf einzelne Muskeln oder über grössere Gebiete sich erstrecken.
Aus dem vorhin Gesagten geht bereits hervor, dass die Muskellähmung entweder eine vollkommene, eine sogenannte laquo;Paralysisraquo; {naqdXvau;, von naQccXvsiv auflösen, heisst eigentlich Lösung, dann einseitige Lähmung, endlich Lähmung überhaupt) sein kann, wobei jede, auch selbst die geringste Contraction des betroffenen Muskels unmöglich ist; oder sie kann eine unvollkommene, eine sogenannte laquo;Paresisraquo; {ndqsoic, von naqCijiu nach­lassen, heisst ursprünglich das Vorbeilassen, dann das Erschlaffen der Kräfte, die Abspannung, die unvollkommene Lähmung) sein, indem Contractionen von geringerer Energie und Intensität noch möglich sind.
Muskellähmungen entstehen bald allmälig, bald plötzlich; sie können zur Zeit der Untersuchung noch frisch oder bereits veraltet sein. Im letz­teren Falle sind die gelähmten Muskel atrophirt, was sich in der Regel durch Abnahme ihres Umfanges zu erkennen gibt; es wird jedoch, wie bereits früher bemerkt worden ist, der Schwund zuweilen durch Fettabla­gerung verdeckt.
In das Gebiet der Chirurgie gehören nur die peripherischen und etwa die centralen Lähmungen, welche in Folge Einwirkung einer äusseren Gewalt, z. B, in Folge Fracturen am Schädel oder an der Wirbelsäule etc. entstanden sind. Der Erfolg einer etwaigen Behandlung hängt in erster Linie von der Beschaffenheit der bedingenden Ursache ab. Wo dieselbe nicht ausgemittelt werden kann, ist die Prognose stets sehr zweifelhaft. Kann die Ursache nicht entfernt werden oder sind die betroffenen Nerven und Muskel bereits vollständig degenerirt, so ist Heilung unmöglich. Nur in solchen Fällen, wo die Ursachen bekannt und entfernbar sind, wo ferner
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die betreffenden Nerven und Muskeln entweder gar nicht oder so wenig ent­artet sind, dass sie völlig regenerirt werden können, gestaltet sich die Pro­gnose günstig. Im Wesentlichen wird es sich hier bald um die kunstgerechte Ausschälung einer Geschwulst, bald um eine Trepanation, bald um die Förderung des Resorptions- oder Schmelzuugsprozesses, bald um die Appli­cation von Hautreizen oder Haarseilen u. s. w. handeln.
Die Wichtigkeit einer sorgfältigen Untersuchung und Anamnese behufs Erforschung der zu Grunde liegenden Ursache ist demnach eben so ein­leuchtend, als die Erfüllung dieser Aufgabe in vielen Fällen schwierig.
Muskelkrämpfe. Im lebenden Muskel ist selbst im ruhenden Zustande ein gewisser Grad von Spannung vorhanden, welche als laquo;To n u s raquo; be­zeichnet wird; derselbe ist durch den Einfluss der Nerven bedingt. In Folge behinderter oder aufgehobener Innervation kommt es, wie wir vorhin gesehen haben, zu Lähmungen (Akinesis) während gesteigerte Nerventätigkeit krampfhafte Zusammenziehungen verursacht. Diese gesteigerte Tbätigkeit der motorischen Nerven wird, im Gegensatze zur Akinesis, Hyperkinesis *) genannt; sie äussert sich in Contractionen der Muskel, welche unter dem Namen lt; Krämpfe gt; allgemein bekannt sind. Dieselben sind ihrer Verbreitung nach entweder allgemeine (Tetanus) oder partielle Krämpfe einzelner Muskel, z. B. der Kaumuskel (Trismus); der Form nach unterscheidet man lt; tonische oder anhaltende raquo; — und lt; clonische oder nachlassende gt; Krämpfe. Bei letzteren wechselt Zusammenziehung und Erschlaffung der erkrankten Muskel ab, während bei ersteren die Contractionen für die ganze Dauer des Krampfes anhalten.
Die Ursachen der Krämpfe sind bald in den Centralorganen des Nervensystems, bald in den peripherischen Nerven zu suchen. Nicht nur von den motorischen, sondern auch von den sensiblen Nerven können, unter Vermittlung der Nervencentra, Krämpfe ausgehen. Dieselben werden als lt; ßeflexkrämpfe sgt; bezeichnet und dürften wohl die am häufigsten vor­kommenden sein.
Für das Verständniss verschiedener Vorgänge auf diesem Gebiete sind die Resultate der Untersuchungen von Frisch und Hitzig von Bedeutung. Dieselben zeigen, dass durch scwache galvanische Reizung bestimmter, mehr nach vorn gelegener Theile der Hirnoberfiäche combinirte Muskelcontrac-tionen in der entgegengesetzten Körperhälfte entstehen, welche bei ganz
*) fj xt'rjvGig die Bewegung; Akinesis = Uubeweglichkeit, Erschlaffung; Hyper-kinesis = zu starke Contraction.
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schwachem electrischem Strome auf bestimmte, eng begrenzte Muskelgruppen localisirt auftreten, während sie bei st'ärkerm Strome über mehrere Muskel­gebiete sich verbreiten. Die Möglichkeit isolirter Erregung einer begrenzten Muskelgruppe ist auf sehr kleine Stellen der Hirnoberfiäche beschränkt. Solche Stellen bezeichnet Hitzig der Kürze halber als laquo;Centraraquo;; so z. B. nennt er die Stelle, an welcher es gelingt durch Anwendung eines schwachen electrischen Stromes Contractionen in den Muskeln der Vorder- oder Hinter-extremität zu erzeugen, das laquo;Centrum für die Muskel der Vorder-, resp. für die der Hinterextremitätraquo;. Ganz geringe Verschiebung der Electroden setzt in der Eegel noch die gleiche Gliedmasse in Bewegung, jedoch andere Muskelgruppen derselben, so dass z. B. statt der erst erzielten Beugung des Fusses jetzt Streckung desselben erfolgt. Durch Exstirpation der einem solchen Centrum angehörigen Partien der Grosshirnrinde werden Bewegungs­störungen (unvollständige Lähmungen) in dem entsprechenden Muskelgebiete hervorgerufen. — Bei Hunden wurden von H. und F. folgende Centren experimentuell ermittelt:
1)nbsp; nbsp;für die Nacken- und Eumpfmuskeln,
2)nbsp; nbsp;für die Extensoren und Adductoren, sowie
3)nbsp; nbsp;für die Flexoren und Rotatoreij des Vorderbeines,
4)nbsp; nbsp;für die Muskeln des Hinterbeines,
5)nbsp; nbsp;für die vom Facialis versorgten Muskeln (später von Hitzig laquo;Centrum für Bewegung und Schutz des Augesraquo; genannt).
Durch die späteren von Hitzig allein ausgeführten Arbeiten wurde die Kenntniss von diesen Centren wesentlich erweitert. Nament­lich fand dieser noch Centra
6)nbsp; nbsp;für die Schwanzmuskeln,
7)nbsp; nbsp;für beide Extremitäten einer Seite,
8)nbsp; nbsp;für die Zunge,
9)nbsp; nbsp;für die Kieferöffnung,
10)nbsp; für Schluss der Kiefer, Eetraction der Mundwinkel und Retraction der Zunge, sowie
11)nbsp; für Ohrbewegungen.
Hierbei ergab sich, dass die (sub 5) als Facialis = Centrum angesehene Stelle die Bewegung der Augen und nur der vom Facialis versorgten Muskeln, welche dem Schütze des Auges dienen, beherrscht. Er nannte dieselbe deshalb laquo;Gentrum für Bewegung und Schutz des Augesgt;.
Die genannten 11 Centra gehören beim Hunde und ebenso bei der Katze fast ausschliesslich der Oberfläche des Scheitellappens des Gross­hirnes an.
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Die Muskelcontractionen, welche man durch Reizung des einen oder anderen Centrums der Grosshirnrinde auslöst, zeigen nun, wie H. nach­weist, eine, wie es scheint, ganz allgemeine und höchst interressante Eigen-thümlichkeit; sie führen stets zu Muskelactionen, welche sich in aus­geprägtester Weise als sogenannte coordinirte darstellen, d. h. welche solche sind, wie sie das Thier auszuführen pflegt, wenn es durch dieselben be­stimmte Zwecke erreichen will. Deutlich zeigt sich dies schon, wenn man durch Reizung der Grosshirnrinde vom entsprechenden Centrum aus Be­wegungen der Vorder- und Hinterextremitäten hervorruft; noch deutlicher tritt die zweckmässige Coordination der ausgelösten Bewegungen hervor, bei Reizung des laquo;Centrums für Schutz und Bewegung des Augesraquo;. Durch Reizung der betreffenden, kaum stecknadelkopfgrossen Stelle der Grosshirnrinde werden hier Contractionen in Muskeln hervorgerufen, welche von ganz verschiedenen Nerven versorgt werden, in Muskeln, deren Thätigkeit indess functionell unveräusserlich zusammengehört. Die gleichen Contractionen des Sphincter palpebrarum, welche zum Heben des unteren, zum Senken des oberen Augenlides führend die entsprechend bewusst vollzogenen Bulbusbewegungen stets begleiten, treten auch hier im Experimente constant neben letzteren auf. Ebenso werden vom laquo;Centrum für Fressbewegungenraquo; aus viele ganz verschiedenen Nervengebieten angehörige, lediglich functionell zutammen-gehörige Muskeln innervirt.
Die Beziehung der laquo;motorischen Centra der Grosshirnrinderaquo; auf func­tionell zusammengehörige Muskelgruppen zeigt sich ganz eigenthüralich in Folgendem:
Die Bewegungen, welche in den Extremitäten durch Reizung der genannten Centra ausgelöst werden, treten bei entsprechend schwachem Strome immer blos in der correspoudirenden Extremität auf, während im Gegentheil die Zusammenziehimgen der Nacken- und Rumpfmuskeln, der Fress-, Zungen- und Gesichtsmuskeln bei schwacher Reizung der ent­sprechenden Centra meist doppelseitige sind. Es stimmen diese exprimen-tellen Ergebnisse mit den klinischen Wahrnehmungen überein, dass die vom Grosshirne ausgehenden Lähmungen nach der functionellen Zusammen­gehörigkeit der betroffenen Muskelgruppen auftreten.
Die Stärke der von H. angewendeten constanten und inducirten Ströme, sowie der Abstand der von ihm gebrauchten Stromgeber war bei den fraglichen Versuchen stets so gering, dass die Mitwirkung irgend erheblicher Stromschleifen ausgeschlossen war.
Bei Anwendung stärkerer Ströme zeigen sich auch bei Reizung der in der Grosshirnoberfiäche gelegenen laquo;motorischen Centraraquo; häufig sehr aus-
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gebreitete und schwer zu deutende Muskelcontractionen; dieselben müssen zum Theil auf Reizung tiefer in der Substanz des Grosshirns (auch noch der Grosshirnrinde) liegende Centra bezogen werden. Dieselben sind wegen ihrer Lage schwächeren Strömen nicht zugänglich, weshalb deren isolirte Reizung und eine genauere Bestimmung ihrer Function noch nicht möglich war. Bei starker electrischer Reizung der Grosshirnrinde beobachtete H. häufig ächte epileptische Krämpfe; dasselbe war der Fall, wenn er bei Hunden kleine Erweichungsheerde in der Grosshirnrinde künstlich hervor­brachte. (Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmacologie, III. Bd. I. Heft, Seite 80—84.)
Es bedarf wohl kaum der Bemerkung, dass diese Untersuchungs-resultate schon jetzt für die Praxis ihre Bedeutung haben, und dass weitere Aufschlüsse im Gebiete der Nervenphysiologie und Pathologie sehr wün-schenswerth sind.
Der Verlauf der Krämpfe ist ein sehr verschiedener; desgleichen ihre Dauer. (Man denke an die periodisch eintretenden, z. B. an Epilepsie, und an den acut verlaufenden Tetanus etc.)
In das Gebiet der Chirurgie gehören nur diejenigen Krämpfe, welche durch chirurgische Mittel entfernt werden können, und die gewöhnlich einer Verletzung, Zerrung oder Di-uck u. s. w. ihre Entstehung verdanken. In vielen Fällen wird der Krampf nach Beseitigung dieser Zustände aufhören, in anderen Fällen dagegen fortbestehen.
Eine in der Chirurgie wohl zu beachtende Thatsache ist, dass selbst durch einfache Wunden lt; Starrkrampfraquo; entstehen kann, der im Gegensatze zu dem aus Erkältung entstandenen sogenannten idiopathischen Starrkrampf lt; Wundstarrkrampf gt; genannt wird. Derselbe kann in jedem Stadium der Heilung einer Wunde auftreten; am häufigsten geschieht dies zur Zeit der Granulation.
Näheres hierüber werden wir erst im dritten Abschnitte dieses Buches erfahren.
Die Erkrankungen der Sehnen.
Dieselben lassen sich fast sämmtlich auf die Entzündung und ihre Ausgänge zurückführen.
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Sehnenentzimdung, Tenontagra oder Tenalgia.*)
Entzündungen der Sehnen kommen namentlich bei Pferden nicht selten vor und sind häutig die Folge mechanischer Einwirkungen; besonders geben starke Anstrengungen im schweren Zuge, zu lange anhaltendes Laufen und Springen, Uebersetzen über Barrieren und Gräben, sowie Druck, Quetschung u. dgl. die gewöhnlichen Entstehungsursachen ab. Aber auch andere Ver­hältnisse können der Sehnenentzündung zu Grunde liegen. So seilen wir solche z. B. nach überstandeuer Intiuenza, nach Typhus und anderen schweren Krankheiten, oder auch während des Verlaufes fraglicher Leiden neben mehr oder weniger heftiger Synovitis der Sehnenscheiden auftreten. Für die Praxis ist es von Wichtigkeit, auf diese Verhältnisse Rücksicht zu nehmen, weil Prognose und Behandlung bei der traumatischen Sehnen­entzündung sicli anders gestalten, wie bei der idiopathischen, der soge­nannten metastatischen. Beide Arten betreffen wohl nie oder doch sehr selten eine Sehne in ihrer ganzen Länge, sondern meist nur einen grössern oder kleinern Theil derselben; sie zeigen stets Neigung zu einem chroni­schen Verlaufe.
Die traumatische Sehnenentzlindung, Tenalgia traumatica betrifft weitaus am häufigsten die Kronen- und Hufbeinbeuger der vorderen Extremitäten, und zwar gewöhnlich nur einer einzelnen Vordergliedmasse. Es dauert immer mehrere Tage, bis der Entzündungsprozess seinen Höhepunkt erreicht hat. Die Thiere schonen anfangs den betroffenen Fuss nur wenig, treten indess im Fessel nicht gehörig durch. Bei der Untersuchung zeigen sie bei Druck aut die entzündete Sehne Schmerz und etwas vermehrte Temperatur an der über ihr gelegenen Stelle der allgemeinen Decke. Allmälig schwillt die Sehne an, die Temperatur der äusseren Haut steigt an der leidenden Stelle, der Schmerz nimmt zu und erreicht nicht selten einen hohen Grad, so dass die Thiere nur noch mit der Zehe des Hufes den Boden berühren, viel liegen und nur wenig mehr fressen.
*) Tenontagra =. rt rtvovxdyqa (die Steifheit der hinteren Halsmuskeln bei Call. Aurel. morb. chron. 5,2.) o zdl'cav, (von teivw spannen) eigentlich Spanner, Strecker, dann die Sehne, Flechse nnd rj uyqu das Gefangene, die Beute, auch das Fangen, die Jagd. Tenontagra wurde erst zur Bezeichnung eines rheumatischen Leidens der Sehnen und schliesslich für Sehnenentzündung überhaupt gebraucht. — Tenalgia (aus tivwv und rd ükyoq jedes Leiden, jeder Schmerz, a/ym' Schmerz empfinden) Sehnenleiden überhaupt.
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Es kann die Sehnenentzündung in Zertheilung übergehen, was bei einer entsprechenden Behandlung gewöhnlich zu geschehen pflegt, wenn keine communicirende Hautwunde vorhanden ist, — oder aber es kommt zur Organisation des zwischen die Gewebsfasern gesetzten Exsudates, was bei Vernachlässigung des Zustandes, sowie bei Sehnenentzündung mit offener Hautwunde die Regel ist. Eiterung und Brand treten bei Sehnenentzündung selten auf; da aber Sehnen an Blutgetassen arm sind, so neigen alle Entzündungen derselben zu einem chronischen Verlaufe, indem der Stoff­wechsel in ihnen überhaupt ein träger ist.
Zufolge der entzündlichen Neubildung und Exsudation entstehen mehr oder weniger umfangreiche Verdickungen der kranken Stelle; diesen Zustand der Sehne bezeichnet man als lt; Sehnenklapp oder T enoncus gt; (von tiIvcov und 6 oyxog; letzteres Wort heisst ursprünglich Biegung, Erüm-mung, Erhabenheit). Nicht selten kommt es zu Verwachsungen der ent­zündeten Sehne mit den benachbarten Geweben, was namentlich häufig am Huf- und Kronenbeinbeuger der Vordergliedmasse auf kleinere oder grössere Strecken geschieht. Sehnenentzündungen sind überhaupt immer mit mehr oder weniger umfangreichen pathologischen Veränderungen benachbarter Gewebe verbunden. Das zwischen den Sehnenfasern sich neu bildende Bindegewebe zieht sich später zusammen, wodurch Verkürzungen der Sehnen zu Stande kommen, welche für die ganze Lebensdauer bestehen bleiben, wenn nicht durch die Tenotomie Abhülfe geschafft wird. Die in Folge Contractur der Beugesehnen des Kronen- und Hufbeines bedingte Vorbie­gung der betreffenden Gliedmasse im Fesselgelenke wird laquo;Sehnen­stelz fussraquo; genannt.
Die Sehnen der Hintergliedmassen werden zuweilen von den Schmieden beim Ausschneiden der Hinterhufe mit dem Stoss- oder Wirkmesser ver­letzt. Auch werden diese Sehnen häufiger als andere durch sonstige Zufälle, wie z. B. durch scharfe oder stumpfe Instrumente etc. beschädigt. Die nach derartigen Verletzungen entstehenden Sehnenentzündungen sind wegen der vorhandenen Hautwunde, vielleicht auch wegen der ungleichen Span­nung und theilweisen Losreissung der durchschnittenen von den nicht ver­letzten Sehnenfasern, trotz ihrer anfangs scheinbaren Unbedeutenheit stets sehr hartnäckig und hinterlassen gern dauernde Verdickungen, selbst Ver­kürzungen der betroffenen Sehne. Etwa halb oder über die Hälfte durch­schnittene oder zerrissene Sehnen wird man deshalb am besten vollends durchschneiden, wenn dadurch die Gliedmasse nicht jeden Halt verliert. Würde es sich zum Beispiele bei völlig getrennter Kronen- und Hufbein­beugesehne um eine Verletzung des Fesselbeinbeugers, resp. des oberen
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Gleiclibeinbandes handeln, so wäre durch die gänzliche Durchschneidung dieses den letzten Phalangen beim Auftreten jeder Halt genommen, was namentlich bei grösseren Hausthieren um so fataler ist, als in den meisten Fällen eine ausreichende Feststellung der Gelenke durch einen Verband nicht zu erreichen ist. Noch vor Kurzem hatte ich bei einem Pony Gelegenheit, dies zu erfahren. Fragliches Pferd hatte sich sämmtliche drei Sehnen in der Mitte des Schienbeines an beiden Hinterbeinen durch Schlagen gegen die Wagenscheere zerschnitten. Es starb am sechsten Tage der Behandlung an Septicämie.
Die Prognose hat sich nach verschiedenen Verhältnissen zu richten, unter welchen die Ursachen, die Dauer und der Grad des Leidens, der Nährzustand und die zu erwartende Pflege des Patienten eine Hauptrolle spielen. — Im Allgemeinen sind traumatische Sehnenentzttndungen ohne Hautverletzung am günstigsten, weniger günstig mit Hautwunden (und noch ungünstiger idiopathische Sehnenentzündungen) zu beurtheilen. Sind bereits Verkürzungen vorhanden, so ist ohne Tenotomie eine Eadicalheilung in der Eegel nicht zu erwarten. Diese Operation gewährt am ehesten Aussiebten auf einen befriedigenden Erfolg, wenn dieselbe an einer nicht verdickten oder an einer sonst nicht kranken Stelle der Sehne vorgenommen werden kann. Frisch entstandene traumatische Sehnenentzündungen heilen bei passender Behandlung und Pflege nicht selten ganz vollständig, insofern keine Verletzung der Sehne mit offener Hautwunde oder mit Zertrümme­rung der Sehnenfasern vorhanden ist. Die Folgen der erstereu keimen wir bereits; bei Zertrümmerung des Sehnengewebes tritt nicht selten Eiterung und Brand ein. Obgleich grössere Defecte in Sehnen verhältnissmässig leicht und schnell ersetzt werden, so entstehen dennoch durch die Con­traction des neugebildeten (Narben-) Gewebes später so beträchtliche Ver­kürzungen, dass hierdurch mehr oder weniger erhebliche Functionsstörungen verursacht werden.
Für die Prognose ist ferner der Umstand noch von Belang, dass Sehnenentzündungen, welche nicht ganz vollständig geheilt werden, stets eine Neigung zu Recidiven hinterlassen. Noch nicht veraltete Ver­dickungen können durch Schmelzung und Resorption des Exsudates ziem­lich vollständig beseitigt werden, während bereits organisirtes Narben­gewebe sich nicht zurückbildet, sondern nur contrahirt. Können die Thiere während der Dauer der Behandlung nicht im Stalle gehalten werden, so steht es um die Aussicht auf Heilung schlecht. Man darf ausserdera nicht vergessen, dass Sehnenentzündungen, namentlich kurz nach ihrer Heilung, gern reeidiviren und dass deshalb noch längere Zeit nach dem Verschwinden aller Entzündungszufälle die Thiere geschont werden müssen.
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Eine Behandlung von Thieren, welche an Sehnenentzündung leiden, verlangt vor allen Dingen, dass die Patienten Ruhe haben und keinerlei Ortsbewegung machen können; es ist dies die erste und unerlässlichste Bedingung, eine wirkliche conditio sine qua non. Man stelle derartige Pa­tienten auf eine recht weiche Unterlage, wie z. B. auf Sägespähne u. dgl. Thiere, welche gut genährt sind, müssen während der Kur knapp gefüttert werden und dürfen namentlich nur wenig oder gar kein Körnerfutter erhalten. Unter Umständen kann selbst eine allgemeine Blutentziehung, sowie von Zeit zu Zeit ein Abfiihrungsmittel zulässig erscheinen; bei heruntergekom­menen Thieren darf eine etwas kräftige Diät verordnet werden.
Die örtliche Behandlung ist nach den Ursachen verschieden. Bäder (anfangs kalte, später warme) mit der nöthigen Energie gebraucht, ver­mögen bei traumatischer Sehnenentzündung recht gute Dienste zu leisten. Auch sind Waschungen mit Oxykrat (Kältemischungen) zweckmässig, nur müssen dieselben recht fleissig angewendet werden. Einreibungen mit Scharfsalben (Cantharidensalbe besonders für Pferde zu empfehlen) sind, so lange noch entzündliche Erscheinungen bestehen, stets von Nutzen. Später, wenn es sich um die Beförderung der Resorption, um Beseitigung von Verdickungen handelt, sind die bekannten Quecksilber- und Jodquecksilber-Salben, lauwarme Bäder mit Zusatz von Kali carbonicum, die Terpentinseife, Seifenspiritus sowie das scharfe Pflaster vielfach im Gebrauch; von allen ist letzteres am billigsten, bequemsten und wirksamsten. In sehr hartnäckigen und veralteten Fällen ist das Glüheisen in geeigneter Weise zu appliciren. Man bedenke, dass es sich in diesem Falle um die Erregung eines neuen Entzündungsprocesses in den bereits organisirten Neubildungen handelt, um dieselben dadurch zur Einschmelzung und Resorption zu bringen, dass es sich also nicht darum handelt, die äussere Haut zu verbrennen, sondern eine entsprechende Quantität Wärme in die Tiefe eindringen zu lassen, um dadurch einen Entzündungsreiz im Sehnengewebe zu setzen.
Bei der Anwendung des ferrum candens hüte man sich, die Cutis durchzubrennen, da hierdurch die Sehne blosgelegt wird und leicht grössere Partien der Haut brandig abgestossen werden. Es wird damit die Aus­sicht auf einen günstigen Ausgang so gut wie ganz vernichtet und über-diess eine sehr schmerzhafte Entzündung und ein langwieriger Eiterungs-process hervorgerufen. Um diesem fatalen Ereignisse vorzubeugen, brenne man nur mit schwach rothglühenden Eisen und nehme stets Rücksicht auf die Dicke der Haut.
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Zur Veranschauliclmng der schmelzenden Wirkung des Entzündungs-processes mag nachstehende Figur dienen. Es wird dadurch leicht be­greiflich, wie ein frischer acuter Entzündungsprocess da von Nutzen werden kann, wo es sich um die Resorption bereits organisirter Neu-
Piff. 13.
Entzündlich infiltrirtes Bindegewebe.
Die Faserung ist durch die zellige Infiltration und deren erweichenden Einfinss ganz geschwunden:
die Geiasswanclungen sind gelockert und wie durchlöchert. — Vergrösserung etwa 500.
(Nach B i 11 r o t h , etwas verändert.)
hildungen handelt; nur muss man für die Entstehung einer energischen subeutanen Entzündung, sowie nach erfolgter Schmelzung und Resorption der verflüssigten Gewebsbestandtheile für den zeitigen Abschluss der Ent­zündung sorgen, damit es nicht neuerdings zur Gewebsneubildung kommt.
Nicht selten treten an einem veralteten Sehnenklapp in Folge zu starker Anstrengung etc. neuerdings Entzündungserscheinungen auf; Schmerz und Temperaturerhöbung sind dann im Verhaltnisse zu der vorhandenen Geschwulst gewöhnlich gering. Dass solche Nachschübe (ganz besonders bei unpassender Behandlung und Pflege) zur Steigerung der bereits vorhandenen pathologischen Veränderungen beitragen, bedarf keiner weiteren Auseinander­setzung. Gegen dieselben sind lauwarme Fussbäder, namentlich von Holz­aschenlauge oder von anderen resorbirenden Flüssigkeiten, Morgens und Nachmittags jedes Mal mindestens zwei Stunden lang angewendet, Abends fette oder resorbirende Einreibungen, z. B. graue Salbe, einfache Jodqueck­silbersalbe, Terpentinseife u. s. w. zu empfehlen. Sehr gute Dienste leistet auch hier die Application einer Scharfsalbe, nöthigenfalls in geeigneten
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Zwischenräumen wiederholt. Sind die heftigsten Entzündungserscheinungen beseitigt und die Haare wieder hinlänglich nachgewachsen, so ist das scharfe Pflaster allen andern Mitteln vorzuziehen. Dasselbe wird bei geeigneter Application, Wiederholung und Kühe am bequemsten und sichersten zu dem durch Arzneimittel überhaupt erreichbaren Ziele führen. Wegen der Neigung nicht ganz vollkommen geheilter Sehnenentzündungen lt; zu reci-diviren gt; sei hier nochmals vor zu frühem Gebrauche der Patienten ein­dringlichst gewarnt.
Die idiopathische SehnenentzUndung betrifft fast nur die Sehnen der Gliedmassen; sie tritt gewöhnlich gegen das Ende schwerer Krankheiten (besonders bei und nach Intiuenza) oder während der Reconvalescenz an einer oder an mehreren Sehnen hervor. Dieselbe entwickelt sich schneller als die traumatische SehnenentzUndung, um desto hartnäckiger allen Heil­bestrebungen gegenüber sich zu behaupten. Plötzlich schont der Revon-valescem. die eine oder andere Gliedmasse in so auffallender Weise, dass entweder nur noch die Zehe des Hufes den Erdboden berührt oder dass die Gliedmasse periodisch sogar ganz von demselben entfernt, d. h. in die Höhe gehoben wird. Bei näherer Untersuchung findet man an der betrof­fenen Stelle die gewöhnlichen Erscheinungen der Entzündung, wobei jedoch der Schmerz im Verhältnisse zur Geschwulst sehr bedeutend ist. Sie breitet sich gewöhnlich über eine grössere Strecke der befallenen Sehne aus und ergreift häufig auch die Sehnenscheiden, welche dann in der Regel stärker als die Sehnen selbst erkranken.
Der Verlauf dieser Sehnenentzündung ist im Allgemeinen ein sehr chronischer, so dass Monate vergehen können, bevor die Schmerzen sich verlieren und Genesung wiederkehrt. Gar nicht selten bleiben die Thiere in Folge Verkürzung und Verwachsung der betroffenen Sehnen mit der Nachbarschaft für immer unbrauchbare Krüppel. Ein anderer grosser Uebel-stand ist der, dass zuweilen eine oder mehrere Seimen neuerdings zugleich oder in verschieden langen Zwischenzeiten nach einander erkranken, wäh­rend das Uebel der zuerst befallenen Sehne noch fortbesteht, oder bereits in der Reconvalescenz begriffen ist. Es kann dadurch das Leiden in einer ganz unberechenbaren Weise sich in die Länge ziehen.
Häufig werden idiopathische Sehnenentzündungen vonFiebererscheinungen begleitet, deren Höhe in der Regel zur Heftigkeit der Entzündung in geradem Verhältnisse steht und namentlich dann bedeutend zu werden pflegt, wenn mehrere Seimen zugleich ergriffen sind. Die Thiere liegen dann meistens am Boden und verrathen durch Stöhnen ihre Schmerzen. Fast immer tritt
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unter solchen Umständen in Kurzem Decubitus hinzu, um das Bild des Jammers vollkommen zu machen.
Die Prognose gestaltet sich bei idiopathischer Sehnenentziindung un­günstig, wenigstens sehr zweifelhaft; zunächst wegen ihres stets chronischen Verlaufes, dann aber auch deshalb, weil, wie bereits erwähnt wurde, eine andere Sehne sich nicht selten frisch entzündet, wenn die zuerst erkrankte bereits mehr oder weniger in der Heilung fortgeschritten ist. So kann der Zustand über Jahr und Tag sich protrahiren. Leiden mehrere Sehnen gleichzeitig, so gehen die Patienten in der Regel an den Folgen des Unver­mögens sich auf den Beinen halten zu können zu Grunde. (Decubitus, febriler Marasmus.)
Die Therapie kann mit Ausschluss der Kälte dieselbe sein, wie bei traumatischer Sehnenentzündung. Leidet nur eine Gliedmasse, so lässt sich die Schonung dieser durch Auflegen eines Bügeleisens erzwingen. Auf eine weniger gewaltsame Weise kann mau entzündete Beugesehnen auch dadurch vor zu starker Anspannung schützen, dass man an das betreffende Eisen hohe Stollen anbringt; es ist dies sowohl bei traumatischer, wie bei idio­pathischer Sehnenentzündung bis zum Nachlassen der Schmerzen und der local vermehrten Wärme recht zweckmässig. Die weitere Behandlung ergibt sich aus dem früher (bei der Therapie der traumatischen Sehnenentzün-dung) Gesagten.
Die anatomischen Veränderungen, welche wir bei Sehnenentzündungen antreffen, sind im Allgemeinen folgende: Die Sehnen haben ihren Glanz, sowie ihre Härte verloren und sind mit dem benachbarten Bindegewebe mehr oder weniger fest verschmolzen; ihr Gewebe ist von stark injicirten, deutlich sichtbaren Gefässen, hin und wieder selbst von kleinen Extra-vasaten durchsetzt und mit einer trüben Flüssigkeit getränkt, daher leicht zu fasern, weicher, indess weniger elastisch als sonst; sowohl deshalb, als auch ganz besonders in Folge vorhandener Verwachsungen mit den benach­barten Geweben, wodurch die Elasticität der betreffenden Muskel in ihrer retrahirenden Wirkung wesentlich beschränkt wird, springen beim Durch­schneiden die Enden der getrennten Sehnen weniger zurück.
Erkrankungen der Blutgefässe.
Verletzungen grösserer Arterien sind in ihren Folgen wesentlich von ihrer Beschaffenheit abhängig. Ganz kleine Stichwunden heilen in der Eegel ohne die geringste wahrnehmbare Störung zu verursachen, während schlitz-
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förmige Wunden in der Algerien wand, je nach ihrer Grosse und dem Klaffen der getrennten Gefässwand, zunächst eine mehr oder weniger bedeutende, unter Umständen sogar tödtliche Blutung zur Folge haben können. Die Stillung dieser wird demnach die erste Aufgabe des Chirurgen sein, und durch Compression oder Unterbindung erfüllt werden müssen. Wo die Blu­tung in Folge der Compression steht, erfolgt die Vernarbung des Gefässes nicht selten, indem sich der Thrombus zum Theil zu Bindegewebe orga-nisirt, zum anderen Theile resorbirt wird. Es kann indess der in das Gefässlumen etwas hineinragende Theil des Thrombus durch Anlagerung neuer Fibrinschichten sich vergrössern und dadurch schliesslich zur voll­ständigen Arterienthrombose führen; dies ist indess selten. Dagegen gestaltet sich der Verlauf manchmal in anderer Weise ungünstig. Es ist nämlich nicht selten, dass unter der jungen Hautnarbe eine Ge­schwulst sich entwickelt, welche allmälig an Grosse zunimmt und eine regelmässige Pulsation zeigt. Die Auscultation dieser Geschwulst ergibt ein deutliches Brausen und reibendes Schwirren. Wird die betroffene Arterie zwischen dem Herzen und der Geschwulst comprimirt, so fällt letztere etwas zusammen und die angegebenen Auscultationsgeräusche verlieren sich. Im Allgemeinen wird jede Geschwulst, welche mittelbar oder unmittelbar mit einer Arterie communicirt laquo;Aneurysma {to avsvQilßfia die Erwei­terung, von avevQvveiv erweitern, öffnen) oder Schlagadergeschwulstraquo; genannt. Ist dieselbe in Folge einer Verletzung entstanden, so nennt man sie laquo;Aneuiysma traumaticum s. spuriumraquo;, im Gegensatze zum laquo;Aneurysma verumraquo;, wie man ein durch anderweitige Erkrankung der Ä.rterien spontan entstandenes Aneurysma nennt. Hier haben wir es nur mit dem Aneurysma traumaticum zu thun. Ein solches entsteht, indem durch die noch nicht fest vernarbte Oeffnung in der Arterienwand Blut in die Weichtheile austritt und in diese hineingetrieben wird, so lange der Druck des Blutes stärker ist, als der Widerstand von Seiten der Gewebe.
So bildet sich eine mit Blut gefüllte Höhle, die mit dem Arterienlumen in directer Communication steht. Alsbald entsteht um das theilweise gerinnende Blut eine leichte Entzündung des angrenzenden Gewebes, in Folge deren es zur Bildung eines bindegewebigen Sackes kommt, in dessen Höhle das Blut aus- und einströmt, während an der Innenwand derselben ein Theil des Blutes schichtenweiss sich anschlägt und gerinnt.
Kleinere Aneurysmen verursachen kaum irgend welche erheblichen Beschwerden. Indess werden dieselben in der Regel allmälig immer grosser und veranlassen dann später Functionsstörungen; schliesslich kann der Aneurysmasack platzen und dadurch das Leben des betreffenden Thieres (in Folge der eintretenden Blutung) gefährdet werden.
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Traumatische Aneurysmen kommen nicht ausschliesslich nur nach Stichverletzungen vor, sondern können auch die Folge von Zerrungen oder Quetschungen ohne äussere Wunde sein, sobald eine Zerreissung der Häute einer Arterie mit denselben verbunden ist. Bleibt die Adventitia ganz und wird durch den Blutstrom von der Media abgedrängt, so entsteht ein sogenanntes laquo;Aneurysraa spurium s. dissecansraquo; (s. Seite 39).
Bei Stichverletzungen kann auch der Fall eintreten, dass eine Arterie und eine Vene, welche nahe beisammen liegen, gleichzeitig verletzt werden. Dies geschieht zuweilen sogar bei der absichtlichen Eröffnung einer Vene, beim Aderlass, wenn nämlich das Aderlassinstrument durch die Venenwände hindurch bis in die Lichtung der Arterie eindringt. Auch in solchen Fällen kann unter günstigen Umständen und bei entsprechender Behandlung voll­ständige Heilung eintreten; es kann aber auch zur Bildung eines einfachen oder eines complicirten Aneurysmas kommen. Letzteres bildet sich, wenn die Oeffnung der Arterienwand mit der ihr zunächst gelegenen Oeffnung der Venenwand verwächst, so dass arterielles Blut direct in die Vene ein­strömt. Hierdurch müssen nothwendig Stauungen in dem Blutstrome der betreffenden Vene und dadurch an der Stelle, wo die Venenwände einem erhöhten Drucke ausgesetzt sind, Ausbuchtungen derselben entstehen. Jede begrenzte Ausbuchtung der Venenwände wird im Allgemeinen laquo;Varixgt; genannt; communicirt derselbe mit einer Arterie, so wird er laquo;Varix aneu-rysmaticusraquo; genannt.
Ebenso können auch Pulsadergeschwülste in Folge der vorhin ange­gebenen gleichzeitigen Verletzung von Arterie und Vene sich entwickeln und mit der Vene in Communication bleiben. Eine solche Pulsadergeschwulst wird laquo;Aneurysma varicosmm genannt. Dieses sowohl wie auch der laquo;Varix aneurysmaticus gt; characterisiren sich klinisch durch ein fühlbares und hör­bares Schwirren, welches wahrscheinlich die Folge der sich begegnenden entgegengesetzten Blutströme ist. Zuweilen ist auch eine schwache Pul­sation an der ausgedehnten Vene wahrzunehmen, welches Symptom einen hohen diagnostischen Werth hat. Da das Schwirren in den Venen auch durch Druck auf diese erzeugt werden kann und bei manchen Herz­krankheiten vorkommt, so ist dasselbe für sich allein nicht hinreichend, um eine vorhandene Communication zwischen Arterie und Vene mit Sicherheit zu diagnosticiren.
In den Venen bilden sich nach Verletzungen ihrer Wandung weit häufiger ausgedehnte Gerinnungen, als in den Arterien; auch bringt jede Venenthrombose in Folge von Embolie in der Piegel weit bedenklichere Zustände hervor, als die meisten Thrombosen der Arterien. Man vergleiche
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das bereits früher bei der Thrombose und bei den Blutungen hierüber Gesagte.
Die Heilung der traumatischen Aneurysmen und Varicen kann in der Veterinärpraxis mit einiger Sicherheit nur durch Unterbindung des be­treffenden Gefässes bewirkt werden. Um deren Entstehung nach Gefäss-verletzungen zu verhüten, muss man einen Druckverband anlegen und denselben bis zur vollständigen Vernarbung der verletzten Gefässwand liegen lassen. Näheres hierüber weiter unten.
Spontane Erkrankungen der Blutgefasse.
Zu diesen Erkrankungen gehören zunächst die Gefässerweiterungen, welche ohne vorausgegangene traumatische Einwirkungen entstehen. Sind dieselben auf bestimmte Stellen einzelner grösserer Gefässe beschränkt, so werden die an den Arterien vorkommenden laquo;Pulsadergeschwülste oder Aneurysmenraquo; die an den Venen vorkommenden laquo;Blutadergeschwülste, Venenbmche oder Varicenraquo; genannt. Erstreckt sich die Gefässerweiterung über einen grösseren Bezirk, über grössere Strecken mehrerer kleinerer oder mittlerer Gefässe, so werden sie schlechtweg Gefässerweiterungen oder laquo;Telangiectasien, (von rt/oc Ende clyysTov Gefäss und äcrelmr ausdehnen) oder Gefassendausdehnungenraquo; genannt.
Ich will mit den Aneurysmen beginnen.
Es wurde bereits vorhin von den traumatischen oder unächten Aneu­rysmen und Varicen gesprochen, weshalb ich bezüglich auf das Gesagte verweise.
Das spontane Aneurysma kann auf verschiedene Weise zu Stande kommen. Am häufigsten liegt demselben eine fettige Degeneration oder die sogenannte atheromatöse Erkrankung der Intima und Ringfaserhaut der Arterienwände zu Grunde. Die einfach fettige Degeneration kommt zuweilen an der Ringfaserhaut der Arterien, am häufigsten jedoch an der innersten Schicht der Intima der Arterien und Venen vor. Die degenerirten Binde­gewebszellen behalten ihre normale, eckige, strahlige Form, indem besonders in ihren Fortsätzen perlschnurartig aneinander gereihte Fetttröpfchen auftreten. Derartige Stellen an der inneren Gefässfläche erscheinen dem blossen Auge trilby, gelblich-weiss. Später erweicht auch die Intercellular-substanz und die Zerfallsmassen werden in kleinen Partikelchen vom Blut­strome weggeschwemmt. Dadurch entstehen Stellen von sammtartigem
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Aussehen. Dieser Process führt namentlich dann zur Bildung von Aneu-rysmen, wenn derselbe die Ringfaserhaut in grösserem Umfange betrifft.
Die sogenannte atheromatöse Degeneration beginnt als ein acliver Pro­cess (als eine laquo;Endoarteriitis atheromatosagt;) mit Schwellung und Wuche­rung der Bindegewebszellen in den tiefsten Schichten der Intima der Arterien, der zum nekrobiotischen Zerfalle führt. Schreitet dieser Process bis an die Innenfläche der Intima vor, so gelangen in Folge Zerreissung dieser die Zerfallsmassen in die Blutbahn und können zu Erabolien in dem Capillargebiete des betreffenden Gefässes Veranlassung geben. An der Stelle der Degeneration kann ein Arterienthrombus sich bilden, der je nach seinem Verhalten unschädlich ist oder gefährlich für den betreffenden Organismus zu werden vermag.
Sowohl die einfach fettige, wie die atheromatöse Degeneration beruhen auf einem nekrobiotischen Processe, der bekanntlich stets zur Entartung und schliesslich zum Absterben der Gewebselemente mit Verlust ihrer Form führt. Beide Arten der Nekrobiose kommen nicht nur an den Blut-gefässen, sondern auch am Endocardium, besonders an den Herzklappen vor (Endocarditis atheromatosa) und geben dadurch Veranlassung zur Entstehung von Insufficienz, ja selbst zur Durchbohrung oder Zerreissung der Herzklappen und zu embolischen Processen. Die Herzklappen verlieren in Folge dieser Erkrankung ihre normale Resistenz und buchten sich dem-gemäss an der betroffenen Stelle aus. Wo die Gefässhäute sämmtlich an der Ausbuchtung betheiligt sind, nennt man den Zustand ein Aneurysma verum; wenn hingegen die Media und Intima in Folge der atheromatösen Entartung zerreissen und die Adventitia allein ausgebuchtet ist, so wird auch hier der Zustand ein laquo;Aneurysma dissecansgt; genannt.
Es kann auch eine Lähmung der vasomotorischen Nerven die veran­lassende Ursache von Aneurysmen werden; auch kann die Entzündung der Arterienwände in Folge Bindewebswucherung zur Erweiterung der Arterien­wände an der betreffenden Stelle und dadurch zur Entstehung eines Aneu­rysma verum führen; auch kann endlich durch Abscessbildung in der Media Zerstörung dieser und in Folge dessen ein A. spurium sich entwickeln.
Form und Grosse der Aneurysmen sind sehr verschieden. Betrifft die Erweiterung den ganzen Umfang der bezüglichen Arterie , so wird das Aneurysma ein laquo;gleichförmigesgt; genannt; ist die Ausbuchtung der Arterien­wand nur nach einer Seite hin erfolgt, so heisst das Aneurysma ein laquo;sack­förmigesraquo;. Man hat noch verschiedene andere Formen mit besonderen Namen belegt, wie z. B. laquo;cylindrischegt;, laquo;spindelförmigeraquo; u. s. w. Aneu-
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rysmen. Auf diese Unterscheidungen will ich indess hier nicht weiter eingehen.
Wo ein Aneurysma dem Auge und dem Gefühle zugänglich ist, da macht die Diagnose desselben in der Regel keine Schwierigkeiten. Es ist gekenn­zeichnet durch eine verschieden grosse rundliche oder spindelförmige fluc-tuirende Geschwulst, die mit jedem Herzschlage eine mehr oder weniger deutliche Pulsation wahrnehmen lässt; zuweilen ist die Pulsation so stark, dass sie deutlich gesehen, in anderen Fällen hingegen nur durch den auf­gelegten Finger wahrgenommen werden kann. Die Geschwulst lässt sich durch Druck ganz zum Verschwinden bringen; sie tritt indess sofort in ihrer früheren Beschaffenheit wieder hervor, wenn der Druck aufgehoben wird. Comprimirt man die Arterie zwischen dem Aneurysma und dem Herzen, so wird bei vollständiger Unterbrechung der Circulation die Ge­schwulst und Pulsation ebenfalls zum Verschwinden gebracht; an Stelle der Geschwulst findet man dann bei genauerer Palpation entweder einen weichen, häutigen Sack, oder die durch Blutcoagula oder Bindegewebs-neubildung verdickten Wandungen des Aneurysmasackes. — Durch einen Druck auf die Arterie peripherisch vom Aneurysma wird die Pulsation und Spannung in diesem stärker. Zwischen dem Aneurysma und der Körper­peripherie ist die Pulsation der Arterie schwächer oder ganz verschwunden; die Hebung der Arterienwand erfolgt nicht ganz isochronisch mit dem Herz­schlage und dem Pulse des Aneurysmas, sondern alle Mal etwas später. Manchmal, jedoch nicht immer, vernimmt das angelegte Ohr ein blasendes, rauschendes oder schwirrendes Geräusch.
Es können nun verschiedene Umstände die Diagnose erschweren, oder gar unmöglich machen. In der Tiefe liegende, weder dem Auge noch dem Gefühle des Arztes zugängliche Aneurysmen sind in der Veteriuärpraxis nicht zu diagnosticiren. Aber auch der Körperoberfläche näher gelegene Aneurysmen werden in Folge von Verdickungen ihrer Wandungen oder durch Coagulation ihres Inhaltes, ferner durch Entzündung benachbarter Gewebe u. s. w. zuweilen so verdeckt, dass ihre Diagnose sehr unsicher wird. Solche Veränderungen der Wandungen und des Inhaltes treten an grösseren Aneurysmen im späteren Verlaufe in der Regel ein. Sie sind die Folge von Entzündungs- und Neubildungsvorgängen in den Gefässwänden mit Verdickung und Verdichtung des Gewebes oder von Gerinnungen des Blutes u. s. w.
Je nach ihrem Sitze, ihrem Umfange und ihrem weiteren Verhalten können die Aneurysmen bald mehr, bald weniger erhebliche Störungen, ja selbst den Tod im Gefolge haben. Sie können benachbarte Theile drücken.
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und dadurch, je nach der Beschaffenheit dieser, bald Schmerz, bald Ent­zündung oder Schwund derselben etc. verursachen. In Folge von Losreissung quot;eronnenen Faserstoffes von ihrem Gerinnsel kann Embolie entstehen oder es kann der primäre Thrombus ein obturirender werden und die verschie­denen Folgen der Thrombose und Embolie (siehe diese) nach sich ziehen. Ja, es kann sogar der Tod die Folge von Aneurysmen sein, wenn ihre Wandungen reissen und die so entstandene Blutung eine bedeutende ist und nicht früh genug erkannt und gestillt wurde.
Aneurysmen, welche in den Bereich der chirurgischen Yeterinärpraxis fallen, sind sehr selten, weshalb denselben an dieser Stelle auch nur eine geringe Aufmerksamkeit geschenkt werden soll. Nach Brackmüller sind solche vereinzelt an der Vorarm- und Schenkelarterie, an der Gaumen­arterie bei Pferden und an der Halswirbelarterie bei Rindern angetroffen worden.
Von der Media der kleinen Arterien geht zuweilen ein Degenerations-process aus, von welchem die betreffenden Gefasse zuerst stellenweise, dann strichweise und schliesslich ganz ergriffen und durch denselben in starre Röhren verwandelt werden. Allmälig verbreitet sich der Process mehr oder weniger über alle Capillaren des betreffenden Gefässgebietes. Dieselben verdicken sich und bringen durch Druck die Gewebselemente zum Schwinden, so dass der degenerirte Theil schliesslich entweder ganz aus verdickten Gefässwandungen besteht, oder die Gewebselemente selbst theilweise amyloid entartet sind. — Diese amyloide Degeneration tritt in der Regel in mehreren Organen gleichzeitig auf, und zwar besonders am Dünndarme, am Rectum, an den Nieren, der Leber, den Lungen und dem Herzen; dagegen verschont sie Knochen, Gehirn und Nerven. Da diese Erkrankung somit nicht in das Gebiet der Chirurgie fällt, will ich hier nicht näher auf dieselbe eintreten. In Nr. 6 der Zeitschrift für practische Veterinärwissenschaften, Jahrgang 1874, auf Seite 177 u. folg. hat Fried-b e r g e r eine sehr interessante Mittheilung über dieselbe gemacht.
Die Erweiterung der Venen, lt;Varix oder Plebektasiegt; (von (fXikp die Blutader und axvaai: die Ausdehnung) tritt ebenfalls als cylindrische oder als sackförmige auf. Dieselbe erstreckt sich nicht selten über grössere Strecken der betreffenden Gefässe und ist dann in der Regel mit Ver­längerung und Schlängelung dieser verbunden. Verschiedene Phlebektasien fallen in das Gebiet der Chirurgie; es sind dies besonders folgende:
Bei edlen Pferden sieht man häutig die oberflächlichen Hautvenen an verschiedenen Stellen in Form kleiner Anschwellungen erweitert, welche
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nicht selten platzen, oder von den Thieren aufgerieben werden und dadurch zu (meist unbedeutenden) Blutungen Veranlassung geben.
Bei Hengsten und Stieren sind oft die Venen des Saamenstranges rankenförmig erweitert und dann nicht selten bedeutend ausgedehnt. Diesen Zustand nennt man laquo;Varicocele oder Cirsocelegt;. Die Erweiterung kann sich selbst auf die Venen der Scheidenhaut und des Hodens ausdehnen. Auch werden gleichzeitig, oder auch ohne Cirsocele die Venen des Schlauches und Hodensackes bei alten Hengsten öfter (varicös) erweitert angetroffen.
Ein nicht seltener Varix bei Pferden ist der sogenannte lt;Blutspathgt;, der in einer Erweiterung der Vena saphena magna an der Stelle besteht, wo dieselbe iu der Sprunggelenkbeuge über die vordere Fläche der Gelenk­kapsel tritt.
Die Therapie ist bei den Aneurysmen unserer Haustbiere sehr be­schränkt. Wo keine direkten Nachtheile hervortreten, überlässt man dieselben am besten sich selbst, wenngleich spontane Heilungen in Folge von Throm­bose und Obliteration selten sind. Wo eine Behandlung indicirt erscheint, bleibt kaum eine andere Wahl, als die betreffende Arterie zu unterbinden. — Die Ligatur kann in verschiedener Weise ausgeführt werden, nämlich a. indem man die Arterie oberhalb und unterhalb des Aneurysma unter­bindet, nachdem die zuführende Arterie vorher comprimirt, der Aneu-rysmasack gespalten und von seinen Coagula befreit worden ist; h. indem man den Arterienstamm zwischen dem Aneurysma und dem Herzen, jenem so nahe als möglich, und c. indem man die Arterie unterhalb des Aneu­rysma und diesem wiederum so nah als möglich unterbindet. Diese drei Methoden werden als laquo;doppelteraquo;, laquo;centraleraquo; und laquo;periphereraquo; Ligatur angesprochen.
Die doppelte Ligatur wird wegen der grösseren Verwundung bei der­selben im Ganzen seltener ausgeführt, als die centrale; beide aber verdienen vor der peripheren Ligatur überall den Vorzug, wo dieselben ausführbar sind; nur da, wo dies nicht der Fall ist, wird die periphere Ligatur allen­falls angewendet werden können; dieselbe ist indess in ihren Erfolgen wenig zuverlässig. — Eben so wenig kann ich für die Veterinärpraxis das Einführen von Nadeln in resp. durch die Wandungen des Aneurysmasackes (geschehe dieselbe mit oder ohne Anwendung des electrischen Stromes) empfehlen. Dieselbe bietet wegen der Unruhe der Thiere gewisse Schwierig­keiten und ist in Bezug auf Erfolg wenig zuverlässig.
