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PFERDESTAÜPE.
Eine Monographie
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nach eigene u Beobachtungen
W. IMeckerhoff,
Professor und Dirigenten dor Klinik für Pferdekrankhelten an der Königllchon Thicrarzaei-Schale
zu Berlin; ordenilichem Mitglied der technischen Deputation für das Veterinärwesen und
Departements-Thierarzt.
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Berlin 1882.
Verlag von August Hirsch w aid.
NW. Unter den Linden No. 68.
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BIBLIOTHEEK UNIVERSITEIT UTRECHT
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PFERDESTAUPE.
Eine Monographie
nach eigenen Beobaclitungen
W. Dieckerhoff,
Professor und Dirigenten der Klinik für Pferdekrankheiten anquot;lt;ier Königliclren Thicrannei-Schule
zu Berlin; ordentlichen] Mitglied der technischen Deputation für das Veterinänvesen und
Departeinents-Thierarzt.
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Berlin 1882.
Verlag von August Hirsch w .aid.
NW. Unter den Linden No. (18.
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Alle Rechte vorbehalten.
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Dem
Königlich Preussischen Wirklichen Geheimen Ober-
Regierungs-Rath und Ministerial-Director im Ministerium
für Landwirthschaft, Domänen und Forsten,
Vorsitzenden der Königlichen Technischen Deputation für das Veterinärwesen
Herrn Eduard Marcard
in dankbarer Anerkennung seiner Verdienste um die Förderung des Veterinärwesens
gewidmet
vom
Verfasser.
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Vorwort.
K
um wird sich ein zweiler Gegenstaiul aus der klinischen Tliier-
arzneikunde bezeichnen lassen, bei welchem so viele Missverständ­nisse obwalten, als bei der Benrtheilung der unter dem Namen der „Influenzaquot; zusammengefassten Pferdekrankheiten. Zur Auf­klärung derselben durch eine literarische Arbeit mitzuwirken, ist längst meine Absicht gewesen. Dass die „Influenza der Pferdequot;, wie sie in der Literatur dargestellt ist, sich nicht auf eine noso-logische Einheit zurückführen lässt, hahe ich seit Jahren gelehrt. Auch war ich nicht zweifelhaft darüber, dass hierbei vor Allem zwei in ihrem Wesen verschiedene Seuchekrankheiten — die „Brust­seuchequot; und die „Pferdestaupequot; — in Betracht kommen. Nichts­destoweniger erschien mir das thatsächliche Material, über welches ich früher verfügte, nicht ausreichend zu einer wissenschaftlichen Abhandlung über die Pferdestaupe. Denn auf die umfassende Dar­stellung dieser Seuche musste ich ein besonderes Gewicht legen, weil die Brustseuche den Thierärzten besser bekannt ist.
Während der letzten 5 Monate hatte ich eine reiche Gelegen­heit, über die Pferdestaupe selbständige Beobachtungen und Unter­suchungen zu machen. Die Resultate meiner Studien sind in dieser Abhandlung niedergelegt worden. Ich war bemüht, die Bearbeitung des Gegenstandes unter dem Gesichtspunkt durchzuführen, dass alle Einzelheiten der Seuche und insbesondere auch ihre Ver­schiedenheit von anderen Pferdekrankheiten der Erkenntniss der Thierärzte zugänglich gemacht werden sollten. Dass ich in dem Abschnitt über die Diagnose die Brustseuche der Pferde eingehen­der, als andere Krankheiten besprochen habe, schien mir sachlich
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begründet und opportun zu sein.
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VI
Um diejenigen Thierärzte, welche die Pferdestaupe noch nicht selbst gesehen und behandelt haben, über die Gefahren der Krank­heit zu belehren, habe ich im dritten Capitel des Buches die Krankheitsgeschichten von 10 besonders ausgewählten Fällen in extenso mitgetheilt. Ich hatte hierbei zugleich die Absicht, that-sächliche Belege für die Richtigkeit meiner Auffassung von der Natur der Seuche beizubringen. Da die wissenschaftliche Bedeutung dieser Krankheitsfälle im zweiten Capitel des Buches kritisch ge­würdigt ist, so habe ich — um Wiederholungen zu vermeiden — die Schlussbetrachtung bei jeder Krankheitsgeschichte auf wenige Bemerkungen beschränkt.
Berlin, den 1. November 1881.
Dieckerlioff.
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Inhaltsverzeichniss.
Seite
Erstes Capitel. Einleitung.
Historisch-kritische Bemerkungen über:
a.nbsp; nbsp;Die Jaswa oder sibirische Beulenseuche der Pferde........nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1
b.nbsp; Die afrikanische Pferdepest..................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2
c.nbsp; nbsp;Die Brustseuche der Pferde. Influenza pectoralis Kq. Influenza in-flammatoria Eq. Pleuro-Pneumonia contagiosa Eq.........nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 5
d.nbsp; Die Pferdestaupe. Febris catarrhalis epidemica Eq. Influenza erysi-pelatosa Eq.......................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;g
Zweites Capitel. Pathologie und Therapie der Pferdestaupe.
A.nbsp; Pathogenese............nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;19
Krankhafte Zustände :
1)nbsp; Am Blut......................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;20
2)nbsp; An den nervösen Centralorganen...............nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 22
3)nbsp; Am Herzen.....................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 23
4)nbsp; An den Augen...................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 24
5)nbsp; An der Respirationsschleimhaut...............nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 25
6)nbsp; An den Lungen und der Pleura................nbsp; nbsp; nbsp; 25
7)nbsp; An der Digestionsschleimhaut und am Peritoneum........nbsp; nbsp; nbsp; 26
8)nbsp; An der Leber....................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 27
9)nbsp; Am Unterhautgewebe.................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 28
10)nbsp; An der Musculatur.................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 28
11)nbsp; An den Nieren....................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;28
B.nbsp; nbsp;Symptome.
1)nbsp; Fieber......................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;29
2)nbsp; Störung des Bewusstseins................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3q
3)nbsp; Störungen im Bereiche der Circulationsorgane..........nbsp; nbsp; nbsp; 31
4)nbsp; Störungen im Bereiche der Respirationsorgane......... .nbsp; nbsp; nbsp; 32
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Seite
5)nbsp; Affection der Augen......................nbsp; nbsp; nbsp; 33
6)nbsp; Störungen im Bereiche des Digestionsapparats..........nbsp; nbsp; nbsp; 34
7)nbsp; Störungen im Bereiche des Harnapparats............nbsp; nbsp; nbsp; 34
8)nbsp; Affection der Skeletmusculatur.................nbsp; nbsp; nbsp; 36
9)nbsp; Affection der äusseren Haut..................nbsp; nbsp; nbsp; 36
C. Verlauf und Ausgang.
a.nbsp; nbsp;Rege [massiger Verlauf.....................nbsp; nbsp; nbsp; 37
b.nbsp; nbsp;Unregelmässiger Verlauf....................nbsp; nbsp; nbsp; 41
c.nbsp; nbsp;Tödtlicher Ausgang......................nbsp; nbsp; nbsp; 48
d.nbsp; Complicationen und Nachkrankheiten..............nbsp; nbsp; nbsp; 45
1)nbsp; Durchfall......................nbsp; nbsp; nbsp; 45
2)nbsp; Mastdarmkatarrh...................nbsp; nbsp; nbsp; 47
3)nbsp; Broncho-Pneumonie.................nbsp; nbsp; nbsp; 48
4)nbsp; Rhehe.......................nbsp; nbsp; nbsp; 49
5)nbsp; Kreuzlälunung....................nbsp; nbsp; nbsp; 50
6)nbsp; Multiple Abscessbildung in der Haut..........nbsp; nbsp; nbsp; 51
7)nbsp; Urticaria......................nbsp; nbsp; nbsp; 51
D. Gontagium.
a.nbsp; nbsp;Entstehung.........................nbsp; nbsp; nbsp; 52
b.nbsp; Vehikel und Verbreitungswege.................nbsp; nbsp; nbsp; 56
c.nbsp; nbsp;Emxifangliohkeit.......................nbsp; nbsp; nbsp; 59
rl. Intensität..........................nbsp; nbsp; nbsp; 62
e. Inkubationszeit........................nbsp; nbsp; nbsp; 64
f.nbsp; nbsp;[mpfungsversuebe.......................nbsp; nbsp; nbsp; 65
Gesammtergebniss der Impfungsvorsuche..........nbsp; nbsp; nbsp; 79
g.nbsp; Theorie des Contagiuras und seiner Wirkung...........nbsp; nbsp; nbsp; 80
