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Mechanische Untersuchunffen
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den Gelenken und dem Hufe
des Pferdes.
Von
Fr. Peters,
Ober-Rossarzt des I. Grosslierz. Mecklenb. Drag.-Rcgmts. No. 17.
Mit zwei fja^ln und gt;melircvei) Holzschnitten.
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#9632; #9632;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; .' #9632; #9632; '
Berlin 1879. Verlag von August Hirsohwald.
N.W. Ontorden Lindon No. 68.
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Alllaquo; Rochte voi'bobalten.
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Vorwort.
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r Anlass zu den nachstehenden mechanischen Unter-
suchungen entsprang dein Bedürfnislaquo; und dein Verlangen, die controverse Frage des schiefen Hutes einer näheren Erörterung zu unterziehen, lieber die Nothwendigkeit derselben braucht gegenüber dein Praktiker kein Wort gesagt zu werden, die Wichtigkeit des Gegenstandes ist bekannt und wird sich auch im Laufe der Betrachtungen deutlich genug ergehen.
Da es sich in dein Thema um die Ermittelung des normalen und besten Verhältnisses in der Länge von in­nerer und äusserer Hufseite handelt, so war es noting, die Vertheilung der Last und deren Abhängigkeits-Verhält-niss von der relativen Länge ,der Wände kennen zu lernen. Die Untersuchung konnte an scharten und ge­nauen Nachzeichnungen der Querschnitte des Hufes, unter Anwendung einfacher mechanischer Principien, aus­geführt werden.
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IV
Vorwort.
Für den Huf an sich würde sie damit abgeschlossen gewesen sein, wenn die Last zu jeder Zeit auf seine obere Druckfläche, d. Ii. dio Hufgelenkfläche, In derselben Stärke und in derselben Vertheilung einfallen würde. Da dies aber nicht der Fall 1st, da die Hufgelenkfläche bald auf ihrer äusseren, bald auf ihrer inneren Seite ein höheres Maass von Druck empfängt, je nachdem ein Paar von Fassen oder ein einzelner Fuss die Körperlast stützt und je nachdem der Fuss in einer früheren oder späteren Phase der Stützung sich befindet, so war es noting, die letzteren Verhältnisse in ihren Einwirkungen auf die Veränderung der Druckgrössen näher zu betrachten, lis inusste deshalb ein Schritt weiter gegangen und die Untersuchung auf die Querschnittsfläche der höheren Theile der stützenden Schenkelsäulen ausgedehnt werden.
Zu Folge dieses Bedürfnisses hat sich nächst dein Abschnitt über den schiefen Huf ein solcher heraus­gebildet, worin die in der Transversalebene liegenden Bewegungsvorgänge der stützenden Füsse, in Anlehnung an die Bewegungen des körperlichen Schwerpunktes, entwickelt werden. Da die Bahn des letzteren in hohem Grade durch bestimmte Einrichtungen der Gelenke be-einflusst wird, so mussten hier mehrfache Betrachtungen eingeschoben werden, welche sich auf gewisse, der Be­achtung bisher entgangene Besonderheiten in deren Bau, soweit sie auf die Bewegungsrichtung einen Einfluss üben, beziehen. In dieser Weise ist es gekommen, dass die Betrachtung mannigfach von einem Gegenstände1 zum au-
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Vorwort.
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doren hinüber .schweift, dass der Weg bei den Uiiter-sucluingcn etwas krummlinig geworden ist. Indessen glaube ich auf demselben einiges Neue gefunden zu haben, was wohl der Mittbeiluug wertii ist, so dass ich jetzt kaum den Abschnitt über die Bewegungsvorgänge als Mittel zum Zweck oder als blossen Appendix zur Frage des schiefen Hufes hinstellen möchte, vielmehr die dargeleg­ten Folgerungen für geeignet halte, bei weiterer Durch­bildung für manche Frage aus der Aetiologie und Dia­gnostik der Lahmheiten sowie aus der Beurthoilungslehrc des Pferdes verwerthet zu werden.
Im dritten Abschnitt ist ein Facit aus den beiden voraufgehenden für die Abnutzung und Zurichtung des schiefen Hufes gezogen. In einem vierten Ab­schnitt habe ich eine neue Spat-Theorie, die Distor-sions-Theorie, entwickelt, welche sich auf das im zweiten Abschnitt dargelegte eigenthüraliche Verhältniss derSprung-gelenkaehse gründet.
Die mangelhafte Anordnung dos Materials möge man mir in Rücksiebt auf meine Ungeübtheit in der Schrift-stellerei nachsehen. Was den sachlichen Inhalt anbetrifft, so wird die Kritik wohl manchen Fehler in der Schluss­folge aufdecken. Ich mnss darauf um so mehr gefasst sein, als ich mich auf ein bisher nicht eultivirtes Gebiet gewagt habe und die Folgerungen auf deduetivem Wege mit Hülfe von Lehrsätzen einer Wissenschaft, der Mechanik, habe machen müssen, welche nicht mit in den engeren Kreis der Hülfswissenschaftcn des thieriirztlichen Berufes
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YInbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Vorwort.
gehört und auch für eine correcte Anwendung wohl mehr Uehung voraussetzt, als ich sie besitze. Indessen das Thema ist hochwichtig und wird bei besserer Durch­arbeitung im Stande sein, manche Lücke in der Aetiolo-gie, der Symptomatologie und Therapie der Gelenkleiden auszufüllen, auch für die Beurtheilungslehre des Pferdes neue Anhaltepunkte zu geben.
Ludwigslust, im November.
Peters.
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I n li a 11.
1.nbsp; nbsp;Dur schiefe Huf, in Bezug auf Hau und Belastung..........1
2.nbsp; Slollung und Belastung der stüteendoti Füsse in der Transvoreal-
cbenc......................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;28
.0gt;. Abnuteung und Behandlung des schiefen Hutes..........(18
i. Die mechanische Dehnung der Sprunggolenkkapsol als Ursache des
sP:lts.............................80
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Der schiefe Huf.
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eber den schiefen Hof sind die Ansichten der Schriftsteller ttber Hufheschlag sein- getheilt. Während Hartmann, Brücher, Erdt in ihren Werken die steile Hufseite als die iifiturgemiiss höhere bezeichnen, wird sie von Dominik als die kQrzere betrachtet. Solche Widersprüche haben die Veranlassung gegeben, den schie­fen Huf in seinen Hildungsverbältnissen und seinen Beziehungen zu der zugehörigen Sohenkelstellung einer genauen Betrachtung zu unterwerfen, um darauf die Begründung für seine Behandlungs-weise zu basiren,
Die Wichtigkeit der Streitfrage für die Gesunderhaltung des Hufes selbst, besonders aber des ganzen Fusses und seiner Gelenke, ist bekannt genug und dürfte für sich schon die Notwendigkeit darthun, dass die Frage des schiefen Hufes besprochen wird. Es kommt aber zur Zeit noch ein Umstand hinzu, welcher die Besprechung als dringlich er­scheinen lilsst, und das ist die Eüeksicht auf den Beschlag­schmied. Seit der Staat, in der richtigen Erkenntniss von der Wichtigkeit eines guten Hufbeschlags, grössere Lehranstalten für letzteren errichtet hat, verlässt alljährlich eine grössere Anzahl von jungen Hufschmieden die Lehranstalt, um gemäss den Lehr­sätzen der betreffenden Anstalten den praktischen Beruf auszu­üben. Die Gefahr liegt nahe, dass der junge Schmied schon nach kurzer Zeit in Conflict geräth mit den Anforderungen und Ansichten, welche, den ihm gelehrten Sätzen entgegen, von an­derer Seite geltend gemacht werden. Deshalb ist es nothwendig, damit bei dem Anfänger in der Beschlagskunst nicht von vorne-
PotorBi Qntorsuohungennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;\
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Dor sohiefe Hul'.
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herein das Vertrauen in verba magistri ersohttttert werde, von den streitigen Fragen, unter welchen der schiefe Huf die wich­tigste Stelle einnimmt, zunächst diese aus dem Wege zu räumen.
Die alte Bezeichnung „schiefer Hufquot; ist beibehalten wor­den, weil sie kürzer das ausdrückt, was halbenger- halbweiter Huf ausdrücken soll. Man kann ihn auch den bodenweiten oder bodenengen Huf nennen, je nachdem er den hodenweiten oder bodenengen Schenkelstand begleitet. Der bodenenge Huf wird indessen bedeutend seltener, zumal heim leichten Reitpferde, be­obachtet, da die ihn veranlassende Scbenkelstollung bei den leich­teren, zum Reitdienst passenden Pferden sehr selten vorkommt. Es kann deshalb bei den nächsten Erörterungen der boden­enge Huf ausgeschlossen werden, und wird unter dem schiefen Huf derjenige verstanden, welcher zur bodenweiten Stellung ge­hört, dessen innere Wund also steiler steht als die ilussere.
Bedingungen für die Entwiokelung des schiclflii ilufes. Der schiefe 11 ui' ist nicht angeboren, sondern er bildet sich allmäblig heraus als Hegleiter derjenigen Sohenkelstellung, bei welcher die höheren Gelenke näher der Mittelebene des Körpers liegen als die unte­ren, so dass die Vertikale, welche in der Mitte des Hufgelenks errichtet wird, seitlich nach aussen von den Mittelpunkten der höher liegenden Gelenke liegen bleibt. Der Schenkel hat also eine von oben und innen nach unten und aussen gerichtete Stel­lung, so dass die Druckkräfte der Schwere die inneren Abthei-lungen der Gelenke und des Hufes stärker treffen. Für das mechanische Moment ist es gleichgültig, von welchem Gelenk aus die Abweichung von der Vertikalen beginnt, nur die Grosse der Abweichung, auf der horizontalen Linie gemessen, ist von Einfluss. Die Abweichung kann bei schmalbrüstigen Pferden schon vom Schulter- oder Ellenbogengelenk ihren Anfang nehmen, sie kann aber auch vom Kniegelenk ans und schliesslich auch erst vom Fesselgelenk aus beginnen. Letzteres, freilich nur in geringerem Maasse, findet man bei einer grossen Zahl von gut gebauten Blutpferden, deren Vorderfüsse häufig vom Ellcnbogen-bis zum Fesselgelenk vollständig senkrecht stehen, von dem letz­teren ans aber eine massige Richtung nach aussen bis zum Stütz­punkt des Kronenbeins auf der Hufgelenkflftche zeigen.
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Der schiefe Huf.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3
Die sohl'äge Stellung der Schcnkelknochen 1st als eine für das beti'effenile Individuum nothwendige anzusehen, ans dem Be-dürfniss entstanden, eine Verlegung des Stützpunktes für die Last nach ansscn und eine breitere UnterstiUzungstliiche auf demlOrdbodon zu gewinnen. Als Coeft'ect derselben ist die Ausbildung des schiefen Hutes zubetrachten, aber, um von vorneherein Missdeutungen zu vermeiden, nicht eines an der Solde blos schief abgeriebenen Hufes, sondern mit bedeutenderen organiseben Veränderungen. Die letz­teren sollen einer genauen Untersuchung unterworfen werden und werden sich dabei als die unausbleibliche Folge der einseitigen Belastung des Hufes herausstellen. Es mass daher die Frage, ob wir den schiefen Huf zu bessern im Stande sind, oder iiin überlniupt in einen graden zu verwandeln bestrebt sein sollen, davon abhängig sein, ob die verschiedenen Abweichungen der Schenkelknochen von der Vertikalen als verbesserungsfähige Felder aufgefasst werden dürfen.
Als Norm wird diejenige Schenkelstellung bezeichnet, bei welcher, gerade von vorne betrachtet, alle Knochen von der Schulter bis zum Hufe senkrecht auf einander stehen. Die Nor­malität ist aber nur eine Indieviduelle, sie passt nur für das [n-dividnuni, welches grade so breit von einander gestellte Schultern hat, dass eine gleich breite Unterstützungsfläche der Hufe auf dem Erdboden genügt. Sobald in einem der oberen Gelenke eine so enge Stellung stattfindet, dass eine ebenso breite Unter-stützungsfläche nicht ausreicht, muss die Schiefstellung des ganzen Fusses oder seiner untersten Knochen als das für das Individuum normale Verhältniss betrachtet werden. Die Breite der Unter-stützungsfläche muss nicht nur den Gleicligewichtsverhältnissen entsprechen, welche sieb beim stillstehenden, alle vier Füsse gleichmässig belastenden Pferde darbieten, sondern auch, und das ist wohl die Hauptsache, den bei der Bewegung sich darbieten­den Verlegungen des Schwerpunktes,
Der letztere stellt sich bei einem Pferde mit schmaler Brust schon in Folge einer geringen seitlichen Excursion senkrecht zur stutzenden Huffläche und die Gefahr liegt nahe, dass er bei Be­wegungen, welche mit stärkeren Gleicbgcwicbtsschwankungen verbunden sind, über den Stützpunkt nach aussei! hinaustritt.
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4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Der schiefe Huf.
Dieser Gefahr zu hegegnen, ein Uebersti'irzen nach Aussen zu vermeiden, muss das schmalbrüstige Pferd schon in der Jugend­zeit bestimmen, die Stützpunkte für die Füsse auf breiterer Basis, in grösserer Entfernung von der Mittelebene des Körpers, zu suchen. Hand in Band mit dem breiteren Schenkelsatz und der dadurch erzeugten unglcichmässigen Belastung müssen solche Ümbildungs-Processe an den jugendlichen Gelenken und deren Bandapparat vor sich gehen, dass seitliche Deviationen von der Vertikalen entstehen, welche für die Lebenszeit sich erhalten und den Gleichgewichtsbedingungen entsprechen. Das ausgewachsene Pferd, dessen Schenkelsatz feste Proportionen angenommen hat, wird seine Füsse im Stande der Ruhe wie bei Bewegung stets in eine solche Luge bringen, welche ihm die Erhaltung des Gleich­gewichts mit der geringsten Kraftentwickelung durch die Mus­keln möglich macht, ihm also die leichteste ist. Es wird Hin­dernisse, die sich diesem Bestreben entgegenstellen, und welche durch künstliche Hindernisse, durch fehlerhafte Zurichtung der Stützfläche des Hufes ihm bereitet werden, welche zum Stellen der Füsse mehr nach aussen oder mehr nach innen zwingen wol­len, nicht achten, sondern sie vorläufig durch seitliche Einbie-aumren der hierauf eingerichteten Gelenke neutralisiren, bis es gelungen ist, die vorstellenden, zu hohen Punkte an der Boden-fläche durch Abreibung zu beseitigen und das passende Verhillt-niss wieder herzustellen. Häufig wird indessen, bevor dieser Punkt erreicht ist, das Pferd1 lahm in Folge einseitiger übermässiger Belastung der Gelenke und Bänder.
Bekannt ist aber, dass in der Jugendzeit, zumal in der allerersten, die seitlichen Abweichungen der Schenkel über das nothwendige Maass leicht gesteigert werden können, wenn man der Stützfläche des Hufes nicht die nöthige Aufmerksamkeit schenkt, die Pflege des Hufes vernachlässigt. Zwar ist im Füllen die Breite der Brust und die ihr entsprechende Schenkelstellung des erwachsenen Pferdes präformirt enthalten, so dass es auch bei der sorgsamsten HufpHege nicht gelingen wird, senkrecht stehende Vorderbeine zu erziehen, wenn sie nicht der Brustbreite entsprechen. Aber durch solche Nachlässigkeiten in der Hufpflege, welche schiefen Auftritt im Gefolge haben, können bei den jungen
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Der soliiol'o Huf.
Thieren die in der Anlage begründeten Schiefstellungen in den Gelenken in hohem Grade gesteigert werden. So dürfte der knieenge oder sog. x-beinige Stand, welcher wohl unter allen fehlerhaften Stellungen die dauerbiiftigkeit der Vorderfüsse ara meisten untergräbt, fast ausnahmslos die Folge zu lang gewach­sener äusserer Hufwand sein, denn man findet hei ihm fasst immer eine normal breite Brust, welcher ein senkrechter Stand der Knochen bis zum Huf hinunter am besten entsprechen würde.
Wenn man aber von solchen, dnrcli schlechte Jugendpflege anerzogenen Verkrüppelungen der Beine absieht, so muss man eine geringe Schrägstollung der Vorderfüsse, besonders die Ab­weichung des Fessel- und Kronbeins von der Verticalen, als sehr häufig vorkommend und für die betreffenden Pferde, meistens solche mit geringerer Brustbreite, als normal bezeichnen, weil die Folge der letzteren für die Grleichgewiohtsbedingungen durch sie compensirt wird. Wenn dann erwiesen werden kann, dass ein gerader Huf als solcher nicht fortbestehen kann, sobald die schräge stehenden Knochen die Last in schräger Richtung ihm zuführen und ihn ungleiohmässig belasten, so muss auch der schiefe Huf als zugehörig zu der beredeten Sohenkelstellung be­trachtet und kann nie ein Heilobject werden.
In der Dominik'schen Anleitung zum linfbeschlage wird der Huf lediglich als das Prodact einer vermehrten Abreibung der inneren Wand dargestellt. Hie Illustration der bodenweiten Stellung veranschaulicht die Notwendigkeit stärkerer Abnutzung dadurch, dass sie die geringere Länge der Linie aus dem Bug­gelenk bis zum inneren Tragrande des Hufes als aus demselben Punkte bis zum äusseren Tragrande zeigt. Zur Kennzeichnung des schiefen Hufes wird gesagt: „Wir finden, dass der Huf ge­wisser Maassen auf der inneren Kante gestellt ist, dass die in­wendige Wandseite zur besseren Aufwärtsleitung des Stosses-Steiler, senkrechter zum Erdboden steht, als die äussere und als solche (senkrechte) kürzer ist, der innere Tragrand muss in Folge dieser senkrechten Richtung schmaler als der äussere er­scheinen, und wenn wir uns den Huf' der Länge nach in zwei Hälften getheilt denken, so wird die innere Hälfte ein enger, die
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Der schiefo Huf.
äussere ein weiter Huf sein, auf sie also die resp. Winkelver-hältnisse der engen und weiten Hufe ilu-e Anwendung finden. Der inwendige Sohlentheil ist ebenso in Folge dessen scharf', der auswendige tlauii gewölbt, der Huf der bodenweiten Stellung demnach eine Zusammensetzung dos weiten und engen Hufes, und kann leicht zum halben Zwnnghuf werden, in Folge der ver­schiedenartigen Kraft der Zusaininenziehungsfiihigkeit der Wände, die innere mehr, die äussere weniger, um so mehr, wenn das von der Natur angezeigte Verfahren dos niedrigen Hal­tens der inwendigen Wand nicht bei der künstlichen Beschneidung beibehalten wird.quot;
Nach dieser Darstellung ist der Huf also nur ein schief ab­geriebener, lediglich dadurch charakterisirt, dass ihn ein anders gelegter Bodenschnitt als Sohlenfläche begrenzt. Indessen, das ist mir eine unwesentliche begleitende Erscheinung neben den tieferen organischen Umbildungen. Dieselben sind hauptsächlich an den oberen ïheilen des Hufes, an der Hufgelenkfiäclie und der Kronenwulst zu treffen. An der Huf'gelonkfläche hat die Natur eine Verlagerung nach innen zu vorgenommen, damit die tragende Knochenreihe nicht allzusehr aus der senkrechten, als der für die Tragfähigkeit günstigsten Richtung abzuweichen hraucht; an der Kronenwulst sind solche Veränderungen vor sich gegangen, dass die Natur hier den Zweck erreicht, die meist belastete steile Wand mit einer grosseren Widerstandsfähigkeit auszurüsten.
Die an der Kronenwulst eingetretenen Veränderungen sind zum Tlieil schon bei äusserer Besichtigung des Schiefhufes zu erkennen. Man kann sich am aufgehobenen wie auch am stützen­den Huf überzeugen, dass die Krononwnlst an der inneren Seite weit höher hinauf am Kronenbein liegt und nach oben dein Fes­selgelenk näher gerückt ist, als auf der äusseren Seite. Augen­scheinlich nimmt diese Verlagerung der Kronenwulst nach oben immer mehr zu, je weiter die verglichenen Punkte nach hinten, dorn Ballen genähert, liegen. Eine Messung, welche zwar keine genaue, aber doch Annäherungswerthe liefert, um wieviel die Kronenwulst nach oben verdrängt ist, kann in folgender Weise leicht ausgeführt werden. Es handelt sich bei der Ausführung
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Der scliiefp Huf.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 7
haiiptsilchlich um die Feststellung tier .syiiiinctrisch gelegenen Punkte auf ftusserer und innerer Seite des Fesselgelenka und der Hufkrone, Denn nur auf solchen Linien, welche diese mit cin-ancler verbinden, künnen die Abstände der Kronenwulst vom
Kessel gemessen und miteinander verglichen werden. Zu dem Zweck werden zwei breite Gummi-Hinire von der Weite herge­stellt, dass der eine das Fesselgelenk, der andere die Hufkrone straff umspannt, Auf beiden Ringen wird eine derartige Einthei-lung verzeichnet, dass von einem Nullpunkt aus, nach rechts und links hin, gleich weite Abstände einander folgen. Der Hing am Fesselgelenk wird der Art angelegt, dass sein unterer Hand überall den leiclit fühlbaren Geleukrand deckt und mit ihm ab-schliesst, also in horizontaler Lage liegt, während der Nullpunkt genau auf die Mittellinie von der linckseite des Gelenkes fällt. Der King an der Krone muss so liegen, dass der obere Rand genau dem Saumbande folgt und der Nullpunkt genau auf die Stranlfurche fällt, in dieser Weise wird die ilussere und innere Umfläche der Ilufkrone und des Fesselgelenkes in gleich grosso Abschnitte eingetheilt, und kann aus den Abständen vom Null­punkt leicht diejenige Linie gefunden und zur Ausmessung der Entfernung benutzt werden, welche der Linie auf der inneren Seite in Ikzug auf symmetrische Lage entspricht. Am besten misst man mit einem Bandmaasse, besonders dann, wenn man gleichzeitig die Entfernnng des Tragrandes vom Fesselgelenk be­stimmen will.
Die Differenzen, welche man zwischen den betreffenden in­neren und äusseren Linien lindet, sind versclneden gross, je nach­dem man bei einem mehr oder weniger schiefen Hufe, in grösse-rer Nähe der Trachten oder näher der Zehe, die Messung aus­führt. Bei einer grossen Zahl der leichten Reitpferde, und zwar in Uebereinstimmung mit der voraufgehend gemachten Bemer­kung über die häufig bei ihnen vorkommende Schrägstellung des Fesselbeins, lindet man die Entfernung des inneren Saumbandos vom inneren Gelenkrande des Fessels etwas geringer als die gleichnamige Grosse auf der änssercii Seite, de steiler aber die innere Wand sich stellt, um so grosser werden die Unterschiede.
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Dor scliiofo Iluf.
Am grössten sind sic, wenn man in der Nähe der Trucliten misst; sie geben liier zuweilen über 2 Centimeter hinaus.
Mit der Feststellung der Thatsaohe, dass die innere Krone und der Ballen des schiefen Hufes dein Fessel näher gerückt 1st als auf der änsscren Seite, wäre der Beweis geliefert, dass die Kronenwulst eine Verlagerung nach oben erfahren hat, Die Natur bat eine Ver­kürzung der inneren Linie also dadurch schon herbeigeführt, nicht an dem Tragerande, weil das durch Verminderung des Ilorn-schutzes zu gefährlich für die Weichtbeile des Hufes sein würde, sondern zwischen Krone und Fessel. Das, was sie hier oben schon erreicht hat, braucht niebt unten an dem Tragerande künst­lich noch ausgeführt zu werden. So lange also für die Forde­rung, dass die inneres Wand des schiefen Hufes niedrig zu halten ist, keine andere Grrftnde geltend gemacht werden können als die riothwendige Verkürzung der sog. iuneren Linie zwischen Bug­gelenk und Tragerand, so lange muss darauf hingewiesen werden, diiss die Aufgabe von der Natur schon in sorgsamerer Weise gelöst ist. Freilich kann man, wenn die Maassnahinen der Natur vom teleologiscben Standpunkte aus intorpretirt werden sollen, die Behauptung aufstellen, dass die Natur hier nur das Stieben nach einem klar ausgesprochenen Ziele kundgegeben habe und die Kunst noch helfend eingreifen müsse. Diesem Einwurf lässt sich nur dann begegnen, wenn man den ulligeänderten schiefen Huf in seinen inneren Verhältnissen untersucht, nur dann kann man entscheiden, ob die neue Form, so wie sie ist, hat weiden müssen und auf die bestmögliche Weise dem Zweck entspricht.
Her Kim des schielen Hufes muss auf senkrechten Querschnitten studirt werden, da auf diesen die Unterschiede zwischen innerer und iiusserer Abtheilung und die dadurch bedingten Abänderun­gen in der Belastung sehr scharf hervortreten. Solche Quer­schnitte sind in grösserer Zahl, und zwar von Schiefhufen ver­schiedenen Grades, angefertigt -worden und von zwei derselben sind genaue Nachzeichnungen beigegeben. Natürlich muss die Schnittfläche durch solche Punkte von innerer und äusserer Wand gelegt werden, welche in Bezug auf symmetrische Lage einander entsprechen. Als Norm wurde hier die Quer- oder Drehachse
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Dor sdhiofo Huf.
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des Hufgelenks genommen und gleichhuifend mit dieser der Schnitt geführt.
An solchen Schnittflächen können unmittelbar, mit Ili'di'e eines Cirkels, vergleichende Messungen vorgenommen werden. Hesser und prftoiser gelingen dieselhen aber an genauen Niieh-zeiohnungen der Schnittflächen, die man sich durch Nachziehen der Contouren mittels eines scharfen Bleistiftes oder einer Nadel auf derbem Papier herstellen kann. Die ilusseren Begrenzungen der Wand, der Sohle, der Gelenkfläche des Hufbeins sind leicht zu gewinnen. Um aber auch die inneren Contouren, speciell der oberen Fläche der Hornsohle oder der unteren Flache des Huf-beins nachziehen zu können, bedarf es noch weiterer Vorbereitung am Präparat. Man macht '•[ ^—1 Ctm. dicke Parallelschnitte und prilparirt die Weichtheile zwischen Hornsohle und Hufbein heraus, während man die verbindende Fleischwand zwischen llornwand und Seitenfläche des Hufbeins stehen lässt. In dieser Weise er­hält man das Hufbein in seiner natürlichen Lage innerhalb der Hornkapsel und ist, dennoch im Stande, mittels eines spitzen Stiftes die Begrenzungslinie von der oberen Fläche der Sohle auf Papier genau nachzuzeichnen.
Dieser letzte Punkt ist für die Ausmessungen und Ausdeu­tungen der Proportionen des schiefen Hufes ein sehr wesent­licher. Denn die Unterschiede zwischen innerer und äusserer Hufseite lassen sich nur dann unter Umgehung jeder willkür­lichen Auslegung definiren, wenn die Messungen auf eine con­stante, von der Natur selbst gegebene Linie bezogen werden kön­nen, und das ist die Bodenlinie des Hufes. Welche Linie müssen wir aber naturgemäss als solche ansehen? Unmöglich dürfen wir zur Bestimmung ihrer Lage solche Punkte wählen, welche jeder Zeit einer Veränderung in ihrer Lage dadurch un­terworfen sind, dass bald die äussere, bald die innere llornwand, je nach der persönlichen Anschauung des Untersuchenden, eine Stärkere Verkürzung erleidet, sondern wir müssen solche Punkte suchen, welche sich nicht bei jeder neuen Zurichtung des Hufes verändern. Da kann denn kein Zweifel bestehen, dass man von der unteren Fläche der Hornsohle oder dem Tragerande der Wand ganz absehen muss und die festen Punkte an der Q-elenkfläohe
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Dor schiefe Huf,
oder der unteren Flilclie des Hufbeins oder auch an der, in un­wandelbarer Lage mit diesem verbundenen Fleisohsohle wählen
muss.
In Betreff der beiden tiefsten, auf innerer und ilusserer Seite gelegenen Punkte iler Fleisohsohle ist man wohl zu der Annahme berechtigt, duss wenn beide mit gleiohmässig starken Hornlagen gedeckt und geschützt sind, die normale, von der Natur bestimmte und zweokmftssigste Zurichtung des Hufes besteht, dass dann das Pferd naturgemiiss, dem Haue des Hufes entsprechend, auftritt, wenn die Verbindungslinie der beiden bezeichneten Punkte dem Erdboden parallel wird, also horizontal liegt. Die Feststellung dieser Linie, welche als die Bodenlinie des Hufes im Quer­schnitt zu bezeichnen ist, hat bei der Nachzeichnung der Prä.pa rate die grösste Wichtigkeit, weil ohne sie nicht zu entscheiden ist, welche Bedeutung die organischen Umänderungen des schiefen Hufes haben, welchen Zweck die Natur verfolgt hat. Es wird sich übrigens im Laufe der Betrachtung ergeben, dass die Lage von anderen feststehenden Punkten innerhalb des Hufes darauf hinweUst, dass die obige Annahme über die vertitable Bodenlinie die richtige ist.
Man gelangt nun bei der Ausmessung der Präparate oder deren Nachzeichnungen zu einiger Maassen verschiedenen Resul­taten. Je nachdem das Präparat einem schiefen Hufe augehört, der bei natürlicher Abnutzung und regelrechter Behandlung den Besonderheiten, um nicht zu sagen Unregelmässigkeiten, in Stellung und Gangweise des Pferdes entspricht und die ganze Lebenszeit seine Form bewahrt, oder je nachdem man es mit eiitem laquo;lurch fehlerhafte Behandlung gesteigerten, schiefen Hufe, dein schiefen Huf in Excess, zu thun hat, sind die Veränderungen, besonders am Hufbein verschieden gross. Zunächst findet der, in gewissem Sinne, normale schiefe Huf seine Betrachtung.
Von dem normalen Schiefhuf ist in Fig. F. ein Querschnitt des rechten Vorderhufes, nahe dem hinteren Gelenkrande des Hufbeins, von vorne gesehen, beigegeben, Der Huf gehörte einem 6jährigen, wahrscheinlich nie beschlagenen Pferde von preussischer Abkunft, welches eine nur massig breite Brust, aber doch bei sonst senkrecht stehenden Schenkelsäulen vom Fesselgelenk bis
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Dor schiefe Huf.
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zum Huf eine geringe Abweichung nach aussen batte, etwa in dem Maasse wie die Zeichnung vom zugehörigen Fessel zeigt. Nur die wichtigsten, auf die Mechanik und auf die Ernährung und Wachsthum infUiircnden Momente werden besonders hervorgobo-ben werden.
Die Bodenlinie ab, in diesem Fidle also durch natürliche Ab­nutzung zu Stande gekommen, liegt parallel der Linie, welche die beiden tiefsten Punkte der Fleischsohle mit einander verbindet und vorhin als die naturgemiisse Bodenlinie definirt wurde.
Die beiden Perpentikel, welche vom ilusseren und inneren Gelenkrande des Hufbeins (c u. d) auf die horizontale Boden­linie ab gefällt sind, sind gleich lang. Daraus geht hervor, dass die Gelenkfläche horizontal steht und der Bodenlinie parallel ist.
Der innere Gelenkrand d hat von der Verticalen aus dem Punkte b einen Abstand von 23 Mm.; der äussere Gelenkrand c von der Verticalen aus a einen Abstand von 31 Mm. Demnach liegt der Mittelpunkt der Gelenktläche nicht über dem Mittelpunkt der Sohle, sondern die Gelcnkfläche hat eine Verschiebung um 4 Mm. nach innen hinüber, in Annäherung an die Medianebene des Körpers, erfahren.
Die Tiefen-Dimensionen der beiden seitlichen Hufbeinhälften sind einander fast gleich. Dagegen ist die untere Fläche des Huf­beins auf der inneren Seite etwas kürzer und flacher, so dass der Rand des Hufbeins auf dieser Seite mehr stumpfwinkelig ist, ent­sprechend dem Winkel am Tragerande der Hornwand.
Der Abstand der Sohlenfläche des Hufbeins von der oberenFläcbo der Hornsohle ist auf innerer Seite etwas bedeutender und der Zwi­schenraum mit einem dickeren Lager von der Fleischsoble ausgefüllt.
Die innere Seitenwand des Hufbeins 1st steiler als die äussere gestellt, etwa in demselben Verhältniss wie innere und äussere Hornwand.
Der senkrechte Abstund des Saumbandes von der Bodenlinio auf der inneren Seite beträgt (! Mm. mehr als die gleichnamige Grosse auf der äusseren Seite.
Die Kronenrinne der inneren Wand ist flacher, weniger aus­gehöhlt, von oben nach unten um G Mm. höher als die der äusseren Wand.
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Dor sohlefe Huf.
Die Entfernung von dem unteren Ende des Kronenbeins bis zum Kronenbett der Hornwand ist auf innerer Seite geringer, mithin der Raum zur Veranlagung des hier liegenden Hufknor­pels und der Fleisohkrone ein beschränkter.