Eher noch ist von dem Gebrauche concentrirter Säuren oder des glühenden Eisens in Punkten oder Strichen auf die äussere Haut applicirt,
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namentlich gegen erst vor Kurzem entstandene, begrenzte, der Kürper­oberfläche nahe gelegene Gefilssausdehnungen eine günstige Wirkung zu erwarten. Auch kann man vermittelst eines Haarseiles, welches nicht ganz unmittelbar an der kranken Stelle vorbeigezogen wird, einen Entzündungs-process hervorrufen, um durch die entstehende Exsudation und Binde-gewebsneubildung, sowie durch die nachfolgende Verwachsung und Narben-contraction einen andauernden Druck auf die erkrankten Gefässwände auszuüben. Das Haarseil muss nach Eintritt der Entzüudungserscbemungen (in der Regel bereits nach einigen -Stunden) wieder entfernt werden. Nöthigenfalls spritzt man in den Haarseilcanal von Zeit zu Zeit ein Reiz­mittel in geeigneter Concentration ein, um dadurch den Entzündungsprocess so lange zu unterhalten, bis die Neubildung der weiteren Ausdehnung der Gefässe einen hinlänglichen Widerstand entgegensetzt, und ein Platzen der­selben verhindert. Bei dieser Behandlung bleibt die Gefässlichtung in der Regel offen, das Gefäss somit für die betreffende Flüssigkeit passirbar.
Ein Druckverbaud ist bei Thieren nur selten oder gar nicht anwend­bar, da es fast absolut unmöglich ist, denselben die erforderliche Zeit hindurch in seiner Lage zu erhalten.
Die Erkrankungen der Lymphgefässe beziehen sich vorzugsweise auf die Entzündung. Dieselbe beschränkt sich entweder auf die Anfänge der Lymphgefässe, oder sie betrifft auch grössere Lymphgefässstämme. Nur im letzteren Falle spricht man von einer eigentlichen Lymphgefässentzlindung, lt; Lymphangeitis, Lymphangoitis oder Lymphangitis gt; (Lympha, wohl vom griechischen /.spepog Schleim, Wasser, auch mit allerhand Säften ge­schwängertes Wasser und to äyymov das Gefäss) da bei jeder Biude-gewebsentzündung die Anfänge und die kleineren Lymphgefässzweige in Mitleidenschaft gezogen weiden. Die Lymphangitis kommt bei Pferden nicht selten und zuweilen auch beim Rinde vor, während sie bei Hunden ganz fehlt. Sie betrifft am häufigsten die Lymphgefässe in und unter der Haut der Vordergliedinassen, der Brust (Schulter), des Bauches und der Innenfläche der Hintergliedmassen. Das Leiden charakterisirt sich durch strangförmige Anschwellungen, welche in der Richtung nach den nächstgelegenen Lymphdrüsenstationen verlaufen, gegen Berührung sehr empfindlich sind und sich vermehrt warm anfühlen. Auch die betreffenden Lymphdrüsen selbst sind entweder gleich anfangs angeschwollen, vermehrt warm und sclimerzhaft oder es treten diese Erscheinungen erst später au ihnen hervor (Lymphadenitis). Im Umfange der Lymphgefässe bilden sich ödematöse Anschwellungen, welche namentlich an den unteren Partien des betroffenen Körpertheiles deutlich sichtbar werden. Wird eine Gliedmasse
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von Lymphangitis befallen, so ist die Bewegung derselben auffallend be­hindert; die Thiere gehen stai*k lahm, indem sie das betreffende Bein nur unvollständig, halbsteif vorwärts bewegen, ja manchmal sogar nach­schleppen. Zuweilen entstehen an verschiedenen Stellen in den Lymph-gefässen Knoten, welche entweder durch Zertheilung oder durch Abscess-bildung wieder beseitigt werden. Wo es zur Bildung solcher Knoten kommt, da ist eine Verwechslung des Leidens mit Hautrotz (Wurm) leicht möglich, da beide Zustände äusserlich durch nichts von einander unter­schieden sind. Es ist deshalb in allen derartigen Fällen Vorsicht noth-wenclig, bis durch den weiteren Verlauf des Leidens oder durch Impfungen jeder Verdacht auf Rotzkrankheit beseitigt ist. — Häufig ist bei Lymph-gefässentzündung ein mehr oder weniger heftiges Fieber vorhanden. Das­selbe tritt manchmal auf, bevor die örtlichen Erscheinungen eine grössere Ausbreitung erlangt haben. Diese Erscheinung lässt sich bei localer In­fection etwa so erklären, dass man annimrat, die von dem Eintrittsatrium des Giftes aufgenommenen Stoffe werden theils durch die Gefässwandungen hindurch in das Gewebe eines laquo;locus minoris resistentiae gt; auswandern und daselbst Entzündung verursachen; bevor dies indess geschieht, können die in den Blutstrom gelangten Stoffe bereits Fieber hervorgerufen haben. (Siehe Billroth, Seite 354.)
Ueber die pathologisch-anatomischen Vorgänge bei Lymphangitis der Haut und des Unterhautbindegewebes wissen wir noch wenig; unsere Kenntnisse der bezüglichen Verhältnisse sind im Wesentlichen auf fol­gendes beschränkt. Die Blutcapillaren des benachbarten Bindegewebes sind stark erweitert und hyperaemisch (Perilymphangitis), wodurch dieselben an wenig behaarten und schwach pigmentirten Hautstellen als rothe Streifen wahrnehmbar sind. Ob die Lymphe, (welche im Allgemeinen schwerer als Blut gerinnt), gleich anfangs Gerinnsel bildet und die Gefässwancl reizt, ist fraglich; wahrscheinlicher ist es, dass die Lyraphgefässe erst in einem späteren Entzündungsstadium durch gerinnende Lymphe verstopft werden. In gewissen Stadien enthalten die erweiterten Lymphgefässe reinen Eiter, wobei die Umgebung serös und plastisch infiltrirt angetroffen wird. Nie bleibt der Krankheitsprocess auf die Lymphgefässe allein beschränkt, immer trifft man in dem Gewebe, in welchem sie entspringen, mindestens ödema-töse Schwellung, gewöhnlich aber auch einen mehr oder weniger heftigen Entzündungsprocess. Die plastische Infiltration des Bindegewebes kann sich zur eiterigen Infiltration, zur Abscessbildung steigern, bei welcher die dünnwandigen Lymphgefässe selbst mit zerfallen. Je dichter die ent­zündeten Lymphgefässnetze beisammen liegen, um so weniger ist eine
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Lymphangitis von einer Entzündung des subcutanen Bindegewebes zu unterscheiden.
Der eiterige Zerfall des Bindegewebes kann verschiedene Dimensionen annehmen. Beschränkt sich derselbe auf einzelne, den Lyraphgefässen folgende kleinere Stellen, so treten deutlich begrenzte Knoten auf, welche allmälig erweichen und manchmal spontan sich öffnen. In Folge dessen entstehen Geschwüre, welche bald rasch, bald jedoch sehr schwer heilen. Die ursprünglich linsen- bis wallnussgrossen Abscesse breiten sich zuweilen im Unterhautbindegewehe allmälig aus, wodurch die Haut auf grössere-Strecken unterminirt wird.
Zur Veranschaulichung der eiterigen Infiltration des Bindegewebes möge nachstehende Figur dienen.
Tis. U.
Eiterige Infiltration des üntcrhautbindegewelies in der Mitte zum Abscess confluirend. Scliemutischc Zoiclmung. — YergrösseruBg etwa 500. (^sacli B i 11 r o fc h.)
Die Knoten können auch käsig zerfallen und zur Entstehung käsiger Geschwüre mit aufgeworfenen speckigen Bändern führen. Beiderlei Ver­änderungen der Konten werden öfter unmittelbar nebeneinander angetroffen.
Die Ursachen der Lymphgefässentzflndnng sind häufig unbekannt. Zu jedem Entzündungsheerde kann gelegentlich eine Lymphangitis hin­zukommen. Dieselbe ist sehr wahrscheinlich die Folge der Aufnahme einer virulenten Substanz in das Blut. Ueber die Natur dieses Giftes ist zur Zeit nichts Näheres bekannt, ilan nahm bis vor Kurzem ziemlich all­gemein an, dass als inficirendes Agens verschiedene Stoffe wirksam seien,
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so z. B. zersetztes Wundsecret, patride Substanzen verschiedener Art, Stoffe, welche in Folge wiederholter und gesteigerter Reizung in einem Ent-zündungsheerde sich bilden können u. a. m. Wenn z. B. bei Verletzungen der Gliedmasse, durch sogenanntes Streichen, Lymphangitis entstellt, so glaubte man, dass in Folge der gesteigerten Eeizung ein Agens erzeugt werde, welches auf die resorbirenden Lyraphgefässe und auf deren Umgebung sehr irritirend einwirke und in den Lymph- und Blutstrom gelangt, bald Erysi­pelas, bald Lymphangitis, bald Phlegmone zur Folge habe. Es sollen auch virulente Stoffe im Eiitziindungsheerde ruhen und durch Eiterung aus dem Körper entfernt werden können, ohne besondere Nachtheile erzeugt zu haben. Wird in solchen Fällen der Blutdruck gesteigert, wie dies bei unseren Hausthieren nicht selten durch angestrengte. Bewegungen geschieht, so kann in Folge dessen das Gift in die Lymphgefilsse getrieben und in den Blutstrom übergeführt werden, so dass dadurch eine eigentliche In­fection zu Stande kommt. Warum nun in solchen Fällen bald Erysipelas, bald Lymphangitis, bald Phlegmone entsteht, bleibt vorläufig ein ungelöstes Räthsel: nur so viel ist gewiss, dass die Beschaffenheit des einwirkenden Giftes, sowie gewisse locale Verhältnisse hierbei eine Bolle spielen. In neuerer Zeit wird auch für diese Entzündung von Vielen die Einwanderung kleinster Organismen in den Thierkorper als Ursache angenommen.
Nur die der äusseren Körperoberfläche nahe gelegenen Lymphgefässe zeigen während des Lebens im entzündeten Zustande wahrnehmbare klinische Erscheinungen.
Bei Behandlung an Lymphangitis leidender Thiere müssen diese vor allen Dingen ruhig im Stalle gehalten werden. Aeusserlich sind Ein­reibungen eines Quecksilberliniinentes (Ung. Hydr. ein. und 01. Rap. ana) täglich zwei bis drei Mal applicirt, ganz zweckmässig; ebenso gute Dienste thun Einreibungen von Sap. vir. und 01. tereb. (8 : G Th., denen man noch 1 Th. Kali carb. zusetzen kann: (Sapo terebintbinatus s. Balsamus vitae externus). Auch kann man den kranken Theil mit Kleien bepudern und denselben einwickeln, wenn dies möglich ist. Innerlich gibt man Ab­führmittel und zwar bei Pferden am besten wiederum Aloe und Calomel, bei Bindvieh Tart. stib. mit Natr. sulph. in geeigneten Gaben. Für die erste Zeit werden die Patienten auf magere Diät gesetzt.
Häufig gelingt es bei dieser Behandlung die Lymphgefässentzündung innerhalb 8 bis 14 Tagen zur Zertheilung zu bringen; wo sie trotz der­selben zunimmt, da wird es meist zur Eiterung kommen. In solchen Fällen sind dann feuchte Wärme, fleissige Einreibungen eines milden Fettes, oder
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des Ung. Alth. c. 01. Lauri anzuwenden, bis an irgend einer Stelle deut­lich Fluctuation sich zeigt. Der angesammelte Eiter wird alsdann durch einen Einstich entleert und die Behandlung noch einige Zeit hindurch mit denselben Mitteln fortgesetzt.
Bei allen chronischen Lympligefässentzundungen kommt es zur Neu­bildung im benachbarten Bindegewebe und zur Sclerosirung desselben, so dass dadurch mehr oder weniger bedeutende Verdickungen entstehen, die selten wieder ganz sich zurückbilden. Diese Verdickungen sind manchmal an einzelnen Stellen von eitrig oder käsig zerfallenden Knoten durchsetzt. Magere Diät, von Zeit zu Zeit wiederholte Purganzen, Einreibungen von grauer Salbe oder Terpentiuseife, resorbirende oder adstringirende Bäder, anhaltender Druck vermittelst elastischer Binden und dergleichen sind die Mittel, welche hier eine den Verhältnissen angemessene Verwendung finden müssen. Man darf bei derartigen Verdickungen nicht zu bald die Geduld verlieren. Abscesse und Geschwüre werden nach bereits früher angegebenen Hegeln behandelt.
Die Krauklieiten der Drüsen.
Die in der Nähe der Körperoberfläche gelegenen Drüsen sind nicht selten Erkrankungen ausgesetzt. Namentlich sind es die Lymphdrüsen, welche (vorzugsweise bei Pferden) durch verschiedene Gewebserkrankungen mit afficirt werden.
Von den eigentlichen Epithelial- oder wahren Drüsen haben wir hier nur die Schilddrüsen und die am Kopfe gelegenen Speicheldrüsen zu berück­sichtigen.
Die klinisch wichtigen Erkrankungen der Lymphdrüsen sind im Wesent­lichen durch Abnormitäten des Umfanges, der Consistenz und des Zusammen­hanges mit der Nachbarschaft gekennzeiclmet. Die Umfangsvermehrung, resp. die Lymphdrüsenschwellung ist die am häufigsten vorkommende patho­logische Erscheinung; dieselbe kann sowohl durch acute, als auch durch chronische Processe bedingt sein. Bei acuten Schwellungen ist die Drüse gegen Druck empfindlich und die über ihr gelegene Haut in der Hegel vermehrt warm; es liegt derselben eine acute Entzündung der Drüse und des benachbarten Bindegewebes zu Grunde, so dass mit der eintretenden Exsudation die scharfe Begrenzung zwischen denselben für die Dauer der Entzündung schwindet. Bei einem entsprechenden Verhalten pflegt alsbald Zertheilung oder Eiterung einzutreten und demnach die Drüse nach einiger
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Zeit ihre frühere Beschaffenheit wieder anzunehmen; jedoch kann zufolge reichlicher Bindegewebsneubildung möglicherweise eine Yerdickung zurück­bleiben. Solche Lj-mphdrüsenschwellungen sind bei Pferden in den Jahren ihrer Entwickelung sehr häufig. So z. B. ist ein Catarrh der Naseaschleim­haut (Strengel) häufig von Schwellung, und zur Eiterung führender Ent­zündung der Kehlgangslymphdrüsen (Druse) begleitet.
Gewöhnlich ist die Lymphdrüsenentzündung (Lymphadenitis) die Folge einer Lymphangitis, indem die virulenten Stoffe, welche letztere bedingen, den Drüsen zugeführt werden und auch in diesen den Entzündungsprocess anregen. Da hierüber bereits früher gesprochen wurde, so verweise ich der Kürze halber auf das Seite 108 u. ff. Gesagte.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ^
Ob Entzündungen der Lymphdrüsen vorkommen können, ohne dass ein Theil der zuführenden Lymphgefässe gleichzeitig entzündet ist, muss min­destens fraglich erscheinen, da bei Lymphadenitis, wobei die oberflächlich gelegenen Lymphgefässe zwar keine Entzündungssymptome zeigen, doch die tiefer gelegenen entzündet sein können.
In den Lymphdrüsen dehnen sich mit Eintritt der Schwellung die Ge-fässe bedeutend aus und das Gewebe wird reichlich von Serum durchtränkt, während die Alveolen stark mit Zellen sich füllen. Dadurch ist die Circu­lation der Lymphe in den Drüsen wahrscheinlich erst verlangsamt, später ganz sistirt und so die Weiterverbreitung des Infectionsprocesses an diesen Lymphstationen bis zu einem gewissen Grade verhindert. Ein in den Lymphdrüsen eingekapseltes Gift kann durch später eintretende Fluction zu den betreffenden Drüsen wieder in den Kreislauf gebracht werden und neuerdings eine Infection zur Folge haben. Auf diese Weise sind wiederholte Recidiverkrankungen, sowie ein langes Latentbleiben gewisser Infectiouskrankheiten zu erklären.
Durch Abscessbildung können Eitersenkungen entstehen, wie dies im Verlaufe von Entzündungen der tief liegenden oberen Halslyraphdrüsen nicht selten ist. Durch käsige Entartung des Exsudates wird der Ueber-gang zur chronischen Lymphdrüsenschweliung vermittelt. Diese betrifft immer mehrere in Gruppen beisammensitzeude Lymphdrüsen, wobei jedoch der Grad der Erkrankung in den einzelnen Drüsen ein sehr verschiedener sein kann. Das zwischen diesen gelegene Bindegewebe ist gewöhnlich mehr oder weniger stark verdickt, ziemlich derb, oft auch so geschrumpft, dass die Drüsen unmittelbar zusammensitzen und eine verhältnissmässig grosse, gleichartige oder knollige Geschwulst bilden, welche scharf begrenzt, fest und hart, aber nur wenig oder gar nicht schmerzhaft und mehr oder weniger fest mit der Nachbarschaft verwachsen ist, so dass sie nur wenig
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verschoben werden kann. Die Schwellung entwickelt sich manchmal langsam, manchmal schnell, so dass die Drüse im letzteren Falle recht bald einen bedeutenden Umfang erlangt, indem das Bindegewebe sich immer mehr ver­dickt und die Verkäsung sich weiter ausbreitet.
Bei den Pflanzenfressern kommen Anschwellungen der Lymphdrüsen
weit häufiger vor, als bei Fleischfressern. Beim Rinde und Schweine sind die chronischen Erkrankungen der Lymphdrüsen häufiger als die acuten.
Die anatomischen Veränderungen tragen bei der acuten Lymphdrüsen­schwellung im Allgemeinen den Character der Entzündung an sich und sind nach dem Stadium dieser etwas verschieden. Die vergrösserte Drüse ist weich und schlaff und je nach dem Grade ihres Blutreichthums mehr oder weniger geröthet. Die innere Substanz ist in eine weiche, breiige Masse umgewandelt, die vorzugsweise aus Lymphzellen besteht.
Bei der chronischen Lymphdrüsensclnvellung sind die vergrösserten Drüsen sehr derb, saft- und blutarm. Bei Durchschnitten zeigt die Schnitt­fläche eine fast gleichmässige grauliche Farbe, oder sie ist von verschieden grossen gelben Flecken durchsetzt, welche durch die käsige Entartung der Lymphzellen entstanden sind. Manchmal wird dieselbe von Strahlen und Balken eines verdichteten Bindegewebes durchzogen, durch welche die Drüse in einzelne Läppchen getheilt erscheint.
Die Therapie hat vor allen Dingen auf die der Lymphdrüsenschwellung zu Grunde liegenden Ursachen Rücksicht zu nehmen. Bestehen dieselben in Erkrankungen anderer Gewebe, so sind diese ihrer Natur nach zu behandeln. Gegen acute Lymphdrüsenschwellung sind örtlich zertheilende oder die Eiterung befördernde Einreibungen indicirt, Terpentinseife, Althee-salbe mit Lorbeeröl, graue Salbe u. dgl. in schon früher angegebener Weise eingerieben, leisten häufig die gewninschten Dienste. Die Cantharidensalbe bewirkt noch öfter Zertheilung oder Eiterung, wenn die vorhin genannten Mittel sich nicht wirksam genug erweisen. Warme Breiaufschläge können ebenfalls mit Vortheil angewendet werden, erfordern indess immer viel Aufmerksamkeit und Fleiss, wenn sie stets die erforderliche Temperatur und Consistenz haben sollen. Man vergesse nicht, dass bei nachlässiger Anwendung derselben leicht Erkältungen und sonstige Nachtheile entstehen. Gegen chronische Lymphdrüsenschwellungen sind örtlich die Terpentin­seife, die Jod- und Quecksilbersalben durch längere Zeit hindurch ange­wendet, von Nutzen. Wo dieselben nicht ausreichen, kann die Exstirpation der vergrösserten Drüse vorgenommen werden.
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Von den in den Lymphdrüsen vorkommenden Neubildungen mögen hier die weichen Sarcome und Krebse, sowie die Tuberkel kurz erwähnt werden. Letztere finden sich bei der Rotzkrankheit des Pferdes in den Kehlgangsdrüsen häufig. Aus dem bei den betreffenden Abschnitten Gesagten ergibt sich die Therapie, sowie das Weitere hierhin Bezügliche von selbst.
Von den Erkrankungen der Blutdrüsen fallen nur die der Schilddrüse in das Gebiet der Chirurgie. Vorzugsweise sind es die auf Seite 150 u. folg. besprochenen Vergrösserungen, welche ein besonderes Interesse für uns haben. Um Wiederholungen zu vermeiden, verweise ich hier auf fraglichen Abschnitt.
Von den Krankheiten der Drüsen mit Ausführungsgängen interessiren uns diejenigen der am Kopfe gelegenen Speicheldi'üsen. Am häufigsten kommt die Entzündung der Ohrspeicheldrüsen lt; Parotitis 2gt; (nccooirk von rzceod neben und ovg, Gen. ohög das Ohr = die Ohrspeicheldrüse) vor; aber auch diese ist relativ selten und zwar seltener, als vielfach angenommen wird, indem Entzündung und Vereiterung der unter ihr gelegenen Lymphdrüsen manchmal für Parotitis gehalten werden. Die klinischen Erscheinungen der Speicheldrüsenentzündung sind die der Entzündung überhaupt zukommenden: Anschwellung und Schmerzhaftigkeit der be­troffenen Drüse, vermehrte Wärme der unmittelbar über ihr gelegenen Partie der ausseien Haut, sowie anfangs vermehrte, später aber verminderte Speichelsecretion und mehr oder weniger erschwertes Kauen. Sie verläuft gewöhnlich massig acut, so dass ihre Dauer auf 14 Tage bis 4 Wochen sich zu erstrecken pflegt. Ihre häufigsten Ausgänge sind Zertheilung oder Eiterung und in ganz seltenen Fällen Brand. Die Eiterung kann im be­nachbarten oder im interstitiellen Bindegewebe der Drüse auftreten. Im letzteren Falle bilden sich kleine Abscesse, die durch allmälige Ausbreitung schliesslich confluiren und so einen oder mehrere grössere Eiterheerde darstellen. Dieselben pflegen sich spontan zu öffnen; nicht selten bleiben dann bei unpassender Behandlung verdickte, narbige Stellen zurück. Wenn die Eiterung in dem von der Drüse bedeckten Bindegewebe auftritt, so dauert es oft recht lange, bis die spontane Oeffnung der Abscesse erfolgt. Ein operativer Eingriff ist aber wegen der Gefahr einer Verletzung von Speichelkanälen oder in der Xähe gelegener Blutgefässe häufig bedenklich. Wo Eitersenkungen zu befürchten sind, rauss dennoch die rechtzeitige Oeffnung des Abscesses mit der nöthigen Vorsicht unternommen werden. Bei unpassender Behandlung, namentlich nach zu frühzeitigen Einschnitten, bleiben ebenfalls gern verdickte narbige Stellen zurück.
Als Ursachen der Speicheldrüsenentzündung werden neben verschieden-
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artigen mechauischen Insulten auch Erkältungen beschuldigt. Demnach kommt dieselbe bald für sich allein, bald mit catarrhalischen Affeetionen verbunden vor.
Die Prognose ist im Allgemeinen günstig zu stellen, da nur selten schwer heilende Verschwärungen, Fisteln u. dgl. zurückbleiben und noch seltener der Tod in Folge von Brand eintritt. Etwa zurückbleibende Ver­härtungen verlieren sich später gewöhnlich wieder, wozu eine zweckmässige Therapie viel mit beitragen kann.
Die Behandlung hat sich nach den bei der Lymphadenitis angegebenen allgemeinen Regeln zu richten. Die Patienten müssen weiches Futter in geringer Menge erhalten und dabei gegen ungünstige äussere Einwirkungen geschützt werden. Anderweitige gleichzeitig vorhandene Krankheitszustände sind ihrer Natur nach zu behandeln. Aeusserlich werden ableitende matu-rirende oder zertheilende Einreibungen auf die Haut applicirt.
Entzündung der Ausführungsgange der Speichel­drüsen wird bei Pflanzenfressern durch das Eindringen von Grannen, Haferkörnern u. dgl. verursacht; sie betrifft weit häufiger den Wharton'-schen als den Stenonianischen Gang. Bei der Untersuchung des Patienten findet man in der Umgebung der Mündung des Ausfuhrungsganges und längs desselben eine Anschwellung, das Gewebe von einem sulzigen gelben Exsudat infiltrirt, die Oeffnung des Speichelganges ist gewöhnlich wulstig hervorgetrieben. An der Stelle, wo der fremde Körper liegt, bildet sich Eiter und nach dessen Durchbruch durch die Maulhöhle durch den bestän­digen Reiz, welchen das Futter auf die eiternde Stelle ausübt, entstehen häufig Geschwüre mit stark verdickten Rändern, aus welchen Speichel hervorfliesst (Speichelfisteln). Zuweilen setzt sich die Entzündung auf die zugehörige Speicheldrüse fort.
Die Behandlung richtet sich nach dem Grade der Entzündung und nach der Beschaffenheit der Geschwüre etc., sie wird nach den allgemein gültigen, früher angegebenen Principien durchgeführt. Die Therapie der Speichelfisteln wird weiter unten noch näher angegeben werden.
Erweiterungen des einen oder anderen Speichelganges sind bei verschiedenen Thieren zur Beobachtung gekommen. Dieselben sind entweder die Folge einer narbigen Verwachsung nach vorausgegangener Eiterung, oder sie entstehen nach Verstopfung des Canales durch einen von aussen einge­drungenen fremden Körper oder durch einen Speichelstein. Die Aus­dehnung ist entweder mehr begrenzt, oder über eine grössere Strecke des Ductus ausgedehnt und entweder gleichförmig, oder durch Einschnürungen unterbrochen. Die Speichelsteine bestehen vorzugsweise aus kohlensaurem
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Kalk und enthalten oft einen meist excentrischen Kern (ein Haferkoni oder einen anderen Fremdkörper), wobei die Appositionssehichten um den­selben ungleichmässig und im Ganzen wenig deutlich abgegrenzt erscheinen. Der Abfluss des Speichels wird durch dieselben behindert und der Speichel­gang an der betreffenden Stelle ausgedehnt, erweitert. Durch den an­dauernden Druck schwindet die Wand des Ausführungsganges allmälig immer mehr, bis sie endlich reisst, wodurch der Stein in das angrenzende Bindegewebe gelangt, in welchem er eingekapselt wird. Der gleichzeitig in das Bindegewebe austiiessende Speichel verursacht früher oder später eine eiterige Entzündung; der Eiter bricht sich nach aussen oder innen Bahn, wodurch in der Nähe des Steines eine Fistel entsteht.
Sind mehrere Speichelsteine in einem Ductus vorhanden, so liegen die grösseren, wie sie im Stenon'schen Gange vorzukommen pflegen, gewöhn­lich in gelenkförmiger Anpassung dicht hinter einander, indem das vordere abgerundete Ende jedes folgenden Speichelsteines in eine hintere Concavität des unmittelbar vor ihm gelagerten eingefügt ist. Speichelsteine können nur auf operativem Wege aus dem Ductus entfernt werden, worauf die ent­stehenden Speichelfisteln nach den im folgenden Abschnitte angegebenen Eegeln zu behandeln sind.
Verletzungen der Speicheldrüsen und ihrer Ausfuhrungsgänge betreffen fast ausschliesslich die Ohrspeicheldrüse (Parotis) und den Ductus Steno-nianus. Dieselben sind an dem beständigen Ausflusse von Speichel aus der Wunde sehr leicht zu erkennen. Durch jede Bewegung, namentlich aber durch Actionen der Kaumuskel wird die Salivation gesteigert; die Quantität des auf diese Weise verloren gehenden Speichels ist auch von dem Sitze, der Grosse und Tiefe der Wunde mit abhängig. Verwundungen der Drüse in der Nähe des Ausführungsganges (oder dieses selbst) werden aus leicht begreiflichen Gründen bei gleicher Grosse und Tiefe einen beträcht­licheren Ausfluss von Speichel zur Folge haben, als solche am entgegen­gesetzten Ende der Drüse.
Die Prognose ist in Bezug auf Heilbarkeit verschieden. Oberflächliche Verwundungen der Drüse heilen namentlich in einiger Entfernung vom Ausführungsgange leichter, als Verletzungen in der Nähe desselben; am schwersten heilen Wunden des Ductus selbst. Complicationen, wie z. B. gleichzeitige Verletzung von grösseren Blutgefässen, starke Quetschung oder Zertrümmerung des Drüsengewebes etc. sind nach den bekannten allgemeinen Kegeln zu beurtheilen und zu behandeln. Wenn nun derartige Verletzungen zwar nicht leicht lebensgefährlich werden, so beeinträchtigen
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sie doch die Ernährung des Thieres im hohem Masse, weshalb man auf eine möglichst schnelle Sistirung des Speichelflusses bedacht sein muss.
Die Therapie hat also dieses Ziel vor Allem anzustreben. Dasselbe ist manchmal nur mit Vernichtung der physiologischen Function der betref­fenden Speicheldrüse zu erreichen. Zunächst muss man die Speichelsecretion in allen Fällen bis zur erfolgten Heilung zu beschränken suchen. Dies ge­schieht am einfachsten dadurch, dass man die betreffende Drüse durch Application einer kräftigen Scharfsalbe auf die sie bedeckende Haut in Entzündung versetzt. Vorher wird man die Hautwunde, wenn selbige Aussicht auf Heilung per piimam intentionem bietet, durch die Naht ver­einigen und durch einen Collodiumanstrich gegen die scharfe Salbe schützen. Während der ersten 48 Stunden darf Patient gar kein Futter erhalten; derselbe muss in einen abgelegenen Stall allein gestellt werden, damit er andere fressende Thiere weder hört noch sieht, weil sonst die Speichel­secretion angeregt würde. Am dritten Tage reiche man demselben kleine Quantitäten Mehltrank. Ist die Wunde in etwa acht Tagen ganz trocken geworden, so kann man die Heftfäden vorsichtig entfernen; fliesst zu dieser Zeit noch Speichel aus, so erfolgt die Heilung auf dein Wege der ersten Ver­einigung nicht. Zuweilen gelingt es, kleinere Verletzungen der Drüse oder des Ductus auf die angegebene Weise in kurzer Zeit zu heilen, wenn nicht, so sind die folgenden Heilverfaliren zu versuchen.
Die Wunde der verletzten Drüse oder des verletzten Ausführungs-ganges wird vermittelst des Glüheisens zu schliessen versucht; wo der Schorf zu früh abfällt, muss ein neuer gebrannt werden. Haftet derselbe etwa 8 bis 10 Tage, ohne dass an irgend einer Stelle Speichel durchsickert so pflegt mit dem Abfallen des Schorfes die Wunde geschlossen zu sein. Durch geeignetes Anbinden des Patienten muss man dafür sorgen, dass derselbe die gebrannte Stelle nicht reibt. Wo die Heilung nach wiederholter Application des Glüheisens nicht erfolgt, kann man bei einer Wunde des Ausführungsganges diesen zwischen jeuer und der Drüse unterbinden. Ist dies geschehen, so muss die Entzündung der Drüse durch wiederholte Anwendung einer Scharfsalbe auf die äussere Haut bis zur Vernichtung der Speichelsecretion unterhalten werden. Die Entzündung und Verödung der Speicheldrüse kann auch dadurch bewirkt werden, dass man in den Ausführungsgang derselben irgend eine ätzende Flüssigkeit (nach Haubner etwa 8 Gramm Salmiakgeist) einspritzt und demnach während etwa 5 Mi­nuten durch Zusammendrücken des Ductus den Rückfluss des Aetzmittels verhindert. In Folge der eintretenden Drüsenentzündung bilden sich manchmal Abscesse, wie dies bereits vorhin erwähnt wurde.
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Verletzungen der Speicheldrüsen und ihrer Ausführungsgänge heilen auch wohl spontan, weshalb man angerathen hat, dieselben sich selbst zu überlassen und nur Sorge zu tragen, dass die Speichelsecretion der be­treffenden Drüse bis zur erfolgten Heilung verniimiert und dass diese nicht durch Einwirkung ungünstiger Einflüsse gestört werde.
Erkrankungen der Nerven.
Selbst unbedeutende anatomische Veränderungen des Nervengewebes (namentlich der Centralorgane) haben nicht selten die erheblichsten Störungen zur Folge. Leider sind wir recht häufig aussei- Stand, die bezüglichen pathologischen Verhältnisse erkennen zu können, so dass unser Wissen im Gebiete der Nervenkrankheiten im Ganzen noch sehr beschränkt ist. Es liegt deshalb in der Natur der Sache, dass dieses Kapitel mangelhafter als die anderen ausfallen wird.
Zunächst haben wir zu unterscheiden zwischen Erkrankungen der Nervencentren und der peripherischen Nerven. Bei ersteren beziehen sich die klinischen Erscheinungen nicht blos auf das erkrankte Organ, sondern auch auf das ganze Gebiet eines oder mehrerer peripherischer Nerven, während bei letzteren die Störungen sich nur auf einen Theil der be­troffenen Nerven zu beschränken pflegen. Die verschiedenen Erkrankungen der Nervencentren gehören in das Gebiet der speciellen Krankheitslehre, weshalb wir hier auf die Darstellung derselben nicht eintreten.
Die für die Praxis wichtigen Krankheiten der peripherischen Nerven sind meist traumatischer Natur, weshalb wir mit den Verletzungen der­selben beginnen wollen.
Zufolge ihres sehr zähen und derben Neurilemmas entgehen Nerven bei Einwirkungen äusserer Gewalt Zerreissungen leichter als Blutgefässe, so dass nicht selten zwischen den klaffenden Wänden zerrissener Weich-theile stärkere Nervenzweige quer hinüberlaufen. Die Therapie hat hier zunächst die Aufgabe für deren fernere Integrität möglichst zu sorgen. Dies muss selbst dann geschehen, wenn die Nervenfasern theilweise durch­schnitten oder zerrissen sind. Ich hebe dies deshalb ausdrücklich hervor, weil man solche Nervenverletzungen als besonders bedenklich geschildert und die gänzliche Durchsclmeidung derselben für solche Fälle angerathen hat. Es ist dieselbe aber nur dann zweckmässig, wenn in den Bahnen der nicht getrennten Nervenfasern besonders heftige Beizerscheinungen sich bemerkbar machen. — Sind in einer klaffenden Schnittwunde Nervenenden
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zu bemerken, so thut man gut, wenn man dieselben mittelst eines feinen seidenen Fadens so zusammennäht, wie sie früher vereinigt waren. Man muss hierbei darauf achten, dass man nur das Neurilemma und nicht die Nervenfasern selbst durchsticht, lieber die Eegeneration der peripheren Nerven haben wir bereits bei den Wunden gesprochen; dieselbe soll nach Schiffs Angaben bei Quetschungen bedeutend längere Zeit erfordern, als nach Schnittwunden; ferner sollen Gefässnerven schneller und leichter als Empfindungsnerveu und diese rascher als motorische Nerven heilen.
Durch schneidende Instrumente kommen Continuitätstrennungen der Nerven ungefähr ebenso leicht zu Stande, wie die anderer Weichtheile; die durchschnittenen Nervenenden ziehen sich aber nicht erheblich zurück, weshalb sie zwischen den Wundrändern in der Regel sichtbar und greifbar sind. Die Heilung erfolgt um so leichter, je schärfer das Instument war, welches die Trennung bewirkte.
Da die Leitung aller durchschnittener Nervenfasern für die Dauer der Trennung gänzlich aufgehoben ist, so wird die Continuitätstrennung eines grösseren Nervenstammes, der aus Fasern mit verschiedener Function zu­sammengesetzt ist, gemischte Erscheinungen zur Folge haben. Nach Demme kehrt die Empfindung früher wieder als die Bewegung. Bei nur ange­schnittenen Nerven kann das klinische Bild noch complicirt werden durch Reizung und Entzündung der nicht durchschnittenen Fasern.
Die traumatische Entzündung der peripherischen Nerven wird in der Regel durch directe Verletzungen verursacht. — AYenn die Nerven selbst nicht direct verletzt sind, so nehmen sie an der Entzündung benachbarter Gewebe nur selten Theil.
Die Nervenentzündung oder Neuritis (von vevqCov = Demin. von vsvqov Sehne, Nerv) betrifft vorzugsweise die Nervenscheide, welche leb­haft geröthet, serös infiltrirt, erweicht und geschwellt erscheint. Sie ver­läuft bald acut, bald chronisch; im letzteren Falle pflegt sich die Nerven­hülle zu verdicken und mit dem umgebenden Bindegewebe zu verwachsen. Die Entzündung der eigentlichen Nervensubstanz ist selten; Röthung, Schwellung und starke Erweichung dieser kennzeichnet sie; die Nerven­bündel sind aufgefasert und auseinander gedrängt. Klinisch ist die Neuritis durch eine continuirlich gesteigerte Empfindlichkeit des betroffenen Nerven in seinem Verlaufe characterisirt; die Reizbarkeit der innervirten Körper-theile ist anfangs in der Regel gesteigert, früher oder später jedoch wird die Leitungsfähigkeit des [entzündeten Nerven aufgehoben und es tritt Lähmung desselben, resp. der von ihm versorgten Gewebe ein. Die Er­nährung der Gewehe ist bis zu einem gewissen Grade von der Innervation
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unabhängig, so dass selbst die gänzliche Durchsehneidung eines Nerven­stammes an und für sich nicht das Absterben des von ihm innervirten Körpertheiles zur Folge hat. Erst bei anhaltender Lähmung dieser tritt Atrophie derselben ein.
Die Reizungserscheinungen beschränken sich nicht immer auf die eigenen Bahnen des irritirten Nerven; dieselben können vielmehr durch Vermittlung eines Centrum's auf andere Nerven sich fortpflanzen. Man nennt dies eine indirecte oder ßeflexreizung. Die Reflexactionen sind im Allgemeinen sehr verschieden; alle aber stimmen darin überein, dass ihnen die directe Reizung eines anderen Nerven vorausgeht, und dass jene von dieser abhängig sind, insofern mit Beseitigung des primären Nervenreizes auch die Reflexactionen sich zu verlieren pflegen.
Die Therapie muss stets auf Entfernung des primären Reizes gerichtet sein, indem ohne dies eine Badicalcor nicht möglich ist.
Vor allen Dingen ist bei jeder Nerven irritation absolute Ruhe nöthig. Fremde Körper, sei es dass dieselben von aussen eingedrungen sind, oder in benachbarten Tumoren, oder bei Fracturen in Knochensplittern u. dergl. bestehen, müssen, wenn solches geschehen kann, entfernt werden, nament­lich dann, wenn die Irritation in centraler Richtung fortschreitet. Wo die Nervenreizung durch Entzündung benachbarter Gewebe bedingt wird, ist eine entsprechende Behandlung dieser Hauptaufgabe; hierfür gelten die bekannten Regeln. Gegen directe Nervenreizung können recht kalte oder aber lauwarme Aufschläge, Cataplasmen u. dergl. angewendet werden; der äusserliche Gebrauch narcotischer Mittel ist unnütz. Als wirksames Palliativ­mittel sind hypodermatische Einspritzungen von Morphium (1 Gran: 60) in der Nähe des gereizten Nerven zu empfehlen, bei deren Wiederholung man jedesmal die Einstichstelle wechselt. Gegen etwa zurückbleibende Lähmungen sind Douchen, spirituöse Einreibungen und der constante electrische Strom oder subcutane Injectionen von Strychnin oder Veratrin in Gebrauch zu ziehen; jedoch erst dann, wenn der Reizzustand ganz beseitigt ist. Dringt ein fremder Körper in einen Nerven ein, so wird derselbe, wenn er stecken bleibt, durch die folgende Bindegewebswucherung entweder völlig einge­kapselt und dadurch unschädlich gemacht, oder es entstehen bei unvoll­ständiger Umhüllung desselben meist langwierige und hartnäckige Störungen.
Gegen Nervenschmerzen = Neuralgien (von vevgov Nerv und a/.yoc Schmerz) ist der Nervenschnitt = Ncurotomie (von rcvgov und roiit^ der Schnitt) in der Veterinärpraxis öfter versucht worden. Die Bedingungen, welche diesen operativen Eingriff rechtfertigen, sind noch nicht genau
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festgestellt. Im Allgemeinen sind hierbei folgende Momente in Erwägung zu ziehen:
Die Operation ist nur dann von Erfolg, wenn die Neurotomie oberhalb der erkrankten Stelle ausgeführt werden kann, also nur bei Leiden mit excentrischem Sitze. Dieselbe soll erst dann unternommen werden, wenn alle anderen Mittel nicht im Stande waren, den heftigen Schmerz zu be­seitigen, oder wenn die Nervenreizung in centraler Kichtung sich weiter verbreitet. Sobald diese auf ein Centrum sich fortgesetzt hat, ist der Er­folg durchaus unsicher.
Die Durchschueidung gemischter oder rein motorischer grösserer Nerven hat zuweilen dauernde Muskellähmung und erhebliche Ernährungsstörungen zur Folge; die mit ersterer verbundene Gefühlslähmung lässt anderweitige Krankheitsprocesse in dem empfindungslos gewordenen Körpertheile leicht zu grösseren Zerstörungen gelangen, ohne dass von Seiten des Thieres darauf in einer Weise reagirt würde, welche ein rechtzeitiges Einschreiten noch ermöglichte.
Um die häufig bald wiederkehrende Leitungsfahigkeit des betreffenden Nerven zu verzögern oder ganz zu verhüten kann man statt der einfachen Neurotomie die sogenannte Neurectomie (von vevqov Nerv, ix aus und ro^ Schnitt) machen d. h. statt den Nerven einfach zu durchschneiden ein Stück von 1—2 Cm., aus demselben herausnehmen; hierbei muss der erste Schnitt an der centralen, der zweite an der peripherischen Stelle gemacht werden. Die Neurectomie ist jedoch eine viel eingreifendere Operation als die einfache Nervendurchschneidung und kann erhebliche Gefahren für den Patienten nach sich ziehen.
Eine besondere Art traumatischer Nervenverletzungen sind die sogen. Commotionen. Dieselben kommen mit oder ohne sichtbare Verletzungen eines Nerven vor. quot;Wer hätte wohl beim Anstossen mit dem Ellenbogen gegen einen festen Körper noch nie den eigenthümlich vibrirenden Schmerz empfunden, der nicht nur auf die getroffene Stelle sich beschränkt, sondern mehr oder weniger über dieselbe hinaus sich ausbreitet. Dieses Gefühl ist das Ee-sultat der Erschütterung, welche die Nervensubstanz in Folge, des Stosses erlitten hat. Billroth nimmt an, dass dieselbe (namentlich die Axen-cylinder) hierbei eine moleculäre Verschiebung erleiden, die sich in der Eegel alsbald spontan wieder ausgleicht. Manchmal haben derartige Com­motionen sehr bedenkliche Folgen. Beim Menschen sind sogar plötzliche Todesfälle durch Hirnerschütterungen öfter beobachtet worden, ohne dass anatomische Veränderungen irgendwo aufgefunden wurden. Solche Com­motionen können durch Niederstürzen auf die Füsse oder das Gesäss
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aus selbst unbetvächtlicliev Höhe verursacht werden. Ueberhaupt haben Erschütterungen der Nervencentren, sowie mancher peripheren Nerven­stämme schwere Zufälle zur Folge. Heftige Commotionen der Herz-und Lungennerven verursachen durch Störung der Circulation und Re­spiration leicht bedenkliche Erscheinungen. Bei Erschütterungen der sym­pathischen Nerven scheint eine Rückwirkung auf das Gehirn stattzufinden. Mancher Leser hat gewiss an sich selbst schon erfahren, dass ein heftiger Stoss gegen den Bauch eine gewöhnlich bald vorübergehende, einer Ohn­macht nahe kommende Beklemmung hervorrufen kann.
Dass bei Thieren ähnliche Zustände nach Nervenerschütterungen vor­kommen , darf man mit einiger Sicherheit annehmen, obgleich uns die Wahrnehmung der subjectiven Empfindung nicht mitgetheilt werden kann. Leider sind die Vorgänge bei Commotionen noch so wenig gekannt, dass wir über ihre etwaige Bedeutung für die Heilprocesse so gut wie gar nichts wissen.
Die Therapie ist bei Commotionen auf Gewährung der erforderlichen Ruhe beschränkt. Seeundare Zustände sind nach ihrer Beschaffenheit zu behandeln.
Die Nervengeschwülste wurden bereits Seite 125 und 12ß besprochen; Muskellähmung und Muskelkrämpfe auf Seite 273 bis 279; der Starrkrampf wird im dritten Abschnitte ausführlich behandelt werden
E. Verletzungen fester Theile.
Die Krankheiten der Knochen.
Im Allgemeinen kommen folgende Knochenkrankheiten bei nasern Hausthieren vor: Knochen-Entzündung, -Erweichung. -Eiterung, -Auf­lockerung, -Schwund, -Brand, -Hypertrophie, -Auswüchse, -Verdichtung, -Wunden, -Brüche, abnormer Inhalt, sowie Abweichungen in Bezug auf Gestalt und Verbindung der Knochen. Unter allen diesen müssen wir in erster Linie die Entzündung betrachten, insofern dieselbe den meisten der ge­nannten vorkommenden Knochenerkrankungen zu Grunde liegt. Eine Ver-gegenwärtigung der wichtigsten anatomischen Verhältnisse der Knochen wird das Verständniss der Vorgänge, welche bei und in Folge von Knochen-
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entzüuduiigen auftreten, wesentlich erleichtern; wir wollen dieselbe deshalb in gedrängter Uebersicht hier recapituliren.
An jedem Knochen unterscheidet man drei verschiedene Hauptbestand-theile, nämlich: 1) die Knochenhaut; 2) die feste oder sogenannte eigent­liche Knocliensubstanz; und 3^ das Mark.
Die Knochenhaut oder das Periost (Vr*gi um, doziov der Knochen) besteht aus zwei Schichten; einer äusseren, lockeren Bindegewebsschicht und einer inneren, häutigen oder fibrösen Schicht; letztere umschliesst unmittelbar die ganze Knochenoberiiäche, ausgenommen die überknorpelten Stellen (Gelenkflächen).
Die eigentliche Knochensubstanz (Tela ossea) besteht, wie jedes andere Körpergewebe, aus Zellen und aus Intercellularsubstanz; letztere wird auch Grundsubstanz genannt und besitzt bei normalen Verhältnissen einen bedeutenden Grad von Härte. Die Tela ossea wird aus organischen und anorganischen Elementen aufgebaut. Dieselben sind so innig mit ein­ander verbunden und durchsetzen sich gegenseitig so gleichmässig, dass sie morphologisch wie eine Masse erscheinen. In verdünnter Salzsäure oder Salpetersäure kann man die anorganischen Bestandtheile allmälig entfernen ohne die organischen zu zerstören; der Knochen wird durch dieses Verfahren weich und biegsam. Durch Glühen des Knochens kann man die organischen Bestandtheile zerstören, mit Hinterlassung der erdigen; in diesem Falle wird der Knochen spröde, und ziemlich leicht zerreibbar. In beiden Fällen indess hat der Knochen seine Form nicht verändert. — In Bezug auf Dichtigkeit ist die eigentliche Knochensubstanz sehr verschieden und wird deingeinäss in ctnnpacte und in spongiöse Sub­stanz unterschieden. Beide sind in den einzelnen Knochen in verschiedener Menge vorhanden und wird letztere immer von ersterer eingeschlossen. Die compacte Knochenmasse ist sehr widerstandsfähig und wird überall da in grösserer Menge angetroffen, wo der Knochen bei geringerer Dicke grüsseren Anstrengungen ausgesetzt ist, z. B. an der Diaphyse der Röhren­knochen. Die spongiöse Substanz ist bei grösserem Umfange viel leichter und elastischer, als die compacte Substanz; man trifft dieselbe vorzugs­weise reichlich an den Epiphysen der langen Knochen, wo ein grösserer Umfang wegen der Muskelansätze und eine grössere Elasticität wegen der Nähe der Gelenke erwünscht ist.
Die harte Grundsubstanz des Knochengewebes besteht aus einer amorphen oder leicht granulirten Masse, welche in concentrischen Schichten abgelagert ist. Diese Schichte bilden zwei verschiedene Lamellensysteme, die als Grund- oder Geuerallainellen — und als Special- oder Havers'sche
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Lamellen unterschieden werden; erstere gehen vom Periost aus und erstrecken sich über die ganze Knochenperipherie, so dass sie unmittelbar unter dem Periost und an der grossen Markhöhle deutlich zum Vorschein kommen; letztere umgeben die Havers'schen Canäle, die bekanntlich ein
Fiff. 15.
laquo;laquo;. Quer durchschnittene Havers'sclie Canälchen, xun welche die concentrische Au-orduung der Speeiallainellen deutlich hervortritt.
hb. Generallamellen. — Zwischen den Lamellen die Kuochenhöhlen mit ihren Aus­läufern (Kalkcanälchen).
besonderes Röhrensystem bilden, welches die harte Grundsubstanz nach allen Richtungen hin durchzieht und in der compacten Substanz vorzugs­weise entwickelt ist. In den Platten und Bälkchen der Spongiosa treten diese Canäle njehr zurück, indem ein Theil derselben unter trichter­förmiger Erweiterung in die zelligen Markräume ausmündet. In und zwischen diesen Lamellen befinden sich die wesentlichen Elemente des Knochengewebes, nämlich laquo;die Knochenkorperchen oder Knochenzellenraquo;, welche in besondere Höhlen der ossificirten Intercellularsubstanz, in die sogenannten laquo;Knochenhöhlen gt; eingelagert sind. Diese entsenden eine grosse Menge feiner Ausläufer, die sogenannten laquo;Kalkcanälchenraquo; nach verschiedenen Piichtungen, mittelst deren sie sowohl unter sich, wie auch mit den Havers'schen Canälen, dem vorhin erwähnten grösseren
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tückensysteme, wie mit den KnochenoberHächen und den Markräumen ilaquo;. Verbindung stehen.
Fig. 16.
Der Länge nach durchschnittene Havers'sehe Canälchen; zwischen denselben zahl­reiche Knochenhöhlen, die durch ihre Ausläufer (Kalkcanälchen) sowohl unter sich, als auch mit Havers'schen Canälchen vielfach communiciren. Die zahlreichen Punkte in den Zügen der Havers'schen Canälchen bezeichnen die Einmündungssteilen der Kalkcanälchen.
In dem spongiösen Gewebe sind die Knocheukörperchen in den Zwischen­wänden dieses Gewebes unregelmässig vertheilt.
Das Knochenmark ist eine zellig-fette Masse, welche die Markhöhle der Eöhrenknochen und die Aiveolen des spongiösen Knochengewebes er­füllt. Dasselbe besteht aus einem feinen Balkengerüste eines zarten Binde­gewebes, welches den Gefässen und Nerven als Stütze dient; ferner aus Fett, das sowohl in Bläschen eingeschlossen, wie auch in freien Tröpfchen in dem Mark enthalten ist; endlich aus verschieden gestalteten zelligen Elementen. Das Mark der grossen Knochenhöhlen ist gelb und das der Spongiosa rothlich. In letzterem hat man kleinere lymphoide, contractile Zellen mit deutlichen Kernen und einem granulirten Inhalte gefunden (sie kommen auch an der Oberfläche des gelben Knochenmarkes hie und da vor), in welchen man Uebergänge zu den farbigen Blutkörperchen vermuthet.
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Aus dem Peviost treten die Ernälmmgpgefasse durch die Ernährungs-löcher in die Knochensubstanz ein und verzweigen sich in dem Eöhren-systeme der Havers'schen Cauäle und in den Markräumen der spon-giösen Substanz. Knochen, die grösstentheils aus spougiöser Substanz bestehen, und an ihrer vom Periost bedeckten Oberfläche nur von einer dünnen Schicht compacter Substanz umschlossen werden, besitzen eine gvössere Anzahl Ernährungslöcher (Foramina nutritia); dieselben sind von ungleicher Grosse und imregelmässiger Anordnung über die Knochenober-fläche zerstreut, so dass sie dieser ein fast siebähnliches Ansehen geben. Mit Zunahme der compacten Substanz nimmt die Zahl der Ernährungs­löcher immer mehr ab, bis sie schliesslich an der fertigen Diaphyse eines Röhrenknochens auf zwei oder auf eins sich beschränkt. Das Foramen nutritium der Diaphyse eines Röhrenknochens geht bekanntlich in schräger Richtung zur Markhöhle; es nimmt ein Ernährungsgefäss auf, welches Zweige in die Havers'schen Canäle sendet und das Markgewebe mit Blut versieht. Das Gefässnetz dieser Arterie communicirt vielfach mit den Gefassen des spongiösen Gewebes der Epiphysen.