E. Diagnose.
Charakteristik einiger Pferdekrankheiten im Gegensatz zur Pferdestaupe:
a.nbsp; nbsp; Einfacher Katarrh der Nasenschleimhaut. Catarrhus nasalis simplexnbsp; nbsp; nbsp; 91
b.nbsp; nbsp; Einfiioher Schlundkopfkatarrh. Pharyngitis superfioialis simplex . .nbsp; nbsp; nbsp; 91
c.nbsp; nbsp;Einfacher Kehlkopfkatarrh. Catarrhus laryngealis simplex. Laryngitis acuta. Angina simplex....................nbsp; nbsp; nbsp; 92
d.nbsp; nbsp;Acutcr Bronchialkatarrh. Bronchitis acuta...........nbsp; nbsp; nbsp; 92
e.nbsp; nbsp;Druse. Coryza Equorum...................nbsp; nbsp; nbsp; 93
f.nbsp; nbsp;Acute Broncho-Pneumonie. Broncho-Pneumonia acuta. Pneumonia catarrhalis. Broncho-Pneumonia multiplex ....'#9632;.......nbsp; nbsp; nbsp; 93
g.nbsp; nbsp; Leichte fieberhafte Affectionen, bei -welchen sich eine Organkrankheit nicht deutlich ausspricht — Reizflcbor; Erkältungsfieber. Febris irri-tativa. Fcbricula. Ephemera.................nbsp; nbsp; nbsp; 94
h. Einfache Gastrose. Gastrosis simplex. Status gastricus. Indigestionbsp; nbsp; nbsp;95
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IX
Seite
i. Fieberhafte Gastrose. Gastrosis febrilis. Catarrhus intestinalis
febrilis...........................nbsp; nbsp; nbsp; 95
k. Infectiöser Magen - Darmkatarrh. Catarrhus intestinalis infectiosus.
Gastro-Eriteriris infectiosa...................nbsp; nbsp; nbsp; 90
1. Wund-Infectionskrankhelten — Wundfieber: acute Blutvergittung:
Sephthämie; Ichorrhämie...................nbsp; nbsp; nbsp; 97
m. Rotz. Maliasmus. Morbus malleus et faroimiuosus........nbsp; nbsp; nbsp; 97
n. Dummkoller. Hydrocephalus chronicus Equorum........nbsp; nbsp; nbsp; 99
o. Blutlleckeiikrankheit der Pferde. Morbus maculosus Equorum. Typhus
equinus. Febris putrida...................nbsp; nbsp; nbsp;100
p. Brustseuche der Pferde. Influenza pectoralis. Influenza pleuritica.
Pleuro-Pneumonia contagiosa Equorum.............nbsp; nbsp; nbsp;103
F. Therapie.
a.nbsp; Curative Behandlung.....................nbsp; nbsp; 114
1)nbsp; Behandlung der Blutdyskrasie und der Fieberhitze ...nbsp; nbsp; nbsp;115
2)nbsp; Behandlung der parenchymatösen Myocarditis......nbsp; nbsp; nbsp;117
3)nbsp; Behandlung der Gehirncongestion...........nbsp; nbsp; nbsp;117
4)nbsp; Behandlung des Magen-Darmkatarrhs.........nbsp; nbsp; nbsp;118
5)nbsp; Behandlung der erysipelatösen Anschwellungen in der Haut.......................nbsp; nbsp; nbsp;118
6)nbsp; nbsp;Behandlung der Conjunctivitis............nbsp; nbsp; 118
7)nbsp; Behandlung des Durchfalls..............nbsp; nbsp; 119
8)nbsp; Behandlung der Bronoho-Pnoumonie..........nbsp; nbsp; nbsp;120
9)nbsp; Behandlung der Rhehe...............nbsp; nbsp; 121
10) Behandlung der multiplen Abscessbildung in der Haut .nbsp; nbsp; nbsp;122
b.nbsp; Prophylaxis.........................nbsp; nbsp; 122
Drittes Capitel. Casuistik der Pferde stäupe.
I. Schwere Erkrankung. Diffuse Anschwellung der Haut an den Glied­massen. Protrahirter Verlauf. Genesung...........125
II. Erkrankung in mittlerem Grade. Starke Depression der Hirn-
funetionen. Protrahirter Verlauf. Genesung.........128
III.nbsp; Complication mit Halsbräune. Verzögerte Reconvalescenz. Ge­nesung ..........................131
IV.nbsp; Complication mit beiderseitiger Broncho-Pneumonie. Protrahirter Verlauf. Recidiv in der Reconvalescenz. Genesung......133
V. Hochgradige Erkrankung. Complication mit Rhehe. Tod durch
Herzparalyse am fünften Krankheitstage............139
VI. Hochgradige Erkrankung. Tod am vierten Krankheitstage durch
Herzparalyse........................14G
VII. Schwere Affection. Hochgradige Depression des Bewusstseins. Tod
durch Gehirnlähmung am fünften Krankheitstage........151
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X
Seite quot;VIII. Complication rait starkem Mastdarmkatarrh und Broncho-Pneumonio.
Protrahirter Verlauf. Genesung...............158
IX. Schwere Affection mit verzögertem Verlauf und Nachkrankheiten. Anhaltender Durchfall. Emphysema septicura universale. Multiple Broncho - Pneumonie mit conseoutiver Lungengangriin. Exitus
letalis..........................162
X. Schwere Erkrankung. Nierenblutung als Nachkrankheit. Verstopfung beider Ureteren durch Blutgerinnsel. Exitus letalis unter den Er­scheinungen der Uraemie..................172
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:
Erstes Capitel.
Einleitung.
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on den ansteckenden Krankheiten des Pferdes sind einige durch die starke Ausprägung eines epidemischen Charakters besonders ausgezeichnet. Dieselben haben bei ihrem Auftreten zu allen Zeiten ein allgemeines Interesse gefunden. Ihre Eigenthümlichkeiten sind aber bis jetzt noch nicht vollständig und namentlich nicht mit der wünscbenswerthen Schärfe festgestellt worden. Mehrere epidemische Pferdekrankbeiten, welche nach literarischen Mittheilungen in Amerika und im südlichen Afrika zuweilen herrschen, lassen sich nach den äusserst dürftigen Angaben der Berichterstatter nicht näher beur-theilen, so dass ich es mir versagen muss, an dieser Stelle eine Meinung über ihre pathologische Natur auszusprechen. Bekannter sind die in 'der alten Welt auftretenden Epidemien des Pferdes, von welchen folgende vier Seuchekrankheiten das meiste Interesse beanspruchen.
a. Die Jaswa oder sibirische Beulenseuche der Pferde.
Während der Sommermonate herrscht die Jaswa in den Niede­rungsgegenden des asiatischen Russlands und zuweilen auch im europäischen Russland. Sie ist aber bisher noch niemals in das westliche Europa eingedrungen. Nach der Meinung ausgezeichneter russischer Veterinäre (Jessen, Haupt, Unterberger) soll die sibirische Jaswa eine Form des Milzbrandes sein, die sich über weite Gebiete auf Pferde und Rinder verbreitet, während die übrigen Hausthiere angeblich von derselben nicht befallen werden und der Mensch nur durch Ansteckung in der Form der Pustula maligna an der Affection erkrankt. Im westlichen Europa, in welchem der Milzbrand als eine endemische Krankheit der pflanzenfressenden
Di eckerhoff, Die Pferdestaupe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1
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Thiere recht häufig ist, wird eine solche Anthraxform der Pferde nicht beobachtet. Es erscheint deshalb wünschenswerth, dass die russischen Fachmänner neue Untersuchungen mit experimentellen Studien über die Jaswa der Pferde anstellen und die Pathologie derselben zweifellos feststellen möchten.
b. Die afrikanische Pferdepest.