Dies sind die wichtigsten Punkte, durch welche die eingetre­tenen Veränderungen für den schiefen Huf dargethan werden. Sie genügen zum Beweise, dass derselbe ein organisch umgebil­deter, nicht blos schief abgeriebener, auf die innere Kante gestell­ter ist. Wäre letzteres der Fall, so müsste vor allen Dingen der innere Endpunkt der Hufgelenkfläche niedriger als der äussere stehen, es müsste das Hnfbein auf seiner inneren Hälfte eine Ver­ringerung in seiner Tiefen-Dimension erfahren haben, weil es nur dann auf seiner unteren Flache den genügenden Schutz durch die Hornsohle behalten und sich der in der Theorie kürzeren Horn­wand acconimodircn kann. Wir sehen aber das gerade Gregen­theil dieser Zustände hervorgebildet. Das Hufbein hat sich auf seiner inneren Hälfte nicht gesenkt, so dass die Gelenkachse hori­zontal stehen geblieben ist. wie bei einem normalen geraden Huf. Die innere Kronenwulst zeigt eine Verlagerung nach oben oder eine Verbreiterung, so dass sie den entsprechenden Gelenkrand höher überragt als dies auf der äusseren Seite der Fall ist. Der allge­meine Eindruck, den man bei aufmerksamer Betrachtung des Quer­schnittes empfängt, ist der, dass es sich bei dem Aufbau des schiefen Hufes um Ersparung von Kaum auf der inneren Seite seiner Basis und gleichzeitig um Gewinnung einer grosseren Unterstiitzungs-fläche auf der äusseren Seite handelt, und nicht als ob die Ver­kürzung der Entfernung des inneren Tragerandes vom Fesselge­lenk, welche nebenbei allerdings auch erreicht wird, die Haupt­sache wäre.
Die Verhältnisse, welche der schiefe Huf darbietet, sind zu­erst an einem Querschnitt von der vorderen Abtheilung des Hufes, etwa in der Mitte der Seitenwände, betrachtet. Sie sind indessen an dieser Stelle nicht am stärksten ausgebildet, sie sind nur deshalb zuerst in Betrachtung gezogen, weil hier aus Form und Stellung von Knochen und Gelenk am besten zu deliniren ist, welche Wesenheit und Bedeutung die äuscren Veränderungen an der Hornkapsel haben. Viel stärker ausgebildet sind die
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Dor schioflaquo; Huf.
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Yerftnderungen am letzten Ende der Tracliten und sie nmehen es nun noch mehr deutlich, dass die Scliiefheit des Hufes nicht an der Sohlenflilclie, sondern im Bei'eioh der Kronenwulst zu suchen ist. Je weiter nach hinten der Querschnitt gelegt wird, um so mehr wächst der senkrechte Abstand dos höchsten Punktes der Fleischkrone oder des Saumbandes von der Bodenlinie oder dem Hufbeinaste. Wfthrend bei dem in Zeichnung gegebenen Querschnitte die Differenz zwischen den beiden Wänden 6—6 Mm. beträgt, ist sie bei demselben Huf im Bereich der Trachten 8 Mm. Die Thatsache ist auch leicht zu erklären. Denn ohne Zweifel können und müssen wir die höhere Stellung der inneren Fleisch-krono als eine Verlagerung ansehen, welche zum Theil aus dem stärkeren Gegendruck von unten nach oben auf dieser Seite statt hat. Im Bereich der Seitenwftnde kann der Druck der Horn-wand weniger intensiv auf die Fleischkrone einwirken, weil die Verbindung zwischen Hufbeinwand und innerer Hornwand auf breiterer Fläche erfolgt und damit fester ist, während an den Trachten, wo nur eine schmale Schichte von Fleischblättohen auf dem Hufbeinast und Knorpel die Verbindung bewerkstelligt, auch die Fleischkrone auf dem Knorpel gewisser Maassen nur schwach verankert liegt, der Druck nach oben seine Wirkung auf die Fleischkrone in stärkerem Maasse geltend machen rnusss. Im Vorstehenden sind die boinerkenswerthen Eigenthümlich-keiten des schiefen Hufes enthalten. Sie sind zuerst absichtlich an einem solchen Hufe dargestollt worden, welcher zu Folge der sonst günstigen Bauart des Pferdes in geringem Grade schief und auch noch nie beschlagen war. Hier, wo alle Veränderungen ohne den Finfluss des Beschlages zu Stande gekommen, kann man wohl behaupten, dass sich die Natur ihn so fertig gebauet hat, wie er der Stellung und Lage der ausgebildeten Knochen­säule entspricht. Aber auch bei Pferden, welche 10 Jahre und länger beobachtet sind, den Winter barfuss, den Sommer zeit­weilig mit Beschlag gegangen haben, sind dieselben Differenzen zwischen innerer und änsserer Hufseite gefunden, bald etwas mehr bald etwas weniger ausgeprägt. Es kann also kein Zweifel aufkommen, dass die Veränderungen auch wirklich zweckmässige sind, dass die Aufgabe der Zuriohtuna; und eines etwaigen He-
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Dor sclüofo Huf.
sohlagea nur darin bestellen kann, den status quo aufrecht zu erholten und von vermeintlichen Verbesserungen abzustellen.
Unter solchen Verhältnissen fühlt man sich zur Stellung der Frage gedrilngt, weshalb die betreffende Hufform so gut den gegebenen Verhältnissen entspricht. Sie beantwortet sich am leichtesten, wenn man zunächst die architektonischen Verhältnisse des graden und schiefen Hufes im Grossen und Ganzen mit ein­ander vergleicht und später auf die Belastungsverhältnisse durch die höher liegende Knochensäule Bezug nimmt.
Der grade Huf dürfte einem Sockel von der Gestalt eines abgestumpften, graden, also von gleich geneigten Seitenflächen begrenzten Kegels entsprechen, dessen obere, abgestumpfte Fläche parallel zur Basis liegt und von der Last des Kronenbeins senk­recht getroffen wird. Der senkrechte Querschnitt hat die geome­trische Gestalt eines gleichseitigen Paralleltrapezes, dessen obere, kürzere Suite der (lelenldläche des Hufbeins, dessen längere untere Seite der Bodenlinie des Hufes entspricht. Der schiefe Huf wird durch einen ungleichseitigen Kegel dargestellt, dessen obere abgestutzte Fläche gleichfalls parallel der Basis Hegt, aber von der kast des Kronenbeines schief getroffen wird. Seine Durchsehnittstliiclie ist ein ungleichseitiges Paralleltrapez, dessen Gestalt durch die Endpunkte der Bodcnlinie und der Gelenk­fläche, in der Zeichnung also durch die vier Punkte a, b, e, d bestimmt wird. Da die Halbirungspunkte der beiden parallelen Seiten nicht senkrecht zu einander stehen, so tritt als die bemer-kenswortheste Folge dor ungleichen Neigung der Seiten oder der Wände eine Verschiebung der Gelenkfläche nach innen hinüber hervor. In der beigegebenen Zeichnung kann durch Nachmessen leicht erwiesen werden, dass die Verschiebung der Gelenkfläche von aussen nach innen 4—5 Mm. beträgt. Die Folge davon ist, dass die unteren Schenkelknochen, speciell Kronen- und Fessel-bein, aus der senkrechten Lage in nicht so bedeutendem Maasso herauszutreten, keine so starke Neigung nach aussen hin anzu­nehmen brauchen, damit das untere Ende des Kronenbeins in die Articulation mit dem Hufbein einrücken kann. Würde ein grader Huf oder ein grader abgestumpfter Kegel mit seiner äusseren Wand an dieselbe Stelle gesetzt, wo ein schiefer Huf mit seiner
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Dor sohiefe Huf.
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äusscren Wand stellt — die Lage der letzteren, speciell der Ab­stand von der Mittelebene des Körpers, ist ja durch die ürüsse der Grleiohgewichtssohwankungen bei Bewegungen bestimmt — so mUsste entweder die ganze iSelieidcelsäule oder mir Kronen-nnd Fesselbein in höherem Grude Abweichungen von der Verti­calen machen. Dadurch, dass der schiefe Huf eine nach innen verschobene üelenkfiiielic darbietet, ist das statische Gleichgewicht in der Tragesäule annäherd hergestellt, welches ohne diese Aende-rung nur durch vitale Leistungen seitens der Muskulatur und der Bänder zu erreichen wäre.
Und dem Umstände, dass die Gelenldläche die horizontale Lage nicht verloren hat und nicht mit geneigter Achse steht, wie es bei einem schiel' abgeriebenen, schiel' gestclllcn Hufe der Fall sein müsste, ist es zu danken, dass auch die Last innerhalb des llid'os noch cine möglichst günstige und glcichmässige Vertheilimg findet. Denn jede geneigt stehende Achse oder Fläche empfängt immer, nach physikalischem Gesetz, ein grösseres Maass von Druck auf der lief' gelegenen Hälfte und zwar um so mehr, Je tiefer sie steht, während den angrenzenden Bändern die Aufgabe zufällt, einen Theil der zerlegten Last, welcher nach alltäglichem Sprach­gebrauch unter dem Ausdruck „Abrutschenquot; zur Geltung kommt, aufzufangen.
Die aufgeführten am Knochengerüst hervorgebildeten Um­änderungen kommen besonders für die mechanischen Verhältnisse des Hufes und des ganzen Schenkels in Betracht, die übrigen Veränderungen an llornkapsel und hornbildenden Theilon müssen bezüglich der Abnutzung und des Wacbsthums des Horns ge­würdigt werden.
Zunächst ist der Querschnitt der Kronenwulst auf der steilen Seite verändert. Denn das Kronenbett besitzt in der Richtung von oben nach unten eine grössere Ausdehnung, ist flacher und weniger ausgehöhlt. Dies kann nur die Folge davon sein, dass die Kronenwulst dieselben Veränderungen in der Oberfläche und dem Querschnitt erfahren hat, so dass die Matrix für die Hornwand eine grössere und anders gestellte Oberfläche besitzt. Da die Hornröhrchen in steilerer Richtung nach unten wachsen, so müssen sie eine dichtere Lagerung neben einander haben ; es müssen mehr
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Der schiofo Huf.
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HornröhroHen von einem solchen Querschnitt getroffen werden wie er sich am Tragrande durch die Abreibung bildet. Die Folge davon dürfte vielleicht eine grössere Festigkeit und Widerstands­fähigkeit des Wandhornes auf der betreffenden Seite sein, da wohl anzunehmen ist, dass die Diguität des Horngowebes mit der Zahl der Hornröhrohen steigt. In Uebereinstimmung damit sehen wir den Tragrand der steilen Wand stets eben und glatt abgerieben und vermissen darin die Zerklüftungen und Absprengungen, welche die äussere Wand stets zeigt. — Eine andere Folge der ver­änderten Oberfläche der Floischkrone ist der vermehrte Waclis-thnmsdruck. Fine grössere Fläche ist in Production von Horn begriffen, aber die producirte Masse der Art zu der absondernden Fläche gestellt, dass sie in einem verminderten Querschnitt das ihr zugefübrte Ernährungs-Material verwenden muss. Bei gleich­bleibender Grosse der Absonderung in jeder Zeiteinheit findet das neue Product nur dann Platz, wenn das ältere schneller vorwärts geschoben und von der Productionsfläche beschleunigt abgedrängt wird, was mit vermehrtem Waohsthümsdruck und beschleunigtem Wachsthum gleichbedeutend ist.
Diese beiden, aus der veränderten Lage der Fleisehkrone zu folgernden Fin Wirkungen auf das Wachsthum sowie die Qua­lität des inneren Wandhornes bestätigen sich bei den entsprechen­den Untersuchungen. Mir will es wenigstens scheinen, class bei den mikroskopischen Betrachtungen von feinen Querschnitten aus den Wänden die Hornröhrchen dichter aneinander gedrängt stehen und durch eine geringere Menge von Zwischensubstanz getrennt sind. Ferner sind bei jungen Pferden mit noch kräftigem Horn-wuchs Unterschiede im Wachsthum zu Gunsten der steilen Wand, durch Einschneiden von Marken, fest gestellt worden, auch mehr­fach bei Hufen, welche mit Kingen umzogen waren, nach mehr-inonatlichem Bestände, für diese ein grösserer Abstand von dem Saumbande auf der inneren Seite als auf der äusseren gemessen worden.
Die Fleisohsohle hat vielfach, wie aus dem grosseren Ab­stände der unteren Fläche des Hufbeins von der oberen Fläche der llornsohle besonders am getrockneten Präparat geschlossen werden kann, eine grössere Fntwickelung in der Dicke. Es be-
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Dov scliiol'o Huf,
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reohtigt dieser Umstand wohl zu dein Sohluss, dasa auf der inneren Ilufseite auch an der Sohle eine regere Homproduotion stattfindet. Denn wenn auch die Thätigkeit der Fleischsohle als eine Flflohenproduotion anzusehen ist, so müssen doch die an der Oberfläche thätigen Hornpapillen in kräftigerer Weise fiinctioiiiren, wenn ihnen aus einer benachbart liegenden, breiter veranlagten Gefilssscliichte das Ernährungs-Material in reichlicherem Strome zugeführt wird.
Naclidem nun auch die Eigonthümlichkeiten an der Ilorn-kapsel des schiefen Hufes in ihrer Bedeutung gewürdigt sind, darf der schiefe Huf wohl am besten mit einem schief stehenden Sockel verglichen werden, welcher zum Tragen der schief stehen­den Knochensäule bestimmt ist. Derselbe hat eine horizontale oder doch zur Bodenfläche parallel stehende Tragfläche und zwei ungleiche Seitenflächen. Die innere Seitenfläche ist die kürzere, sie wird aber von der Hornwand um so viel mehr als die äussere überragt, dass sie äusserlieh zur höheren oder längeren wird. In der Hornkapsel sind solche Veränderungen eingetreten, welche die verstärkte Einwirkung mechanischer Gewalten auf die innere Hufseite zu compensiren im Stande sind. Ob aber der Sockel allen Anforderungen in Bezug auf günstige Vertheilung der Last entspricht, ob wir seiner Hervorbildung nach Möglichkeit Einhalt gebieten oder Beförderung gewähren müssen, auf welchem Wege wir das eine oder das andere Ziel zu erreichen im Stande sind, dieseFragen können nicht anders zur Entscheidung gebracht werden, als wenn wir die auf' denselben einwirkenden mechanischen Ge­walten nach den Gesetzen der Statik und Dynamik untersuchen.
IHc Ilclastung des schiefen Hufes. Die Losung der Aufgabe, die Vertheilung des Druckes auf innere und äussere Wand zu er­mitteln, ist durchaus keine schwierige. Denn wir haben es nur mit der Betrachtung der seitlichen Gleichgewichtslage zu thun, also nur mit dem Querschnitt des Hufes zu rechnen, über dessen Fläche je nach der Lage ihres Schwerpunktes die Last sich ver-theilt. Dagegen können die Vojgänge in der sagittalen Ebene ganz aussei- Acht gelassen werden. Es kommen also nur Schwer­punktsbestimmungen an solchen Flächen vor, welche man leicht.
Poters, CJittorsnchuugoii.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;!2
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Dor schiefe Huf.
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in schon angegebener Weise, zu Papier bringen kann, welche überdies fast genau bestimmten geometrischen Flächen entsprechen.
An der gezeichneten Quersohnittfläohe des Hufes in Fig. 1. kommen nur vier Punkte in Betracht, deren gegenseitige Lage die Vertheilung des von oben her einfallenden Druckes bestimmt. Die IIufgelenkHache mit dem inneren und änsseren Endpunkt d und c nimmt die Last des Kronenbeins zunächst auf; die feste iviiochenmassc des Ilnfbeins vertheilt sie auf die Ilornwand, an welcher jene durch die Fleisohblättohen-Schiohte aufgehangen ist. Die Ilornwand hat ihre beiden äussersten Stützen auf dem Erd­boden in den Punkten a und b, und die Lage dieser beiden Punkte zu den Punkten d und c bestimmt das Maass des Druckes, welches jedem von ihnen zugeführt wird. Da sich die Bodenlinie der Achse des Hufgelenks parallel erwiesen hat, so ist die von den Punkten a, b, c, d eingeschlossene Figur ein ungleichseitiges Paralleltrapez, über dessen Fläche der auf de lastende Druck, je nach der Lage des Schwerpunktes, nach a und b geht. Die Bestimmung des letzteren ist in leichter Weise auszuführen. Indessen sind die Details der Ausführung innerhalb der Abbildung unter­blieben, um das Bild nicht unnöthig zu verwirren. Das Verfahren ist an einer genauen Nachzeichnung von dem Viereck a b c d auf einem besonderen Blatt ausgeführt und die Lage des gefun­denen Schwerpunktes s mittels Ordinate und Abcisse in die Zeich­nung eingetragen.
Wie man sieht, fällt der Schwerpunkt in die Spitze des Fleischstrahles, etwas seitlich nach innen hinüber. Fline verticale Linie, durch den Schwerpunkt s gelegt, trifft die Bodenlinie ab in u, die Achse des Hufgelenks in h, sie ist also die Richtungs­linie der Schwere oder des Druckes. Der Punkt h hat die specielle Bedeutung, dass, wenn alle Last concentrirt und in senk­rechter Richtung auf ihn einwirkt, oder wenn die Last zu gleichen Theilen links und rechts von ihm liegt und auf d c drückt, dass dann nur durch Stützung des Punktes u das System im Gleich­gewicht zu erhalten ist, sofern nur ein einziger Punkt von der Linie ab tragen soll. Der Punkt u heisst deshalb der Unter­stützungspunkt. Seine Lage oder speciell seine Entfernung von den beiden Endpunkten der Bodenlinie ab ist wichtig für die
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Dor sohiofo Huf.
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relative Bestimmung dci' Lasten, welche diesen beiden Punkten
ziifiiUen, falls der Punkt u nicht gestützt wird.
Da der Punkt u in eine Stolle von der unteren Fläche des Elornstrahles fällt, dieser aber in der Mehrzahl der Fälle, beson­ders beim beschlagenen Hufe, soweit zurücksteht, dass er den Erdboden nicht berührt, so gelangen meistens nur die Punkte a nnd b zum Tragen, und zwar in einem Verhältniss, welches abhängig von ihrer Entfernung vom Unterstützungspunkte ist, Je mehr der letztere sich nach einer Seite der Bodenlinio verschiebt, je näher er z. B. an den Punkt b herantritt, um so grosser wird die auf b fallende Last, während die auf a fallende geringer wird. Die Mechanik drückt den Antheil der Last, welchen jeder der Punkte empfängt, mifeiner bestimmten Proportion aus, indem das betreffende meohanisohe Gesetz sagt, dass die Last sich umge­kehrt proportional den Abständen von dem Unterstützungspunkt verhält. Demnach ist im vorliegenden Fall die Last (L) für den Punkt b nach der Formel zu finden:
Tnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,-, aunbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ au
L = Cr —p = (jt -------j—5
abnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;au-|- bu
die Last (L') für den Punkt a nach der Formel
L' = G ^ = G ^Vu abnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;au -j- bu
in welchen Formeln G. das gesamrate, auf die Hufgelonkfläche
einfallende Gewicht bedeutet.
Bevor aber der Druck für die beiden Punkte a und b nach diesen Formeln in Zahlen ausgerechnet wird, muss in der Be­trachtung noch ein Schritt weiter gegangen werden. Denn so einfach bleibt das Verhältniss nicht, als zuerst angenommen wer­den musste. Die Last auf der Achse des llufgelenkes liegt nicht so gleichmässig vertheilt zu beiden Seiten des Punktes h, der grössere Theil liegt bald links, bald rechts von ihm, so dass h nicht mehr als der Angriffspunkt der concentrirten Last anzu­sehen ist. Folglich muss auch der Unterstützungspunkt an der Bodenlinie wechseln in seiner Lage.
Die Umstände, welche einen solchen Wechsel in der Lage des Unterstützungspunktes auf der Hufgelenkfläche im Gefolge haben, hängen in nächster Linie mit der Stellung zusammen,
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Der sclüolo Huf.
welche die Acli.se des Kronen- und Fesselbeins auf der Hufge-lenkfltlohe einnimmt. Da diese Stellung, d. h. die Abvmohuog vein der Verticalen, nicht nur bei den einzelnen Individuen be­deutend variirt, sondern sich mich unausgesetzt mit der Ausfüh­rung jeder Bewegung ilmlert, so müssen die Beziehungen der Neigungen jener Achse auf der llulgelcnkfläche zu dem Wechsel des Unters tu tzangspunktes etwas näher in's Auge gefasst werden.
Die Selten - Stellung des Fessel- und Kronenbeins in ihrer Einwirkung auf die Vertheilung der Last. Weil es sich bei dieser Erörterung auch nur um die seitliche Gleich­gewichtslage handelt, so müssen und dürfen die beiden genannten Knochen mit demselben Recht wie der Huf auf solchen Quer­schnitten untersucht werden, welche der Längsachse möglichst parallel und gleichzeitig senkrecht zur Medianebene des Körpers stehen. Ein solcher Schnitt von dem zum abgebildeten Huf ge­hörigen Kronen-Fesselbein ist in der Zeichnung dargestellt, auch durch Nachziehen der Contouren mit dem Bleistift gewonnen. Die Lage der Punkte m und n, des äusseren und inneren Bundes des Fesselgelenkes, welche die Neigung der Achse beider Knochen bestimmen, wurde in der Abbildung festgestellt, so lange Fessel-, Kronen- und Hufbein noch mit einander durch Bänder in festem Zusammenhang standen. Die Verbindungen wurden erst dann milost, als es sich darum handelte, auch die Umrisse der einzelnen Gelenkflächeu nachzuzeichnen. Demnach dürfte die Stellung der Achse, wie sie in der Zeichnung gegeben ist, der Ruhelage ent­sprechen, d. h. einem Zustande, wo der Fuss aufgehoben ist, kein Druck auf die obere Gelenkfläche des Fesselbeins einwirkt und den inneren Gelenkrand nicht näher an die Mittelebene des Körpers hinandrnckt. Als Achse von Kronen- und Fesselbein kann füglich die Linie betrachtet werden, welche die Halbirungs-punkte von Fesselgelenk und Ilufgelenk mit einander verbindet, denn sie theilt beide Knochen in fast gleiche seitliche Theile. Auch kann die Achse für beide Knochen als gemeinschaftliche angesehen werden, weil sie auch den Ilalbirungspunkt von der Q-elenkflftche des Fessel- und Kronenbeins trifft.
In der Zeichnung hat das obere Ende der Achse eine schwache Neigung nach innen, eine Annäherung an die Mittelebene des
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Dor aohlefe Huf,
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Korpora. Sic entsprioht somit dor bodenweiten Schenkelstellung geringeren Gradesj ebenso wie auch der Huf nur massige Umbil­dungen in dieser Richtung erlitten hat. Ans einer genaueren Betrachtung des Fesselbeins geht hervor, dass die Neigung nicht aus einer einfachen Senkung des oberen Endes der Achse her­vorgegangen ist, sondern durch eine Umbildung des ganzen Knochens erzeugt wird. Wäre ersteres der Fall, so würde das Fesselgelenk auf seinem Querschnitt in keiner horizontalen Linie liegen, die Achse des Fesselgelenks müsste von der Längsachse des Fesselbeins in einem rechten Winkel geschnitten werden. Aber man sieht, dass der innere Fesselrand ebenso hoch, vielleicht noch etwas höher, steht als der äussere, dass die Achse des Fesselgelenks parallel der des Hufgelenks geblieben ist. Man er­halt, wenn man die vier Endpunkte der Gelenke c, d, m, n durch Linien mit einander verbindet, ebenso wie beim Huf, ein ungleichseitiges Paralleltrapez, nur von grösserer Höhe. Durch Ausraessen der Entfernung von c nach n und von d nach ra erweist sich deutlich, dass die bezeichnete geometrische Figur zwei ungleich lange Diagonalen besitzt, indem die erstere Ent­fernung grosser ist. Kronen- und Fesselbein sind also in einer veränderten Richtung ausgewachsen, haben auf ihrer inneren Seite eine grössere Apposition von Knoclicnmasse empfangen als auf der äusseren, was sich in der Zeichnung auch noch dadurch aus­spricht, dass die innere Handlinie des Fesselbeins einen flacheren Bogen darstellt als die äussere.
Beachtenswerth und lehrreich ist dieser Umbau des Knochens insofern, als er zeigt, dass wenn sich eine veränderte Richtung oder Stellung der Knochen in Rücksicht auf die Q-leichgewiohts-verhältnisse dauernd vernothwendigt, dass dann die Natur nicht etwa den leichteren Weg einer einfachen Einbiegung oder Krüm­mung im Gelenk einschlägt, sondern die allerdings umständlichere, aber für das Individuum vortheilhaftere Einrichtung trifft, den Knochen in seiner Architektur zu verändern. Der Umstand be­weist auf das deutlichste, dass sie auf die Erhaltung und Stellung der Gelenkachscn in der Horizontalen ein hohes Gewicht legt, ganz entsprechend dem durch die Mechanik eruirten Gesetz, dass die Widerstandskraft des belasteten Materials bei Wahrung dieses
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üor gohlefe Huf.
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Prinzipes am wenigsten in Anspruch genommen wird. Das An­streben desselben trat schon bei Betrachtung der Ilufgelcnkachse deutlich hervor und wurde beim Huf ebenso wie beim Fesselbuin dadurch erreicht, dass das gleichseitige Paralleltrapez der Durch­schnittsfläche hier wie dort in ein ungleichseitiges verwandelt wurde. Später wird es sich zeigen bei Betrachtung des patholo­gischen Schiet'hufes, wohin ein Negiren des Prinoips — durch die Kunst — führen muss.
Im weiteren Verfolg der Aufgabe, für die concentrirte Last, welche Fessel- und Kronenbein bei der in der Zeichnung wieder-gegebenen Lage auf die Ilufgelcnkflilcbe überträgt, den Druck­punkt aufzufinden, muss auch der Schwerpunkt beider Knochen oder des Paralleltrapezes odmn aufgesucht werden. Er ist auch in einer besonderen und genauen Nachzeichnung der betreffenden Figur ermittelt und in s' eingetragen. Die Last fällt also nach dem lothrecht darunter gelegenen Punkte von der llufgelenkfläche, nach u', 4—5 Mm. nach innen von dem Punkt h gelogen, wäh­rend die lotlirechte Verlängerung der Schwerlinie nach oben die Achse des Fesselgelenkes in h' schneidet. Empfängt das Fessel­bein auf seiner oberen Gelenkfläche derartig vertheilt den Druck, dass man sich die ganze Summe desselben als in h' einfallend denken kann, so würde die Hufgelenkfläche dieselbe Grosse in u' zu tragen haben.
Diesen Fall vorausgesetzt, wo ist dann der Unterstützungs-punkt der gesammten Last an der Bodenlinie des Hufes zu suchen? Die in u' einfallende Last übt einen Druck in senk­rechter Richtung aus und da der Schwerpunkt des Hufes s nicht senkrecht unter u' liegt, so geht sie rechts seitlich an demselben vorbei und hat dabei das Bestreben, den Querschnitt um den Punkt s herumzudrehen. Die Kraft, welche auf diese Drehung verwandt wird, hängt in Bezug auf Grosse von der Entfernung ab, in welcher die senkrechte Kraft seitlich am Schwerpunkt vor­beigeht. Die Länge dieser Linie ist der Momentenarm der Dreh­kraft und sie wird durch den Abstand des Punktes u' von h dargestellt, also durch die Entfernung hu'. Soll nun durch eine gleichfalls senkrecht auf die Hufgelenkfläche wirkende Kraft dem Drehungsbestreben der ersteren entgegengewirkt werden, so muss
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Dor sulüofo Huf.
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ihv ein gleich longer Momentenartn gegeben werden, cl. h. sie muss auf einen solohen Punkt der Linie cd einfallen, welcher von li so Aveit nach links entfernt liegt als u' rechts von h. Dies ist der Punkt o. Eine Linie von diesem durch s gezogen und bis zur Bodenlinie ab verlängert, schneidet dieselbe in U. Dieser Punkt würde, wie leicht einzusehen ist, der llaupt-Untcrstützungs-punkt sein, d. h. derjenige Punkt, auf welchem das ganze System von Huf- Kronen- und Fesselbein in der gezeichneten Stellung balanciren könnte.
Der Punkt TJ ist also näher als u an die innere Wand b herangerückt, ein Resultat, welches durch die stärkere Belastung des inneren Abschnittes der Hufgelenkachse erzeugt ist. Die Be-lastung der inneren Wand muss also jetzt grosser sein, da nach dem Gesetz über die Vertheilung des Druckes der auf b fallende Antheil um so grosser wird, je mehr die Entfernung des Unter­stützungspunktes U von a zunimmt. Da die letztere 58 Mm. beträgt, die Entfernung Üb aber nur 47 Mm., so würde das
58 Verhilltniss der beiden Druckgrössen durch die Proportion ^-~
ausgedrückt werden, oder in runden Zahlen der Last-Antheil für b = 5, für a = 4 Druck-Einheiten betragen.
Man darf aber bei der Rechnung nicht vergessen, dass diese ungleichmässige Vertheilung der Last nicht blos auf einer Quer-schnittsfläche des Hufes stattfindet, sondern dass sich dieselbe in ähnlicher Weise auf allen anderen gleichgerichteten Flächen, welche man mehr nach vorne oder mehr nach hinten quer durch den Huf legen kann, wiederholt. Die Linien Ua und Üb messen den Huf in der Richtung einer Linie, in der Querrichtung von innen nach aussen, und es muss deshalb in der Rechnung noch auf die Längenausdehnung von vorne nach hinten Bezug genom­men werden. Der Huf misst in dieser Richtung mindestens ebenso­viel als in der anderen, folglich wiederholt sich die ungleich-massige Belastung auf vielen Querschnittsflächen und muss der Druck nicht bios in Proportion zu den linearen Grossen, sondern annähernd zu deren Quadraten stehen. Auf den vorliegenden Fall angewandt, würde also der Druck längs der ganzen inneren
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Dor soliiolii Huf,
Wand, wenn der Fuss dio Last von 100 Kgrm. zu tragen hätte, nach dein Ansatz zu linden sein
100 X
472 #9632; • 582 tilso Gl Kgrm. betragen, während er für die ilussere Wand
_ 100 X -Ä 58^ also 39 Kgrm. nur erreichen würde.
Die innere Wand empfängt also einen öberwiegentl grosseren Theil der Last als die äussere, jene trägt 3, diese nur '2 Theiie, wenn mann tue in der Zeichnung wiedergegobenen Verhältnisse, nicht nur die Form des Hufes, sondern auch die Neigung der Fesselbeinachse, der Rechnung zu Grunde legt. Und dennoch liegen dieselben für die Vertheilung der Last noch gar nicht ungünstig, sie werden in der Wirklichkeit bedeutend und häufig liber-troffen, sowohl was die Schiefstellung der inneren Wand als auch die Neigung der Fesselbeinachse betrifft. Ein Blick auf die Ver­hältnisse in der Zeichnung mus davon überzeugen. Es ist leicht ersichtlich, dass bei einein und demselben Hufe die Vertheilung der Last lediglich durch die Lage des Unterstützungspunktes der Fesselbeinachse, (u'), auf der Hufgelenkfläche bedingt ist, und da dieser mit grösserer Neigung der Achse noch mehr nach innen vorlogt wird, so muss sich das Verhältniss noch mehr zu Un-gunsten der inneren Hufseite ändern können. Eine grössere Neigung mCisste die Fesselbeinaohse schon dann annehmen, wenn die obere Geienklläche des Fesselbeins von einem senkrechten Druck ge­troffen wird. Die Achse ist in der Ruhelage gezeichnet, die, wie oben schon bemerkt, beim aufgehobenen, nicht belasteten Fusso statthaben würde; ein Druck von oben, wie er schon beim gieichmässigeii Stellen auf beiden Vorderfössen zur Geltung kommt, würde den bezeichneten Effect äussern und den Funkt n weiter nach n' hinüberrücken.
Anderer Seits drängt sich aber auch jetzt die Frage zur Beantwortung heran, ob die Verhältnisse in der Belastung, wie sie sich bei dem betrachteten Bau des Hufes und der Stellung der Fesselbeinachse beim ruhig und gleichmässig stehendem Pferde darbieten, auch etwaigen Veränderungen bei der Bewegung, bei
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Dor schiofo Hilf.
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einseitigen Belastungen der Schenkel, unterworfen sind. Da Aende-rungen in der Belastung durch die Richtung der Fesselbehiiichse bedingt sind und stets durch Aenderungen in deren Kichtung ein­geleitet werden miissen, so ist zu untersuchen, ob und welche Richtungsftnderungen in dem Stand der tragenden Knochensäule vor sich gehen. Es wird sich dabei zeigen, dass alle derartige Aenderungen, auch der höher liegenden Knochen, durch gleich ge­richtete Bewegungen der Fesselbeinachse eingeleitet werden müssen, ohne sie gar nicht zu Stande kommen können, dass also bei den Bewegungen die Druckverhilltnisse zu Gunsten der inneren Iluf-seite sich bessern können. In welchem Maasse dies geschieht, muss sich bei einer analytischen Betrachtung der Schenkelbe­wegungen, d. h. der in der Transversalebene des Körpers liegen­den Bewegungen zeigen.