Die Venen liegen in der Regel neben den Arterien; oft aber treten sie auch durch besondere weite Oefluuugen, welche an solchen Stellen vor­kommen,, wo die spongiöse Substanz reichlich vorhanden ist, aus der Knochen-substanz hervor. Die Venen der Knochen sind immer umfangreicher als die Arterien und zeigen in ihrem Verlaufe zuweilen blasenförmige Er­weiterungen.
Auf dieser anatomischen Grundlage wollen wir nun in Folgendem die Krankheiten der Knochen besprechen. Wir beginnen mit der
Knoclienentzüiiduiig.
Wenn gleich die Erkrankung des einen Knochengewebes meist eine Mitleidenschaft der anderen (namentlich bei recht chronischer Krankheits-dauer) im Gefolge hat, so muss doch die Entzündung jedes der drei den Knochen constituirenden Gewebe ihrer besonderen Eigenthümlichkeiten halber für sich abgehandelt werden. Wir betrachten demnach
1. Die Entzündun
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der Knochenhaut:
•2
gt;
eigentlichen (festen) Knochensubstanz; und
o. gt;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;raquo;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;des Knochenmarkes.
Die Knochenhautentzlindung (Periostitis) beginnt gewöhnlich in der äusseren Schicht des Periost's, indem in derselben Gefässausdelmung und plastisch-seröse Infiltration sich entwickelt. Der fernere Verlauf einer
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Periostitis ist (wie der Verlauf bei Knoclienentzündungen überhaupt) ein chronischer. Sie geht entweder in Zertheilung, Osteophytenbildung, Eiterung oder Brand über; bei längerer Dauer lässt sie die benachbarte Knochen­substanz nie unverändert. Jede Periostitis ist immer von einer Entzündung des benachbarten Bindegewebes begleitet. Die Erscheinungen einer Knochen­hautentzündung sind im Allgemeinen zwar dieselben, welche Entzündungen überhaupt kennzeichnen; in vielen Fällen jedoch, namentlich wenn nur kleinere, oder mit Weichtheilen überdeckte Partien des Periost's entzündet sind, treten die örtlichen Erscheinungen so wenig wahrnehmbar hervor, dass das Leiden nur schwer oder gar nicht diagnosticirt werden kann.
Die Schmerzen sind in den einzelnen Fällen sehr verschieden; sie können sowohl sehr heftig, wie auch weniger heftig auftreten, manchmal scheinen sie sogar ganz zu fehlen, besonders dann, wenn die äussere lockere Bindegewebsschicht des Periost's allein erkrankt ist. Wo dagegen die Ent­zündung die fibröse Schicht des Periost's mit erfasst, und von diesem auf die Oberfläcche der Tela ossea sich fortsetzt, da sind die Schmerzen intensiver. — Gewisse klinische Erscheinungen, z. B. bei Periostitis der Extremitätenknochen: das zeitweise Heben und Niederstellen der kranken Gliedmasse, sprechen für remittirende Schmerzen bei Knochenhautentzün­dungen unserer Hausthiere; ob aber, wie beim Menschen, besonders zur Nachtzeit die Schmerzen zuweilen besonders heftig, bohrend, reissend sind, kann höchstens vermuthet, keineswegs aber mit irgend welcher Zuverlässig­keit bekauptet werden. Bei Periostitis solcher Knochen, welche bei der Bewegung eine wesentliche Veränderung ihrer Lage erfahren, also nament­lich bei Periostitis der Extremitätenknochen, ist in der Regel ein stärkeres oder geringeres Lahmgehen die erste in die Augen fallende Erscheinung. Nur da, wo die entzündete Partie der Knochenhaut unmittelbar unter der allgemeinen Körperdecke liegt, oder doch nur von einer dünnen Lage Weichtheile bedeckt ist, wird es möglich sein, eine Entzündungsgeschwulst und vermehrte Wärme wahrzunehmen; auch kann nur in solchen Fällen durch Druck eine deutlich wahrnehmbare Schmerzäusserung hervorgerufen werden. Es scheint jedoch, dass der Schmerz von den an Periostitis er­krankten Thieren subjectiv häufig weit stärker empfunden wird , als man nach dem Grade der Schmerzäusserung auf angebrachten Druck vermuthen sollte.
Der Ausgang der Periostitis in Zertheilung tritt vorzugsweise dann ein, wenn nur die äussere Schicht der Knochenhaut von dem Entzündungs-processe befallen ist und wenn der Heilung günstige Verhältnisse obwalten; bei einer entsprechenden Behandlung kann er aber auch erzielt werden,
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wenn die fibröse Schicht des Periost's mit ergriffen ist. Zertheilung, resp. Kesorption und völlige Wiederherstellung des entzündeten Periost's ist selbst dann noch möglich, wenn bereits andere Entzündungsausgänge, wie z. B. Osteophytenbildung, Eiterung etc. eingetreten sind.
Der Ausgang in Osteophytenbildung kommt bei Periostitis unserer Hausthiere weitaus am häufigsten vor, namentlich bei chronischem Verlaufe. Unter Osteophyten versteht man die bei entzündlichen Processen des Periost's zwischen diesem und der compacten Knochensubstanz (Corticalsubstanz) entstandene, ossificirte Neubildung, lieber den Ursprung neugebildeter Knochenmassen an der Oberfiäche der Tela ossea bestehen verschiedene Meinungen. Im Allgemeinen nimmt man an, dass dieselben an der inneren Fläche des Periost's erzeugt werden. Diese Annahme dürfte für die grosse Melirzahl der Fälle die zutreffende sein und deshalb der Name Osteophyt, d. i. Kuochengewäclis (co oGts'ov — und to (fvrov das Gewächs) den Vor­zug verdienen vor der Bezeichnung Exostose, d. i. etwas aus dem Knochen selbst Hervorgegangenes (ex aus und Sartor). Damit soll jedoch die Möglichkeit keineswegs in Abrede gestellt werden, dass nicht auch die eigentliche Knochensubstanz an der Bildung von Knochenauflage­rungen Antheil nehmen könne; nur so viel dürfte indess als ausgemacht gelten, dass dieselbe niemals ohne Betheiligung des Periost's erfolgt, während sie andererseits ausschliesslich von diesem ausgehen und ohne Betheiligung der eigentlichen Knochensubstanz entstehen kann. Für diese Annahme scheinen wenigstens die Auflagerungen zu sprechen, welche mit dem Periost von der Corticalsubstanz ohne Beschädigung dieser sich ab­lösen lassen. Ausführlicher auf diese Frage hier einzutreten, dürfte überflüssig erscheinen, da dieselbe für die Praxis von untergeordneter Be­deutung ist.
Tritt Osteophytenbildung an den Gelenkenden in Folge von Periostitis auf, so kann sich der Process auf die Gelenkkapsel fortsetzen und dadurch eine Ucberbrückung zu Stande kommen, in Folge deren die Beweglichkeit der beiden verbundenen Knochen an der betreffenden Stelle aufgehoben wird. Dies wird namentlich häufig an den Sprunggelenksknochen (bei Spat) und bei den Wirbelkürpern des Pferdes beobachtet. — Der Knochen wird durch Osteophyten an der betroffenen Stelle mehr oder weniger beträchtlich verdickt. Solche Verdickungen gelangen unter günstigen Ver­hältnissen entweder ganz oder theilweise wieder zur Resorption; es kann aber auch der Entzündungs- und Neubildungsprocess verschwinden und die Verdickung dauernd zurückbleiben.
Der Ausgang einer Periostitis in Eiterung ist bei unseren Hausthieren
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seltener und findet sich fast nur bei Knochenverletzungen, namentlich wenn der Knochen blos gelegt ist. Am häufigsten ist derselbe an den riachen Knochen desquot; Kopfes und an den Rippen beobachtet worden. Möglicherweise kann eine suppurative Periostitis ohne besondere Mit­leidenschaft der Knochensubstanz auftreten, indem in dem serös-plastisch-infiltrirten Periost reichlich Gefässe sich entwickeln, das Bindegewebe zu einer gallertigen Intercellularsubstanz sich umwandelt, in welchem Wanderzeüen auftreten. Eine solche Granulationsmasse kann bald früher, bald später zu Eiter sich verflüssigen. In weitaus den meisten Fällen wird die Corticalschicht des Knochens in Mitleidenschaft gezogen, so dass eine ulcerative Periostitis fast immer mit Caries superficialis ver­bunden auftritt. Ueberhaupt wird in Folge des Gefösszusammenhanges nur selten oder nie eine etwas bedeutende und anhaltende Periostitis vor­kommen, ohne dass dieselbe auf die Oberfläche des Knochens sich fort­setzt. Betheiligt sich die Corticalschicht des Knochens an dem Eiterungs-processe, wie dies leicht geschieht, wenn zwischen Corticalschicht und Periost Eiter sich angesammelt hat, so kann es zur Bildung eines Knochen­geschwüres kommen, welches von neugehildeten Knochenauflagerungen wulstförmig umsäumt ist. quot;Wo in Folge der Eiteransannnlung die von dem Periost an die Corticalsubstanz gehenden Enülhrungsgefässe zerstört werden, da tritt natürlich oberflächliche Nekrose der betroffenen Partie des Knochen­gewebes auf.
Wie in anderen Fällen von Abscessbildung so wird auch bei suppu-rativer Periostitis der Eiter sich einen Weg nach aussen suchen und über kurz oder lang an einer Stelle der äusseren Haut zum Durchbruch kommen.
lieber den Ausgang einer Periostitis in Brand werden wir später sprechen.
Bei unseren Hausthieren kommt Periostitis am häutigsten an solchen Körperstellen vor, an welchen die äussere Haut den Knochen unmittelbar überzieht; dies ist vorzugsweise an den Extremitäten und am Kopfe der Fall.
Veranlassung zur Entstehung von Knochenhautentzündungen können mechanische, und chemische Beize verschiedener Art werden, wenn sie die Knochenhaut direct oder indirect treffen (Schläge, Stösse, Erkäl­tungen, Verbrennungen, Dyscrasien etc.). Bei manchen Individuen treffen wir eine besondere Anlage zu periostalen (und anderen Knochen-) Erkran­kungen, die gewöhnlich ererbt ist, aber auch eine erworbene sein kann.
Der Verlauf der Knochenhautentzündung ist immer langsamer, als bei Entzündungen von Weichtheilen und neigt im Allgemeinen sehr zum
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chronischen. Selbstverständlich sind hierbei die Entstehungsursachen und der Sitz des Leidens, sowie die Zeit des Eintritts einer entsprechenden Behandlung von bestimmender Wichtigkeit. Ueber letztere werden wir später reden.
Die Entzündung der eigentlichen Knochensubstanz, laquo;Ostitisraquo; (oder eigent­liche Knoclienentzündung) genannt, zeigt immer einen chronischen Verlauf, und zwar deshalb, weil die Gefässenveiterung, Zelleninfiltration und Durch--f'euchtung des Gewebes nicht in der Weise erfolgen können, wie dies bei(acuten) Entzündungen der Weichtheile der Fall ist. An vielen Stellen weiden die Blut-gefässe von den Havers'schen Canälen so eng umschlossen, dass eine nennens-werthe Ausdehnung jener (Hyperaemie) nicht möglich ist, bis eine Erweiterung dieser (der Havers'schen Canäle) stattgefunden hat; auch ist das Knochen­gewebe einer bedeutenderen Quellung, resp. Durchfeuchtung nicht fähig, bis es seine starre Festigkeit mehr oder weniger eingebüsst hat, was immer eist im Vei'laufe längerer Zeit geschieht Während z. B. das Bindegewebe durch den Entzündungsprocess sehr schnell in eine gallertige (eiweissreiche) Sub­stanz umgewandelt wird, dauert es bei Knochen immer längere Zeit, bis eine Erweichung der harten Grundsubstanz in Folge der chemischen und physicalischen Veränderungen im entzündeten Knochengewebe sich ent­wickeln kann. Die Ostitis bietet, je nach dem sie in der compacten oder spongiösen Substanz auftritt einige wesentliche Verschiedenheiten.
Die Entzündung der compacten Substanz ist gewöhnlich auf kleinere Strecken begrenzt, während die der Spongiosa diffus sich ausbreitet, so dass sie rasch über grössere Strecken sich ausdehnt.
In der compacten Knochensubstanz tritt zunächst eine mehr oder weniger umfangreiche Hyperämie auf, in Folge deren die Gefäss- oder Markcanälchen sich allmälig erweitern. Die dieselben umgebenden con-centrischen Lamellen werden resorbirt; in Folge dessen entstehen deut­lich sichtbare Lücken, die mit weichen (röthlichen) Granulationen ausge­füllt werden. Unter fortschreitender Wucherung des Granulationsgewebes schwindet das Knochengewebe an der erkrankten Stelle immer mehr und wird schliesslich in eine nur noch von zahlreichen Knochenblättchen und Knochensplittern durchsetzte derbe, aber nicht mehr harte Gewebsmasse umgewandelt. Der entzündete Knochen erweicht in Folge der eben ge­schilderten Vorgänge manchmal so beträchtlich, dass er mit dem Messer geschnitten werden kann. Diesen Zustand bezeichnet man als laquo;rothe oder entzündliche Osteomalacieraquo; (r; fiaXaxia die Weichheit). Ueberwiegt die entzündliche Neubildung über die Resorption, so wird das erweichte Knochengewebe mechanisch auseinander gedrängt, wodurch der Knochen an
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Umfang zunimmt. — Nach der Maceration erscheint er dann in den ver­schiedensten Graden aufgehläht, osteoporotisch. — Von dieser entzündlichen ist die physiologische Osteomalacie, in Folge deren im höheren Alter sämmtliche Knochen von ihrer Peripherie aus allmälig erweichen und re-sorbirt werden, zu unterscheiden.
Knochenerweichung kommt bei unseren Hausthieren in sehr ver­schiedenen Graden und unter sehr verschiedenen Umstünden vor. Die­selbe tritt bald nur an einzelnen Knochen auf, bald verbreitet sie sich allmälig auf die meisten oder gar auf alle Knochen des Scelets. Sie wird in der Veterinärliteratur häufig mit lt;£hachitisgt; verwechselt.
Die Rhachitis ist eine Krankheit des jugendlichen Alters, deren Wesen hauptsächlich darin besteht, dass die Grundgewebe des Knochens (Knorpel und Bindegewebe) in Folge einer entzündlichen Beizung übermässig wuchern, während die Ossification derselben sehr unvollkommen oder gar nicht erfolgt. Sie ist somit eine Erkrankung der Knorpel und kann nur in einem Alter auftreten, in welchem die Bildung des Scelets noch nicht vollendet ist. Ganz anders verhält sich dies mit der Osteomalacie; das Wesen dieser besteht nämlich darin, dass in bereits vollständig ausgebildetem Knochengewebe die harte Grundsabstanz weich wird, wodurch der Knochen seine Festigkeit verliert, biegsam wird. — Bei Milchkühen habe ich einige Mal so bedeu­tende Erweichung der Beckenknochen angetroffen, dass ich mit der Hand kaum mehr zwischen den nach innen eingeknickten Hüftbeinen hindurch kommen konnte.
Die entfernteren Ursachen der Osteomalacie können verschiedene sein; kalkarme Nahrung, sowie gewisse Dyscrasien begünstigen ihren Eintritt in unverkennbarer Weise; ein mehr oder weniger chronischer Entzündungs-process dürfte ihr stets als causa proxima zu Grunde liegen.
Chossat hat gefunden, dass man an Thieren künstlich Knochen­erweichung erzeugen kann, wenn mau ihnen eine an phosphorsaurem Kalk sehr arme Nahrung reicht. Dagegen lehrt die Erfahrung, dass weder Osteomalacie noch Rhachitis durch Darreichung von Calc. phosphor, allein mit Sicherheit geheilt werden, wenn nicht zugleich eine Reihe anderer diätetischer und hygieinischer Bedingungen erfüllt werden.
In Folge der fortschreitenden Erweichung der Knochensubstanz kann schliesslich die Resorption dieser so sehr Überhand nehmen, dass an ein­zelnen Stellen der erkrankten Knochen fast nur das Feriost bleibt, welches manchmal entweder gar keinen oder (unter spärlicher Osteophytenbildung)
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nur einen geringen Antheil an der Erkrankung nimmt. (Bei Ehachitis hin­gegen ist das Perichondrium der kranken Knorpel stets stark geröthet, verdickt und in eine saftige schwammige Masse verwandelt).
Bei Osteomalacie der compacten Substanz schmilzt diese nicht nur von der Markhöhle aus ein, so dass letztere an Umfang immer mehr gewinnt, sondern auch von den Haversischen Canälen aus, wodurch die Knochen­rinde also nicht nur dünner, sondern auch poröser und somit leichter zer­brechlich, aber nicht eigentlich brüchiger wird. -Die Vorgänge, welche die entzündliche Osteomalacie bedingen, werden wir bald noch näher kennen lernen.
Die Entzünduny der spongiüsen Substanz combinirt sich stets mit einer Entzündung des in ihren Maschenräumen eingelagerten Knochenmarkes, gestaltet sich somit von vorneherein als eine eigentliche laquo;Osteomyelitisraquo;. Durch die im Markgewebe auftretenden Granulationen werden die Knochen-plättchen und Bälkchen immer mehr eingeschmolzen, so dass dieselben nur noch in rudimentärer Verbindung mit einander bleiben. Die Grade der Einschmelzung können natürlich sehr verschieden sein und demnach der anatomische Befund. Das Mark sieht röthlich, gallertig aus und ent­hält neben Granulationsinassen viel Fett. Dasselbe ist oft flüssiger, was namentlich in der grossen Höhle der Diaphyse in den fortgeschrittenen Graden der Osteomalacie und bei recht chronischem Verlaufe der betref­fenden Pr'ocesse sehr in die Augen fällt.
Die in Folge einer Osteomyelitis sich bildenden Granulationen können allmälig in verknöcherndes Bindegewebe sich umwandeln und die Lücken des Knochens mit Knochensubstanz wieder ausfüllen, so dass hierdurch der Knochen verdichtet wird. (Siehe Knochenmarkentzündung.) Wenn das Periost früher oder später bei einer Ostitis an dem Eutzündungsprocesse sich betheiligt, so wird der verdichtete Knochen durch Auflagerung von neugebildeten Osteophyten mehr oder weniger verdickt. Häufig nehmen auch die Bindegewebselemente, namentlich das umhüllende Bindegewebe der aus- und eintretenden Blutgefässe der Knochensubstanz an der Knochen­neubildung Antheil; aus den Haversischen Canälen treten nicht selten später ossificirende Granulationen an die Oberfläche des Knochens und tragen zu dessen Verdickung mit bei. In solchen Fällen könnte man die Verdickung, resp. den Knochenauswuchs, mit Recht laquo;Exostosegt; nennen.
Die Bildung von Eiter kommt im Knochen ganz analog, wie in den Weichtheilen zu Stande. Im entzündeten compacten Knochengewebe kann das in den Gefässkanälchen ausgebildete Granulationsgewebe eiterig zer-
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fallen oder es kann an der Oberfläche des Knochens Eiter sich bilden, wie dies bei Thieren namentlich dann gescbleht, wenn der Knochen des Periosts beraubt ist. Wie von diesem, so kann auch von der Markhöhle aus die Corticalschicht in einen Entzündungszustand versetzt werden. Demnach unterscheidet man eine Ostitis externa und interna, und wenn dieselbe in Eiterung übergeht eine Caries superficialis und centralis. Auf letztere kommen wir bei der Entzündung des Knochenmarkes ausführlicher zurück. Der Name lt; Caries gt; wurde früher ausschliesslich für den mit Eiterung ver­bundenen Verschwärungsprocess, für ein offenes Knochengeschwür gebraucht; heute wird derselbe vielfach synonym mit laquo;chronischer Ostitis und Knochen­auflösung gt; gebraucht. So z. B. bezeichnen Virchow und Volk mann mit laquo;Caries siccagt; eine Knochenzerstörung mit Granulationswucherimg ohne Eiterung.
In Folge von Knochenvereiterung kann auch Nekrose entstehen, wenn nämlich die Gefässe zerstört werden, welche die betreffenden Knochen mit Blut versehen. Es werden dann zeitweise bald kleinere, bald grössere Knochenstückchen abgestossen und dem Eiter beigemengt. Nach Verwun­dungen und Quetschungen des Knochens treten gern Eiterungen auf, welche das Periost auf grössere oder kleinere Strecken ablösen oder zerstören und dadurch zur oberflächlichen Nekrose des Knochens führen. Ueberhaupt zieht jede eiterige Periostitis leicht Necrose nach sich, und zwar lt;Nekrosis superficialis oder Exfoliatiom-, wenn der subperiostale Abscess frühzeitig nach aussen durchbricht. Geschieht dies nicht, so geht vom äusseren Periost und von den benachbarten Theilen eine Knochenneubildung aus, welche den Eiter und das nekrotische Knochenstück kapselartig um-schliesst. Diese Nekrose bezeichnet mau als laquo;Nekrosis centralism Geht dieselbe von der Markhöhle aus, oder von einer Entzündung der eigent­lichen Knochensubstanz, so dass der Eiter im Knochengewebe oder in der Markhühle gebildet wird, dann wird der Knochen aufgebläht; Eiter und Sequester liegen in der im Knochen selbst entstandenen Höhle. Im Inneren des Knochens findet sich ein mit dickem Eiter gefüllter Abscess, welcher das nekrotische Knochenstück umspült. Die aus einer ziemlich dicken Bindegewebsschicht gebildete Abscessmembran zeigt innen Granu­lationsbildungen und ist nach aussen von der verdickten und stark sclero-sirten Corticalschicht umgeben. Die Abscesshöhle wird an einer oder an mehreren Stellen von Fistelgängen durchbrochen und tritt durch diese mit den Weichtheilen und später mit der Körperoberfläche in Verbindung.
Wenn ein grösseres Knochenstück (oder gar ein ganzer Knochen) nekrotisch wird, so bezeichnet man dies als laquo;Nekrosis totalisi-; bei derselben
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tritt im Periost und in den umgebenden Weichtheilen eine sehr lebhafte Bildung von später verknöcherndem Gramüationsgewebe ein, welches das abgestorbene Knocbenstück einkapselt. Im Inneren dieser Kapsel wird eben­falls stets Eiter erzeugt, von welchem das necrotische Knocbenstück be­ständig umspült und allinälig zerstört wird.
Durch die in der Kapsel vorhandenen Oefihungen (Kloaken) dringt der Eiter in die umliegenden Weichtheile. welche stets in den Eiterungs-process mit hineingezogen werden. Der Abscess gelangt dann in der Hegel über kurz oder lang an der äussercn Haut zum Durchbrach.
Ein necrotisches Knocbenstück nennt man laquo;Sequesterraquo;: ein grösserer Sequester wird in der Regel erst dann von dem lebendigen Knochen ab-gestossen, wenn die um jenen neu gebildete Knochenkapsel (Sequesterlade) stark genug ist, das verlorene Knochenstück zu ersetzen. Man erkennt einen Sequester daran, dass man bei bestehender Eiterung mit der Sonde den betreffenden Knochen fest, hart und uneben fühlt, zuweilen auch bewegen kann. Bei Caries, namentlich der Spongiosa fühlt man den kranken Knochen erweicht.
Bei Caries necrotica. d. b. wo Caries und Gekröse gleichzeitig vor­handen ist, wie dies bei etwas acut verlaufender Entzündung spongiöser Knochen zuweilen vorkommt, fühlt man mit der Sonde weiche und harte Knochenmassen, letztere je nach Umständen beweglich.
Die compacte Knochensubstanz hat im Allgemeinen eine geringere Dis­position primär zu erkranken als die spongiöse. welche öfter von chroni­schen Entzündungsprocessen befallen wird: diese sind (aus nahe liegenden Gründen) stets gemischster Natur und in der Regel, namentlich an den Gelenkenden, hartnäckiger als in der compacten Knochensubstanz. Wir werden dieselben besser verstellen, sobald wir die Entzündung des Knochen­markes kennen gelernt haben.
Die Knochenmarkenizündung oder laquo;Osteomyelitis QivsXog Mark) be­ginnt mit einer stärkeren Injection der Blutgefässe, welcher bald zahlreiche kleine Blutungen und die Ausschwitzung eines gelblichen und sulzigen Exsudates folgen, wodurch das Knochenmark eine dunklere Färbung erhält.
Im spongiösen Gewebe werden die Maschenräume mit einer weichen, röthlichgrauen Granulationsinasse erfüllt, welche die Knochenbälkchen allmälig verdrängt (dasselbe geschieht auch, wenn gleich langsamer, an der inneren Fläche der Rindensubstanz, indem das saftige Granulations­gewebe in die Gefässkanälchen allmälig eindringt); die Knochenplatten der
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Corticalschicht werden durch die Wucherungen im Markgewebe ausein-andergedrängt und dadurch die erkrankte Knochenstelle umfangreicher.
Die Knochenmarksentzündung führt zur Verdichtung und Verdickung des Knochens, wenn das in den Markräumen gebildete Granulationsgewebe ossificirt und mit den noch vorhandenen knöchernen Scheidewänden ver­schmilzt. In diesem Falle kommt die Verdiekung des Knochens also nicht durch Auflagerungen von aussen, nicht durch Osteophytenbildung, sondern durch Auseinanderweichen der llindensabstanz und durch Ossification des granulireuden Markgewebes zu Stande. Eine solche Osteomyelitis nennt mai} eine lt;sclerosirendegt; (von öxh^ooc hart, fest). Ossificiren die Granulationen des Markgewebes nicht, so wird mit ihrer Zunahme und der fortschreitenden Resorption der Tela ossea der betroffene Knochen an Festigkeit immer mehr verlieren. Zuweilen entstehen aus diesen Granulationen graue, sehr derbe Bindegewebsmassen, welche blos noch an einzelnen Stellen von nicht mehr unter sich zusammenhängenden Knochensplitterchen und Plättclien durch­setzt sind. Die Rindensubstanz kann so weit zur Resorption gelangen, dass dieselbe an manchen Stellen nur noch papierdick ist. Der Knochen wird dann in der Regel unförmlich dick und in eine umfangreiche, festweiche, fleischartige Masse verwandelt. Dieser hohe Grad der sogenannten laquo;rare-ficirendenraquo; (von rarefacere = locker machen) Osteomyelitis, wurde früher laquo;Caries carnosa, oder Carnificatio ossisraquo; (von caro Fleisch) bezeichnet. Die diffuse entzündliche Erweichung kann sich bei Osteomyelitis der Epiphysen auf die Gelenkknorpel fortsetzen, indem diese von zapfenförmigen Mark­granulationen durchbrochen werden, so dass mehrere feine Durchlöcherungen entstellen, welche senkrecht gegen die Gelenkfiäche gerichtet sind (Arthocace von aaamp;Qov Gelenk und xuxög schlecht). Diese Art der Knorpelzerstörung findet sich nie bei Gelenkentzündungen, welche von den Weichtheilen aus­gegangen sind. Nach Durchbreclumg der Gelenkknorpel wird das Gelenk in weitere Mitleidenschaft gezogen.
Tritt bei Knochenmarkentzundung Eiterung ein, so beschränkt sich dieselbe meist auf eine kleinere Stelle; der Abscess kommt dann später an einer benachbarten Stelle der Körperoberfläche zum Durchbruch. Die Entzündung des Knochenmarks combhnrt sich in der Regel, namentlich in spongiösen Knochen, mit Ostitis und umgekehrt diese mit jener (s. S. 319).
Im Allgemeinen werden Knochenentzündungen bei unseren Hausthieren häufig durch mechanische Einwirkungen oder durch Ausbreitung eines Krankheitsprocesses von den Weichtheilen her, verursacht. Nach äusseren Einwirkungen, welche in Folge ihrer Beschaffenheit und ihres Ortes eine Verletzung des Periosts. oder dieses und des Knochengewebes bewirkt
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haben, was nicht immer sofort mit Sicherheit erkannt werden kann), darf man nie vergessen, dass Periostitis oder Ostitis sich stets langsam entwickeln, so dass nicht selten erst mehrere Tage nach Einwirkung der mechanischen Gewalt die Thiere anfangen zu lahmen. Schläge an Körper­stellen, an denen die Knochen nur von der ausseien Haut gedeckt sind, müssen deshalb in Bezug auf ihre Folgen anfangs stets mit Vorsicht beur-theilt werden.
Am häufigsten kommen traumatische Knochenerkraukungen im Allge­meinen wohl bei Pferden vor, und zwar vorzugsweise an den Extremitäten, namentlich am Sprunggelenke; seltener am Kronen- und Fesselgelenke. In Folge derselben können Ueberbrückungeu von einem Knochen zum andern sich bilden, wodurch die Articulation wesentlich beschränkt oder ganz aufge­hoben wird, wie solches bei Pferden an den Wirbelkörpern und an der Amphiarthrose des Sprunggelenkes öfter und besonders dann geschieht, wenn der Entzündungsprocess das Periost und die Gelenkbänder betrifft.
Osteomyelitis entstellt in den selteneren Fällen durch Fortpflanzung des Entziindungsprocesses, resp. der Eiterung von der Knochenrinde her; häufiger ist dieselbe die Folge einer starken Erschütterung oder nicht näher gekannter Dyskrasien. Sie kann eine Zeit laug ohne auffallende Theil-nahme der compacten Substanz oder des Periosts bestehen, während die Knochenplättchen der Spongiosa frühzeitig mit afficirt werden.
In Folge dyscrasischer Zustände können über das ganze Skelet ver­breitete Knochenerkiankungen bei unseren Hausthieren sich entwickeln, z. B. die Kuochenbrücliigkeit des Rindes, Osteoporose des Pferdes u. dgl.; erstere kommt manchmal epizootisch und häufig enzootisch vor. Sie ist an gewissen Orten stationär (enzootisch), während sie in anderen Gegenden so gut wie gänzlich unbekannt ist; aber auch hier kann sie unter beson­deren Umständen auftreten und manchmal eine grosse Verbreitung ge­winnen. So sah ich dieselbe nach dem trocknen Sommer des Jahres 1867 häufig, Yorzugsweise unter den trächtigen und milchgebenden Kühen meines damaligen kreisthierärzilichen Bezirkes, in welchem man früher dies Leiden so gut wie gar nicht kannte.
Die Prognose richtet sich hei Knochenentzündungen wesentlich nach den ätiologischen Momenten.
Traumatische Knochenentzündungen sind im Allgemeinen günstiger zu beurtheilen als dyscrasische; aber auch bei diesen kann das Leiden häufig gehoben werden, wenn die der Dysciasie zu Grunde liegenden Ursachen bekannt und zu entfernen sind. Man vergesse bei der Beurtheilung nie, dass Knochenentzündungen immer einen mehr chronischen Verlauf haben
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und dass in Folge dessen die Eutzündungserscheinungen der zweckmässigsten Eeliandlung nicht selten längere Zeit widerstehen, ohne dass sichtbare Besserung hervortritt. So können z. B. bei einer mechanischen Verletzung des Periost's oder des Knochens acht Tage nach Einwirkung der äusseren Gewalt verstreichen, bevor die Erscheinungen der Entzündung wahr­nehmbar werden; es können diese. namentlich Schmerz und Knochen-geschwulst, dann einige Woche i hindurch permanent steigen, so dass, obgleich die Behandlung eine ganz zweckmässige ist, erst nach Verlauf von etlichen Wochen allniiilig Besserung eintritt. indem die Schmerzen und Geschwulst allmillig abnehmen und erstere in kurzer, letztere hingegen immer erst nach längerer Zeit, oft erst nach Monaten sich ganz verlieren.
Dyscrasische Knochenentzündungen werden erst nach Beseitigung der sie verursachenden Dyscrasien heilen. Wo diese bekannt und entfernbar sind, können auch die auf denselben basirenden Knochenentzündungen voll­kommen oder mit Hinterlassung gewisser Entzündungsfolgezustände heilen.
Die Therapie besteht bei localen Knochenentzündungen vorzugsweise in der örtlichen Application entzündungswidriger, resp. ableitender Mittel. Kälte, namentlich fortgesetzte Begiessungen mit kaltem Wasser oder Eisaufschläge, bei unverletzter äusserer Haut Einreibungen der Cantha-ridensalbe, bis eine kräftige Ausschwitzung und Krustenbildung eingetreten ist, später Einreibungen von resorbirenden Mitteln, der verschiedeneu Jod-und Quecksilber-Salben, der Terpentinseife, der Gebrauch des scharfen Masters u. s. w. werden den Fortgang der Heilung wesentlich fördern.
Da grössere Sequester erst nach langer Zeit (nach Jahr und Tag) durch den andauernden Eiterungsprocess entfernt werden, so wird man in geeig­neten Fällen auch in der thierärztlichen Praxis die Sequesterlade in kunstgerechter Weise ötfnen und den Sequester extrahiren; man nennt diese Operation laquo;Sequestrotomiegt;: dieselbe wird in der Menschenheilkunde jetzt häufig mit grossem Nutzen ausgeführt. Es werden dadurch die lang­wierigen Eiterungsprocesse, welche nur allmälig zur Auflösung und Elimi-nirung des Sequesters führen und die Patienten immer sehr herunter­bringen oder ganz zu Grunde richten, coupirt.
Man muss bei Ausführung der Operation in der Veterinärpraxis namentlich darauf sehen, dass die Sequesterlade (durch Eröffnung derselben) nicht in dem Masse geschwächt wird, dass sie in Folge dessen während der Operation oder nach derselben bricht. Wo hierzu Gefahr vorhanden ist, wird man selbstverständlich auf die Ausführung der Sequestrotomie verzichten.
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Nach der operativen Entfernung des nekrotischen Knochenstückes füllt sich die Sequesterlade in der Regel in verhaltnissmässig kurzer Zeit durch ossificireude Granulationen.
Bei dyscrasischen Knochenentzündungen wird die Therapie eine verschiedene sein. Im Allgemeinen hat dieselbe hier die Aufgabe, durch eine entsprechende Diät und die Anwendung innerlicher Mittel die Dyscrasie zu beseitigen. Es gehört die Behandlung dieser Zustände somit eigentlich mehr in das Gebiet der speziellen Pathologie und Therapie. Ich will des­halb hier auch nur kurz bemerken. dass ein entsprechender Wechsel in der Fütterung oft allein ausreicht, um eine gänzliche Heilung der Osteo-malacie bei nicht allzu weit vorgeschrittenen Veränderungen zu bewirken.
Vennehrung und Abnahme der Masse eines Knochens mit Veränderung seiner Textur kommt, wie trüber gezeigt wurde, als Eolge von Entzündung häufig vor. Dagegen ist eine eigentliche Hypertrophie oder Atrophie des Knochens, d. h. eine Vermehrung oder Verminderung (Zunahme oder Ab­nahme) seiner Masse ohne Texturveränderung seltener. Eine eigentliche Hypertrophie oder Hyperplasie, d. b. ein Riesenwachsthum wird bei unseren Hausthieren wohl nur an den Schädelknochen solcher Individuen beobachtet, welche mit Hirnhöhlenwassersucht geboren werden. Bei den­selben erreichen besonders die Stirn- und Scheitelbeine eine Uinfangsver-mehrung nach allen Seiten, ohne dass die histologische Structur des Knochens eine wahrnehmbare Aenderung erleidet.
Eine Atrophie ohne Texturveränderung dürfte vielleicht noch seltener sein, wenngleich dieselbe häutiger ohne vorausgehende Entzündung eintritt; so zum Beispiel im hohen Alter, dann in Folge von Druck benachbarter Theile etc.
Für die klinischen Zwecke erscheint es immerhin rathsam, in jedem Falle den Krankheitszustand zu ermitteln, durch welchen eine Vermehrung oder Verminderung des ümfangs eines Knochens bedingt wird.
Knocheubrüche.
Als Knochenbrach (Fractura von frangere brechen) bezeichnet man eine so erhebliche Continuitätstrennung der Tela ossea, dass dadurch der Zusammenhang des betroffenen Knochens bedeutend geschwächt oder an einer oder mehreren Stellen ganz aufgehoben ist. Man unterscheidet voll­ständige und unvollständige, einfache und complicirte Knochenbrüche oder Fraeturen.
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Unter vollständigen Fracturen versteht man solche, wo der betreffende Knochen in zwei oder mehr Stücken zerbrochen ist, die entweder gar keinen oder nur einen geringen Zusammenhang mehr haben. In diesem Falle unterscheidet man: Querbrüche, Längsbrüche, schiefe Brüche, Splitter­brüche, gezähnte Brüche, einmalige und mehrmalige Brüche desselben Knochens etc. Was man unter diesen Ausdrücken zu verstehen hat, braucht wohl nicht erst auseinandergesetzt zu werden.
Bei vollständigen Fracturen können die Fragmente in ihrer normalen Lage verharren oder in verschiedener Weise verschoben (dislocirt) werden. Eine einfach seitliche Verschiebung der Fragmente wird als laquo;dislocatio ad latusraquo; bezeichnet; bilden die Fragmente einen Winkel, wie ein ge­knickter Stab, so bezeichnet man dies Verhältniss als laquo;dislocatio ad axingt;. Hat sich ein Fragment mehr oder weniger um seine A.xe gedreht, so nennt man dies eine ulislocatio ad peripheriamraquo;; liegen die Bruchenden neben einander, so dass sie in der Längenrichtung verschoben sind, so nennt man dies eine laquo;dislocatio ad longitudinemraquo;. Diese Bezeichnungen sind kurz und präcis; Jeder, der die zum Studium einer medicinischen Wissenschaft erforderlichen Sprachkenntnisse besitzt, wird sich dieselben mit Leichtigkeit aneignen.
Unvollständige Fracturen sind solche, wo nur eine theilweise, also keine die ganze Breite oder Länge des Knochens durchdringende Trennung der Gewebe stattgefunden hat. Man untertscheidet: Fissuren und Infractionen.
Fissuren sind Spalten oder Risse, welche am häufigsten bei platten, aber auch an Röhrenknochen (neben und ohne Fracturen) vorkommen; der Spalt oder Eiss kann klaffen oder nicht. Die Infraction ist ein partieller Bruch, der in der Regel nur bei sehr elastischen Knochen vorkommt und am leichtesten durch Einknickimg des Schafts einer Gänsefeder zur An­schauung gebracht werden kann. Aussei- diesen beiden Hauptformen unvoll­ständiger Fracturen kommen, namentlich häufig in der Kriegschirurgie, auch noch ähnliche Verletzungen durch Kugeln, Säbelhiebe etc. vor, welche man als Lochfractur, Absplitterung u. s. w. bezeichnet. Lochfracturen werden an gewissen Knochen des Kopfes auch durch die Trepanation öfter absichtlich erzeugt.
Eine einfache Fractur ist eine solche, mit welcher keine nennenswerthe Quetschung oder Zerreissung, namentlich keine Hautwunde, verbunden ist. Man bezeichnet eine solche Fractur auch wohl als eine lt;subcutanegt;.
Complicirte Fracturen gibt es demnach verschiedener Art, indem ein
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Knochenbruch durch Quetschungen der Weichtheile, Verletzung derselben durch Knochenspitzen, Splitter u. s. w. vielfach complicirt werden kann. Wenn man dagegen kurzweg von complicirten Fracturen spricht, so ver­steht man darunter gewöhnlich Knochenbrüche, die mit Hautwunden ver­bunden sind. Obgleich dies streng genommen ungenau ist, (weil es nicht nur weniger schlimme, sondern auch viel bedeutendere Complicationen gibt), so bleibt diese Bezeichnung für die Praxis dennoch ganz brauchbar. Wenn z. B. Fracturen des Schädels eine Hirnquetschung, oder Rippenbrüche eine Zerreissung des Lungengewebes verursacht haben, so sind dies gewiss erhebliche Complicationen, selbst wenn die äussere Haut unverletzt ist. Aber gerade deshalb, weil in solchen Fällen das Gehirn-, resp. Lungen­leiden viel bedeutungsvoller für den Gesammtorganismus ist, als der Knochenbruch, so spricht man dann lieber von einer Hirnquetschung oder Lungeuzerreissung in Folge einer Schädel- oder Rippenfractur.
Die Veränderungen, welche nach Knocheubrüchen an den Wundrändern der beiden Knochenfragmente eintreten, weiden wir nach dem über Knochen-entzünduugen Vorausgeschickten leicht verstehen. Ob und in welcher Zeit diese Veränderungen eine Heilung des Bruches, resp. eine Wiedervereini­gung der beiden Knochenstücke zur Folge haben wird, ist vor allen Dingen davon abhängig, ob der Knochen nicht zu kleineren Stücken zersplittert oder gar zertrümmert ist, und ob die Fragmente wieder in eine mindestens annähernd normale Lage gebracht und in dieser für eine bestimmte Zeit ruhig erhalten werden können. Die Beschaffenheit des Bruches und der Ort, resp. die Körperstelle, wo derselbe stattgefunden hat, kommen dem­nach in erster Linie in Betracht.
Ein entsprechendes ruhiges Verhalten des betreffenden Individuums wird die Heilung wesentlich begünstigen; auch von dem Allgemeinbefinden des Thieres wird dieselbe mit abhängen.
Bevor wir die an den Bruchenden auftretenden Heilprocesse näher betrachten, will ich, ohne auf die Behandlung der Knochenbrüche vor der Hand näher einzutreten, nur bemerken, dass die richtige Aneinanderlage-rung der Fragmente eine wesentliche Heilbedinguug ist und deshalb in allen Fällen so gut wie möglich bewirkt werden muss; lose Knochensplitter müssen entfernt werden, weil dieselben als fremder Reiz wirken und den Heilprocess beeinträchtigen.
Da die Fracturen weitaus am häufigsten die langen Knochen betreffen, so will ich den Heilungsprocess an einem gebrochenen Röhrenknochen in
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Folgendem etwas näher schildern und durch eine beigegebeue schematische Zeichnung die Anschauung der Hauptmomente gewissermassen versinnlichen.
An den Fragmentenden und in deren Nachbarschaft tritt zunächst ein mehr oder weniger beträchtliches Extravasat auf, die Weichtheile schwellen um die Bruchstelle an, indem sie elastisch fest werden; die Muskeln und das Unterhautbindegewebe erhalten ein speckiges Aussehen. Die so be­schaffenen Weichtheile bilden zunächst eine nicht sehr dicke, spindel­förmige Geschwulst um die Fragmentenden. An diesen ist das Feriost. zuweilen etwas von der Corticalsubstanz abgelöst und hängt stets mit den plastisch infiltrirten Weichtheilen innig zusammen. In den Bruch­enden selbst entsteht eine Neubildung, in Folge deren das Mark, die Havers'schen Kanälchen, das Feriost und die anliegenden Muskeln und Sehnen intiltrirt werden. Diese entzündliche Neubildung besteht auch hier zunächst aus kleinen rundlichen Zellen, welche sich massenhaft vermehren und die infiltrirten Gewebe verdrängen. Im Knochenmarke schwinden namentlich die Fettzellen in dem Maasse, in welchem die Wanderzellen in demselben auftreten. In den Havers'schen Kanälchen erscheinen bis zu einiger Entfernung von den Bruchstellen der Fragmente zunächst zwischen den Bindegewebsbündeln, welche die Gefässe umgeben, reichlich Zellen. Durch eine zu stürmische Zellenproliferation daselbst können die Blutgefässe vollständig comprimirt und dadurch Nekrose des infiltrirten Bruchendes herbeigeführt werden. Erfolgt indess die Zellen­vermehrung in den Gefässkanälchen langsamer, so werden diese durch allmälige Resorption ihrer Wandungen weiter und die Blutgefässe in den­selben durch Schlingenbildung vermehrt. Wie diese llesorption zu Stande kommt, ist zur Zeit noch nicht bestimmt ermittelt; die angehäuften Zellen, besonders die vielkernigen Biesenzellen (von Köiliker laquo;Osteoklastenraquo; genannt) und die neugebildeten Gefässschlingen dürften vielleicht einen wesentlichen Antheil an derselben haben. Die Erweiterung der Havers'schen Canälchen ist bald eine mehr gleichmässige, bald eine ungleichmassige (buchtige). Die Zelleninfiltration im Bindegewebe des Knochens bietet an und für sich nirgends etwas Besonderes; dieselbe bildet in Folge der anatomischen Verbreitung des Bindegewebes in der Knochen- und Marksubstanz sowie im Feriost ein zusammenhängendes Ganze. Die Zellenproliferation ist mit Bildung von Granulationen verbunden und wird die durch beide zu Stande gebrachte Neubildung laquo;Callusgt; genannt. Derselbe tritt sowohl an der äusseren Um-fläche und in den Markräumen, wie auch an der Bruchfläche der Knochen­fragmente auf und wächst sich, bis zum Zusammentreffen und Verschmelzen mit einander, entgegen. Letzteres erfolgt ganz in derselben Weise, wie bei
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der Zusammenheilung getrennter Weichtheile. Die Knochenkörperchen
scheinen an den geschilderten Vorgängen keinen activen Antheil zu nehmen; das Knochengewebe wird wahrscheinlich (ebenso wie die Weichtheile) bei einer gewissen Höhe des Entzündungsprozesses aufgelöst und durch neues ersetzt.
Indem durch die Neubildung in den Bruchenden die Knochensubstanz verdrängt wird, muss der Knochen an der betreffenden Stelle selbstver­ständlich zunächst porös werden. Die dadurch entstehenden Lücken in dem Gewebe der Fragmentenden werden indess später durch Verknocherung der Neubildungen wieder ausgefüllt. Der Ossiticationsprocess kommt hierbei in ganz normaler Weise entweder direct oder indirect zu Staude. indem im letzteren Falle die Neubildungen erst in Knorpel sich verwandeln. Es richtet sich dies vorzugsweise nach der Thierart, welcher das betreffende Individuum angehört; so z. B. pflegt der junge Callus bei Kaninchen stets erst in Knorpel umgebildet zu werden, während er bei älterelaquo; Hunden in der Kegel direct verknöchert. Der Grund dieser Verschiedenheit ist bis jetzt völlig unbekannt. Während die Neubildungen, welche in den durch Resorption erweiterten Gefässkanälchen sich angehäuft haben, bereits ver­knöchern und so die erweiterten Lücken mit Knochensubstanz wieder aus­füllen, dauert die Zellenproliferation im Marke und an der Knochenober-fläche noch einige Zeit fort.
Eine Periostitis oder Osteomyelitis, welche vorwiegend oder aus-schliesslich zur Bildung von neuem Knochengewebe führt, nennt man eine laquo;osteoplastischeraquo;. Bei den eben geschilderten Heilungsvorgängen ist der Callus das Product der osteoplastischen Entzündung.
Das ursprüngliche Periost der Fracturenden wird in dein neu gebil­deten Callus miteingeschmolzen, an der Aussenfläche dieses (des neu ge­bildeten Callus) bildet sich dann ferner zunächst ein dichtes Bindegewebe, welches später zum neuen Periost sich umgestaltet.
Der aus den umliegenden Weichtheilen hervorgegangene, zuerst knor­pelige Callus umschliesst die Fracturenden spindelförmig; in demselben treten eigenthüinlich gestreckte Gefässstämmchen auf, welche fast im rechten Winkel in den Knochen eindringen. Die Verknocherung des Callus tritt zunächst mantelartig um diese Gefässe herum ein, so dass mau kleine, parallel laufende Knochensäulchen, welche natürlich gleichfalls ziemlich rechtwinkelig auf der Längsachse des Knochens stehen, namentlich mit der Lupe deutlich wahrnehmen kann. Der aus diesem Callus hervorgehende Knochen ist durchweg porös und wird (nach Dupuytren) laquo;provisorischer Gallusgt; genannt. Nach und nach verknöchert sowohl der periostale, wie
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auch der eudostale Callus ganz, so dass dadurch die Fracturenden zunächst wieder fest mit einander verbunden werden. Sobald die Markhöhle mit fester Knochenmasse ausgefüllt ist, wird die theilweise Functionsfähigkeit um so mehr wieder hergestellt sein, als die Fracturenden auch an ihrer äusseren Fläche ziemlich weit nach unten und oben von dem äusseren Callus um­schlossen werden. Der eigentliche Knochencallus, durch welchen die defi­nitive Verwachsung der Corticallamellen an der Bruchstelle vermittelt wird, bildet sich erst nach erfolgter Herstellung des Zusammenhanges der Knochen­fragmente durch den (provisorischen) periostalen und endostalen Callus.
Fig. 17.
Die weiteren Veränderungen beziehen sich nun zunächst auf die spongiöse Substanz des Callus. Dieselbe hört auf sich zu vergrössern, die in der Markhöhle gebildete Knochensubstanz, so­wie ein grosser Theil des äusseren Callus wird allmälig resorbirt. während die Knochenneu-bildung zwischen den Corticalschichten an den Fracturenden allmälig in dem Maasse an Dichtig­keit zunimmt, dass sie vollständig die normale Härte der Rindensubstanz erlangt. Dadurch wird die Fractur allmälig so vollkommen geheilt, dass man am lebenden Thiere nach vollendeter Heilung die Bruchsteile kaum oder gar nicht mehr her­ausfindet, falls nicht die Fragmente an der Bruch­stelle eine Verschiebung oder unpassende Zu­sammenstellung erfahren hatten. Bei Kaninchen ist der ganze Process an einem Röhrenknochen in circa 26 bis 28 Wochen abgeschlossen; bei grös-seren Thieren dauert derselbe bedeutend langer, so dass selbst bei (jungen) Pferden und Rindern jedenfalls über ein Jahr vergeht, bevor er voll­ständig beendet ist. Selbstverständlich können indess die Thiere bei regelmässigem Verlaufe weit früher wieder zur (anfangs leichteren und später auch zur schwereren) Arbeit verwendet werden. Bei unseren grossen Hausthieren kann in günstigen Fällen der Patient aus dem Bauchgurte (Hänge­oder Unterstützungsgurte) etwa 4 bis 6 Wochen nach einem Beinbruche genommen und zunächst vorsichtig etwas geführt werden.
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Durchschnitt eines Köhrcn-knochens, während der Heilung einer Fractur in der Diaphyse desselben, a a laquo; a. Compacto, e e. Spougiöse Substanz, h amp;. Acusserer, c c. In­nerer, d (l. Intermediiirer oder definitiver Callus, ff ff. Periost, welches über dem äusseren Callus neu sich gebildet hat.
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Die Heilung von Fracturen macht bei Thieren im Allgemeinen nur deshalb grössere Schwierigkeiten als beim Menschen, weil es in vielen Fällen sehr schwer oder ganz unmöglich ist, die dislocirten Fracturenden richtig aneinander zu setzen und bis zu ihrer festen Wiedervereinigung (durch die primäre Callusbildung) ruhig in ihrer Lage zu erhalten. Wo eine Dislocation der Fragmente nicht erfolgt, oder wo die Reposition der­selben in ihre normale Lage ganz oder annähernd möglich ist, und wo dieselbe in dieser Lage bis zur festen Wiedervereinigung ruhig erhalten werden können, da gelingt die Heilung bei Thieren eben so leicht und ehen so vollkommen, als beim Menschen. Ich habe vor 20 Jahren bei einem fünfjährigen Pferde eine Fractur des rechten Oberarmbeines so voll­kommen heilen sehen (um nicht zu sagen geheilt), dass das Thier seine volle Brauchbarkeit und somit seinen frühern Werth bereits nach einigen (3 bis 4) Monaten wieder erlangt hatte.
Wenngleich die Veterinärmedicin es in der chirurgischen Praxis nie so weit bringen wird als die Menschenheilkunde, so ist doch die Veterinär­chirurgie noch einer grossen Vervollkommnung fähig; dieselbe wird nicht lange auf sich warten lassen, wenn an den thierärztlichen Bildungsanstalten ebenso wie an den medicinischen Facultäten die verschiedenen Disciplinen durch besondere Specialisten gelehrt und geübt werden.