Schon in den fragmentarischen Ueberlieferungen der griechischen Pferdeärzte aus dem 4. Jahrhundert wird einer perniciösen Pferde­seuche gedacht. Die Hippiater nannten die Krankheit schlechtweg o lotfidg (auch ij Xoiftrj und ^ Aoipa), Seuche, Pest. Leontius u. A. erkannten ihre grosse Ansteckungsfähigkeit und empfahlen deshalb, die gesunden Pferde von den kranken abzusondern. Hin­sichtlich der Symptome und des Krankheitsverlaufs findet sich keine nähere Angabe in den Briefen der griechischen Hippiater. Der bedeutendste von den letzteren, Apsyrtus, hat sogar von der Xoi(itj nichts erwähnt. Dagegen gedenkt er unter der Bezeich­nung „Fieber (nvqexog) der Pferdequot; einer allgemein auftretenden Krankheit, deren Vorkommen auch Vegetius in seinen Büchern über die Thierarzneikunde des Alterthums erwähnt hat. Wahr­scheinlich ist im Alterthum zum „Fieber der Pferdequot; auch die Pferdestaupe gerechnet worden.
Dass die afrikanische Pferdepest vom 4. bis zum 19. Jahr­hundert in Egypten oder in anderen Ländern geherrscht hat, lässt sich nach literarischen Quellen nicht mit Sicherheit constatiren. Die römischen Schriftsteller sprechen mehrfach von pestartigen Krankheiten, von welchen sowohl die Menschen, als die Thiere befallen und zum grossen Theil vernichtet sein sollen. Es ist indess nicht möglich, die Eigenthümlichkeiten dieser Krankheiten, welche auch die Pferde eines ganzen Landes hinweggerafft haben sollen, diagnostisch festzustellen. Selbst in den späteren Jahr­hunderten haben die Chronisten nur angeführt, dass von Zeit zu Zeit bösartige Epidemien unter den Pferden aufgetreten sind. Im Jahre 791 soll Karl der Grosse einen Feldzug gegen, die Hunnen deshalb haben aufgeben müssen, weil bei seinem Marsche durch Oesterreich eine so heftige Pferdeseuche (tanta equomm hies) aus­brach, dass von vielen tausenden Pferden kaum der zehnte Theil übrig geblieben sein soll (cfr. Heusinger, Rech, de Path. comp.).
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Inwieweit diese Mittheilung der Wahrheit entspricht, lässt sich nicht entscheiden. Genauer wurde die afrikanische Pferdepest erst im Jahre 1876 bekannt, als sie in den Küstenländern des rothen Meeres, besonders in Abessynien und Egypten grassirte und durch ihren ausserordentlich perniciösen Charakter das weiteste Interesse erregte. Ueber den Verlauf der Seuche in Egypten geben mehrere Publicationen Aufschluss, welche sich in der Broschüre von Apo-stolides1) verzeichnet finden. Ich verweise ausserdem auf die Referate Bellinger's in Virchow-Hirsch, Jahresbericht pro 1876 und 1877. Allgemein wird als erwiesen angenommen, dass die Krankheit aus Abessynien nach Egypten in Folge des zwischen den beiden Staaten geführten Krieges verschleppt war. Nach einem Citat beiApostolides hat der Oberthierarzt der englischen Armee Hellen berichtet, dass die Seuche in den Niederungs­gegenden Abessyniens endemisch auftrete und dort unter dem Namen der afrikanischen Pferdepest bekannt sei. Auch soll nach derselben Quelle während des Krieges, welchen England 1868 gegen Abessynien führte, die nämliche Seuche dort beobachtet sein. Unter den Pferden, Eseln und Mauleseln der egyptischen Armee kam die Seuche im Juni und Juli 1876 zum Ausbruch. Mit der Rückkehr des Heeres gelangte sie alsbald in die Gegend von Kairo. Die statistischen Mittheilungen der egyptischen Sanitätscommission sind nicht vollständig. Vom 24. August bis 14. November starben in der Stadt Kairo an der Seuche 2414 Pferde, 160 Esel und 507 Maul-thiere; in der Umgegend von Kairo 1012 Pferde, 79 Esel und 214 Maulthiere; in der Armee von Kairo 1877 Pferde. Von dem gesammten Pferdebestande des Militärs gingen 86 pCt. und von den Pferden der Stadt Kairo 76 pCt. zu Grunde. Apostolides giebt an, dass sämmtliche Pferde, welche erkrankten, gestorben seien. In ganz Kairo sollen nur 4 Pferde genesen sein. Die Seuche befiel nur die Einhufer, während alle übrigen Hausthier-arten verschont blieben. Bei den verschiedensten Racen der Pferde war die Empfänglichkeit für das Contagium und der Grad der Erkrankung gleich. Auch die Haltung und der Nährzustand der Pferde hatten auf die Heftigkeit der Affection keinen Einfluss. In der Beurtheilung der Krankheit sind die egyptischen Sachverstän-
l) Meningite cerebro-spinale epidemique du Cheyal. Observe'e en Egypte en 1876 par le Docteur B. Apostolides.' Alexandrle 1880.
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digen nicht gleicher Meinung. Einige erklären dieselbe (unzweifel­haft irrthümlich) für eine Form des Milzbrandes. Dieser Ansicht ist die medicinische Commission in Kairo beigetreten. Abbate-Bey, welcher sie auch zu den anthraxartigen Krankheiten rechnet, vergleicht sie mit einer Vergiftung durch Kohlenoxydgas. Andere bezeichnen sie als eine Art des Typhus der Pferde (Typhus equinus). Apostolides glaubt, dass sie ihrem Charakter nach eine epide­mische Cerebro-Spinalmeningitis darstelle.
Als Symptome der Krankheit haben die egyptischen Schrift­steller Folgendes angegeben: Temperaturerhöhung bis zu 41,0deg; C. und darüber, Beschleunigung des Pulses bis zu 80, selbst 100 und mehr Schlägen in der Minute, vollständiges Aufhören der Futter­aufnahme, gesenkte Haltung des Kopfes, Depression der psychischen Thätigkeit, Verfall der Kräfte und unsichere Bewegungen, Schwellung der Augenlider, gelblich rotlie Injection und Petechien der Con­junctiva, Abfluss von schleimigem und eitrigem Secret aus den Augen, vermehrte Wärme und Anschwellung der Zunge, hämor-rhagisciie Herde an den Rändern der Zunge, Zuckungen der Schulter-nnd Schenkelmuskeln. Demnächst allgemeiner Collaps mit Ab­kühlung der Haut, besonders an der Nase, kurzes und beschleunigtes Athmen mit abdominalem Typus, kleiner, kaum fühlbarer Puls. Lähmung des Schlundkopfes und in Folge dessen Unvermögen zu schlucken, grosse Schwäche, Aufstützen des Kopfes und unvoll­ständige Lähmung des Hintertheils. Manche Thiere verendeten gleich, nachdem die Krankheit erkennbar hervorgetreten war. Bei vielen trat der Tod nach einer sechsstündigen Krankheitsdauer ein. Andere Pferde starben am zweiten bis dritten Tage. — Bei der Section fanden sich Ecchymosen von verschiedener Grosse auf den Schleim- und serösen Häuten; Anfüllung der Lungen mit schwarzem Blut; in den Bronchien eine schaumige Flüssigkeit; Pleura normal; Herzmuskel degenerirt; Milz und Leber normal; Nieren hyper-ämisch und zuweilen mit Ecchymosen besetzt; Gehirn und Rücken­mark im Zustande der Congestion. — Die Untersuchung des Blutes auf Bacterien hatte ein negatives Resultat.