Bevor indessen zu dieser Betrachtung in einem besonderen Abschnitt übergegangen wird, ist es von Vortheil, den Bau des pathologischen, verkrüppelten Schiefhufes zu betrachten. An ihm sieht man noch deutlicher als an dem normalen Schiefhufe, welche ungleichniässige Belastung die Wände empfangen, und an ihm ist am besten zu demonstriron, welche Folgen die feh­lerhafte Behandlung und Zurichtung des bisher betrachteten her­beiführen miissen.
Der imlhologlsclic Schicfhuf in Bezug auf Hau und Itelastuiig. Man bekommt denselben noch zuweilen zu Gesicht, wenn man sich auf dem platten Lande, wo der Beschlag in den Händen schlechter Schmiede sich befindet, umschauet. Man braucht nicht lange zu suchen, um ein Exemplar zu finden, von wel­chem der in Figur 2 abgebildete Querschnitt entnommen ist. Ein Blick auf denselben zeigt, dass auf der steilen, inneren Seite das Huf bei ii bedeutend geschwunden ist, dass durch steile Stellung der Seitenfläclie und Abflachung der Sohlenfläche der untere, innere Winkel ganz stumpfrandig geworden ist. Man empfängt dabei den Eindruck, als hätte sich die innere Hälfte des Knochens vor dem Druck, welcher sowohl von unten wie von oben auf' ihn eindringt, zurückzuziehen gesucht. Der Rand der inneren Gelenkfläche steht 5 Mm. tiefer als der äussere oberhalb der Bodenlinie oder der Horizontalen. Anlangend die Hornkapsel,
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Dor schiolb Huf.
SO hat sioh die Wand fönnlich unter die Sohle gebogen, nui'
wenige Theilo der ersteren gelangen noch zum Tragen, und die Sohle nuiss einen Theil ihrer Function mit Übernehmen. Das Pferd, welches beschlagen war, ging sehr blöde, und weil es auf der schräge stehenden Hufgelenklhlche eine Aufrichtung der Fesselbeinachse, folglich auch Verlegungen des Schwerpunktes nicht ausführen konnte, mit breit gespreizten Beinen. Ersichtlich ist auch, dass es barfuss nicht mehr hätte gehen können, ohne sich die Fleischsohle zu quetschen. Vergleicht man die Lage des äusseren und inneren Bandes der Hufgelenkflilche zu den höchsten Punkten der anliegenden Fleischkrone oder dem Saum-bande, so findet man den inneren Gelenkrand um 8 Mm. mehr überragt als den äusseren. Auf einem Querschnitt, welcher mehr nach hinten, in grosserer Nähe der Ballen, ausgeführt wurde, betrug der senkrechte Abstand des Hufbeinastes von dem Saumbande 10 Mm. mehr als der auf der äusseren Seite.
Um auch liier wie bei dem früher betrachteten schiefen Hufe die Vertheilung der Last auf innere und äussere Seite feststellen zu können, muss zunächst der Schwerpunkt des Querschnittes a b c d bestimmt werden. Er ist in einer besonderen Nachzeich­nung nach mathematischen Regeln gesucht und in die Zeichnung auf den Punkt s eingetragen. Die senkrecht durch ihn gelegte Schwerlinie trifft die Hufgelenkfläche in h, in grosser Nähe zum äusseren Gelenkrande. Die Lage des Punktes h zeigt an, dass alle Last, welche zwischen ihm und dem inneren Gelenkrande in senkrechter Richtung zur Bodenlinie auf die Hufgelenldläche ein­wirkt, zur inneren Wand geleitet wird, dass dagegen der geringe Theil, welchen der äussere Theil der Hufgelenkfläche (h c) auf­nimmt, nach der äusseren, kräftig entwickelten Wand fällt. Aber das Verhältniss wird noch viel schlimmer. Denn die Vertheilung der Last in diesen Proportionen findet nur dann statt, wenn sie auf den Punkt h concentrirt einwirkt oder so verthellt zu seinen bei­den Seiten gedacht Ewerden kann, dass h der gemeinsame An­griffspunkt wäre. Diese Bedingung wird aber nicht entfernt er­füllt, weil die Achse des Fesselbeins eine starke Neigung nach innen hat und der Stützpunkt für das Fesselbein und die ge-gesammte Körperlast weit mehr nach innen auf der Hufgelenk-
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Dor schiofo Hul'.
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fläche gesucht werden muss. Bestimmt man für den als ein­faches Beohteok gezeichneten Querschnitt von Kronen- und Fes­selbein den Schwerpunkt s' und fällt das Perpentikel auf die Bodenlinie, so schneidet dieses die Hufgelenkfläche in u', mithin ist dies der Einfallspunkt für die ganze Körperlast auf letzerer. Weiterhin bestlnmit sich nach dem früher angegebenem Verfah­ren, durch Abtragen der Entfernung h u' nach der anderen Seite von h, der Punkt o, und von diesem die Linie durch den Schwer­punkt s gelogt und bis zur Bodenlinie ab verlängert, lässt die Lage des Hauptunterstützungspunktes U für die Gesammtlast finden. Derselbe Hegt von der äusseren Wand entfernt 05 Mm., von der inneren 2D Mm. Wird die Grosse des Druckes für den Fuss auf 100 Kgrm. angenommen, so berechnet sich der Antheil
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für die innere Wand auf 100 X
G52 292 oder 87 Kgrm., für die
äussereWand auf 100X-rtE) ,
oder 13 Kgrm.
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Bei den im nächsten Abschnitt folgenden Betrachtungen über die Lage der Fcsselbeinachse wird sich zeigen, dass unter keinerlei Verhältnissen für einen so verkrüppelten Schiofhuf eine Erleich­terung für die überbürdete innere Wand stattfinden kann.
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Stollmifi; und Belastung der stutzenden Füsse in dor Traüsversalebene bei Bewegungen.
Wenn das still stehende Pferd alle vier Fi'issc gleiohmässig belastet, so ist die Unterstiitzungsflilche des Körpers ein Parallelo­gramm, in welchem der senkrecht projicirte Schwerpunkt nahe vor dem Schnittpunkt der beiden Diagonalen liegt. Wird ein Fuss auf­gehoben, so ist die Unterstützungsfläche ein Dreieck. Soll das Gleichgewicht erhalten bleiben, der Körper nicht umfallen, so muss der körperliche Schwerpunkt über die Fläche desselben ge­schoben werden. Zu dem Ende müssen die stützenden Füsse ihre senkrechte Stellung aufgeben und in der Weise eine Bewe­gung in der Transversalebene des Körpers ausführen, dass der Schwerpunkt die bezeichnete senkrechte Lage oberhalb irgend eines Punktes jenes Dreiecks erreicht. Die betreffende Bewegung ist im Bereich der oberen Schenkeltheile grosser als an den unteren; am Buggelenk beträgt die betreffende Excursion etwa ebensoviel als die des Schwerpunktes selbst.
Wenn bei Bewegungen des ganzen Körpers drei Füsse stützen, so ist das Verhäitniss ein ähnliches. Indessen braucht die Bedingung, dass der Schwerpunkt sich in die Unterstützungs­fläche projicirt, nicht so präcise erfüllt zu werden, weil die Kraft des Beharrungsvermögens, ^welches der fortschreitenden Bewegung inne wohnt,quot; die Schwerkraft t.heilwcis fiberwindet und weil auch der Verlust des Gleichgewichtes nach innen hinüber am Schluss jedes'quot;Schrittes stattfinden soll und muss, damit der andere Fuss die Aufgabe der Stützung übernehmen kann. Demnach braucht der obere Theil des Schenkels um so wenmer nach aussen hinüber
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SLoll. u. Belast, der stützend. Küsse in dor TransverScilobono bei Beweg. 29
zu treten, je mehr mit der Schnelligkeit der Bewegung die Schwungkraft wftohst und je geringer die Abweichungen der Be-wegungsrichtung von der geraden Linie sind. Stets muss aber das Buggeleuk am stützenden Vorderfuss, das Hüftgelenk am stützenden Hinterfuss in einer Phase der Sti'itzung über die stützende Iluffläoho nach aussen hinüber treten, der betreffende Fuss muss also durch eine seitliche Beweglichkeit in seinen Ge­lenken befähigt sein, diese Bewegung auszuführen.
Bei den schnelleren Bewegungen des Pferdes, im Trabe und Galopp, stützen gleichzeitig nie drei, sondern nur zwei, zuweilen nur ein Fuss die gesammte Körperlast. Demnach ist keine Unter­stützungsfläche melii' vorhanden, in welche der projicifteSchwerpunkt hineinfallen soll, sondern der letztere ist zwischen zwei diagonal gestellten Ffissen aufgehangen und wird balancirt. Die Bewe­gungen oder Excursionen, welche er macht, zwingt er auch den beiden tragenden Füssen, speciell dem Bug- und Hüftgelenk, auf so dass deren Lage in später zu erörtender Weise zu deduciren ist.
Für das Auge sind die Bewegungsvorgänge in der Trans­versalebene bei den oberen Geleideen einigermaassen deutlich im Schritt, wenig deutlich im Trabe zu erkennen. Bei keiner Be­wegung erreichen die Excursionen die Grosse, das lehrt nicht nur der Augenschein sondern auch die theoretische Betrachtung, welche man bei einem still stehenden Pferde beobachtet, wenn man durch Aufheben eines Vorderfusses oder eines Hinterfusses die Last auf den entgegengesetzten Fuss allein verlegt. Um den Vorgang in diesem Versuch klar Übersehen zu können ist es nothwendig, zunächst die Gelenke festzustellen, welche durch ihren Bau be­fähigt sind, in belastetem Zustande Seitenbewegungen auszuführen und selbige auf die ganze Knochensilule zu übertragen.
Besonderheiten in der Formation der Gelenkflächen des Kronen- und Hufgelenkes. Versucht man bei einein leben­den Pferde oder auch bei einem frischen, anatomischen Präparat an den oberen Gelenken, Ellbogen-, Knie-, auch Fesselgelenk, sowie an den correspondirenden Gelenken des Hinterschenkels eine seit­liche Einbiegung, d. h. eine zur Mittelebene senkrecht stehende Annäherung oder Entfernung durch Gewalt zu erzwingen, so sieht man, dass sie sich dieser Bewegung absolut widersetzen, so
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30 Stell, u. Belast, dor stützend. Fiisso in der Transversalebene bei Beweg.
lange sio gestreckt sind. Sie können sich an der Ausfnhrung der seitlichen Bewegungen also nicht betheiligen, weil sie belastet, also auch gestreckt sind. Dagegen gelingt eine Seitenbewegung im Kronengelenk sowohl, wie im Ilufgolenk unter allen Umstän­den leicht.
Abgesehen von dem Beweise, welchen der Versuch liefert, so lilsst die Configuration der oberen Gelenke, mit Einschluss des Fesselgelenks, keine andere Deutung zu, als dass sie lediglich für die Bewegung um die lange Querachse eingerichtet sind. Das Fesselgelenk hat sehr scharf eingeschnittene und tief in einander fassende Kämme und Gruben mit straff angespannten Seiten-biindern, das Vordorknie- und Ellbogengelenk weisen aussei1 be­deutender Entwickelung in der Breite mächtige Seitenbandlagen auf, und ähnlich verhält es sich mit Sprung- und Kniegelenk des Hinterschenkels.
Im Kronen- und llufgelenk dagegen sind die Gelenkenden mit einander durch lose eingepflanzte, dünne Seitenbänder ver­bunden und überdies zeigen die articulirenden Flächen eine ganz andere Gestaltung als die der übrigen Gelenke. Nämlich abge­sehen davon, dass die mittlere Erhöhung oder Vertiefung, welche die innere und äussere Fläche von einander scheidet, nur eine leichte sattelartige Anschwellung resp. seichte Furche darstellen, so zeigen die Gelenkenden eine vollständige Aenderung in Bezug auf Folge und Wechsel von Erhöhung und Vertiefung, wenn man den Vergleich mit dem nächsten und ähnlichen Gelenk, dem Fesselgelenk, macht. Das Fesselgelenk hat seine mittlere Gelenk­grube im unteren Knochen, dem Fesselbein; die Grube ist nach oben gewandt und nimmt den Gelenkkamm auf, womit der obere Knochen, die Röhre ausgestattet ist. Beim Kronen-, wie beim llufgelenk ist die Furche nach unten gewandt, die Erhöhung gehört zum stützenden, unteren Knochen und trägt den Buckel nach oben. Durch diese Aenderung ist die Entstehung von Seitenbewegungen ausserordentlich begünstigt und deren Aus­führung ohne zu starke einseitige, partielle Belastung der Gelenk­fläche ermöglicht.
Denn man denke sich die Seitenbewegung auf diesem Gelenk ausgeführt, so wird immer die volle Hälfte des Gelenkes, vom
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Stell, u. Bolast. dor stützend. Füsso in dor Transversalebene boi Beweg. 31
Gelenkrande bis zur Mitte des Sattels, zum Tragen gelangen und der Druck auf den stützenden Knochen sich in fast senkrechter Richtung fortpflanzen. Dagegen kann, wenn bei der anderen Gelenkformation dieselbe Bewegung ausgeführt werden soll, nur die Seitenfläche bis zum Rande der Furche zum Tragen gelangen, die Furche ist ganz ausgeschlossen und es entsteht hier gewisser-tnaassen ein todter Winkel, in welchem die Richtungslinien des Druckes mit der Böschung der Grube nahezu parallel laufen, den stützenden Knochen nur in einem sehr spitzen Winkel treffen.
Die Zeichnung links stellt den wirklichen Sachverhalt dar, die llufgelenkfläche in ihrer wirklichen Formation, darauf fassend die des Kronenbeins, in Ausführung einer Seitenbewegung begriffen. Letztere ist, im Interesse der Deutlichkeit, mit einem übertrieben grossen Winkel gezeichnet. Die Eichtungslinien des Druckes fallen bei diesem Vorgang nicht senkrecht, sondern in der ange­deuteten Richtung ein; sie treten aber in fast senkrechter Rich­tung aus der oberen Gelenkfläche aus und treffen die untere in demselben Winkel. In der Zeichnung rechts ist der Fall ange­nommen, dass die Gelenkflächen nach dem für das Fesselgelenk gültigen Typus gebauet wären. In diesem Falle bilden die Druck­linien mit der oberen wie auch unteren Gelenkfläche innerhalb der Grube sehr spitze Winkel. Ueberall da, wo der Zwischen­raum zwischen den Gelenkflächen schraffirt ist, sind die Bedin­gungen zur Ueberführung der Last auf die untere Gelenkfläche sehr ungünstig oder ganz aufgehoben. Demnach würde hier nur der nach rechts hinüber liegende kleine Theil der Seitenfläche zum Tragen gelangen.
Aus dem dargelegten Nutzeffekt, welchen die Natur durch den Wechsel des Typus im Aufbau der Gelenke für die Halt-
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32 Stell, u. Belast, dor stützend. Füsse in der Transversalebene bei Beweg.
barkeit derselben erreicht hat, muss man erkennen, dass dieselbe hier mal wieder meisterhaft gearbeitet hat. Sie pflegt sonst nach Grundtypen ihre Anlagen und Khirichtungen zu treffen und nicht gern davon abzugehen, aber dies Gesetz wird nur so lange von ihr befolgt, als es mit dem Interesse der Gattung vereinbar ist.
Ein hoher Nutzen muss noch darin erkannt werden, dass es die beiden untersten, dem Stützpunkt am Erdboden zunächst ge­legenen Gelenke sind, in welchen die nothwendigen Schwankun­gen der Schenkelsäulen ausgeführt werden. Worden die höheren Gelenke bei der Ausführung mit betheiligt sein, so würde die Stabilität des Schenkels grosse Kinbusse erleiden. Ferner würde mit demselben Maass von Beweglichkeit in einem höheren Gelenke nicht dasselbe erreicht werden als hier in einem unteren. Denn die seitliche Bewegung, welche den oberen Theilen des stützen­den Fusses aus den untersten Gelenken mitgetheilt wird, wird um so grosser, je mehr der Abstand von dem Ausführungspunkt der Bewegung wächst, je länger der Winkelschenkel wird.
Welches der beiden gleich gebaueten Gelenke, ob Kronen­oder Hufgelenk, am meisten bei der Ausführung der Seitenbewe­gungen betheiligt ist, ist schwierig zu entscheiden. Es scheint bei desfallslgen Versuchen, dass das Hufgelenk eine stärkere seit­liche Beweglichkeit hat; gleichzeitig weist auch der Bau desselben darauf hin, indem die stützende, untere Gelenkfläcliebedeutend breiter als die gestützte, obere ist, was man im Kronengelenk nicht findet. Uebrigens ist die Entscheidung über diese Frage nicht von Wich­tigkeit, da immer nur der gemeinsame Effekt aus beiden Ge­lenken für die Seitenbewegung in Rechnung zu ziehen ist. Denn da die Neigungen auf beiden Gelenkflächen stets eine gleiche Richtung verfolgen müssen und die beiden Gelenke nur 4 Ctm. über einander liegen, so kann man, angesichts der doch nur approxi­mativen Rechnung, die Summe beider Neigungswinkel nach dem tiefsten Punkt, der Ilnfgelenkfläcbe, verlegen und das Kronenbein als einen, dem Fesselbcin assoeiirten, gleichachsigen Knochen be­trachten.
Beweglichkeit des Kronen- und Ilufgelenks in der Transversal-Ebene. Die seitliche Bewegung, welche das Fes-
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Stell, ii. Belast, der stützend. l'Tisso In der Transversalebene M liowei
selbein bei stärkster Streckung und Belastung der unteren Gelenke ausführen kann, lässt sich am frischen anatomischen Präparat leicht ermitteln, indem man die Excursionen, welche das obere Ende der Fesselbeinachse beschreibt, an einer ebenen Fläche linear feststellt. Bei mehrfachen Untersuchungen ist gefunden worden, dass die Länge der Linie 1' a—2 Ctm. beträgt, wenn mau einen möglichst starken Druck in seitlicher Richtung gegen das obere Ende des Eesselbeins wirken lässt, ein Mal nach links, ein ander Mal nach rechts hinüber. Bei einein Druck von ausseu nach innen würde also in Figur I der innere Gelenkrand n bis n' ge­drängt werden, bei entgegengesetzter Druokriohtung der äussere Gelenkrand m nach m'. In der Wirklichkeit, d. h. bei den Be­lastungen in den normalen Gängen, dürfte aber wohl selten eine so geneigte Achsenstellung, weder nach innen noch nach aussen, erzeugt werden, weil bei den verschiedenen Fusstellungen wohl niemals ein so starker seitlicher Druck, wie er im Versuch angewandt wurde, zur Geltung gelangt. Denn die Einfallslinie, in welcher die Last das Fesselgelenk trifft, weicht doch immer nur in geringem Grade von der Senkrechten ab; ihr Vermögen, Seitendruck hervorzurufen, bleibt ein beschränktes, wenn auch der Druck der Last ein bedeutenderer ist, als die im Versuch ange­wandte K.taft.
Aus den Bewegungen des oberen Endpunktes der Fesselbeinachse ist nun leicht auszurechnen, wie grosser Excursionen das Bugge­lenk als oberster Punkt der tragenden Knochensäule fähig ist. Da die Entfernung des Buggelenks vom Ilufgelenk etwa 7mal so gross ist als die des Fesselgelenks vom Hufgelenk, so muss die Länge der Linie, auf welcher das Buggelenk von innen nach anssen und von aussen nach innen verschoben werden kann, auch 7 mal so gross sein als die betreffende Linie am Fessel, also etwa 14 Ctm. Für das hoher stehende Hüftgelenk würde die Excursionsfähigkeit etwa IG Ctm. betragen. Mit diesen Grossen ist natürlich nur die Grenze bezeichnet, bis zu welcher die beiden obersten Gelenke bei voll auftretender Sohle seitlich ausweichen können. Denn wenn der Huf zuerst, nur mit einer Kante ange­setzt werden muss, damit der Schenkel temporär als seitlicher Strebepfeiler dienen soll, so setzt die seitliche Beweglichkeit weder
Pplors UiKnrsiicIimigonnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;;-j
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84 Sloll
Belast, dev stützend. Püsse In der Transversalebene Ijei Beweg.
vom Bug- nooh vom Hüftgelenk diesem Akt irgend welche Schwierig­keit entgegen. Aber so lange der Fuss mit ganzer Ilnt'solile angesetzt ist und die Last trägt, können beide Gelenke über die bezeich­neten Grossen hinaus nicht seitwärts verstellt werden. Und be-merkenswerth ist der Umstand, dass der Excursionsfilhigkeit der Gelenke die Breite der Unterstützungstläche am Hufe, d. h. die Länge der Bodenlinie ab entspricht. Sucht man sich nämlich i'ür die äusserste Verschiebung des Buggelenks oder der in ihm con-centrirten Last nach aussen hinüber den Unterstütznngspunkt an der Bodenlinie ab, so liegt derselbe nahe dem Punkte a, etwa 2 Ctin. nach innen, und die ganze Last drückt auf die letzte äussere Kante des breitesten Querschnittes, lallt aber nicht nach aussen über sie hinaus. Ebenso bleibt der Unterstützungspunkt 1'ür das um 14 Ctm. nach innen verschobene Buggelenk noch innerhalb b liegen, nähert sich aber der äussersten Huf kante bis auf ' ., Ctm. ürde er über einen der Punkte a und b hinaus­treten, so würde das Gleichgewicht verloren gehen, das Pferd Hinfallen. Man kann also sagen, dass den Grenzen, welche den EixoUrsionen des Buggelenkes angewiesen sind, die Länge der Unterstützungslinie, d. h. die Breite des Hufes entspricht. Das Constructionsverfahren, mittels dessen man die beiden Unter-stützungspunkte findet, ist in der Zeichnung nicht ausgeführt, damit dieselbe nicht entstellt und unnüthig verworren wird. Ls geschieht überdies sehr leicht, indem man die Lage des Schwer­punktes in den oberen Knochen für die äussersten Stellungen der Füsse nach rechts und links hinüber approximativ bestimmt, den Einfallspunkt der Schwerlinie auf der Verlängerung der Fessel-gelenkfläohe einträgt und dann nach früher angegebenem Verfahren weiter verfährt.
Die soeben besprochenen Ermittelungen über die seitliche Beweglichkeit der unteren Gelenke, sowie der Versuch, aus ihrer Grosse die seitlichen Excursionen des Buggelenks linear festzu­stellen, würden keine Berücksichtigung verdienen und auch nicht mitgetheilt sein, wenn genauere Messungs-Resultate an die Stelle zu setzen wären. Könnte man durch directe Messungen am lebenden Pferde die Verschiebungen des Bug- und Hüftgelenks im Schrill oder Trab, besonders in den verschiedenen Phasen
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Stell. 11. Belast, der stützend, Kiisso in dor Transversalebene bei Beweg. 85
der Bewegungen ermitteln, so könnte man jene Folgerungen Übergehen, Bisher konnten wir aber nur eine Messung beim rullenden Pferde ausführen und zwar der Art, dass wir die Unter­schiede in der Lage eines Buggelenks feststellen, wenn zuerst beide Füsse sich gleichmässig in die Lust des Vordertheiles theilen und wenn dann das eine Buggelenk durch Aufheben des anderen Fusses gezwungen wird, eine seitliche Excursion auszuführen. Da man über diesen Versuch hinaus vorläufig wohl nicht gelangen wird, so muss man auf Umwegen und durch Folgerungen ein Resultat zu erreichen suchen, um die Frage der seitlichen Be­wegung zu fördern. Dass indessen die Grenze für die Excursion des Buggelenks annähernd richtig bestimmt ist, dürfte aus der schon erwähnten Uebereinstimmung zwischen der Breite des Hufes und der Länge der Unterstützungslinie zu folgern sein. Weiterhin darf man wohl annehmen, dass die beiden unteren Gelenke auch nur grade die Grosse seitlicher Beweglichkeit von der Natur ver­liehen erbalten oder sich selbst angeeignet haben, welche die gleicii gerichteten Bewegungen der oberen Gelenke bezüglich ihrer Grosse auszulösen im Stande ist. Darüber hinaus wird die Beweglichkeit nicht vermehrt sein, weil die Natur mit solchen Einrichtungen, welche die Festigkeit und Dauerhaftigkeit der Ge­lenke beeinträchtigen, nur bis zur Grenze des absolut Nothwen­digen vorzugehen pflegt. Als eine solche, Gefahr bringend wenn auch nothwendig, ist aber dieselbe zu betrachten. Denn je loser die Verbindung der Gelenkenden mittels der Seitenbänder bewerk­stelligt wird, um so mehr Anläse zu Ausdehnung der letzteren, zu Insulten der Gelenkflächen durch einseitige Belastung ist ge­geben, so dass wir auch nicht ohne Grund die beiden unteren Gelenke, besonders aber das Hufgelenk, als den häufigsten Sitz acuter und chronischer Gelenkleiden erblicken.
Einfluss der Bewegungen auf die Richtung und Grosse der Excursionen von Bug- und Hüftgelenk. Die einzigste Möglichkeit, durch directe Messung die Excursionen der beiden oberen Gelenke in Folge von seitlichen Schwankungen der Körperachse oder des Schwerpunktes zu ermitteln, ist nur beim ruhenden Pferde gegeben. Man stellt bei einem auf allen Küssen gleichmässig stehenden Pferde den Kinfallspunkt des
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'M) Stoll. u. Belast, der stützoml. Pilsse in rtor Transversalebene bei l5o\vog'.
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Lollies aus dem Buggelenk in den horizontalen Erdboden fest, verlegt sodann durcli Aufheben des anderen Vordert'nsses die ganze Last des Vordertheiles auf den ersteren und niarkirt nun wieder den Einfallspunkt des Lothes in den Erdboden. Es ergiebt sieh dabei, dass je nach der Bauart des Pferdes die Länge der Linie zwischen 6 und 11 Ctm. schwankt. Die Schwankungen sind besonders durch die Entfernung bedingt, in welcher die Hüfo von einander auf dein Erdboden stehen, indem, wie leicht einzu­sehen, bei engstehenden Pferden die Verschiebung eine geringere bleiben muss als bei Pferden mit breitein Stande auf dem Erd­boden. Die Messung kann auch in der Weise ausgeführt werden, dass man ein feststehendes Loth auf dem Erdboden errichtet, i'iber dieses hinaus nach dem Buggelenk visirt und die visirten Punkte auf der Ilautiläche unter den angegebenen verschiedenen Bedingungen mit Kreide markirt. Wählt man bei diesem Verfahren als Fusspuukt für das Loth die Zehe bei einem möglichst normal stehenden Pferde, so lässt sich gleichzeitig deutlich überblicken, in welchen Verhältnissen die Knochenreihe von oben bis unten, bis zur Krone hinab, an der Abweichung nach aussen sich betheiligt, dass aber die Fessel-Kronbeinachse durch ihre Verlegung nach aussen der Ausgangspunkt der Bewegung ist.
Es ist nun die Frage, wie weit aus den Bestimmungen dieses Versuches Rückschiiisse auf die Excursionen des Buggelenks resp. Hüftgelenkes bei einem sich bewegenden Pferde zu machen sind. Ala ziemlich sicher dürfte wohl anzunehmen sein, dass bei keiner natürlichen Gangart des Pferdes, bei keiner Phase des Aus-schreitens, gleichviel im Trabe oder Schritt, eine stärkere Ver­legung seitlich nach aussen stattfindet, als wenn bei dem still­stehenden Pferde der betreffende Vorderfuss mit der Last des ganzen Vordertheiles besehwert wird. Denn als Grundtypus des Schenkelsatzes bei allen Bewegungen des Pferdes ist die Stellung der stutzenden Fi'isse in der Diagonale zu betrachten, und wenn dieser Typus der Stützung auch nicht so rein hervortritt, die diagonalen Füsse nicht allemal so a tempo in den Boden ein­greifen wie beim Trabe, so ist docii immer die Annäherung daran zu erkennen und sowohl im Schritt wie auch im Galopp bei einem Fusspaar zu beobachten. Die diagonale Stützung hat aber
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Sleil
Bolasl, dor stiii/.und. Piisso in lier Tmusveraalebeue Kui Bowesc, •i'i
zur Folge, daas die Küvperlast mit einein gewissen Qleiohmaass zwischen linker und reohter Körpei'Stütze sich vertheilt und dass der Gleichgewichtszustand, freilich in einem sehr labilen Verhiilt-nisSj ohne stärkere seitliche Verlegungen des Schwerpunktes zu Stande kommen kann.
Sucht man hei einem still stehenden Pferde die diagonale Stützung nachzuahmen, indem man zuerst den Vorderi'uss und dann den diagonalen Ilinterfuss aufhebt, was freilich nur bei sehr ruhigen Pferden und auch nur auf kurze Zeit gelingt, so sieht man bei der ersten Anforderung zum Aufheben des IHnterfusses den tragenden Vorderfuss seine seitliche Neigung sofort verändern, die Excursion des Buggelenks sich wieder vermindern. Die auf­merksame Beobachtung eines sich bewegenden Pferdes, sowohl im Schritt wie im Trabe, lehrt auch, dass die Excurslonen nicht die Grosse erreichen, wie sie der Versuch beim stillstehenden Pferde finden Hess.
Der Versuch sowohl wie die Beobachtung lassen also er­kennen, dass Lageverilnderungen der oberen Gelenke nach aussen hinüber stattfinden, indessen ist keine Möglichkeit vorhanden, auf demselben Wege Lageverilnderungen in der entgegengesetzten Richtung zur Anschauung zu bringen. Und dennoch muss ange­nommen werden, dass sie bei der Ausführung' von körperlichen Bewegungen zu irgend einer Zeit stattfinden müssen, dass zu Zeiten das Buggelenk weiter nach innen hinüber über der stützenden Hufflilche steht, als in dem Falle, wo auch der andere Fuss gleichzeitig trägt. Die Anschauung von diesen Bewegungen des Bug- und Hüftgelenks, welche man Incursionen nennen niüsste, liisst sich nur, aber in leichter Weise, durch eine analytische Be­trachtung der Mechanik des Bewegungsvorganges gewinnen.
Bevor dieselbe versucht wird, muss noch ein Wort über die Berechtigung derselben gesagt werden. Von der unmittelbaren Beobachtung eines sich schnell bewegenden Objectes, mag das beobachtende Auge noch so scharf und geübt sein, kann nicht zu viel erwartet werden; durch die Anschauung allein können die Stellungsveränderuiigen des stützenden Kusses während der kurzen Phasen eines Schrittes, besonders in den schnellen Gangarten, nicht erkannt werden. Hier dürfen mathematisch-physikalische
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;58 Stell, u, Belast, dor stützend. Pttsse in dor Trausvorsaloboiic bei Bewog
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Betrachtungen helfend eintreten und wenn es auch mit ihrer Hülfe
nicht gelingt, nur annähernd so prilcise Anschauungen zu ge­winnen wie es z. B. die Ballistik über die Bahn des Geschosses vermögt Imt, so wird man doch zu Annäherungswerthen gelangen können. Hat man mit Hülfe mechanischer Gesetze erst gewisse Notwendigkeiten erkannt, so gelingt es auch häufig dem beob­achtenden Auge, dieselben nachträglich zu percipiren. Mir ist es wenigstens so ergangen, dass mein Auge für manchen Vor-aaniï erst dann das Verstiindniss fand, nachdem ich auf dein Wege der Deduction die Nothwendigkeit seines Zustandekommens erkannt hatte.
Wie Projectiouscbcue des Schwci'iiuuktcs. Um die Kxcursionen und Incursionen der oberen Gelenke kennen zu lernen, thut man am besten, die Lageveränderuniien des Schwerpunk­tes in die Ebene der Hufscbläge, also in eine horizontale Ebene zu prqjiciren, und zwar während einer Gangart, bei wel­cher die diagonale Stützung am reinsten zur Geltung kommt, ulso im Trabe. Innerhalb der Ebene hat man sich die zu gleicher Zeit stützenden Gelenke, also rechtes Buggelenk und linkes Hüft­gelenk, später linkes Buggelenk und rechtes Hüftgelenk, durch eine .Linie verbunden zu denken, an welcher die Körperlast auf­gehangen oder sonstwie befestigt ist. Annähernd liegt der Schwer­punkt, in welchem die ganze Last ooncentrirt gedacht wird, in der Mitte dieser Verbindungslinien, welche als die zeitweiligen Achsen des Körpers anzusehen sind, die wir aber, weil das Wort, Achse ohnehin oft genug vorkommt, als Tragelinien bezeichnen können, analog einem, an seinen beiden Endpunkten gestützten, Tragebalken funetionirend.