Was die Fracturen platter und spongiöser Knochen anbetrifft, so ist zu bemerken, dass die Heilung derselben in der nämlichen Weise zu Stande kommt, wie vorhin angegeben wurde. Die Dislocation der Fragmente und die Bildung des äusseren Callus ist in der Regel geringer als bei Röhren­knochen. Die Räume der spongiösen Substanz in der nächsten Nachbar­schaft der Fractur werden mit Knochensubstanz ausgefüllt, welche später zum Theil wieder resorbirt wird.
Werden bei Dislocation der Brucheuden diese nicht wieder in die richtige Lage gebracht, so entsteht theils von der ganzen Oberfläche der dislocirten Fragmente, theils zwischen denselben in den Weichtheilen und mit Zerstörung dieser, ferner auch von der Markhöhle aus eine so beträcht­liche Callusbildung, dass die Fragmente in einer gewissen Länge von Knochenmasse umgeben und zusammengelöthet werden. Je grosser der Reizungsbezirk der Fragmente ist, um so verbreiteter stellen sich auch die zum Zwecke der Heilung auftretenden Neubildungen ein. Und auch in diesen Fällen thut die Natur hinterher ihr Möglichstes, um im Laufe der Zeit die meist beträchtlichen Verdickungen auf ein Minimum zurückzu­führen. Durch Resorptions- und Venliehtungsprocesse weiden Unebenheiten der verschiedensten Art beseitigt, so dass. mit Ausnahme der unabänder-
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liehen Drehung oder Biegung des Knochens, die frühere Form desselben möglichst wieder hergestellt wird. Und nicht nur dies, sondern auch eine neue Markhöhle wird in den Röhrenknochen in der Regel wieder gebildet-So schreitet im Laufe von mehreren Monaten bis zu einigen Jahren auch hier die Heilung und Ausgleichung so weit voran, dass ausser der abnormen Stellung nur noch die Corticalsubstanz an der Bruchstelle etwas verdickt geblieben ist.
Bei Infractionen und Fissuren ist im Allgemeinen die Bildung des provisorischen Callus gering und kann bei letzteren, wie es scheint, zu­weilen auch ganz fehlen. Auch bei Lochfracturen tritt nur eine dem Ersätze der verlorenen Substanz entsprechende Neubildung ein.
Die Diagnose der Fracturen macht in manchen Fällen gar keine, in anderen hingegen nicht unerhebliche Schwierigkeiten. Subcutane Fissuren sind in der Regel gar nicht zu diagnosticiren. Bei der Langsamkeit, mit welchen sich die EutzüiKlungserscheinungcn nach Knochenverletzungen zu entwickeln pflegen, können noch nach mehreren Tagen und ohne dass man es ahnte, in Folge von Knocbentissuren totale Fracturen entstehen. So sah ich vor etwa zehn Jahren einen Fall, wo ein Pferd geschlagen und ungefähr acht Tage später zur Schmiede geführt wurde. Beim Beschlagen der linken Vordergliedmasse war das Pferd etwas unruhig geworden und der Fuss beim Niederschlagen auf die Erde etwa in der Mitte des sogenannten Schien­beines, an der Stelle gebrochen, wo früher der Schlag getroffen und eine Fissur des Knochens zur Folge gehabt hatte.
Eine totale Knochenfractur wird man ohne jede Schwierigkeit erkennen können, wenn die Bruchstelle dein Auge und der Hand frei zugänglich ist. Wo indess Weichtheile die Bruchstelle bedecken und diese weder mit dem Auge, noch mit der Hand zu erreichen ist, da bietet die Fest­stellung selbst totaler Knochenbrüche nicht selten mehr oder weniger erhebliche, ja mitunter sehr grosse Schwierigkeiten. Man wird in solchen Fällen vorzugsweise das Ohr und den Gefühlssinn zu Rathe ziehen müssen, indem bei totalen Brüchen bei entsprechenden Bewegungen der Fragmente die Enden dieser sich aneinander reiben und dadurch, wie man sich aus­zudrücken pflegt, laquo;Crepitationsgeräuscheraquo; hörbar und fühlbar werden. Ferner muss darauf geachtet werden, ob eine Beweglichkeit (Verschiebung oder Biegung des zu untersuchenden Körperabschnittes nach der einen oder andern Seite hin) an einer Stelle möglich ist, wo dieselbe bei normalen Verhältnissen fehlt.
Ohne hier des Weiteren auf die Untersuchung einzelner Fälle einzu­treten, will ich nur zur grössten Genauigkeit und Vorsicht bei der Unter­suchung und Diagnose rathen.
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Die Prognose ist sehr verschieden; bei Brüchen der Extremitäten­knochen grosser Hausthiere meist ungünstig: bei kleineren Hausthieren sind totale Fractureu der nicht mit Weichtheileu bedeckten Partien der Gliedmassen meist günstig, dagegen an Stellen. welche mit Weichtheileu bedeckt sind, ebenfalls ungünstig zu beurtheilen. Querbrüche heilen ge­wöhnlich leichter als schiefe Brüche, und zwar vorzugsweise deshalb, weil bei ersteren die Fragmente leichter und sicherer in ruhiger Lage erhalten werden können.
Bei Schlachtwaare sei man besonders auf der Hut. dass man nicht durch fruchtlose Kurversuche das Interesse der Besitzer zu sehr schädige; man bedenke, dass bei erfolgloser Behandlung nicht nur die Kurkosten verloren sind, sondern dass auch die Schlachtwaare in der Kegel je länger je'mehr an Gewicht und Werth abnimmt.
Die Behandlung einfacher Fracturen betrifft bei unseren Hausthieren vorzugsweise die Extremitätenknochen, da Brüche anderer Seeletab-schnitte verhältnissmässig selten sind und in der Kegel ohne wesentliches Zuthun der Kunst heilen oder nicht.
Die Therapie hat zunächst die Aufgabe, für die richtige Lage der Frag­mente zu sorgen, somit in allen Fällen, wo eine Dislocation derselben statt­gefunden hat. die Reposition zu bewirken. Bei grossen Hausthieren erfordert dies meist einen sehr beträchtlichen Kraftaufwand, der nur durch geeignete Anstellung mehrerer Gehülfen zu erzielen ist. Umquot; die erforderliche Kraft entwickeln zu können. muss man über und unter der Fracturstelle ein geeignetes Zugmittel (Wurffessel. Bandstricke etc.) befestigen und namentlich bei Längenverschiebungen (dislocationes ad longitudinem) der Fragmente in entgegengesetzter Richtung ziehen lassen. Den Zug an dem unteren Theile der gebrochenen Extremität nennt man die 'Extensionraquo;, den an dem oberen die laquo;Contraextensiom.
Die Reposition dislocirter Fragmente ist (namentlich bei Längenver­schiebungen) bei grossen Hausthieren meist nur mit Hülfe eines Anästhe-ticums zu bewerkstelligen. Nach meinen Versuchen hat sich zu diesem Zwecke Chloroform noch am besten bewährt. Weder Morphium, noch Chloralhydrat haben sich bei Pferden für chirurgische Zwecke als brauchbare Anästhetica erwiesen.
Bei kleineren Thieren kann der Operateur die Reposition mit den Händen meist ohne fremde Hülfe selbst vollziehen, während derselbe bei grösseren Thieren. nur für die richtige Aneinanderfügung (Coaptation) der Fracturenden zu sorgen hat. Dieselbe bewirkt er in folgender Weise. Indem
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die Gehiilfen die Extension und Contraextension ausführen, umfasst der Operateur die Gliedmasse in der Nahe der Fractur mit der einen Hand über, mit der anderen nnter der Bruchstelle und bewirkt zur rechten Zeit die Aneinandersetzung der Fragmente. Diese werden nach vollendeter Keposition durch einen Verband in der normalen Lage zu erhalten gesucht. Seit Einführung des Gypsverbandes in die Chirurgie sind wir auch bei grösseren Hausthieren mehr denn früher im Stande gebrochene Glied­massen, namentlich wenn bei Brüchen einer vorderen Extremität der Bruch unterhalb der Hälfte des Yorarmbeines, an der hinteren Extremität unterhalb der Hälfte des Uiiterschenhelbeines sich befindet in ihrer normalen Lage zu erhalten.
Die Zeit, zu welcher der Verband angelegt werden soll, ist um so günstiger, je unmittelbarer nach der Fractur dies geschehen kann. Früher wartete man mit der Einrichtung der Fragmente und mit Anlegung des Verbandes, bis die Anschwellung, welche fast nie ausbleibt, wenn nicht alsbald ein Verband angelegt wird, wieder beseitigt war. Man glaubte, dass durch zu frühzeitiges Verbinden Brand entstehe und die Gallus-bildung verhindert werde. Beides ist bei einer entsprechenden Vorsicht und Controle nicht zu befürchten. Durch Feststellung der Fraginentenden wird deren Reibung aneinander möglichst behindert und dadurch ein sehr heftiger Entzündungsreiz zweckmässig eingeschränkt.
Unter den verschiedenen Verbänden ist der Gypsverband in der heutigen Veterinärchirurgie der gebräuchlichste, weil er vor den übrigen verschiedene Vorzüge besitzt. Neben demselben kommen noch der Schienenverband und bei kleineren Thieren auch der Kleister- und Wasserglasverbanu in An­wendung. Gutta-Percha eignet sich ebenfalls zu Verbandstücken ganz vor­züglich, da es erwärmt sehr dehnbar ist und jede beliebige Form annimmt, während erkaltete, etwas starke Platten sehr resistent sind. Für die thier-ärztliche Praxis ist dasselbe im Allgemeinen zu theuer und deshalb fast nur bei kleineren Hausthieren verwendbar.
Wir wollen nun vorerst die angeführten Verbände einzeln etwas näher betrachten.
Der Gypsverband. Sobald die Fragmente in der richtigen Lage sich befinden, legt man über, auf und unterhalb der Fractur auf die äussere Haut eine ziemlich dicke Schicht Watte oder Flachs und umwindet dieselbe gleichmässig und entsprechend fest mit einer leinenen oder wollenen Roll­binde. Dann nimmt man eine zweite solche Binde und bestreut dieselbe in ihrer ganzen Länge auf der einen Seite mit fein gepulvertem, frisch und gut gebranntem Gyps, rollt sie auf und legt sie dann in ein Gefäss
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mit Wasser, bis dieselbe ganz durchfeuchtet ist. Ist dies geschehen, so legt man die Gypsbinde in drei bis vier übereinanderlaufenden Cirkeltouren über die Unterbinde. Man kann die Begypsung der Oberbinde auch in der Weise ausführen, dass man dieselbe in einen aus feinem, gut gebrannten Gyps-pulver und Wasser ganz frisch bereiteten Gypsbrei tränkt, demnach aufrollt und um die Unterbinde anlegt. Bei den kleineren Hausthieren erhält ein solcher Verband hinlängliche Festigkeit, während derselbe hei den grossen Hausthieren durch Ueberstreichen einer dickeren Lage von Gypsbrei ent­sprechend verstärkt werden muss. Der Vorgang bei Erstarrung dieses ist folgender: Crystallisirter Gyps besteht aus einem Aequivalent Calciumsulfat und aus zwei Aequivalenten Wasser Ca SO4 -j- 2 H20. Durch Erhitzen über Feuer können die zwei Aequivalente Wasser (Crystallisationswasser) ausgetrieben und das Anhydrit von Calciumsulfat erhalten werden. Dieses verwandelt sich dann, mit einem entsprechenden Antheil Wasser zu einem Brei gerührt, schnell wieder in krystallinisch festen Gyps um, wobei das verwendete Wasser als Crystallisationswasser chemisch gebunden wird. Zu Verbandzwecken muss man deshalb mit möglichster Sorgfalt für gut aus­gebrannten Gyps sorgen, da andernfalls derselbe weder schnell, noch fest genug erstarrt. 1st Gyps aber noch so gut ausgebrannt, resp. seines Cry-stallisationswassers beraubt worden, so nimmt er dasselbe im Laufe der Zeit aus der atmosphärischen Luft wieder auf, namentlich wenn dieselbe viel Wasser enthält. Dadurch wird er zu Verbandzwecken unbrauchbar und muss dann vor der Anwendung erst einige Zeit lang wieder stark erhitzt werden. Gebrannten G3'ps muss man deshalb in gut verschlossenen Büchsen an trockenen Orten aufbewahren.
Selbst stärkere Auftragungen von gut bereitetem Gypsbrei werden in kurzer Zeit so fest, dass sie bei entsprechender Dicke die Erhaltung der Fragmente in ihrer Lage selbst an den Extremitätenknochen des Pferdes (und Rindes) zu bewirken im Stande sind. Da man indess diese Thiere behufs Einrichtung von Fracturen niederlegen muss, so werden hierdurch für solche Fälle, wo die Fragmente dislocirt sind, verschiedene Schwierig­keiten entstellen, deren Beseitigung indess nicht absolut unmöglich ist; am häufigsten wird das Aufstehen der Patienten von der Streu Beschä­digungen des Verbandes im Gefolge haben. Es ist deshalb vor allen Dingen nothwendig, denselben recht trocken werden zu lassen und demnach erst das Thier in die Höhe zu bringen; dies muss mit möglichster Schonung der gebrochenen Gliedmasse und mit kräftiger Unterstützung der Patienten durch Gehülfen geschehen.
Die Entfernung (Abnahme) des Gypsverbandes macht, namentlich bei
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stärkeren Güssen, zuweilen einige-Schwierigkeiten, so dass bei grösseren Thieren unter Umständen Hammer und Meissel zur Durchbrechung der Gypskruste benutzt werden müssen.
Der Schienenverband war früher mein- als jetzt gebräuchlich: der­selbe wird meist nur noch dann angewendet. wenn kein anderes besseres Yerbandmittel zur Hand ist. Er besteht darin, dass über die entsprechend mit Watte oder Flachs umhüllte Fracturstelle zweckmässig geformte Schienen der Längsachse der betreffenden Gliedmaasse nach mit einer Cirkelbinde befestigt werden. Dieselben werden meist aus Pappdeckel. Holz oder Blech, am zweckmassigsten aber aus Gutta-Percha angefertigt. Ein solcher Ver­band aecomodirt sich weniger der Unterlage und der Gliedmaasse, auch ist der Druck auf letztere ein weniger gleichmässiger als beim Gypsverband. Guttapercha-Schienen erhärten fast noch schneller als Gyps und adaptiren sich eben so schön und leicht. In der Nähe von Fabriken kann mau die­selben aus abgenutzten Trieb- oder Transinissionsriemen oft billig und zweckmässig herstellen.
Der Kleisterverband wird, wie beim Gyps- und Schieneaverbande, über einen Unterverband angelegt. Auf diesen applicirt mau passend geschnittene, in Wasser ganz erweichte Schienen von massig dicker Pappe und befestigt dieselben vermittelst einer vorher in Kleister, flüssigem Leim oder Mehlbrei durchtränkten Cirkelbinde. Da die Erhärtung erst mit völliger Austrock­nung, also langsam erfolgt, so muss man bis dahin über den Ivleister-verband noch einen Schienenverband anlegen. Das Trocknen des ersteren kommt etwas schneller zu Stande. wenn man an Stelle der Schienen von durchweichter Pappe solche von Guttapercha nimmt. Der Kleister­verband ist nur bei kleineren Thieren brauchbar.
Der Wasserglasverband. Statt des Kleisters wird auch wohl eine Auflösung von Wasserglas (Kalium- oder Natrlum-Silicat) verwendet. Man streicht dieselbe mittelst eines grossen Pinsels auf eine geeignete Binde und rollt dieselbe demnach auf. Sie wird über den Unterverband in mehreren Lagen übereinander angelegt. Wasserglas trocknet schneller als Kleister, dagegen weniger schnell wie Gyps und wird auch nicht so fest, wie dieser. Dasselbe eignet sich nur zu Verbänden bei Hunden und Katzen, sowie bei Geflügel. Pjei ersteren beiden Thiergattungen kann es namentlich da angewendet werden, wo von zwei nebeneinander liegenden Extremitätenknochen nur einer gebrochen ist.
Unsere grösseren Hausthiere werden nach angelegtem Verbände bei einer Gliederfractur in den Unterstützungsgurt gestellt. Die Frage,
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wie lange sie in diesem bleiben sollen, lässt sich nur in sofern all­gemein beantworten, als dies so lange geschehen muss, bis die Ein-schliessung der Fracturenden in Callusinassen und die Verhärtung dieser so weit erfolgt ist, bis dieselben stark genug sind, den gebrochenen Knochen zu vertreten.
Schliesslich wäre noch zu ermitteln, wie lange der Verband liegen bleiben soll und welche Umstände zur Abnahme desselben vor eingetretener Verwachsung auffordern. Hierhin gehört zunächst Anschwellung des Gliedes unterhalb der Bruchstelle, namentlich wenn dieselbe kalt und gefühllos wird. Es kann in diesem Falle geschehen, dass die Gliedmasse unterhalb der Bruchstelle brandig abstirbt, wenn die rechtzeitige Abnahme des Ver­bandes versäumt wird. Hierdurch wird in der thierärztlichen Praxis jede weitere Behandlung in der Hegel ausgeschlossen, da nur ganz aus­nahmsweise Amputationen grösserer Abschnitte einer Gliedmasse bei Thieren gewünscht werden. Jeder Thierarzt sei deshalb namentlich in den ersten Tagen nach Anlage des Verbandes auf der Hut und versäume nicht den Zustand des Patienten spätestens 24 Stunden nachher zu untersuchen und etwa erforderliche Aeuderungen vorzunehmen.
Die Anlegung eines festen Verbandes ist auch dann nicht coutraindicirt, wenn bereits eine bedeutende Entzündungsgeschwuist in den der Fractur-stelle benachbarten Weichtheilen vorhanden ist. Nur muss man in solchen Fällen viel Watte oder Flachs zum ünterverbande verwenden und etwas locker verbinden. Starke Quetschungen oder gar Zertrümmerungen der nahe gelegenen Weichtheile verbieten dagegen das sofortige Anlegen eines festen Verbandes.
Im Allgemeinen hängt die Erneuerung des Verbandes von dem Eintritt der Lockerung desselben, sowie von der grösseren oder geringeren Neigung zur Dislocation der Fragmente ab. Werden Gypsverbände bald nach statt­gehabtem Knochenbruche und nach sorgfältiger Reposition angelegt, so erfolgt die Bildung des provisorischen äusseren Callus immer in geringerem Maasse als bei stärkerer Dislocation der Fragmente, oder bei später ange­legtem Verbände. Die Bildung des definitiven Callus, durch welchen die Fracturenden wieder mit einander verbunden werden, wird dagegen durch einen rechtzeitigen Verband in keiner Weise beeinträchtigt.
. Es kommt zuweilen vor, dass die Callusbildung verzögert wird oder gar nicht eintreten will. In solchen Fällen versuche man zunächst durch einfache Pieibung der Fracturenden aneinander einen osteoplastischen Ent-zündungsprocess hervorzurufen. Wo Allgemeinleiden vorhanden sind, welche den Knochen-Neubildungsprocess beeinträchtigen, wie z. B. Rhachitis oder
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Osteomalacie, da ist die Darreichung von Xahrungsmitteln zu versuchen, welche reichhaltig au Knochensalzen sind. Milne Edwards und Gös­sel in geben an, dass (künstlich erzeugte) Fracturen bei Thieren schneller heilen und ein stärkerer Callus sich bildet, wenn man ihnen an phosphor­saurem Kalke reiches Futter gibt. Es bedarf diese Angabe indess noch der näheren Bestätigung durch weitere Versuche und Erfahrungen.
Wo an den Fracturenden zwar Granulationen sich bilden, die aber nicht zur Verknöcherung gelangen, da entsteht ein sogenanntes falsches Gelenk, eine Pseudarthroselaquo;. Dieselbe-kann aus einem einfachen soliden Zwischenbande bestehen, oder aber es kann in Folge der Reibung beim Gebrauche des betreffenden Gliedes in dem Bande eine seröse Höhle sich bilden, ja die Fracturenden des Knochens können sich sogar mit Knorpel überziehen. In der thierärztllcheu Praxis kommt die Behandlung solcher Zustände nur ausseist selten vor und es mag deshalb genügen, wenn ich hier die verschiedenen Behandlungsmethoden nur kurz anführe. Reizung des Bandes durch Nadeln, Electricität oder Haarseile; Entfernung desselben durch das Messer und Anfrischuug der Knochenenden, Durchbohrung und Befestigen dieser vermittelst Drahtes. Einschlagen von Elfenbeinzapfen oder Brennen mit dem Stift und allenfalls Amputation sind die Mittel, welche auch in der Veterinärchirurgie versucht werden können.
Die Behandlung offener Knochenbriiche. Gleich wie subeutane Verletzungen von Weichtheilen im Allgemeinen viel leichter und schneller heilen, wie die gleichen Verletzungen mit offener Hautwunde, ebenso, ja noch in höherem Maase, ist diese Verschiedenheit auch bei Knochenverletzungen mit oder ohne durchdringende Hautwunde wahrzunehmen. Während nämlich subeu­tane Fracturen bei gesunden Hausthieren (ebenso wie beim Menschen) regel-mässig ohne Allgemeinerkrankung verlaufen und heilen, sehen wir bei offenen Knochenbrüchen häufig Fieber und anderweitige schwere Erkrankungen auftreten.
Gerade für die thierärztliche Praxis hat man diejenigen Momente, welche die Prognose besonders ungünstig gestalten, genau zu erwägen, um danach bemessen zu können, ob mit Rücksicht auf die öconomischen Interessen des Besitzers in dem gegebenen Falle eine Behandlung rathsam ist oder nicht. Gar mannigfache Umstände sind zu berücksichtigen, die je nach der Thierspezies und dem Nutzungszwecke des Individuums sehr verschieden beurtheilt werden müssen. Ohne jetzt schon auf diese Verhältnisse näher eintreten zu können, will ich nur einzelne derselben kurz andeuten. So wird man z. B. eine als Zucht- oder Milchthier
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besonders geschätzte Stallkuh, an einer complicirten Fractalquot; selbst dann noch behandeln, wenn eine radicale Heilung der vorhandenen Schäden zwar nicht möglich,,indess Aussicht vorhanden ist, den Patienten ohne zu bedeutenden Kostenaufwand so weit herzustellen, dass derselbe so viel sich bewegen kann, als die Nntzungszwecke dies erfordern. Handelt es sich bei ganz den gleichen oder ähnlichen Complicationen um ein Zug-thier, so ist zu erwägen, ob dasselbe so weit wieder hergestellt werden kann, dass es den bezüglichen Anforderungen zu entsprechen im Stande ist. Während nämlich im ersteren Falle eine Anchylosis ohne erheblichen Nachtheil eintreten kann, würde dieselbe im letzteren die Brauchbarkeit des Thieres für die bezüglichen Dienstleistungen möglicherweise vollständig vernichten. Selbstverständlich muss man immer untersuchen, wie viel Werth das betreffende Thier als Schlachtwaare vor der Behandlung hat; ferner ist zu berücksichtigen, ob das Thier nach der Heilung zu leichtem oder schwerem Zuge, auf weichem oder festem Boden, in langsamen oder schnellen Gangarten gebraucht werden soll, etc. etc.
Es ist aber manchmal eine eben so schwierige als wichtige Aufgabe, eine offene Fractur gleich im Anfange prognostisch richtig zu beuitheilen, so dass selbst bei der genauesten Sachkenntniss und bei der grössten Sorgfalt in jeder Beziehung dennoch ein Irrt hum vorkommen kann. Die Symptome einer offenen Fractur sind zwar wesentlich dieselben, wie die einer subcutanen, nur dass in der Regel eine Blutung aus der Hautwunde besteht und dass das eine oder andere Bruchende, oder beide durch die Wunde hervortreten oder in derselben sichtbar sind. Man muss demnach zunächst auszumitteln suchen, wie die Gewalt beschaffen war, die den Bruch zur Folge gehabt und ob dieselbe direct oder indirect eingewirkt hat. Ein offener Knochenbruch, der durch Einwirkungen eines spitzen oder scharfen Instrumentes entstand, ist mit weniger Quetschung der Haut und der benach­barten Weichtheile verbunden, als wenn ein stumpfes Instrument, namentlich direct, eingewirkt hat. Bei indirecter Einwirkung einer solchen Gewalt kann ein Hautriss sehr wohl ohne nennenswerthe Quetschung der benach­barten Weichtheile entstehen, namentlich wenn der Bruch die Folge einer zu starken Biegung des Knochens war.
Man muss dann ferner untersuchen, ob der Knochen ein oder mehrere Mal gebrochen oder gar zertrümmert ist, ob mit den Weichtheilen auch stärkere Nervenstämme gequetscht oder zerrissen sind, ob eine starke Blutung besteht und aus welchem Gefässe dieselbe kommt, oder ob in Folge einer Blutung der allgemeine Zustand des Patienten Besorgniss erregt, oder ob dass Allgemeinbefinden des Patienten aus anderen Gründen
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zu Bedenken Veranlassung gibt etc. etc. Diese und noch manche andere umstände öconomischer Natur müssen bei Beurtheilung des Falles vor Uebernahme oder Abweisung der Behandlung mit Sorgfalt erwogen, nament­lich mit den Kosten und Mühen der Behandlung, mit dem Werthe des Thieres zur Zeit der ersten Untersuchung und nach erfolgter Heilung ver­glichen werden. Man vergesse hierbei nicht, dass besonders bei ungünstigem Verlaufe die Patienten während und in Folge des eintretenden Entzündungs-processes und seineu Consequenzen, mehr oder weniger bedeutend ab­magern. — Die Grosse der Hautwunde und der Grad des Zusammenhanges der Weichtheile au der Fracturstelle sind von grosser Wichtigkeit für die Prognose.
Die Heilung einer offenen Fractur kann auf sehr verschiedenen Wegen zu Stande kommen. Wo die Heilbedingungen möglichst günstig sind, da kann die Verwachsung, wie bei einem subcutanen Knochenbruche, per pvimam intentionem erfolgen. Dieser günstigste Fall tritt bei eigentlich coraplicirten Fracturen verhältnissmässig selten ,• dagegen ziemlich regel-mässig ein. wenn die Hautwunde mit der Stelle, wo der Knochen gebrochen ist, nicht communicirt; es wird dann die Fractur begreiflicherweise durch die Hautwunde nicht eigentlich complicirt. Wo diese mit der Bruchstelle communicirt, da darf mau sehr zufrieden sein, wenn nur in den mehr obertlächlich gelegenen Theilen in der Nachbarschaft der Fractur Eiter sich bildet, ohne dass derselbe bis zu den Fracturenden vordringt und diese in den Eiterungsprocess mit hineinzieht; es kann dann der Heilungsprocess am Knochen wie bei einer einfachen Fractur vor sich gehen. Wo hingegen die Fracturenden von Eiter umspült und in den Eiterungsprocess mit hinein­gezogen weiden, oder wo dieser bis in die Markhöhle sich erstreckt, wo ferner ene grosse Hautverletzung mit starker Quetschung der die Bruch­enden umgebenden Weichtheile, oder wo gar halblose Knochenstücke vor­handen, die Fragmente auf längere Strecken gespalten sind, da kann eine Heilung per primam intentionem selbstverständlich nicht mehr erwartet werden.
Wir wollen nun in Folgendem untersuchen, welche Vorgänge hier die eigentlichen Heilprocesse begleiten und vermitteln.
Die Thätigkeit der Weichtheile im Umfange der Bruchendeu wird im Allgemeinen und Wesentlichen der Tendenz nach dieselbe bleiben, wie bei einfachen Fracturen; ein nicht unerheblicher Unterschied besteht jedoch darin, dass die entzündlichen Neubildungen nicht direct in Callus sich ver­wandeln, weil die zerquetschten Weichtheile zum Theil nekrotisch werden, und weil neben den später ossificirenden Granulationen auch Eiter sich
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bildet, durch welchen die abgestorbenen Fetzen aufgelöst und nach aussen entfernt werden. Der sich bildende Callusring wird somit an einer oder mehreren Stellen Lücken bekommen, die erst später durch ossificirende Granulationen, welche aus der Tiefe hervordringen, geschlossen werden. Dass unter diesen Umständen die Heilung mehr Zeit erfordert, als wo dieselbe durch die erste Vereinigung erfolgt, ist leicht begreiflich.
Ganz analog wie in den Weichtheilen gestalten sich die Heilungs­vorgänge in den zerquetschten oder vom Periost entblössten Knochen-fragmenten; auch hier tritt an den Brachenden die plastische Thatigkeit bis zur Grenze des Lebendigen ein. Es bilden sich interstitielle Granula­tionen und Eiter, wodurch die nicht mehr lebendigen Knochenstücke schliess-lich als Sequester abgestossen werden. quot;Wie weit dieser Abstossungsprocess sich erstreckt, hängt natürlich davon ab, in welcher Ausbreitung dem Knochen die zum Leben nöthige Blutzufuhr abgeschnitten wurde. Diese Ausbreitung kann eine sehr verschiedene sein und sich nur auf die ober­flächliche Schicht der verletzten Knochenstelle erstrecken, oder diese ganz betreffen. Im ersteren Falle werden nur an der Oberfläche des Knochens ein oder mehrere Knochenplättchen abgestossen; man nennt dies eine Ne­crosis superficialis oder Exfoliation, im Gegensätze zur Necrosis centralis, bei welcher ein Theil im Innern des Knochens abgestorben ist. (Siehe Seite 320.) Wird ein grosses Knochenstück von einem Bruchende losgestossen, so bezeichnet man dies als laquo;Necrosis partialisraquo;, auch wohl als laquo;Nekrosis totalise. Letzterer Ausdruck wird aber mehr gebraucht, um damit zu bezeichnen, dass eine ganze Diaphyse eines Röhrenknochens oder doch der grösste Theil derselben abgestossen wurde. Dass bei Knochenverletzungen leichter Necrose eintritt als bei Verletzungen der Weichtheile ist natürlich, weil die Blutgefässe in den Havers'schen Kanälen sich nur wenig ausdehnen können und Ernährungsstörungen selbst in kleineren Capillardistricten durch den collateralen Kreislauf nur sehr unvollkommen ausgeglichen werden. Es können aber auch in Folge Vereiterung des Bindegewebes in den Havers'schen Canälen die Gefässe mit zerstört werden, oder es können durch Thrombose in diesen Gefässen bedeutende Ernährungsstörungen in den betroffenen Districten leicht eintreten.
Bei der Behandlung complicirter Knochenbrüche hat man vor allen Dingen die vorhandene Blutung zu beachten. Ist diese nicht unbedeutend, so muss zunächst die Stillung derselben in geeigneter Weise erfolgen, wozu bei Blutungen aus grösseren Gefässstämmen die Ligatur sich besonders eignet. Demnach muss man eine möglichst genaue Reposition der Knochenfragmente bewirken, ohne die Wunde vorher mehr als nothwendig zu sondiren. Bei
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Splitterbrüchen nehme man nur die ganz losen Knochenstücke heraus; Spitzen an den Fragmentenden sollen nur dann abgesägt werden, wenn sie die Reposition wesentlich erschweren oder bei derselben weitere Verletzungen der Weichtheile verursachen würden. Ist die Reposition mit der nöthigen Genauigkeit ausgeführt, so muss ein Verband angelegt werden, der eine Verschiebung der Fragmente möglichst verhindert, da durch eine öfter wieder­holte Reibung der Bruchenden aneinander die Heilung sehr verzögert wird. Ausserdera muss der Verband eine oder mehrere Oefthungen erhalten, welche mit den vorhandenen Hautwunden communiciren. sobald erhebliche Gewebs-zeitrüinmerungen mit der Fractur verbunden sind; diese Oetfnungen nennt mau Fenster und einen derartigen Verband einen lt;gefeüStertengt;. Zahl, Ort und Grosse der Fenster sind von der Zahl, dem Orte und der Grosse der vorhandenen Hautwunden abhängig. Die Anlegung eines solchen Ver­bandes ist für den Thierarzt nicht leicht und bei unseren grösseren Haus-thieren unter strenger Berücksichtigung aller wünschbaren Cautelen kaum ausführbar. Vor allen Dingen dürfen die in dem Verbände eingeschnittenen Fenster demselben die erforderliche Festigkeit nicht nehmen: sodann muss dafür gesorgt werden, dass die aus der Wunde kommenden Secrete freien Abfluss haben und nicht etwa den ünterverband von den Rändern der Fenster aus imbibiren, weil dieselben sich leicht zersetzen und die Haut corrodiren würden.
Das Ausschneiden der Fenster muss mit möglichster Sorgfalt geschehen und zwar bevor die Substanzen, welche den Binden die nothige Wider­standsfähigkeit geben sollen, ganz fest und trocken geworden sind. Die Ränder der Fenster müssen mit den Stollen des Unterverbandes sorgfältig umsäumt und mit Gyps oder anderen Substanzen möglichst undurchdringlich gemacht werden. Um das Findringen von Wundsecret unter den Verband zu verhindern, schiebt man Flachs oder Watte mit einem geeigneten spateiförmigen Instrumente unter die Fensterränder.
Dies sind die allgemein zu beachtenden Vorschriften für die Application eines gefensterten Verbandes; alle möglichen etwa erforderlich werdenden Modificationen und die unter verschiedenen umständen nöthigen Abände­rungen anzugeben. ist fast oder geradezu ein Ding der Unmöglichkeit. Der Thierarzt muss selbst im Stande sein, dieselben jedes Mal dem Bedüi i'nisse entsprechend zu ersinnen. Es sei deshalb hier nur noch bemerkt, dass Knochenstücke, welche etwa im Verlaufe des Heilprocesses losgestossen, aber nicht bald von selbst eliminirt werden, als fremder Reiz wirken und deshalb mit möglichster Schonung extrahirt werden müssen.
Ich habe in mehreren Fällen bei complicirten Fracturen an Extre-
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initätenknoclieu kleinerer Hausthiere, welche frisch zur Behandlang kamen und ohne erhehliche Gewebszertrümmerung bestanden, mich eines unge-fensterteu Verbandes bedient und danach einige Male Heilung per primam intentionem eintreten gesehen. Ich bin deshalb der Meinung, class in der Veterinärpraxis der gefensterte Verband nur eine sehr beschränkte An-Aveiulung finden dürfte, weil die Fälle, welche einen solchen unbedingt verlangen, sich für die thierärztliche Praxis aus nahe liegenden Gründen im Allgemeinen wenig eignen und deshalb in der Tiegel besser unbehandelt bleiben.
Die Behandlung complicirter Fracturen erfordert ausser den nöthigen Fertigkeiten und Kenntnissen auch viel Umsicht und Sorgfalt, und selbst wo alle diese Requisite vorhanden sind, wird dennoch der Erfolg der Be­handlung nicht immer befriedigen. Es ist deshalb rathsam, die Behand­lung solcher Knochenbrüche nur auf ausdrückliches Verlangen des Eigen-thümers bei werthvollen Thieren mit einer bestimmten Reserve bezüglich des Erfolges zu übernehmen.
Wo der Callus einen zu grossen Umfang erreicht, überlasse man dessen Verkleinerung der später folgenden Resorption, oder man kann diese durch Einreibungen von Jod- oder Quecksilber-Präparaten, oder von geeigneten Verbindungen der Alkalien, z. B. durch Seifenspiritus. Terpentin­seife etc. zu befördern suchen. Nie lasse man sich verleiten, denselben etwa mit Säge oder Meissel zu Leibe zu gehen, weil dadurch leicht üble Folgen entstehen können.
Wenn bei complicirten Fracturen Eiterung eintritt, dann steht es um die Aussichten auf Heilung in der Veterinärpraxis in vielen Fällen deshalb raisslich, theils weil dieselbe längere Zeit in Anspruch nimmt und aus diesem Grunde aus öconomischen Rücksichten auf eine weitere Behandlung häutig verzichtet wird, theils aber auch, weil es viele Schwierigkeiten bietet, die zur Heilung erforderlichen Bedingungen während der langen Dauer der curativen Behandlung zu erfüllen. Diese hat im Wesentlichen die Aufgabe, die Fragmentenden bis zu ihrer festen Verwachsung mit einander in ihrer normalen Lage zu erhalten, die Wunde und ihre Um­gebung sorgfältig rein zu halten, namentlich vor Zersetzungsproducten zu schützen. Im Uebrigen ist die Eiterung nach den allgemeinen Regeln zu behandeln.
Die Behandlung von schief geheilten Knochenbrüchen kommt in der thierärztlichen Praxis nur ganz ausnahmsweise vor; am ehesten noch mag es sichquot; ereignen, dass die Rectification einer noch nicht fest verwachsenen
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Fractur gewünscht wird, wenn nämlich die Behandlung, vesp. die Repo­sition und der Verband zunächst von ungeübter Hand besorgt wurde. Die Reposition und Streckung der Fragmente hat so lange als keine Ossification der Granulationen vorhanden ist, keine Schwierigkeiten. Sind indess die Callusmassen bereits fest geworden, so können dieselben nur gewaltsam zerbrochen oder nach Bloslegung des Knochens, oder aber subeutan durch­schnitten werden. In der Menschenbeilkunde geschieht dies, indem man nur einen kleinen Schnitt bis auf den Knochen macht, denselben mittelst eines Bohrers von massiger Dicke perforirt, ohne iirdess auf der entgegen­gesetzten Seite die Weichtheile zu verletzen; in das Bohrloch wird eine Säge eingeführt, mit welcher man erst nach der einen und darauf nach der anderen Seite den Knochen durchschneidet, denselben streckt und dem­nach einen entsprechenden Verband anlegt. Auch kann man ein keil­förmiges Stück aus dem Knochen heraussägen, dessen Spitze der Con-cavität, dessen breiter Theil der Convexität des Knochens entspricht.
Die grosse Seltenheit des Vorkommens dieser Operationen in der thier-ärztlichen Praxis verbietet es, auf dieselben hier näher einzugehen. Man darf indess nicht glauben, dass derartige Operationen in der Veterinärpraxis absolut unmöglich seien; sie werden nur deshalb selten gewünscht und ausgeführt, weil die öconomischen Interessen deren Ausübung in der Hegel nicht rathsam erscheinen lassen.
Es bleiben noch die Schussfracturen zu besprechen, was mit wenigen Worten erledigt werden kann. — Dieselben sind entweder subeutane, durch matte oder schief auffallende Kugeln verursacht, oder, was weit häufiger der Fall ist, mit Verletzung der äusseren Haut und der benachbarten Weich­theile complicirt. Spongiöse Knochen werden von den Kugeln nicht selten einfach durchbohrt, während compacte Knochen, z. B. die Diaphysen der Röhrenknochen, meist zersplittern. Im ersteren Falle erfolgt die Heilung durch Granulation und Eiterung in der Regel verhältnissmässig schnell und vollständig. Ist die Kugel in einem spongiösen Knochen stecken geblieben und nicht leicht zu extrahiren, so erfolgt auch hier die Einheilung ganz wie in den Weichtheilen.
Splitterfracturen nach Schussverletzungen unterscheiden sich nicht wesentlich von anderen Splitterbrüchen; vielleicht sind die Splitter im Ganzen etwas schärfer.
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Die Krankheiten der Knorpel.
Die Knorpelerkrankungen sind seit langer Zeit Gegenstand vieler wissenschaftlicher Untersuclumgen und Controversen gewesen, ohne dass unsere Keuntniss derselben bis heute eine besondere Genauigkeit und Voll­kommenheit erlangt hätte.
Einfache Knorpelwuuden heilen in der Eegel langsam, und zwar immer erst durch Bindegewebsneubildung, so dass die Wiederherstellung des Zu­sammenhanges meist erst nach mehreren Wochen vollendet .ist. An der Schnittfläche tritt unter Erweichung der Knorpelgrundsubstanz eine Ver­mehrung der Knorpelzellen ein, wobei die neu entstandenen Zellen die Kuorpelkapseln verlassen, in die Wunde gelangen und neues Bindegewebe bilden, das später zu Knorpel- oder Knochengewebe transfonnirt wird. Nach Earth's Beobachtungen heilten vollständig durchschnittene Rippen­knorpeln nach drei Monaten, wobei die Verwachsung zunächst durch Binde­gewebe erfolgte. Die Regeneration des Knorpelgewebes scheint im Allge­meinen da zu erfolgen, wo das Pericbondrium erhalten bleibt; sie wird an den Gelenken weit seltener als an den Bippenknorpeln beobachtet. In der Regel erlangt das neu gebildete Knorpelgewebe schliesslich alle Eigenschaften des normalen hyalinen Knorpels.
Bei compllcirteren Knorpelverletzungen erfolgt die Heilung in derselben Weise; nur verlangt sie je nach dem Grade und der Eeschaft'enheit der Complication mehr Zeit. Die neuen Gefässe des Narbengewebes entstehen aus den Gefässcn des Perichondriums.
Die Entzündung der Knorpel bietet gewisse Eigenthümlichkeiten, die einestheils in dem Mangel an Blutgefässen, anderntheils in der Festigkeit ihrer Intercellularsubstanz (namentlich bei hyalinen Knorpeln) ihren Grund haben. Noch im Anfange dieses Jahrhunderts stellte man die Möglichkeit des Vorkommens einer wirklichen Knorpelentzündung in Abrede und zwar hauptsächlich deshalb, weil dem Knorpel die Blutgefässe fehlen.
Seitdem man indess das Wesentliche der Entzündung nicht mehr in einer Hyperämie der Gewebe, sondern in einer Ernährungsstörung der Gewebselemente, in der sogenannten trüben Schwellung *) derselben sucht und der englische Forscher Redfein zunächst auf die Ernährungs-
*) Vergleiche Seite 53 bei 3, das parencbymatöse Exsudat etc.
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Störungen im Knorpel in Folge verschiedener Reize aufmerksam gemacht hatte, wies Virchow (1852) nach, dass die Knorpelzellen durch vermehrte Aufnahme von Material sich vergrösseren, wenn man einen Faden durch den Knorpel zieht. Genauere Untersuchungen haben gezeigt, dass die Ver-grösserung der Knorpelkapseln mit Vermehrung neuer zelliger Elemente und mit Verminderung der Intercellularsubstanz verbunden ist.
Damit aber sind die wesentlichsten Vorgänge, welche man heute als zur Entzündung gehörig und dieselbe characterisirend betrachtet, gegeben; nämlich: die trübe Schwellung der Gewebselemente. Ernährungsstörung, vermehrte Zellenproliferation, resp. Einwanderung von Lymphzellen in das entzündete Bindegewebe. Es sei hier ausdrücklich hervorgehoben, dass die Zellenvermehmng in den gereizten Knorpeln als eine endogene Vermehrung der Knorpelzellen anzusehen ist, da (namentlich bei hyalinen Knorpeln) wegen der Dichtigkeit der Intercellularsubstanz dieselbe nicht wohl auf die Einwanderung der Lymphzellen aus den Blutgefässen des Perichondriums oder benachbarter Gewebe zurückgeführt werden kann, wie dies bei der Cornea und bei gefässlosen Sehnen (aus histologischen Gründen) zulässig ist. Die endogene Vermehrung der Knorpelzellen wird (wenngleich noch nicht in allen Phasen der Entwicklung der Tochterzellen beobachtet ziemlich allgemein als feststehend angenommen.
Die trübe Schwellung kommt im Allgemeinen dadurch zu Stande, dass die Parenchymzellen des betreffenden Gewebes in Folge eines Reizes in gesteigerte Action versetzt werden und eine grössere Quantität von Ernährungsmaterial anziehen, resp. in sich aufnehmen, als sie in normaler Weise verarbeiten können. Die zuerst gereizten Zellen beziehen das Material zunächst aus ihrer unmittelbaren Nachbarschaft, sind also keineswegs auf die Blutgefässe direct angewiesen, wenngleich diese in letzter Instanz herhalten müssen, insofern sie das Xährmaterial den Körpergeweben zuführen. Würde das Material, welches die Zellen im Zustande der trüben Schwellung ent­halten, direct aus den Blutgefässen bezogen, so müssten die den Er-nährungsgefässen zunächst gelegenen Zellen zuerst in den Zustand der trüben Schwellung gerathen, was indess nicht der Fall ist und in gefäss-losen Körpertheilen, resp. Geweben wäre dieselbe gar nicht möglich, oder inüsste nothwendig von den zunächst gelegenen Gefässen ausgehen, während in Wirklichkeit die trübe Schwellung an den zuerst gereizten Zellen ein­tritt. Allerdings kann nun auch der Entzündungsreiz möglicherweise die Zellen der Gefässhäute und Nerven direct zuerst treffen und von diesen aus auf das Parenchym der Organe übergehen. Aber auch in gefäss- und bluthaltigen Geweben verursacht, wie wir bei der Hyperämie gesehen
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haben, der vermehrte Blutreichthum eines Gewebes an und für sieb keine trübe Schwellang der Gewebselemente, überhaupt keine Ern'ährungs-störongen, wenn nicht das Blut Stoffe enthält, welcbe auf die Gewebe reizend einwirken und von diesen vorzugsweise augezogen werden, oder wenn nicht die Gewebe in einem Zustande krankhaft gesteigerter Sensi­bilität und Irritabilität sich befinden, so dass dadurch ein an und für sich normaler Eeiz eine abnorme Wirkung zur Folge hat.
I)a die Eiterung im Wesentlichen auf einer bedeutenden Zellen-anhäufung im eiternden Gewebe beruht, wobei die Eiterzellen entweder das Product einer Vennehrung der in den Geweben bereits vorhandenen Zellen sind, oder von der Einwanderung weisser Blutkörperchen in die entzündeten Gewebe herrühren; da ferner für den Eiterungsprocess die Anwesenheit eines Canalsystemes erforderlich ist, in dem die Fortbewegung der Eiter­zellen stattfinden kann, so wird derselbe am schnellsten und ergiebigsten in solchen Geweben zu Stande kommen können, welche diesen Anforde­rungen am vollkommensten entsprechen.
Alle Gewebe der Bindesubstanz, mit alleiniger Ausnahme des Knorpel­gewebes , erfüllen die erforderlichen Bedingungen in vorzüglicher quot;Weise, indem sie ein röbrenartiges Canalsystem und ausserdem meist auch Blut-gefässe besitzen; letzterer Umstand ist aus dem Grunde nicht gleichgültig, weil er die Anhäufung von Eiterzellen in Geweben, die mit einem kanal­artigen Röhrensysteme versehen sind, durch Einwanderung farbloser Blut­zellen wesentlich begünstigt. Ob auch die fixen Gewebszellen oder nur die in den Geweben vorhandenen Wanderzellen an der Zellenproliferation sich be­theiligen können, ist gegenwärtig noch nicht bestimmt entschieden, üeber-haupt ist noch in neuerer Zeit von der einen Seite die Emigration von farblosen Blutkörperchen, von der anderen die Möglichkeit einer Vermehrung der vor­handenen Gewebselemente durch Theilung etc. bestritten worden. Die Emi­gration farbloser Blutkörperchen in die (entzündeten) Gewebe ist indess von Colin heim und anderen Forschern unzweifelhaft nachgewiesen, sowie auch den einschlägigen Versuchen und Beobachtungen gemässan der Cornea*) und den Gelenkknorpeln die Zellenproliferation der in den Geweben vorhandenen Zellen als feststehende Thatsache angenommen werden muss.
*) Die Cornea kann in histologischer Hinsicht füglicli zu den Knorpeln gezählt werden, da dieselbe beim Kochen C'hondrin gibt. Indess sind die Sternzellen (Homhaut-korpercheu) mittelst ihrer Ausläufer vielfach zu einem Zcllennetze verbunden. In dem Gewebe der Cornea ist ein Canalsystem vorhanden, in welchem die Wanderung lym-phoider Zellen stattfinden kann, wie dies zuerst von Eecklingliausen vor eiuigen Jahren festsrestellt worden ist.
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Da nun das Knovpelgewebe weder Blutgefässe hat, da ferner weder die Knorpelkapseln unter sich in offener Communication stehen, noch in der starren Intercellularsubstanz ein kanalartiges Röhrensystem vorhanden ist, wodurch eine Fortbewegung der Eiterzellen ermöglicht würde, so sind die Bedingungen für den Eintritt einer Eiterung im Knorpelgewehe möglichst ungünstig, so dass, wenn eine solche überhaupt zugegeben wird, dieselbe immer erst nach längerer Zeit und zwar erst dann ein­treten kann, wenn das Knorpelgewebe in seiner histologischen Structur solche Veränderungen erfahren hat. dass die quot;Wanderung von Zellen in demselben möglich geworden ist. So sehen wir an den Gelenk­knorpeln (namentlich bei jungen Thieren), am Hufknorpel der Pferde, am Ohrknorpel der Hunde etc. eine eitrige Infiltration des Knorpelgewebes entstehen, indem die Knorpelzellen in den Kapseln sich ungemein ver­mehren, die Knorpelgrundsubstanz allmälig erweicht und so das Knorpel­gewebe zu Eiter zerfliesst.
Brand der Knorpel entstellt namentlich dann, wenn dieselben vom Perichondrium entblösst werden, indem sie dadurch den Zusammenhang mit dem sie ernährenden Gewebe verlieren. Die Nekrosc ist entweder die Folge einer eiterigen Perichondritis oder diphtheritischer oder typhöser Ge­schwüre, oder von Verjauchungsprocessen; sie ist bei Thieren an der Nasen­scheidewand, am Kehldeckel, an den Giesskannenknorpelu, an den Knorpeln der Bronchien, zuweilen am Hufknorpel, seltener noch an Gelenkknorpeln bei Pferden, und bei Hunden zuweilen an den Ohrknorpeln angetroffen worden.
Degenerative Processe im Knorpel sind bei unseren Hausthieren im Allgemeinen nicht selten; Erweichung, fettige Entartung, Verkalkung, Ver-knöcherung, Zerfaserung der Intercellularsubstanz, Hypertrophie und Atrophie sind mehr oder weniger häufige Vorkommnisse; auch die schleimige Degeneration kommt im Knorpelgewebe unserer Haustlüere vor. Bruck-m ü 11 e r sah dieselbe in grosser Ausdehnung und mit starker Wucherung verbunden nur einmal in einem hypertrophischen Flügel- und Nasenscheide-Wandknorpel bei einem Pferde; kleinere Erweichungshenle in dem Knorpel der Nasenscheidewand kommen nach Br. ziemlich häufig vor; derselbe hat auch zuweilen die Nasenscheidewand gespalten angetroffen; die zwischen den beiden Blättern vorhandene Höhle hatte in einigen Fällen eine Länge bis zu 3 Zoll und einen Durchmesser von circa 1 Zoll; sie war mit einer schleimigen zähen Flüssigkeit ausgefüllt.
Besonders häufig verfallen einzelne Partien der Gelenkknorpel der Erweichung und Schmelzung (der nekrobiotischen Malacie), ohne dass diese
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Vorgänge über grössere Strecken des betroffenen Knorpels sich ausdehnen. Da keinerlei Schmerzäusseruag den Process begleiten, so hat man denselben als schmerzlose Verflüssigung laquo;Colliquatio insensibilisraquo; bezeichnet. Dieselbe wird am häufigsten bei Pferden und zwar im Sprunggelenke, an den Gelenkknorpeln des Kollbeins und des Unterschenkelbeins angetroffen. Die Knorpelsubstanz löst sich an den kranken Stellen in eine schleimähnliche, zähe Flüssigkeit auf, in welcher noch einzelne Knorpelstückchen oder bei fettiger Degeneration derselben Fettköruchenkügelchen und Fetttröpfchen schwimmen. Dieser Process kann an der Knorpeloberfläche oder unter der­selben vor sich gehen. Im ersteren Falle werden die Zerfallsraassen der Synovia beigemengt, ohne dass dadurch ein Nachtheil sich bemerkbar macht. Bei der Section findet man bei Eröffnung des Sprunggelenkes nicht selten einen solchen (corrosiven) Defect, der möglicherweise bis auf den Knochen vorgeschritten sein kann. — Geht die Schmelzung unter der Knorpel­oberfläche vor sich, so bildet sich ein Hohlraum, laquo;eine cystische Degene­rations in dem betreffenden Knorpel.
Als Ecchondrose bezeichnet man kleine Knorpelauswüchse, welche an verschiedenen Knorpeln vorkommen können, ohne incless eine besondere practische Bedeutung zu besitzen.
llhacliitis.