Diese Symptome und Sectionsdata, deren UnVollständigkeit ich übrigens nicht verkenne, haben eine frappante Aehnlichkeit mit dem Krankheitsbilde derjenigen Fälle von Pferdestaupe, welche sich durch eine hochgradige Aifection kennzeichnen. Auch die Angabe, dass die Seuche in der Gegend von Kairo nach 3 Monaten wieder
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aufgehört habe, obwohl noch viele nicht angesteckte Pferde vor­handen waren, passt zu dem Verlauf der Pferdestaupe. Trotzdem wage ich nicht, beide Seuchen zu identificiren. Denn die Pferde­staupe hat, so weit es auf ihren Charakter als Seuche ankommt, in Europa immer einen viel milderen Verlauf, und es ist stets nur ein kleiner Theil von den in einem grösseren Gebiet an der Seuche erkrankten Pferden zu Grunde gegangen. Ob ein ontologi-scher Zusammenhang zwischen der afrikanischen Pferdepest, und der Pferdestaupe existirt, werden erst-weitere und genauere Beob­achtungen ergeben können. Ich halte es indess nicht für unmög­lich, dass unter dem Einfluss eines tropischen Klimas die Heftig­keit der Erkrankung erheblich grosser sein und dass aus diesem .Grunde die Pferdestaupe in Egypten einen so mörderischen Verlauf genommen haben kann, dass nur wenige der afficirten Pferde übrig blieben. Hiermit könnte eine Bemerkung von Apostolides in Verbindung gebracht werden, nach welcher die Sterblichkeit der Pferde in der Nähe der Wüste sehr gross war, sich in der Rich­tung nach den Küsten des mittelländischen Meeres aber allmälig verringerte.
c. Die Brustseuche der Pferde.
Influenza pectoralis Equorum. Influenza inflammatoria Equorum. Pleuro-Pneumonia contagiosa Equorum.
Erst im gegenwärtigen Jahrhundert ist die hier gemeinte Seuche genauer bekannt geworden. Von den deutschen Thierärzten wird sie allgemein als „Influenza der Pferdequot; bezeichnet. Sie ist dem Wesen nach eine contagiöse Pleuro-Pneumonie. Symptome und Sectionsbefunde stehen der fibrinösen (croupösen) Pneumonie des Menschen und der Lungenseuche des Rindes vollkommen parallel. Die Ansteckungsfähigkeit ist bei dieser Pferdeseuche ebenso leicht zu constatiren, wie bei der Lungenseuche des Rindes. Am meisten werden von derselben die grossen Pferdebestände verkehrreicher Städte und der Armee heimgesucht. Es vergeht fast kein Jahr, in welchem die Brustseuche nicht an vielen Orten Deutschlands bald mehr vereinzelt, bald in einer grösseren Zahl von Krankheits­fällen unter den Pferden beobachtet würde. Ihre Verbreitung wird sehr oft durch den lebhaften Verkehr mit Pferden begünstigt. Ob sie sich nur als eine Contagion erhält, oder ob sie zuweilen auch
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aus einem in den Ställen sich bildenden Infectionsstoff originär entsteht, lässt sich mit Sicherheit nicht entscheiden. Manche Beobachtungen, die besonders bei den Militärpferden gemacht worden sind, sprechen dafür, dass eine genuine Entwickelung möglich ist. Mehrfach wird deshalb die Brastseuche als eine miasmatisch-con-tagiöse Krankheit angesehen. Indess bleibt hierbei der Einwand zu berücksichtigen, dass trotz aller Desinfectionsmassnahmen keim­fähiges Contagium in den Ställen oder ihrer Umgebung erhalten und unter der Mitwirkung von Gelegenheitsursachen, die in Schäd­lichkeiten der Athmungsluft bestehen mögen, auf gesunde Pferde wirksam übertragen werden kann. Denn es ist eine wohl con-statirte Thatsache, dass unter den in ländlichen Wirthschaften gehaltenen Pferden die Brustseuche nur selten auftritt, und dass in solchen Fällen fast jedesmal durch eine umsichtige Anamnese die Einschleppung des Krankheitsstoffes zu ermitteln ist.
In der deutschen Literatur ist der Name „ Brustseuchequot; ur­sprünglich (1805) für die Pferdestaupe gebraucht, gleich darauf aber, und bis in die neueste Zeit sowohl auf diese Seuche, als auf die contagiöse Pleuro-Pneumonie angewendet worden. Beide Affec-tionen sollten einen gemeinsamen ursächlichen Untergrund haben und nur in der Form ihres Auftretens verschieden sein. Der in diesem, vermeintlich grossen Umfange auftretenden Pferdeseuche wurde an Stelle des Ausdrucks „Brustseuchequot; mit besonderer Vor­liebe der Name „Influenza der Pferdequot; beigelegt. Der Irrthum in der Zusammenstellung beider Affectionen wird einigermassen da­durch entschuldigt, dass — wie aus der Literatur ersichtlich ist und wie ich selbst im Jahre 1871 beobachtet habe — neben der alljährlich vorkommenden Pleuro-Pneumonie der Pferde zeitweise auch die Pferdestaupe geherrscht hat. Mehrfach ist ausserdem die mit der Pferdestaupe oft verbundene Athmungsfrequenz unrichtig gedeutet und von einer exsudativen Pleuro-Pneumonie abhängig gedacht worden. Es lag daher nahe, nach den vor mehreren Jahr­zehnten auf die Spitze getriebenen humoral-pathologischen Lehren beide Krankheiten auf ein gemeinsames Grundprincip zurückzu­führen. Hierzu kommt, dass der „Influenzaquot; in Folge, einer unge­nauen Diagnostik sehr oft noch mehrere andere Krankheiten der Pferde, namentlich die einfachen Katarrhe der Respirationsschleim­haut, die sporadischen Arten der Pneumonie und die infectiösen Magen-Darmkatarrhe beigezählt wurden. Diese Irrthümer erklären
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die Aufstellung einer buntscheckigen Musterkarte voi; allen mög­lichen Formen, welche die Influenza der Pferde nach dem angeb­lichen Vorwalten eines künstlich construirten Genius epidemicus sollte annehmen können. Die Monographien über die „Influenza der Pferdequot;, sowie die Handbücher der Veterinär-Pathologie und der Thierseuchen-Lehre aus den letzten Jahrzehnten lassen den mit den Thatsachen einigermassen vertrauten Fachmann die gegen­wärtig noch bestehende Verwirrung leicht erkennen. Nicht zum geringsten Theil ist das Verständniss dadurch erschwert worden, dass die Zusammengehörigkeit der zu verschiedenen Zeiten beob­achteten einzelnen Invasionen der Pferdestaupe nicht erkannt wurde. In Folge dessen haben die thierärztlichen Autoren unter verschie­denen Namen (russische Seuche, amerikanische Seuche, Influenza, Nervenfieber, Typhus oder Typhoid der Pferde etc.) mehrere an­geblich eigenartige Krankheitsformen beschrieben, welche der Pferde­staupe angehören. Einen erheblichen Antheil an dem Missverständ-niss hat ferner der umstand, dass in der neueren französischen, zum Theil auch in der deutschen Literatur für die Pferdestaupe vorwaltend der Name „Typhusquot; oder „Typhoidquot; der Pferde benutzt und dass die Brustseuche oder ansteckende Lungen-Brustfellent­zündung auch mehrfach als eine typhöse Krankheit gedeutet wurde. Hierdurch entstand die Meinung, dass beide Krankheiten sowohl unter sich, als mit anderen, freilich in ebenso ungeeigneter Weise, als typhöse oder typhoide bezeichneten Pferdekrankheiten identisch oder verwandt seien. In der englischen Literatur bezeichnet man die Pferdestaupe als Influenza, während die Lungen-Brustfellentzündung der Pferde diesen Namen nicht führt. Mit der englischen Auffas­sung einigermassen übereinstimmend sprach Haubner vor zwanzig Jahren den Wunsch aus, dass die Pleuro-Pneumonic der Pferde nicht mehr als Influenza benannt werden möchte. Er hat mit diesem Vorschlage die Zustimmung der Thierärzte nicht gefunden. Gegenüber der Gewohnheit, welche sich in diesem Betracht bei den deutschen Thierärzten und Pferdebesitzern eingebürgert hat, ist auch keine Aussicht vorhanden, dass ein solcher Vorschlag jetzt günstiger aufgenommen werden möchte. Ich bin deshalb der Ansicht, dass es den deutschen Thierärzten leichter sein wird, für die fraglichen beiden Krankheiten in erster Linie deutsche Namen zu verwenden und die Bezeichnung „Brustseuchequot; auf die conta-giöse Pleuro-Pneumonic zu beschränken, dagegen für die andere
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Seuche den von mir gewählten Ausdruck der „Pferdestaupequot; an­zunehmen.
d. Die Pferdestaupe.
Febris catarrhalis epidemica Equorum. Influenza erysipelatosa
Equorum.