In beistehender Zeichnung, links, bedeutet dieRichtung des Pfeiles die Bewegungsrichtung, gleichlaufend mit den drei langen paral­lelen Linien, von welchen die mittlere die Körperachse, die bei­den seitlichen die Unterstützungslinieh darstellen, weil in ihnen die stützenden Hufschläge liegen. Die letzteren sind als dicke, runde Punkte gezeichnet, der rückwärts nach links gezeichnete gehört dem linken Hinterfnss, der vorwärts nach rechts gelegene dem rechten Vorderfuss. Die liegenden drei Kreuze sind die Stellungen des Hüftgelenks, die stehenden drei Kreuze die des
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Stell, u. Belast, dor sluizend. Füsse in der Transvei'salebene bei Beweg. 39
Buggelenks, Die punktirten Linien stellen die Tmgelinien dar, die wellenförmigen Linien den Weg, welchen die beiden Grelenke längs den Unterstützungslinien laufen.
Buggelenk und Hüftgelenk sind in drei verschiedenen Lagen dar­gestellt. Erstens, wenn die Füsse nach vorne greifen und die Ge­lenke soweit wie möglich nach rückwärts hinter den zugehörigen Hufschlilgen liegen, tilso in dem Augenblick, wo der Huf in den Erdboden fällt. Zweitens, wenn das Gelenk in gleiche Höhe mit seinem Hufschlag gelangt ist, also senkrecht über ihm oder seitlich neben ihm liegen muss. Drittens, wenn das Gelenk soweit als mög­lich nach vorne gerückt ist und der Hui' im Begriff steht, den Erd­boden zu verlassen.
In dem Moment, wo rechter Vorderfuss und linker Hinterfuss in den Erdboden einfallen, haben die zugehörigen Gelenke ihre Lage 1) und A, die Tragelinie, an welcher die Last
iiacb rückwärt; aufgehangen ist,
st also A B. Der Schwerpunkt O, welcher
annähernd in der Mitte von A B liegt, hat also auch seine Lage weit nach rückwärts von den beiden Stützpunkten am Erdboden und er müsste, wenn keine andere Kraft als die Schwerkraft auf ihn einwirkte, sich senkrecht dem Erdboden näherii, die Trage­linie A B zu Boden drücken und das Pferd zum Umfallen nach hinten hinüber zwingen. Dieser Wirkung der Schwerkraft tritt aber die dem Körper inne wohnende lebendige Schwungkraft der Bewegung entgegen, das Trägheitsgesetz greift thütig ein und treibt die Körpermasse über die der Bewegung entgegen streben-
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40 Stell, u, Bolast. tier .stützend. Fiisse in der Trausvorsiilobciie bei Bewoff.
den Körperstützen hinweg'. Also zwei verschiedene, einandev entgegen gerichtete Bewegungen troffen in diesem Moment auf einander, wie auf das deutlichste durch den Abliub des Reiters auf dem Rücken des trabenden Pferdes dargetlian wird, wo dem momentanen Aufenthalt in der Bewegung in Folge des kurzen rückläufigen Stosses der Schwung- nach vorwärts sofort nachfolgt.
Die Kraft der Trägheit wirkt demnach im Sinne einer neu hinzutretenden Kraft auf den in Stillstand gerathenen Körper ein. Die Bewegungsrichtung, welche letzterem von ihr initgctheilt wird, wird einer Seits durch die Richtung der Kraft oder des Schwunges, welche die der Körperachse besitzt, anderer Seits durch die Lage der Tragelinie, auf welche sie einwirkt, bestimmt, Diese Achse ist zur Zeit die Tragelinie A B und liegt schröge zu dem Wege, welchen die Schwungkraft läuft. Sie muss daher aussei' der grade nach vorwärts, parallel zur Körperachse gerichteten Kraft einen seitlichen Druck empfangen. Dieser Seitendnick ist senkrecht gegen sie gerichtet und zwingt sie, einen Weg' einzuschlagen, dessen Richtung und proportionelle Grössc durch das Parallelogramm der Kräfte leicht zu finden ist. Das letztere ist in der kleinen Zeichnung neben der Hauptzeichnung von der Projectionsebene dargestellt. Die Kraftlinie ist durch den Pfeil ausgedruckt, die Tragelinien durch die punktirten Linien. Der Weg, den der Schwerpunkt durchläuft, geht von O mich O, während er nach O, gehen würde, wenn die Tragelinio in glei­cher Kiehtung mit der Schwungkraft läge. Demnach entfernt sich der Schwerpunkt von der nach rechts gelegenen Unter-stiUzungslinie und nähert sich der linksseitigen, wenn das ange­nommene Fusspaar, rechterVorderfuss und linker llinterfuss, stützen. Den entgegengesetzten Weg, schräge nach rechts hinüber, muss der Schwerpunkt wandern, wenn im nächsten Trab-Tempo linker Vorderfuss und rechter Hintorfuss in den Boden einfallen.
Wie lange der Schwerpunkt in der Bahn, welche ihm die Schwungkraft vorschreibt, weiter wandert, inuss von der Rich­tung der museulösen Zugkräfte, mit denen der llinterschenkel ausgestattet ist, sowie von der Gestalt der Gelenkflftchen nb-hängen. Bemerkt muss aber werden, dass für die erste Phase der Stützung, von dem Augenblick, wo der Puss in den El'd-
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SlelL u. Belast, der stülzond, Füsse In der Tmnsvuvsalebono lioi Bewag. 41
boden einfällt, bis dorthin, wo das Hüftgelenk in gleiche Höbe mit dem Hufgelenk gelangt, die treibende Kraft die Schwung­kraft der Bewegung ist, das die Muskelwirkung, welche die sog. Nacbzieber des Rumpfes für die locomotorisobe Tbiltigkeit der Scbenkel besitzt, bedeutend in den Hintergrund tritt. Für sich allein würden diese Nachzieher des liumpfes nie die Wir­kung der Schwerkraft überwinden können, weil sowohl die An­fangs- als auch die Endpunkte aller Muskeln auf einer und der­selben Seite, rückwärts der im Stützpunkt auf dein Erdboden stehenden Schwerlinie liegen. Denn es ist zu erwägen, dass bei dem Nachziehen des Rumpfes auf den vorwärts gestellten Vor­derschenkel und Hinterschenkel die Hebelarme des Ellbogen-und Sprungbeins in die Höhe gehoben werden müssen. Der Muskclzug kann diese Wirkung durch Annäherung der genann­ten Hebelarme an den Haunpf nur unter der Voraussetzung aus-führen, dass der Rumpf nicht durch die Wirkung der Schwer­kraft ebenso wie die Hebelarme zum Erdboden herabgezogen wird. Die Wirkung der Musculatur kann als Gelenkstreekendc nur dann zur Erscheinung gelangen, wenn die auf den Rumpf wirkende Schwerkraft also durch eine andere Kraft überwunden wird. Dies geschieht durch die Kraft des Beharrungsvermögens oder der Trägheit, welche gewisser Maassen am Rumpf erst einen festen Zugpunkt für die Musculatur herstellt, ihr die streckende und nachziehende Wirkung ermöglicht. Für den Rumpf ist in dem betrachteten Moment die Schwungkraft die Hauptkraft, die treibende und erhaltende, die Muskelkraft wird diebeschleunigendein den späteren Momenten, daher die Richtung der ersteren die Maass­gebende für die Bewegung des Rumpfes oder der Trageachse.
Für die grossartigen Wirkungen des Schwunges der Be­wegung, besonders in den schnellen Gangarten, giebt es überdies die zahlreichsten Beweise, und man wird wohl nicht fehl gehen, wenn man dieser Trägheitskraft den anfänglichen bewegenden Impuls fast aussohliesslich zurechnet, folglich auch die Bestimmung über die Bewegungsrichtung.
Dieselbe Kraft nun, welche wir auf einen einzigen Punkt, den Schwerpunkt O wirkend, uns vorgestellt haben, können wir in zwei gleiche Grossen getheilt uns denken mit den beiden An-
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licliisi. der sliil/oml. Ifflsse in dor Transvorsalobouo bei lïowoy.
Hiiffspuiikteii A und B, als den beiden Endpunkten der Tragelaquo; linie, liier wird also die Kraft sowohl dem Hüftgelenk wie auch dem Buggelenk dieselbe Bewegungsnohtung nach links hinüber mittheilen, welche der .Schwerpunkt hat, und wenn der letztere seine Lage in O, erreicht hat, muss A nach A, und li nach 1), gelangt sein, weil A und B sich ihre gleichen Abstände von O erhalten. Das linke Hüftgelenk hat also in dem Augen­blick, wo es in gleiche Höhe mit seinem stützenden Hufe gelatgt ist, sich seitlich nach aussen über seinen Stützpunkt'gestellt, das rechte Buggelenk seitlich nach innen von seinem Stützpunkt. Da­mit ist die erste Phase eines Trab-Tempos abgeschlossen.
Sucht man nach der Bestätigung für die dargelegte Bewe-gungsrichtung der stützenden Füsse, so kann man sie durch Be­obachtung wenigstens theilweis linden. Bei dem Buggelenk lässt sich die Erscheinung schwer erkennen, weil man dieses nur von vorne und bei einer schnellen Annäherung immer auch nur auf kurze Zeit beobachten kann und da ferner keine Visirpunkte zu dem Zweck sich darbieten. Am Hüftgelenk dagegen ist die Her-vorwölbung und das Heraustreten der deckenden Muskeln, sofort nach dem Niedersetzen des Fusses, deutlich erkennbar. Ferner wird die seitliche Richtung des Schwunges durch die gleichzeitige und gleichgerichtete, pendelartige Schwingung des Schweifes kennt­lich gemacht. Ausserdein wird durch pathologische Zustände im Bereich der Kruppenmuskeln oder deren Insertionspunktc die Gangart des Pferdes eine so eigenthümliche, dass daraus das Bemühen des Pferdes erkannt werden kann, von der erkrankten Partie den Druck fern zu halten, welcher beim Ansetzen des Fusses auf jene in der Richtung von innen nach aussen einwirkt. Das Pferd schiebt die gesunde Seite der Kruppe soweit schräge nach vorne, dass die Körperachse diagonal zur Bewegungsrich-tung steht und dass den Backenmuskeln der kranken Hüfte die Arbeit erspart wird, der Gleichgewichtsschwankung nach aussen hinüber entgegen zu treten.
Zunächst muss nun die Frage aufgeworfen werden, welche Ein­richtungen der Hinterschenkel besitzt, wodurch er in den Stand gesetzt ist, die ihm und allen seinen Gelenken initgetheilte Be-
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Sloll. u. Belast, der stülzond. Pttsse In der Transversalebene bei Beweg, 48
wegungsriclitung nacli iiussen zu besciu-ilnken und sie aucli in eine andere wieder hinüber ZU leiten. Denn in eine nach innen gerichtete Bewegung muss der stützende Hinterfuss vor Beendigung des Schrittes eintreten, damit er dem anderen Fuss die Last zuwer­fen kann. In erster Linie tritt am Hüftgelenk selbst ein grosser Tlieil der Muskehnassen, welche an den Umdrehern des Back­beins sich anheften, dem Druck nach aussen entgegen. Indessen steht die muskulöse Kraft für sich allein und vereinzelt der Ajifgabo nicht gegenüber, die Hemmung auszuüben. Die Natur hat dafür gesorgt, dass für solche Actionen des Schenkels, welche sich bei jedem Schritt unabweislich wiederholen müssen, ein nicht zu grosser Aufwand von lebendiger Muskelkraft noth-wendig wird, dass auch dann noch die nothwendige Aufgabe er­reicht wird, wenn eine Elimination der vitalen Kräfte, vielleicht durch Ermüdung, eintritt. Die Aufhebung der nach aussen ge­richteten Bewegung muss dem Thiere unbewusst vor sich gehen und dies wird durch eine gewisse mechanische Einrichtung des Sprunggelenks erreicht, indem dieses beim Uebergang in die höchste Strecklage seine Drehachse verstellt.
Die Lage der Rollbeinachse des Sprunggelenks. Das Sprunggelenk verdient bezüglich einer Eigenthümlichkeit in sei­nem Bau, welche früher noch nicht hervorgehoben und noch weniger in ihrer mechanischen Bedeutung gewürdigt worden ist, eine genauere Betrachtung. Das Rollbein oder die Sprunggelenk­rolle ist bekannt als ein Cylinder, dessen Mantel in schrauben­förmigen Windungen mit den beiden scharf hervortretenden Ge-lenkkämmen umgeben ist. Die beiden Kämme greifen, besonders in den höheren, der Strecklage des Gelenkes entsprechenden, Ab­schnitten in die tiefen schraubenförmigen Furchen des Unter-
schenkclbeins so innig ein, ferner sind die Seitenbänder so straff eingepflanzt, dass andere Bewegungen als um die Drehachse des Bollbeins absolut nicht 7A\ Stande kommen können.
Die Schraube oder die schiefe Ebene hat für das Gelenk die Bedeutung, dass sie zunächst eine Verschiebung der einen Gelenkfläche auf der andern und parallel zur Gelenkachse bei jeder Beugung und Streckung zu Stande bringt. Sodarm muss
mit Zunahme der Beugung des Gelenkes eine immer stärker wer-
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•Id Stell, ii. Boliust. der sUllzond. luis.sc in dor Ti'unsvei'saloböno hui Beweg.
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(lende Kreuzung der beiden articulirenden Knochen entstellen, so dass die Beugungsebene des Gelenks die allgemeine Bewegungs­ebene des Schenkels in inuner zunehmendem Grade durch­kreuzt, Für das Ausschreiten des Fusses hat die Schraube einen nicht unbedeutenden Werth, insofern sie dem Huf seinen Stütz­punkt am Erdboden in grösserer Entfernung von der Mittelebene des Körpers anweist, als der erhobene Huf bei verticaler Pro­jection sie besitzen würde.
Die wesentlichste Einrichtung des Sprunggelenks besteht siber in der EigenthQmlichkeit, dass die Drehachse des Rollbeins eine schiefe Stellung innerhalb der horizontalen Ebene aufweist, dass sie schräge von vorne und innen nach hinten und aussen gerichtet ist. Gegenüber dem Kniescheibengelenk tritt der Un­terschied in der Richtung der Achse, bei gut gebauetem Hinter-schenkel, weniger stark hervor, denn bei diesem Gelenk hat die Achse auch eine ähnliche Richtung. Am wichtigsten aber ist, dass das Fesselgelenk, welches zumal mit einer scharf bestimmten Achse ausgestattet ist, für dieselbe eine nur geringe Abweichung von der senkrechten Stellung zur Mittelebene des Körpers aufweist und stets eine anders gestellte Drehachse besitzt als das Sprung­gelenk. Die Folge davon ist, dass wenn Beugung oder Streckung gleichzeitig im Fessel und Sprunggelenk stattfindet, dass dann das Röhrenbein und das Unferschenkelbein nicht dieselbe Re-wegungsiichtung verfolgen können. Bewegt sich das Röhrenbein parallel zur Medianebene des Körpers, so muss das Unterschen­kelbein in einer anderen Ebene sich bewegen, welche jene durch­schneidet. Die Kraftrichtung, welche in der Bewegungsebene des einen Knochens liegt und geeignet ist, denselben, wenn der Fuss stützt, gradeaus, zur Medianebene parallel vorwärts zu treiben, kann dem anderen nicht dieselbe Bewegungsriohtung mit-theilen, ohne dass seitlich wirkende Nebenkräfte entstellen.
Schon die aufmerksame äussere Betrachtung des Sprungge­lenks, speciell der gegenseitigen Lage der beiden Kämme der Rolle, führt darauf hin, dass, wenn auf ihnen das Unterschenkel-bein sich dreht, die Drehung einen Kreisbogen beschreibt, wel­cher aussei' der Richtung nach vorne eine Richtung nach aussen besitzt. Demi der innere Kamm der Rolle tritt stärker nach
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iStoll. u. Belast, dor stützend. Piisso in der Transversalebene bei Beweg. 45
vorne hervor als der äussere. TTncl versucht man an einem tVischen anatomischen Präparat die Vorgänge nachzuahmen, wie sie beim Uebergang aus der Beugung in die Strecklage vorkom­men, so lässt sich erkennen, dass ein Druck auf die hintere! Fläche des Sprunggelenks, welcher Streckung des Gelenkes und Vorwärtsbewegung des Fusses als zwei untrennbar verbundene Bewegungen erzeugen soll, eine Nebenwirkung zu Stande kom­men lassen muss. Denkt man sich die Verlängerung der Roll­beinachse erfasst und an ihr eine der Streckung entsprechende Drehbewegung ausgeführt, so drücken die inneren Wangen der Kämme der Rolle gegen die Seitenflächen der Vertiefungen des Unterschenkelbeins, so dass dieses in eine drehende oder rotirende Bewegung gerathen muss.
Die bezeichnete Einrichtung des Rollbeins, oder vielmehr die Divergenz in der Lage der Achsen von Fessel- und Sprungge­lenk, hat für den tragenden Fuss, wenn er den Uebergang aus der geringeren in die höchste Strecklage machen soll, die höchste Bedeutung. Er empfängt ausser der Hauptbewegung nach vorne derartige dynamische Einwirkungen, dass noch eine Reiiie an­derer Bewegungen ausgelöst wird. Die Art derselben lässt sich am besten erkennen, wenn man an der Achse des Rollbeins selbst die Einwirkung der Kraft durch mathematisch-physikalische Be­trachtung klarlegt und die von ihr nach unten und oben fortge­pflanzten Bewegungen entwickelt.
Um die Achse des Rollbeins in ihrer Lage zu gewinnen, macht man in horizontaler Richtung von innen nach aussen einen Schnitt durch die Rolle, welcher über die beiden vordersten Punkte der Kämme geht. Die kleine Zeichnung stellt einen solchen Schnitt aus dem linken Sprunggelenk, von oben ge­sehen, dar.
Zur Bestimmung der wahren Drehachse des Rollbeins wur­den die beiden höchsten Punkte der Grelenkkämme i, 1' durch eine grade Linie verbunden, hiezu eine Parallelle durch a gelegt = a b, und von ab angenommen, dass sie die Achse selbst sei oder ihr parallel! liege. Dass diese Behauptung richtig ist, lässt sich leicht beweisen, Die beiden Gelenkkämme stellen in den oberen
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46 Stell, ii. Belast, dor stützend. Posse in der Transveimlebene bei Beweg.
Abschnitten, welche überhaupt nur in Betracht kommen, fast ge­nau Kreise mit gleichen Krümmungshiilbmessern dar. Davon kann man sich überzeugen, wenn man durch sagittal liegende
Schnittflächen die grössten Kreise von beiden Kämmen, also längs den Linien i 1 und i' 1' herstellt und dann die beiden Sectoren lt;les innern und äusseren Kammes auf einander passt. Die Peri­pherie des einen Sectors passt dann fast genau zur Peripherie des anderen. Auch anderweitig angestellte Messungen, so eine neuere Arbeit von Pütz, vindiciren der Eolle die Gestalt des Cylinders, den beiden Krümmungslinien also gleiche Halbmesser. Demnach sind die Punkte i und i' beide auf der Peripherie von zwei parallell gestellten, gleich grossen Curven gelegen, ihre Mittelpunkte müssen gleich weit entfernt von ihnen liegen, also in einer Parallele zu i i', welche durch ab dargestellt wird.
Die nächste Frage ist nunmehr, welche Richtung hat die Kraft, welche die in der Lage ab stehende Rollbein-Achse vor­wärts schiebt und gleichzeitig die Gelenkstreckung erzeugt?
Man darf die Beantwortung dieser Frage nicht von einer ge­nauen Ermittelung über die Richtung, welche der Muskelzug der sog. Streckmuskeln besitzt, abhängig machen wollen, weil sie dann über­haupt nicht genau gegeben werden könnte. Denn die Muskelgruppen, welche den Körper auf den stützenden Fuss nachschieben, erreichen' die Streckung nicht unmittelbar durch Muskelzug an der Gelenk­achse selbst, sonder., dadurch, .lass sie die rOckwftrts gelegenen
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Stell, u. Belast, der sttltzend. Küsso In der Ttansversalebene boi Beweg, 47
Hebelarme mehr oder weniger senkrecht in die Hölie lieben. Es giebt also keine bestimmte Biohtung zur Gelenkuclise, in welcher die Zugwirkung der Muskulatur auf diese sich geltend macht, die Muskelebene kann keinen directen Einfluss auf die llauptbewcgungs-ebene des Fusses ausüben. Aber dennoch ist die Bewegungs-riohtung für den tragenden Fuss eine scharf bestimmte, weil die an seinem Fusspunkt liegenden Gelenke, besonders das mit scharf eingeschnittenen Kämmen und Gruben und mit einem grossen Oeffnungswinkel versehene Fesselgelenk, nur eine der Eichtung der letzteren entsprechende Bewegung für den Röhrenknochen zulassen. Tritt das Fesseleelenk des tragenden Fusses in die höchste Strecklage, bewegt sich dabei das obere Ende der Rühre nach vorne, so geschieht die Drehbewegung im Fesselgelenk wie in einem Scharnier mit fester Achse. Die Ebene, in welcher das Röhrenbein die Bewegung ausführt, muss als die Haupt-Bewe­gungsebene des Fusses angesehen werden, die anderen höheren Knochen müssen, je nach Lage ihrer Gelenkachsen, sich der vor­geschriebenen Bewegung der Röhre mehr oder weniger anlehnen. Bezüglich der Haupt-Bewegungsebene des Fusses ist die Annahme gerechtfertigt, dass in ihr die Ebene der Muskelkraft, liegt, dass also die Ebene des Fesselgelenkes und die der Kraft identisch sind. Die Kraft wirkt also senkrecht auf die Fessel­gelenkachse, trifft aber alle anderen Gelenkachsen, welche nicht gleichhuifende Richtung mit letzterer besitzen, in einem Winkel. Will man jene Behauptung nicht als statthaft zulassen, dass die Kraftebene und die Ebene des Fesselgelenkes zusammenfallen, so bleibt nur noch eine Annahme möglich, nämlich dass die Kraft­ebene parallel der Mittelebene des Körpers steht. Denn senkrecht zur Achse des Sprunggelenks kann sie aus dem Grunde nicht stehen, weil dann der stützende Fuss seine Last, der Oeffnungs-ebenc des Sprunggelenks entsprechend, immer mehr nach aussen übei' die Unterstützungslinie hinaus tragen mttsste und vollends am Schluss des Schrittes nicht wieder an dieselbe heranführen könnte. Die Fussgelenkachsen des Hinterschenkels stehen silmmt-lich nicht ganz senkrecht zur Mittelebene des Körpers, bei dem einen Pferde mehr schräge bei dem anderen weniger, die ge­ringste Abweichung zeigt aber die des Fessolgelenkes, die grösste
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48 Stell, u. Bolast. dor stiit/.oiid. Piisso In der Transversalebene bei Beweg.
stets lt;lie des Sprunggelenkes. Die Kraftebene iles Muskelzuges mag also senkrecht zur Fesselgelenkachse stellen, also in der Oeffnungsebene des betreffenden Gelenkes liegen, oder auch parallel zur Mittelebene des Körper, stets wirkt sie auf die Achse des Sprunggelenkes in einem nicht rechten Winkel, wie in der Zeich­nung die Lage der Kraftlinie k k' zur Achse a b anzeigt.
Da es sich weniger um die Ermittelung der Grosse jenes Winkels handelt, zumal er auch bei den einzelnen Individuen ziemlich verschieden zu sein scheint, so bleibt als Hauptsache die Führung des Nachweises, dass das äussere Ende der Sprungge­lenkachse stärker nach rückwärts gewandt ist als das des Fesscl-gelenkes. Dies gelingt am besten, wenn man die Achse des letzteren in die horizontale Schnittfläche des Rollbeins projicii't, dessen Achse die Lage a b hat. Der Weg, auf dem man dies erreicht, ist gar nicht umständlich. Man lässt die Verbindung zwischen Kolle und Röhre bestellen, stellt den horizontalen Schnitt über die Rolle her, stellt die Lage der Achse in schon angegebener Weise fest, bohrt an den Endpunkten a und I) Löcher und treibt in diese eiserne Stifte ein, so dass diese eine Verlängerung der Achse darstellen. Durch ebensolche Stifte ver­längert man auch die Fesselgelenkachse nach beiden Seiten. Vi-sirt man dann über die Länge des Knochens hinaus, so sieht man deutlich die Kreuzung der verlängerten Achsen, bei einem Präparat unter stärkerem, bei dem anderen unter geringerem Winkel. In der Zeichnung ist der Deutlichkeit halber ein grös-serer Winkel angenommen.
Die Rollbe ivegung des Hinterschenkels. Die Lage der Rollbeinachse in der Zeichnung ist also ab, die der projicirten Fesselachse a x, und jede Bewegung des .stützenden Fusses nach vorwärts muss gleichzeitig von einer Drehung um diese beiden Linien begleitet werden. Die Richtung der Kraft, welche diese Bewegungen erzeugt, ist senkrecht zur Fesselacbse a x gerichtet also k k'. Da letztere nicht senkrecht zu a b steht, so muss aussei' der Kraftwirkung, welche gradeaus nach vorne gerichtet ist, noch eine seitliche Nebenwirkung an ab zur Erscheinung gelangen. Die letz­tere bleibt nur dann aus, die Achse kann nur dann in der Rich­tung k k' sich bewegen, wenn sie eine andere Lage annimmt, und zwar die senkrechte Stellung zu k k', welcher a x entspricht,
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Stell, u. Bolast. fier stützoiul. Fiisso in der Transversalobeno bei Beweg. 4!)
Die Kraft liat demnach die Tendenz, die Lage der Rollbeinachse zu verärulern, ihr statt der Stellung a b die Stellung a x zu geben, bei welcher Bewegung der auf dem inneren Endpunkt der Achse gelegene Punkt a als Drehpunkt anzuseilen ist.
Eine derartige Verlagerung der liollbeinachse innerhalb der horizontalen Ebene muss also in Folge ihrer eigenthiiiniichen Stellung zur Kraftrichtung zu Stande kommen, sie muss als Coëffect jeder fortschreitenden Bewegung der Sprunggelenkachse eintreten, wenn das Sprunggelenk ungehindert die Function der Streckung ausführen soll. Hirer äusseren Erscheinung nach ist sie eine Drehung um die verticale Achse des Rollboina, welche sich von diesem auf die ganze Knochenreihe des Fusses, sowohl nach oben bis zum Hüftgelenk, wie nach unten bis zur Hufsohle, über­trägt. Denn die innige Verbindung des Eollbeins mit den plat­ten Sprunggelenkknochen nach abwärts und wiederum mit dem Kührbein, die präcise Articulation mit dem Unterschenkelbein nach aufwftrts sichert die Uebertragung der rotirenden Bewegung auf die zunächst liegenden Knochen. Da auch die übrigen Ge­lenke des Hinterschenkels, mit Ausnahme des Hüftgelenkes, keine merkbare Drehbewegung zulassen, so folgt die ganze Knochen-silule dem aus dem Rollbein gegebenen Impuls. Der Schenkel, zwischen den beiden Endpunkten, dem Oberschenkelkopf und der Hufsohle, in der Beckenpfanne und auf dem Erdboden eingespannt, rollt in der Weise, dass die Spitze des Sprungbeines einen Bogen in der Richtung von innen nach aussen beschreibt.
In wie engem Zusammenhang diese Rollbewegung des Hin-terfusses mit der Beugung und Streckung des Sprunggelenks, also auch des ganzen Fusses, steht, so dass letztere Bewegungen ohne den Eintritt jener garnicht zu Stande kommen können, ist am anatomischen Präparat, dessen Bänder und Musculatur vom Kniegelenk nach abwärts erhalten sind, nachzuweisen. Drückt man die Sohle des flectirten Schenkels fest gegen den Erdboden, erfä.sst man gleich­falls den Oberschenkelkopf und den Umdreher der Art, dass weder oben nocli unten eine drehende Bewegung zu Stande kom­men kann, verhindert man ferner das Sprungbein durch seitlichen Druck an dem Ausweichen nach aussen, so gelingt es dem stärksten Zuge nicht, den Schenkel aus dem gebeugten in den
Pctors Untorsuchungon.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 4
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50 Stell, u. Bolast. der stützend. Füsso in der Transvorsalobeno lioi Beweg.
gestreckten Zustand überzuführen. Ebenso wenig gelingt es, eine ausgiebige Beugung unter denselben Verhältnissen zu erzwingen, dieselbe bringt unausbleiblich die Rollbewegung zur Erscheinung, nun aber in umgekehrter Richtung. Am Pferde selbst überzeugt man sich von der Drehung des Sprungbeins nach aussen sehr leicht und unter allen Umständen bei der Bewegung im Schritt. Auch am trabenden Pferde kann man vom Wagen herab dieselbe sehr deutlich erkennen, wenn man auf der inneren Fläche des Sprunggelenkes eine deutliche Marke, am besten einen senkrech­ten Kreidestrich, macht und hieran die quot;Wendung der inneren Fläche nach hinten bei jedesmaligem Abstossen des Schenkels beobachtet.
Wenn soeben in Betreff der auf die Rollbeinachse wirken­den Kraft der Beweis geführt wurde, dass die Richtung derselben nicht senkrecht zu jener stünde, so gilt dies nur von der activen, durch die Musculatur erzeugten Kraftäusserung. Bevor aber diese auf den stützenden Schenkel zur Einwirkung gelangt, wird derselbe, wie vorhin bei der Darstellung der Grangebene des Pferdes erwiesen wurde, durch die Kraft der Trägheit vorwärts getrieben. Da diese aber zu Folge der schrägen Stellung der Tragelinie zwischen dem diagonalen Fusspaar schräge über die Unterstützungslinie hinaus wirkt, so wirkt während der ersten Phase der Stützung die treibende Kraft in gleicher Richtung auf die Sprunggelenkachse ein. Demnach befinden sich beim An­setzen des Fusses Sprunggelenkachse und Kraftrichtung in senk­rechter oder nahezu senkrechter Richtung zu einander, so dass die Bewegung der Achse in einer Bahn erfolgt, welche senk­recht zu der anfänglichen Stellung steht. Die Bahn hat die Rich­tung von innen und hinten nach aussen und vorne, und innerhalb derselben bleibt die Achse parallel zu ihrer ursprünglichen Stel­lung so lange stehen, bis die Wirkung der Muskelkräfte in den Vordergrund tritt und damit eine Aenderung in der Richtung der Kraft, mehr parallell zur Körperachse, auf die Achse sich geltend macht. Die Sprunggelenkachse ändert also ihre Lage und Stellung am stützenden Fusse während der Dauer eines Schrittes etwa in der Weise, wie die Zeichnung darstellt, a b ist ihre Lage beim Ansetzen des Fusses, in welcher sie einen senk-
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Stell, ii. Rolast. der slützcml. Püsse in der Trnnsvoi'salobone boi Beweg. 51
recht zu ihr stehenden Stoss in der Richtung des Pfeiles empfängt. Sie bewahrt sich daher eine parallele Stellung, bis sie nach a' b' gelangt ist, wo sie durch die Contractionen derMuskeln den weiteren Impuls empfängt. Derselbe wirkt in der Richtung des oberen Pfeiles, parallel zur Körperachse x x, schiebt sie nach aquot; bquot;, unter Mittheilung der drehenden Bewegung um das innere Ende b'.
.,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Aus der Darstellung der bei der Streckune
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eintretenden Vorgänge ersieht man, dass das
Sprunggelenk, insbesondere die schräge Stellung der Ilollbeinacbse, in vollkommenster Weise der Verscbiedenartigkeit der auf sie einwirkenden bewegenden Kräfte entspricht. Sie kann stets sicli so stellen, dass sie den letzteren gegenüber,
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in der für die Kraftwirkimg günstigsten Luge sich befindet. Die Beweglichkeit der Achse steht also in schönstem Einklang mit der Ver­schiedenartigkeit der bewegenden Impulse. An­derer Seits würde sie nicht nöthig sein, wenn die sie bewegenden Kräfte nicht auch Abände­rungen in der Richtung erlitten. Aus dem Um­stände aber, dass eins zum anderen passt, dürfte
auch der Schluss zu ziehen sein, dass die obige theoretische Betrachtung über die Mechanik des Bewegungsvorganges zu richtigen Schlussfolgerungen über die zur Geltung kommenden Kräfte und deren Richtung geführt hat.
Die Wirkung der Rollbewegung ist an sich von hoher Bedeutung für die Entlastung des stützenden Fusses, man darf die betreffende Erscheinung nicht als eine blos nebensächliche ansehen. Die Rotation des Oberschenkelkopfes m der Gelenkpfanne des Beckens wirkt in hohem Grade fördernd auf die Ucbertrairunir der Last auf den anderen Euss ein, so dass diese Action des Fusses ohne die Beihülfe organischer Kraft, lediglich durch me­chanische Einrichtungen, zu Stande kommt. Die Drehung des Oberschenkelkopfes geschieht von aussen nach innen gegen die Gelenkpfanne, sie oombinirt sich mit der fortschreitenden Bewe-
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52 Stell, u. Belast, der stützend, Fiisso in der Transversalobeno bei Beweg.
gung zu einer solchen Kraftftassemng, welche die Entlastung des sti'itzeiulen Fusses zur Folge haben muss.