Trotz der vorzüglichen Monogi'aphieen (Boloff laquo;über Knochenbrüchig-keit und Lähme [Osteomalacie und llhacliitis|?, Schütz laquo;llhacliitis der Hunde gt;', sowie trotz der prägnanten Darstellung beider Krankheitszustände in PiölTs Lehrbuch der Pathologie und in Bruckmüller's pathologischer Zootomie wird dieser Krankheitsprocess noch so häufig unrichtig aufgefasst und von so Vielen mit Osteomalacie verwechselt oder identificirt, dass ich mich veranlasst finde, an dieser Stelle ausdrücklich auf die genetisch wesentliche Verschiedenheit beider Krankheitszustände aufmerksam zu machen. Die Identificirung derselben kommt unzweifelhaft daher, dass die klinischen Erscheinungen und der Befund der Knochen bei Sektionen, namentlich bei oberflächlicher Betrachtung, grosse Achnlichkeit bei beiden Krankheiten miteinander zeigen. Anschwellungen und Verbiegungen, In-fractionen und Brüche kommen in Folge der Weichheit verschiedener Skeletabschnitte sowohl bei Rhachitis als bei Osteomalacie vor. Jene bezeichnet nach ihrer Etymologie eigentlich eine laquo;Rückgratkrankheitgt; (gt;; (gt;laquo;x'e das Rückgrat); bei Kindern sind Verbiegungen der Wirbelsäule
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in Folge von Rhachitis sehr häufig und auch hei Thieren. (nach Bruck-müller besonders hei Schweinen), sind dieselben nicht selten. Diese Krankheit ist nicht eigentlich in einer Erweichung des Knochengewebes, sondern in einer Störung des Verknöcherungsprocesses der Knochenknorpel begründet, während die Osteomalacie eine Knochenerkrankung ist, durch welche früher normales Knochengewebe seine Festigkeit verliert, erweicht.
Dr. Paul Bouley erklärt sich in seiner hoi P. Asselin in Paris (1874) über Osteomalacie des Menschen und der Thiere erschienenen Schrift (siehe Annales de Medecine veterinaire, Novembre 1874, pag. 665) für eine ab­solute Trennung der Rhachitis von der Osteomalacie. Hol off hält beide Processe an und für sich nicht wesentlich, sondern nur der Form nach für verschieden, und diese für abhängig von dem Alter, d. h. davon, ob der Knochen fertig, oder noch in der Entwicklung be.ritfcn ist.
Um die Vorgänge bei der Rhachitis leichter zu verstehen, muss man mit der normalen Knochenbildung einigermassen bekannt sein. Es soll deshalb das Wesentlichste der hierbei stattfindenden Processe in gedrängter Darstellung und zwar durch eine kurze Schilderung der Bildung eines Röhrenknochens vorausgeschickt werden.
Die normale Bildung von Knochen erfolgt bekanntlich entweder direct aus Bindegewebe oder aus Knorpel: an den meisten Skelettheilen sind beide Gewebe betheiligt, so namentlich auch an den Röhrenknochen. Ausser der Bewegungsgliederung, welche in der Fruchtanlage, im Fötus in den Extremitätenfortsätzen des mittleren Keimblattes durch Bildung der Gelenke eintritt, kommt in den verschiedenen Skeletabschiiitten bekanntlich auch eine Wachsthuinsgliederung vor, zufolge deren die knorpelige Anlage eines Röhrenknochens in einen mittleren Theil (die Diaphyse) und in zwei End­stücke (die Epiphysen) geschieden ist. (Von den sogenannten Apophysen, den starken Hervorragungen für die Muskelansätze an verschiedenen Epi­physen, soll der Kürze halber hier nicht weiter gesprochen werden.)
Bei der Bildung eines Röhrenknochens geht in den Richtungen, in welchen eine bedeutende Verlängerung desselben stattfinden soll, zu­nächst eine lebhafte Wucherung des Knorpels der Knochenbildung voran. Der Knorpel fällt bei der Ossification zum Theil der Resorption anheim, während das Perichondrium zum Periost sich gestaltet. Jeder Röhren­knochen wächst, wie alle grössere Knochen überhaupt, in zwei Richtungen, nämlich in die Länge und in die Dicke. Das Längenwachsthum ist zum grössten Theile das Resultat des Knorpelwachsthums, während das Dicken-wachsthum vorzugsweise auf Rechnung des Bindegewebes (der laquo;Couche osteogene^ des Periosts) zu setzen ist.
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Der Verknöchemngsprocess beginnt stets in der Mitte des Diaphysen-knprpels, indem derselbe an der betreffenden Stelle zunächst in seiner ganzen Breite verkalkt und später wirklich ossificirt. Ob dabei die Knochen-körperchen unmittelbar aus den Knorpelzellen entstehen, ist noch eine offene Frage, wird indess von verschiedenen bedeutenden Forschern (unter Andern auch von Virchow) als wahrscheinlich angenommen.
Nach den neuesten Untersuchungen von Klebs (Archiv für experi­mentelle Pathologie etc., II. Bd., 5. Heft, Seite 430) sollen die Knorpel­zellen an der Mark- und Knochenbildung in allen Fällen in hervorragender Weise betheiligt sein und weder unter pathologischen, noch normalen Ver­hältnissen untergehen; falls dieselben nicht vollständig zur Mark- und Knochenbildung verwendet werden, bilden sie die ßiesenzellen des Mark­gewebes. Von der Mitte der Diaphyse schreitet der Verknöcherungsprocess allmälig und zwar in der ganzen Breite des Knorpels gegen die Epiphysen zu vor, indem die Verkalkung des Knorpels stets der Ossification voraus­geht. So lange letztere nicht erfolgt ist, bleibt nach Entziehung der Kalk­salze kein Knochengewebe, sondern Knorpelgewebe zurück; ich henierke dies hier, um dadurch ausdrücklich zu betonen, dass der Ossifications-process keineswegs in einer einfachen Verkalkung des Knorpels besteht. Der neu gebildete Knochen ist anfangs immer dicht, solid, alsbald jedoch wandelt sich derselbe (d. h. der Knorpelknochen) nach und nach in Mark­gewebe um. In analoger Weise wie Knochengewebe aus Knorpel- und Bindegewebe gebildet wird, entwickelt sich aus Knochengewebe und Knorpel das Knochenmark. Bei der Entwicklung eines Röhrenknochens wird zunächst Knorpelgewebe durch Knochengewebe und dieses demnach durch Markgewebe substituirt. Letzteres ist ein zusammenhängendes Gewebe, welches die Mark­räume und Markhöhle der Knochen ganz und gar ausfüllt und welches wieder zuKnochengewebe transformirt werden kann, wie wir dies bei der sclero-sirenden Ostitis, resp. Osteomyelitis gesehen haben. Es wird das Knochen­gewebe bei der Bildung des Knochenmarkes keineswegs einfach aufgelöst, sondern in ein anderes Gewebe, welches nicht die Fälligkeit besitzt, die Kalksalze zurückzubehalten, umgewandelt.
Wenn der Ossificationsprocess in einem Knorpel anhebt, so tritt zu­nächst eine bedeutende Vermehrung seiner zelligen Elemente ein. Die Knorpelzellen werden anfangs grosser, theilen sich, wodurch immer grossere Gruppen von Zellen entstehen, die von der Knorpelkapsel aus durch Zwischenwachsen von Scheidewänden jede ihre besondere Umhüllung er­halten, wobei jedoch die ungeheuren Mengen von Zellen, welche aus einer Mutterzelle hervorgeangen sind, von der gemeinsamen Mutterkapsel um­schlossen bleiben.
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Diese endogene Zellbildang geht bei der Ossification sehr schnell von statten, so dass in verliältnissinässig kurzer Zeit die Mutterkapseln mit jungen Zellen sich füllen. Bei fortgeschrittener Zellenwucherung besteht der Knorpel fast nur aus Zellen, indem nur wenig Intercellularsubstanz zwischen den einzelnen Elementen liegt. Dass in Folge dessen der Knorpel an Umfang zunehmen, d. h. wachsen muss, ist leicht begreiflich. Bei der Verkalkung wird jede einzelne Zelle von einem Kalkringe umzogen, wo­durch die Fälligkeit laquo;sich noch weiter vermehren, resp. wachsen zu könnengt; verloren geht. Es ist dies für die äussere Form des Knochens von Klang. Da die Ossification in der Mitte der Diaphyse beginnt, so wird der Knorpelknochen daselbst die geringste Dicke (Querdurchmesser) bekommen, weil das Wachsthmn des Knorpels an fraglicher Stelle am frühesten auf­hört. Bei der allmälig gegen die Epiphysen zu fortschreitenden Verkalkung und Ossification des Knorpels wird dieser um so länger wachsen können, je weiter er von der Mitte der Diaphyse entfernt ist, folglich nach seiner Verknöclierung gegen die Epiphysen zu an Querdurchmesser zunehmen. Ausserdem sind auch Resorptionsvorgänge an den AnssenfUlchen des Knochens für dessen Gestalt von wesentlicher Bedeutung, indem durch dieselben ein Theil der Tela ossea aufgesogen wird, während anderwärts neu gebildete Knochensubstanz sich ansetzt. Es mag genügen, an dieser Stelle auf das Vorkommen der sogenannten Resorptionsflächen aufmerksam gemacht zu haben, ohne auf Details einzutreten.
Wenn die Ossification der Diaphyse bereits ziemlich weit fortgeschritten ist, so beginnt dieselbe auch in den Epiphysen (und Apophysen), indem in jeder ein Knochenkern sich bildet, der in der vorhin angegebenen Weise so lange sich vergrössert, bis schliesslicb die Verknöcherungsgrenzen der Diaphyse mit denen der Epiphysen (und Apophysen) zusammentreffen. Mit dem Verschwinden der sogenannten Intermediärknorpel oder Knorpelfugen zwischen der Diaphyse und den Epiphysen hört unter normalen Verhält­nissen jedes nennenswerthe Eängenwachsthum des betreffenden Röhren­knochens auf.
An den ossificirten Knorpelpartien beginnt in dem früheren Perichon-drium, dem jetzigen Periost, ebenfalls der Knochenneubildungsprocess, indem die innerste gefassreiche Schicht desselben anschwillt und an Dicke zunimmt; die Periostkörperchen wuchern und gestalten sich allmälig zu Knochenkörperchen. So entstehen um die äussere Peripherie der neu gebildeten Knorpelknochenscheiben aus dem Periost Knochenringe, welche jene einschllessen. Diese Periostringe werden selbstverständlich in der Mitte der Diaphyse am zahlreichsten sein, da sie immer erst da gebildet
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werden können, wo der Knorpel bereits verknöchert und das Perichondrium damit zum Periost geworden ist. Dieselben werden somit von der Diaphysen-mitte gegen die Epiphysen zu an Zahl (resp. an Dicke) ahnehmen, hin­gegen an Länge immer mehr gewinnen, da ja die Ossification des Knorpels und damit der Uebergang des Perichondriums in Periost stets fortschreitet, letzteres somit an Länge in entsprechendem Maasse zunimmt, wodurch die Periostknochenbildung alhnälig immer mehr in die Länge sich ausdehnt.
Durch die bereits erwähnte Umwandlung des Knorpelknochens in Markgewebe entsteht in dem Mittelstücke der Diaphyse die grosse Mark­höhle, während an den Endtheilen derselben ein Theil des Knorpelknochens als Plättchen und Bälkchen stehen bleibt, wodurch kleinere Markräume in grösserer Zahl gebildet werden, die sowohl unter sich als auch mit der grossen Markhöhle communiciren. Hieraus erklären sich die macroscopischen Stracturverhältnisse der Röhrenknochen leicht. Da der Periostknochen viel weniger zu Markgewebe sich weiter metamorphosirt, sondern fest und compact bleibt, so wird die die Markhöhle umgebende Rindenschicht des Knochens in der Mitte der Diaphyse am stärksten sein und gegen die Epi­physen hin alhnälig sich verdünnen. Nach den neuesten Untersuchungen von C. Rüge gilt als ausgemacht, dass neben der cartilaginären und periostalen Zunahme auch ein intercelluläres oder interstitielles Wachsthum der Knochen existirt. Dasselbe erfolgt vorzugsweise in Folge Zunahme der Intercellular-substanz, wobei Form und Grosse der Knochenkörperchen sich wenig ändern. Nur für die erste Zeit des Lebens kann eine Vermehrung der Knochenkörperchen durch Theilung mit Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Mit dem höhern Alter nimmt die Intercellularsubstanz der Knochen in constanten Verhältnissen ab. In Folge Zunahme der Zwischensubstanz im jugendlichen Alter wird der Knochen gewissennassen auseinandergedrüngt. Dieser jugendlichen Expansion tritt die spätere intercelluläre Resorption entgegen. Aus allem dem geht hervor, dass der Knochen kein todtes, unveränderliches Gebilde ist, sondern in stetem Wechsel progressiver oder regressiver Art sich befindet.
Nach dieser kurzen Excursion in das Gebiet der Entwicklungs­geschichte des Knochens werden uns die Vorgänge bei der Rhachitis in ihren allgemeinen Zügen leicht verständlich werden.
Die Veränderungen bei dieser Krankheit bestehen wesentlich darin, dass bei der zur Zeit der Ossification im Knorpel auftretenden Wuche-•rung dieses, einerseits die Verknöcherung nicht erfolgt, während anderer­seits der bereits gebildete Knorpelknochen sich in Markgewebe um­wandelt. Es zeigen sich hierbei die grössten Unregelmässigkeiten, die namentlich darin bestehen, dass der Verkalkungsprocess des Knorpels nicht
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in einer horizontalen Ebene von der Mitte der Diaphyse aus gegen die Epiphysen zu vorschreitet, wie dies bei der normalen Ossification der Knorpel geschieht, sondern dass die Verkalkung in einer der Mitte der Diaphyse näher gelegenen Stelle nicht erfolgt, während sie an einer andern Stelle bereits weit gegen die betreffende Epiphyse hinaufreicht, so dass Knorpelinseln in dem Knochen entstehen, deren Umwandlung in Knochen- und Markgewebe längst hätte stattfinden sollen. Während bei nor­maler Verknöcherung die Markräome stets zwischen der Verkalkungsschicht und der Diaphyse sich bilden, treten dieselben bei Rhachitis zuweilen jenseits der Verkalkungsgrenzen nach den Epiphysen zu auf und bilden eine Reihe zusammenhängender Höhlen im Knorpel, welche mit einem weicheren, leicht faserigen, gefässhaltigen Gewebe erfüllt sind. Bei einem Querschnitte der Diaphyse trifft man während der normalen Ossification entweder auf unverkalkten oder verkalkten Knorpel, oder auf Knochen-und Markgewebe; bei der Rhachitis hingegen trifft man an Stellen, weder Process seine Höhe erreicht hat, bei einem Querschnitte auf Knorpel, osteoides Gewebe oder Knochen und auf Markgewebe, alles in derselben Ebene neben- und durcheinander. In Folge dieser Unregelmässigkeiten, resp. dieser Hemmung des Ossificationsprocesses erlangt der rhachitische Diaphysenknorpel nicht die Festigkeit des normalen Knochengewebes, so class Infractionen und Brüche desselben leichter als sonst vorkommen können. Weil auch die Epiphysenknorpeln wuchern und nicht zur regel-mässigen Verknöcherung gelangen, so begreift sich leicht, warum rhachi­tische Knochen besonders in der Nähe der Gelenke manchmal so unförmlich anschwellen und sowohl durch Zug der Muskelansätze an den Apophysen, als in Folge derBelastung durch das Gewicht des Körpers die mannig­fachsten Verbiegungen erfahren. Da eine feste Vereinigung der Epi- und Apophysen mit der Diaphyse des rhachitischen Knochens nicht erfolgt, so werden durch Verschiebung dieser aneinander Missbildungen in der Nähe der Gelenke wesentlich begünstigt. Bei einer Vergleichung dieser Verände­rungen mit der bei der Osteomalacie vorkommenden, dürfte es keine Schwierigkeiten haben, zwischen beiden Krankheitszuständen selbst macros-copisch wahrnehmbare Verschiedenheiten aufzufinden.
Die Rhachitis erscheint entweder über das ganze Skelet verbreitet, oder sie betrifft nur einzelne Abschnitte desselben. Ersteres kommt nur bei ganz jungen Thieren vor, während letzteres bei Individuen von mehreren Wochen so lange eintreten kann, bis der Ossificationsprocess des Skeletes vollkommen abgeschlossen ist. Die locale Rhachitis betrifft vorzugsweise die Extremitätenknochen, kommt aber auch an anderen Skeletabschnitten vor.
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Die Prognose gestaltet sich bei allgemeiner hocbgradigei' Rhachitis meist ungflnstig; selbst bei localer Erkrankung ist dieselbe wegen der stets zurückbleibenden Verdickungen und sonstigen Missbildungen nach erfolgter Beseitigung des pathologischen Processes für spätere Arbeitsthiere nicht be­sonders günstig; um so weniger, da auch hier in Folge von Zerrungen der Knochenhaut Periostitis entstehen kann, die manchmal zu Eiterungsprocessen in der Umgebung, Gelenkentzündung, zu Pysemie und zum Tode führt. Zwar sind Fälle bekannt, in welchen junge Schweine und andere Thiere nach einer entsprechenden Behandlung in kurzer Zeit selbst von hoch­gradiger Pihachitis genasen. (Roloff, Mittheilungen aus der Praxis, 17. Jahrgang, Seite 154—150 und 18. Jahrgang, Seite 145—147. Therapie: Fütterung von Knochenmehl, Grünfutter). Wenn die Krankheit durch bestimmt erkannte Diätfehler oder arteficiell entstanden ist, so mag die Kalkbehandlung, namentlich bei zeitigem Gebrauche, häufig gute Resultate liefern. Nicht selten aber scheinen tiefere, noch wenig gekannte Störungen der Rhachitis zu Grunde zu liegen, insofern die Verabreichung von Kalk­salzen, wie schon erwähnt, keineswegs immer Heilung bewirkt.
Die Aetiologie der Rhachitis ist noch wenig eruirt; so viel jedoch darf als ausgemacht angesehen werden, dass eine ungenügende Zufuhr von Kalksalzen, sowie sonstige Störungen oder Unregehnässigkeiten in den Verdauungs- resp. Ernährungsvorgängen eine Hauptrolle spielen. Die Krankheit kommt am häufigsten bei Füllen, Lämmern und Ferkeln, seltener bei Kälbern vor. Nach Bruckmüller gehört bei Hunden die Rhachitis zu den seltensten Krankheiten, während sie nach Schütz unter den Hunden Berlin's häufig vorkommt; ich habe dieselbe in den letzten Jahren über sämmtliche Extremitätenknochen verbreitet bei jungen Hunden einige Mal gesehen. — Von Interesse sind noch die Angaben Roloff s, dass bei Kühen die Osteomalacie häufig, bei Kälbern die angeborene Rhachitis selten ist, während bei Schafen die Osteomalacie bei Mutter-thieren bis jetzt nicht beobachtet wurde, hingegen die angeborene Rhachitis bei Lämmern häufig vorkommt. Roloff zieht daraus den Schluss, dass Schafe möglicherweise eine geringere Disposition zur Knochenbrüchigkeit besitzen, als Kühe (und Ziegen), indem ihre Knochen die Kalksalze mehr fixiren und die Ausscheidung von Kalk durch die Secrete weniger energisch und bei mangelhafter Zufuhr nicht auf Kosten der Knochen stattfindet. (Siehe 1. c. Seite 35.)
Die Therapie hat den Zustand der Verdauung ins Auge zu fassen und nöthigenfalls für Herstellung und Erhaltung einer normalen Digestions-thätigkeit zu sorgen. Die Verabreichung hinreichend kalkhaltiger Nahrungs-
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mittel genügt für sich allein nicht Heilung zu bewirken, der Organismus inuss auch im Stande sein, dieselben in entsprechender Weise zu assimiliren. Die Behandlung rhachitischer Thiere ist in der Regel nicht rathsam, weil die einmal vorhandenen Deformitäten des Sceletes für die ganze Lebens­dauer bestehen bleiben, weshalb durch Tödtung der betreffenden Patienten die pecuniären Yortheile des Besitzers in den meisten Fällen am besten gewahrt werden.
Die Wechselbeziehungen zwischen Bhachltis und Osteomalacie einerseits und zwischen Mutter und Frucht andererseits sind hinlänglich constatirt. Mütter, welche während der Trächtigkeit an Osteomalacie erkranken, bringen gewöhnlich Junge mit normaler Ossification des Sceletes, während Mütter, welche rhachitische Junge gebären, von Osteomalacie verschont zu werden pflegen.
F. Gelenkkrankheiten.
Da die Gelenke bekanntlich complicirte Vorrichtungen sind, so werden auch die im Allgemeinen vorkommenden Gelenkserkrankungen wesentliche Verschiedenheiten zeigen, je nachdem der eine oder andere Gelenk­theil in hervorragender Weise ergriffen ist. An der Erkrankung eines Gelenkes können die überknorpelten Knochenenden, der Synovialsack, die fibröse Gelenkkapsel und die Hülfsbänder — sowohl was die Heftigkeit, als auch was die Ausdehnung der Erkrankung anbelangt, in den einzelnen Fällen in sehr verschiedenem Grade betheiligt sein.
Die Hauptrolle jedoch spielt bei diesen Erkrankungen in der Regel die Synovialhaut, so dass der Zustand dieser bei Beurtheilung der Be­deutung einer vorhandenen Gelenkerkrankung wesentlich mit in Betracht kommt.
Im Allgemeinen unterscheidet man:
Quetschungen, Verstauchungen, Verrenkungen und Entzündungen der Gelenke; ferner Fracturen der Gelenkenden und je nach deren Beschaffen­heit, Brüche der Gelenkknorpel, sowie partielle Losreissung dieser; — Zer-reissung der Gelenk-Kapsel und -Bänder; — Exsudate und Extravasate in und um die Gelenkhöhle, sowie schliesslich Neubildungen verschiedener Art in und an den Gelenken.
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Quetschung und Contusion eines Gelenkes kann durch Schlag oder Stoss entstehen. Sie kennzeichnen sich im Wesentlichen durch Anschwellung, vermehrte Wärme an der contundirten Stelle und durch Schmerz resp. Lahmgehen. Diese Erscheinungen sind je nach dein Grade der vorhandenen Quetschungen bald in nur geringerem, bald in höherem Grade vorhanden.
Stärkere Quetschungenquot; sind in der Regel mit einer kleineren oder grösseren Blutung in die Synovialhaut oder in die Gelenkhöhle selbst ver­bunden. In seltenen Fällen wird diese sogar ganz mit Blut gefüllt, so dass ein sogenanntes Blutgelenk oder Hsemarthron (alfia Blut und aqamp;qov Ge­lenk) sich bildet, welches bei Gelenkcontusionen mit Knochenbruch in der Kapsel regelmässig angetroffen wird.
Geringe und frisch entstandene Quetschungen weichen einer ent­sprechenden Behandlung in der Regel innerhalb weniger Tage, wenn die­selbe mit der nöthigen Ruhe und Schonung des Patienten verbunden ist. — Betrifft das Leiden ein Gelenk der Extremitäten unterhalb der Fusswurzel oder diese selbst, so ist bei Sommerzeit (resp. bei warmer Witterung) das Einstellen des Patienten in kaltes Flusswasser bis über das leidende Gelenk sehr zu empfehlen. Diese Kaltwasserbäder werden täglich zwei Mal (Vor- und Nachmittags) jedesmal zwei Stunden lang, angewendet. Zur Winterzeit, resp. bei rauher Witterung, oder bei Quetschungen von Ge­lenken . welche über der Fusswurzel liegen, werden im Stalle Aufschläge von kaltem Wasser oder Bleiwasser, oder aber zertheilende Einreibungen applicirt; letztere namentlich in allen Fällen, wo man nicht sicher ist, dass die Aufschläge nach Vorschrift gemacht werden. Bei einer unzweckraässigen Behandlung, namentlich bei zu frühem oder ungeeignetem Gebrauche der Thiere können selbst leichte Gelenkquetsclmngen ein längeres Lahmgehen verursachen, indem ein chronischer Entzündungsprocess sich entwickelt, der möglicherweise sehr hartnäckig werden und recht üble Folgen haben kann.
Die Behandlung stärkerer Gelenkcontusionen verlangt absolute Ruhe des Patienten mit möglichster Feststellung des Gelenkes. Die Erfüllung letzterer Bedingung hat in der thierärztlichen Praxis ihre Schwierigkeiten, verdient indess immer noch eine gewisse sorgfältige Beachtung. Wenn die äussere Haut es gestattet, erfüllt die Application einer kräftigen Scharfsalbe die gegebenen Indicationen am vollständigsten und führt am schnellsten und sichersten Heilung herbei. Wo indess der Zustand der Haut die An­wendung dieses Mittels nicht gestattet, da wird man durch Einwicklung des Gelenkes in nasse Binden, oder durch kalte Aufschläge, oder durch zertheilende Einreibungen, die alle mit dem nöthigen Fleisse und mit vieler
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Ausdauer gebraucht werden müssen, das Ziel zu erreichen suchen. Wo ein Gypsverhand haltbar angelegt werden kann, ist derselbe allen anderen Mitteln vorzuziehen. Dies gilt namentlich für Contusionen mit Fractur des Knochens. quot;Wie bei allen Gelenkleiden, so ist auch hiei- ein weicher, elastischer Stand (Sägemehl, Gummiplatten unter der Hufsohle u. dergl.) für den Patienten wohltliuend und die Heilung begünstigend.
Die Verstauchung besteht unwesentlichen in einer Zerrung, zu starken Dehnung und auch theilweisen Zerreissung der Gelenkkapsel oder der Hülfs-bänder, wobei Blut in das Gelenk und die umgebenden Weichtheile aus­getreten sein kann. Diese Schäden werden hervorgerufen durch gewaltsame momentane Verschiebungen der Gelenkflächen aneinander, worauf diese in ihre normale Lage zurückkehren. Die Verstauchung oder Distorsion ist somit eine raquo;S'ubluxation. Zwischen beiden ist zwar ein Unterschied gemacht worden, indem man mit Subluxation den Zustand bezeichnet hat, bei welchem die Gelenkflächen auf einander verschoben sind, ohne ganz von einander abzuweichen und wobei sie in dieser abnormen Stellung verharren. Mir will für diesen Zustand, der beiläufig bemerkt bei Thieren nicht häufig vorkommt, die Bezeichnung laquo;unvollkommene Verrenkung oder Luxatio in-completaraquo; passender erscheinen. „Verstauchungen entstehen gewöhnlich in Folge heftiger Stösse während der Bewegung, namentlich beim Ueber-setzeu über Barrieren, Gräben u. dergl, sowie bei zu kurzer Parade aus schnellen Gangarten, wobei die Thiere nicht selten in den Fesselgelenken überknicken (überkothen). Bei Fesselverstauchungen finden sich am häu­figsten entzündliche Affectionen des Bandapparates hinter dein Gelenke, welche die Folge von starkein Durchtreten zu sein pflegen.
Bei der Diagnose aller Gelenkkrankheiten hat man namentlich das Alter derselben zu ermitteln und bei der Anamnese, sowie bei der objec-tiven Unlersuchung nichts zu versäumen, was in dieserquot; Hinsicht nähere Aufschlüsse zu geben im Stande ist.
Die Prognose richtet sich nach dem Befunde; bietet dieser die Er­scheinungen eines frisch entstandenen (acut entzündlichen) Leidens, so gestaltet sich dieselbe günstiger, als wenn Erscheinungen eines bereits veralteten Zustandes mit pathologischen Veränderungen der Gelenktheile vorhanden sind.
Die Behandlung ist hei der Distorsion im Wesentlichen dieselbe, wie bei der Contusion; auch hier bildet die möglichst vollständige Feststellung des betreffenden Gelenkes eine der wichtigsten Heilindicationen. Ruhe ist unbedingt erforderlich. Scharfsalben, oder wo haltbar anzubringen. ein Gypsverhand, stehen in erster Linie. Die Gefahr einer chronischen Gelenk-
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Entzündung soll nie aus dem Auge gelassen werden. Die Patienten dürfen deshalb erst dann wieder zur Arbeit (Dienstleistung) verwendet werden, •wenn das Lahmgehen vollständig beseitigt ist.
Verrenkungen kommen als vollständige und als unvollständige vor. Bei ersterer befinden sich die Gelenkflächen der mit einander verbundenen Knochen vollständig aussei- Berührung, indem die Gelenkenden neben ein­ander verschoben sind; dieselbe wird als luxatio completa bezeichnet, im Gegensatze zur luxatio incompleta. bei welcher die Gelenkflächen, ohne sich ganz zu verlassen, nur aus ihren normalen Berührungspunkten verschoben sind. Vollkommene Luxationen sind wohl immer mit Zerreissung der Ge­lenkkapsel verbunden, während dies bei unvollkommenen Verrenkungen nicht nothwendig der Fall ist. Je nach den Ursachen, welche die Luxation bedingen, unterscheidet man traumatische, spontane und ange­bor ene Verrenkungen. Eine traumatische Luxation ist eine solche, welche durch die Einwirkung einer äusseren Gewalt zu Wege gebracht wurde, während die spontanen Luxationen in Folge von Krankheitsprocessen an den Gelenkbändern oder an den Gelenkflächen der Knochen entstehen; dieselben werden deshalb auch pathologische Luxationen genannt. Diese, sowie die angeborenen Verrenkungen werden, (wie leicht begreiflich) aus finanziellen Rücksichten kaum jemals Object der thierärztlichen Praxis werden.
Wir wollen uns deshalb an dieser Stelle nur mit den traumatischen Luxationen beschäftigen. Dieselben können einfach oder mit anderen Ver­letzungen compliclrt sein. Letzteres ist der Fall, wenn gleichzeitig etwa ein Knochenbruch oder eine Haut Verletzung, eine Zerreissung grosser Gefässe oder Nerven etc. vorhanden ist. Diese und andere Zustände können nun entweder einzeln für sich, oder mehrere derselben, ja sogar alle zugleich, die Complication bilden. Vollständige Luxationen sind bei unseren Haus-thieren im Ganzen selten, am häufigsten noch werden sie im Hüftgelenke, namentlich bei Rindern angetroffen. Eine solche kann nur mit Zerreissung des dig. teresraquo; zu Stande kommen. Beim Pferde, wo dies Band sehr kräftig und das Acetabulum viel tiefer als beim Rinde ist, kommt eine vollständige Luxation im Hüftgelenke sehr selten, unvollkommene Luxationen dagegen häufiger vor. — Man bezeichnet diese Verrenkung als Luxation des Ober­schenkels, indem stets der unterhalb des betroffenen Gelenkes gelegene Sceletabschnitt als der verrenkte bezeichnet wird. Bei Pferden wird die Verrenkung der Kniescheibe nach aussen, namentlich im jugendlichen Alter, nicht ganz selten beobachtet. Dieser Zustand ist als eine duxatio incompleta#9632;gt; aufzufassen, weil nur das Sesambein (die Patella) verschoben
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ist, ohne die Rolle des Oberschenkelbeins ganz zu verlassen; die beiden Hauptknochen des Gelenkes nehmen an der Verschiebung nicht Theil.
Wird ein luxirtes Gelenk aus irgend einem Grunde nicht zur rechten Zeit wieder eingerichtet, so kann sich allmälig dennoch ein gewisser Grad von Beweglichkeit wieder ausbilden, der unter besonders günstigen Ver­hältnissen der normalen Beweglichkeit fast gleich kommt; in anderen Fällen dagegen ist und bleibt die Beweglichkeit resp. Brauchbarkeit der Gliedmasse eine beschränkte, das Glied ist steif und seine Muskeln atrophiren.
Die hierbei nach und nach eintretenden anatomischen Veränderungen sind im Wesentlichen folgende:
Das in die Gelenkhöhle und Umgebung gesetzte Elutexti avasat wird resorbirt, die Gelenkkapsel collabirt und verschrumpft, die Weichtheile um die dislocirten Knochenenden werden plastisch infiltrirt, verwandeln sich dann in narbiges Bindegewebe, welches zum Theil verknöchert, so class eine Art knöcherner Gelenkkapsel, sowie eine Bimlegewebskapsel um das Gelenk-ende des dislocirten Knochens neu gebildet wird. Der Gelenkknorpel der dislocirten Knoclienenden wird rauh, faserig und verwächst durch ein narbiges, festes Bindegewebe mit den Theilen, auf denen er aufliegt. Diese Verwachsung wird mit der Zeit ausserordentlich fest, namentlich wenn sie wenig gestört und der luxirte Körpertheil wenig bewegt wird. Die um­gebenden Muskeln verlieren einen grossen Theil ihrer Fasern, theils durch moleculäreu Zerfall, theils durch fettige Metamorphose der contractilen Substanz; später bilden sich zuweilen wieder neue Muskelfasern. In diesem Zustande nennen wir die Luxation eine veraltete.
Die Ursachen der Verrenkungen und Verstauchungen sind vorzugsweise in gewaltsamen Einwirkungen verschiedener Art gegeben, namentlich solcher, welche plötzlich mit grosser Kraft auftreten; so z. B. entstehen diese Zu­stände häutig beim Ausgleiten, beim Stürzen, Einsinken in weichem Ter­rain , beim Einklemmen einer Gliedmasse in Spalten und dergleichen. Schlaffheit der Muskel und Bänder begünstigen das Entstehen dieser Zu­stände. Nur sehr selten sind Neubildungen in oder an den Gelenken, etwas häufiger Muskelkrämpfe oder -Lähmungen Ursache einer Luxation. (Kniescheibenverrenkungen in Folge von Muskelaffectionen siehe,BoIoff und Müller: Mittheilungen aus der Praxis, 18. Jahrgang, Seite 153—155).
Beim Rinde ist die Gelenkpfanne der Beckenbeine flacher, das laquo;Lig. teresgt; schwächer und das Colluin femoris länger als bei allen übrigen Hausthieren, so dass bei demselben aus diesen Gründen die Entstehung
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einer habituellen Luxation durch Erschlaffung des Kapselbandes ohne Zer-reissung desselben denkbar ist und wirklich vorkommt.
Die Prognose der Verrenkungen ist im Allgemeinen sehr verschieden; ungünstig, wenn dieselben veraltete sind; je länger der Zustand bereits besteht, um so weniger ist eine Wiederherstellung der normalen Verhältnisse möglich. Man wird die Behandlung deshalb immer nur mit dem aus­drücklichsten Vorbehalte übernehmen dürfen, dass man für den Erfolg in keiner Weise einstehe.
Im Allgemeinen gilt, dass die Behandlung aller complicirter Luxationen bei unseren Hausthieren meist eine wenig versprechende ist; namentlich gilt dies in Bezug auf die grösseren Hausthiere, besonders Arbeitsthiere. Als Complication trifft mau bei Luxationen am häufigsten Fracturen ein­zelner Theile oder des ganzen Gelenkkopfes.
Es ist in der Regel sehr schwer, complicirte Luxationen genau und richtig zu beurtheilen. Ist eine Fractur als Complication vorhanden, so macht die Reposition des luxirten Knochens in der Regel aussergewöhnlich grosse Schwierigkeiten. Auch wird, je nach dem betroffenen Gelenke, das Anlegen eines festen Verbandes mehr oder weniger umständlich oder ganz unmöglich sein. Es ist deshalb die Prognose stets sehr zweifel­haft, ja fast allemal absolut ungünstig zu stellen und eine Behandlung nur in ganz besonderen Fällen versuchsweise einzuleiten. Noch ungünstiger gestaltet sich die Prognose, wenn mit der Luxation eine offene Gelenk-wunde verbunden, ganz besonders aber, wenn gleichzeitig eine Gelenk-fractur vorhanden ist. Nur bei sehr werthvollen Lieblingsthieren, wie bei Schosshunden u. s. w. bei denen es weniger auf gänzliche Heilung als auf Erhaltung ankommt, (eine vollkommene Brauchbarkeit des Gliedes ist nie zu erwarten), oder bei sehr geschätzten Zuchtthiereu etc. könnte ein Ver­such zulässig erscheinen. Bei offenem Gelenkbruche wäre in solchen Fällen vielleicht die kunstgerechte totale Resection des Gelenkes zu versuchen.
Die Behandlung der Luxationen hat in der Regel mit der Einrichtung des Gelenkes zu beginnen; diese ist bei unseren grossen Hausthieren meist sehr schwer zu erfüllen, weil die Extension des verrenkten Theiles und die Einführung des Gelenkkopfes durch den Riss in der Gelenkkapsel wegen der starken das Gelenk umgebenden Muskelmassen kaum möglich ist. Ausserdem aber bietet es recht oft Schwierigkeiten, die normale Lage zu erhalten, weil jede Bewegung des betreffenden Gliedes leicht neuerdings eine Ausrenkung zur Folge hat und die absolute Feststellung des Gelenkes ein durchaus unerfüllbarer frommer Wunsch bleibt.
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Die Reposition der Kniescheiben-Verrenkungen wird bei grossen Hausthieren am einfachsten und schnellsten durch Application eines kräf­tigen, flüchtigen Hautreizes im Umfange des Kniegelenkes und durch vorsichtiges Führen des Patienten zu Wege gebracht. Diese Subluxation kommt am häufigsten bei Füllen vor und zwar mit einer gewissen Neigung zu Eecidiven; in der Regel verliert sich diese Neigung mit vollendeter Entwicklung, weil damit eine grössere Straffheit in den Fasern der Gewebe eingetreten ist.
Vollständige Luxationen im Hüftgelenke sind bei grossen Thieren schwer heilbar, weil die Reposition kaum möglich und ausserdem viel Zeit er­forderlich ist, bis nach gelungener Einrichtung des Gelenkes die Functions-fähigkeit des Gliedes gänzlich wiederkehrt. Bis zur vollständigen Ver­narbung des Kapselrisses muss eine möglichst absolute Ruhe des Ge­lenkes angestrebt werden. Am besten und einfachsten erreicht man dies, indem man in oder unmittelbar unter der äusseren Haut einen Entzündungs-process zu unterhalten sucht, also durch wiederholte Application einer Scharfsalbe auf die äussere Haut oder eines Haarseils unter derselben gerade über dem Gelenke; das Haarseil muss von Zeit zu Zeit neuerdings mit einem reizenden Mittel befeuchtet werden, um stets einen etwas kräf­tigen Reiz unter der Haut zu erhalten. Ein Entzündungsprocess in den äusseren Theilen über dem Gelenke wirkt in mehrfacher Hinsicht vor-theilhaft. Nach der Reposition tritt selbstverständlich eine Entzündung der Synovialmembran mit Erguss von Flüssigkeit in die Gelenkhöhle ein, wodurch das Gelenk eine Zeit lang steif und schmerzhaft bleibt. Der Reiz auf oder unter der Haut hilft zunächst das Gelenk so gut wie möglich feststellen und wirkt ausserdem als Ableitung vortheilhaft auf den Verlauf der Entzündung der Synovialmembran ein. Nur bei frischen Luxationen ist einige Hoffnung auf eine völlige Wiederherstellung des früheren nor­malen Zustandes vorhanden. Werden zu früh Bewegungen ausgeführt, noch ehe der Kapselriss vernarbt ist, so tritt leicht eine neue Luxation ein; es erfolgt dann zuweilen gar keine Ausheilung des Kapselrisses oder es erlangt die Narbe eine so beträchtliche Dehnbarkeit, dass die Luxation eine habituelle wird; dies trifft man namentlich bei Kühen nicht selten, wo dann bei der Bewegung ein häufiges Springen des Caput femoris aus dem und in das Acetabulum pelvis beobachtet wird.
Liegt der Verrenkung eine Muskellähmung zu Grunde, so ist im All­gemeinen eine reizende Behandlung indicirt, während bei Muskelkrampf hypodermatische Injectionen von narkotischen Mitteln (Morphium etc.) zu versuchen sind. Die Reduction der verrenkten Knochen wird erst nach Beseitigung des Krampfes vorgenommen, falls sie nicht von selbst erfolgt.
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An Thieren sind bis jetzt zu wenig Resectionen ausgeführt worden, als dass über ihren Werth für die Veterinärpraxis heute schon ein be­stimmtes Urtheil sich abgeben liesse. Die günstigen Erfolge indess, welche in den letzten zwanzig Jahren durcb dieselben bei Menschen und zum Theil bei Versuchsthieren erzielt worden sind, dürfen als ein Triumph der neueren Chirurgie bezeichnet werden und fordern zu Yersuchen in geeigneten Krank­heitsfällen bei Thieren auf. Die Eesection würde bei fraglichen complicirten Luxationen darin bestehen, die zerbrochenen Gelenkenden frei zu legen, abzusägen und demnach einen entsprechenden Verband zu appliciren.
Die Behandlung angeborener Luxationen dürfte weder rathsam sein, noch leicht verlangt werden; dieselben sind im Ganzen selten. Man darf sie nicht verwechseln mit solchen, welche während der Geburt, durch ungeschicktes Ziehen an den vorliegenden Geburtstheilen etwa entstehen können. (Luxationes inter partum acquisitai). Diese sind selten vollständige Verrenkungen und in der Regel leicht heilbar, während die wirklich ange­borenen oder congenitalen Luxationen wegen der stets vorhandenen Miss­bildung der Gelenktheile in der Regel absolut unheilbar sind.
Die Entzündung der Gelenke betrifft entweder den Bandapparat, d. h. die fibröse Gelenkkapsel und die Hülfsbänder, oder den Synovialsack, oder die Gelenkenden der Knochen. Demnach unterscheidet man eine äussere, innere und allgemeine Gelenkentzündung. Es ist indess zu bemerken, dass die Entzündung von dem einen Gelenktheile leicht auf einen anderen über­geht, so dass Gelenkentzündungen, welche sich ausschliesslich nur auf einen einzelnen Gelenktheil erstrecken, in Wirklichkeit nicht leicht vorkommen. In der Regel wird der Entzündungsprocess allerdings in dem einen oder anderen Gelenktheile beginnen und von da sich ausbreiten. Der Grad, in welchem die einzelnen Gelenktheile von dem Entzündungsprocesse befallen werden, kann ein sehr verschiedener sein; manchmal sind die inneren oder die äusseren Gelenktheile vorzugsweise, in anderen Fällen hingegen in ziem­lich gleichem Grade ergriffen. Es behält deshalb die Unterscheidung einer äusseren v inneren und allgemeinen Gelenkentzündung aussei- für die Des­cription auch für die Praxis einen gewissen Werth.
Mit Rücksicht auf die anatomischen Veränderungen, welche in Folge von Gelenkentzündung eintreten können, unterscheidet man eine
1) Arthritis vasculosa exsudativa, welche durch starke Gefässinjection und durch Neubildung von Gefässen. sowie durch Exsudation (meist seröse) sich auszeichnet;
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2)nbsp; nbsp;Arthritis purulenta, welche durch Eiterbildung sich characterisirt und
3)nbsp; nbsp;Arthritis defonnans, bei welcher in Folge theils von Neubildung, theils von Rückbildung augenfällige Forraveränderungen, namentlich der Gelenkenden der Knochen zu Stande kommen.
Berücksichtigt man die ätiologischen Momente, so unterscheidet man eine trauinatische Arthritis, welche die Folge einer äusseren Gewalt, — eine rheumatische Arthritis, bei welcher eine kurze Zeit vorausgegangene Erkältung entweder nachweisbar ist, oder angenommen wird, — eine scro-phulöse und tuberculöse Arthritis, mit welcher ein schiechter Ernährungs­zustand, sowie Schwellung der Lymphdrüsen (namentlich der Mesenterial-drüsen) oder eine tuberculöse Diathese (resp. Tuberculöse) verbunden ist; — endlich eine pyamiische Arthritis, welche iu Folge allgemeiner Pyohamiie auf metastatischem, resp. embolischera Wege sich entwickelt hat. In manchen Fällen mögen indess Ursache und Wirkung hierbei verwechselt werden.
Die pyannische Gelenkentzündung darf nicht mich der eiterigen Synovitis, von welcher nachher die Rede sein wird, verwechselt werden. Erstere ist characterisirt durch rasche Füllung des Gelenkes mit Eiter bei raässigera Schmerz und bei sehr geringen Veränderungen der Gelenktheile. Das Bindegewebe zwischen den Bändern, Seimen und Muskeln in der Nähe des Gelenkes sind zuweilen serös infiltrirt; die Synovialhaut ist häufig ganz unverändert, zuweilen etwas injicirt; getrübt und verdickt. Die Gelenk­knorpel sind bei der pyamiischen Arthritis stets frei, insofern dieselben nicht etwa zufällig und von dieser unabhängig erkrankt sind. Die Affection kann sich auf ein Gelenk beschränken, oder auf mehrere, zuweilen sogar auf fast alle Gelenke sich erstrecken.
Bei unseren Hausthieren sind Erkrankungen der verschiedenen Gelenk­theile in Folge mechanischer Einwirkungen weitaus am häufigsten, weil dieselben sowohl durch ihre Dienstleistungen, als auch in Folge von roher Behandlung Verletzungen der Gelenke ausgesetzt sind. Die trauma­tischen Gelenkentzündungen pflegen bei frühzeitiger und zweckmässiger Behandlung auf die äusseren Gelenktheile beschränkt zu bleiben, wenn nicht die inneren Gelenktheile, namentlich die Synoviahnembran, direkt mit verletzt sind. Die Entzündung bedingt eine beträchtliche Schwellung, Lockerung und Durchfeuchtung des von kleinen Blutungen durchsetzten Bindegewebes. Auch die Bänder werden durchfeuchtet und aufgelockert, indem eine gallertige Flüssigkeit zwischen die Fasern derselben sich ein­lagert, diese auseinanderdrängt und die Bänder alhnälig zu einer weichen
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Masse umwandelt; gleichzeitig findet eine erhebliche Neubildung von Binde­gewebe statt.
Das Periost der benachbarten Knochen wird häufig, seltener dagegen werden die Seimen und Sehnenscheiden in den Entzündungsprocess mit hineingezogen. Die Entzündung geht entweder in Eiterung über oder es bildet sich die als laquo;Tumor albus gt; bezeichnete Gelenkgeschwulst. Diese Bezeichnung ist aus der Menschenheilkunde in die Thierheilkunde auf­genommen worden, obgleich sie hier wenig passt. Früher nannten die Aerzte fast alle Gelenkanschwellungen, welche ohne Ilöthung der Haut verliefen, Tumor albus; die heutigen Chirurgen gebrauchen diesen Ausdruck ziemlich übereinstimmend nur noch bei eiterigen und fungösen Gelenk­entzündungen.
Wo die äussere Gelenkentzündung bei unseren Hausthieren in Eiterung übergeht, da schwillt das Bindegewebe zwischen den Gelenkbändern und Sehnenscheiden sehr beträchtlich an, lockert sich auf, wird speckartig ver­dickt und ist stellenweise sogar eiterig infiltrirt. Anfangs bilden sich einzelne, später aber zusammenfliessende, oft sein- ausgebreitete Abscesse, welche entweder in der Nähe des Gelenkes die Haut durchbrechen oder sich weit­hin von dem Gelenke versenken und zur Bildung von Fisteln führen.
Bei Verjauchungen, wie sie besonders nach Verletzung des Periost's oder einer Epiphyse in der Nähe des Gelenkes entstehen, sind die Sehnen­scheiden fast immer betheiligt, indem auch sie mit eiterig jauchiger Flüssig­keit sich füllen. Die Entzündung und Erweichung der darin laufenden Seimen, sowie die Verjauchung des intrainusculären Bindegewebes erstreckt sich zuweilen bis zum nächsten Gelenke, ja selbst über dieses hinaus. Die Synovialhaut bleibt selbst bei sehr ausgebreiteten Verjauchungen in der Umgebung des Gelenkes, gewöhnlich unverändert; nur wenn sie durch die mechanische Einwirkung direkt mit verletzt wurde, besonders aber wenn von dem Gelenkrande ein Knochenstück absplitterte, tritt auch innere Ge­lenksverjauchung ein.
Die äussere Gelenk Verjauchung kann an jedem Gelenke vorkommen. Bruckmüller hat sie in der eben beschriebenen Form (und zwar dmxh Pysemie tödtend) bei Pferden an der hinteren Extremität am häufigsten am Sprung- und Kniegelenke, sehr selten auch an der vorderen Extre­mität am Ellenbogengelenke angetroffen.
Bei der fungösen Gelenkentzündung nimmt die Wucherung des Binde-ge-webes immer mehr zu, bis es die Dicke von einem bis zu mehreren Zoll erreicht und in eine derbe fibröse Masse umgewandelt ist. Die Gelenk­kapsel, die Bänder und Sehnenscheiden verbinden sich zu einem fast gleich-
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massigen, gräulich weissen, blutarmen, derben, speckähnlichen Gewebe, in welchem hie und da kleine, durch den Zerfall des Gewebes gebildete Abscesse sich finden. Der Eiter in denselben dickt sich später zu einer gelben käsigen Masse ein, um schliesslich zu verkreiden. Bei der Section von Thieren, bei welchen die Bildung der Gelenkgeschwulst bereits ziemlich fortgeschritten ist, trifft man in der Regel Abscesse in den verschiedensten Stadien; während einige bereits verkäst, andere sogar schon verkreidet sind, sieht man auch häufig noch solche, welche innerhalb eines lebhaft gerütheten, zottigen Granulationsgewebes einen schmierigen Eiter enthalten. Die Sehnenscheiden sclerosiren und verwandeln sich schliesslich in starre Hinnen, in welchen die Sehnen frei bleiben oder anwachsen. Die Beweglichkeit des Gelenkes wird durch die Gewebsneubildung bedeutend herabgesetzt. Ist eine allgemeine chronische Gelenkentzündung vorhanden, so erreicht die Steifheit einen besonders hohen Grad. Wenn die Neubildungen den grössten Theil eines Gelenkes umgeben und sich noch weich anfühlen, nennt man diesen Zu­stand auch wohl lt;weiche Schales. Später tritt in denselben eine wirkliche Ossification ein.
Bei Behandlung der äusseren Gelenkentzündung erweisen sich im Anfange derselben scharfe Einreibungen in allen Fällen am wirksamsten, wenn die äussere Haut ihre Application gestattet. Die Kälte wirkt in der thierärztlichen Praxis meist nur dann intensiv genug, wenn der Schaden am unteren Theile einer Extremität sitzt und der Patient direct in's kalte Bad gestellt wird. Ableitungen auf die äussere Haut wirken der Erfahrung gemäss vortheilhaft, so dass die Zertheilung der äusseren Gelenkentzündung nur selten ausbleibt, wenn die Application des betreffenden Mittels früh und kräftig genug stattfand. Selbst wenn die äussere Haut eine kleine Verletzung erlitten hat, kann man, mit entsprechender Schonung der betref­fenden Stelle, eine Scharfsalbe einreiben; die Anwendung derselben ist nur dann contraindicirt, wenn die äussere Haut in grösserem Umfange die Merkmale starker Quetschungen bietet. Kommt die äussere Gelenkentzün­dung erst zur Behandlung, wenn dieselbe bereits Ausgänge gemacht hat, so wird sich die Therapie entsprechend verschieden gestalten müssen.
Tritt Eiterung ein, so übereile man sich nicht mit Eröffnung des Abscesses; wenn nicht besondere Verhältnisse, wie z. B. Eitersenkungen u. s. w. nöthigen, so überlasse man die Oeffnung des Abscesses der Natur. Besonders hüte man sich vor Verwechslungen ausgebuchteter Synovial-säcke mit Abscessen. Es ist die Verwechslung um so leichter möglich, als fragliche Ausbuchtungen bei Gelenkentzündungen überhaupt häufig vor-
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kommen. Bei Eiteiungsprocessen fällt der Umfang der vorhandenen Zer­störungen besonders in's Gewicht. Ist Caries des Knochens zugegen, so empfiehlt es sich, die ergriffenen Knochentheile zu entfernen und durch Einlegen von Flachsbäuschchen in Phenylsäure getränkt, einen osteoplasti-schen Entzündungsprocess im Knochen anzuregen.