Abgesehen von der Rotzkrankheit kommt bei den Pferden keine ansteckende Krankheit vor, welche für die westeuropäischen Staaten eine so allgemeine Bedeutung hätte, als die hier gemeinte Seuche. Wie ich bereits angedeutet habe, ist dieselbe seit dem Alterthum bekannt und unter verschiedenen Namen in der Lite­ratur erwähnt worden. Von den durch die Chronisten des Mittel­alters summarisch vermerkten Pferdeseuchen, deren Identificirung mit einer bestimmten Krankheitsart immer etwas Willkürliches an sich tragen wird, sehe ich hier ab. Es würde mich auch für den Zweck dieser Arbeit zu weit führen, wenn ich eine vollständige Geschichte von der Pferdestaupe und ihrer Literatur kritisch dar­stellen wollte. Indem ich in dieser Hinsicht auf Heusinger (Rech, de Path. comp. 1845), der die wichtigsten historischen Daten der älteren Zeit zusammengestellt hat, verweise, beschränke ich mich auf folgende Angaben, aus welchen die national-ökonomische Bedeutung der Krankheit ersehen werden kann.
Eine zweimalige Invasion der Seuche in Italien und speciell in das römische Gebiet 1301 und-1310 hat Laurentius Rusius beobachtet, welcher die beiden Namen „Fieberquot; und „Bräune der Pferdequot; für dieselbe gebraucht. Im Jahre 1648 erlangte die Seuche eine weite Verbreitung in Deutschland. Von 1711 —1712 überzog sie fast das ganze festländische Europa. Der berühmte schlesische Arzt und Epidemiograph Kanold meinte, dass sie mit der damals gleichzeitig allgemein herrschenden Rinderpest identisch oder aus derselben hervorgegangen sei. Von Lanzisi, welcher das Auf­treten der Krankheit im Römischen und Neapolitanischen 1712 hervorhob, wurde die Seuche schlechtweg „epidemia equorumquot; benannt. England war vom September bis November -1732 heim­gesucht. Dieser Invasion erwähnt Huxham, welcher die Seuche „morbus epidemicus inter equosquot; und „lue-s equinnquot; benennt. Eine ausführliche Darstellung der Krankheit und ihres Verlaufes in England verfasste der Thierarzt Gibson. Allgemein herrschte
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die Seuche in England wiederum von 1766—1767, in Nordamerika 1768. In den Jahren 1776 und 1777 erschien sie in Oberitalien. Einer damals geläufigen Ansicht von der Natur der acuten epi­demischen Krankheiten folgend, bezeichnete sie Brugnone als „brandige Bräune der Pferde.quot; Ihres Auftretens in Hannover 1786 gedenkt Havemann. Sie herrschte demnächst in Deutsch­land von 1795 —1797. Mit grosser Aufmerksamkeit haben die ausgezeichnetsten Thierärzte der damaligen Zeit die Seuche beob­achtet, als sie von 1804—1806 sich über Europa verbreitete. Sie wurde im Frühjahre 1805 in Holstein, im März in Hannover, West­falen und Sachsen, im April und Mai in Nassau und Württem­berg, ausserdem in Berlin constatirt und wenige Wochen später berichtete man aus den meisten Gegenden Deutschlands, dass eine grosse Zahl von Pferden an der Seuche erkrankt sei. Aus dieser Zeit datiren viele Namen, welche man der Seuche beilegte (Pferde­seuche, epidemisches Pferdefieber, holsteinische Seuche, hannove­rische Seuche, Brustseuche, Lungenseuche der Pferde, Typhus der Pferde, Lungentyphus, Lebertyphus, Faulfieberseuche, gutartiges Nervenfieber, seuchenartiges Nervenfieber, Influenza). Allgemein war die Ansicht, dass die Pferdeseuche mit den Erscheinungen des im Jahre 1782 beobachteten Mrussischen Katarrhsquot; der Menschen — Grippe, Influenza — übereinstimme. Während des Krieges 1813 und 1814 erfolgte mit dem Vordringen der russischen Armee die Invasion der Pferdestaupe von Osten nach Westen über Deutsch­land und Frankreich. In Verbindung mit dieser Einschleppung steht der damals volksthümlich gewordene Name „russische Pferde­krankheitquot;. Von 1824—1828 waren die meisten Staaten Europas von der Krankheit heimgesucht. Sie nahm ihren Ausgang von Russland und verbreitete sich allmälig über Schweden und Däne­mark nach Deutschland, Oesterreich und Frankreich. Als sie aber in den westlichen Ländern einmal herrschte, ist sie auch oft in entgegengesetzter Richtung weiter vorgedrungen. Ihre Bedeutung mag aus der Notiz hervorgehen, dass im März und April 1824 zu Paris täglich 20 bis 30 Pferde der Krankheit erlegen sein sollen. Die Klinik des Thierarznei-lnstituts zu Wien behandelte 1826 rund 200, im folgenden Jahre 450 und 1828 rund 160 Pferde an der Krankheit, welche Veith „das seuchenartige Katarrhalfieber des Pferdesquot; benannte. Hayne wählte den Namen „epizootisches gastrisch-katarrhalisches Fieberquot;. Nach Anleitung der Lehre von
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Broussais, nach welcher bei jeder fieberhaften Affection eine prä­existente Lokalkrankheit vorausgesetzt wurde, gab ihr Girard den Namen „Gastro-Enterite*. Walz nannte sie 1825 „rothlaufartige Krankheit (Fehris erysipelatodes) der Pferde.quot; Anker, welcher die Krankheit im Frühjahr 1825 in der Schweiz beobachtete, beschrieb sie als „epizootisches Nervenfieber der Pferdequot;. Während die Seuche sich in England 1828 bemerklich machte, herrschte sie gleichzeitig und auch schon vorher in Preussen, namentlich in Berlin und Um­gegend. Der Klinik der Thierarzneischule zu Berlin wurden 1827 nach Hertwig's Angaben (Magaz. XX) in einem Zeitraum von 130 Tagen 350 von der Seuche befallene Pferde zugeführt. Ausser Berlin war auch die Provinz Sachsen von der Verbreitung der Seuche schwer betroffen. Hertwig hat die Krankheit als eine Grundform der „Influenzaquot; betrachtet und insbesondere als „nervö­ses Katarrhalfieber der Pferdequot; beschrieben. Er war ebenso, wie vor ihm Dieterichs der Meinung, dass die Seuche nicht an­steckend sei. Andere Autoren glaubten in der Manifestation der Krankheitssymptome eine rheumatische oder eine gastrisch-rheu-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,-
matische, oder eine erysipelatöse Form der Influenza erblicken zu sollen.
Aus der Literatur ergiebt sich, dass eine allgemeine Ver­breitung der Krankheit in Europa von 1831—1833 und in Deutsch­land von 1836—1839 stattgefunden hat. Ihre Verschleppung ge­schah hauptsächlich durch Handelspferde und ausserdem durch die den Gavallerieregimentern zugeführten Remouten. Auch von 1840 bis 1842 wird berichtet, dass die Seuche in Deutschland, Frank­reich und England aufgetreten ist. Sie wurde von den Thierärzten meistens als „Typhusquot; oder als „Influenzaquot; betrachtet. Letztere Bezeichnung ist in England für die Krankheit in Anwendung ge­blieben. — Im Jahre 1846 kam die Seuche in der Schweiz zum Ausbruch, und 1850—1851 wurde sie im südlichen Frankreich, . Italien und Belgien beobachtet. Man bezeichnete sie in der Lite­ratur als Gastro-Enterite, Grippe, Influenza und Rothlauffieber der Pferde. Auch 1861 trat sie unter den Omnibuspferden in Lyon auf. Während des Winters 1856/57 wurde sie in Irland (Dublin) gesehen. In Berlin und Umgegend herrschte sie 1851 und dem­nächst 1862 in grosser Verbreitung. Von 1863—1864 erschien sie in massiger Ausbreitung in Dänemark und Mitteldeutschland, na­mentlich in Sachsen. Während des Krieges 1866 kam sie in
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Oesterreich mehrfach vor, wo sie von Roll (Path. u. Ther. 4. Aufl. II. 154) für die „katarrhalische Form der Influenzaquot; angesehen wurde. Gegen Ende des Jahres 1866 verbreitete sie sich in Holland. Sie wurde daselbst theils als „Pferdetyphusquot;, theils als „rheuma­tisch-katarrhalische Form der Influenzaquot; bezeichnet.