An dem anderen Ende des Fusses, an der Bodenfläche des Hufes, sieht man ein Analogen zu dieser Wirkung der Rollbe-wegung in dem Abschleudern von Sand und Steinen aus der Ganglinie der Füsse heraus. Hier muss die Wirkung der Kraft anders gerichtet erscheinen, von innen nach aussen, da hier die Zehe der meist belastete, also der feste Drehpunkt ist und die Ballen sich von innen nach aussen schieben.
Die Grrüsse des Winkels, um welchen die Drehung des Schen-kelkopfes in der Pfanne beim Uebergang aus der stärksten Beu­gung in die Strecklage geschieht, ist kein unbedeutender und nach Untersuchungen am Präparat auf etwa 30 Grad zu veranschlagen. Eine so starke Drehung vollführt der Fuss in dem Zeitraum, wel­cher zwischen Ansetzen und höchster Streckung liegt, natürlicher Weise nie, weil der Fuss mit einer so starken Beugung im Sprung­gelenk nicht in den Erdboden einfällt. Immerhin ist aber mit der rollenden Bewegung des Oberschenkelkopfes ein wesentliches Mo­ment in die Mechanik des Hinterschenkels eingeführt, welches, ohne Hinzutritt selbstthätiger Kraftäusserung seitens des Organis­mus, lediglich durch die physikalische Wirkung einer different ge­stellten Gclenkfichse zu Stande kommt und dazu dient, die Annä­herung und Uebertragung der Last an das andere, zum Empfang derselben bereit stehende Hüftgelenk zu erreichen. Ihrem Wesen nach ist die betreffende Einrichtung des Sprunggelenks eine Hem­mungsvorrichtung, deren Leistung dahin zu bezeichnen ist, dass sie die anfängliche Bewegungsrichtung des stützenden Schenkels und des ganzen Körpers nach aussen aufhebt und nach innen hinüber­führt. Dies wird nicht nur durch die Wirkung der drehenden Bewegung auf die Beckenpfanne, sondern auch durch die Aende-rung in der Stellung des Unterschenkelbeins erreicht, dessen obe­res Ende sich bei der Drehung nach innen stellt nnd damit das Kniescheibengelenk näher an die Mittelebene des Körpers hinan­führt. Auch diese letztere Bewegung kann bei allen Bewegungen des Pferdes leicht erkannt werden, man sieht das Gelenk gegen den Beschluss der Stützung sich eng an die Flanke andrücken.
Auf die unterhalb des Sprunggelenks gelegenen Knochen übt
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Stell, ii. Belast, der stützend. lAisse In doi Transveraalebono bei Bswog, 53
die Drehbewegung gleichfalls eine nicht zu übersehende Einwir­kung aus. Da die Zehe des Hufes den Drehpunkt für letzteren auf dem Erdboden darstellt und die hinteren Abschnitte in eine Bewegung von innen nach aussen versetzt werden, so müssen die auf dem Huf sich stützenden und ihm zunächst liegenden Knochen dieselbe Bewegung mitmachen. Die Achse des Fesselbeins er­fährt daher in ihrem oberen Ende eine Verlagerung von innen nach aussen, neigt sich soviel, als die seitliche Beweglichkeit der beiden unteren Gelenke zulässt, nach der ftusseren Seite. Je mehr der Schenkel sich streckt und je mehr die oberen Gelenke nach vorwärts und gleichzeitig nach innen gelangen, um so mehr treten die unteren Gelenke nach aussen, weil die Richtung des Schubes nach aussen und hinten geht und damit die Neigung der Fesselbein-Achse vermehrt. Die Beobachtung, dass letztere mit der Drehbewegung des Hinterschenkels eintritt und am Schluss des Schrittes den höchsten Grad erreicht, ist bei dem Pferde nicht nur in den langsameren, sondern auch in den schnelleren Gang­arten leicht zu machen.
Für die Frage der Belastung des Hufes ist die eben bespro­chene seitliche Stellung der Fesselbeinachse der wichtigste Punkt in der Darstellung. Da nach den früheren Betrachtungen die Vertheilung der Last auf innere und äussere Seite des Hufes sich nach dem jedesmaligen Stande jener Achse regelt, so muss bei den Bewegungen die äussere Hufwand des stützenden Hinter-schenkels den grössten Tiieil des Last tragen.
Die Projectionsebene des stützenden Buggelenks. An die Betrachtung der Lageveränderungen des stützenden Ilin-terschenkels während eines Trab-Tempo's muss sich die Ermitte­lung der betreffenden Vorgänge am Vorderschenkel anschliessen. Es wurde gesagt, dass für die Kraft der Trägheit, welche auf den in der Mitte der Traglinie liegenden Schwerpunkt wirkt, zwei An­griffspunkte, an den beiden Endpunkten der Linie liegend, ange­nommen werden dürfen. Ein mindestens ebenso starker Druck, als auf das Hüftgelenk wirkt und es nach aussen über die Unter-stützungslinie hinüber treibt, bewegt also auch das vordere Ende der Traglinie in derselben Richtung und zwingt mittelbar dem Buggelenk und allen unteren Gelenken dieselbe Bewegung auf,
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54 Stell, u. Belast, dor stützend. Fiisso in der Tninsversaleboiio bei 3owog.
so class dieselben eine Lage seitlich nach innen von der Unter-stützungslinie annehmen müssen. Während in der Zeichnung von der Projectionsebene das Hüftgelenk von A nach A, gelangt, tritt das Buggelenlc von ß nach B,, seitlich nach innen von dem Huf-schlage. Damit ist die erste Periode der Stützung beschlossen.
Es fragt sich nun beim weiteren Verfolg der Bahn des Bug­gelenkes, mit Hülfe welcher Kräfte der Fuss dieser ihm durch die Kraft der Trägheit mitgetheilton Bewegungsrichtung entgegen tritt, ob er lediglich durch die Wirkung der Muskulatur, welche auf der inneren Seite des Schulterblattes gelegen ist, dem medial gerichteten Druck begegnet, oder ob er ein Gelenk besitzt, welches, ähnlich wie am llinterschenkel das Sprunggelenk, einen hemiuendeu Einfluss auf die mitgetheilte Bewegung ausübt. Als ein auf Hem­mung eingerichtetes Gelenk wird das Ellbogengelenk bei näherer Betrachtung erkannt werden, wenn auch in etwas anderem Sinne wirkend und mit nicht so kräftigen mechanischen Einrichtungen ausgerüstet, wie das Sprunggelenk.
In Betreff der Aufgabe, welche dem liemmungsgelenk des Vordei'schenkels zufallen muss, muss als allgemeiner Gesichtspunkt gelten, dass für die Wanderungen des Schwerpunktes oder der Tragelinie der llinterschenkel durch seine feste Vergliederung mit der Wirbelsäule weit energischer thätig ist als der Vorderschen­kel. Der letztere kann in Folge seines loseren und lediglich mus­kulösen Zusammenhanges mit dem Rumpfe nicht so bestimmend auf die Stellung jener einwirken und spielt mehr die Bolle einer wonig selbständig wirkenden Tragesäule, welcher von dem dirigiren-denHinterschenkel die Last entgegen geschoben wird. Am Hinter­achenkel musste von der Natur ein Gelenk im Sprunggelenk angelegt werden, welches die Fähigkeit dos Fusses zur Einleitung und Ausfüh­rung von verändorlichenBowegungsrichtungen in höherem Grade her­stellt, als es beim Vorderschenkel durch das Ellbogengelenk geschieht. Denn es kommt in Betracht, dass der llinterschenkel nicht nur an seinem unteren Endpunkte, dor Hufsohle auf dem Erdboden, sondern auch an seinem oberen Endpunkte, dem Oberschenkelkopf mit der Wirbelsäule, feste Berührungspunkte hat und eine fest einge­spannt6 Tragesäule darstellt. Dieser musste ein Gelenk mitge­geben werden, welches, ohne die Stabilität des Fasses zu vor-
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nichten, die Ausführung der nothwendigen seitlichen Schwankungen der Tragesäule übernimmt und sicli der Aenderung der Eewe-gungs-Impulse accommodiren kann. Diese Aufgabe leistet das Sprunggelenk in vollkommener Weise, indem es nicht nur die Last nach aussen über den stützenden Huf hinüber, sondern auch zur rechten Zeit wieder nach innen hinüber führt, und zwar jedes Mal der Kichtung der bewegenden Kräfte entsprechend. — Der Vorderschenkel besitzt keine so feste Verbindung mit der Wirbel­säule wie der Hinterschenkel im Hüftgelenk, der Rumpf ist auf der in­neren Fläche der Schulter derartig lose aufgehangen, dass Last und Tragesäule in mehr unabhängiger Weise von einander seitliche Excursionen auszuführen im Stande sind. Wenn daher die Kraft der Trägheit auf das vordere Ende der Tragelinie einwirkt und letztere von der Unterstützungslinie nach innen zu abdrängt, so erlauben die dehnbaren, muskulösen Verbindungen zwischen jRumpf und Schenkel, dass der erstere in stärkerem Maasse dem seitlichen Bewegungs-Impulse folgt als dieser, dass der Rumpf eine stärkere Incursion macht als das Buggelenk. Auch später, wenn die ent­gegengesetzte Bewegung für das vordere Ende der Tragelinie und das Buggelonk eintritt, wird dem letzteren wieder zu Folge des muskulösen Zusammenhanges mit dem Rumpfe eine weniger starke Excursion auferlegt. Wenn demnach die Deviationen des Buggelenks von der Unterstützungslinie, sowohl nach innen wie nach aussen, geringeren Grad erreichen .als die des Hüftgelenks, so vernothwendigt sich für den Vorderschenkel ein Gelenk mit variabler Drehachse, dessen Zweck ja die Einleitung und Aus­führung der differenten Bewegungsrichtungen ist, in einem weniger hohen Grade und in geringerer Ausbildung. Durch das Ellbogengclenk sehen wir aber die nothwendigen Bedingungen, wie sich ergeben wird, erfüllt und gleichzeitig in den späteren Stadien der Stützmng der Nothwendigkeit genügt, dass der Richtung der Bewegung nach aussen hinüber ein Halt geboten wird.
Die mechanischen Einrichtungen des Ellbogenge­lenks. Eine gewisse Aehnlichkeit zwischen Ellbogengelenk und Sprunggelenk in Bezug auf Anordnung der für die mechanische Leistung in Betracht kommenden Momente tritt auf den ersten Blick hervor. Wie bei letzterem die treibende und streckende
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56 Sioll. u. BoI;ist. dor stützend. Fiisso in doi1 Transversalöbsne bei Bewog.
Kraft rückwärts der Golenkiiclise liegt, so auch liier, an dem langen Hebelfortsatz des Ellbogenbeins wirkend; die Gelenkwalze des Oberarmbeins im Sagittalscbnitt die Hälfte eines Kreises dar­bietend, so dass das Gelenk mit einem ähnlich grossen Oeflnungs-winkel iiusgeriïstet ist wie das Sprunggelenk. Statt der stark hervortretenden Kämme und Furchen des Kollbcins befinden sieb allerdings nur schwächere Erhebungen und seichtere Furchen zur Feststellung der Ganglinie angelegt, aber was das Gelenk hieduroh einbüsst an präciser Articulation und Stabilität, gewinnt es wieder durch seine ansserordentlicbe Ausdehnung in der Breite. Nach allem ist das Gelenk sein- befähigt zu grosser Kraftleistung, zum Raumgreifen, dabei stabil und besitzt Einrichtungen^, welche, mu­tatis mutandis, ähnliche Zwecke erreichen wie das Sprunggelenk.
Um zur Feststellung der eigentlichen Gestalt der Gelenk­walze vom Oberarm zu gelangen, sind zahlreiche Schnitte durch dieselbe ausgeführt, sowobl in sagittaler Richtung, als auch in trans­versaler, unter verschiedenen Neigungen gegen den Horizont. Da­bei hat sich die Gestalt eines abgestutzten, schiefen Kegels erge­ben, dessen Grundfläche von der inneren Gelenkwalze, dessen schmalere, abgestutzte Fläcbo von der äusseren Gelenkwalze ge­bildet wird. Die Achse des Kegels liegt in schwacher Senkung von innen und oben nach aussen und unten, gleichzeitig mit einer schwachen Neigung nach rückwärts. Dem grosseren Krümmungs­halbmesser der inneren Gelenkwalze entsprechend, zeigt die ar-ticulirende Gelenkfläcbc des Unterarmes auf der inneren Seite sich flacher, auch breiter, die äussere stärker ausgehöhlt und schmaler.
Da die Peripherie jenes Kegels in allen zur Grundfläche pa­rallelen Schnitten eine Ellipse darstellt, welche eine kürzere und eine längere Achse besitzt, so ändert sich bei jeder Drehung des Kegels die Stellung jener Achsen zu der stützenden Gelenk­fläche des Unterarmes in der Weise, dass bald die lange Achse, bald die kurze zu jener senkrecht steht. Dadurch werden beson­dere Bewegungen der articulirenden Knociieu bei jeder Beugung und Streckung erzeugt, die indessen auf die mechanische Wirkung der schiefen Fläche zurück zuführen und hieran auch leicht dar­zustellen sind.
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Stell, ii. Belast, flor stutzend. Fllsse In der Transversalebene bei I5eweg. 57
Zunächst muss noch bemerkt werden, dass die mittlere Furche, welche innere und ilussere Gelenkwalzc von einander sclieidet, so wie die ihr entsprechende Erhabenheit In der Gelenkflilche des Unterarms, der Grundflftohe des Kegels parallel liegt, dass sie also gleichfalls eine Ellipse beschreiben. Dadurch wird erreicht, dass, wenn um die Peripherie des schiefen Kegels die andere Golenk-Hilclie rotirt, die Ganglinie für diese Bewegung festgestellt ist, so dass innerer und äusserer Rand von letzt genannter Gelenkfhlche stets gleich grosse Centriwiiikel, aber ungleich lange AVegestreckeu auf dem Kegelmantel durchlaufen nn'issen. Die Ganglinie — so genannt, weil sie der Gelenktläclic des Unterarmes keine andere Art der Bewegung auf dem Kegelmantel gestattet als um die Kegelaclise — hat eine Lage von hinten und aussen nach vorne und innen und liegt nicht parallel zur Mittelebcne des Körpers. Daher steht, wenn das Gelenk in die Streckung Übergeht und gleichzeitig nach vorwärts tritt, die Winkelebene des Ge­lenkes auch nicht parallel zur Mittelebone des Körpers. Das Gelenk kann sich daher nicht parallel zu dieser nach vorwärts schieben, sondern muss seinen Wen' von hinten und ansseu in mässia schriUrer Richtung nach vorne und innen nehineu.
Hier muss an die gleichnamige Einrichtung des Sprunggelenks erinnert werden. Die scharf eingeschnittene Ganglinie in der Rolle des diagonalen lllntcrf usses hat die gleiche oder ähnliche Richtung, da ja die Achse der liolle die oben besprochene Lage von innen und vorne nach aussen und hinten hat. Angenommen, dass linker Uinterfuss und rechter Vorderfuss in den Erdboden einfallen, wie es in der gezeichneten Projectionsebene der Fall ist, so liegt die Oeffnungsebene des Sprunggelenks von hinten und innen nach vorne und aussen, also nach links gerichtet, die Oeffnungsebene des rechten Ellbogengelenks von hinten und aussen nach vorne und innen, also gleichfalls nach links gerichtet. Die Oeffnungsebenen beider Gelenke stehen also mehr oder we­niger in paralleler Stellung zu einander, beide Gelenke verfolgen, wenn sie bei der Streckung nach vorwärts treten, gleich gerichtete Bahnen. Der hintere Endpunkt der Tragelinie wird durch das Sprunggelenk seitlich nach aussen von dem Ilufschlage gestellt,
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58 Stell, u. Belastraquo; der stützend. Piisse in dei- Transvcrsalobone bei Beweg.
der vordere Endpunkt durch das Ellbogengelenk seitlich nach innen von dem Hufschlage.
Wir sehen also, dass zwischen Sprunggelenk und Ellbogen­gelenk der diagonalen Fasspaare eine grosse Uebereinstimmung in Betreff der Ganglinien und der dadurch fixirten Wege für beide Gelenke herrscht. Sie werden durch dieselben gezwungen, in parallelen oder nahezu parallelen Ebenen sich nach vorne zu bewegen, um in die Strecklage überzugehen. Aus welchem Grunde die Oeffnungsebene des Sprunggelenks bei der ersten Phase der Stützung so liegen musste, ist durch die Richtung der Kraft der Trägheit und deren Verhältniss zur Eollbeinachse er­wiesen worden. Auch der Vorderschenkel ist beim ersten Einfall des Hufes in den Erdboden auf die Wirkung jener Kraft ange­wiesen, sie schiebt ihn gleichfalls mit dem vorderen Ende der Tragelinie nach links hinüber. Gewiss ist es kein Zufall, dass grade in den beiden Gelenken des Vorderschenkels und des Ilin-terschenkels, welchen die grosste Aufgabe bei der Streckung zu-filllt, welche die grösste Winkelöffnung bei jedem Ausschreiten mit der grössten Kraftwirkung verbinden, so übereinstiinmende mechanische Vorrichtungen zu erkennen sind, deren Zweck es ist, die Winkelebene des Gelenkes so zu stellen, dass sie von der Kraftebene nicht in störender Weise durchkreuzt wird. Dass bei dem Sprunggelenk dieselbe in höherer Potenzirung angelegt ist, ist durch die feste Vergliederung des Hinterschenkels mit der Wirbelsäule bedingt worden, während die geringere Neigung der Ganglinie am Ellbogengelenk durch die losere Verbindung zwi­schen Rumpf und Schenkel compensirt wird.
Im Uebergang zur Betrachtung von den weiteren mecha­nischen Wirkungen, welche die kegelförmige Gestalt der Gelenk­walze auf Richtung und Stellung der articulirenden Knochen so­wie des ganzen Fusses bei Beugung und Streckung ausübt, bleibt die Lage der Kegelachse aussei- Frage. Denn am anschaulichsten stellen sich dieselben als Flächen Wirkungen dar, ausgehend von der Mantelfläche des rotirenden Kegels und auf die Gelenkfläclie des Unterarmes wirkend. In der beigegebenen schematischen Zeichnung ist die Gelenkwalze schräge von innen und vorne be­trachtet, ohne Rücksicht auf die perspectivische Verkürzung.
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Stell, u. Bolast. dor stülzond. Füsso in dor Transvorsalobone bei Bowog. 59
Die Gelenkwiilzo stellt also einen Kegel dar, welcher von zwei schief' liegenden Schnittflächen begrenzt ist. Die Schnitt­flächen haben die Gestalt von ungleich grossen Ellipsen, welche eine lange und eine kurze Achse besitzen. Wenn die Walze auf der Gelenkfläche des Unterarmes sich drehet, so kommt bald der End­punkt einer kurzen, bald der einer langen Ellipsenachse mit der Gelcnkfläche in Berührung, Zur Zeit hat die Walze die Lage, dass die Begrenzungslinie aa' des Kegelmantels auf der Gelenk-flächo des Unterarmes ruhet und die langen Achsen beider Ellip­sen fast senkrecht auf genannter Fläche stehen. Dieser Zustand entspricht der grösston Streckung des Gelenkes.
Tritt Beugung ein, so muss die Gelenkfläche des Un­terarms auf der Gelenkwalze von a nach x wandern, auf der kleinen Ellipse von a' nach x', wobei der Centriwinkel ao x der grossen Ellipse dem an der kleinen Ellipse a'o'x' gleich sein muss. Der Bogen ax ist aber grosser als der auf der kleinen Ellipse gelegene Bogen a'x' und dessen Abstand von der Grund­linie, oder mit anderen Worten: an dem inneren Gelenkrande, der grossen Ellipse entsprechend, werden bei jeder Drehung grössere Wege als auf dem äusscren Gelenkrande zusückgelegt.
Soll nun das Gelenk aus der Beugung in die Strecklage wieder übergehen, während das Gelenk belastet ist, so muss die kurze Achse der Ellipse wieder die Stellung einnehmen,
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60 Stell, u. Belast, der stützend. Fiisse in der Transversalebene bei Beweg.
welche sie in der Zeichnung hat. Die Gelenhwalze muss sich um 0 so drehen, dass ihr Endpunkt, der bei der Beugung in a lag, wieder nach x zurücktritt. Dasselbe gilt von der kleinen Ellipse. Diese Bewegung vollzieht sich aber nicht olme Neben­wirkungen wie in einem Gelenk mit cylindrischer Walze, welche stets eine gleich lange Achse der unteren Gelenkfläche entgegen stellt, sondern es tritt der Aufrichtung der langen Achse auf der unteren Gelenkfläche ein Hinderniss entgegen. Das Hinderniss wird am leichtesten in seiner Wirkung dargestellt durch die eines Kei­les, den man sich zwischen die beiden Gelenkflächen in der Rich­tung von vorne nach hinten eingetrieben denkt. Die schiefe Flä­che des Keiles bestimmt sich durch die Höhe, welche gleich ist dein Unterschied zwischen grosser und kleiner Achse, dicLänge der Ebene durch die Länge des Bogens zwischen den Endpunkten beider Achsen. In dieser Weise construirt sich der Keil aik und ein ähnlicher, aber kleinerer, an der kleinen Ellipse, a'i'k'. Die schiefen Ebenen ai und a'i' müsste also ein Cylinder hinaufgewälzt werden, damit dieselben mechanischen Einwirkungen zu Stande kommen, welche ein Kegelmantel bei der gleichen Bewegung auf horizontaler Bahn empfängt. Das innere Ende einer cylindrischen Gelenkwalze muss die Fläche ai hinaufsteigen, das äussere Ende die Fläche a'i'. Dabei werden die beiden Enden der Walze auf ungleiche Höhen hinaufgehoben, weil ik grosser ist als i'k', und ferner müssen sie ungleich lange Wege durchlaufen, weil ai länger ist als a'i'. L Bei derGelenkstreckung müssen daher zweierlei verschiedene Erscheinungen sich ergeben. Die Folge davon, dass die innere Gelenkwalze mehr als die äussere gehoben wird, besteht darin, dass zunächst der Bandapparat auf der medialen Seite des Gelenks stark angespannt wird und dass die beiden articulirenden Knochen ihre Stellung zu einander, innerhalb der Transversalebene, um ein geringes verändern müssen. Behält der Unterarm in unveränderter Weise seine seitliche Neigung gegen den Erdboden, so muss das obere Ende des Oberarmes, also das Buggelenk, etwas nach aussen treten; oder partieipiren beide Knochen an der Lage- Verände­rung, so tritt das Ellbogengelenk mit seiner inneren Fläche näher an die Seitenwand der Brust heran.
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Stell, u. Belast, dor stützoiifl. Piisso in der Transvorsalebeno bei Bewoff. 61
Der Umstand, dass dieinnereGelenkwalze auf der schiefen Ebene einen lungeren Weg durchlaufen muss, hat zur Folge, dass bei be­lastetem Gelenk der Keib'ungsdruck für die innere Abtheilung des Gelenkes ein grösserer ist. Gegen dieselbe, in derEichtung von vorne nach hinten, wirkt ein stärkerer Druck als gegen das äussere Ende. Die innere Abtheilung des Gelenkes wird also bei jedesmaliger Streckung etwas nach rückwärts gedrängt, so dass eine Bewegung des Gelenkes um die verticale Achse stattfindet. Das Ellbogen­bein stellt sich dabei nach aussen, den nnteren Abtheilungen des Fusses wird die Bewegung mitgethcilt, so dass auch eine massige rollende Bewegung sich einstellt.
Wir begegnen also derselben Bewegungserscheinung am Vorderschenkel wie am Hinterschenkel. Bei diesem ist die Roll­bewegung so kräftig und so deutlich, dass man sie bei jedem Pferde beobachten kann, während sie am Vorderfuss sich nur sel­ten bis zur Hufsohle fortpflanzt, daher schwer wahrzunehmen ist. Auch am anatomischen Präparat ist sie deutlich nachzuweisen, ebenso die Unterschiede in der Grosse zwischen Vorder- und Hinterfuss. Ihre Wirkung besteht darin, dass sie das Fesselgelenk nach aussen hinüber stellt, indem sie den Neigungswinkel zwi­schen Kronen- und Hufgelenk verändert. Die Folge davon ist, dass die Last sich mehr auf die äussere Seite des Hufes ver­legt. Der Zweck der Bewegung muss darin gesucht werdeu, dass sie den Vorderfuss in die günstigste Stellung versetzt, der Bewegung der Last nach aussen hinüber entgegen zu treten.
Anlangend die Erscheinungen, welche die Configuration des Ellbogengelenks bei der Beugung zu Stande bringt, so sind dieselben wohl weniger bedeutungsvoll. Hervorzuheben ist, dass je weiter die Gelenkfläche des Unterarms auf der Mantelfläche des Kegels in der Ausführung der Beugung fortschreitet, dass damit auch die Wegestrecken um so ungleicher werden, welche äussere und innere Abtheilung des Gelenkes durchlaufen. Die Folge davon ist, dass eine Rotation des ganzen Fusses um die verticale Achse eintritt, dass die Zehe des Hufes sich nach aussen wendet und auch einen grosseren Abstand von der Mittelebene des Körpers erreicht, während die Spitze des Ellbogenbeins sich nach innen drehet und näher an die Brust herantritt. Wenn der
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62 Stell, u. Bolast. dor stützend. Füsso in dor Transvorsalobono bei Rowog.
gebeugte Unterarm an dem anderen stützenden Fuss vorüberge-f'iihrt wird, so hat er deshalb in diesem Augenblick eine grüssero Entfernung von der Mittelebene, als wenn er massig gestreckt in den Erdboden einfällt.
Stellung und Richtung der articulirendcn Knochen müssen also durch die Einwirkungen der mechanischen Kräfte, welche bei Beugung und Streckung von den Gelenktlächen des Ellbogen­gelenks aus in Bewegung gesetzt, in höherem Grade beeinfhisst werden. Aus der Art derselben wird annähernd der Weg zu bestimmen sein, welchen das Gelenk durchläuft und dem ganzen Schenkel aufzuzwingen bestrebt ist während des Zeitraumes, wel­cher zwischen Ansetzen und Abstossen des Fusses verläuft.
Im ersten Augenblick, wo der Fnss auffallt, wird das Ge­lenk durch seine Ganglinie und die Kraft der Trägheit seitlich nach innen und vorwärts bewegt, wenn auch in nicht so starker seitlicher Richtung, als das Sprunggelenk zur gleichen Zeit nach aussen. Wenn das Gelenk in gleiche Höhe mit dem Hufschlage gelangt ist, oder auch schon etwas früher, beginnt die Bahn nach aussen sieb zu wenden. Dies gnsohieht nicht durch die selbstän­dige Tbätigkeit des Vorderfusses, sondern mehr zu Folge der Einwirkungen, welche das diagonale Sprunggelenk auf die Be­wegung der Tragelinie ausübt und mittelbar auf jenen überträgt. Dem Vorderschenkel fällt von jetzt an in höherem Grade die Aufgabe zu, der ihm zugeschobenen Last sich entgegen zu stem­men, sie vor dem Uebormaass einer Bewegung nach aussen zu bewahren. Die Bewegung, welche er nach aussen hinüber ein­geht, welche Ellbogen- und Buggelenk nach aussen über die Tin­te rstützungslinie hinüberführt, kann nur gering sein, ist eine mehr ihm aufgezwungene, auf deren Einschränkung die mechanischen Einrichtungen des Ellbogengelenkes offensichtlich abzielen. Denn die Drehung, in welche das Gelenk mit zunehmender Streckung eintritt, indem es den Ellbogenhöckor nach aussen, die Zehe des Hufes nach innen stellt, ermöglicht es dem Fusse, in diesem Sinne energischer zu wirken. Sodann gewinnt das Gelenk durch die Wirkung der schiefen Ebene, welche oben betrachtet wurde, eine grössere Stabilität, welche noch durch das Eingreifen des Ell­bogenbeins in die hintere grosse Grube des Oberarmbeins be-
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Stoll. ü. Bolast. dor stützend. Fiisso in der Trnnsversalobcno bei Bewog. 63
deutend vermehrt wird. Dus Gelenk schiebt sich als eine feste Barrière der Seitenwandurig der Brust entgegen, während das Oberarmbein mit seinem oberen Ende, dem Buggelenk, eine leicht geneigte Stellung nach fiussen annimmt und diesem ge­stattet, eine Excursion in etwas höherem Grade auszuführen.
Nach Allem ist ersichtlich, wie auch der gleichmässige Bau und die kräftige Ausstattung beider Gelenke vermuthen lassen, dass das Ellbogengelenk ähnliches für den Vorderscbenkel zu leisten hat, wie das Sprunggelenk für den Hinterschenkel. Nur tritt für das Sprunggelenk die Aufgabe, der Bewegungsrichtung nach aussen entgegen zu treten, in der ersten Zeit der Stützung heran, an das Ellbogengelenk in der letzten Zeit. Da in dieser der weitaus grösste Theil der Last auf dem Vorderschenkel ruhet und dieser der gesammten Bevvegungsquantität des Körpers entgegen zu treten hat, so ist die Aufgabe des Vorderschenkels die schwierigere. Deshalb musste die hemmende Vorrichtung in wirksame Nähe von dem Angriffspunkt der Kraft gestellt, das Gelenk an die Seitenwandung der Brust gelegt werden. Es würde in so entfernter und so tiefer Lage als das Sprunggelenk nicht fähig gewesen sein, die nöthige Kraft in bezeichneter Rich­tung zu entwickeln. Die Mittel, mit welchen die beiden Ge­lenke ihre ähnliche Aufgabe lösen, sind sich auch ähnlich, indem beide Male der Hauptfactor die variable Stellung der Dreh­achse ist.
Die quot;Wege, welche die diagonal gestellten Hilft- und Buggelenke durchlaufen und in der entworfenen Projectionsebene ihre Darstel­lung finden, sind sich, wenn auch nicht gleich, doch ähnlich. Der hauptsächlichste Unterschied dürfte wohl der sein, dass sowohl die Incursionen wie die Excursionen, welche das Hüftgelenk macht, grosser sind als die des Buggelenkes; das lehrt nicht nur die vorausgegangene theoretische Betrachtung des Bewegungs­vorganges, sondern auch die aufmerksame Beobachtung des tra­benden Pferdes.
Im Anschluss an die Bestimmung des Weges des Ellbogen­gelenks und der von ihm ausgebenden Kraftäusserungen sind die seitlichen Neigungen der unteren Knochen, speciell der Achse des Fesselbeins, festzustellen. Die letztere muss beim Ansetzen
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64 Stell, u. Bolast. dor stützend, Fiisso In laquo;lov Trnnsvorsalobono bei Beweg.
des Fusses dieselben Einwirkungen erfahren wie die oberen Sciienkelknochen, der obere Endpunkt der Achse wird nach innen hinüber geneigt. Demnach wird der Antheil des Druckes für die inneren Ahtheilungen der Gelenke und des Hufes wilhrend des ersten Zeitraumes der Stützung vermehrt. Sobald aber die drohende Bewegung im Ellbogengelenk begonnen und sich nach unten bis zur Fesselbeinachse fortgesetzt hat, inuss als unausbleib­liche Folge der drehenden Bewegung die Stellung der Achse sich verändern, ihr oberes Ende sich nach aussen legen. Je mehr die Fesselbeinachse in dieser Stellung vom Druck der höher liegenden Knochen getroffen wird, je stärker der Fuss bei Be-schluss der Stützung sich gegen den Erdboden stemmt, um so mehr wird die Neigung der Achse, nach Maassgabe der Länge der Seitenbänder von Kronen- und Ilufgelenk, zunehmen. Dem­nach liegt in der zweiten Phase der Stützung die Richtung des Schubes gegen die äusseren Abtheilnngen der Gelenke und dos Hufes, die Belastung der äusseren Hufwand ist die stärkere. Während also beim sich bewegenden Pferde der Huf des stützen­den Hinterschenkels fast permanent auf der äusseren Seite den grosseren Theil der Last trägt, fällt sie am Vorderhuf in der ersten Zeit der Stützung auf die innere Seite und verlegt sich beim Abschub stark auf die äussere Seite.
Die vorstehende analytische Darstellung der Actionen der stützenden Füsse, wie sie unter Einwirkung der nothwendig sich geltend machenden Kräfte und unter Berücksichtigung der be­sonderen Formationen der Gelenke zu Stande kommen müssen, soll nunmehr durch die Beobachtung am lebenden Pferde con-trolirt werden. Dazu ist vorher aber noch zu bemerken, dass nur der Rahmen gegeben ist, innerhalb dessen sich die bezüg­lichen Vorgänge innerhalb der Transversalebene vollziehen. Die in der Projectionsebene der Gelenke zu Grunde gelegten Pro­portionen können keinen Anspruch darauf machen, den Sach­verhalt vollständig wahr wieder zu geben oder alle Fälle zu decken, sondern die Vorgänge sind nur schematisch dargestellt.