Die innere Gelenkentzündung beruht im Wesentlichen auf einer Ent­zündung der Synovialmembran; dieselbe kann die Folge direcfer Läsionen sein und sich im weiteren Verlaufe auf die Knorpel oder andere Gelenk-theile fortsetzen, oder aber es sind diese zuerst und secundär das Kapsel­band erkrankt, resp. seine innere Auskleidung in Mitleidenschaft gezogen worden. Ausser den Gelenkhöhlen gibt es noch andere Bindegewebssäcke, welche mit einer Synovialhaut ausgekleidet sind, nämlich die Sehnenscheiden und die subcutanen (Haut- und Sehnen-) Schleimbeutel. Alle können in gleicher Weise an Entzündung erkranken, weshalb wir diese hier miteinander besprechen wollen , obgleich weder die Sehnenscheiden, noch die Schleim­beutel eigentliche Gelenktheile sind. Erstere stehen aber zuweilen mit der benachbarten Gelenkhöhle in directer Communication, so dass ausser anderen Zweckmässigkeitsrücksichten auch deshalb ihre Erkrankungen hier am besten mit abgehandelt werden.
Die Entzündung der Synovialhäute.
Dieselbe wird im Allgemeinen als laquo;Synovitisgt; bezeichnet und in eine S. serosa. sowie in eine S. purulenta unterschieden, je nachdem das Exsudat mehr seröser oder eiteriger Natur ist. Beide können acut und chronisch verlaufen.
Es darf hier -wohl als bekannt vorausgesetzt werden, dass sämmtliche Synovialsäcke, ebenso wie die grossen serösen Körperhöhlen, aus Spalt­räumen des mittleren Keimblattes hervorgegangen sind. Das nächste Re­sultat einer acuten Synovitis ist dem einer Entzündung seröser Häute analog und besteht in dem Ergüsse einer finbrinreicheu Flüssigkeit (Serums) in den betreffenden Synovialsack, welcher weisse Blutzellen in sehr verschiedener Menge beigemischt sind. Es kann dieses Exsudat wieder gänzlich resorbirt werden, oder es kann dasselbe zurückbleiben und ver­schiedenen Veränderungen unterliegen.
Die Synovitis serosa der Gelenkkapseln wird laquo;Gelenkhy drops gt;, eine Synovitis purulenta derselben laquo;Gelenksempyemgt; genannt. Beide können
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acut und chronisch verlaufen und Erkrankungen des Knorpels, der Knochen, des fibrösen Bandapparates, des Periosts und benachbarter quot;Weichtheile im Gefolge haben.
Bei aculer Synovitis serosa einer Gelenkkapsel sind die Erscheinungen etwa folgende: Patient lahmt und zeigt hei Untersuchung Schmerz im Gelenke; liegt dasselbe ziemlich frei, d. h. ist dasselbe von nur wenig Weichtheilen bedeckt, so ist in seinem Umfange an der äusseren Haut etwas vermehrte Wärme wahrzunehmen.
Bald nach Eintritt dieser Erscheinung stellt sich an der einen oder anderen Stelle oder in der ganzen Peripherie des Gelenkes Fluctuation ein; dieser acute Gelenkshydrops wird gewöhnlich eine laquo;entzündliche Gelenksgalleraquo; genannt.
Der anatomische Befund des Gelenkes ist hierbei folgender: Die Sy-novialhaut ist leicht geschwollen und massig vascularisirt, die Gelenkhöhle mit Serum erfüllt, welches mit der Synovia sich gemischt hat und einige Fibrinflocken enthält. Alle übrigen Theile des Gelenkes können bis dahin ganz gesund sein, insofern die Entzündung ohne vorausgegangene Verletzung jener Theile ein zur Zeit gesundes Gelenk befallen hat.
Eine solche Galle ist in der Regel ziemlich leicht zu heilen. Die Appli­cation kräftiger Ableitungen im Umfange der ausserlich wahrnehmbaren Ausbuchtungen der Haut wird mit der Beseitigung jeder Schmerzäusserimg in der Hegel auch die Resorption des Exsudates der Synovialhöhle zur Folge haben. Wo dies nicht der Fall ist, muss man durch Auflegen eines scharfen Pflasters, oder durch Einreibungen von grauer Salbe, oder Jod­quecksilbersalbe, oder durch Bepinseln der äusseren Haut an fraglicher Stelle mit Jodtinktur etc. die Resorption anzuregen suchen. Bis zum Ver­schwinden aller acut entzündlichen Erscheinungen, namentlich des Lalnn-gehens des Patienten, muss diesem absolute Ruhe gegönnt werden.
Die chronische Synovitis serosa zeichnet sich besonders durch ihren schleichenden Verlauf aus. Die Erscheinungen derselben entwickeln sich so allmälig, dass sie den Gebrauch des Thieres erst dann beeinträchtigen, wenn der aus ihr hervorgehende chronische Gelenkhydrops (Hydrops chro-nicus articulorum) einen grösseren Umfang erreicht hat, oder wenn in Folge von Eindickung der in die Gelenkhöhle ergossenen Flüssigkeit die Articulation behindert wird. Die Synovia, welche sich in der Gelenkkapsel nach und nach ansammelt, ist ziemlich dünnflüssig, und da die Thiere weder Schmerz, noch ein anderes ausserlich wahrnehmbares Symptom der Entzündung zeigen, so war man früher der Meinung, dass die in der
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Oelenkhöhle angesammelte Flüssigkeit nicht das Resultat eines Entzüu-lt;lungsprocesses, sondern einer verminderten Aufsaugung der quantitativ normalen Sekretion sei. Dass auch eine ursprünglich acute Synovitis in Folge ungünstiger Verhältnisse zu einem chronischen Gelenkshydrops, oder wie man denselben wegen der in loco fehlenden Temperatursteigerung auch genannt hat, zu einer lt;kalten Gallegt; führen kann, ist leicht begreif lieh; es dürfen ja nur die klinisch wahrnehmbaren Entzündungserscheinungen schwinden, ohne dass das Exsudat zur Resorption gelangt.
Bei chronischer Synovitis ist die Synovialhaut anfangs nur wenig ver­ändert, allmälig jedoch wird sie dicker und fester, das Bindegewebe nimmt zu, ohne dass eine erhebliche Vascularisation eintritt. Ihre Innenfläche wird allmälig von zottigen Neubildungen überwuchert, welche mehr oder weniger stark geröthet, theilweise ziemlich derb sind und zuweilen netzartige Ver­schlingungen bilden.
Unter denselben findet man bei Sektionen die Gelenkknorpel theilweise oder ganz geschwunden. Im letzteren Falle sind die knöchernen Gelenkenden an der betreffenden Stelle glänzend weiss, elfenbeinartig und zeigen oft linientiefe Furchen, denen Erhöhungen an der Gelenkfläche der gegenüber­stehenden Epiphyse entsprechen. Am häufigsten trifft man diese Verände­rungen am Fesselgelenke und am Sprunggelenke, seltener am Vorderfuss-wurzelgelenke der Pferde. Zuweilen, aber selten, nimmt bei chronischer Synovitis auch der Bandapparat an der Gewebswucherung und Verdickung Theil.
Die klinische Diagnose sowohl der acuten als der chronischen Synovitis kann dem Vorhergesagten gemäss keine Schwierigkeiten bieten. Gleichwohl setzt eine genaue Differenzialdiagnose gewisse Kenntnisse und Uebungen voraus. So z. B. kann eine Synovitis des Vorderfusswurzelgelenkes möglicher­weise mit einer Synovitis der Sehnenscheide des einen oder andern der drei Strecker des Fusses oder des Kniebogens verwechselt werden, was unter Umständen, namentlich wenn vorhandene stärkere Füllungen operativ ent­fernt werden sollen, wie dies bei Gallen der Streckseimen sehr wohl mög­lich ist, fatale Folgen haben kann.
Die Prognose gestaltet sich am günstigsten, wenn der Hydrops nach einer acuten oder subacuten Synovitis zurückblieb. Es tritt dann bei zweckmässiger Behandlung in der Regel vollständige Resorption ein. Recht hartnäckig sind hingegen die Fälle, in welchen die Krankheit ganz chronisch verläuft.
Die Behandlung ist auch hier in erster Linie auf die consequente Anwendung resorbirender Mittel angewiesen. Ein von Zeit zu Zeit wieder-
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holtes scharfes Pflaster verdient wegen seiner ausgezeichneten Wirkung besondere Empfehlung; dasselbe hat vor den recht wirksamen Jod- und Jodquecksilberpräparaten den für die thierärztliche Praxis wohl zu beach­tenden Vortheil der bedeutend grösseren Billigkeit. Als letztes Mittel ist die Eröffnung der Gelenkhöhle und die nachfolgende Injection von Jod-tinctuv, oder das Brennen der ausseien Haut über der Galle mittelst des roth glühenden Eisens zu empfehlen, um dadurch in der Gelenkkapsel einen activen Entzündungsprocess und durch diesen die Ausgleichung der vor­handenen Störungen anzubahnen. Jodtinctur soll wegen ihres Weingeist­gehaltes leicht eiterige Entzündung und dadurch Gefahr hervorrufen, wes­halb an ihrer Stelle Lösungen von Jod und Jodkalium in destillirtem Wasser empfohlen werden.
Die Synovitis purulenta characterisirt sich durch sehr heftige Schmerzen, so dass Patient die leidende Gliedmasse wenig oder gar nicht zu gebrauchen wagt; wohl immer ist dieselbe von Fiebererscheinungen begleitet. Die llussere Haut in der Umgebung des entzündeten Gelenkes ist sehr warm und ödematös geschwellt; Fluctuation tritt nicht deutlich hervor, obgleich oder weil eine starke Anschwellung auch der äusseren Gelenktheile stets sich einfindet. Der von dem entzündeten Gelenke peripherisch gelegene Theil der Gliedmasse ist gewöhnlich ödematös geschwollen.
Der anatomische Befund bei Synovitis purulenta ist folgender: Die Synovialhaut ist stark geschwollen, wulstig und intensiv gerottet; in der Gelenkhöhle ist nur wenig, mit flockigem Eiter vermischte Synovia vor­handen; das Gewebe der Gelenkkapsel ist plastisch und serös stark infil-trirt; der Gelenkknorpel ist an seiner Gelenkfläche zunächst getrübt, später erweicht und zerfällt derselbe, wenigstens stellenweise, zu einer bräunlichen schmierigen Masse. Wo keine Oeffnung (nach einer äusseren Verletzung) in der Gelenkkapsel vorhanden ist, entsteht dieselbe in Folge des Ver-schwärungsprocesses; der Eiter bahnt sich durch den Bandapparat und die Haut einen Weg nach aussen, wodurch eine Gelenkfistel sich bildet. Greift die Eiterung, resp. Verjauchung auch auf den Bandapparat über, so ver­breitet sich der Zerstörungsprocess nicht selten auf die Umgebung des Ge­lenkes, was häufig Pyämie nach sieht zieht. Eine solche Gelenksverjauchung ist am häufigsten bei Pferden, namentlich am Huf- und Kronengelenke, seltener am Sprung- und Kniegelenke und in einzelnen Fällen am Fessel­gelenke und Vorderfusswurzelgelenke beobachtet worden. Dieselbe kann nach zu starkem Brennen von Schale oder Spat, namentlich nach dem Brennen mit dem Stift, wenn dieser in die Gelenkhöhle eindringt, entstehen.
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Bei Behandlung einer Synovitis purulenta kommt sehr viel auf die Art und auf die Zeit des Eintrittes derselben an. Vor allen Dingen ist die absoluteste Ruhe nöthig. Kräftige Ableitungen auf die äussere Haut rund um das Gelenk herum erweisen sich auch hier um so nützlicher, je frühzeitiger dieselben nach dem Auftreten der ersten Entzündungs­erscheinungen applicirt werden. Je nach dem Grade des Fiebers und nach dem Ernährungszustande des Patienten muss die Diät sich richten; auch kann eine innerliche Beliandlung, und zwar je nach Umständen eine anti-phlogistische, in anderen Fällen eine roborirende, die äussere Kur unter­stützen. Bei ganz frisch entstandener Arthritis purulenta erweist sich die ener­gische Anwendung der Kälte, namentlich Eisaufschläge auf das entzündete Gelenk oft recht nützlich. Warme Aufschläge lindern bei consequenter Application zwar die Schmerzen, begünstigen aber den Eintritt der Eiterung und sind deshalb zu meiden. Als schmerzlinderndes Mittel ist die hypoder-matische Injection geeigneter Dosen Morphium, trotz des hohen Preises dieses Mittels, der feuchten Wärme vorzuziehen. Von der consequenten Anwendung der angegebenen Mittel wird der Ausgang zum grossen Theile abhängen.
Gelingt es, die Entzündung zu beseitigen, so muss Patient noch einige Zeit nach eingetretener Genesung ruhig gehalten und darf erst allmälig von leichten zu schweren Dienstverrichtungen wieder verwendet werden.
Tritt Gelenkverjauchung ein, so ist kaum mehr auf Erhaltung, resp. Wiederherstellung eines vollständig brauchbaren Gelenkes zu hoffen und demgemäss, unter entsprechender Berücksichtigung der grösseren oder geringeren Entbehrlichkeit des betroffenen Gelenkes für die Dienstzwecke des Patienten häufig von jeder weiteren Behandlung abzurathen. Dies gilt namentlich für Schlachtthiere bei jeder fieberhaften Synovitis purulenta, da die Thiere in Folge des höchst schmerzhaften und fieberhaften Leidens allemal bedeutend abmagern und sogar an Pysemie verenden können. Auch bei Zugthieren wird in vielen Fällen eine Behandlung in den späteren Stadien der Krankheit nicht rathsam erscheinen, während bei Milch- und Zuchtthieren die Erhaltung des Individuums selbst mit Verwachsung des betreffenden Gelenkes gegenüber dem Abschlachten noch vortheilhaft, somit wünschbar sein kann.
Entzündungen der Sehnenscheiden sind ebenfalls der Mehrzahl nach die Folge mechanischer Einwirkungen. Dieselben können aber auch spontan entstehen, wie dies bei der Sehnenentzündung bereits erwähnt wurde.
Acute Sehnenscheidenentzündungen geben sich zunächst durch Schmerz bei der Bewegung (durch Lahmgehen) zu erkennen. Bei genauerer Unter-
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suchung findet man an der betreffenden Stelle gesteigerte Empfindlichkeit gegen Druck, vermehrte quot;VVärme der äusseren Haut und Schwellung. Zu­weilen nimmt man auch Reibungsgeräusche wahr, welche von der auf­gelegten Hand, noch deutlicher von dem angelegten Ohr, als ein Knarren empfunden werden. Diese Geräusche entstehen, wenn die Oberflächen der Sehnensclieiden und der umschlossenen Sehnen durch fibrinöse Auflage­rungen rauh geworden sind und dadurch bei der Bewegung sich mehr oder weniger stark reiben.
In der Mehrzahl der Fälle tritt die acute Entzündung der Sehnen­scheiden als Synovitis serosa auf; bleibt das Exsudat nach Ablauf der Entzündungserscheinungen, so bezeichnet man diesen Zustand als laquo;Sehnen-scheidengalleraquo;; am häufigsten jedoch entstehen solche in Folge einer chronischen Synovitis der Sehnenscheiden.
In Bezug auf die klinische Diagnose ist Folgendes zu beachten:
Sehnenscheidengallen erkennt man im Allgemeinen an der elastischen Ausbuchtung der allgemeinen Körperdecke an einer Stelle, wo eine Sehnen­scheide liegt. So lange sie weich und elastisch sind, verursachen sie nur dann Lahmgehen, wenn sie in Folge einer Synovitis serosa acuta erst frisch entstanden, oder wenn neuerdings entzündliche Erscheinungen in der Sehnen­scheide zu alten Gallen hinzugetreten sind. Im Laufe der Zeit pflegt der Inhalt des Synovialsackes sich einzudicken, wobei manchmal feste Körper sich bilden; die Sehnenscheide kann verkalken oder verknöchern und durch diese, sowie andere pathologische Zustände die Beweglichkeit mehr oder weniger beeinträchtigt werden.
Verwechslungen von Sehnenscheiden- und Gelenkgallen sind nur bei oberflächlicher Untersuchung da möglich, wo Sehnenscheiden in unmittel­barer Nähe der Gelenkkapsel liegen, wie dies vorzugsweise hei den Streck­sehnen der Fall ist. Es sollen deshalb die für operative Eingriffe ge­eigneten Strecksehnenscheidengallen in differential-diagnostischer Hinsicht hier kurz besprochen werden.
Bei Sehnenscheidengallen an der Dorsalfläche der Vorderfusswurzel dehnt sich die Geschwulst in senkrechter Pachtung aus, während sie bei Gallen des Vorderfusswurzelgelenkes quer verläuft und durch die über sie hinweggehenden drei Strecksehnen Unterbrechungen erleidet. Bei Biegung des Gelenkes treten Sehnenscheidengallen stärker hervor, während die Gelenkgallen verschwinden.
Man hüte sich besonders vor der möglicherweise sehr fatalen Ver­wechslung einer Füllung der Sehnenscheide des Kniebogens, mit einer
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solchen der ihr zunächst gelegenen Sehnenscheide des Fesselbeinstreckers; beide treten nämlich an der äusseren Seite hervor. Auch hier ist das Verhalten bei Beugung des Vorderfusswurzelgelenkes entscheidend, indem die Sehuenscheidengalle dadurch praller, die Füllung des Kniebogens hin­gegen schlaffer wird.
Beim Rinde kommt nicht selten (bei anderen Hausthieren weniger häutig) eine Losblätterung der Haut vor dem Vorderfusswurzelgelenke vor, welche durch Druck beim Liegen auf zu fester Unterlage entsteht, indem ein seröser Erguss in das subcutane Bindegewebe stattfindet; derselbe wird nach Bewegungen zum Theil resorbirt, wodurch die Spannung der Haut sich wesentlich vermindert, was bei Gallen nicht der Fall ist. Verwechslung mit einer Galle einer Strecksehnenscheide hätte keine weitere nachtheilige Bedeutung. Beim Pferde hat L e o n h a r d t eine solche Loslösung der Haut au der inneren Seite des Metacarpus öfter gesehen.
Die vordere Fessel-SehneKscbeklengalle tritt oberhalb des Gelenkes hervor, weshalb sie mit einer Fesselgelenkgalle nicht wohl verwechselt werden kann.
Die Seiten-Sprunggelenk-Sehnenscheidengalle betrifft die Sehnenscheide
des Seitenstreckers des Fessel-, Krön- und Hufbeins und kommt an der äusseren- Seite unmittelbar unterhalb des Sprunggelenkes vor. Eine Ver­wechslung mit einer Füllung des Synovialsackes dieses ist demnach kaum möglich.
Unter dem Titel laquo;Alte Erfahrungen über die operative Behandlung der Sehnenscheidengallenraquo; gibt Günther im Jahresberichte der Hannover'-sehen Thierarzneischule pro 1S73, Seite 77 bis 84, eine sehr werthvolle Zusammenstellung für die bei Behandlung von Selmenscheidengallen wich­tigen Momente. Die bezüglichen Mittheilungen gründen sich auf Erfah­rungen, welche bis zum Jahre 1.S59 an der Hanno vergehen Thierarznei­schule gemacht wurden. Die allgemeinen Schlüsse Günther''s sind etwa folgende:
Zu gefahrlosem operativem Eingriffe eignen sich alle Ansammlungen der Synovia in den Scheiden derjenigen Sehnen, die dem Streckapparate angehören; mögen sie so gross sein, wie sie wollen; sie sind auf operativem Wege, aber auch nur auf diesem heilbar! Hierher gehören:
1)nbsp; die Vorderknie-Sehnengallen,
2)nbsp; die vordere Fessel-Selmengalle,
3)nbsp; die Seiten-Sprunggelenk-Selmengalle.
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Die Operationen der Sehuenscheidengallen des Tragapparates dagegen sind immer mit einer gewissen nicht zu unterschätzenden Gefahr verbunden. Nach den Erfahrungen Günther's (und seines seligen Vaters) eignen sich zur operativen Behandlung demnach nicht :
Fessel-Sehnengallen (Flussgallen),
Hintere Kronengallen,
Kniebogengallen,
Sprunggelenksehnengallen,
Curhengallen,
Achilles-Sehnengallen.
Die Heilung der genannten Sehuenscheidengallen des Streekapparates wurde stets bezweckt durch Einziehen einer bindfadenstarkeu seidenen Schnur, die bei der vorderen Fessel-Sehnenscheidengalle unter der Streck-sehne durchgeführt wurde, durch Eiterung, ohne jemals — auch nicht bei edeln Pferden — irgend welchen Misserfolg zu haben.
Nach der Operation stellt sich heftige Entzündung', auch wohl Fieber ein, und zwar zuweilen so erheblich, dass eine antiphlogistische Behandlung räthlich wird; weiterhin besteht noch längere Zeit Schmerz und ein reich­licher Ausfluss von Sehnenschleim fort, der später einem allmälig dicker werdenden Eiter Platz macht.
Gallen im sogenannten tauben Gelenke, zwischen Kniescheibe und Oberschenkelbein sind in der angegebenen Weise zwar auch geheilt worden; dennoch wird von derartigen Versuchen abgerathen, weil wiederholt sehr schwere Entzündungen und Verjauchungen des dahinter liegenden Knie­gelenkes den Verlust des Thieres zur Folge gehabt haben.
Mit dieser Darstellung Günther's bin ich im Allgemeinen ganz ein­verstanden. Nur muss ich bemerken, dass ich Selmengallen des Streck­apparates auch ohne operativen Eingriff öfter geheilt habe, und zwar durch die wiederholte Application des scharfen Pflasters. Wo dies nicht ausreicht, wird durch das Einziehen eines Fadens in angegebener Weise immerhin die Heilung noch versucht werden können. Die vorherige Application des scharfen Pflasters verdient trotz der geringeren Sicherheit des Erfolges deshalb versucht zu werden, weil Patient bei dieser Behandlung zu ge­wissen Dienstverrichtungen während der Kur weniger untauglich gemacht wird, als dies beim Einziehen des Fadens durch die Galle der Fall ist. Man darf indess nicht gleich von dem ersten Pflaster einen zu grossen Erfolg erwarten. Die Abnahme der Galle wird in der Pegel erst nach dem zweiten oder gar nach dem dritten Pflaster deutlich bemerkbar, und die
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#9632;gänzliche Heilung verlangt zuweilen sogar eine vierte Application. Die Wiederholung der Pflaster erfolgt, wenn das frühere abgefallen und die Haut wieder ausreichend behaart ist. Patient kann während der Kur zu leichter Arbeit verwendet werden.
Es sei noch erwähnt, dass Leonhardt Sehnenscheidengallen des Tragapparates seinen mir gemachten Angaben gemäss häufig ohne üble Zu­fälle und mit dem gewünschten Erfolge operativ behandelt hat, indem er eine Lösung von Jod. pur. 0,1-5 J oder Kali jodat. 2,0 auf Aqu. destill. 10,0 .zur Injection verwendete. Ob dadurch die üblen Folgen, welche Günther bei seinem Verfahren kennen lernte, mehr oder weniger ausgeschlossen werden, muss die Zukunft lehren.
Wie die Synovialmembran der Gelenke, so scheint auch die der Sehnen­scheiden bei acuter Entzündung zuweilen Producte zu liefern, welche die Umgebung besonders heftig inficiren. Tritt eine ausgedehnte Eiterung ein, so werden die eingeschlossenen Sehnen in der Kegel necrotisch und können nach einiger Zeit, wenn die Sehnenscheide auf spontanem oder operativem Wege geöffnet worden ist, als weisse Fetzen oder Fäden aus der Abscess-üffnung hervorgezogen werden. An der Synovialhaut bilden sich nach diesen Vorgängen Granulationen, so dass. wenn demnach Heilung eintritt, eine gewisse Steifheit des betreffenden Theiles fur's ganze Leben zurückbleibt. Sind auch die Gelenke mitergriffen, so kommt es zur Anchylose oder es kann gar das Leben des Patienten zu Grunde gehen. Bei der acuten eiterigen Sehnenscheidenentzündung ist das Fieber anfangs manchmal un­bedeutend, kann indess auch einen höheren Grad erreichen; dies ist namentlich bei lethalem Ausgange des Leidens der Fall. Je weiter sich Entzündung und Eiterung ausbreiten, um so dauernder und stärker wird das Fieber, wodurch die Patienten in kurzer Zeit sehr herunterkommen.
Kommt es nicht zur Eiterung, oder bleibt dieselbe nur auf kleinere Stellen beschränkt, so tritt bei passender Behandlung und Pflege allmälig Zertheilung ein; indess bleibt auch dann das Glied noch lange Zeit steif, indem die gebildeten Verklebungen zwischen Sehne und Sehnenscheide sich -erst nach längerem Gebrauche wieder lösen.
Die pathologisch-anatomischen Veränderungen bei Sehnenscheidenent­zündungen sind folgende; Die Sehnenscheide ist mit einem dicken, eiterigen oder blutigen, selbst jauchigen Exsudate gefüllt; die innere Wand derselben, und besonders die zur Sehne führenden Fortsätze sind lebhaft geröthet, von kleinen Blutungen besetzt, stark verdickt und mit faserstoffigen Ge­rinnungen, theils mit Eiter oder mit Jauche beschlagen; an der Innenfläche der Svnovialmembran erheben sich zahlreiche Granulationen. welche der-
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selben ein rauhes, unebenes Ansehen geben. Die Sehne selbst ist wenigstens an der Oberfläche entzündet, im Zustande der eiterigen Infiltration und des jauchigen Zerfalles. Das umgebende Gewebe ist stark injicirt und mit einem serösen, oft gallertigen Exsudate infiltrirt; häufig haben sich einzelne, die Haut durchbohrende Fistelgänge gebildet.
In Folge zweckmässiger Behandlung bedeckt sich die Sehne und die Sehnenscheide manchmal mit stark wuchernden Granulationen, welche später­hin zur Verwachsung der Sehnenscheide mit der Sehne und zu einer Ver­dickung dieser führen; in anderen Fällen aber entwickelt sich eine schnell tödtlich endende Jauchevergiftung des Blutes.
Die eiterige Sehnenscheidenentzündung kommt vorzugsweise bei Pferden vor und entstellt entweder in Folge einer Verwundung oder Quetschung derselben oder durch Andringen eines Jaucheheerdes. Sie findet sich am häufigsten an den Beugesehnen vor und wird an denselben nicht selten durch Verjauchungen im Hufe verursacht; auch an den das Sprunggelenk umgebenden Sehnenscheiden entsteht sie öfter in Folge einer äusseren Gelenksverjauchung.
Die Prognose richtet sich bei Sehnenscheidenentzündung nach dem Grade und der Heftigkeit fier vorhandenen Entzündung, sowie nach dem Stadium und dem Character derselben. Leichtere Grade der subcutanen Sehnenscheidenentzündung gestatten bei zweckmässiger Behandlung und Pflege Aussicht auf gänzliche restitutio ad integrum, während ofl'ene Wunden der Sehnenscheiden stets eine unsichere Prognose bedingen. Gelingt es, die Wunde zu schliessen, ohne dass es zur Entwicklung einer Synovitis puru-lenta kommt, so kann auch hier im Laufe der Zeit noch völlige Heilungquot; eintreten, während eiterige Synovitis der Sehnenscheiden, namentlich wenn der Eiterungsprocess einen beträchtlicheren Umfang erreicht hat, stets dauernde Störungen in der Bewegung hinterlässt, deren Bedeutung je nach der betroffenen Sehnenscheide eine verschiedene sein kann. Wo es zu gangränösem Absterben der in der Sehnenscheide liegenden Sehne kommt, bleiben ebenfalls Bewegungsstörungen zurück, welche dem eingetretenen Defecte, der mit der Piegeneration desselben erfolgenden Neubildung und der Wichtigkeit der betreffenden Sehne fur die Locomotion entsprechen. Ausserdem darf man nicht aussei- Acht lassen, dass sowohl durch Blut­vergiftung, wie auch durch Erschöpfung der Tod als Folge einer Synovitis purulenta der Sehnenscheide eintreten kann.
Die Therapie ist anfangs eine antiphlogistische, welche je nach der Constitution des Patienten und nach dem Grade der Entzündung in ver-
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scliiedener Intensität zur Verwendung kommen kann. Sind die Entzündungs-erscheinungeu beseitigt, so erscheinen resorbirende oder adstringirende Einreibungen oder Bäder in Verbindung mit Druck als zweckmässig. Von allen Mittetn ist aber für die Veterinärpraxis in diesem Stadium das scharfe Pflaster wiederum das geeignetste.
Wo innerhalb der geschlossenen Sehnenscheiden ein Verjauchungs-process eintritt (man erkennt dies an dem hohen Fieber und an den hef­tigen Schmerzen), da muss die Sehnenscheide eröffnet und ihr Inhalt entleert werden. Demnach spritzt man den Synovialsack mit lauem Wasser aus oder reinigt denselben durch lauwarme Bäder und sucht dann durch Einreibungen von Quecksilber- oder Jodsalben, oder durch Application der Cantharidensalbe auf die äussere Haut eine Umstimmung des Entzündungs-processes hervorzurufen. Zweckmässig wird man die Erreichung dieses Zieles durch Einspritzungen von Jodtinctur, Aloe- oder Myrrhentinctur u. dgl. in geeigneter Verdünnung zu fördern suchen.
Die Entzündung der Synovialmembran der subeutanen Schleimbeutel ist
von geringerer Bedeutung. Dieselbe kommt am häufigsten an der bursa anconea und calcaneaals sogenannte laquo;Stollbeuleraquo; und laquo;Piephackeraquo; vor; auch die bursa pnepatellaris ist derselben, wenngleich weit seltener, wie beim Menschen, ausgesetzt. Diesen Entzündungen liegen meist mechanische Insulte zu Grunde; dieselben gehen zuweilen, indess selten, in Vereiterung über, wenn sie nicht durch therapeutische Eingriffe veranlasst wird. Bruck-müller sah bei einem Pferde den grossen Schleimbeutel, der unter der Sehne des Vorarmbeugers am oberen Ende des Oberarmes liegt, in Ver­eiterung mit beginnender Caries am Knochen.
Bei Thieren scheinen sich den Schleimbeuteln ähnliche Bildungen aus serösen Cysten im Unterhautbindegewebe entwickeln zu können.
Die Behandlung der Synovitis bei den subeutanen Schleimbeuteln ist im Allgemeinen nach denselben Regeln zu leiten, wie vorhin bei den Sehnenscheidenentzündungen angegeben wurde. Die Punction des ver-grösserten und mit Flüssigkeit gefüllten Beutels, wie selbige vielfach em­pfohlen wird, ist im Allgemeinen nicht rathsam; die Heilung wird durch dieselbe nicht gefördert, häufig hingegen verzögert. Wenn aber der ge­öffnete Schleimbeutel täglich mehrere Mal (mit der Pravaz'schen Spritze) entleert wird, so soll nach den Beobachtungen Leon hard's der Erfolg ein sehr günstiger sein. Im entzündeten Stadium sind auch hier Kälte­mischungen oder 'scharfe Einreibungen, später resorbirende Einreibungen oder das scharfe Pflaster indicirt. Die Entzündung der Schleimbeutel bleibt
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selten auf die Synovialmembran beschränkt, breitet sich vielmehr gewöhnlich über das benachbarte Bindegewebe aus. Es bilden sich zunächst Hohlräume (ein oder mehrere), welche mit Flüssigkeit gefüllt sind, wodurch die ganze Geschwulst eine weiche, schwammige Beschaffenheit zeigt. Alhnälig nimmt die Wucherung und Verdichtung des Bindegewebes zu, so dass die Hohl­räume ganz oder doch zum grössten Theile ausgefüllt werden; die Ge­schwulst wird in Folge dessen fest, derb und stellt eine fibroide Neu­bildung dar, welche jetzt nur noch durch Exstirpation oder durch stark resorbirende Mittel beseitigt werden kann. Gegen derartige Stollbeulen empfehlen sich während mehrerer Wochen fortgesetzte Einreibungen der Kaliseife oder folgendes von Hertwig empfohlene Mittel:
Hydrg. chlor, corr. 3j =4,0, Pulv. Canthar. et Euphorbii ana 3ij ^ 8,0, Acid, nitric, fum. oiij = 12,0, Acid, sulphuric, cone. J^'j = 24,0. Die Säuren werden zusammengegossen und den untereinandergemengten Pulvern tropfenweise und unter beständigem Umrühren zugesetzt. Die Umgebung der Stollbeule wird mit flüssigem (erwärmtem) Wachs sorgfältig bestrichen und demnach das Mittel auf die Stollbeule vermittelst eines Spatels auf­getragen und eingerieben. Ich habe Hertwig's Angaben in einer grösseren Anzahl von Fällen bestätigt gefunden. Eine Wiederholung des Mittels ist in der Regel nur bei recht grossen und hartnäckigen Beulen nothwendig; doch darf man sich hiermit nicht übereilen und selbst bei anscheinend schwacher Wirkung das Mittel vor Verlauf von 14 Tagen nach seiner ersten Application nicht zum zweiten Male anwenden. Es bildet sich gewöhnlich bei nur geringer Ausschwitzung ein trockner Hautschorf, der sich vom Rande her nach sechs bis acht Tagen und noch später zu lösen beginnt und ganz alhnälig abgestossen wird. Die Verkleinerung der Geschwulst erfolgt alhnälig durch Resorption, und es scheint, dass nach länger als vier Wochen die Wirkung noch fortdauert. Die Thiere können während der ganzen Zeit der Kur zu ihrem gewöhnlichen Dienste verwendet werden. Das Mittel lässt nur bei verhärteten speckartigen oder knorpeligen Stoll-und Brustbeulen im Stiche, wo dann die Exstirpation des Tumors vorzu­nehmen ist. Ich bin in meiner nunmehr dreiundzwanzigjährigen Praxis bei Stollbeulen mit dem Hertwig'schen Mittel fast in allen Fällen an's er­wünschte Ziel gelangt.
Die allgemeine Gelenksentzündung betrifft neben den dem Gelenke an-gehörigen Weichtheilen besonders auch die Knochen und Knorpel. Dieselbe geht gewöhnlich von den Knochenenden, selten von den Weichtheilen aus. Man hat eine chronische Gelenkentzündung oder Lähme'der jungen Thiere und eine chronische Gelenkentzündung erwachsener Thiere unterschieden.
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Die Gelenkskrankheit junger Thiere, bekannt unter dem Namen Füllen-, Schweine-Lahme oder Gelenkseuche, ist entweder angeboren, oder tritt erst einige Zeit nach der Geburt ein. Roloff sagt (siehe Zeitschrift für prak­tische Veterinänvissenschafteii vom August 1873, Seite 162 u. ff.): das Leiden sei meist die Rhachits (wenigstens bei Schweinen und bei jungen Bindern), bei welcher in Folge der Bewegung durch Muskelzerrung an den weichen Knochen zunächst das Periost, die Gelenkbänder und das Binde­gewebe gereizt werde und demnach eine allgemeine Gelenkentzündung sich ausbilde. Manchmal sind (nach Koloff) die entzündlichen Affectionen ein­zelner Gelenke eine Theilerscheinung der Scrophulosis, beziehungsweise auf scrophulöser Diathese wurzelnd; manchmal sind sie auch pyoha?mischer Natur, über welche letzteren, bis dahin in der Literatur noch nicht er­wähnte Fälle am angegebenen Orte ausführlicher berichtet ist. Aus Vor­stehendem ergibt sich, dass mit dem Worte laquo;Lähmeraquo; bei jungen Thieren verschiedenartige Krankheitszustände bezeichnet werden, so dass Roloffs Vorschlag laquo;jene Benennung gar nicht mehr zu gebrauchenraquo;, durchaus motivirt erscheint. Die Krankheit findet sich am häufigsten bei Lämmern und Füllen. Ist dieselbe angeboren, so kommt es gewöhnlich nicht zu Gelenkanschwellungen, obgleich die Bewegungen bedeutenden Schmerz bekunden. In solchen Fällen tritt der Tod, namentlich bei Lämmern, gewöhnlich unter Convulsionen oder allgemeiner Lähmung ein. Kommt die Krankheit erst nach der Geburt zur Entwicklung, so treiben nament­lich die Gelenkenden der Knochen auf. Je nachdem das Leiden blos an den Gliedmassen, oder auch au den Rumpfgelenken sich einstellt, gestaltet sich die Haltung der Patienten bei der Bewegung, die stets sehr schmerz­haft ist, verschieden. Gewöhnlich ist das Leiden von Fieber begleitet.
In geringeren Graden der Erkrankung geht diese bei passender Be­handlung in Genesung über, meist jedoch mit Hinterlassung der bereits vorhandenen Deformitäten an den Knochen, resp. an den Gelenken. Hatte die Krankheit bereits bedeutendere Fortschritte gemacht, ehe dieselbe zur Behandlung kam, so endet sie gewöhnlich mit dem Tode und zwar ent­weder in Folge von Erschöpfung, oder in Folge der in den Knochen und Gelenken auftretenden Eiterung, resp. der sich entwickelnden Pyolueniie. Oefter erfolgt an einem Gelenke Heilung, während an einem anderen Ge­lenke das Leiden neuerdings hervortritt.
Bei der Section werden die Erscheinungen der Rhachitis und einer aligemeinen Gelenkserkrankung angetroffen; gewöhnlich sind auch meta-statische Abscesse in Lungen und Leber, oder Brust- und Bauchfellentzün­dung und bisweilen Schwellung und Vereiterung von Lymphdrüsen, vor-
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handeu. Die letztere Form der allgemeinen Gelenksentztindung bildet die sogenannte Arthritis scrofulosa.
Einen ganz anderen Charakter besitzt die chronische allgemeine Ge­lenkentzündung bei erwachsenen Thieren. Dieselbe zeigt stets eine osteo-plastische Tendenz und entsteht vorzugsweise in Folge mechanischer Ein­wirkungen; sie kommt, wie es scheint, fast ausschliesslich nur bei Pferden vor.
Die Entstehungsursache ist in der Rpgel eine mechanische, namentlich starke Erschütterungen des Gelenkes, starkes Anprallen der gegenüber stehenden Gelenkknochen auf einander, wie dies z. B. bei plötzlichem und scharfem Pariren aus schnellen Gangarten u. s. w. nicht selten vorkommt. Eine angeborene Anlage begünstigt natürlich die Entstehung fraglicher Gelenkentzündung. So werden Pferde mit wulstigen Gelenken und mit schlaffer Constitution häufiger und leichter von derselben befallen, wie Pferde mit mageren aber starken Gelenken und von straffer Constitution. Die chronische allgemeine Gelenkentzündung hat in der Regel einen so schleichenden Verlauf, dass es nicht immer möglich ist, den Sitz des Leidens im ersten Stadium auszumitteln, obgleich ein mehr oder weniger bedeu­tendes, oft ein intermittirendes Lahmgehen vorhanden ist. Deutlich wahr­nehmbare Entzüudungseischeinungen sind bei der klinischen Untersuchung in der Regel nicht zu constatiren. Erst wenn die Knochenneubildung an der Aussenfläche der Gelenkenden greifbar wird, ist die Diagnose ganz gesichert. Im Laufe der Zeit treten nämlich Wucherungen auf, welche vom Knochen ausgehen und an dessen Oberfläche hervortreten (Exostosen und Osteophyten). Gleichzeitig oder auch schon früher können Knochen-wucherungen den Gelenkknorpel durchbrechen und eine vollständige Ver­schmelzung der articulirenden Gelenkflächen zu Wege bringen. Gelenke, welche längere Zeit an chronischer allgemeiner Entzündung erkrankt waren, zeigen bei der Section im Wesentlichen folgende Erscheinungen. Die spon-giösen Gelenkenden der Epiphysen sind verdickt und entweder verdichtet, so class sie eine bedeutende Härte zeigen, und wenn die Gelenksknorpel ganz geschwunden sind, an den Gelenksflächen einen elfenbeinartigen Glanz besitzen; oder das Knochengewebe ist rareficirt, was z.B. beim Spat an den kleinen Sprunggelenksknochen, namentlich am lt;Os navicularo der Fall zu sein pflegt. Da die Verdickungen der Knochensubstanz und der Schwund der Knorpel niemals gleichmässig stattfinden, so findet man an den Gelenks­flächen Erhöhungen und Vertiefungen, welche mit solchen an der entgegen­stehenden Gelenkfläche ziemlich regelmässig ineinandergreifen. Die Synovial-membran ist verdickt und mit Wucherungen besetzt; auch der Band-
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apparat ist verdickt und von Kuochenneubildungen, welche vorzugsweise vom Periost ausgehen, durchsetzt. Nicht selten kommt es zu bedeutenden Gewebsmicherungen mit theilweiser Ossification in denselben.
Die besonders hei Pferden nicht selten vorkommenden wichtigsten Formen der allgemeinen Gelenkserkrankungen sind:
1)nbsp; die Hufgelenkslahmheit, chronische Hufgelenkentzündung;
2)nbsp; die Kronengelenksentzündung;
3)nbsp; der Spat oder Späth;
4)nbsp; das Kehbein;
5)nbsp; die Knochenhasenhacke;
6)nbsp; die traumatische Vorderfusswurzelentzündung;
7)nbsp; die Gelenkentzündung zwischen je zwei Wirbelkörpern;
8)nbsp; die Gelenkseuche, insofern dieselbe hierhin gezählt werden soll.
Die Bedeutung der meisten dieser Zustände wird nach dem vorhin Gesagten leicht und richtig beurtheilt werden können.
Bezüglich der Gelenkverletzungen sei hier noch bemerkt, dass dieselben stets am heftigsten auftreten, wenn die Synovialmembran gleichzeitig ge­öffnet wurde. Es entwickelt sich dann immer eine Synovitis, die je nach Umständen bald einen geringeren, bald einen höheren (vom niedrigsten bis zum höchsten) Grad erreicht. Sind gleichzeitig Fracturen der Gelenk­knochen und Knorpel mit partieller Losreissung der letzteren, und Extra-vasate in der Gelenkkapsel vorhanden, so werden diese Complicationen den Grad der Synovitis wesentlich steigern. Bei Blutergüssen in die Gelenks­höhle, sowie bei Fracturen der Gelenkenden tritt stets Vereiterung des Gelenkes ein. Die Ausgänge sind demnach sehr verschieden. Bei leichteren Fällen (ohne Complioationen), wo nur eine Synovitis serosa zur Ausbildung kommt, folgt gewöhnlich vollkommene Heilung. Nach einer leichteren Synovitis purulenta bleibt gern Hydrops mit Verdickung der Synovial­membran und partieller Hypertrophie ihrer Fransen für kürzere oder längere Zeit zurück. Nach stärkeren Eiterungsprocessen in der Synovial-haut bildet sich Anchylose des Gelenkes aus.
Bei Behandlung perforirender Gelenksverletzungen hat man vor allen Dingen Sorge zu tragen, dass die Wunde in der Synovialmembran so bald wie möglich geschlossen wird. Man erreicht dies am einfachsten und besten durch fortgesetzte Application kalter Begiessungen, durch Waschungen oder Ueberschläge mit Bleiwasser, in Folge deren die Synovia zum Gerinnen gebracht und die Gelenkwunde bis zur Vernarhung durch einen Thrombus
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geschlossen wird. Coucentrirte Abkochungen von Eichenrinde, Tannin-lösungen und verschiedene andere Mittel sind für diesen Zweck ebenfalls recht brauchbar. Ich ziehe das Bleiwasser wegen seiner Billigkeit und der bequemen Herstellung grosser Quantitäten allen anderen Mitteln vor, weil man es ungenirt als quot;Waschmittel fleissig und reichlich anwenden lassen kann, ohne einen Verband anlegen zu müssen. Selbst wo ein solcher durch Gummibänder haltbar applicirt werden kann, suche ich denselben zu ver­meiden, weil er in der Hegel Einwicklangen der unterhalb gelegenen Partien nöthig macht, um das Entstellen eines starken Oedems zu verhindern. Es wird also durch einen Verband die ganze Technik der Behandlung un-nöthigerweise complicirt. Ist ein fester Thrombus vorhanden, so behandle man die eintretende Synovitis nach den früher angegebenen Regeln.
Die Prognose, resp. der Ausgang ist aussei- von den vorhandenen Coniplicationen auch wesentlich von dem Gelenke mit abhängig, insofern die verschiedenen Körpergelenke die Oeffnung der Synovialmembran keines­wegs gleich gut ertragen. Während z. B. eine derartige Verletzung an der Vorderfusswurzel meist sehr gutartig verläuft, ist die Oeffnung des Sprung­gelenkes, des Kniegelenkes und anderer Gelenke, selbst ohne jede andere Complication, stets eine sehr erhebliche Beschädigung. Im Allgemeinen gilt, dass die Eröffnung kleiner Gelenksäcke unerheblich, die der grossen dagegen gefährlich ist. So z. B. hat eine in die Amphiarthrose des Sprung­gelenkes eindringende einfache Wunde in der Regel keine bedenklichen Folgen, während eine penetrirende. Verletzung des oberen Sprunggelenkes (des Giuglymus-Gelenkes) stets bedeutende Zufälle, unter Umständen sogar Lebensgefahr, nach sich zieht. — Beim Niederstürzen werden au der Vorder-fusswurzel gewöhnlich nur die kleinen Gelenksäcke geöffnet und dann ist die Beschädigung eine für die zukünftige Brauchbarkeit, Heilung etc. wenig bedeutende; wird aber der grosse Gelenksack zwischen Radius und der oberen Reihe der Vorderfusswurzelknochen geöffnet (was glücklicherweise nur selten passirt), so ist die Verletzung keine unerhebliche, sondern mehr oder weniger von bleibendem Nachtheile für die weitere Üiensttüchtigkeit, und unter Umständen sogar gefährlich. Ich habe einmal eine solche Ver­letzung gesehen, in Folge deren eine Anchylose des Gelenkes zwischen Radius und der oberen Reihe der Vorderfusswurzel eintrat, wodurch das früher werthvolle Pferd für jede Dienstverwendung so gut wie ganz un­brauchbar wurde.
Verletzungen des Bandapparates werden nur dann nachtheilig, wenn eine starke Quetschung derselben mit bedeutender Blutung stattgefunden hat, weil dann leicht eine ausgebreitete Verjauchung sich einstellt.
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Neubildungen an den Oelenken.
Die an clem Banclapparate vorkommenden Neubildungen entstellen meist durch Blndegewebsneubildung in der Umgebung des Gelenkes, welche bald laquo;weiche Schalegt;, bald laquo;Gelenksgeschwulst oder Tumor albusgt; genannt wird. (Siehe Seite ?gt;G6.) Diese Bindegewebswucherungen können von kalkigen Ablagerungen durchsetzt werden, die meist als einzelne, kleinere Herde auftreten. Ossification derselben kommen dagegen oft in grosser Ausbreitung vor, namentlich an den Sprung-, Fessel- und Kronengelenken der Pferde.
An der Synovialmembran werden ebenfalls Bindegewebsneubildungen angetroffen, welche oft eine beträchtliche Verdickung der Gelenkkapsel und eine bedeutende Verlängerung und Vermehrung der üelenksfransen be­dingen ; zuweilen ossificiren auch zum Theil die Bindegewebswucherungen der Gelenkskapsel.
Als Gelenksmäuse bezeichnet man entweder bindegewebige oder knöcherne. frei in der Gelenkshöhle liegende Körper. Die ersteren ent­stehen in Folge von Wucherungen an der Synovialmembran. Die Gelenks­fransen wuchern zu ovalen, plattgedrückten, erbsen- bis haselnussgrossen Bindegewebsgeschsvülsten heran, welche erst an einem Stiele hängen, später aber sich ablösen und frei in der Geienkshühle liegen. Die knöchernen Gelenksmäuse gehen aus gestielten Wucherungen des Gelenksknorpels hervor, die allmälig ossificiren und vom Knorpel sich ablösen.
Ausser den uns bereits bekannten Osteophyteu und Exostosen kommen an den Gelenken auch Osteosarcome als Knochenneubildungen vor. Die­selben gehen von der äussereu Fläche der Gelenkenden aus, wuchern in die benachbarten Gewebe hinein und behindern die Bewegung des Gelenkes in hohem Grade, indem sie von einem Knochenende auf ein anderes übergehen.
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III. Abschnitt.
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I
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Ill Abschnitt.
Allgemeine Störungen.
Fieber.
-Laue mit localen Störungen häufig gleichzeitig oder in deren Folge auftretende allgemeine Störung ist das Fieber; ein Zustand, den wir zwar in seinen Erscheinungen, aber nicht in seinem Wesen kennen. Dasselbe ist im Hauptsächlichsten gekennzeichnet durch vermehrten Stoffumsatz und eine daraus resultirende Steigerung der allgemeinen Körper-, resp. Blut­wärme ; ferner in der Mehrzahl der Fälle durch eine grössere Pulsfrequenz, sowie durch Verminderung der Fresslust und durch Steigerung der Sauflust; endlich durch gewisse Veränderungen in den Se- und Excretionen. Zuweilen treten auch nervöse Erscheinungen auf, so namentlich Frostschauer; der­selbe kann indess bei Thieren gänzlich fehlen oder so unbedeutend sein, class er übersehen wird. Das constanteste und am meisten characteristische Symptom des Fiebers ist die erhöhte Körpertemperatur, weshalb ein Thermo­meter für jeden gebildeten Thierarzt heute ein unentbehrliches Instrument ist. Wir müssen hier dem alten Gebrauche, das Vorhandensein von Fieber lediglich auf Grund der vorhandenen Pulsfrequenz constatiren oder negiren zu wollen, auf das entschiedenste entgegentreten, da bei manchen Fiebern die Zahl der Pulse normal oder gar vermindert ist. Wenn es sich um ein sicheres Urtheil über Vorhandensein oder Fehlen von Fieber handelt, so kann dies in manchen Fällen einzig auf Grund sorgfältig vorgenommener Temperaturmessungen abgegeben werden. Temperatursteigerung fehlt bei Fiebern nie und ist schon im Stadium der Vorboten, vorhanden; auch
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bestellt sie in allen genommen, fort.
übrigen Stadien, das Froststadium keineswegs aus-
über
die äusseren Körpertheile ist eine ungleiche und
Die Vertheilung der Temperatur namentlich an den Extremitäten der Thiere
wechselnde, so dass besonders die Ohren und Beine — und bei gehörnten Thieren auch die Höraer — in dieser Beziehung oft recht variable Ver­schiedenheiten zeigen. Dieselben können begründet sein:
1)nbsp; nbsp;in ungleicher quot;Wanneproduction der einzelnen Körpertheile;
2)nbsp; nbsp;in ungleicher Abkühlung der betreffenden peripherischen Stellen, namentlich gegenüber einer Wärmezunahme in einzelnen inneren Theilen;
3)nbsp; nbsp;vorzüglich in einer Verschiedenheit der Gefässfüllung.
In Folge des Eintiusses der erhöhten Bluttemperatur auf die Herz­ganglien und das Herz selbst, theils durch Lähmung des Hemmungsnerven des Herzens, des N. vagus, bestellt zwar gewöhnlich gleichzeitig eine ver­mehrte Pulsfrequenz, welche im Allgemeinen zu dem Grade des Fiebers in directem Verhältnisse steht; dieselbe ist aber keineswegs ein pathogno-monisches Symptom des Fiebers, noch weniger aber ein sicheres Mittel, um den Grad desselben zu bestimmen.
Bei Untersuchungen auf Fieber darf man nicht vergessen, dass die Körpertemperatur, selbst unter normalen Verhältnissen, nicht immer gleich, oder besser gesagt, von gewissen normalen Einwirkungen auf den Orga­nismus nicht unbeeinflusst bleibt. So z. B. sehen wir dies'elbe während der Verdauung um 0,3 bis 0,4deg; C. steigen, während äussere Abkühlungen, sowie Kaltwasserklystiere dieselbe herabsetzen. Auch Geschlecht, Alter und Tageszeit haben einen gewissen Eintiuss; so zeigen weibliche und junge Thiere im Allgemeinen eine höhere Temperatur als männliche und ältere; die Abendtemperatur ist beim Pferde meist um etwa 0,2deg; C. geringer, als die Morgentemperatur (zu beiden Tageszeiten um 6 Uhr gemessen). Ebenso haben die Verschiedenheit der zoologischen Species und wohl jeden­falls auch der Ernährungszustand einen gewissen Einfluss auf den Grad der Temperatur und endlich sind auch Bewegung und die äussere Um­gebung der Thiere, sowie verschiedene andere Umstände keineswegs absolut gleichgültige Dinge (siehe Rosen thai, Wärme) für die innere Körperwärme derselben.