In der zweiten Hälfte des Jahres 1869 erschien die Seuche im nordwestlichen Russland, und nach dem Ausbruch des deutsch­französischen Krieges 1870 erfolgte alsbald ihre Einschleppung nach Deutschland. Gegen Ende des Winters 1871 trat sie in Berlin auf. Obwohl sie sich nicht so allgemein verbreitete, wie im gegenwärtigen Jahre, so befiel sie doch eine grosse Zahl von Pferden. Das Aufhören der Seuche konnte ich erst Anfangs Mai 1871 constatiren. Die ersten Fälle kamen am 11. Februar 1871 zu meiner Kenntniss. Im Ganzen herrschte demnach die Krank­heit hierselbst rund 3 Monate. Es wurden in dieser Zeit 114 Pferde in der Klinik der hiesigen Thierarzneischule wegen der Seuche be­handelt. Davon entfallen auf die Zeit vom 15. März bis 15. April i-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 71 kranke Pferde. Gerlach, welcher damals die Klinik leitete,
folgte in der Bezeichnung der Seuche dem Vorgange älterer Autoren, indem er ihr den Namen „ Typhusquot; beilegte. — Gleichzeitig und kurz nachher wurde die Pferdestaupe an verschiedenen Orten in Deutschland beobachtet. Im Frühjahr 1871 kam sie in Frankreich unter den Pferdebeständen der deutschen Armeen und in mehreren französischen Departements unter den Ackerpferden zum Ausbruch. Die bald darauf bewirkte Rückkehr der deutschen Truppen hatte noch eine Einschleppung der Seuche nach Süddeutschland (Bayern) zur Folge. — Im Anschluss an diese grosse Invasion trat die Krankheit 1871 in England auf, wo sie bis zum folgenden Jahre namentlich unter den Pferdebeständen der verkehrreichen Handels­städte eine weite Verbreitung fand. Nordamerika wurde 1872 heimgesucht. Nach den übertriebenen Berichten in den nordameri­kanischen Zeitungen entstanden in Deutschland Zweifel über die Natur dieser in den Vereinigten Staaten sich schnell über weite Gebiete verbreitenden Pferdeseuche. Eine diagnostisch genügende Aufklärung liefert indess die Darstellung des englischen Gesandten Sir E. Thornton vom 6. December 1872 (Ref. von Hertwig. Magaz. 39. Bd.). Aus derselben geht zweifellos hervor, dass die Seuche mit der Pferdestaupe identisch ist. Die Krankheit machte sich zuerst in Canada bemerklich, wohin sie vielleicht von England
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aus verschleppt war. Wenige Wochen darauf erfolgte ihre Ueber-tragung auf die grossen Pferdebestände der verkehrreichen Handels­plätze in der nordamerikanischen Union. Sie herrschte in Amerika bis zum Februar 1873 nnd wurde als „Influenzaquot; oder als „Epi-hippic-Feverquot; bezeichnet. Da in Folge des Ausbruchs der Seuche eine sehr grosse Zahl von Transport- und Omnibuspferden in den bedeutendsten Städten momentan dienstuntauglich wurde, so war eine erhebliche Stockung des geschäftlichen Verkehrs unvermeidlich. Deshalb nahm die Tagespresse nicht blos in Amerika, sondern auch in ganz Europa Notiz von den nachtheiligen Wirkungen der Seuche. Einer in den politischen Blättern Deutschlands üblich gewordenen Sprechweise folgend, haben deutsche Thierärzte und Pferdebesitzer die Krankheit vielfach mit dem Namen der „ameri­kanischen Pferdeseuchequot; belegt.
Wahrscheinlich muss die 1878 in Dänemark beobachtete „In­fluenzaquot; der Pferde, bei welcher allein in der Umgegend von Kopen­hagen 450 Krankheitsfälle ermittelt wurden, auch der Pferdestaupe zugerechnet werden.
Neuerdings ist die Seuche wiederum in Deutschland und Frank­reich erschienen. Im Frühjahr 1881 trat sie mehrfach im nördlichen Frankreich auf, und im Sommer verbreitete sie sich nach Elsass-Lothringen, Baden, Württemberg und Bayern. Sie kam bald darauf am Rhein und in Mitteldeutschland zum Ausbruch. Auch die Stadt Berlin und einige Ortschaften ihrer Umgebung waren vom Juni bis September von der Calamität betroffen. Die ersten Krankheits­fälle beobachtete ich an der hiesigen Thierarzneischule in der von mir geleiteten Klinik für Pferdekranklieiten am 6. Juni d. J. Es ist indess wohl möglich, dass in der Stadt Berlin schon vorher einige Krankheitsfälle vorgekommen sind, die sich meinen Ermitte­lungen entzogen haben. Bald darauf verbreitete sich die Krankheit auf eine grosse Zahl von Pferdebeständen. Am 24. Juni ereignete sich der erste Krankheitsfall in einem Depot der hiesigen Omnibus­gesellschaft, in welchem 242 Pferde standen. Bis auf einen kleinen Rest von 27 Haupt, an welchen die Erkrankung nicht erkennbar hervortrat, wurden bis zum 20. August sämmtliche 'Pferde dieses Bestandes inficirt. Zuweilen zeigten sich an einem Tage 5 bis 10 Pferde mit der Affection behaftet, während an anderen Tagen nur 1—2 Pferde als krank befunden wurden und oft an zwei auf einander folgenden Tagen kein neuer Fall zur Anzeige kam. Die
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Zahl der Pferde, welche aus diesem Bestände in Folge der Krank­heit eine Zeit lang nicht verwendbar waren, betrug am 23. Juli 138. Durch die Brauchbarkeit der reconvalescirten Pferde verminderte sich der Krankenbestand aber bald wieder, so dass während des Herrschens der Seuche durchschnittlich nur 45 Pferde des in Rede stehenden Bestandes der Arbeit entzogen waren. Die Krankheit hatte in diesem Depot bei 12 Pferden einen tödtlichen Verlauf.— In einem andern Depot derselben Gesellschaft, in welchem 217 Pferde standen, wurde der erste Krankheitsfall am 8. Juli constatirt. Da die Pferde dieses Depots auf den Omnibushalteplätzen mit den Pferden des vorher bezeichneten Depots in die engste Berührung kamen, so konnte der Ursprung der Seuche nicht zweifelhaft sein. Es erkrankten nach und nach bis zum 15. August in diesem Depot 173 Pferde an der Seuche. Der Kranken bestand belief sich zeit­weise auf mehr als 70 Haupt. — Ein drittes Depot derselben Gesellschaft besitzt 224 Omnibuspferde, unter welchen der erste Fall am 17. Juli zur Feststellung kam. Auch hier war der Aus­bruch der Seuche auf die Infection durch kranke Pferde zurück­zuführen. Bis zum 27. August erkrankten in diesem Depot 180 Pferde, von welchen ein Pferd der Seuche erlag. — Ein viertes Depot wurde am 18. Juli von dem Einbruch der Seuche betroffen. In demselben standen 143 Pferde, unter welchen bis zum 10. September 50 Erkrankungsfälle vorgekommen sind. — In das fünfte und letzte Depot, welches 232 Pferde enthielt, drang die Seuche erst am 30. Juli. Bis zum 20. September befiel sie 100 Pferde. Aber sie war an diesem Tage noch nicht erloschen.
Abgesehen von den Krankheitsfällen, welche in dem letzten Depot nach dem 20. September noch eingetreten sein werden, sind in rot. 3 Monaten von den 1058 Pferden der Berliner Omnibus-Gesellschaft 718 Pferde an der Seuche erkrankt, von welchen 13 zu Grunde gingen. Die Zeit, während welcher die kranken Pferde nicht arbeitsfähig waren, dauerte zwischen 1 bis 3 Wochen.