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Wenn z. B. in der Wirklichkeit das Verhältniss zwischen Schritt­länge und lt;ler Excursion der oberen Gelenke nicht erreicht wird, so werden dadurch die Grundzüge des Vorganges nicht alterirt; ebenso Avenig dann, wenn am Vordertheil die beiden Buggelenke, am Hintertheil die beiden Hüftgelenke näher zusammen oder weiter von einander stehen als die zugehörigen Hufe. Dadurch werden nur Modificationen herbei geführt, welche sich besonders auf den früheren oder späteren Wechsel der Last zwischen äusscrer und innerer Abtheilung der Gelenke und des Hufes bezichen und leicht abzideiten sind. Dies gilt noch besonders bezüglich der verschiedenartigen seitlichen Stellungen der Fesselbeinachse, welche man bei dem bodenweiten und bodenengen Stande der Füsse findet.
Ferner muss zu dem Umstände, dass in die Rechnung keine anderen Factoren als das Sprunggelenk und das Ellbogengelenk eingeführt worden sind, noch bemerkt werden, dass ausser diesen beiden keine anderen Gelenke, weder am Vorder- noch am Hin-terschenkel, namhaft zu machen sind, welche einen nur annähernd gleichen Einfluss auf die Einleitung und Durchführung seitlicher Bewegungsrichtungen ausüben könnten. Eine Hauptbedingung für die Functionirung in diesem Sinne ist, ausser der kräftigen Ausstattung der Gelenke mit grossen Muskelmassen und langen Hebelarmen, ein grosser Oeffnungswinkel und sodann eine voll­ständige Sicherung der Ganglinie, sowohl durch scharfe Furchen und Kämme, als auch durch Entwickelang des Gelenkes in der Breite. Diese Momente, namentlich in dieser Voreinigung, findet man bei keinem anderen der Fussgelenke, so dass diese stets nur als unbedeutende Coëfficiënten bei der Einleitung und Ausfüh­rung der Seitenbewegungen auftreten können.
Ueber die Controle der seitlichen Bewegungen des Hinter-schenkels ist schon oben gesagt worden, dass sio leicht durchzu­führen ist, wenn man ein Pferd vom Wagen herab beobachtet. Die Bewegungen des Vorderschenkels sind schwieriger mit dem Auge aufzufassen, weil man das Object nur von vorne und auf kurzeZeit, inFolge der schnellen Annäherung, fixirenkann. Schwierig ist es indessen nicht, am Schluss der Stützung das Hervortreten des Buggelenks nach aussen, das Anpressen der Brustwandung
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ßG Stell, u, Belast, dor stützend, Fiisso in dor Transversalebene bei Boweg.
an das Ellbogengelenk, die Drehung des Ellbogenhückers nach aussen sich klar zu milchen. Schwierig aber ist es, die Verle­gung der Fesselbeinaclise nach aussen, die am Hinterfuss meistens loicbt zu sehen ist, wahrzunehmen, und zwar aus verschiedenen Gründen.
Erstens handelt es sich bei diesem Vorgang nicht um eine bedeutende Grosse. Denn wenn man den Versuch bei einem stillstehenden Pferde mit dem Aufheben des anderen Vorder-fusses macht, so percipirt man die Verlagerung des Fesseis nach aussen recht deutlich nur dann, wenn man über ein Loth hinaus visirt und die visirten Punkte am Fessel kenntlich macht. Man constatirt auf diese Weise Verschiebungen der vorderen Fläche des Fesselgelenks, je nach der Bauart des Pferdes, um Va3/4 Centimeter. Man darf wohl nicht erwarten, dass eine so geringe Veränderung in der Lage des Fesselgelenks bei bewegtem Fuss sich unter anderen als sehr günstigen Verhältnissen erkennbar macht.
Zweitens wird die Beobachtung bei einer grossen Zahl von Pferden dadurch getrübt oder unmöglich gemacht, weil bei ihnen die Zehe mehr oder weniger stark nach aussen gewandt steht. Wählt man ein Pferd mit solcher Stellung des Hufes aus, einen sog. Tanzmeister, um das Experiment mit aufgehobenem Fusse daran auszuführen, so Lemerkt man die Bewegung des Fesselbeines nach aussen nicht, wenn man grade von vorne, parallel zur Mittel­ebene des Körpers, visirt, sondern nur dann, wenn man sich schräge nach aussen, in die Verlängerung der auswärts gedrehten Zehe, stellt. Dann tritt sie sofort deutlich hervor, und ist auch der Grund da­für leicht gefunden. Da gleichzeitig mit der einseitigen und stärke­ren Belastung des stützenden Fusses die Beugung des Fesselge­lenks vermehrt wird und bei der erwähnten Stellung des Hufes die Beugungsebene jenes Gelenkes die Richtung nach hinten und innen hat, so muss mit der Senkung des Fesselbeins nach hinten eine Annäherung an die Mittelebene des Körpers erfolgen, das Fesselgelenk tritt mehr nach innen mit Zunahme derBeugung. Die Bewegung nach innen ist in manchen Fällen so stark, dass sie die gleichzeitige, aus dem Kronen- und Hufgelenk stammende, Be­wegung der Fesselbeinachse nach aussen fast vollständig neutra-
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Stell, ii. Belast, der sluizend. Fiisso in der Transversalobeno bei Bowoquot;'. 07
lisirt. Die letztere gelangt erst dann wieder zur Erscheinung, wenn man durch Veränderung des Beobaohtungspunktes den seitlichen Blick in die Beugungsebene vom Auge abschliesst und sich in die Verlängerung der Zehenlinie stellt.
Obgleich diese Umstände die Wahniehinung der seitlichen Bewegungen der Fesselbeiniichse beim geilenden und laufenden Pferde meistens unmöglich machen, so gelingt sie doch zuweilen bei Pferden mit massig breiter Brust, senkrechter Schenkelstel­lung und gratie stellender Zehe; denn das Auge lernt auch un­deutliche Phänomene, wenn ihr Vorhandensein durch Rechnanff nur erst sicher gestellt ist, aufzufassen. Die Bewegungen müssen eintreten, so lange das Pferd freie Gänge geht und hiebei Wan­derungen dos Schwerpunktes durch Ex- und Incursionen von Hüft- und Buggelenk eintreten lassen muss. Damit ist freilich nur das Pferd geineint, bei welchem annähernd ein normaler Bau vorhanden ist, bei welchem die seitliche Neigung der Fesselbein­achse nach innen und die Ausbildung des dazu gehörigen schiefen Hufes nicht zu hohe Grade erreicht hat. Erlangen diese Ver­hältnisse grössere Dimensionen, so ist die Aufrichtung der Fes­selbeinachse bis zur senkrechten Stellung nicht mehr möglich und damit die Entlastung der inneren Abtheilungen von Gelenk und Huf unter keinerlei Verhältnissen, auch nicht für die letzte Periode der Stützung, erreichbar.
Anlangend die rollende Bewegung, welche am Hinterschenkel sich bis zur Hufsohle fortpflanzt und leicht wahrzunehmen ist, so ist dieselbe am Vorderfuss bedeutend geringer, pflanzt sich des­halb auch nur bis zu den untersten Gelenken oberhalb des Hufes fort, um in denselben den Anstoss zu den seitlichen Bewegungen zu geben. Nur ausnahmsweise ist sie so stark, dass sie unter günstigen Verhältnissen auch an der Hufsoble noch bemerkbar wird.
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Dio Abnutzung und Zurichtuna: dos schiefen Tlufes.
Naclidem im voraufgehenden Abschnitt durch die Ermitte­lung der Stellungen der Füsse und ihrer einzelnen ïheile wäh­rend der Bewegungen klar gestellt ist, in welche Lage sie zum stützenden Hufe gelangen, kann auch die Frage beant­wortet werden, welcher Seite des Hufes die meiste Last zufallt und die meiste Berücksichtigung geschenkt werden muss. Für die Belastung des schiefen Hufes bei einem ruhenden, gleich-massig stehenden Pferde hatte sich ergeben, dass der grössere Theil des Druckes die innere Hufwand trifft. Diese ungleich-massige Vertheilung des Druckes wird lediglich durch die Ge­stalt des Hufes in seinem Querschnitt erzeugt und würde auch dann statt haben, wenn die Achse des Fesselbeins senkrecht auf der Hufgelenkfläche stünde. Verstärkt aber wird der Druck für die innere Wand noch dadurch, dass der inneren Abtheilung der Hufgelenkfläche ein grösserer Theil des Druckes der Körperlast zugeführt wird, weil das obere Ende der Fesselbeinachse sich nach innen hinüber neigt. Diese Stellung der Fesselbeinachse sieht man jedes Mal bei dem besprochenen Hufe, da sie überhaupt die nächste Ursache seiner Entwickelung und seines Bestehens ist. Bewegt sich das Pferd, so wird an dem stützenden Vorderfuss für den ersten Zeitraum die Last der inneren Wand verstärkt, für den zweiten Zeitraum verlegt sich der grössere Theil der Last auf die äussere Wand. Bei dem Ilinterfuss, wenn bei ihm der Stand des Fesseis derselbe ist, liegt der grössere Theil der Last gleichfalls auf der inneren Seite, während der Bewegung der grössere Theil fast constant auf der äusseren Seite.
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Die Abnutzung und Zurichtung dos schiefen Hufes.
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Die Frage ist zunächst, ob bei Einwirkung so vei-schiedener Druckgrössen auf innere und äussere Wand der Huf im Stande ist, seine Normalität zu erhalten, ob sicli bei natürlicher Abnutzung des unbeschlagenen Hufes die Längenverhältnisse der Wände selbst reguliren können. Man hat zu beachten, dass die Abnut­zung des Tragerandes durch die mechanische Einwirkung des Widerstandes aus dem Erdboden erzeugt wird, dass aber zweierlei Qualitäten derselben zu unterscheiden sind, nämlich das gleich-massige Scheuern und Reiben des hingesetzten Fusses und dann der Stoss des einfallenden Fusses. Die Reibung wirkt auf die Stellen des Tragerandes am stärksten ein, welche am intensivsten mit dem Erdböden in Berührung kommen, also die grösste Last tragen, die Gewalt des Stosses auf diejenigen Wandtheile, welche zuerst den Erdboden treffen, also unverhältnissmässig lang sind. Hat ein Pferd viele Bewegung, wie beim Weidegang, so werden beide Potenzen auf die Verkürzung der Wände einwirken, und je mehr die innere Wand durch stärkere Belastung an ihrer Länge verliert, um so stärker wird die zu lang gewordene äussere Wand gegen den Erdboden stossen, sich abnutzen und dadurch ihr rich­tiges Verhältniss zur inneren wiederfinden. Begünstigt wird die schnellere Abnutzung einer zu lang gewordenen äusseren Wand noch dadurch, dass die in den Tragerand ausmündenden Horn-fasern zu Folge ihrer schrägen Stellung gegen den Erdboden ge­ringere Widerstandsfähigkeit besitzen. Daher erscheint der äussere Tragerand häufig zerbröckelt und zerklüftet und grössere Horn-stücke lösen sich von ihm ab, während die innere Wand zu Folge der steilen Stellung und dichteren Lagerung der Hornfasern zu einer mehr glatten und ebenen Fläche durch die gleichmässiger wirkende Reibung abgenutzt wird.
Tritt dagegen der andere Fall ein, dass die äussere Wand zu kurz, die innere zu lang ist, so wird letztere sowohl vom Druck wie vom Stoss in erhöhtem Maasse getroffen, sie verkürzt sich schnell, während die äussere, von geringen Einwirkungen getroffen, wenig Horn einbüsst und Zeit zum Nachwuchs hat.
Aber in dieser Welse kann sich bei einem Pferde, welches etwa eine Stunde täglich geritten oder in weicher Reitbahn be-M'egt wird, die anderen 23 Stunden des Tages aber theils auf
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Die Abnutzunir mid Zuriohtunfl des sohlefen Uufes.
Streu, tlieils auf Pflaster im Stalle steht, die Länge des Hufes nicht reguliren. Beim Stehen in dem Baum, beim Angebunden­sein an der Krippe, wo das Pferd meistens alle Füsse gleichmässig belastet, ruhet constant der grüssere Theil der Last, wie erwiesen ist, auf der inneren Wand, der innere Tragerand wird stärker gegen den Erdboden gepresst und verliert mehr Horn als der äussere. Da dem letzteren die Gelegenheit zur Verkürzung durch den Gegenstoss in Folge der fehlenden Bewegung entzogen ist, so wird die äussere Wand zu lang. Hier kann eine Selbstrcgu-lirung nicht erwartet werden und findet auch nicht statt, es muss mit dem Messer der Verkürzung der äusseren Wand nachge­holfen werden, wenn nicht ein stetig wachsender Druck auf die innere Wand fallen und die Ausbildung eines schiefen Hufes mit stärkerer seitlicher Neiffunff der Fesselbeinachse ajrossere Pro-
gressionen machen soll.
Wird ein fehlerhaft zugerichteter Huf beschlagen, d. h. mit zu kurzer Innenwand, so kann sich gegen das Ende der Beschlags­zeit das Missverhältniss, wenn es nicht zu gross ist, ausgeglichen haben in Folge stärkeren und heftigeren Aufstossens und stärkerer Abreibung des äusseren Eisenarmes. Indessen ist dies nur bei denjenigen Pferden möglich, welche längere Zeit des Tages auf harten Strossen zu gehen und zu laufen haben, denn nur unter dieser Bedingung kann der zu stark hervorstehende äussere Eisen­arm in so hohem Maasse sich abnutzen, dass das normale Ver-hältniss schlicsslich eintritt. Geht aber die Abnutzung des Eisens fast nur im Stalle vor sich, wie im Winter, zum Theil auch im Sommer bei Cavallerie-Pferden, so vollzieht sich die überhaupt geringe Abnutzung lediglich an dem meist belasteten inneren Eisenarm. Versuche und Beobachtungen haben mir gezeigt, dass, wenn die Gebrauchsverhältnisse eines Pferdes geändert wer­den, ein wenig arbeitendes Cavallerie-Pferd zum Wagendienst verwandt wird, dass dann plötzlich ein anderer Modus in der Ab­nutzung des Hufeisens eintritt. Aus der verstärkten Abnutzung des äusseren Eisenarms unter den neuen Dienstverhältnissen ist zu demonstriren, um wieviel die äussere Wand für die Verhält­nisse der Fussstellung zu lang gewesen ist.
Dessludb muss die Regel, so lange sie ohne Einschränkung
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Dio Abnutzung and Zurlohtang dos schiefen Hufes.
gegeben wird, dass bei der Zurichtung dea schiefen Hufes die grösste Verkürzung an der Wand gemacht werden soll, welche den am stärksten abgeriebenen Eisenarm getragen hat, als eine sehr bedenkliche bezeichnet werden. Die nothwendige Bedingung für ihre Richtigkeit ist, dass das Pferd auch Zeit und Grelegenheit genug zur wirklichen Abnutzung gehabt hat. Wird sie ohne diese Einschränkung befolgt, bei einem Pferde, welches die längste Zeit des Tages im Stalle steht, so wiederholt sich bei jedem neuen Beschläge, und zwar in verstärktem Maasse, die Aufforderung zur Verkürzung der inneren Wand, weil mit zunehmender Kürze die Last wäciist, welche sie zu tragen hat, also auch die Abnut­zung des Eisens. Die alte Regel, dass sich das Pferd den Huf so zurecht läuft oder geht, wie er der Stellung der Füsse ent­spricht, ist wohl richtig, theihveis auch für den beschlagenen Huf, aber die Prämisse muss auch vollständig erfi'dlt sein, das gehen und laufen muss wörtlich genommen werden, denn zurecht stehen kann sich der Huf nicht.
Diese Angaben über die Selbstregulimng des schiefen Hufes beziehen sich sowohl auf den Vorder- als Hinterhuf. Bei letzte­rem tritt die Selbsthülfe bei fehlerhaften Zurichtungen etwas schneller ein, weil wenigstens bei den Bewegungen die änssere Wand permanent stärker belastet also aucli stärker abgenutzt wird, weil ferner auch in Folge der drehenden Bewegung die Iteibung gegen den Erdboden auf die änssere Wand stärker wirkt.
In Anlehnung an die Betrachtung über die mechanischen Ein­wirkungen, welche den Tragrand der Wand treffen, muss noch eine Maassregel nachträglich besprochen werden, welche, ebenso wie die Abnutzung des Hufeisens, eine fehlerhafte Ausdeutung gefunden hat. Man beschmiert den Tragerand der Wand ringsum mit Kreide, lässt das Pferd den Fuss belasten und betrachtet dann den Kreide-Abdruck auf dein Erdboden. Man findet stets die innere Wand am stärksten und reinsten abgedrückt und folgert daraus, dass die Wand zu hoch ist, indem man sagt, sie habe zuerst den Erdboden getroffen. Die Sache liegt aber anders, die innere Wand liefert deshalb den besten Kreide-Abdruck, weil sie am stärksten belastet und am innigsten mit dem Erdboden in Berührung tritt. Anderer Seits wird der Abdruck der äusseren W and weniger
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Die Abnutzung und Zurichtung dos scliiofon Hufos.
ausgeprägt, weil der Tragerand zerklüfteter und rauher ist und deshalb die Kreide in seinen Spalten besser festhält.
Der Versuch, durch irgend welche Zurichtung des schiefen Hufes die beiden Hufselten zum gleichmässigen Tragen der Last heranzuziehen) in derselben Weise wie bei einem geraden Hufe mit senkrechtem Stande der Fesselbeinachse, kann nach den vor­aufgegangenen Erörterungen niemals gelingen. Die Hauptaufgabe bleibt, die innere Belastung so gering als möglich zu erhalten, und zu Erreichung dieser Aufgabe trägt die Zurichtung des Hufes mit höherer Innen- als Aussenwand in zweierlei Weise bei. Wenn in der Figur I die innere Wand verkürzt würde, so würde der Schwerpunkt der neuen Schnittfläche eine solche Lage erhalten, dass der Unterstützungspunkt an der Bodenlinie in grüssere Nähe an b heranrückt, die Last rauss dann in quadratischer Proraquo; portion mit der Entfernung von a für die innere Wand steigen. Da ferner mit einer Verkürzung der inneren Hufwand eine nie­drigere Stellung der inneren Hufgelenkfläche verbunden ist und diese wieder eine mehr geneigte Stellung der Fesselbeinachse zur Folge haben muss, so tritt als weitere Folge der Verkürzung eine Verlegung des Unterstützungspunktes auf der Hufgelenkfläche nach innen hinüber und damit wiederum eine Steigerung in der Be­lastung ein. Es muss auch für die abschüssige Lage der Hufgelenk­fläche eine Grenze geben, innerhalb welcher sie die Verstellung der Fesselbeinachse in der Richtung von m nach in', in der Rich­tung nach aussen, noch zulässt. Denn je höher die äussere Ab-theilung der Gelenkfläche gestellt wird, um so mehr muss der Widerstand wachsen, welchen die Gelenkfläclie selbst und die Seiten­bänder der von oben her inducirten Bewegungsrichtung des Fessel­beins entgegensetzen. Ist eine so starke Neigung der Fesselbeinachse durch Herunterschneiden der inneren Wand erzeugt, dass sie sich nach aussen nicht mein' hinüberlegen kann, dann ist auch während der Bewegung die Entlastung der inneren Wand und der Ge­lenkfläclie nicht mehr möglich. Dann entstellen aussei' einer inten­siveren Vorbildung des Hufes chronische (jlelenkkrankheiten und Ueberdehnungen der Bänder.
Am besten lassen sich die Wirkungen fehlerhafter Maass-nahmen an der Abbildung des pathologischen Schiefhufes über-
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Die Abnutzung und Zurichtung dos sohiofon Hufes.
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sehen. Der Unterstützungspunkt für die Last, welche Kronen-und Fessolbein in der gezeichneten Lage verlangen, liegt auf der Hufgelenkfläohe in u'. Die letztere wird also auf der inneren Seite überwiegend stärker belastet, und eine Verringerung des Druckes kann nur dadurch erreicht werden, wenn der Schwer­punkt s' mehr nach links hinüber rückt. Erst dann würden beide Hälften gleiohmftssig tragen, wenns' senkrecht über dem Mittelpunkte stünde also in s0. Dazu ist riothig, dass im Kronen- und Hufgelenk eine bedeutende seitliche Bewegung ausgeführt wird, auf deren Ausführung die Gelenke nicht eingerichtet sind, wie sowohl die Anschauung als auch die früher mitgetheilten Versuche über die Beweglichkeit der betreffenden Grelenke-lehren.
Sowohl für den schiefen Vorder- wie Hinterhuf gilt die Re­gel, dass durch Hochhalten der Innenwand die Last sich in den denkbar günstigsten Verhältnissen zwischen den beiden Hufseiten vertheilt. Für den Hinterhuf, bei welchem wenigstens bei der Bewegung die innere Hufseite mehr entlastet wird, lautet die For­derung weniger dringend auf höhere Haltung der Innenwand, sondern hier lautet sie mehr auf niedrigere Stellung der Aus-senwand. Die Maassregel wird für den Hinterhuf weniger durch die Rücksicht auf gleiche Vertheilung der Last dictirt als durch die Erleichterung, welche damit für die Ausführung der drehenden Bewegung der Ilufsohle auf dem Erdboden gewährt wird. Die Rücksicht auf die Erleichterung der Drehbewegung dominirt über alle übrigen und muss bei allen Pferden, auch mit gradem Hufe und Fesselstand, erfüllt werden. Man sieht auch bei allen bar-fuss gehenden Pferden, wenn man von denen mit krüppelhaften Stellungen absieht, die äussere Seiten- und Trachtenwand stärker abgenutzt, da diese die in der Richtung der Drehung liegenden Hindernisse zuerst treffen, folglich auch am stärksten abgerieben werden. Wird beim Beschlag gegen die Vorschrift einer kür­zeren Aussenwand gesündigt, so sieht man gleich in den ersten Tagen die Streich wunden an den Fessclgelenken. Weil das Fes­selgelenk bei behinderter Drehbewegung des Hufes sich nicht nach aussen verlegen kann, bleibt es in der Bahn des bewegten Fusses mit seiner inneren Fläche stehen und wird von dessen innerer Zehe getroffen. Die jedem Practiker bekannte Thatsache, dass
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74nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Die Abnutzung und Zurichtung des schiefen Hufes.
das Streichen an den Ilinterfi'issen häufiger voi'kommt als an den Vor-derfi'issen, erklärt sich leicht durch den grosseren Weg, welcher dem Fessel des stützenden Hinterfusses bei der Ausführung der Drehung vorgeschrieben ist. Unter Umständen, wenn schnell eine grössereZahl von sonst barfuss gehenden Pferden beschlagen werden muss und die wenig erfahrenen Schmiede zur Aushülfe herangezogen wer­den, bekommt man die Streichwunden an den Fesseln in grösserer Zahl zn Gesicht, weil die unerfahrenen Schmiede stets bemühet sind, beide Hufwände gleichmässig lang herzurichten.
Ueber die Nachtheile des schiefen Hufes lässt sich im Allge­meinen bemerken, dass, so lange der Huf die der ursprünglichen Betrachtung zu Grunde gelegten Grenzen nicht überschreitet, er keine Gefahr für das damit ausgerüstete Pferd in sieh schliesst, insofern die stärkere Belastung der inneren Wand die Disposition zu Hufkrankheiten nicht erhöhet. Die häufigeren Lahmheiten, welche man bei schiefhufigen Pferden im jugendlichen Alter sieht, sind nicht dem Huf zur Last zu legen, sondern der Schenkel­stellung, welcher er seine Entwickelung verdankt und deren Nach-tlieile er noch in der bestmöglichen Weise compensirt. Bei der bodenweiten Schenkelstellung trifft nicht nur die innere Seite des schiefen Hufes ein vermehrter Druck, sondern auch die inneren Abthei­lungen der höheren Gelenke werden durch Gegendruck und Ge-genstoss um so stärker getroffen, je mehr die seitliche Abweichung der unteren Knochen zunimmt. Aus diesem Grunde sieht man so häufig unterhalb des Kniegelenks die als Ueberbein oder Schie-bel benannte Periostitis entstehen. Vielfach wird als deren nächste Ursache das Gegenschlagen mit der Zehe des anderen Fusses ,ziimal derselbe unregelmässig bewegt wird, angesehen, aber es ist ledig­lich die zu starke Belastung der medialen Abtheilung der Gelenke und des Griffelbeinkopfes, welche eine Lockerung der Verbindung zwischen Griffelbein und Bö]}re erzeugt. Zuweilen sind die Schiebel durch ihr Recidiviren ein unangenehmes Leiden während der jugendlichen Jahre, in reiferen Jahren aber kommen sie selten zur Beobachtung. Zu ernsteren Gelenkleiden, z. B. Hufge­lenklahmheit, disponiren diese Pferde zuFolge ihrer leichteren Bauart weit weniger als Pferde mit der als normal bezeichneten, senkrechten StellungderFüsseund breiter Brust. Bei letzteren verlangt dieAusfüh-
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Die Abnutzung und Zurichtung dos schiefen Hufes.
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runp; der intensiveren Gleichgewichtsschwankungen stilrkere seit­liche Bewegungen im Kronen- und Hufgelenk, und damit ist für diese die Gefahr mechanischer Beschädigungen und entzündlicher Vorgänge gesteigert.
Von grossen Nachtheilen, speciell für den Bandapparat am Fesselgelenk, ist der schiefe Huf dann begleitet, wenn die Zehe gleichzeitig in stärkerem Grade nach aussen gerichtet ist, wie bei der französischen Stellung. Denn hier ist die Beugungsebene des Fesselgelenkes so gestellt, dass die beiden Schenkel des Spannbandes (mittlerer Zwischenknocheiunuskel, Gurlt) nicht mehr ihrer eigentlichen Function als Stützbänder für die Sesambeine gegenühor stehen, sondern auch als Seitenbänder für das belastete Fesselgelenk funetioniren müssen, so dass entzündliche Zustände, namentlieh in chronischer Form, sich an ihnen ausbilden.
Der pathologische Schiefhuf trägt eine grössere Anlage zu krankhaften Störungen in sich, indem er häufig von Quetschungen der Fleischsohle heimgesucht wird. Ausserdcm ist er auch un­fähig als zweckentsprechender Sockel für die Tragesäule des Fusses zu dienen. Weil für die Fesselbeinachse die Möglichkeit aufhört, sich nach aussen zu stellen, so sind Excursionen des Schwerpunktes nur in beschränktem Maasse möglich. Das Pferd bewegt dann seine Körperlast nicht über die stützenden Schenkel hinweg, son­dern innerhalb derselben, setzt die Füsse bei geringer Schrittlänge soviel seitlich nach aussen, dass sie nur als Krücken oder Stre-bepfeiler für die zwischen ihnen aufgehangene Last funetioniren. Die Füsse haben ihre Bedeutung als elastische Tragesäulen ver­loren, der Gang hört auf elastisch und räumend zu sein, zumal auch die einseitig überbürdeten Gelenke chronisch- entzündlichen Zustände verfallen. — Eine andere Folge davon, dass das Fessel­gelenk nicht nach aussen treten kann und in grösserer Nähe zur Bahn dos vorübergeführten Fusses stehen bleibt, ist das Streichen am Fesselgelenk, welches man ständig bei dieser Hufform findet.
Gegenüber solchen Uebelständen kann es nicht zweifelhaft sein, welchen Weg man einzuschlagen hat, um sie nach Möglichkeit zu vermindern. Ein Blick auf den abgebildeten pathologischen Schief­huf zeigt, dass ein vollständiger Ausgleich der Anomalien, be­sonders der atrophischen Zustände am Hufbein und den Hornpro-
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Dio Abnutzung und Zurichtung dos schiefen Hufes.
duoirenden Weiclitlieilen wohl nicht zu gewärtigen ist. Allmäh-lig muss man durch Erhöhung der inneren Hufseite mittels eines dickeren Eisonarmes und Verkürzung der äusseren Hufseite zu er­reichen suchen, dass die Hufgelenkflilche wieder mehr horizontal, die Fesselbeinachse mehr vertical gestellt wird und die Flilche des Querschnittes einen günstiger gelegenen Schwerpunkt erhält. Es ist instructiv und beweist die Verderblichkeit des Lehrsatzes von der niedrigen Haltung der inneren Hufwaud auf das schla­gendste, wenn man die Vertheilung der Last über eine andere Querschnittsflilche in der Abbildung des pathologischen Schief­hufes ausrechnet. Man denke sich den Huf in die durch die punktirten Linien angedeuteten Grenzen hinein gewachsen, so dass die Bodenlinie die Lage a x hat. In derselben hat der Unterstiltzungspunkt die Lage in U', wie durch Construction auf einem besonderen Blatt gefunden wurde. Nach den Entfer­nungen, welche er von den beiden Wänden hat, berechnet sich nun­mehr die Vertheilung der Last für die äussere Wand auf 30 Kgrm., für die innere auf 70 Kgrm., während erstere bei dem ursprüng­lichen Querschnitt ab cd nur 13 Kgrm. und letztere 87 Kgrm. trug. In dieser neuen Gestalt würde der Huf gleich lange Wände haben, die innere Fleischsohle durch eine gleich starke Hornsohle wie die äussere geschützt sein, indessen würde die Gelenkfläche noch in sehr abschüssiger Neigung stehen, indem der innere Ge-lenkrand nur 40 Mm., der äussere noch 40 Mm. senkrechte Ent­fernung von der neuen Bodenlinie a x haben würde. Ob der Versuch zu machen ist, durch weitere Erhöhung der inneren Wand und der inneren Hufgelenkfläche, etwa in dem auf der Zeichnung an­gedeuteten Maasse, für die Last eine noch gleichmässigere Ver­theilung herbeizuführen, muss durch den Verlauf und das Ver­halten des Einzelfalles entschieden werden.
Vom genetischen Standpunkt aus dürfte am Schluss der Erörterungen eine Betrachtung des schiefen Hufes den Vor-thcil bieten, dass die Versuche, den schiefen Huf zu bessern, an­derer Seits das Bemühen, ihm seine Form zu erhalten, dadurch am besten beleuchtet werden.
Den Anstoss zur Entwiokelung empfängt der schiefe Huf im jugendlichen Alter. Das Bedürfniss des Thieres, einen mehr nach
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aussen liegenden Stützpunkt für seine Hufflilche zu gewinnen, als ihn der senkrecht stützende Fuss gewährt, ist ein instinctives und kommt durch das Muskelgefühl zu Stande. Denn die Grosse der Thä-tigkeit, welche die Musculatur zur Erhaltung des Gleichgewichtes, sowohl im Stande der Ruhe wie bei Bewegung, entwickeln muss, wird in höherem Grade zunehmen müssen, wenn die Unter­stützungslinie querüber zu lang oder zu kurz ist. Das Thier stellt in dem Bestreben, jene aufzuwendende Kraft auf das mög­lichst geringe Maass einzuschränken, bei geringer Brustbreite den Fuss mehr nach aussen. Da im jugendlichen Alter sowohl die Bandverbindungen wie auch die Gelenkflächen dem dauernd ein­wirkenden Belastungs-Modus entsprechend sich umzubilden ver­mögen, so vollzieht sich die Umbildung und Anpassung, je nach der Grosse des Bedürfnisses, an einem oder mehreren Gelenken. In der weitaus grössten Mehrzahl der Fälle wird dem Bedürfniss schon dadurch genügt, dass die Aclise der Knochen, welche un­terhalb des Fesselgelenkes liegen, aus der senkrechten und allge­meinen Achse des Schenkels heraustritt, während nur in seltenen Fällen die Ungunst der Bildungsverhältnisse so gross ist und verlangt, dass schon vom Kniegelenk oder noch höher die Ab­weichung beginnt. Der Huf wird durch diese Lage der Schen­kelknochen in zweierlei Weise bezüglich seiner Form beeinflusst. Weil die innere Verbindungslinie zwischen dem Fesselgelenk und dem Tragerande der Wand eine kürzere sein muss als die ent­sprechende äussere Linie, so vollzieht sicli zunächst eine Ver­kürzung an dem Tragrande der inneren Wand und die Boden-fiäche des Hufes erhält einen anderen Querschnitt. Wenn die Veränderung in der Hufform dabei stehen bliebe, so würde die Vorschrift, dass die innere Hufwand kürzer und niedriger zu halten ist, richtig sein. Sie ist es aber nur vorläufig, denn gleich­zeitig mit der stärkeren Abreibung und Belastung stellt sich eine Verlagerung und Umbildung im Bereiche der Krononwulst ein, welche auch den Huf in seinen oberen Abschnitten verändern und es erreichen, dass die Verkürzung der inneren Linie hier oben vor sich geht.
Mit der Steilstellung der inneren Wand, der Verflachung und grosseren Höhe des Kronenbettes sind die hauptsächlichsten
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Die Abnatzanff und Zurichtung dos scliiofon Ifufos.