Die normale mittlere Blutwärme beträgt nach W. Richardson beim Pferde 37,7deg;, beim Rindvieh 38,2deg;, beim Schweine und Hunde 38,8deg;, beim Kaninchen 39,4deg; und beim Geflügel 42,2deg; Celsius. Schwankungen, welche
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1deg; über oder unter dieser mittleren Temperatur liegen, werden noch als normal angesehen; gehen dieselben mehr als 1deg; über dieselbe hinaus, so gilt dies als ein Zeichen des Fiebers. Die gesteigerte Körpertemperatur gibt nicht nur das einzige pathognomonisclie Symptom, sondern auch den einzig sicheren Massstab für den Grad des Fiebers ab.
Die Quelle der gesteigerten Körpertemperatur, resp. der Fieberhitze, ist die der thierischen Wärme überhaupt. Bei Fiebern mehrt sich die Verbrennung der Körperbestandtheile nicht nur in dem etwa ursprünglich afficirten Organe, sondern allerorts in dem fieberkranken Organismus. Zunächst liefern vorzugsweise die Fette das Material für die be?chleunigte Verbrennung. Die schnelle Abmagerung fieberkranker Thiere ist keineswegs durch die meist vorhandenen Verdauungsstörungen allein bedingt, sondern ganz vorzugsweise die Folge des bei allen Fiebern allgemein gesteigerten Verbrennungsprocesses.
Die Temperatursteigerung bei Fiebern ist zum Theil auch noch von anderen, allerdings mehr untergeordneten Factoren abhängig. So lange nämlich die äussere Haut im Zustande der Contraction sich befindet, trocken, gleichviel ob warm oder kalt sich anfühlt, muss sich die Wärme im Inneren des Körpers mehr anhäufen, weil durch die contrahirten Gewebe der Haut die Ausstrahlung der Wärme beeinträchtigt wird. Erst wenn eine Ilelaxation des Hautgewebes und damit der sogenannte kritische Schweiss erscheint, wird durch Verdunstung von Flüssigkeit und durch vermehrte Ausstrahlung von Wärme an der Körperoberfläche mehr Wärme nach aussen abgegeben, als im Innern frei wird; die natürliche Folge des kritischen Schweisses ist demnach das Sinken der allgemeinen Körper­temperatur.
Die sogenannten kalten Schweisse, welche in prognostischer Beziehung von den kritischen Schweissen sorgfältigst zu unterscheiden sind, entstehen in Folge einer erheblich gestörten Innervation der äusseren Haut und der Lähmung ihrer Capillaren; sie deuten meist auf ein sehr bedeutendes Allgemeinleiden und auf das nahe bevorstehende Lebensende. Bei kritischen Schweissen hat hingegen die gesteigerte Perspiration neben der abkühlenden, die allgemeine Körpertemperatur (Fieberhitze) vermindernden Wirkung, auch eine depuratorische Bedeutung für das Blut; kritische Schweisse wirken dadurch im Allgemeinen günstig auf den weiteren Verlauf des fieberhaften Leidens ein und sind deshalb in der Picgel als die Vorläufer der beginnenden Besserung zu betrachten.
Die gewöhnlich vorhandene Abnahme der Fresslust hat in der Regel ihren Grund in dem mit Fiebern meistentheils verbundenen Magendarm-
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katarrhe, während die Steigerung der Sauflust die einfache Folge der Eintrockiuuig der Schleimhaut der Mund- und Rachenhühle zu sein scheint.
Die Frage über die ursächlichen Momente des Fiebers ist bis jetzt noch keineswegs definitiv beantwortet; dieselbe kann an der Hand cellular-pathologischer Deductionen. zur Zeit wenigstens, nicht befriedigend gelöst werden. In Folge dessen wird auf diesem Gebiete der alte Kampf zwischen Humoral- und Solidar-. resp. Neuro-Pathologen, mit Heftigkeit weiter geführt.
Zunächst stehen sich folgende zwei Ansichten gegenüber:
Nach der einen Ansicht ist die Fieberhitze die Folge einer verminderten Wärmeabgabe des fieberkranken Körpers; nach der anderen Ansicht ist sie die Folge einer gesteigerten Wärmeproductiou.
Wir haben vorhin bereits bemerkt, dass beide Factoren (also weder der eine, noch der andere ausschliesslich) hierbei eine Holle spielen. Die gesteigerte Wärmeproductiou ist sowohl durch chemische, als auch durch calorimetrische Untersuchungen, ferner durch Wägungen auch die schnelle Abmagerung fieberkranker Thiere ziemlich sicher festgestellt. Die Ver­brennungsprodukte des Thierkürpers, laquo;Harnstoff, Harnsäure. Kohlensäure), werden während des Fiebers in grösserer Menge erzeugt und ausgeschieden. Ueber die Temperatursteigerung von Fiebern in Folge verminderter Wärme­abgabe nach aussen haben wir bereits oben gesprochen.
Wie die Steigerung der Verbrennung der Körperbestandtheile nicht nur an einer Stelle, sondern ganz allgemein in dem fieberkranken Or­ganismus zu Stande kommt, ist eine zur Zeit noch nicht befriedigend beantwortete Frage.
Mit der alten Schule eine Anhäufung von Brennmaterial im Körper, eine vermehrte Plasticität des Blutes anzunehmen, hat.keinen Werth; eine solche Anhäufung bedingt an und für sich noch keine gesteigerte Ver­brennung, weil sonst nach jeder Mahlzeit eine bedeutendere Temperatur­steigerung , resp. Fieber eintreten raüsste. , Man glaubt deshalb, dass die fiebererregenden Ursachen den ersten Angriff auf die Regulatoren des Stoffwechsels, d. h. auf die Xervencentren machen und kann demnach die Beschleunigung des Stoffumsatzes auf zwei verschiedenen Wegen zu Stande kommend sicli denken, und zwar durch Reizung der Erreger oder durch Depression der Moderatoren des Stoffwechsels. Somit sollte denn sowohl in Folge einer erhöhten, als auch in Folge einer verminderten Innervation eine Temperätursteigerung eintreten können. Dies trifft jedoch keineswegs immer zu: so sehen wir. dass die grössten Erregungen gewisser Gebilde,
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wie z. B. die der Muskeln beim Tetanus universalis, anfangs ohne Tem-peratursteigerung bestehen, während diese bei fieberhaften Krankheiten von dem ersten Frostanfalle an vorhanden ist.
Nach O.Weber ist der Fieberfrost die Folge einer Reizung des Sym-pathicus, von welcher der Krampf der kleinsten Gefässe, namentlich der­jenigen der Hautoberfläche, wie der Krampf sämmtlicher organischer Haut­muskeln abhängt; der dadurch bedingten Ammnie der äusseren Haut entspricht die Anhäufung des Blutes in den inneren Organen und seine zum Theil durch die verminderte Wärmeabgabe mit bedingte Temperatur­steigerung, sowie die hiervon abhängigen Symptome des Unbehagens, der Unruhe u. s. w. Auch die Erscheinungen im Bereiche des Vagus, besonders die in der Kegel gesteigerte Thätigkeit des Herzens, ferner die gastrischen Störungen deuten auf die frühe Betheiligung des Nervensystems hin. Dass die Fieber erregenden Stoffe den Stoffwechsel direct wie Fermente fördern und als wichtige Erreger für das Centralnervensystem (besonders der Ge­fässe) wirken, unterliegt keinem Zweifel.
Wo ein local gesteigerter Verbrennungsprocess im Körper vorhanden, d. h. dein Fieber vorausgegangen ist, könnte man die allgemeine Tem-peratursteigerung der gesammten Blutmenge von dem lokalen Processe abhängig sich denken. Entzündungs- oder hyperümische Heerde produciren aber nie. so grosse Wärmequantitäten, dass die normalen Abflusswege zur Ausgleichung nicht ausreichen sollten. Nur wenn die Wärmeabgabe krank­haft vermindert ist, kann die locale Steigerung des Verbrennungsprocesses etwas zur Steigerung der allgemeinen Körpertemperatur beitragen. Immerhin bleibt aber zu berücksichtigen, dass der locale Heerd zur gesammten Körpermasse in der Regel in einem so untergeordneten Verhältnisse steht, dass die in demselben gesteigerte Verbrennung zur Erhöhung der Gesammt-temperatur des Körpers nicht wesentlich beitragen kann. Ausserdem lässt sich die Fieberhitze im Allgemeinen nicht auf solche locale Processe zurück­führen,, da wir gerade bei den heftigsten Fiebern, z. B. bei Infections-krankheiten in der Regel dann die Fieberhitze einen hohen Grad erreichen sehen, wenn die Fiebererscheinungen den localen Symptomen vorangehen, während umgekehrt die Fiebererscheinungen, namentlich die Temperatur­steigerung des Blutes überhaupt, nur massig auftreten, wenn dieselben den Localstörungen folgen.
Viele Untersuchungen und klinische Erfahrungen sprechen dafür,nbsp; nbsp;dass die gesteigerte Oxydation der Körperbestandtheile durch Substanzennbsp; ver­ursacht wird, welche entweder im Organismus selbst gebildet wordennbsp; oder von aussen in denselben gelangt sind. Solche Substanzen nenntnbsp; nbsp;man
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i pyrogene gt;. Wir wollen hier die wichtigsten Ergebnisse neuerer Forschungen auf diesem Gebiete kurz zusammenstellen.
Blut von Thieren, welche an Entzündungen leiden, sowie die Säfte aus entzündeten Organen erzeugen bei anderen Thieren, wenn es diesen auch nur in geringer Menge injicirt wird, sofort eine ansehnliche Steigerung der Temperatur. Billroth und 0. Weber haben unabhängig von einander nachgewiesen, dass nicht blos gewisse in faulenden Körpertheilen sich bildende Zersetzungsproducte (wie Schwefelwasserstoff, Schwefelaimnonium, Leucin u. A.) so gut wie faules Blut- und Eiter-Serum Fieber erregende Eigenschaften besitzen, sobald sie in das Blut gelangen, sondern dass auch frischer Eiter und Eiterserum, die noch keine Spur von Fäulniss zeigen, sowie lange eingetrockneter Eiter ebenso wirkt. Ganz gleich verhält sich Blut von Thieren, welche zufolge Einspritzungen von Eiter oder von fauligen Substanzen fiebern, als pyrogenes Ferment (desgleichen Aufgüsse von faulen Pflanzenstoffen). Die Höhe des Fiebers ist (zum grossen Theile) von der Quantität des aufgenommenen pyrogenen Stoffes abhängig. Hieraus erklärt sich, weshalb die Temperatursteigerung bei Peritonitis häufig eine so be­deutende ist, da zufolge der offenen Mündungen der Lymphgefasse in die Bauchhöhle die Aufnahme pyrogener Stoffe aus dieser schnell und leicht erfolgt.
Nach VIrchow's und 0. Weber's Versuchen ist es kaum zweifelhaft, dass das durch die Aufnahme entzündlicher Producte vergiftete Blut nicht allein Fieber erregend, sondern auch Entzündung erregend zu wirken ver­mag Entzündungen der Darmschleimhaut erreichen gerade bei Thieren, die an Wundfieber leiden, nicht selten sehr hohe Grade (auch beim Menschen fehlen sie nie ganz).
Es ist nicht zu leugnen, dass die Mischungsverhältnisse des Blutes auch während des Fiebers und durch dasselbe verändert werden können, indem normale Blutbestandtheile entweder in zu grosser Menge erzeugt und dem Blute beigemengt, oder in zu grosser Menge ausgeschieden werden, oder indem fremdartige Stoffe, welche durch den gesteigerten Verbrennungs-process erzeugt worden (pyrogen) sind, dem Blute beigemengt werden.
Die vermehrten Ausscheidungen haben für das Blut in der Regel eine depuratorische Bedeutung. Werden indess die excretionellen Substanzen in andere Organe, als die zu ihrer Ausscheidung geeigneten, abgelagert, so findet eine Ernährungsstörung dieser, eine sogenannte laquo;Metastaseraquo; statt. Dieselbe kann verschiedene Folgen, wie z. B. Entzündung mit ihren Aus­gängen, Degeneration, Embolie u. s. w. mit sich führen. Auch diese können für die Krankheit selbst eine kritische Bedeutung haben. Dies ist z. B.
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der Fall bei den exanthematischen Fiebern, bei welchen mit Eruption des Hautleidens eine quot;Verminderimg der Fiebererscheinungen in der Regel ver­bunden ist. Wo dies nicht geschieht, da hat die Metastase keine kritische, sondern nur eine sympathische oder symptomatische Bedeutung. Die Localisation stellt dann eine Complication dar, die ihrerseits zu neuen Störungen führen kann.
Die Ausgleichung der fieberhaften Störungen erfolgt auf denselben Wegen, auf welchen die Mitleidenschaft der Nervencentren und anderweitige secundäre Affectionen zu Staude gekommen sind, nur ist die Pachtung eine umgekehrte.
Nach der altgriechischen Humoralpathologie sollte der in's Blut gelangte iiebererregende Stoff, die laquo;Materia peccansjraquo;, durch das Fieber, laquo;die Kochunggt;, derartige Umsetzungen erleiden, dass sie durch die Krisen als laquo;Materia coctagt; ausgeschieden werden könne, während sie im rohen Zu­stande als laquo;Cruditas oder Acrimoniagt; hierzu nicht geeignet sei, und durch diese Ausscheidung sollte die Genesung herbeigeführt werden. Man sah mithin die kritischen Entleerungen als die Ursache der Genesung an.
In der Krise ist indess eine zweckmässige Aeusserung der Natur­heilkraft eben so wenig zu erkennen, wie in dem Fieber selbst; beide sind eine nothwendige Folge gewisser, noch wenig gekannter Verhältnisse und müssen in allen Fällen zu Stande kommen, in welchen die krankmachende Potenz nicht zu heftig und anhaltend wirkt, oder nicht zu häufig wieder­kehrt, oder wo nicht so erhebliche allgemeine Nutritionsstörungen in den Sekretionsorganen selbst herbeigeführt worden sind, dass eine Ausgleichung und eine Wiederherstellung der normalen Ernährungsvorgänge unmöglich geworden ist.
Der Typus fieberhafter Krankheiten ist im Allgemeinen ein verschie­dener, je nachdem deutliche Remissionen und Exacerbationen in den Er­scheinungen auftreten oder fehlen; im ersteren Falle nennt man das Fieber ein laquo;nachlassendes, febris remittensraquo; , im letzteren Falle ein laquo;anhaltendes, febris continuaraquo;. Streng genommen gibt es kein absolut anhaltendes Fieber, da bei genauer Controle Remissionen stets wahrgenommen werden.
Zeigen sich bei länger fortbestehenden fieberhaften Krankheiten gewisse unerhebliche Schwankungen in dem Grade der Fiebererscheinungen, so bezeichnet man das Fieber als ein laquo;anhaltend-nachlassendes, febris continua remittensgt;; treten keine wahrnehmbaren Remissionen ein, so bezeichnet man das Fieber als ein laquo;fortwährend anhaltendes, febris continua continensraquo;. Treten die erwähnten Schwankungen mit einer gewissen Regelmässigkeit auf, so sagt man: das Fieber habe einen bestimmten Typus. Dem ent-
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gegen zeigen laquo;atypische? Fieber einen unregelmassigen Wechsel in den Er­scheinungen und in dem Grade derselben.
laquo;Intermittirendgt; wird ein Fieber dann genannt, wenn alle Fiebererschei-nungen eine Zeit lang gänzlicli zurücktreten. Kehrt das Fieber täglich wieder, so hat es einen eintägigen Typus (Quotidianfieber, laquo;Typus quoti-dianus)gt;; vergehen zwischen je zwei aufeinander folgenden Fieberauf allen bis zu 36 Stunden, so heisst das Fieber eine lt;Tertianagt;, weil die Anfälle am dritten Tage wiederkehren; bleiben diese 48 bis 60 Stunden aus, so wird das Fieber laquo;Quartana (Quartanfieber)raquo; genannt, da die Anfälle am vierten Tage wiederkehren. Länger als drei Tage andauernde Inter-missionen sind bis jetzt noch nicht beobachtet worden. Ueberhaupt aber ist es noch fraglich, ob wirklich intermittirende Fieber, aussei- bei Hunden, bei unseren Hausthieren vorkommen; überdiess haben dieselben für die Vetermärchirurgie kein besonderes Interesse. Die bei den Wundfiebern, besonders bei der Pysemie, nicht selten vorkommenden Intermissionen treten in unregelmässiger Weise auf und sind stets von neuen Localstörungen abhängig, können folglich nicht dem eigentlichen Wechselfieber zugezählt werden. Zwar ist auch bei diesen die Dauer der fieberfreien Zeit, laquo;Apy-rexie gt; nicht immer gleich lang., so dass der Paroxysmus nicht immer zur gleichen Tagesstunde oder nach gleich viel Stunden sich einstellt. Geschieht #9632; dies aber, so ist der Typus ein fixer. laquo;Typus fixusraquo;, im Gegensatze zum laquo;Typus mobilisraquo;, bei welchem die Wiederkehr des Paroxysmus eine wechselnde ist. Verkürzt sich die fieberfreie Zeit um eine oder mehrere Stunden, so bezeichnet man den Typus als einen vorsetzenden laquo;Typus anteponensgt;; verlängert sie sich hingegen, so nennt man den Typus nach­setzend laquo;Typus postponensj. Fieber mit diesem Typus gehen in derBegel bald in Genesung, solche mit vorsetzendem Typus in ein anhaltend nach­lassendes Fieber über.
Die Ursachen der Intermissionen sind nicht näher gekannt. Uns sollen hier auch nur diejenigen Verhältnisse eingehender beschäftigen, welche sich auf die für die Chirurgie besonders wichtigen Fieber beziehen. Es sind dies die Wundfieber und die septischen Fieber.
Fieber, welches in Folge von Körperverletzungen entsteht, wird ent­weder durch die Aufnahme von pyrogenen Entzündungsproducten oder von zerfallenen (mortificirtenj Gewebsmassen in das Blut bedingt. Früher wurde allgemein zwischen Wundfieber, Pyamiie, Eiterfieber, Septicsemie und Faul­fieber streng unterschieden. In neuerer Zeit werden diese Zustände vielfach für wesentlich gleich und nur graduell für verschieden gehalten. Ob in
Piede stehende Identificirung eine wirklich berechtigte ist.
erscheint min-
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destens gegenwärtig noch zweifelhaft. Jedenfalls wird man gut thun, vor­läufig für die klinischen Zwecke zwischen Pygeraie und Septieaemie zu unterscheiden, wenngleich Virchow vorgeschlagen hat, den Begriff der Pygemie fallen zu lassen und denselben in die Begriffe der Ichorluemie (Jauchevergiftung) und der Embolie aufzulösen. Die übereinstimmenden Ergebnisse der bezüglichen Versuche von Billroth und O. Weber, wo­nach gerade frischer, noch warmer, ganz geruchloser und durch Filtriren von Gerinnseln befreiter Eiter die stärkste Fiebersteigerung hervorruft, scheinen mir geeignet, zur Vorsicht auf diesem Gebiete zu malmen. Viel-% leicht mag es auch vorkommen, dass Eiter zuweilen ohne weitere Folgen, besonders ohne dass Fieber entsteht, resorbirt wird. (Vergl. Seite 57. a die Eiterresorption.)
Allein in solchen Fällen dürfte es sich stets um einen durch Fett-metamovphose bereits verwandelten Eiter handeln. Billroth hat nämlich gefunden, dass dünner, schon längere Zeit in Congestionsabscesseu ver­haltener und veränderter Eiter die Fieber erregende Kraft in viel gerin­gerem Grade besitzt, als frischer. Wir wollen deshalb den Begriff der Pyannie insoweit festhalten, als wir Fieber, welche durch das Eindringen von Eiterkörperchen in die Circulation hervorgerufen werden, als pyämische bezeichnen. Dieselben sind durch die metastatischen Eiterungen auch klinisch hinlänglich characterisirt. Pyseuüe und Septicamiie mit einander zu identiticiren. wie Klebs vorgeschlagen hat, scheint mir nach den bis jetzt bekannten Versuchsresultaten unzulässig zu sein.
Die Frage nach der Qualität des putriden Giftes ist noch keineswegs entscheidend gelöst. Nach den in Dorpat angestellten Versuchen glaubte man vor einigen Jahren die putride Substanz krystallinisch dargestellt zu haben. Schmiedeberg fand aber bald, dass dieser von ihm laquo;Sepsingt; genannte Körper nicht selbst die septische Wirkung erzeuge, sich in dieser Hinsicht vielmehr indifferent verhalte, und dass der frühere Irrthum durch Verunreinigung des gewonnenen Crystalles verursacht worden sei.
Gegenwärtig hat die Hypothese der parasitären Natur des septischen Giftes die meisten Anhänger. Bergmann in Dorpat hat gefunden, dass sich beim Gefrieren faulender Flüssigkeiten zwei Schichten bilden, deren untere micrococcenhaltig ist und septische Wirkungen erzeugt, welche der oberen micrococcenfreien Schicht fehlen.
Die Frage nach der Natur der die Sepsis beherrschenden Factoren bildet gegenwärtig einen Hauptgegenstand der wissenschaftlichen Forschung. LTnter vielen Anderen hat -auch Klebs mit derselben sich eingehender beschäftigt. Mit einer aus der entzündeten Lunge eines Septieseniischen
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stammenden, fast nur aus Sporenlager bestehenden breiigen Substanz liess er vor einigen Jahren in hiesigem pathologischen Institute Versuche an­stellen , in Folge deren er sich in einem gewissen Sinne zu Gunsten der parasitären Natur des septischen Giftes entschieden hat. Den betreffenden Pilz hat er laquo;Microsporon septicumraquo; genannt.
So viele Gründe auch für die organische Natur des septischen Giftes sprechen mögen, so lassen sich doch auch gegen dieselbe sehr erhebliche Einwendungen machen, die nicht ohne Weiteres von der Hand gewiesen werden können. Es sind dies im Wesentlichen folgende:
Während bei organischen Giften in der Regel minirne Quantitäten ausreichen, um eine Infection zu bewirken, tritt nach Infusionen des septi­schen Giftes,' je nach der einverleibten Quantität, eine bald mehr, bald weniger heftige, bald gar keine Wirkung ein. Die Intensität derselben steht in geradem Verhältnisse zur Menge des injicivten septischen Giftes, so dass eine ganze Reihe von Störungen dadurch in verschiedenen Abstufungen bedingt wird, je nachdem eine grössere oder geringere Menge Sepsin in das Blut gelangte.
Nach Bergmann bewirken zwei Drittel der tödtlichen Dosis oft Tage lang andauernde Durchfälle mit üusserster Consumption des sich langsam wieder erholenden Thieres; die Hälfte ruft nur rasch vorübergehende Diarrhöe, die nicht einmal immer die fäculente Beschaffenheit verliert, hervor; ein Drittel erzeugt blos Tenesmen ohne Ausleerungen ; eine noch geringere Dosis lässt allein die Temperatur ansteigen, das Athmen frequent werden und einige Würgbewegungen folgen, im Uebrigen bleibt das Thier gesund. Ein Zwölftel der tödtlichen Gabe bedingt in der Regel gar keine erkennbare Wirkung.
Wenn man nun auch die Schlüsse anerkennen wollte, welche aus den unter Klebs Leitung von E. Tiegel im hiesigen pathologischen Institute vor einigen Jahren angestellten Versuchen gezogen worden sind, laquo;dass die durch Thouzellen nicht passirenden Bacterien durch ihren Lebensprocess das septische Gift erzeugen, während die dem Thierkörper einverleibten Mikrosporen selbst durch unausgesetzte Erzeugung dieses Giftes ein lethal endendes Fieber hervorrufengt;, so lassen sich damit die von Bergmann angeführten Thatsachen doch nicht in Einklang bringen. Dass mit Ver­minderung der Gabe das septische Gift seine Gefährlichkeit und Wirksamkeit allmälig ganz verliert, scheint zu Gunsten seiner anorganischen Natur zu sprechen, da organische Gifte gerade dadurch sich characterisiren, class sie, in Folge ihres Vermögens sich im Thierkörper vermehren zu können, selbst in minimen Quantitäten schliesslich die Wirkung grösserer Gaben erzeugen.
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Um ein leicht greifbares Beispiel hier anzuführen, erinnere ich daran, däss eine einzige befruchtete weibliche Krätzmilbe die Kaude ebenso, wenn auch in etwas langsamerer Verbreitung, zu verursachen im Stande ist, als deren 10 oder 20 und noch mehr. Man sollte demnach glauben, dass niedrigere Organismen, deren Vermehrung bekanntlich eine erstaunliche zu sein pflegt, selbst in kleinster Menge eine spezifische Wirkung hervorrufen müssten-, wenn man nicht annimmt, dass dieselben im lebenden Thierkörper aussei- Stande sind, sich vermehren zu können. Somit ist der Beweis noch nicht geliefert, dass der laquo;Sepsingt; genannte Stoff organischer Natur sei. — Nach der Untersuchung Kehr er's (üeber das putride Gift, Archiv für experimentelle Pathologie und Pharmacologie, 1874, Band II, Heft I, Seite 33 bis 61) ist es noch fraglich, ob derselbe ein einfacher Körper oder ein Complex von Stoffen ist; ob derselbe eine bestimmte chemische Constitution hat, ob letztere nicht in den Einzelfällen verschieden, vielleicht einem fortwährenden Wechsel unterworfen ist.raquo;
Hiermit stehen die Angaben Bergmaim's zum Theil im Wider­spruch; derselbe sagt (siehe Deutsche Zeitschrift für Chirurgie, Band I, Seite 373 bis 398), dass alle faulende Flüssigkeiten, wenn in denselben nicht anderweitige giftige Substanzen enthalten sind, bei Infusion in's Blut in gleicher Weise wirken. Es sind Lösungen der verschiedensten thierischen und pflanzlichen Substanzen der Fäulniss überlassen und hinsichtlich ihrer Wirkung geprüft worden. Falls die Lösungen gut filtrirt waren, trat aus­nahmslos, gleichgültig ob sie alkalisch oder sauer reagirten, dieselbe Reihe von Störungen ein, welche ältere wie neuere Beobachtungen geschildert haben. Demnach wäre man berechtigt, aus den gleichen Wirkungen auf ein und dieselbe Ursache zu schliessen.
Ueber die Vermittlung der Aufnahme des Sepsins in den thierischen Körper sind die Autoreij eben so wenig einig. Billroth glaubt dass die flebererregenden Substanzen aus Entzüudungsheerden vorzugsweise durch Lymphgefässe aufgesogen werden; 0. Weber hingegen ist eher geneigt, eine Aufnahme desselben durch die Wände der Blutgefässe anzunehmen, und zwar deshalb, weil die Wirkung so schnell eintritt.
Indem wir die Lösung dieser verschiedenen wichtigen Fragen weiteren Forschungen anheimgeben, wollen wir hier nur noch die Erscheinungen kurz zusammenstellen, welche nach der Injection entsprechender Mengen einer putriden Flüssigkeit eintreten. Wir folgen den bezüglichen Angaben Bergmann's.
Schon während der Injection werden die Thiere unruhig. In kürzester Zeit folgen Brechbewegungen und Erbrechen. Die Respiration wird frequent.
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desgleichen der Herzschlag beschleunigt und die Körpertemperatur steigt. Unter sichtbaren Tenesmen werden anfangs fäculente, dann flüssige, dunkel und blutig gefärbte Massen abgesetzt. Die Sklera wird ikterisch gefärbt, die Temperatur bleibt hoch und die Durchfälle werden immer profuser, bis das Thier verendet. Sowie sich diese Störungen in rascher Aufeinander­folge entwickeln, gehen die Versuchsthiere immer zu Grunde und ihre Sektion zeigt regelmässig dasselbe Bild. Die Schleimhaut des ganzen Darm-tractus ist intensiv geröthet, die Dannlichtung mit flüssigen, rosarothen Massen erfüllt, das Epithel in kleineren und grösseren Fetzen abgestossen. Vorzugsweise afficirt sind der Pylorustheil des Magens, das Duodenum und das Ccecum. Der Kamm der Quer- wie Längsfeiten des Darmes ist am stärksten verfärbt und von Extravasaten durchsetzt. Die Mesenterialgefässe sind strotzend gefüllt, desgleichen die Vasa vasorum der grossen Gefäss-stämme, zumal der Aorta. In der Milz finden sich Infarcte und unter dem Endocardium des linken Ventrikels. sehr oft auch unter dein Pericardium, der Pleura und dem Peritonaeum Ekchymosen.
Die Störungen. welche nach Infusion faulender Flüssigkeiten in die Venen sich entwickeln, sind nicht dieselben, wie bei Injection in das Unter­hautbindegewebe; hier bewirken sie keine anderen Störungen, als die einer acuten Phlegmone, welclie bald bis zum Tode fortschreitet, bald sich begrenzt und dann nach Durchbmch eines oder mehrerer Abscesse rasch ausheilt.
In den Magen können grosse Dosen faulender Flüssigkeiten gebracht werden, ohne das Allgemeinbefinden der Versuchsthiere sichtbar zu alte-riren. Bei Thieren, welche leicht zum Erbrechen geneigt sind, wie Hunde und Katzen, werden die mittelst der Schlundsonde eingeführten Massen rasch erbrochen, Kaninchen und Pferde reagiren in keiner Weise auf die­selben.
Wir kehren jetzt zu den klinischen Allgemeinerkrankungen nach Körperverletzungen zurück. Bei unseren Hausthieren kommen Wundfieber in der Piegel nur nach erheblicheren Körperverletzungen vor, und zwar vorzugsweise bei besonders reizbaren Individuen. Bei wenig reizbaren Thieren können selbst erhebliche Verwundungen ohne jede fieberhafte Pieaction verlaufen. Dieselbe pflegt, wo sie eintritt, in der Regel innerhalb der ersten 24 Stunden sich zu entwickeln, kann jedoch auch erst später sich einstellen. Neben allgemeiner Abgeschlagenheit, verminderter Fresslust, gesteigertem Durste, Zittern, Kälte der Körperoherfläche , namentlich der Extremitäten (Froststadium), die mit erhöhter Wärme (Fieberhitze) wechselt, sind die Qualität und Quantität des Pulses, sowie besonders die innere Körpertemperatur zu beachten.
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Nach den bisherigen Resultaten der mit fauligen Flüssigkeiten ange­stellten Versuche ist man ziemlich allgemein geneigt, das einfache Wund­fieber als eine leichte putride Intoxication, als eine laquo;septische Febriculagt; anzusehen.
Die Prognose des einfachen Wundfiebers, wie ?s bei sonst gesunden Individuen aufzutreten ptiegt. gestaltet sich im Allgemeinen ziemlich günstig. Hierin stimmt dasselbe überein mit dem fieberhaften Zustande, der nach Infusion entsprechend geringer Mengen Sepsins in den Blutstrom entsteht.
Die Therapie wird vorzugsweise für eine entsprechende Behandlung der Wunde zu sorgen haben. Behinderung des Fäulnissprocesses an den Wund­flächen und der Aufnahme der Predücte desselben in's Blut bilden die Hauptindicationen. Reinhalten der Wunde, öfteres Befeuchten derselben mit antiseptisclien Mitteln, reine, frische Luft neben einer entsprechenden Diät werden in der Regel ausreichen, um das Fieber bald zum Verschwinden zu bringen. Die in neuerer Zeit in Leipzig versuchte Salicylsäure scheint als Antisepticum der Pheuylsäure, dem Chlor und anderen Mitteln nicht nachzustehen, w'eshalb dieselbe weiter versucht zu werden verdient.
Innerlich mögen besonders bei heruntergekommenen Thieren die robo-rirenden Mittel, China, Eisen, Natrum subsulphurosum u. s. w. unter um­ständen als brauchbare Antifebrilia eine geeignete Anwendung finden können.
Als laquo;sepiisches Fieber, Septhasmie oder Septicsemiegt; werden schwerere Allgemeincrkrankungen bezeichnet, welche der Aufnahme putrider Stoffe in die Circulation folgen und leicht den Tod des Patienten nach sich ziehen. Die Fiebererscheinungen treten plötzlich hervor und erreichen schnell einen hoben Grad; dies gilt namentlich auch in Bezug auf die Abstumpfung und Hinfälligkeit des betreffenden Thieres. Das Blut befindet sich in'einem Zustande der Dissolution, indem sowohl die Sekrete durch aufgelösten Blutfarbestoff geröthet erscheinen, als auch das Blut bei der Section, oder während des Fiebers aus der Ader gelassen, nur unvollkommen #9632;oder gar nicht gerinnt und von theerähnheher Beschaffenheit ist. Der Puls ist gewöhnlich sehr beschleunigt, klein und schwach, die Respiration er­schwert, jedoch nur selten sehr beschleunigt; in den höheren Graden des Fiebers ist der Urin zuweilen röthlieh, der Koth weich, mitunter ist blutige Diarrhöe vorhanden. An verschiedenen Körperstellen, namentlich im sub-cutanen Bindegewebe, bilden sich metastatische Ablagerungen, die einen putriden Charakter haben; auch in inneren Organen können metastatische
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Heerde sich bilden und je nach dem betroffenen Organe verschiedene Erscheinungen bedingen.
Der Verlauf der Krankheit ist meist ein acuter; er kann aber auch ein weniger acuter sein, indem die Säfteverderbniss laugsamer zunimmt. Wo keine Ablagerungen, namentlich in äussere Körpertheile zu Stande kommen, da pflegen die Fiebererscheinungen, besonders die Abgeschlagen­heit und der Verfall der Kräfte schneller sich zu steigern, als wenn solche Metastasen sich bilden; betreffen diese indess innere Organe, so können sie, wie leicht begreiflich ist, den Eintritt des Todes wesentlich beschleunigen.
Die Cadaver an Septicämie verendeter Thiere gehen schnell in Fäulniss über, so dass dieselben häufig schon kurze Zeit nach dem Tode durch Fäulnissgase stark aufgetrieben sind. Bei starker Spannung dieser in der Bauchhöhle wird das Rectum nach aussen hervorgepresst und bietet ein blutrünstiges Aussehen. Aus den natürlichen Körperöffuungen. namentlich aus den Nasenlöchern, fliesst nicht selten ein röthliches Blutserum und aus den beim Abhäuten des Cadavers durchschnittenen Gefässen schmierig flüssiges Blut aus. Dasselbe röthet sich beim Luftzutritte nur wenig oder gar nicht, weil die Blutkörperchen das Vermögen verloren haben, den Sauerstoff der Luft sich anzueignen.
Die Körpergewebe sind an verschiedenen Stellen mit blutigem Serum infiltrirt oder von metastatischen Ablagerungen durchsetzt; besonders das Gewebe der Lunge, der Milz, der Leber, Nieren, des Gehirns und des Herzfleisches, bei Pferden namentlich das Gewebe der Nasenschleimhaut. Die Grosse dieser Ablagerungen ist sehr verschieden zwischen dem Umfange eines Hirsekornes und einer Faust variirend. Die überall im Gewebe zer­streuten kleineren Ablagerungen kennzeichnen sich als Folgezustände embo-lischer Processe in den Capillaren. Viele derartige kleine Knötchen können zu einem grösseren Abscesse zusammeufliessen. Acute Milzgeschwülste und blutige Schwellungen der Mesenterialdrüsen sind fast regelnuissige Sections-erscheinungen. .
Die Prognose bei Septicämie ist namentlich bei schwerer Erkrankung ungünstig, mindestens unsicher.
Die Therapie hat zunächst für die Entfernung der veranlassenden Ursachen zu sorgen, in der Zersetzung begriffene Substanzen müssen von der Wunde entfernt und in dieser eine gesunde Granulation angebahnt werden; der Appetit muss angeregt, für frische massig kühle Luft und für leicht verdauliche, gute Nahrung gesorgt werden. Die Behandlung der Wunde mit antiseptischen Mitteln steht immer in erster Linie. Innerlich
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gebe man China; wegen seiner Billigkeit und dennoch fast gleichen Wir­kung hat das laquo;Chininum muriaticum amorphum gt; vor dem viel theureren #9632;tChininum sulphuricumgt; in der Veterinärpraxis den Vorzug. Salicin, Salicyl-und Phenyl-Säure, Chlorpräparate, namentlich Chlornatrium, Chlonvasser, verdünnte Säureri, später Eisen u. s. w.
Bei der Wundheilung verdient immer die Prophylaxis gegen Septi-caemie eine besondere Beachtung. Das Bedecken der Wunde mit Leinwand-lappen, welche in einer Lösung von Kali hypermanganicum oder verdünnter Phenylsäure u. dgl. getränkt sind, oder das öftere Bespritzen der Wunden mit diesen Flüssigkeiten wird in neuerer Zeit vielfach empfohlen und ver­dient auch unter Umständen diese Empfehlung. Wo indess die Patienten in guten, luftigen Stallungen und die Wunden entsprechend sauber gehalten werden, tritt auch ohne die Anwendung fraglicher Mittel nur selten Septicsemie bei unseren Hausthieren auf. Wo diese indess in un­günstigen ökonomischen Verhältnissen an Körperverletzungen behandelt werden müssen, wird eine frühzeitig antiseptische Behandlung im Allge­meinen zweckmässig erscheinen. So nützlich diese auch sein mag, so darf man doch nicht erwarten, dass bei derselben der Eintritt von üblen Aus­gängen absolut unmöglich sei.
Als laquo;Pyaemiaraquo; bezeichnet man ein fieberhaftes Allgemeinleiden, welches einestheils durch deutliche Remissionen, *) anderntheils durch die Neigung zur Entstehung zahlreicher Abscesse (sogenannter pyaemischer Heerde) und eiteriger Exsudate characterisirt ist und durch Aufnahme von Eiter in das Blut verursacht wird. In neuerer Zeit ist einestheils die Un­schädlichkeit, andererseits die Unmöglichkeit der Aufnahme gesunden Eiters in das Blut behauptet worden. Die erstere Behauptung ist nach den bereits erwähnten Experimenten Weber's und Billroth's als eine berechtigte nicht anzusehen, da frischer Eiter in's Blut injicirt, pyrogene Wirkungen hervorzubringen im Stande war.
Wir haben denn ferner erwähnt (Seite 5G und 57), dass Eiter vielleicht in den Blutstrom gelange, indem die flüssigen Bestandtheile desselben direct aufgesogen, die Eiterkörperchen aber möglicherweise durch die Lymph-gefässe aufgenommen und dem Blute zugeführt werden. Wenngleich nun
*) Oefter wiederkehrende Schüttelfröste, hohe Temperaturen mit schnellen Schwan­kungen, metastatische Gelenkschwellungen und Eiterungen, ferner pneumonische Processe sind für Pysemia multiplex des Menschen wichtige diagnostische Erscheinungen. In der Veterinärpraxis müssen die Symptome dieser Krankheit noch sorgfältiger ausgemittelt werden.
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402 .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;;#9632;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;• #9632;
diese Vermuthung nicht als ein erwiesenes Factum angesehen werden kann,, so ist eben so wenig ein Grund vorhanden, dieselbe als unmöglich auszu-schliessen. Demnach ermangelt die Ansicht Köhue's (siehe dessen allge­meine Pathologie, sect; 25), dass morphologischer Eiter nicht resorbirt werden könne, des Beweises. Wenn erfahrene und mit den Ergebnissen der neuesten Forschungen durchaus vertraute Chirurgen (wie z. B. Billroth, Hüter und viele Andere) der Autorität Virchow's gegenüber an dem spezifischen Begriffe der Pysemie festhalten, so werden dieselben hierfür ihre gewichtigen Gründe aufzuweisen haben, die allerdings vorzugsweise auf klinische Er­fahrungen sich stützen mögen. Die Besonderheit der Pyannie liegt für den Kliniker in den metastatischen Eiterungen, die vielleicht dadurch zu Stande kommen, dass die Eiterkügelchen wegen ihrer Grosse und Starrheit in den Capillargefässen stecken bleiben und hier embolische Heerde erzeugen, welche die Umgebung schnell in eine purulente Entzündung versetzen.
Bereits bei der Wundheilung per secundam intentionem wurde gesagt, dass gesunde Granulationen gewissennassen eine Schutzmauer bilden gegen die Aufnahme von Substanzen aus der vorhandenen Wundfläche. Dem entsprechend pflegen Eiterungen mit Bildung normaler Granulationen ohne Fieber zu verlaufen. Werden diese indess zerstört und dadurch die hinter ihnen liegenden Wurzeln der Lymphgefässe mit den eiterigen Sekreten der Wundoberfläche in Berührung gebracht, so tritt zuweilen, namentlich dann Fieber auf, Avenn die Restitution der Granulationsfläche nicht bald erfolgt. In der Regel bilden sich bei unseren Hausthieren an gesunden Geweben wieder neue Fleischwärzchen, wobei es dann gewöhnlich nicht zu fieber­haften Reactioneri kommt. Das Eiterfieber ist also stets von localen Gra­nulationsstörungen abhängig. Wenn der ziemlich unbestrittene Satz:
laquo;Alle Metastasen haben einen der ursprünglichen Affection ähnlichen Character, z. B. eine Eitermetastase erzeugt wiederum eine purulente Entzündung, faulige Stoffe rufen putride Processe, Entzündungsprodukte einfache Entzündungen hervorraquo;, wirklich richtig ist, so folgt daraus das Spezifische der Eiterinfectionen von selbst. Eine weitere nothwendige Con-sequenz scheint mir aber die zu sein, Fieber, die mit Abscessbildung an verschiedenen Körperstellen in causalem Zusammenhange stehen, als laquo;Eiter­fieberraquo; von den laquo;septischen Fiebernraquo; zu unterscheiden. Ein Fieber, welches als Folge einer reinen Eiter infection ohne Metastasen besteht, bezeichnet Hüter als laquo;Pysemia simplexraquo;, ein solches mit Metastaten als laquo;Pysemia multiplexraquo;.
Die Versuche Hut er's haben die frühere Annahme der Autoren, wo­nach die metastatisclren Eiterungen auf embolischem Wege durch losgerissene
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Thrombusstückchen zu Staude kommeu sollen, als unwahrscheinlich hin­gestellt ; dieselben scheinen vielmehr unter Anhäufung weisser Blutkörperchen in den Gefässen und durch allmälige Verstopfung dieser sich auszubilden.. Nach einer zuerst von Griesinger ausgesprochenen und von Hüter als wahrscheinlich angenommenen Ansicht werden die Eiterkörperchen, welche in den Blutstrom gelangen, von den Blutcapillaren. und zwar zunächst von den Lungencapillaren abfiltrirt, wodurch die inetastatischen Lungenabscesse entstehen. Es ist demnach nicht gerechtfertigt, alle metastatischen Heerde auf Thrombo-Embolie zurückzuführen, wie dies von Virchow geschehen ist; die Mehrzahl derselben kann sicher nicht auf einen solchen Vorgang bezogen werden. Ein Embohis. der aus normalem Faserstoff besteht, wird einen blutigen Infarct, aber keine Entzündung erzeugen, weil ein Thrombus an und für sich keine entzündungserregenden Irritamente enthält; nur wenn er solche einschliesst, wird Entzündung nach Embolie eintreten. So weit also thrombo-embolische Processe bei der Pyiemie mit in Betracht kommen, betrifft dies nur die eiitzünduugserregemlen Beimischungen des Embolus. Das Wesen dieser Irritamente wird seit neuester Zeit, wie bereits vorhin erwähnt wurde, vielfach in kleinsten Organismen (Monaden, Micrococcus, Bacterien u. s. w.) gesucht.
Birch-Hirschfeld ist durch zahlreiche Untersuchungen und Ex­perimente zu der Ansicht gelangt, dass Pysemie durch einen spezifisch entarteten Eiter verursacht werde. Die Spezifität sei in der Anwesenheit von Kugelbacterien begründet, die je nach ihrer Menge eine dem Grade nach verschiedene Verschlechterung der Eiterung bedingen, wobei die Eiterzellen verschieden gross, dunkel und grüber gekörnt, stachelig, wie angenagt erscheinen.
Die Zahl der monadenhaltigen Blutkörperchen soll in der Pyeemie bedeutend vermehrt sein, was auch Hüter beobachtet zu haben glaubt.
Die Granulirung, welche durch Einlagerung genannter Kugelbacterien in das Protoplasma der Eiterzellen bedingt wird, unterscheidet sich wesentlich von einer durch Fettkörnchen bedingten. Wie die locale Verschlechterung des Wundsecretes mit der Vermehrung der Bacterien in demselben zimimmt, so ist auch der Grad der pysemischen Erscheinungen, die Heftigkeit und der mehr oder weniger schnelle Verlauf des Allgemeinleidens von der Menge der in den Blutstrom gelangten Bacterien abhängig. — Diese sowie andere Forschungsresultate können vorläufig nur auf eine grössere oder geringere Wahrscheinlichkeit Anspruch machen. Eine bestimmte Erkenntniss der betreffenden Vorgänge und ihrer Ursachen wird hoffentlich als End-ergebniss die so mühsamen und verdienstvollen LTntersuchungen der Forscher krönen.
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Experimeutell sind die pyaimischen Fieber noch wenig studirt. Nach den in neuester Zeit vorgenommenen Einspritzungen von Eiter hat sich ergeben, dass derselbe, wenn er gut filtrirt ist, zwar hohes Fieber, indess keine metastatischen Eiterungen verursacht; enthält derselbe kleine Flocken, so entstehen kleine metastatische Heerde. Durch wiederholte Injectionen kann man bei Thieren den intermittirenden Gang des pyaemischen Fiebers künstlich hervorrufen.
In der Praxis pflegen pya^mische Aligemeinerscheinungen erst dann aufzutreten, wenn die locale Störung eine gewisse Ausbreitung erlangt hat. Die metastatischen Eiterheerde werden am verbreitetsten in den Lungen angetroffen. Es kann auch nach andern Wundfiebern mit protahirtem Ver­laufe zu eiterigen Metastasen kommen, namentlich in den Gelenken, indess nicht in den Lungen und in den grossen Unterleibsdrüsen, wie bei achter Pysemie. Dass diese sich mit anderen Zuständen vielfach combiniren kann, bedarf wohl kaum erwähnt zu werden.
Wo ein pytemisches Fieber vorhanden ist, da können die dasselbe veranlassenden Substanzen oder Organismen aus dem Blute zum Theil in den verschiedensten Körpertheilen angelagert werden und zu neuen Eite­rungen Veranlassung geben. Auf diese Weise erklärt sich das häutige Vor­kommen der metastatischen Eiterheerde in den verschiedensten Körper­theilen leicht, deren Deutung auf thrombo-embolischem Wege nur für Lungenmetastasen verständlich wäre, hingegen für die grossen Hinter­leibsdrüsen (Milz, Leber, Nieren), sowie für andere Körpertheile Schwierig­keiten bietet. Die früheren Annahmen, dass einzelne Emboli klein genug seien, um die Lungencapillaren passiren zu können, und gross genug, um in den Aortencapillaren stecken zu bleiben, vielleicht nachdem sie während ihres Durchganges durch die Blutbahnen durch Anlagerung von Fibrin sich vergrössert hätten; dass ferner bei Metastasen in den Lungen aus throm-birten Lungenvenen Emboli in den arteriellen Kreislauf übergeführt werden und so in verschiedenen Körpertheilen Metastasen verursachen, haben jedenfalls keinen grösseren Anspruch auf Berechtigung, als die vorhin erwähnte neuere Ansicht, wonach das pycemische Gift aus dem Blute in andere Körpertheile abgelagert zur Entstehung eines neuen Eiterheerdes führt. Billroth sah bei Verwundeten, die neben einigen subcutanen Frac-turen auch eine solche mit offener Hautwunde hatten, nach Eintritt des pyaemischen Fiebers auch in den subcutanen Fraeturen, die sonst doch per primam intentionem zu heilen pflegen, Eiterung eintreten.
Für die Prognose ist die Thatsache von Wichtigkeit, dass, wenn nur ein äusserlich gelegener Eiterheerd einer Pysemie zu Grunde liegt, eine
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entsprechende locale Behandlung zur Beseitigung des Fiebers viel beizu­tragen vermag, während die Therapie ziemlich ohmnächtig ist, sobald metastatische Heerde, namentlich im Inneren des Körpers, existiren. Je zahlreicher und verbreiteter diese, um so grosser ist die Gefahr für das Leben des Patienten. Je früher die Symptome innerer Metastasen auf­treten, je schneller die Kräfte abnehmen, je höher und rapider das Fieber steigt, um so eher ist der baldige Eintritt des Todes zu gewärtigen. Im Ganzen ist es selten, dass Pyaemia multiplex mit Genesung endet, was zu­weilen Vei'anlassung zur Verwechslung derselben mit acutem Rotz geben mag.
Die Therapie vermag namentlich gegen multiple Pyacmie wenig zu leisten; um so mehr Gewicht fällt auf die Prophylaxis, welche in der sorg­fältigen Berücksichtigung der früher für die Wundbehandlung angegebenen Regeln wurzelt.
Starrkrampf (Trismus und Tetanus).
Zu vorhandenen Körperverletzungen treten zuweilen nach Verlauf von einigen Tagen bis zu mehreren Wochen plötzlich die Erscheinungen des Starrkrampfes hinzu, wodurch Thiere, die an ungefährlichen, oder an bereits in der Heilung begriffenen Wunden leiden, mit einem Male ganz uner­wartet in die grösste Lebensgefahr versetzt werden. Aus diesem Grunde erscheint es geboten, fragliche Krankheit hier in ihren wesentlichsten Er­scheinungen darzustellen.
laquo;Trismusgt; (o vgißjxog das Knirschen, der Kniebackenkrampf, vom wenig gebräuchlichen tqi'Qm zischen, knirschen) nennt man einen tonischen Krampf der Kiefermuskeln, während ein solcher Zustand aller, oder fast aller Körpermuskeln lt;Tetanusgt; (d xtitavos die Spannung, der Krampf, gewöhn­lich für allgemeinen Starrkrampf gebraucht, von rtiveiv spannen) genannt wird. Bei diesem letzteren werden bald die Muskeln des Rumpfes der vorderen oder hinteren Körperhälfte, bald die Muskeln der Gliedmaassen vorzugsweise ergriffen. Trismus sowohl, als auch Tetanus können bei unverwundeten oder bei verwundeten Thieren auftreten; im ersteren Falle wird der Zustand als laquo;idiopathischer Starrkrampf Trismus resp. Tetanus idiopathicusraquo; — im letzteren Falle als lt; Wundstarrkrampf Trismus resp. Tetanus traumaticus s. vulnerariusraquo; bezeichnet. Diese Krankheitszustände kommen unter den grossen Hausthieren am häufigsten bei Pferden vor, weshalb ich das Krankheitsbild, wie es sich bei diesem darzustellen pflegt, nachstehend skizziren will. Die ersten Anfänge der Krankheit werden
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häufig übersehen, oder selbst von erfahrenen Pferdebesitzern unrichtig beurtheilt, so dass die Patienten trotz des in der Entwicklung begriffenen Starrkrampfes manchmal noch mehrere Tage hindurch gebraucht werden. Derselbe beginnt bekanntlich oft an einer bestimmten Körperstelle des Vorder- oder Hintertheiles und verbreitet sich von da allmälig weiter. Geht er vom Kopfe aus, so stellen sich bald Kaubeschwerden ein, die Nasen­löcher werden aufgerissen etc.; es entwickelt sich alsbald das Bild des sogenannten laquo;Kinnbackenkrampfes oder Trismusraquo;, der von den Laien in der Regel frühzeitiger erkannt wird, als der vom Hintertheile ausgehende Starrkrampf. Es kann der Krampf auf die Kopfmusculatur sich beschränken, oder stetig fortschreitend im Verlaufe einiger Tage über alle willkürlichen •Körpermuskel sich verbreiten, wodurch der Trismus in den Tetanus uni-versalis übergeht. — Beginnt der Krampf am Hintertheile, so fällt zu­nächst der gespannte, steife Gang auf, wobei der Schweif in der Regel gerad nach hinten ausgestreckt wird. Diese Erscheinungen führen den Sachverständigen sofort auf die Diagnose des beginnenden Starrkrampfes. Derselbe breitet sich nach vorne fortschreitend in der Regel bereits in den nächstfolgenden Tagen über die meisten oder sämmtlichen willkürlichen Muskel aus. Am auffälligsten treten die Muskelcontractionen in der Regel am Halse, an den Gliedmassen und am Schweife hervor. Die gespreizte Stellung der Gliedmassen, der steife gespannte Gang, der steil gestellte Hals und Kopf, ähnlich wie beim Hirsche, der höher getragene und steif nach hinten, selten nach einer Seite hingezogene Schweif geben dem Thiere ein sägebockähnliches Ansehen (Hering, Repertorium, Jahrgang 1S72, Seite 19—27).