Unter den Pferden des Kaiserlichen Post-Fuhramtes in Berlin kam die Seuche am 17. Juli d. J. zum Ausbruch. Von den in 3 Depots aufgestellten 482 Pferden sind bis zum 16. September 215 Haupt erkrankt. Herr Kreis-Thierarzt ßerndt, welcher in der Kaiserlichen Postverwaltung angestellt ist, hatte die Güte, mir mitzutheilen, dass in dem ersten Dep6t, in welchem 229 Pferde stehen, vom 17. Juli bis 16. September 103 Pferde (44,97 pCt.)
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erkrankt, dass aber auch nach dem 16. September wahrscheinlich noch einzelne Fälle zu erwarten seien. — In dem zweiten Depot mit 187 Pferden, unter welchen am 26. Juli die Eruption der Seuche bei 8 Pferden festgestellt wurde, kam der letzte Krank­heitsfall am 24. August vor. Während dieser Zeit sind im Ganzen 91 Pferde (48,66 pCt.) befallen worden. Bei dem dritten Depot, in welchem sich 66 Pferde befinden, ereignete sich der erste Krank­heitsfall am 12. August. Bis zum 16. September erfolgte der Ausbruch bei 21 Pferden (31,81 pCt.). Allein es war zu dieser Zeit die Seuche in dem Depot noch nicht als erloschen zu be­trachten. — Die Verbreitung der Krankheit unter den Pferden der einzelnen Depots vollzog sich ganz allmälig. In der ersten Zeit wuchs die Zahl der kranken Pferde täglich um einige Fälle. Später wurden neue Erkrankungen nur vereinzelt und in längerer Zwischen­zeit ermittelt. Dass ein grosser Theil von den Pferdebeständen des Kaiserlichen Post-Fuhrparks vor der Ansteckung bewahrt blieb, ist vor Allem der Sorgfalt zuzuschreiben, mit welcher die sofortige Absonderung der erkrankten Thiere bewirkt wurde. Sämmtliche 215 Krankheitsfälle haben einen günstigen Verlauf genommen. Die Genesung erfolgte bei allen Pferden nach einer ein- bis zwei­wöchentlichen Krankheitsdauer.
Im Juli und August drang die Seuche auch in einige Pferde­bestände der in Berlin garnisonirenden Cavallerie und Artillerie. Nachdem bei vielen Besitzern die Krankheit bereits erloschen war, trat dieselbe in anderen Pferdebeständen erst gegen Ende August und September auf. Sie verminderte sich aber ersichtlich in dieser Zeit, obschon einzelne Krankheitsfälle ebenso hochgradig waren, wie früher. Noch in der zweiten Hälfte des September erkrankten die Pferde in drei grösseren Pferdebeständen, in welchen eine Iso-lirung der frisch afficirten Thiere versäumt war, ziemlich heftig. Ende September wurden von mehreren Beständen aber nur noch ein­zelne Pferde in geringem Grade befallen, und Anfangs October ging die Invasion zu Ende. Während der im September stattgefundenen Militär-Manöver ist die Seuche auch unter den Pferden einzelner Escadrons aufgetreten, und im Regierungsbezirk Potsdam hat sie an mehreren Orten geherrscht.
Eine Actien-Gesellschaft verlor im Juli 10 Pferde aus einem Bestände von 92, von welchen 75 befallen wurden. Bei dem Unter­nehmer der Berliner Strassenbesprengung starben von 93 Pferden,
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von welchen während der Monate Juli und August innerhalb 5 Wochen 67 offenkundig erkrankten, 15 an der Seuche. Eine Brauerei-Gesellschaft hatte bei einem Bestände von 45 Pferden, von welchen innerhalb 4 Wochen 42 erkrankten, den tödtlichen Aus­gang der Krankheit bei 7 Pferden zu beklagen. Viele andere Be­sitzer verloren nur einzelne Pferde, während die Kranken nach dem Grade der Affection 1 bis 2 Wochen, in einzelnen Fällen so­gar noch länger clienstunbrauchbar waren. In manchen Beständen wurden alle Pferde, welche von der Krankheit befallen waren, wieder gesund. Dagegen nahm die Seuche in mehreren Stallungen, namentlich in solchen, in welchen wegen der tieferen Lage des Gehöftes die Athmungsluft mangelhaft war, nicht selten einen ungünstigen Verlauf. Von 8 innerhalb einer Woche erkrankten Pferden eines Gehöftes starben 4. Die Verluste vergrösserten sich über die Norm besonders auch bei denjenigen Besitzern, welche aus Mangel an Vorsicht die Pferde beim Auftreten der Krankheits­erscheinungen nicht sofort ausser Dienst stellen Hessen.
Wenn die von der Seuche befallenen Pferde grösserer Bestände gleich im Initial-Stadium der Krankheit und für die Dauer der Ansteckungsgefahr isolirt wurden, so blieb nicht selten die Mehr­zahl der betreffenden Pferde verschont. So sah ich bei einem Fuhrherrn, welcher 27 Pferde auf einem Gehöfte besitzt, nur 5 in die Krankheit verfallen. Auf einem anderen Gehöfte erkrankten von 20 Kutschwagenpferden innerhalb 3 Wochen nur 7, während die übrigen verschont blieben. Gegenüber diesen Beobachtungen steht die Thatsache, dass ohne die sofortige Absonderung der kranken Pferde die Seuche sich über ganze Bestände in kurzer Zeit verbreitete. Eine grosse Brauerei hierselbst unterhält in zwei getrennten Stallungen auf einem Gehöft 50 und resp. 10 Pferde. In dem erstgedachten Stalle kam die Seuche am 17. August zum Ausbruch. Da die kranken Pferde in dem Stalle verbleiben mussten, so übertrug sich das Contagium nach und nach auf 45 Pferde, welche innerhalb 4 Wochen in die Krankheit verfielen. Von den übrigen 5, von welchen bei 3 Pferden auch noch ein vorübergehen­der Appetitmangel und leichtes Thränen wahrgenommen wurden, Hess sich eine Erkrankung nicht mit Sicherheit nachweisen. Da­gegen blieben die in dem besonderen Stalle aufgestellten und durch eigene Wärter verpflegten 10 Pferde von der Krankheit ver­schont. Von dem Pferdebestande einer anderen Brauerei, welcher
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39 Haupt zählt, erkrankten in einem Zeitraum von 5 Wochen 37 Pferde.
Ueber die günstigen Wirkungen, welche die sorgfältige Pflege der kranken und convalescirenden Pferde für den Krankheitsver­lauf hat, informirten sich die Pferdebesitzer trotz wiederholter Publicationen in der Tagespresse nicht mit der wünschenswerthen Schnelligkeit. Als die Seuche in den ersten Wochen sich ver­breitete, gingen manche Pferde dadurch zu Grunde, dass sie nicht unverzüglich ausser Arbeit gestellt waren. Später ist eine solche Vernachlässigung allgemein vermieden worden.
Der fiskalischen Abdeckerei der Stadt Berlin wurden nach einer mir vom Herrn Inspector Die hl gemachten Mittheilung die Cadaver von
5 Pferden
im Juni 1881,
39 „
„ Juli
31 ,
„ August „
9 ,
* Sept.
im Ganzen 84 Pferden zugebracht, welche der Pferdestaupe erlegen waren. Rechne ich hierzu die mir anderweitig bekannt gewordenen 15 Fälle, so sind in der Zeit vom 6. Juni bis 1. October 1881 in Berlin und Umgegend 99 Pferde an der Staupe gefallen. Die Zahl der in dieser Zeit erkrankten Pferde schätze ich auf 2500.
Die Ansicht der Thierärzte über die Natur der Krankheit differirt auch gegenwärtig noch in mehr als einem Punkte. Roll (Thierseuchen, 1881) betrachtet neuerdings in Berichtigung seiner früheren Ansicht die „Influenza der Pferdequot; als eine Seuchenkrank­heit, deren Ursachen auf Stalimiasmen zurückzuführen seien. Die Verbreitung durch ein Gontagium wird in Abrede gestellt. Die Seuche soll in zwei Formen (einer „katarrhalischenquot; und einer „pneumonischenquot;) vorkommen. Dieser Auffassung ist Konhäuser (Monatsschr. des Vereins der Thierärzte in Oesterreich, 1881) mit Beibehaltung einer dritten Form (der „erysipelatösenquot; oder „ty­phösenquot;) beigetreten. Auch Lydtin (Thierärztl. Mitth. Juli 1881) denkt sich als Grundlage der Seuche die „Influenzaquot;, welche sich durch besondere Formen manifestiren soll. Zundel (Viehseuchen-Bulletin von Elsass-Lothringen, 1881) gebraucht zur Bezeichnung der Krankheit, übereinstimmend mit dem in seinem „Dictionnairequot; vertretenen Standpunkt den Namen „Typhus der Pferdequot;.