Verilnderungen an der Honikapsel bezeichnet. Aber es dürfte doch fraglich sein, ob die Schiefheit des Hufes lediglich durch Veränderungen an der Innenwand zu Stande kommt, ob nicht auch die äussere Wand unter der Einwirkung der ungloichmässig vertheilten Last und der geänderten Richtung des Gegendruckes Verilnderungen in ihrer Stellung, im entgegengesetzten Sinne, er­leidet. Freilich sind Beobachtungen über diese Frage nicht ge­macht und auch schwer auszuführen, aber Eückschlüsse auf einen solchen Vorgang sind vielleicht aus folgenden Gründen erlaubt. Betrachtet man an einem Querschnitt des schiefen Hufes den Strahl, so zeigen sowohl Horn- und Fleischstrahl als auch das Strahlkissen in ihren seitlichen Hälften nicht mehr die symmetrische Gestalt, in der unteren Begrenzungslinie nicht mehr die regel-mässige Krümmung eines Bogens, dessen Mitte dem tiefsten Punkte des Strahles entspricht. Sondern man findet eine ver­zogene Bogenlinie, deren tiefster Punkt nach aussen so liegt, dass die äussere Contour kürzer als die innere ist, und man gewinnt den Eindruck, dass die festweichon Theile an der Bodonfläche unter dem Knochengerüst des Hufes in der Richtung von innen nach aussen verschoben wären. In den Abbildungen tritt die Lagoverände-rung des Strahles deutlich hervor, gleichzeitig wird man auch an die Ursache derselben erinnert. Der Schwerpunkt der Schnitt­fläche liegt nahe dem tiefsten Punkte des Fleischstrahles, der Unterstützungspunkt U in der Bodenlinie für die concentrirte Last seitlich nach innen. Da nach diesem Punkt nicht nur der Druck hingeleitet wird, sondern aus ihm auch der Gegendruck seinen Weg nach oben nimmt, so werden Strahl und Strahlkissen hauptsächlich auf der inneren Seitenfläche von der Richtungslinie des Gegendruckes getroffen und dadurch zu einem Ausweichen nach aussen und zu einer dauernden Veränderung ihrer Gestalt schliesslich gezwungen. Man ist nun wohl berechtigt zu der An­nahme, dass der schief gerichtete Gegendruck auch auf die Soh­lenfläche und den Tragerand der äusseren Hufseite eine ähnliche Wirkung ausübt, deren Resultat die Veränderung seiner äusseren Begrenzungslinie sein muss.
Auf mechanischem Wege würde darnach an der äusseren Seite des Hufes eine dem Zweckmässigkeitsprincip entsprechende
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üio Abnutzung und Zurichtung dos schiofon Hufes.
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Verbreiterung seiner Unterstiitzungsfläche zu Stande gekommen sein. Der schiefe Huf ist dann ein schiefer Kegel, dessen obere, abgestutzte Flilcbe, der Gelenkflilche entsprechend, sich nach innen, dessen Grundfläche sich nach aussen verschoben hat.
Schliesslich, wenn die Regeln formulirt werden sollen, welche dem Beschlagschmied für Zurichtung und Beschlag des schiefen Hufes zu geben sind, so muss er darauf aufmerksam gemacht werden, dass er aus der Abnutzung des Hufes und des Eisens auf den Grad der notlnvendigen Verkürzung für diese oder jene Wand nur bedingungsweise eine Folgerung machen kann. Waren die Bedingungen für regelrechte Abnutzung nicht vorhanden, so muss das geübte Urtheil entscheiden, ob die Zurichtung des Hufes dem Fesselstande entspricht, sowohl im Stehen wie beim Gehen. Durch die Gehprobe, d. h. durch den gleichmässigen Auftritt der ganzen Sohlenfläche auf die Ebene des Erdbodens oder das Kippen des Hufes, die Richtigkeit der Verhältnisse zu controliren, ist nur für ein sehr geübtes Auge unter besonderen Verhältnissen möglich, wobei auch Täuschungen durch die Per­spective häufig mit unterlaufen. Am wenigsten sündigen wird der Beschlagschmied, wenn in ihm unter Darstellung des Baues vom schiefen Hufe die Ueberzeugung geweckt wird, dass
„unter allen Umständen der innere Ballen höher über dem
Erboden stehen muss als der äussere,quot;
„die innere Wand die meiste Schonung beansprucht, weil
sie die meiste Last trägt,quot;
„die Last um so grosser für sie wird, je weniger man sie
schont.quot;
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Ein Beitrag zur Theorie der Spatkrankhoit.
Das oben, bei Betrachtung dos Sprunggelenke!?, dargelegte eigenthümlicbe Vei'hältniss der das letztere in die Strecklage überführenden Kräfte zu der schrägen Einpflanzung der ürcli-aebse des Gelenkes bat den Gredankcn nahe gelegt, dass eine der häufigsten Sprunggelenkkrankheiten, der Spat, seine ursächliohe Begründung in einem Conflict verschieden gerichteter Kräfte findet.
Die Betrachtung über die Richtung der Kraft, welche die Streckung herbeiführt, hatte ergeben, dass dieselbe in der ersten Phase der Stützung der Lage der Achse entspricht und sie bei senk­rechtem Druck, conform der Bewegung des körperlichen Schwerpunk­tes, schräge nach aussen schiebt, dass aber in der zweiten Phase die active Muskelkraft sowohl wie die allgemeine Bewegungsrichtung desFusses zur Achse in einem nicht rechten Winkel steht. Die schräge Richtung des Druckes auf die Achse hat zur Folge, dass letztere eine andere Stellung annimmt, indem ihr ilusseres Ende sich stärker nach vorwärts schiebt als das innere, und als äusserlichen Beweis bie-für die rollende Bewegung des Fusses von der Hufsohle bis zum Oberschenkelkopf zur Erscheinung bringt. Die Frage drängt sich nun zur Beantwortung heran, welche Einwirkung müssen die activen Kräfte auf die Bewegung des Sprunggelenks gewinnen, wenn sich Hindernisse geringeren oder stärkeren Grades der Ausführung der Rollbewegung des Fusses oder der Lageveränderung der Rollbeinachse entgegen stellen.
Eine concise Antwort hierauf erhält man durch die matlie-
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Ein Roitrag- zur Theorie fior Spatkranldmit.
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iniitisch-physikalisclie Untersuchung der Kraftwirkung an der Achse selbst. Die Bewegungsrichtung oder die treibende Kraft sei durch die Richtung des Pfeiles k k' ansgedriickt, die Achse des Sprunggelenks ab wird von ihr nicht in einem rechten quot;Winkel geschnitten, sondern in dein Winkel h c k, wenn c den Angriffs­punkt der Kraft auf die Achse darstellt.
Die Achse inüsste, wenn sie in der Richtung k k' fortschrei­ten, oder c nach i gelangen soll, die Lage von ax, senkrecht zu kk' annehmen. Unter der Voraussetzung, dass sie in diese Lage nicht eintreten kann, sondern bei der fortschreitenden Be­wegung parallel zu ab bleiben muss, müssen seitlich gerichtete Druckkräfte auf sie einwirken, welche ihr eine andere Bahn aufzu­zwingen bestrebt sind. Es soll der Weg aufgefunden werden, wel­chen der Punkt c durchlaufen muss, wenn die Achse in die parallelen Stellungen a' b' und aquot; bquot; gelangen soll.
Die Kraft, welche c nach f und weiter nach i treiben würde, zerfällt in zwei Seitenkräfte, von welchen die eine senkrecht gegen die Achse wirkt, die andere in die Richtung der Achse selbst fällt. Um deren relative Grossen bestimmen zu können, muss das Parallelogramm der Kräfte construirt werden, wie es in der Zeichnung geschehen ist. In dem Parallelogramm edef liegt der Schnittpunkt der beiden Diago­nalen in g und die beiden Linien c d und d g repräsentiren die beiden Seitenkräfte, welche auf den Punkt c einwirken. Dieselben
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Peters CJnterauohnu
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Ein Beitrag zur Theorie der Spalliranldieit.
weisen ihm also den Weg an, welcher in der grosseren Diago­nale liegt und von c nach g und weiter nach e führt. Also in derselben Zeit, in welcher der Punkt c nach f sich bewegen würde, wenn die Achse senkrecht zur Kraftrichtung stünde, legt er den Weg nach g zurück, und würde er von derselben Kraft noch weiter geschoben werden, so müsste er nach e gelangen, mithin sich immer mehr von der allgemeinen Bewegungsrichtung und der Mittelebene des Körpers entfernen.
Zunächst muss nun gefragt werden, kann die Rollbeinachse, wäh­rend sie in parallelen Stellungen vorwärts schreitet, dem Wege folgen, welcher von c nach e geht? Es muss hier daran erinnert werden, dass die fortschreitende Bewegung des Sprunggelenks nur bei gleichzeitiger Drehung um die Achse des Eollbeins stattfinden kann und dass diese letztere nur solche Drehbewegungen zulässt, welche senkrecht zu ihr stehen und in der Ebene der grössten Kreise liegen. Denn das Unter­schenkelrollbeingelenk ist mit einer so scharf eingeschnittenen Gang­linie versehen, dass Oeffnung und Streckung nur in einer bestimmten Ebene vor sich gehen können. Die Ebene liegt in den grössten Kreisen der Gelenkkämme, also senkrecht zur Achse. Demnach, wenn die Achse in ab steht, so geht die Linie, in welcher sie sich bewegen muss, von c nach d uud weiter von d nach h, mithin weicht die Bahn, welche die Construction der Rolle ver­langt, von der Bahn, welche die Kraft ihr vorschreibt, ab.
Setzen wir nun zunächst den Fall, dass c, entsprechend der Construction des Sprunggelenks, den Weg nach d gehen will, so wird die bewegende Kraft versuchen, ihm den Weg cg anzu­weisen. Der Punkt muss also von seiner Bahn nach rechts hin­über gehen, weil die Kraftlinie c g in die beiden Componenten c d und d g zerlegt wird, wovon die letztere in der Richtung von d nach g wirkt. Mit anderen Worten, die Kraft, welche die Gelenkachse in parallelen Stellungen nach vorwärts bewegt, übt gleichzeitig einen Seitendruck aus, welcher von d über g nach a' wirkt, also gegen den inneren Endpunkt der Achse gerichtet ist. Diese seitlich gerichtete Kraft hat (Ins Bestreben, die innere Fläche des Sprunggelenks durchzubiegen, sie um die Grosse dg der Mittelebene des Körpers zu nähern. Das Zustandekommen eines sol­chen medial gerichteten Druckes ist unausbleiblich, wenn der Punkt
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Ein Beitrag zur Tlieorio dor Spalkranldicit.
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c die von der Kraft ihm vorgeschriebene Bahn cg wandern soll, wäh­rend die Stellung der Achse die Bahn c d verlangt.
Die Fähigkeit des Sprunggelenkes, die letzt genannte in der Transversalebene liegende Bewegung, in der Richtung von d nach g, auszuführen, ist dem Augenschein nach sehr gering. Deshalb hört die Möglichkeit, die fortschreitende Be weeuna in der Biohtuna ck fortzu-setzen, sehr bald auf für die Achse und sie geräf.h in Stillstand. Es soll angenommen werden, dass sie bis e gelangen könne. Dann würde sie dieselbe Stellung und Lage haben, als wenn eine senkrechte Kraft sie aus dem rückwärts, in der Verlängerung ihrer Oeffnungs-ebene e f, gelegenen Punkte m sie bis liier bewegt hätte. Der Abstand, welchen m von c hat, würde die Grosse des Druckes bezeichnen, welcher gegen die innere Fläche des Sprunggelenks gerichtet ist.
Welche Kräfte wirken nunmehr auf den Punkt e, nach­dem die Achse verhindert ist, über die Stellung von aquot; hquot; hinauszugehen? Es sind dieselben Kräfte, welche bei Beginn der Bewegung auf die Achse in o einwirken. Die eine Kraft, welche durch die Lage der Gelenkflächen in ihrer Richtung bestimmt ist, trifft die Achse in dem Punkt h, die andere bewegende Kraft ist die Kraft k k' und trifft sie in Punkt i. Also zu beiden Seiten eines festen Punktes der Achse wirken zwei nahezu parallele Kräfte und stellen ein Paar von Drehkräften dar. Sie suchen an der Achse um den Punkt e eine Drehbewegung auszuführen, welche in der Ebene der Papierfläche liegt, die eine Kraft in der Richtung von rechts nach links, die andere von links nach rechts. Beide Kräfte verlangen eine Rotation des Rollbeins um seine ver­ticale, in e festgelegte Achse, aber in verschiedenen Richtungen, und damit ist der mathematisch-physikalische Ausdruck für die Torsionsbewegung gegeben. Die eine von den drehenden Kräften, von links nach rechts, stammt von oben, aus der Bewegung der oberhalb des Sprunggelenks liegenden Knochen, die andere, von rechts nach links aus den unten festgehaltenen, unterhalb des Rollbeins, gelegenen Knochen. Beide Kräfte treffen im Sprung­gelenk zusammen und üben hier einen Torsionsdruck aus.
Der vorstehende Weg der Darstellung inusste eingeschlagen werden, damit alle verschiedenen Kräfte oder Insulten, welche das Sprunggelenk bei Festlegung seiner Drehachse oder bei Be-
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84nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ein Beitrag zur Theorie dor Spatlcrankheit.
Hinderung der Rollbewegung' erfährt, zur Anschauung gebracht
werden. Dieselbe lässt sich aber, wenn die Uebung für die mathematische Vorstellungsweise verloren gegangen oder wenn meiner Seils die Darstellung aus gleichem Grunde stümperhaft geblieben ist, auch in anderer Weise, durch folgende Betrachtung gewinnen. Wenn nämlich der Hintorl'nss beim Uebcrgang aus der Beugung in die Streckung eine rollende Bewegung ausführen muss, so stehen derselben am oberen Ende des Fusses, dem Obersohenkelkopfe bei seiner Lage in der glatten Gelenkpfanne, wohl kaum jemals Hindernisse entgegen, Wohl kann aber am an­deren Endpunkte der Schenkelsäule, dein Huf, durch künstliche Hindernisse an letzterem selbst oder natürliche am Erdboden, die Bewegung entweder ganz aufgehoben oder beschrankt werden. Halt man nun die Vorgange zusammen, welche sich gleichzeitig am oberen und unteren Endpunkt der Schenkelsäule vollziehen, oben der Versuch zum RoIIcti in der Gelenkpfanne, unten Wi­derstand gegen die gleichnamige Bewegung, so muss das Bild etwa dasselbe sein, als wenn eine stärkere Weidenruthe, welche an einem Ende festgehalten ist, um ihre Längachse gedreht wird. In unserem Falle stellen die verschieden gerichteten Drehkräfte eine Prüfung der Knochenreihe und ihrer Bandverbindungen auf die Grüsse des Torsions-Widerstandes an. Diese torquirende Kraft muss jedes Mal zur Entwiekelung gelangen, wenn das Sprunggelenk beim Uebcrgang aus der Beugung in die Streckung behindert wird, seine horizontale Achse zu verstellen, in Folge der Unausführbarkeit der Rollbewegung des ganzen Fusses.
Der Mangel, welcher dieser Darstellungsweise anhaftet, be­steht darin, dass nicht alle Kräfte, welche zu Beleidigungen und Dehnungen der Bänder Anlass geben, hiebei erkannt werden. Denn die Seitenkraft, welche zuerst sich abspaltet von der Haupt­kraft und in der Zeichnung durch die Linie dg rep rase ntirt wird, kommt nicht zur Anschauung. Die Kraft, welche diese Linie ausdrückt, ist aber eine sehr wichtige, indem sie das Sprungge­lenk nach innen durchzubiegen strebt, seine inneren Bänder spannt und als Vorläufer des torquirenden Druckes den Angriffs­punkt für den letzteren örtlich feststellt.
Die Lage des Punktes, an welchem ein Insult durch die
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Ein Beitrag zur Theorie der Spatkrankheit,
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Torsion zu Stande kommt, kann an jedem Gelenk, überhaupt an jedci- Stelle des Fusses zwischen Huf und Bollbein, gesucht wer­den. Der Druck wird dort am leichtesten eine Beschädigung oder Zerrelssung der organischen Faser erzeugen, wo der Wi­derstand der geringste ist, wo schon andere Kräfte sie gedehnt und violleicht die Widerstandskraft erschöpft haben, um solcher Punkt ist aber zu der Zeit, wo der Torsionsdruck auftritt, an der inneren Flache des Sprunggelenks gegeben, welches unter dein Andringen jener oben bezeichneten Seitenkraft nach innen sich durchbiegen soll. Die inneren Bänder des Sprunggelenks, besonders die Gelenkverbindungen zwischen Rollbein und Röhre und den ihnen assoeiirten beiden Lagen der kleinen platten Knochen sind schon angespannt und werden durch das Hinzu­treten einer torquirenden Bewegung am leichtesten der mechani­schen Dehnung erliegen. Das Maass ihrer physiologisohenDehnbar-keit kann leicht überschritten werden, so dass Ernährungsstörungen geringeren oder höheren Grades auftreten. Und als eine ent­zündliche Ernährungsstörung des Kapselbandes der kleinen Gelenke, erzeugt durch einen mechanischen, torquirenden Insult, muss ich den Spat, zumal in seinen An­fangsstadien, bezeichnen. Unter Anschluss des Versuches, alle seine anatomischen und klinischen Besonderheiten in Kürze mit dieser Ansicht in Einklang zu bringen, wird es sich bei Vor-fOhrunar der örtlichen Erscheinungen und der Bewegungserschei-nungen, des Verlaufes, der Ausbreitung und auch der The­rapie der Krankheit zeigen, dass sich dieselben mit dein neu ge­wonnenen Gesichtspunkt, für die Aetiologie wohl besser vereinigen lassen als mit den früheren Spattheorieu.
Wenn an irgend einem Körperorgan dieselbe Krankheit häufig auftritt, so sind es meistens nicht zufällig und regellos wirkende äus-sere Momente, welche die Krankheit hervorrufen, sondern solche, welche die physiologische Tbätigkeit des Organes zu einem Ex­cess herausfordern. Die Disposition zur Erkrankung ist an einem häufig erkrankenden Organ physiologisch begründet, und deshalb ist es ein Prüfstein für die Richtigkeit einer supjumirten Krank­heitsursache, wenn die physiologische Notwendigkeit einer Ver­richtung, deren Uebennaass zur Krankheitsursache wird, aus dem
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Bau des erkrankenden Organes nachgewiesen werden kann. Be­trachtet man das Sprunggelenk von diesem Standpunkt aus und fragt man, ob an den kleinen, sog. Spatknochen zu erkennen ist, dass sie auf Ausführung von Bewegungen eingerichtet sind, welche bei einem Uebennaass eine Ueberdehnung der Grelenkkapseln zu Stande bringen müssen; fragt man, ob Rücksicht auf die wohl nicht selten vorkommende Anforderung, geringe verticale Drehungen auszuführen, beim Bau des Sprunggelenks genommen ist, so muss man bejahen. Man muss sogar zugestehen, dass hier die Natur Vorzügliches geleistet hat durch die Anlage der kleinen platten Knochen, dass sie die Beweglichkeit um die verticale Achse an dieser Stelle eingeführt hat, um an einer wichtigeren Stelle kein Opfer durch Aufgabe der so wichtigen Stabilität des Sprung­gelenks zu bringen. Würde das Rollbein, ohne die Zwischen-lagerung der platten Knochen, fest mit dem Röhrenbein verbun­den sein, so dürfte die Articulation von Rolle und Unterschenkel-bein keine so präcise sein, oder die torquirende Kraft würde an der Gelenkfläche selbst ihren Angriffspunkt suchen und unter Umständen Absprengungen von höheren Kämmen und tieferen Furchen zu Stande bringen müssen. Oder, wenn die kleinen platten Knochen, statt in einer doppelten, in einer einfachen Schichtung dalägen, oder auch wenn jede einzelne, mannigfach zerklüftete und darum verschiebbare Lage aus einer einzigen durch­gehenden Scheibe bestünde, so würde die Beweglichkeit wieder eine geringere sein und mi'isste durch längere Bänder zu Un-gunsten der Stabilität ausgeglichen werden. Die Einschaltung der vielen, kleinen platten Knochen, durch Zwischenräume ge­trennt und in zweifacher Lage, muss als das geeignetste Mittel erkannt werden, eine gewisse Beweglichkeit um die verticale Achse herzustellen, aber auch als Beweis für die Nothwendig-keit einer solchen compensatorischen Vorrichtung. Freilich können durch die mannigfachsten Umstände die Anforderungen an die Beweglichkeit der kleinen Schutzorgane der Art wachsen, dass ihre Bandverbindungen mechanisch geschädigt werden.
Dor directe Beweis für die Fähigkeit des Sprunggelenks, geringe Bewegungen um die verticale Achse auszuführen, ist auch am anatomischen Präparat leicht zu erbringen. Wenn man das
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Röhrenbein fest in einen Schraubstock einspannt und das Unter-tersclienkelbein mit Hülfe eines Schraubenschlüssels um die ver­ticale Achse zu drehen sucht, so sieht man, dass das Sprunggelenk dieser Drehkraft um einen nicht unbedeutenden Winkel folgt. Be­reitet man die innere Sprunggelenkseite durch die entsprechende Präparation vor, so kann man auch den Ausgangspunkt der Drehbe­wegung wahrnehmen und seilen, dass die Lagen der platten Kno-clien Verschiebungen über einander erleiden.
Unter den örtlichen Erscheinungen des Spats ist die scharf begrenzte Localität, von welcher ausnahmslos die patholo­gisch-anatomischen Veränderungen ihren Ausgang nehmen, immer der dunkelste Punkt gewesen. Obgleich die Mehrzahl der Auto­ren die entzündlichen Veränderungen in der Gelenkkapsel in den Mittelpunkt der Erscheinungsreihe gestellt haben, so konnte doch der Grund nicht aufgefunden werden, weshalb stets auf der medialen Seite des Gelenkes die entzündlichen Processe an der Gelenkkapsel, der Synovialhaut, dem Knorpel, der Beinhaut begannen und sich auch wesentlich hier im weiteren Verlauf der Krankheit erhielten. Der Grund für diese Erscheinung wird so­fort klar, wenn man in der obigen Zeichnung die einzelnen Kraft­richtungen betrachtet, in welche die bewegende Kraft zerlegt wird. Eine Seltenkraft 1st dort durch die Linie dg vertreten, welche von d nacii g und weiter nach a' wirkt, also das Bestreben hatraquo; die platten Knochen in medialer Richtung aus der Knochen­säule herauszudrängen, die Bandverbindungen zwischen den einzelnen Lagen der platten Knochen und den anderen Gelenk­rändern in mehr oder weniger hohem Grade anspannt. Dieser Seltendruck macht sich zuerst geltend, wenn die Achse sich in­nerhalb der horizontalen Ebene nicht verstellen kann, und er ist der Vorläufer der Torsionsbewegung. Wenn der torquirende Druck zu wirken beginnt, 1st das medial gelegene Kapselband am stärksten angespannt und empfängt daher auch durch die Torsion die stärkste Dehnung. Dies der Grund, weshalb der Spat stets auf der inneren Fläche des Sprunggelenks beginnt.
Auch für die Erscheinung, dass in der Mehrzahl der Fälle der Krankheitsprocess zwischen oberer und unterer Eeihe der platten Sprunggelenkknoohen beginnt, dass dagegen bei den Anfängen
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Ein Beilvag zur Theorie dor Spatkranldioit.
der Krankheit die Gelenkkapsel zwischen Rühre und unterer Reihe, sowie zwischen Eollbein und oberer Reihe, intact ist, kann eine Erklärung gegeben wird. Ob ein torquirender Druck diese oder jene Gelenkkapsel früher trifft und schädlich auf sie einwirkt, nmss davon abhängen, ob die Form derGeleiikflächen eine rotirende Bewe­gung begünstigt oder ob der rotirenden Bewegung grüssere Hinder­nisse durch kräftige und straffe Bandvorbindungen entgegen stehen. In diesen Beziehungen ist die obere Gelenkreihe bedeutend besser gesichert als die beiden unteren. Denn das obere Gelenk hat eine grüssere Flächenausdehnung, so dass die Gelenkränder durch einen breiteren Kapselbandring verbunden sind, und ferner hat das Gelenk eine tiefere, querüber laufende Grube und Ver­tiefung, welche der Drehbewegung entgegen stehen. Das mittlere und das untere Gelenk stehen sich in Bezug auf Grosse und Form der Flächen fast gleich einander gegenüber. Indessen ist die Bandverbindung zwischen der Röhre, namentlich dem Grif­felbeinkopf und der unteren Reihe der platten Knochen eine kräftigere als zwischen der unteren und oberen Reihe. Besonders ist noch der Umstand hervorzuheben, dass auf dem pyrami­denförmigen Bein der unteren Lage der mediale Sehnenschenkel des Unterschenkelmuskels sich einpflanzt und zu Folge seines Verlaufes von vorne nach hinten als Verstärkungsband für die untere Gelenkreihe Bedeutung gewinnt. Denn zu Folge der Anspannung, die er bei der Streckung des Sprunggelenks erleidet, verhindert er das pyramidenförmige Bein, die Drehbewegung mit auszuführen, welche die obere Lage der Knochen ihm aufzwingen will. Die untere Lage der Knochen wird also durch den Zug der Sehne in dieselbe Bewegungsrichtung versetzt, wie der untere Theil des Fusses, das obere Ende der Rühre, zur Zeit besitzt. Die Verbindung zwischen Röhre und der unteren Reihe der Spat­knochen ist deshalb weniger bedrohet, die beiden verschieden ge­richteten Bewegungen müssen zwischen oberer und unterer Knochen­reihe auf einander treffen. Der besprochene Sehnenschenkel, wel­cher hier ähnlich wie ein Band functionirt,ist bei dem Vorgangden Ge­fahren der Ueberdehnung ausgesetzt. Prof. Dieckerhof hat auch entzündliche Veränderungen an ihm gefunden und beschrieben, den causalcn Nexus aber in anderer Weise zu begründen gesucht.
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Die Ausbreitung des Krankheitsprocesses von der Gelenkkapsel avif die angrenzenden Gewebe kann in verschie­dener Weise vor sich gehen. In der Mehrzahl der Fillle ist wohl die äussere fibröse Schichte des Bandes stärker gedehnt und entzündet als die innere synoviale, so dass das angrenzende Pe-riost, die fibrösen Häute und die Bursa des Unterschenkehnuskels in einen chronischen Entzündungsprocess mit hinein gezogen wer­den und Anlass zur Bildung der Spatauf'tieibung geben. Diese Entzündung ist häufig von nur geringen Schmerzen begleitet, zu­weilen von so unmerklichen, dass die Spatexostose der Vorläufer der eigentlichen Spatlahmheit ist, die erstere schon lange bestan­den haben kann, bevor letztere eintritt. Betheiligt sich dann später die Synoviahnombran, so tritt in dem Gelenke eine ab­norme Secretion ein und übt ihren deletären Einfluss auf den Gelenkknorpel aus, woraus Usur desselben und die bekannten entzttndliohen Prooesse in der Knochensubstanz resultiren, in Be­gleitung von intensiveren Schmerzen.
Aber auch von vorne herein kann das synoviale Blatt der Gelenkkapsel stärker, das äussere fibröse Blatt weniger gedehnt und entzündet sein, so dass zuerst die Gelenkflächen in die ent­zündliche Reizung hineingezogen werden. So kann es kommen, dass, während im Inneren des Gelenkes schon stärkere Verände­rungen, mit mehr oder weniger starken Schmerzen verbunden vor sich gegangen sind, die äussere Umfläohe des Gelenkes wenig oder gar nicht an der Entzündung seeundär betheiligt ist, also keine Eormveränderungen aufweist. In diesem Falle haben wir die Spatlahmheit vor der Ausbildung der Spatexostose, den zu­weilen Monate lang dauernden unsichtbaren Spat.
Die Höhe des Schmerzes, welche die Entzündunc des Kapselbandes beim ersten Eintritt des Spats begleitet, hängt ab von der Stärke des mechanischen Insults, welcher jene trifft. Ist gleich die erste Einwirkung eine heftige, so tritt die Spattlahm-heit bei ihrem Beginn schon mit so heftigen Schmerzen auf, wie eine andere Geleuk-Distorsion. Ist die erste Einwirkung aber eine massige, wiederholt sie sich dagegen häufiger, so tritt die Spat-lahmheit, wie in der Mehrzahl der Fälle, sehr allmählig auf. Die eigentlich seeundäre Erscheinung, die Spatexostose, kann sogar
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90nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Ein Beitrag zur Theorie der Spatkrankheit,
grössere Dimensionen annehmen, ohne die Anwesenheit von deut­lichen Schmerzen, wenn nur die schädlichen Einwirkungen auf die Gelenkkapsel in so geringem Grade einwirken, dass keine stärkere entzündliche Aufregung in letzterer entsteht.
Die Bewegungs-Erschoinungen, welche an dem spat­kranken Fusse sich bemerkbar machen, sind eigenthiimlicher Art, aber silimntlich so beschaffen, dass sie aus dem Bestreben des Pferdes abzuleiten sind, von dem entzündeten Kapselbande neue schädliche Einflüsse, d. h. den Torsionsdruck, möglichst fern zu halten. Der Fuss wird in solcher Weise angesetzt, dass die Be­dingung für die Entstehung einer ausgiebigeren Rollbewegung des Fusses nicht gegeben ist, dass also der stützende Fuss mit mög­lichst geringer Beugung des Sprunggelenks in den Erdboden ein­fällt und ihn auch vor der vollständigen Beendigung der Streckung wieder verlässt. Damit das Sprunggelenk so gestreckt wie mög­lich in den Erdboden einfalleraquo; kann, muss das Pferd versuchenraquo; den durch die geringe Beugung verloren gehenden Raum des Schrittes durch möglichste Ausnutzung der Muskeln, welche das Oberschenkelbein nach vorwärts bringen, wieder zu gewinnen. Darum sucht es den Winkel im Hüftgelenk möglichst zu ver-grössern und hebt in ausgeprägter Weise die Hüfte, so dass die Bewegung hüpfend aussieht. Zwar werden bei dieser Bewegung auch das Knie- und Sprunggelenk stark aufgezogen und gebeugt, aber weder die Beugung noch die Streckung des spatlahinen Sprunggelenks ist an sich schmerzhaft, sondern nur dann ist die Streckung schmerzhaft, wenn der Fuss in belastetem Zustande aus dor Beugung in die Streckung übergehen und dabei eine rollende Bewegung vollführen soll. Dor Fuss kann aber in einem nahezu ge­streckten Zustande und fast senkrecht in denErdboden herunterfallen, wenn die oberen Tbeile des Fusses in bezeichneter Weise den Raum wieder gewinnen. Freilich geschieht letzteres nur in ungenügender Weise, der Schritt wird kürzer, um so mehr als der Fuss auch die vollständige Strecklage nicht abwartet, sondern den Erdboden früher und mit einer schnellenden, zuckenden Bewegung verlässt. Bekannt ist, dass das seitlicheUebertreten des kranken Fusses nach der gesunden Seite dein Pferde bedeutend höhere Schmerzen verursacht als das Uebertrcten und die Ueberführung der Last
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nach der kranken Seite. Bei der ersteren Bewegung muss der stark gebeugte Fuss mit nach innen gewandter Zehe unter den Körper gestellt worden. Soll er nun in dieser Stellung in den gestreckten Zustand übergehen, so kann dies nur in Begleitung einer ausgiebigen, rollenden Bewegung, mit noch stärkerer AVen-dung der Zehe nach innen, ausgeführt werden. Die Möglichkeit dazu ist aber durch die voraufgegangene Wendung der Zehe nach in­nen schon erschöpft, die Rollbewegung ist gewisser Maassen vor Aus­führung der Streckung schon ausgeführt, sie kann jetzt die letztere nicht begleiten und darum muss ein Torsionsdruck in stärkerem Grade entstehen. — In innigem Rapport zu dieser Erklärung über die erschwerte Ausführung seitlicher Bewegungen des spatlahmen Hinterschenkels stellt auch die Thatsache, dass durch die Seiten­gänge in der Bahnreiterei der Spat sehr häufig herausgeritten wird. Wenn zu Anfang de r Be wegung das Pferd den spatlalunen Fnssstärker schont als nach längerer Dauer derselben,so istauch diese Erscheinung auf die Einwirkung eines verstärkten Torsionsdruckes auf die Gelenkkapsel zurückzuführen. So lange das spatlahme Pferd ruhig und still steht, belastet es das Sprunggelenk zuweilen normal, zuweilen hält es dasselbe in gebeugter Stellung, weil die Belastung an sich keine oder unwesentliche Schmerzen erzeugt. Wird dann der Fuss zur Ausführung von Bewegungen benutzt, so werden die ersten Tritte unter voller Action der vorbringen­den und beugenden Muskeln ausgeführt, weil keine schmerzhafte Sensationen zur vorsichtigen und abgeänderten Benutzung jener Muskeln erinnert haben; das Sprunggelenk wird mit der normalen Beugung, wie in gesunden Tagen, hingesetzt und ein stärkerer Druck trifft in Folge dessen die Gelenkkapsel. Erst dann, wenn das Pferd, erinnert durch den Schmerz, die Herrschaft über die verschiedenen Muskelgruppen wieder erlangt hat, so dass das Hinsetzen des Fusses mit Umgehung von stärkerer Beugung im Sprunggelenk ausgeführt werden kann, wird der Druck auf das Kapselband wieder geringer, die Lahmheit schwächer. — Ganz aus demselben Gesichtspunkt ist die sog. Spatprobe, die Ver­stärkung der Lahmheit durch zeitweilige starke Beugung im Sprunggelenk, zu beurtheüen, Denn während dieser Haltung des Fusses wird die Thätigkeit von solchen Muskeln geweckt, welche
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Ein Beilraff zur Theorie dor Spatkrankheit,
bei Bewegung des spatlahmen Fusses inaotiv bleiben müssen und deren Elimination bei den ersten Tritten nicht gelingt, sondern erst wieder erlernt sein will.