Bei näherer Untersuchung zeigt auch der Blinzknorpel des Auges eine auffällige Trägheit in seinen Bewegungen, so dass derselbe, wenn man an Starrkrampf leidenden Pferden den Kopf schnell in die Höhe stösst, über die Cornea sich weit hervorschiebt und nur langsam wieder in seine frühere Lage zurückkehrt. Im Interesse der leidenden Thiere will ich nicht unter­lassen, hier darauf aufmerksam zu machen, dass stärkere Siösse unter den Unterkiefer bei Pferden, die an Starrkrampf leiden, die Patienten so sehr alteriren können, dass sie plötzlich niederstürzen, was aus Humanitäts­rücksichten um so vorsorglicher vermieden werden rauss, als die Patienten in der Regel trotz aller Anstrengung nicht im Stande sind, allein wieder auf die Beine zu kommen.
Pferde, die an vollkommen ausgesprochenem Starrkrämpfe leiden, zeigen im Allgemeinen folgendes Bild:
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Die Stellung ist eine gestreckte, steife, mehr oder weniger gespreizte. Die Musculatur ist gespannt, straff und verleiht dem Thiere im Stande der Ruhe gewissermassen das Ansehen einer edleren Herkunft. Der Kopf ist mehr oder weniger gehoben, der Hals meist grad gestreckt oder sogar nach hinten eingebogen, ähnlich dem Hirschhalse, weshalb die Krankheit auch wohl den Namen laquo;Hirschkrankheitraquo; erhalten hat; nur sehr selten ist-der Hals nach der einen oder nach der anderen Seite eingebogen. Die Patienten vermeiden möglichst jede Bewegung, und wenn sie zu solchen gezwungen werden, so erfolgen dieselben stets unbeholfen, steif und unsicher. Freiwillig legen sich an allgemeinem Starrkrampf leidende. Dferde nitht nieder, können aber durch unvorsichtiges Führen und Umdrehen leicht zum Niederstürzen gebracht werden, oder sie brechen auch wohl, in späteren. Stadien der Krankheit, aus Mattigkeit zusammen. Beim Trimus sind der Ober- und Unterkiefer oft so- fest aneinandergezogen, dass es unmöglich ist, dieselben zu öffnen; allenfalls gelingt es bei geringeren Graden des Krampfes in den Kaumuskeln die Kiefer bis zu etlichen Centimeter aus­einander zu bringen. Aus dem Maule hängen Schleim und. Speichel in langen Fäden herunter; auch die Zimgenmuskel sind beim Trismus meist vom Krämpfe ergriffen, wo denn die Zunge hart und fest sich anfühlt; zuweilen ist dieselbe zwischen den Zähnen eingeklemmt. Die Nüstern sind häufig weit aufgesperrt und wenig beweglich; die Respiration ist anfangs. in der Regel ruhig; erst mit Zunahme des Krarapfzustancles und Ausbreitung desselben über die Respirationsmuskel steigt die Frequenz des Athmens. allmälig bis auf 80 und mehr Züge in der Minute. Die Pulsfrequenz ist merkwürdiger Weise selbst in den späteren Stadien der Krankheit nur wenig gesteigert, während die Temperatur auf 40 bis 42 Grad in die Höhe geht; die Spannung und Kleinheit des Pulses steht mit dem vorhandenen Krampfzustand in Einklang. Hunger und Durst sind in der Regel vorhanden,-können indess bei Trismus einestheils wegen der Unmöglichkeit zu kauen, andererseits auch häufig wegen erheblicher Schlingbeschwerden (in Folge Krampfzustandes der Schlund- und Schlundkopf-Musculatur) nicht aus­reichend gestillt werden. Es scheint den Patienten stets sichtlich wohl zu thun, wenn sie das Maul häufig in frischem, reinem Wasser spülen können.
An Starrkrampf leidende Thiere sind sehr reizbar und ängstlich; grelles Licht, jeder Lärm, namentlich plötzlich in ihrer Nähe entstehende Geräusche u. 's. w. regen sie allemal bedeutend auf. Koth- und Urin-Ent-. leerungen erfolgen seltener.
Obgleich der Krampf an und für sich immer ein tonischer ist, so treten dennoch in manchen Fällen deutlich erkennbare Remissionen ein. während
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deren die Thiere sich merklich erleichtert fühlen. Man darf sich durch dieselben ja nicht zu eitelen Hoffnungen und Versprechungen dem Besitzer gegenüber verleiten lassen. — Glücklicherweise ist Starrkrampf eine ver-hältnissmässig seltene Krankheit. Nach Hering's Angabe (1. c Seite 20) kommen auf 300 bis 400 Pferde der stationären Klinik in Stuttgart jähr­lich 1 bis 2 Starrkrampffälle. Innerhalb der 47 Jahre, auf welche die Mittheilungen H e r i n g' s sich beziehen, kommen Pausen von 2 bis 3 Jahren vor, in denen kein Fall von Tetanus mit lethalem Ausgange notirt ist, obgleich die meisten Fälle mit dem Tode geendet haben. Während der dreizehnjährigen Führung der Verlustlisten der Dienstpferde des würtembergischen Truppen­corps durch Hering gingen 11 Pferde an Starrkrampf, darunter G an Wundstarrkrampf, zu Grunde. Die Gesammtzahl der präsenten Dienst­pferde mag in der angegebenen Zeit zwischen 31,000 und 32,000 betragen haben; somit kommt auf 3000 Pferde ein Todesfall durch Starrkrampf.
Was nun speciell den Wundstarrkrampf anbelangt, so tritt derselbe in der Regel immer erst einige Tage bis mehrere Wochen nach der statt­gehabten Verletzung ein, ja manchmal sogar noch zu einer Zeit, wo man jede Gefahr bereits für gänzlich beseitigt hielt. Es ist dies um so fataler, als der Ausgang des Tetanus, wie bereits erwähnt, gewöhnlich ein lethaler ist, den selbst die umsichtigste und sorgfältigste Behandlung nicht abzu­halten vermag.
Der Tod kann unter schneller Steigerung der Krankheitserscheinungen, besonders der Athemnoth, in Folge von Kohlensäurevergiftung durch R-e-tention derselben im Blute, bereits nach einigen Tagen eintreten; in in der Kegel erfolgt derselbe indess erst nach 6 bis 10 Tagen und nicht selten erst nach zwei bis drei oder gar erst nach vier Wochen. Die Krank­heit zieht sich am gewöhnlichsten dann in die Länge, wenn die Respirations­muskeln weniger mitergriffen sind, weil dann der Tod erst nach allge­meiner Erschöpfung der Körperkräfte zu erfolgen pflegt. Wo die Krank­heit sich über drei Wochen hinauszieht und wo Trismus fehlt, oder nur in so geringem Grade vorhanden ist, dass die Futteraufnahme nicht allzu sehr bebindert wird, da darf man noch am ehesten auf einen günstigen Ausgang hoffen. In den (namentlich bei Wundstarrkrampf) seltenen Fällen, wo diese Hoffnung sich verwirklicht, nimmt die Reconvalescenz längere Zeit in Anspruch, so dass dieselbe nicht selten zwei und mehr Monate verlangt; während dieser Zeit können bei sorgloser Pflege etc. jederzeit Recidive und in Folge deren der Tod sich einstellen.
lieber die Ursachen des Starrkrampfes ist nichts Zuverlässiges bekannt. Wie dies gerade dann gewöhnlich zu geschehen pflegt, so hat man auch hier
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die verschiedensten Dinge als ursächliche Momente beschuldigt; ungünstige Witterungseinflüsse, besonders schwüle Gewittertemperatur oder auch feucht kalte Witterung, Erkältungen durch Zugluft, fehlerhafte Behandlung der Wunden, sowie viele andere Dinge werden als Entstehungsursachen des Starrkrampfes angegeben, ohne dass irgend ein bestimmter Causalnexus zwischen den angeführten Verhältnissen und dem Starrkrämpfe nach­gewiesen werden kann.
Die Statistik des Starrkrampfes ist gerade für die Aetiologie von be­sonderem Interesse. Nach Hering fallen von 64 Todesfällen durch Starr­krampf auf den Januar 4, Februar 9, März 9, April 7, Mai C, Juni 8, Juli G, August 2, September 3, Oktober 2, November 4, December 4. Dem­nach treffen weitaus die meisten Fälle zwischen den Spätwinter und den Frühsommer, nämlich 45, während auf die Monate August bis incl. Januar nur 19 Fälle und von diesen je 4 in Summa 12 auf die Monate November, December und Januar kommen. Die wenigsten Fälle fallen in die Monate August, September und Oktober, was zu der Annahme, dass schwüle Ge­witterluft (August) oder feucht kalte Witterung, Erkältungen (September, Oktober und November) nicht recht stimmt. Beide letztgenannte Monate gehören zu den unangenehmsten des Jahres und liefern zu catarrhalischen Erkrankungen im Allgemeinen ein ansehnliches, hingegen zu Starrkrampf­erkrankungen verhältnissmässig ein geringes Contingent.
Dass Verletzungen eine Gelegenheitsursache (vielleicht das Atrium für den ausserhalb des Thierkörpers gelegenen Factor) bilden können, welche das Entstehen des Starrkrampfes begünstigt, ist unverkennbar. In 27 der von Hering zusammengestellten 04 Fälle konnte eine Verletzung bestimmt nachgewiesen werden; darunter 10 Hufverletzungen und 8 Hautverletzungen. Einer Castration folgte nach vierzehn Tagen, dem Coupiren des Schweifes nach vier Wochen der Starrkrampf. Wie unbedeutend die Verletzung sein kann, beweist ein Fall, in welchem durch einen Schlag mit der Reitpeitsche die Haut des Pferdes oberflächlich verwundet worden war, worauf Starr­krampf folgte (Heringl.
Der Wundstarrkrampf soll am häutigsten nach Quetsch- und Risswunden, besonders nervenreicher Körpertheile, namentlich dann, wenn grössere Nerven gequetscht, oder zerrissen, oder wenn fremde Körper stecken ge­blieben sind, vorkommen; so z. B. soll derselbe nach Castrationen, wo der ganze Samenstrang unterbunden oder abgedreht wird, häufiger als nach anderen Castrationsmethoden, und zwar verhältnissmässig häufig bei Schafen auftreten. Aber nicht nur nach bedeutenden Verletzungen, sondern auch nach ganz unerheblichen Wunden kann derselbe entstehen, wie dies der
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410nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; #9632;.••:.,
vorhin mitgetheilte Fall von Hering beweist, demgemäss ein Pferd nach einer leichten Hautverletzung mittelst einer Reitpeitsche in Starrkrampf verfiel. — Ich sah vor etwa 15 Jahren hei einem Pferde, während der anscheinend ganz normal verlaufenden Heilung einer Schälwunde auf der rechten Seite der Kruppe, bei welcher die äussere Haut als ein dreieckiger Lappen mit breiter Brücke in der ungefähren Länge von 5 bis 6 Centimeter von der Musculatur ohne besondere Verletzung dieser losgelöst war, nach etwa vierzehn Tagen Tetanus eintreten und lethal enden. Ueberhaupt scheint gerade zur Zeit der Granulationsbildung der Wundstarrkrampf am häu­figsten sich einzustellen.
Die Wahrnehmungen W a 1 d i n g e r' s und H e r i n g' s, mit denen meine eigenen weniger zahlreichen, sowie die anderer Beobachter übereinstimmen, lehren, dass der Starrkrampf in gewissen Zeitperioden häufiger, in anderen seltener vorkommt, so dass man dadurch zu der Annahme eines ausserhalb des thierischen. Organismus gelegenen, bis jetzt indess noch ganz unbekannten Factors, gedrängt wird.
Auch darüber ist man noch nicht einig, ob die Nerven, oder das Blut bei dieser Krankheit in erster Linie ergriffen werden. Die Einen glauben, eine eigenthümliche Reizung der Nerven, die Anderen eine spezifische Er­krankung des Blutes sei die Causa movens zur Entstehung des Starr­krampfes.
Es ist vielfach auf die grosse Aehnlichkeit zwischen Starrkrampf und Tollwuth hingewiesen, ja es sind dieselben sogar so weit itlentificirt worden, dass man letztere für eine Art Wundstarrkrampf erklärt hat. Mir scheint indess, dass von manchen nicht unwesentlichen Verschiedenheiten im klinischen Verlaufe abgesehen, namentlich die Contagiosität der Tollwuth, und der Umstand, dass diese noch sehr lange Zeit nach der gänzlichen Heilung der infectiösen Verletzung zum Ausbruche kommen kann, während der Wundstarrkrampf immer vor dem vollendeten Abschlüsse der Wuud-heilung eintritt, auf eine wesentliche Verschiedenheit beider Krankheiten hinweise.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;• '
#9632; Darf man demnach die etwaige Möglichkeit nicht bestreiten, dass der Starrkrampf ebenso wie die Tollwuth eine Infectionskrankheit sein könne, so ist es doch immer noch nicht wahrscheinlich, viel weniger aber er­wiesen, dass beide Krankheitszustände demselben Virus ihre Entstehung verdanken.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;#9632;
Aus dem Allen ergibt sich für die Praxis, dass von einer bestimmten Prophylaxis oder Therapie gegen den Starrkrampf vorläufig keine Rede sein
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kann, insofern man denselben weder mit Sicherheit von verwundeten Thieren fernzuhalten, noch seine Heilung durch Arzneimittel wesentlich zu fördern im Stande ist. Wir sind darauf beschränkt, verwundete Thiere nach den Regeln der Kunst zu behandeln und an Starrkrampf leidende Thiere vor allen als schädlich bekannten Einflüssen möglichst zu schützen.
Die constantesten Sectionserscheinungen an Starrkrampf verendeter Thiere, die sich auf diesen Zustand beziehen, sind folgende:
Die Muskel haben ihre natürliche rothe Farbe und Resistenz verloren, sie sind mürb und erscheinen gekochtem Fleische annähernd ähnlich. Das Blut ist in der Hegel gar nicht, oder nur locker geronnen; die Lungen sind meist stark hyperämisch oder ödematös, an ihren Spitzen häufig hepatisirt. Die Harnblase ist immer mit einem sedimentreichen Harne an­gefüllt, bedeutend ausgedehnt-, ihre Schleimhaut zeigt die Erscheinungen eines catarrhalischeu Zustandes, sowie Blutextravasate an verschiedenen Stellen und in verschiedenem Umfange.
#9632; Weniger constant sind diejenigen Erscheinungen, welche vielfach als charakteristische oder wesentliche augesehen worden sind und die sich vor­zugsweise auf die Nervencentren, namentlich auf das Rückenmark beziehen. Zuweilen werden zwar.Hyperämien der Häute des Rückenmarkes und des Gehirns oder dieser Nervencentren selbst angetroffen, häufig jedoch fehlen dieselben. Auch sind Blutextravasate in Muskeln und Nervenscheiden nicht selten, und als capillare Blutungen in Folge der heftigen Muskelcontractionen leicht zu erklären. Ebenso ist auch die Injection der Nervenscheiden, die Schwellung oder Erweichung der Nervenbündel der von dem verwundeten Theile abgehenden Nerven, wo solche angetroffen werden, leicht als con-s'ecutiver Zustand zu deuten.
In Bezug auf den Starrkrampf der übrigen Species unserer Hausthiere ist zu bemerken, dass derselbe bei Eindvieh in der Regel langsamer als bei Pferden sich entwickelt, so dass gegen vierzehn Tage vergehen können, ehe bei Trismus das Maul ganz verschlossen ist. Es stellt sich nicht selten Trommelsucht ein, gegen welche der Pansenstich indicirt ist. — Bei Ziegen und Schafen entsteht der Starrkrampf am häufigsten bei männlichen Individuen und zwar nach der Castration, besonders in solchen Zeiten, die sich durch ein öfteres Vorkommen des Starrkrampfes im Allgemeinen aus­zeichnen.
Aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass die Prognose beim Starr­krämpfe, ganz besonders aber beim Wundstarrkrämpfe eine sehr ungünstige ist. Erst wenn die Krankheit zwei bis drei Wochen bestanden hat und
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bereits eine stetige Abnahme des Kvampfzustandes sich zeigt, darf man bei fortgesetzter Sorgfalt in der diätetischen Haltung und Pflege des Patienten Wiedergenesung mit einiger Wahrscheinlichkeit in Aussicht stellen. Etwa 10 Procent werden im Allgemeinen genesen. Vogel gibt den Verlust der an den beiden Starrkrampfformen in der Stuttgarter Klinik, während 25 Jahren gestorbeneu Thiere auf 72 Procent der Starrkrampferkrankungen an. (Siehe Kueff, die Kgl. Würtemb. Thierarzneischule zu Stuttgart nach ihrem 50jährigen Bestehen. Stuttgart 1871, Seite 69). Demnach wären 28 Procent genesen, was jedenfalls ein ausnahmsweise günstiges Verhältniss sein dürfte. Verbreitet sich der Krampfzustand schnell über den ganzen Körper, wird die llespiration sehr beschleunigt, oder tritt sogar eine Lungen­entzündung zum Starrkrämpfe hinzu oder stellen reichliche Schweisse sich ein, steigert sich die Temperatur beträchtlich, so ist die Prognose erst recht ungünstig. Im Allgemeinen sollen mehr Patienten in schlechtem , als in gutem Ernährungszustande vom Starrkrämpfe genesen.
Für die rationelle Behandlung des Starrkrampfes lassen sich bis jetzt keine bestimmten medicinischen Indicationen aufstellen, da wir zur Zeit noch keine greifbaren pathologisch-anatomischen Anhaltspunkte besitzen. Man hat einen Reizzustand der Servencentren, besonders des Rückenmarkes angenommen, indess durch die Sectiouen noch keineswegs als das eigent­lich Wesentliche nachweisen können. Die Therapie kann sich deshalb fast ausschliesslich nur auf die bisherigen klinischen Erfahrungen stützen, ob­gleich die Resultate dieser im Ganzen leider wenig befriedigende sind. Die Behandlung ist fast ausschliesslich auf die Fernhaltung bestimmter schädlicher Einwirkungen beschränkt.
Zunächst müssen die Patienten gegen alle schädlichen äusseren Ein­wirkungen möglichst geschützt werden. Vor allen Dingen bringe man die­selben in einem dunklen, trocknen, massig warmen Stalle unter, der wo möglich so gelegen sein muss, dass in seiner Nähe wenig Verkehr herrscht, damit Patient wenig oder gar nicht beunruhigt wird. Das Streustroh darf nicht zu lang sein, muss also geschnitten werden, damit Patient sich in demselben nicht verwickle und dadurch zum Niederstürzen gebracht werde. An die Krippe lasse man ein Gefäss mit frischem Wasser, welches des Tages einige Mal erneuert werden muss, so anbinden, dass es dem Patienten ohne grosse Mühe möglich wird, sich öfter das Maul ausspülen zu können; nöthigenfalls muss der Wärter bei jedem Besuche dem Patienten das Wasser unmittelbar vor das Maul halten, um demselben zur öfteren Wasseraufnahme die erforderliche Gelegenheit zu bieten. Als Futter reicht man Mehl- und Kleien-geschlapp, Heu und Grünfutter, je nach Umständen. Im Ferneren
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gilt dann als allgemeines Gesetz^ dass es um so besser ist, je weniger man die Patienten beunruhigt. Man gehe also nicht öfter zu ihnen, als zu ihrer Pflege erforderlich ist und verkehre überdiess sehr ruhig und sanft mit ihnen. Jedes Geräusch und jede Belästigung durch fremde Personen oder Thiere halte man so gut wie irgend möglich von ihnen ferne. Die Er­füllung dieser Forderungen ist schon aus reinen Humanitätsrücksichten geboten, damit den armen. Thieren ihr ohnedies schweres Leiden nicht unnöthigerweise noch unerträglicher gemacht werde.
Will man arzneiliche Mittel versuchen, so wende man Morphium oder Atropin hypodennatisch an; auch Aether und Chloroform mögen in Form von Inhalationen versucht werden. Leonhardt hat in zwei Fällen mit Kalium bromatum (20 Gramm pro die) einen günstigen Erfolg erzielt.
Wenn gleich die Heilwirkung dieser Mittel keineswegs eine sehr auf­fällige genannt weiden kann, so darf doch andererseits auch nicht behauptet #9632;werden, dass sie absolut unnütz seien. Wenn aber ihr Nutzen auch kein anderer als der wäre, den armen Thieren ihre Leiden erträglicher zu machen, so müsste dies schon vollkommen ausreichen, um die Anwendung fraglicher Mittel für alle Fälle zu empfehlen, wo die pecuniären Verhält­nisse des Besitzers dieselbe gestatten.
Von der innerlichen Anwendung arzneilicher Mittel muss man hin­gegen ganz absehen, da die bestehenden Schlingbeschwerden leicht Veran­lassung werden, dass die betreffenden Stoffe von der Rachenhöhle aus zum Theil in die Luftröhre eindringen. Diese Annahme erscheint nicht nur a piori als sehr leicht möglich, sondern ist auch durch Hering thatsäch-lich näher begründet worden. Derselbe fand bei der Section an Starr­krampf verendeter Pferde häufig ein Lungenleiden, welche auf einen trau­matischen Ursprung hinwies. Dies gilt namentlich für die Jahre 1823 bis 1839, wo man glaubte, den Starrkrampfpatienten mindestens Mehlwasser vorsetzen, oder mit der Spritze in das krampfhaft geschlossene Maul in-jiciren, oder gar einschütten zu müssen. War das Maul nicht ganz ver­schlossen, so gab man Latwergen etc. Nachdem man dies Verfahren später als gefährlich erkannt und verlassen hatte, wurde die Lungenverjauchung (1840 bis 1857) seltener mehr beobachtet. Hering sah bei einem in der Eecon-valescenz befindlichen Starrkrampfpatienten plötzlich Erstickungszufälle, während des Fressens eintreten. Die sofort vorgenommene Tracheotomie rettete das werthvolle Thier, indem ein in den Kehlkopf eingedrungener Bissen Heu entfernt wurde.
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Allgemeine Veränderungen des Blutes in Bezug auf Quantität oder
Qualität.
Vollblütigkeit. Polyaemia (von Ttolvg viel und ceJiia Blut). Plethora oder Repletio {uIvO-üSqu = dem lat. laquo;repletiogt; die Fülle, Anfüllung) wird der Zustand genannt, bei welchem die Gesammtblutmasse vermehrt ist, ohne dass indess feine qualitative Veränderung derselben zugegen zu sein braucht. Weicht das Blut nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ vom Normalen ab, so dass das Verhältniss der das Blut zusammensetzenden Stoffe alterirt ist, so erhält der Zustand je nach der Zunahme des betreffenden Blut-bestandtheiles eine besondere Bezeichnung. Sind z. B. die rothen Blut­körperchen vermehrt, so wird der Zustand laquo;Polycytluemia (mbra)raquo; genannt. Das griechische Wort xvtoq heisst eigentlich die Höhlung, wird aber in dieser und anderen Zusammensetzungen medicinischer Kunstausdrücke ge­braucht, um die rotheu Blutkörperchen zu bezeichnen. Polycythsemie (von xvioc, Tiolvc, affia) bedeutet somit einen Ileichthum des Blutes an rothen Blutkörperchen. Derartige Zustände entwickeln sich am ehesten bei Thiereu in jugendlichen und mittleren Lebensjahren, namentlich wenn dieselben aus schlechter Fliege und Behandlung mit einem Male in Verhältnisse gebracht werden, in welchen sie bei wenig und leichter Arbeit regelmassig und kräftig gefüttert werden. Man darf indess Polyamiie und Polycythsemie nicht für gleich bedeutend halten mit der Zunahme an Körpergewicht, wie dies bei der Mast z. B. der Fall ist. Dieser Zustand ist in der Kegel weder von Polysemie noch von Polycythsemie begleitet. Letztere charakterisiren sich beide durch ein günstigeres Mass von Kraft, durch höhere Röthe der sicht­baren Schleimhäute, vollen Puls, stai'ke Turgescenz der Venen u. s. w. Der­artige Individuen sind an und für sich zwar gesund, disponiren indess mehr als sonst zu Hyperteraieen, namentlich zu Hirn- und Lungenhypersemleen. In Folge dessen ist die Ausdauer der Thiere zu länger anhaltenden körper­lichen Anstrengungen vermindert. Durch entsprechende Behandlung, die vorzugsweise eine entziehende oder auf den Darm ableitende sein muss, können diese Zustände in der Piegel bald wieder beseitigt werden, da die­selben in den meisten Fällen vorübergehende sind.
Die Annahme, dass nach plötzlicher Entfernung eines grösseren Körper-theiles z. B. der Amputation einer Gliedmaasse, dieselbe Blutmenge, wie vor der Entfernung des betreffenden Theiles erzeugt werde, führte zur Auf­stellung einer besonderen Vollblütigkeit, nämlich der Plethora apocoptica
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(dnoxoTTTeiv abschneiden). 0. Weber hat indess gefunden, dass nach der Amputation einer ganzen Hintergliedmasse des Hundes der Blutdruck in der Carotis sich vermindert. Das nach der Operation eintretende Wundfieber steigert den Verbrennungsprocess so sehr, dass eine wirkliche Plethora nicht eintritt.
Wo eine wahre Polysemie oder Polvcythamiie anfängt, ist unbestimm­bar, da weder die normale Blutmenge überhaupt, noch das Verhältniss der rothen Blutkörperchen zu den übrigen Blutbestandtheilen genau bekannt sind, und selbst wenn dies wäre, die Ermittlung fraglicher Verhältnisse, die beiläufig bemerkt beständig gewissen Schwankungen unterliegen, während des Lebens, wenigstens zur Zeit unmöglich sein würde.
Ein der Polycythose entgegengesetzter Zustand ist die Leukocythose oder Leukaemie (von Xevxög leuchtend, glänzend, weiss; y.vToc und laquo;/,laquo;laquo; gebildet). Bei derselben ist die Zahl der rothen Blutkörperchen relativ und absolut vermindert, während die der farblosen Blutzellen in sehr verschie­denen Graden vermehrt ist. Die Blutmenge ist entwedör gar nicht, oder doch nicht wesentlich vermindert. In den höheren Graden der Leukaemie kommen auf je 10 bis 2 farbige Blutkörperchen ein oder noch mehr farblose, während das normale Verhältniss etwa 300 zu 1 ist. Die Farbe des Blutes ist demgemäss je nach dem Grade des Leidens mehr oder weniger hell.
Der Polysemie entgegengesetzt ist die Oligaemie (von oXiyos wenig und aifia) oder Anämie, bei welcher die Blutmenge im Ganzen. oder doch die für die Ernährung wesentlichsten Bestandtheile vermindert sind. Eine_ reine Amemie, d. h. ein Zustand, bei welchem die Blutmenge wirklich absolut vermindert ist, kommt nur nach grossem Blutverluste für sehr kurze Zeit vor, weil schon während desselben ein vermehrter Zufluss von Lymphe und von sogenannter Parenchym- resp. interstitieller Flüssigkeit in die Gefässe stattfindet. In Folge dessen werden diese bald wieder mit einem Blute gefüllt, welches an Blutkörperchen, besonders an rothen, sowie an Eiweiss arm, dagegen an Wasser reich ist. Diesen Zustand nennt man Hydramiie (von vätog Wasser und ai/ia Blut) = Blut wässerigkeit, üeber-gänge zwischen Anaemie. Hydrasmie und Leukaemie sind demgemäss nicht selten.
Die Ursachen der Anaemie sind verschieden; vorzugsweise häufig bestehen dieselben in grossen Blutverlusten, übermässiger Anstrengung, schlechter Ernährung und Pflege, fieberhaften und namentlich chronischen Eiterungsprocessen. Schleimflüssen, die ein Allgemcinleiden zur Folge haben, Cachexien u. dersl.
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Die klinischen Merkmale der Ansemie sind im Wesentlichen folgende:
Allgemeine Schwäche, Blässe der Schleimhäute, schwacher, weicher, manchmal kaum fühlbarer Puls, starker, selbst pochender Herzschlag, an­gestrengtes Athmen. welche beiden letzteren Erscheinungen sich schon nach kurzer Bewegung auffallend steigern, wobei auch die Pulsfrequenz zunimmt; die Temperatur der peripherischen Körpertheile sinkt.
Für die praktischen Zwecke ist die Unterscheidung einer aeuten und chronischen Anaemia recht brauchbar; erstere ist in der Regel leichter als letztere zu beseitigen. Bei sehr acut auftretender Ansemie in Folge starker Blutverluste werden die Thiere plötzlich sehr matt, schwanken, oder fallen gar um, wobei der Herzschlag ganz unfühlbar werden und eine völlige Ohnmacht sich einstellen kann. Während derselben steht die Blutung, be­ginnt indess beim Erwachen des Patienten von Neuem, wenn inzwischen nicht für gehörigen Verschluss der blutenden Gefässe gesorgt worden ist. Bei der aeuten Anaemie, die durch starke Blutverluste plötzlich herbei­geführt wurde, können die Thiere möglicherweise gut genährt sein, während dieselben bei mehr allmäliger Ausbildung der Ansemie meist abgemagert sind.
Die Prognose und Therapie richten sich vorzugsweise nach den der A n ae m i e z u Grunde 1 i e g e n d e n U r s a c h e n. Tragen grosse Blutverluste, übermässige Anstrengungen, schlechte Ernährung und Pflege die Schuld an der vorhandenen Blutarmuth, so genügt es, wenn die Patienten geschont und entsprechend gefüttert werden, wobei eine geregelte Pflege von grosser Bedeutung ist. Bei regem Appetit muss man die Thiere vor Ußberladung der Verdauungsorgane bewahren, während bei geringer Lust zur Futteraufnahme diese angeregt werden muss. Man reiche zu diesem Zwecke bittere Mittel mit Kochsalz, Brechweinstein, Nux vomica, Chinarinde oder Chininum muriaticum amorphum u. dergi. Nur dann, wenn die Ursachen entfernbar sind, darf eine radicale Heilung der Blutarmuth erwartet werden. Langhaarige Pferde werden zur leichteren und gründ­licheren Cultur der Haut geschoren. Bei der chronischen Anfemie, deren Aetiologie unbekannt ist, wird neben einer entsprechenden Ernährung und Pflege der Patienten innerlich Chinin, oder Chinarinde, Eisenpräparate, sowie besonders Arsenik gegeben. Von letzterem habe ich bei Pferden manchmal sehr gute Wirkungen gesehen, besonders wenn dieselben bei reger Fresslust und guter Fütterung und Pflege ohne jede bekannte Ursache herunter­gekommen waren. In allen Fällen der chronischen Blutarmuth, denen eine unheilbare Krankheit zu Grunde liegt, wird man von einer Radicalcur absehen müssen. Wird eine Palliativbehandlung gewünscht, so hat dieselbe dahin zu streben, den Fortschritt der Krankheit möglichst zu behindern. Im Allgemeinen
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gelten hier folgende Regeln: Etwa bestehende Eiterungen oder Schleim­flüsse müssen beschränkt, wo möglich geheilt und die Ernährung mit allen zu Gebote stehenden #9632; Mitteln gefördert werden. Innerlich werden Eisen-und China-Präparate gegeben, wobei man darauf zu achten hat, class durch erstere die Verdauung nicht belästigt wird.
Die Chlorose (von xXmQos blassgrün, gelblich) ist eine Ansemie, bei welcher die rothen Blutkörperchen meist beträchtlich, die weissen hingegen wenig oder gar nicht vermindert erscheinen. Auch Eiweiss und Faserstoff sind in normaler Menge vorhanden. Der Wassergehalt des Blutes erscheint im Verhältuiss zur Abnahme der rothen Blutkörperchen erhöht, die Blut­menge im Ganzen nicht vermindert. Der Käme ist aus der Menschenheil­kunde in die Thierheilkunde übergegangen, obgleich die eigenthümliche Farbe der äusseren Haut bei chlorotischen Menschen an Thieren selbst­verständlich nicht wahrnehmbar ist. Bei Thieren kann nur eine ähnliche Beschaffenheit der sichtbaren Schleimhäute, sowie besonders eine mikro-scopische Untcrsuclmng des Blutes die Feststellung einer Chlorose sichern.
In Bezug auf den Eiweissgehalt des Blutes wird eine Vermehrung, sowie eine Verminderung die normale Blutbeschaft'enbeit alteriren. Da die Eiweisse nicht nur für die Ernährung und das Wachsthum direkt, sondern auch indirekt von Bedeutung sind, (letzteres insofern die Blutflüssigkeit zu­folge ihres Eiweissgebaltes die Fähigkeit besitzt, dünne Flüssigkeiten nach den Gesetzen der Membrandiffusion, sowohl aus dem Verdauungsrohre, wie auch aus den Parenchymen zu absorbiren) so sind die Veränderungen im Eiweissgehalte des Blutes praktisch von Wichtigkeit.
Nimmt das Eiweiss im Blute ab, so wird dasselbe durch Wasser oder durch Salze, insbesondere durch Kochsalz ersetzt. Es tritt für 8 bis 14 Theile Serumeiweiss 1 Theil der im gewöhnlichen Verhältnisse ge­mischten Blutsalze ein.
Hypalbuminose nennt man den Zustand, wenn die Eiweissraenge der Blutflüssigkeit vermindert ist; der Eiweissgehalt kann hierbei von 80 0/oo auf 70, — 50, — ja selbst bis 370/oo sinken. — Bei der Hyperalbuminose ist der Eiweissgehalt der Blutflüssigkeit vermehrt.
Als Hyperinose und Hypinose (ioto unter und rji'g, tVo? die Muskelfaser, die krankhaft verminderte Muskelthätigkeit, — die Verminderung des Faser­stoffs) bezeichnet man eine Vermehrung, resp. Verminderung des Faser­stoffes (oder besser gesagt der fibrinogenen Substanz) im Blute. Wir
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schliessen auf das Vorhandensein dieser Zustände aus der schnelleren oder langsameren Gerinnung des aus der Ader gelassenen Blutes und aus der esteren oder lockeren Beschaffenheit des Blutkuchens. Ueber die Ver­mehrung der fibrinogenen Substanz im Blute in Folge von Entzündungen vergleiche man das beim fibrinösen Exsudate (siehe Seite 58—60) Gesagte.
Marasmus (o (tagaafioe das Schwachwerden, besonders das Abnehmen der Lebenskraft im hohen Alter oder durch abzehrende Krankheit [fuxqutvm erlöschen, zu brennen aufhören], i] (idqavaig das Dünn-, Welkwerden, vom Alter) nennt man den Zustand, welcher in Folge allgemeiner Atrophie fast aller Organe und Gewebe zu Stande kommt. Derselbe ist dem höheren Alter eigenthümlich, kann indess unter gewissen abnormen Verhältnissen in jedem Lebensalter sich entwickeln. Der Marasmus s. Maransis senilis ist zwar streng genommen ein krankhafter Zustand, indess gleichwohl der normale Ausgang des Lebens. Bei unseren Hausthieren tritt indess der Tod in Folge von Altersschwäche aus leicht begreiflichen Gründen weit seltener, als bei Menschen ein. Bei demselben bringt irgend eine, oft nur sehr geringe und schwer nachweisbare, locale Störung das bereits wenig energische Getriebe des Organismus zum Stillstand.
Marasmus prsematums, der sogenannte vorzeitige oder Krankheits-Marasmus unterscheidet sich vom senilen in seinen wichtigsten und end­lichen Folgen nur wenig oder gar nicht. Bios ist bei dem pramaturen Marasmus das eine oder andere Organ oder System vorwiegend afficirt, während bei senilem Marasmus fast alle Gewebe und Organe in beinahe ganz gleichem Maasse atrophirt sind.
.
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Inlialtsverzeichiiiss.
A.
Abscess 65.
„ kalter 73. Aderfistel 28. Aderlastfistel 28. Adenome 148. Adeno-Sarcome 150. Adventitia 14. Akinesis 278. Akutorsion 172. Amyloid 75. Ausemie 415. Anätzungen siehe Yerbren-
nungen. Anchylosis 339. 381. Aneurysma 287. — spurium 39. Augiektasie 26. Angiome 126. Aplasie 48. Aphthenseuche 228. Apoplexie 36. Arterienpröpfe 33. Arthritis 80. 363. Arthrocaoe 322. Astheuie 14. Atherome 156. Atrophia ad numerum 93.
B.
Balggeschwülste 154. Bauchbrüche 262.
Beuarbung 186.
Bindegewebsgesfhwiilste. 117.
Bindegew ebsneubildung 64.
Blasenpolypen 150.
Blasenwünner 157.
.Blutadergeschwülste 289.
Bluterkrankheit 40.
Blutgelenk 357.
Blutgeschwulst 163.
Blutharnen 37.
Blutknoten 36.
Blutspath 293.
Blutstillung 45.
Blutstockung 17. 52.
Blutungen 35.
Blutuuterlaufung 36.
Blutveränderungen, allge­meine 414.
Blutvergiftung 92.
Blutwässerigkeit 415.
Brand 88.
Brandblasen 90.
Brandgenich 89.
Brustbeule 77.
Bullse gangraenosse 90.
Catgut 176. Cellularpathologie 11. Centra 277. Chiragra 80. Chlorose 417. Cholesteatome 156. Chondrome 120. Chromatosis 95. Cicatrisatio 97. Cirsocele 293. Coaptation 333. Coarctatio 24. Coenurus cerebralis 157. Colloidcysten 155. Colloidmetamorphose 94. Commotionen 308. Compression 170. Concrement 75. Congelatio 236. Congestion 20. Congestionsabscess 74. Contagium 240. Contraextension 333. Contusion s. Quetschung. Crepitationsgeräusche 322. Cretificatio 95. Croup 60. Croupmembran 60. Crusta iuflammatoria 59. 66. Cysten 154. — apoplectische 43. , Cysticercus cellulosee 157. Cystome 154.
Callus 328. Carcinome 140. Caries 320. Carnificatio ossis 322.
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Cystosarcome 132. Cutis 241.
Igt;.
Darrsucht 78. Decubitus 88. Degeneration 65.
—nbsp; nbsp; amylokle 95. 97.
—nbsp; nbsp; atheromatöse 290. Demavcationsgrabcn 90. Demaicationslinie 90. 198. Dernioidcysten 155. 156. Desmoide 117. Diathese, lympliatisclie oder
scrofulöse 78.
Dilatatio (der Gefässe) 25.
Diphtherie 61.
Disposition (haemorrha-gische) 40.
Dissemination 100.
Druckbrand 245.
Drüsengeschwülste 148.
Druse (chronische) 78.
Durchschlingung (der Ge­fässe) 172.
Dyscrasie, tuberculöse 78.
— scorbutische 80.
E.
Ecchondrose 349. Ecchymose s. Ekchymose. Eczema s. Ekzema. Eingeweidebrnch 260. Eiter 54. 185. Eiterfieber 202. 394. Eitcrkörperchen 55. Eiterresorption 56. Eiterserum 55. Ekchymose 36. Ektasie der Gefässe 25. 39. Ekzema 251. Elephantiasis 73. Embolie 26. 27. 33. Embolus 33. Emphysema gangreenos. 89.
Endoarteriitis 290. Endocarditis 290. Entartung 65. 95. 97. Entzündung 48.
—nbsp; nbsp; des Bindegewebes 253.
—nbsp; nbsp; der Gelenke 363.
--------Knochen 313.
--------Knorpel 345.
--------Nerven 306.
—nbsp; nbsp;— Sehnenscheiden 371.
--------Synoviulhäute 367.
Epidermis 241. Epithelialkrebs 143. Epithcliom 153. Epistaxis 37.
Epulis 131.
Erfrierungen 230. 236. Erkältung 238. Erkrankungen der äusseren Haut 241.
—nbsp; nbsp; dos Bindegewebes 253.
—nbsp; nbsp; der Blutgefässe 286. --------Drüsen 298.
—nbsp; — Gelenke 356.
—nbsp; — Knochen 309.
—nbsp; nbsp;— Knorpel 345.
--------Lymphgofässe 294.
--------Muskel 257.
--------Nerven: 305.
-------Sehnen 279.
—nbsp; nbsp; spontane 237.
_ der 'Weichtheile 161. Erosion 55. Erweichung 93.
—nbsp; nbsp; faulige 28.
—nbsp; nbsp; puriforme 27. Erweichuugscysten 154. Erweiterung der Gefässe 25. Erysipelas 29. 69. 2*7. Erythema 69. 231. Exfoliation 320. Exostose 315.
Exsudat 53. Exsudation 53. Exsudationscysten 154. Extension 333. Extravasat 36. 39. Extravasationscysten ,154.
F.
Fasergeschwülste 117. Faserstoff 58. Faulfieber 203. 394. 399. Fettcysten 156. Fettgeschwülste 118. Fibrin 59. Fibrocarcinome 142. Fibroide 117.
Fibrome 117. Fibrosarcome 128. 132.
Fieber 387.
Fissuren 326.
Fisteln 55. 74. 85.
Flächengesohwür 75.
Flankenbriichc 262.
Fluxion, coüaterale 22.
Foetor 89.
Fracturen 325.
Fruchthof 116.
Fungi 106.
Furchungsprocess 115.
Furunkel 226.
O.
Gallen, entzündliche 368. 372.
—nbsp; nbsp; kalte 73. 369. Gallcrtkrebs 141. 144. Gangraena 88.
—nbsp; nbsp; per deeubitum 245.
—nbsp; nbsp; sine odore 90. Gebärmutterblutung 37. Gefässcrweiterung 289. Gefässgeschwülste 126. Gclenkempyem 367. Gelenkentzündung 363. Gelenkgallen 368. Gelenkhydrops 367. Gelonkkrankheiten 356. Gelenkraäuse 383. Generalisation 100. Geschwülste 100. Geschwüre 55. 81. Gewcbserkrankungen im
Allgemeinen 11.
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Gewebsneufcildung, entzünd­liche 64.
Gramüationsfläche 182.
Granulationsgewebe 179. 185.
Granulationssarcom 128.
Grützbeutel 156.
Gypsverband 334.
H.
Haaroysten 156. Haarseilschüsse 209. Hsemartnron 357. Hsematocele 37. Hsematom 163. Hsematuresis s. Hsematurie
37. Hsemorrhagie 35. Hiemorrhapliilie 40. Ifeniorrhoiden 37. Hssmostase 45. Hautgescliwür 81. 83. Hauthörner 146. Hautkrankheiten 241. Hautwunden 243. Havers'sche Kanälclien 311. Hcerd, apoplectiformer 36. — apoplectischer 36. Hemiplegie 274. Hernie 260. Heteroplasie 98. Hirschkraiikbcit 407. Höhlengeschwüre 74. Hohlgeschwüre 81. 85. Humoralpathologie 11. Huudswuth 121. Hydatiden 156. Hydrsemie 415. Hydrophobie 227. Hypalbuminose 417. HypeiEemie 14. Hyperalbuminose 417. Hyperinose 417. Hyperplasie 47. Hypersecretion 73. Hypersthenie 14. Hypertrophie 47.
Hyphaemie 36. Hypinose 417. Hystricismus 147.
Knochennekrose 320. 311. Knochensubstanz 310. Knochenwachsthum 350. Knochenzellen 311. Kuorpelentzündung 345. Knorpelfuge 352. Knorpelgeschwülste 120. Knorpelwunden 345. Kraft 14.
Krankheiten der äusseren Haut 241.
—nbsp; nbsp; des Bindegewebes 253.
—nbsp; nbsp; der Blutgefässe 286.
-------Drüsen 298.
-------v Gelenke 356.
-----r Knochen 309.
-------Knorpel 345.
-------Lymphgefässe 294.
-------Muskeln 257.
—nbsp; — Xerven 305. -------Sehnen 279.
—nbsp; nbsp; spontane 237.
—nbsp; nbsp; der Weichtheile 161. Krase, hyperinotische 59. Krebs 142. Krebszellen 140.
Kropf 150.
Ichorhseraie 395. Ichthyosis 157. Impetigo 252. Induration 95. Infarctus 17. 36. Infiltrat, eiteriges 55. — hamorrhagisches 36. Infractionen 326. Intermediärknorpel 352. Intinia 14. Involutio 93. Ischsemie 14. 21.
IC.
Kalkkanälclien 311. Karbunkel 226. Keloid 193. Kcimblase 116. Keimblatt 116. Keimgewebe 179. Kera(to)phyton 82. Klanenseuche s. Aphthen-
seuche. Kleisterverband 336. Kloake 321. Knieschwamm 77. Knochenatrophie 325. Knochenbrüche 325. Knochenentzündung 313. Knochenerweichung 818. Knochengeschwülste 120. Knochengewächs 315. Knochenhaut 310. Knochenhautentzündung
313. Knochenhöhlen 311. Knochenhypertrophie 325. Knochenkörperchen 311. Knochenkrebse 131. Knochenmark 312. Knochenmarkentzündung
321.
Lähme (jtmgei Thiere) 379. Lähmungen 274. Lebenskraft 11. Leistenbrüche 262. Leuksemie 415. Leukocythose 415. Lipome 118. Luftstreifschüsse 208. Lungenblutung 37. Lungenseuche 229. Lusus naturae 99. Luxationen 359. Lymphadenitis 294. 299. Lymphangitis 294. Lymphdrüsenentzüudung
299. Lymphdrüseusehwellung
quot;299.
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Lympligefässentzündung
294. Lyraphome 135. Lyssa 227.
M.
Malacia 93.
Maransis s. Marasmus 418.
Markgesohwülste 129.
Markkrebs 129.
Materia peccans 238. 393.
Maulseuche siehe Aphtheu-
seuche. Media 14.
Medullarcarcinom 142. Melanosen 131. Metamorphose (amylo'ide)
95. 'Metastase 100. Meteorismus 89. Metrorrhagie 37. Miasma 240. Mikrococcus diplithoriticus
02. Mikrosporon septieum 396. Milzbrand 225. Milzbrandkarbuukel 226. Missbildung 99. Morficationsprocess 88. Mucin 56. 95. Muskelatrophie 272. Muskelblutungen 258. Muskelentzündung 258. 268. Muskelgeschwülste 125. Muskelhypertrophie 272. Muskelkrämpfe 276. Muskellähmung 273. Muskelverletzungen 192. Myome 125. Myositis 268. Myxosarcome 132. 150.
IST.
Nabelbrüche 262. Nachblutungen 197. 201. Nachfieber 203. Nähte 175.
Narbenbildung 97. Narbengewebe 179.
—nbsp; nbsp; apoplectisches 43. Naturspiel 99. Nekrobiose 93. Nekrosis 87.
—nbsp; nbsp; des Knochens 320. 341. Nekrotisirung 75. Nervcncentra s. Centra. Nervoneutzündung 306. Nervengeschwülste 125. Netzzellensarcom 129. Neubildung, entzündliche ö4. Nenrome 125.
—nbsp; nbsp; traumatische 193. Neuopathologie 11. Neurectonüe 308. Neurotomie 308.
O.
Oberhaut 241. Obliteration 33. Oedem 29. 30.
—nbsp; nbsp; purulentes 55. Olirdrüsenentzüuduug 301. Ohrdrüsenlymphoin 138. Oligeemie 415. Onchotomie 256. Ossificationsprocess 351. Osteoklasten 328. Osteomalacie 317. Osteome 124. Osteomyelitis 319. Osteophyten 315. Osteosarcome 130. Ostitis 317.
Periost 310. Periostitis 313. Petrificatio 95. Phlebectasie 292. Phlebitis 28. Phlegmone 253. Physaliden 99. Piephacke 377. Pigmentsarcom 129. Plethora 414. Pleuroperitonealhöhle 116. Pneumorrhagie 37. Pneumothorax 89. Portagra 80. Polysemie 414. Polyoythtemie 414. Polycythose 415. Polypen 106. Prolapsus 266. Pseudarthrose 338. Pseudoerysipelas 253. Pustula maligna siehe Milz­brand. Pyajmie 394. 401.
—nbsp; nbsp; multiplex 402.
—nbsp; nbsp; simplex 402.
Q.
Quetschungen 162. Quetschwunden 196. Qnotidiana 394.
Jt£raquo;
Kabies 227. Racheulymphome 135. Regeneration 97.
—nbsp; nbsp; der Nerven 193. Rehbein 77.
Reizbarkeit (nutritive) 13. Reizgeschwüre 84. Reteutionscysten 154. Rhachitis 318. 349. Rhenmatismns 270. Rhysis 38.
Riesenzellensarcom 128. Risswunden 205. Rotzkraukheit 218. Rundzellensarcom 128.
Panaritium 253. Papillarhypertrophie 145. Papillome 145. Paralysis 275. Paresis 275. Paraplegic 274. Paronychia 253. Parotitis 301. Perilymphangitis 295.
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423
Sarcome 127.
Schale, weiclie 366.
Schenkelbrüche 262.
Schienenverhand 336.
Schlagadergeschwulst 287.
SehleimbentelentzÜDduiig 377.
Schleimcysten 155.
Schleimkörperchcu 54.
Schleimmetaiuorphose 95.
Schleimpolypen 150.
Schleimsarcom 129.
Schleimcystisches 133..
Schmelzung, eiterige 55.
Schnittwunden 164.
Sehusswunden 207.
Schwäche, irritable 14.
Schwämme 106.
Schwellung, trübe 53. 345.
Schwielen, rheumatische 272.
Scirrhus 106.
Sehnenentzündung 280.
— idiopathische 285.
Selmenldapp 281.
Sehnenscheidengallen 372.
Sehnenstelzfuss 281.
Senkungsabscess 74.
Sepsin 395.
Septhtemie oder Septicoemie
394. 399. Sequester 321. Sequesterlade 821. Sequestrotomie 324. Solidarpathologie 11. Sphacelus 89. Speckstoff 75. Spindelzellensarcom 128. Starrkrampf 405. Stase 52.
— (Diffusions) 18. Stenose (der Gefässe) 24. Sthenie 14.
Störungen, allgemeine 387.
—nbsp; nbsp; der Empfindung 13. --------Ernährung, örtliche
47.
—nbsp; nbsp; des Kreislaufs 14. Stollbeule 77. 377. Strahlfäule 82. Strahlkrebs 82. Streichen 77. Streifschüsse 208. Stichwunden 194. Struma 150. Styptka 173. Substanz, fibrinogene 59.
—nbsp; nbsp; fibriuoplastische 59. Suffusion 36. Synovitis, purulenta 370.
—nbsp; nbsp; serosa 367.
X.
Tamponade 171. Tela ossea 310. Telangiectasie 289. Tenalgla 280. Tenoncus 281. Tenontagia 280. Tertiana 394. Tetanus 405. Thrombose 26. Trismus 405. Torpiditas 14. Torpor 14. Torsion 172. Tuberkel 78. Tuberculosis 78. Tumor albus 72. 365. Tumoren 98. Typus der Eieber 394.
XJ.
Ueberwurf 262. UIcus simplex 81.
Unterbindung der Blutge-
fässe 168. Unterhaut 241.
Varicocele 293. Varix 288. 292. Verband (gefensterter) 342. Verbrennungen 230. — durch Blitz 235. Verdichtungen 95. Verengerung der Gefässe 24. Verhärtung 95. Verknöcherungsprocess 351. Verkreidung 95. Verletzungen der quot;VVeich-
theile 162. Vernarbung 76. Verrenkungen 359. Vcrschwärung 73. Verstauchung 358. Versteinerung 95. Verwundungen der Iserven-
centren 193. Vollblütigkeit 414. Vorfall 266. Vorlagerung 260.
W,
Wachsthumsgliederung 350. quot;Warzen 145. quot;Wasserglasverband 336. quot;Wasserscheu 227. Winddorn 131. quot;Wunden 164. 215. Wundfieber 398. quot;Wundheilung 175. 181. Wundstarrkrampf 408.
Z.
Zahncysten 156. Zellengewebe 179. Zellenterritorien 12. Zuchtzellen 99. Zwerchfellbrüche 262.
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Veränderungen des Blutes in Bezug auf Quantität oder Qualitätquot;. 11nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;5 „ „ ist das Wort „krankhafterquot; zu streichen.
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