Die Abnalnne der Schmerzen, sobald der kranke Fuss auf der ilusseren Hufseite stark abgerieben und das Fesselbein sowie das Fesselgelenk nach aussen gerichtet 1st, erklärt sich durch den günstigen Eintluss, welchen die niedrige Stellung der ilusseren Wand und die entsprechende Richtung der Fesselbeinaohse auf die Erleichterung der rollenden Bewegung des Fusses ausübt. Könnten alle Hindernisse beseitigt werden, welche dieser Bewe­gung entgegen treten, so könnte auch der Uobergang des stützen­den Fusses in die höchste Strecklage ohne den Eintritt des Tor-sionsdruckes vor sieh gehen.
Die soeben besprochenen Erscheinungen der Spatlahmhêit sind einiger Maassen charakteristisch für dieselbe und bei der Mehrzahl der spatlahmen Pferde vorhanden. Wenn Abweichungen davon vorkommen, so dürften dieselben dadurch erzeugt werden, dass beim weiteren Fortschreiten der entzündlichen Processe, be­sonders gegenüber der stärkeren Rarefaction desKnochengewebes die Entzündung der Gelenkkapsel mehr in den Hintergrund tritt, mithin auch die durch die letztere induoirten Erscheinungen. Wie mir scheint, verdienen derartige Abweichungen bei derStellung der Prognose ver-werthet zu werden, da solche Fälle hartnäckiger für die Therapie zu sein pflegen, wo man keine Minderung der Lahmheit eintreten sieht.
Unter den äusseren Ursachen des Spats müssen alle die­jenigen Umstände angeführt werden, welche einerseits den llin-torschenkel verhindern, in die bei der Streckung nothwendige Rollbewegung einzutreten, und andererseits dein Hinterschenkel die Aufgabe stellen, ein höheres Maass von Beugung und Streckung und der damit unzertrennlich verbundenen Rollbewe-lt;gt;unu' auszuführen. Die Ursachen ersterer Art haben ihren An-griffspunkt an der Sohlenfläche des Hufes und sind hier zu nennen bebe Stollen, schlechte Zurichtung des Hufes, überhaupt schlechter Beschlag, femer schlechtes Strassenpflaster, sehr uneben gefrorener Erdboden, sodann auch angestrengtes Ziehen von schwcTcn Lasten und Ausführung von Seitengängen. Gewiss ist schon jedem Praktiker der Fall vorgekommen, dass unter Ein-
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wirkung dor genannten Momente der Spat plötzlich, wie jede an­dere Gelenk-Distoreion zur Erscheinung kam, so dass der Sohluss nahe lag, die zu starke seitliche Belastung des Gelenkes in Folge des Fehltritts oder des üeberkippens sei die nächste Ursache. Indessen wird letztere in jedem anderen Gelenke leichter eine Insultation erzeugen als im Sprunggelenk. Wir können rinn-menr für die ungenügende Erklärung eine bessere an die Stelle setzen, indem die ITufsohle behindert war, auf dem Erdboden sich zu drehen. Die Beziehungen des Spats zu den Seitengängen haben schon bei Besprechung der Symptome Erörterung ge­funden, während die Wirkung, welche ein angestrengter Zugdienst auf die Feststellung der Sohle und Behindening der Drehbewe­gung ausübt, in die Augen springend ist. Die auch noch zu nennen­den schnellen und ausgreifenden Gänge verlangen von dem stützen­den llinterfuss, dass der Beugnngswinkel zwischen Unterschenkel-und Rollbein gross ist, dass mithin auch die Streckung nur mit einer stärkeren Achsen-Verstellung des Eollbeins ausgelöst werden kann und die Gefahr eines Torsionsdruckes gesteigert wird.
Durch jede einzelne der aufgeführten äusseren Ursachen kann der Spat herbeigeführt werden, und zwar sehr plötzlich, mit heftigeren Schmerzen beginnend, wenn jene intensiv einwir­ken, aber auch allmählig anfangend und gradatim sich steigernd, wenn sie in schwächerem Grade wirken, aber durch die stetige Wiederkehr die entzündliche Reizung des Kapselbandes unter­halten und steigern. Unter beiderlei Formen kann das beste und kräftigste Sprunggelenk erkranken und in Folge einmaliger oder häufiger Wiederholung jener Ursachen der Spat sich ent­wickeln. Um aber für die häufigste Entstehung des Spats in seiner chronischen Form, wie er meisten Theils bei jüngeren Pferden, zum Theil schon beim Weidegang entsteht, die Begründung zu finden, muss man von den namhaft gemachten äusseren Ein­wirkungen mehr absehen und noch auf eine besondere Anlage des Thieres zurückgreifen.
Um die Anlage des Pferdes zum Spat erkennen und dieErkonnt-niss für die Beurtheilung seines Werthes verwenden zu können, ist man dem Wege meisten Theils nachgegangen, wie auch bei Beurthei­lung der anderen Gelenke, indem man die mechanischen Ein-
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Ein licitriig zur Theorie der Spatkrankheit
richtungen prüfte in Bezug auf allgemeine Leistungsfähigkeit und
Dauerhaftigkeit. Man untersuchte das Sprunggelenk auf die Länge der Hebelarme, um das Maass der aetiven Kräfte zu schätzen, sowie auf die Breite der Flächen und Ausdehnung der Bandver­bindungen, um die Sicherung der Stütz- und Drehpunkte für die Hebelarme festzustellen. In dieser Weise ist man dazu gelangt, einzelne Sprunggelenkformen als schwache zu bezeichnen und hat man versucht, diese schwachen Bildungen mit der Erkrankung an Spat in Beziehung zu setzen. Indessen ist wohl schon jeder Beurtheiler bei diesem Verfahren auf Widersprüche gestossen und hat einsehen müssen, dass bei schwacher Sprunggelenkbildung in angedeutetem Sinne eine grosse Zahl von anderen Sprunggelenkslaquo; fehlem eher zu Stande kommt als grade der Spat, während letz­terer bei Pferden mit mechanisch günstig ausgorüstetem Sprung­gelenk, wider Erwarten, zum Vorschein kommt. Dies eigenthüm-liche Verhalten des Sprunggelenks gegenüber dem gedachten Leiden findet seine Erklärung in dem Umstände, dass die kraft­volle Bildung den Eintritt jener torquirenden Kraft, welche als die nächste Ursache des Spats zu betrachten ist, nicht aussohliesst, wenn auch nicht in Abrede zu stellen ist, dass ein kraftvolles Sprunggelenk ihrer Einwirkung einen grosseren Widerstand zu bieten vermag. Die Entstehung dieser für die Integrität der Ge­lenkkapsel verderblichen Kraft wird nicht durch die Bildungs­verhältnisse des Sprunggelenks, sondern durch seine Stellung und Lage gefördert und besonders durch das Wechsclverhältniss, in welchem die Grrösse und Lage seiner Winkelebene zu der der übrigen Gelenke des Fusses steht.
Die Erfahrung hat gezeigt, dass bei guter Entwickclnng der Kniescheibengelenk-Partie ein schwaches Sprunggelenk, mag es zu kurz oder zu flach sein, zu stark gewinkelt sein oder zu grade stehen, nicht an Spat erkrankt, dass aber gute Sprunggelenke dem Leiden verfallen, wenn das Kniegelenk zu steil steht und mehr oder weniger an die Flanke angedrückt liegt.
Diesem Bildungsfehler liegt hauptsächlich ein zu kurzes Oberschenkelbein zu Grunde. Soll ein kurzer Oberschenkel einen gleich grossen Kaum überschreiten wie ein langer, so muss der Beugungswinkel im Beckengelenk um so grosser sein, daher fällt
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das Kniegelenk mit stärkerer Beugung in den Erdboden ein. Da die Actionen des Sprunggelenks eng an diejenigen des Kniege­lenks gebunden sind, so gelangt auch ersteres stärker gebeugt zur Stützung und muss, um seine Strecklage zu erreichen, eine stärkere Verstellung seiner Rollbeinaclise aasführen. Dadurch ist aber die Gefahr für Entstellung einer Torsion vermehrt.
Aussei' dem Nachtheil, welchen die Kürze des Oberschenkel­beins an sich hat, kommt noch die Lage des Kniegelenks in Be­tracht, welches hiebei stets an die Flanke angedrückt und mit seiner Winkelebene in nicht normaler Richtung liegt. Der Weg, den das Gelenk beim Raumgreifen und bei der Streckung durch­läuft, liegt gradeaus nach vorne, mehr oder weniger parallel zur Mitlelebene des Körpers, während der Weg, den das Sprungge­lenk durchlaufen muss, um so schräger nach aussen gerichtet ist, damit der Stützpunkt für den Huf in der erforderlichen Breite gewonnen wird. In Bahnen, welche gleichgerichtet wie die Beugungsbahnen liegen, müssen die betreffenden Gelenke des stützenden Fusses nunmehr auch ihre Streckung vollführen, so dass bei dieser Bewegung die Richtungen, welche die beiden Ge­lenke durchlaufen, in einem stärkeren Winkel einander schneiden. Je divergenter aber die Ebene des Sprunggelenks zur Haupt­ebene des Fusses steht, um so stärker machen sich die seitlichen Einwirkungen der bewegenden Kraft auf die Stellung der Roll­beinachse geltend, um so intensiver werden alle aus der letzteren entspringenden Bewegungen und feindlichen Einwirkungen auf die Gelenkkapsel hervortreten. Bei einer gut entwickelten Knie­gelenks-Partie ist das untere Ende des Oberschenkels nach aussen gestellt, auch sein Weg nach aussen gerichtet. Deshalb treten hier, selbst bei Anwesenheit eines massigen Sprunggelenks, die berührten Verhältnisse nicht in einer solchen Disharmonie einan­der gegenüber und ist das Sprunggelenk in geringerem Grade den feindlichen Einwirkungen ausgesetzt.
In vielen Fällen ist eine schwache und ungünstig gelegene Oberschenkel - Partie mit einem breiten Becken verbunden, so dass unter den breit von einander gestellten Pfannengelenken die Oberschenkel fast senkrecht stehen. Bei dieser Bauart tritt die Anlage zur Spaterkrankung in noch stärkerem Grade hervor.
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9Gnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ein Beitrag zur Theorie der Spatkrankheit.
Die nächste Folge derselben ist eine schwankende und schwer-ftlllitre Gaiiffweise, weil die Ueberführuna der Last von dem einen stützenden Fuss auf den anderen grössere Excursionen der HüfUrelenke über die stützende Hufflächen erforderlich macht. Hiebei wird die Thätigkeit des Ilinterschenkels auch in einer Weise in Anspruch genommen, dass eine mechanische Dehnung der Gelenkkapsel leicht entsteht. Es muss darauf hingewiesen werden, dass die seitliche, gegen die innere Sprunggelenkfläche wirkende Kraft, welche in der Zeichnung durch die Linie dg repräsentirt wird, eine stärkere Durchbiegung des Sprunggelenks nach innen oder die Anspannung der Gelenkkapsel nur in dem Falle bewirkt, wenn der Fuss dieLast trägt und sich derselben schwer wie­der entledigt. Dagegen wird es zu einer stärkeren Anspannung der Gelenkkapsel gar nicht kommen, wenn der stützende Fuss in einer solchen Lage steht, welche dieUeberfidirung der Last auf den anderen Fuss leicht ausfidirbar macht. Die Seitenkraft kann dann keine stärkere Durchbiegung des Gelenkes erzeugen, sondern nur einen fördern­den Einfluss auf die Entlastung des Fusses üben. Der Fuss ent­lastet sich schneller, bevor die Anspannung der Kapsel höhere Grade erreicht. Hingegen bei einer Bewegungsart mit stärkeren Excur­sionen der oberen Gelenke kann die Wirkung der Seitenkraft auf diese geringe Anspannung der Kapsel nicht beschränkt bleiben. Der Hinterschenkel bleibt hiebei so lange in der Stützung be­griffen, bewegt sich mit Schwerfälligkeit in medialer Richtung, dass die Anspannung und Dehnung der Gelenkkapsel früher ein­tritt als die Entlastung des Fusses erfolgt. Hierin dürfte der Grund zu suchen sein, weshalb der Spat bei Pferden, welche beim Gehen und Laufen mit dem Hintertheil stärkere seitliche Schwankungen ausführen, überhaupt schwerfällig gehen, häufig zum Vorschein kommt. Die grössere Entwickelung des Beckens in der Breite, bei geringer Entwickelung in der Tiefe oder Höhe, ist sehr häufig die nächste Ursache dieser Gangweise, indessen haben noch manche andere Verhältnisse im Bau Beziehung zu derselben, ins­besondere langer Rücken und schwache IN ie ren-Partie, denen man ja auch schon lange einen fördernden Einfluss auf die Entwicke­lung des Spats zugesprochen hat.
Das Sprunggelenk muss also mit seinen häufigen Erkrankungen
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an Spat für die mangelhaften Bildungen bussen, welche der Schenkel in seinen oberen, vielleicht auch seinen unteren Partien, besitzt. Und sieht man die Disposition zum Spat als gegeben an durch die Formation und den Bewegungmodus dos ganzen liin-torschenkels, so findet man auch für die nicht bestreitbare Erb­lichkeit des Leidens eine Erklärung. Denn die Vererbung der Anlage zu einer nicht constitutionellen Erkrankung der kleinen Spmnggelenkknoohen, und zwar nur auf deren innerer Seite, ist für sich kaum verständlich, wohl aber die Vererbung einer com­plexen Körperl'orinatioii, welche jene im Gefolge hat.
Als Anlage zum Spat wird allgemein ein scharf abgesetztes Sprunggelenk, die Spat-Exostose, angesehen und mit Recht beim Ankauf, besonders eines jungen Pferdes, gescheuet. In vielen Füllen tritt die Lahmheit ein, in manchen Fällen aber bleibt sie Jahre lang und das ganze Leben hindurch ans. Stets hat man die Exostose auch bei einem nicht lahmenden Pferde als die Folge geringgradiger Torsionen zu betrachten, bei wel­chen es bis zu einer intensiveren Entzündung der Synovial-haut nicht gekommen ist. Daher hat man bei dem Er­werb eines solchen Pferdes die grösste Vorsicht zu beobachten.
Um für den Einzelfall die Bedeutung der Spat-Exostose zu würdigen, muss man auf die Umstände zurückgehen, unter wel­chen eine Torsion das Sprunggelenk treffen kann. Man hat zu beachten, 'dass letztere als nothwendige Folge einer schlechten Kniegelenkbildung, ohne die Concurrenz stärkerer Anforderungen an den Ilinterfuss, zu Stande kommen kann, andererseits dass sie auch lediglich für sich durch diese erzeugt sein kann, wenn das Pferd in Folge zu anstrengenden Dienstes oder durch sein Tem­perament die entsprechenden Anforderungen empfangen hat. Im ersteren Falle wird die Lahmheit frühzeitig eintreten, sobald die Gelegenheitsursachen durch den Gebrauch vermehrt werden. Es ist. um so mehr Gefahr vorhanden, je weniger anzunehmen ist, dass das Pferd schon Anstrengungen ausgesetzt gewesen ist. Im arideren Falle aber, wo der Oberschenkel günstig gebildet ist, das Dick­bein lang und das Kniegelenk gut nach aussen gerichtet ist, darf angenoinmmen werden, dass die Lahmheit nicht eintreten wird, wenn ein müssiger Gebrauch des Pferdes stattfindet und eine sachkundige
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Ausbildung etwaige Tcinpcramentsfehlei' zu überwinden verstellt. Die Spat-Auftreibung ist in solcliem Falle mehr als ein Scbön-lieifsi'ehloi' anzusehen, auf welchen wohl die alte Hegel gemünzt ist, „wer nicht liebt etwas Spat und Galle, hat nie ein gutes Pferd im Stallequot;. Als Gebrauohspferd leistet ein im llinterschenlcol gut gebauetes Pferd mit der Spat-Abnormität mehr als ein Pferd mit spatfreiem Sprunggelenk, bei welchem die analytische Betrachtung des Oberschenkels undseiner Bewegungen unkräftige Bildungen ergiebt.
Der dargelegte causale Nexus zwischen schwacher Kniege-lenks-Partie und Spat kann vorläufig nur durch das, was die äussere Betrachtung des lebenden Pferdes ergiebt und vielseitige andere Erfahrungen ergeben haben, gestützt werden. Es wäre vielleicht wünschenswerth, dass sie durch exacte Bestimmungen und Messungen über die relative Lage der Winkelebenen am anatomischen Präparat ergänzt würden; aber dazu genügt das sparsame Material, welches sich in einem kleineren Wirkungs­kreise darbietet, nicht, auch sind zur Ausführung genauer Mes­sungen wobl Ilülfsapparate nothwendig, deren Herstellung für die Mittel des Einzelnen zu kostbar sein würden. Soweit aus einer Untersuchung, welche sich auf die Lage von Visirpunkten gründet, geschlossen werden kann, so ergaben sich schon für ge­sunde, spatfreie Sprunggelenke nicht unbedeutende Unterschiede in Betreff der Richtung und Stellung ihrer Bewegungsebenen zu deren der anderen Gelenke. Die nicht parallele Stellung der Achse des Fesselgelenks und des Rollbeins ist am leichtesten an der Achse direct nachweisbar und zwar dadurch, dass man genau in der Richtung der Achsen die Gelenkwalzen durchbohrt und in die Bohrlöcher längere eiserne Stifte einschlägt. Stets findet man, dass der Stift in der Rollbeinacbse eine mehr schräge Lage von innen und vorne nach aussen und hinten als der in dem Fesselgelenk aufweist, aber bei einem Präparat in geringerem bei einem anderen in höherem Grade.
Tn welcher innigen Beziehung die Kreuzung der verschie­denen Gelenkebenen zu dem auf die kleinen Spatknochcn einwir­kenden Torsionsdruck steht, wird sehr anschaulich demonstrirt durch den eigenthümlichen Scbenkelsatz des spatlahmen Pferdes, die breite Stellung im Sprunggelenk in Verbindung mit der Stellung des
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Fesselgelenks nach aussen. Die Stellung wird hier durch das in­stinctive Bemühen dictirt, die Entstehung von Drehbewegungen auf das trerinffste Maass einzuschränken, was durch Einstellen der Winkelebene des Sprunggelenks in die Hauptbewegungs- oder Kraft-Ebene des Schenkels geschieht; anderer Scits durch das Bestreben, für das unumgänglich nöthige Maass jener Bewegungen die günstigsten Ausffthrungsbedingungen herzustellen, was durch Stellung der Fesselbeinachse nach aussen und Erniedrigung der äusseren Ilufwand erreicht wird.
Unter den äusseren Ursachen des Spats muss noch nach­träglich eine allerdings seltene aufgeführt werden, nämlich die Con­tusion der inneren Sprunggelenkfläche. In der Mehrzahl der Fälle wirkt die mechanische Gewalt nicht so mächtig ein, dasa die Gelenkkapsel sich mit entzündet und es bleibt dann bei einer einfachen Auftreibung. Indessen habe ich doch innerhalb quot;25 Jahren zwei Mal Gelegenheit gehabt, die viele Monate andauernde Spat­lahmheit- nach Traumen entstehen zu sehen. Der Umstand, dass die Contusion eines Gelenkes Entzündung und längere Lahmheit erzeugt, wiederholt sich auch bei anderen Gelenken, indessen ist es wohl ein äusserst seltenes Ereigniss, dass in diesen die entzündliche Aufregung sich so lange erhält, dass die Lahmheit so lange dauert, wie beim traumatischen Spat. Namentlich wird die tlussere Fläche des Sprunggelenkes im Bereich der kleinen Knochen überwiegend häufiger von heftigen Ilufschlägen ge­troffen als die innere, und dennoch habe ich noch nie eine so langwierige Lahmheit darnach entstehen sehen wie nach Contusionen der inneren Sprunggelenkfläche. Auch hieraus muss der Schluss gezogen werden, dass aus gewissen Gründon der entzündliche Process an der medialen Umfläohe der Spatknochen nicht zur Ruhe gelangen kann, dass noch andere Reize auf das entzündete Periost und die Gelenkkapsel fortdauernd einwirken, weil ohne solche der überaus chronische Verlauf nicht erklärlich ist. Man ist wohl berechtigt zu dem Schlüsse, dass die andauernde Reizung der Gewebe durch die bei jeder Streckung des belasteten Ge­lenkes eintretenden unmerklichen Bewegungen der Knochen und die Dehnungen der Gelenkkapsel unterhalten wird.
Bei der Behandlung des Spats tritt die Aufgabe bedeut-
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sam in den Vordergrundj lt;lie causale Indication zu erfüllen, den torquirenden Druck vom Knpselbande fern zu halten, da nur dann die Entzündung in demselben zur Ruhe gelangen kann. Alier wohl kaum ist hei irgend einem anderen Gelenke dieser Aufgabe so schwierig Genüge zu leisten als bei dem Sprunggelenk. Aus dem Grunde ist aucli beim Spat die Therapie so häufig' ohne Erfolg und der Krankheitsverlauf ein so langwieriger.
Uei leichteren und neu entstandenen Lahmheiten, für welche die Annahme gestattet ist, dass nur die äussere fibröse Schichte, mit Ausschluss der Synovialhaut, entzündet ist, beobachtet man nach mehrwöchentlicher Buhe und zweckmässigen äusseren Ab-leitungsmitteln zuweilen die Heilung. Hat sich aber eine Syno-vitis etablirt und ist als seeundäre Erscheinung die Erkrankung der Gelenkknorpel und des Knochengewebes eingetreten, so ist ein so schneller Abschluss der Entzündung, ein vollständiger Ausgleich überhaupt nicht mehr zu erwarten. Die Heilung kann nur durch eine Verwachsung des Gelenkes herbeigeführt werden. In allen Fällen erscheint es als die Hauptaufgabe der The­rapie, die kranken Theile, Knochen und Gelenkkapsel in absoluten Ruhezustand zu versetzen, und dies gelingt nicht anders, als wenn man jede Bewegung des Hinterschenkols, d. h. Beugung und Streckung des belasteten oder stützenden Fusses verhindert. Dieser Zweck scheint in keiner anderen Weise zu erreichen zu sein als durch das Einstellen des Pferdes in einen Zwangsstall, welcher jede Bewegung, Hinlegen, Seitwärtstreten u, s. w. verhindert. Der Zwangsstall muss aus glatten starken und abgerundeten Hölzern hergestellt, auch nach hinten durch einen dicken, runden, am besten gepolsterten Balken abgeschlossen sein, so dass das Pferd einer Seits Gelegenheit hat, sich mit der Rückseite der Hinterbacken auf denselben zu stützen, anderer Seits durch ihn verhindert wird, auch nur um die Länge eines Schrittes nach vor- oder rückwärts den Hinterfuss zu bewegen.
Das aufrechte Stehen in einem solchen Stande erträgt die grösste Zahl der Pferde 5—(1 Wochen hindurch ohne jede Be­schwerde und nur in seltenen Fällen wird es nöthig, eine kurze Unterbrechung zur Erholung des Patienten zu machen. Nur mit Hülfe dieses Zwangsstalles ist die Aufgabe einiger Maassen pril-
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eise zu lösen, (He schiUlliclie Einwirkung der Torsion vom Kap­selbande fern zu halten. Zwar wird der kranke Fuss gebeugt und gestreckt, auch belastet, aber weder das Tragen der Last, noch die Beugung und Streckung desselben ist schädlich. Son­dern nur die Streckung, wenn die Last auf dem nach vorwärts gesetzten Fuss nachgeschoben werden soll, erzeugt die nachthei-lige Bewegung in den kleinen Knochen, und grade diese Action wird durch die angegebene Maassregel fast vollständig ver­hindert.
Der Zwangsstall ist deshalb das beste Ilülfsmittel der Radi-calkur. Wenn aber die letztere aus öconoinischen Gründen nicht zur Anwendung gelangen kann und das Pferd im leichten Dienst weiter arbeiten muss, so kann der Uebergang des stützenden Fusses aus der Beuge- in die Strecklage, mithin auch die Ent-steluingsursache rotirendor Bewegungen im Hintenschenkel und den kleinen Spatknochen nicht vermieden werden. Es handelt sich in dem Falle um die Herstellung der Bedingungen, unter welchen der Eintritt eines Torsionsdruckes möglichst vermieden wird, also um Herbeiführung der Verhältnisse, unter welchen die Rollbewegung des Hintersohenkels in der ungehindertsten und und ausgiebigsten Weise vor sich geht. Am besten vollführt der Hinterschenkel diese Bewegung, wenn das Thier auf ebenem, weichem Boden geht und nicht auf holprigem Steinpflaster, schlech­ten Chausseen oder gefrorenen Wegen zu gehen oder zu laufen braucht und ferner, wenn der Huf unbeschlagen bleibt. Muss Beschlag eintreten, so ist die äussere Wand niedriger zu halten als die innere, oder wie die alten Praktiker verlangen „innen ein Stollen, aussen keinerquot;, eine Maassregel, deren Heilsamkeit auf den Gang des spatlahmen Pferdes jedes Mal bei consequenter Durchführung sich bemerkbar macht. Auch nach Beendigung der Radicalkur muss diesen Verhältnissen an der Bodentiäche dos Hufes die gebührende Rücksicht geschenkt werden.
Zu den chirurgischen Eingriffen, welche darauf abzielen, eine Verwachsung der kleinen Spatknochen durch Etablirung einer neuen, activen Entzündung herbeizuführen, ist zu bemerken, dass ich sowohl den feinen Punktbrand, welcher vorsichtig, unter Bei­hülfe von Sondirungen, bis zu der Knochenhaut vordringt, häufig
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Ein Beitrag zur Theorie der Spatliraniiheit.
mit günstigem Erfolg ausgeführt habe, als auch den subeutanon Beinhautsohnitt. Wenn auch der letztere bei seiner ersten Aus-tulmmg durch Sewell mit einer nicht richtigen Tendenz um­kleidet wurde, so dürfte er doch alle die Bedingungen am voll­ständigsten in sich vereinigen, welche man bezüglich einer kräf­tigen, directen Reizung der erkrankten Gewebe mittels des chi-rurgischen Eingriffes stellen kann. Weil auch die Ausführung der subeutanen Methode unter allen Umständen eine gefahrlose bleibt, sodarf man mit der grüssten Rücksichtslosigkeit und Dreistigkeit die Operation durchführen, um den traumatischen Reiz in die unmittelbarste Nähe, wenn nicht an die Gelenkkapsel selbst, her­anzutragen. Drei in der Hautwunde strahlenförmig zusammen laufende Schnitte, mit schmalen gebogenen, recht kräftigen, diok-rückigen Klingen ausgeführt, dringen durch die Fascien, Schleim-beutel u. s. w. bis zum Periost vor. Bei jedem Schnitt wird das Messer, unter Anwendung des stärksten Druckes auf den Rücken, mit seiner gesenkt gehaltenen Spitze in der Gewebs-spalte wie eine Säge mehrfach hin- und hergezogen und in die seichten Furchen zwischen den' erkrankten Knochen möglichst tief eingedrückt, so dass die Gelenkränder gereizt werden, wie bei keinem anderen chirurgischen Eingriff.
Zuweilen wird eine Zwischenknochen Arterie getroffen, so dass erhebliche Blutung entsteht, die aber nach Anlegung eines Druckver­bandes sofort aufhört. Sonstige Nachthoile sind im Gefolge dieser Operationsmethode niemals vorgekommen. Die Hautwunde ist nach 3—4 Tagen vollständig geschlossen, die entzündliche Reaction bleibt ziemlich begrenzt und überschreitet selten die innere Sprunggelenk­fläche, so dass man nach Verlauf von 4—6 Tagen noch eine spanische Fliege rund um das Gelenk appliciren kann. Die Grös^e der zurückbleibenden Exostose ist zuweilen gering, zuweilen bedeu­tender, namentlich bei gemeinen, schwammigen Werden. Aussei' den günstigen Resultaten, welche die Operation bei meinen und anderweitigen Versuchen geliefert hat, ist ihr noch der Vortheil nachzurühmen, dass sie mit keinerlei Narben das Sprunggelenk entstellt und nicht, etwa wie ein Brand, auch den Unkundigen über die Vorgeschichte des Pferdes belehrt.
Ich glaube, dass die voraufgehende Betrachtung der wesent-
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liclien Punkte aus der Symptomatologie, der Entwiokelung und dem Verlauf des Spats im Stande ist, meine oben dargelegte Anschauung über die nächste Ursache der bisher so rftthselhaften und doch so häufigen Krankheit zu stützen. Denn sie war be­sonders in Bezug auf ihre Aetiologie rilthselluift, man konnte sie als eine Distorsion der Gelenkkapsel nicht hinstellen, weil man die Bewegungen nicht kannte, welche unter gewissen Umständen die kleinen Sprunggelenkknochen auszuführen haben und ohne Dehnungen des Kapselbandes nicht vor sich gehen können. Zwar wusste man, und besonders ist es von Prof. Dieckerholin seiner vorzüglichen Arbeit über den Spat hervorgehoben worden, dass die Entzündung der Gelenkkapsel der Mittelpunkt der patho­logisch-anatomischen Veränderungen ist, aber es gelang nicht, sie auch als den Ausgangspunkt aller übrigen Veränderungen hin­zustellen, weil man das auf sie wirkende Irritament nicht kannte.
Als ein besonders dunkler Punkt in der Reihe der Spat-Erscheinungen blieb die Thatsache bestehen, dass der ursprüng­liche Erkrankungsheerd ein so scharf begrenzter und medial ge­legen ist. Diese Erscheinung führte Dleckorhof dazu, den be­nachbart liegenden Schleimbeutel der Endsehne vom Unterschen-kelmuskel als den Ausgangspunkt sämmtlicher pathologischer Processe, die Entzündung in der Gelenkkapsel als eine per con-tinuitatem herüber geleitete zu bezeichnen. Gestützt wird diese Ansicht durch die pathologischen Veränderungen des Schleim-beutels, welche bisher gänzlich übersehen waren und von ge­nanntem Autor zuerst beschrieben sind; anderer Seits wird mit der functionellen Bedeutung jener Endsehne das Symptomen-bild sowie die Aetiologie in Einklang gebracht. Die Möglich­keit, dass die Endsehne durch mechanische Dehnungen erkrankt, ist gewiss häufig genug vorbanden und der Anlass dazu durch die Gebrauchsweise und Bauart des Pferdes vielfach gegeben, ebenso wie die Gelegenheit zu Distorsionen der Gelenkkapsel in der von mir beschriebenen Weise sich häufig darbietet.
Wenn nun die Wahrscheinlichkeit der einen Theorie gegen die der anderen abgewogen werden soll, so liegt die Frage, ab­gesehen von einigen Nebenumständen, einfach so, ob mit mehr Recht und Wahrscheinlichkeit anzunehmen ist, dass die Entziin-
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(lung von der Bursa auf die Gelenkkapsel oder von dieser auf jene herüber geleitet ist, da auch die entzüiulliehcn Erscheinungen in der Bursa consecutive sein können. Das Kapselband steht in Bezug auf physiologische Dignität unzweifelhaft höher und damit auch auf einer höheren Stufe der Krankheitsanlage, als der Sohleimbeutel einer dünnen Sclme. Wenn für jenes auch ein reizendes und krankmachendes Moment namhaft gemacht werden kann, so muss nach Maassgabe der für die Ausbreitung der Störungen gültigen Eegelu das wichtigere Kapselband als der primäre Krankhcitsheerd und die im Sohleimbeutel vorhandenen entzündlichen Veränderungen als seeundäre betrachtet werden. Damit wäre also auch der Bursitia gegenüber die Entzündung der Gelenkkapsel in den Mittelpunkt der anatomischen Verände­rungen des Spats getreten, der letztere als eine Distorsion der unteren Abtheilung des Sprunggelenks zu betrachten.
Die Entscheidung darüber, ob die Eigenthümlichkeiten in der Entwiokelung und im Verlauf des Spats sowie auch in seinen äusseren Erscheinungen sich besser der einen oder der anderen Theorie einreihen lassen, will ich competenten Urtheilern über­lassen.
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