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Um das Missverständniss, welches in der Beurtheilung der Krankheit vielfach noch besteht, zu beseitigen, habe ich vor Kurzem (Adam's Wochenschr., Augsburg 1881) den deutschen Thierärzten vorgeschlagen, zur Bezeichnung der Seuche den Namen der Staupe zu gebrauchen. Die Nachtheile, welche die Beibehaltung der bisher für die Krankheit benutzten Namen mit sich bringt, liegen auf der Hand. Der Ausdruck „Influenzaquot; hat für die deutschen Thierärzte den missverständlichen Nebenbegriif, dass die fragliche Seuche mit der in Deutschland vorzugsweise als „Influenzaquot; angesehenen con-tagiösen Pleuro-Pneumonie der Pferde dem Wesen nach identisch und nur in der Form verschieden sei.
Ebenso, wenn auch aus anderem Grunde, ist die Charakteri-sirung der Seuche als Typhus oder typhoide Krankheit der Pferde unzulässig. Denn die Anwendung des Wortes Typhus als complexe Bezeichnung für eine grössere Gruppe von Krankheiten hat in der medicinischen Wissenschaft schon seit mehr als 25 Jahren auf­gehört. Die Begriife von Typhus und Typhoid werden in der-Me-dicin gegenwärtig auf bestimmte infectiöse Krankheiten des Menschen beschränkt, welche, beiläufig bemerkt, bei den Hausthieren nicht vorkommen. Da aber in den Handbüchern der Thierarzneikunde unter der Bezeichnung des Typhus noch mehrere andere allgemeine Krankheiten der Pferde begriffen sind, so muss sich durch die Benutzung dieses Wortes für die hier fragliche Seuche die Vor­stellung von ihrer einheitlichen Natur nothwendig verwischen.
Gegenüber der Thatsache, dass der geographische Verbreitungs­bezirk der Krankheit sehr gross ist, und dass der Ausbruch der­selben bisher nicht auf eine beständige ürsprungsstätte hat zurück­geführt werden können, erscheint es unthunlich, einen Namen für die Seuche nach einem bestimmten Lande zu bilden. Nichts kann die Gewohnheit rechtfertigen, die Krankheit deshalb, weil sie wieder­holt über die östliche Landesgrenze nach Deutschland verschleppt ist, als „russische Pferdeseuchelaquo;, oder weil sie 1872/73 die Pferde in Nordamerika befiel, als „amerikanische Pferdeseuchequot; zu be­zeichnen. Das grosse Publicum mag durch diese Nomination eine Zeitlang, resp. für die Dauer einer Seucheninvasion befriedigt sein. In der Wissenschaft kann dieselbe aus mehr als einem Grunde nicht adoptirt werden. Um keiner Missdeutung dieses Standpunktes ausgesetzt zu sein, will ich hierbei ausdrücklich anführen, dass, wenn ich im.Eingang meiner Arbeit die Namen „sibirische Seuchequot;
Dieckcrhoff, Die Pferdestaupe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2
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und „afrikanische Pferdepestlaquo; beibehalten habe, dies nur deshalb geschehen ist, weil nach meiner Auffassung die specielle Natur dieser beiden ansteckenden Pferdekrankheiten noch nicht genügend
bekannt ist.
Die Pferdebesitzer in England und Deutschland haben die Seuche bei wiederholten Invasionen „die neue Krankheitquot; benannt. Wenn die Unzulässigkeit dieser Sprechweise für die Wissenschaft nicht erst demonstrirt zu werden braucht, so dürfte die Thatsache doch den Beweis liefern, dass auch das Publicum für eine so all­gemein herrschende Krankheit einen geeigneten Namen haben will. Dies sind im Wesentlichen die Gründe, welche mich bestimmten, der Seuche den Namen „Pferdestaupequot; beizulegen.
Da die sowohl in thierärztlich-praktischer, als in comparativ-pathologischer Hinsicht interessante Krankheit bisher eine voll­ständige Betrachtung noch nicht gefunden hat, so dürfte gegen­wärtig bei ihrer grossen Verbreitung im deutschen Reiche eine Darstellung ihrer Pathologie am Platze sein. Ich will dabei aus­drücklich hervorheben, dass die nachstehende Beschreibung der Krankheit ausschliesslich auf meinen eigenen Beobachtungen und Untersuchungen fusst. Eine Berücksichtigung der Literatur erschien mir hierbei deshalb nicht angebracht, weil die Autoren, wie ich bereits zu wiederholten Malen andeutete, bei ihren Darstellungen die Vermengung der Pferdestaupe mit anderen Krankheiten nicht hinreichend vermieden haben.
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Zweites Capitel.
Pathologie und Therapie der Pferdestaupe.
A. Patliogenese.
JL/ie Meinungsverschiedenheiten, welche über die Natur der Pferde­staupe herrschen, haben sich vielfach an die Frage angeschlossen, ob die Krankheit ansteckend sei oder nicht. Trotzdem schon Pilger (1805) die Contagiosität des „gutartigen Nervenfiebersquot; oder der „spanischen Kopfkrankheitquot; der Pferde hervorhob, und auch andere Autoren sich zu derselben Ansicht öffentlich bekannten, hat sich doch die Mehrzahl der Beobachter von dep Vorstellung nicht befreien können, dass der Ausbruch der Seuche an vielen Orten und in vielen Pferdebeständen aus einer abnormen atmo­sphärischen Constitution unter Mitwirkung von allerlei diätetischen Schädlichkeiten originiren könne. Man dachte sich, dass solche atmosphärische Krankheitsursachen auf sämmtliche Pferde einer Gegend gleichzeitig einwirken, und dass in Folge dessen die meisten derselben in eine bestimmte Krankheit verfallen müssten. Die Uebertragung des Krankheitsstoffs von einem kranken auf gesunde Pferde wurde entweder negirt oder mit einem non liquet kurz be­seitigt. Dieter ich s, Veith, Girard u. A. vertheidigten princi-paliter die Selbstentwickelung. Um aber den offenkundigen That-sachen in der Verbreitung der Seuche einigermassen gerecht zu werden, fügten sie erläuternd hinzu, dass diejenigen Fälle, bei welchen die Krankheit einen „typhösen Charakterquot; erlange, ein Contagium produciren könnten.
Von anderen Seiten wird das Hauptgewicht auf ein „Stall­miasmaquot; gelegt, welches als eine beständige Quelle für die spontane Entstehung der Seuche, die an sich nicht ansteckend sein soll, betrachtet wird.
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Bei einer sorgfältigen Untersuchung der Krankheitsfälle lässt sich indess mit Sicherheit erkennen, dass die Seuche alle Eigen­schaften einer acuten fieberhaften und contagiösen Infectionskrank-heit besitzt. Ich habe die Entwickelung und den Verlauf in vielen grossen und kleinen Pferdebeständen studirt und hierbei die Ueber-zeugung gewonnen, dass die Krankheit nur aus der Ansteckung entsteht und dass alle anderen Einflüsse hinsichtlich des Stand­ortes, der Nahrungsmittel und der atmosphärischen Luft bei dem Auftreten derselben nicht betheiligt sind. Durch ein einziges Pferd, welches inficirt ist oder schon an der Krankheit leidet, resp. sich im Reconvalescenzstadium befindet, wird die Seuche oft in einen Pferdebestand oder in eine Gegend verschleppt. Aus einer solchen Quelle kann sie in wenigen Wochen auf eine grosse Zahl von gesunden Pferden übergehen. In den meisten Fällen vollzieht sich die Ansteckung durch direete Vermittelung der Exspirationsluft eines kranken oder in der Reconvalescenz befindlichen Pferdes, wenn dasselbe mit einem gesunden Pferde in unmittelbare Berührung kommt. Ich habe aber eine grössere Zahl von Beispielen con-statirt. bei welchen die Ansteckung auf indirectem Wege durch Personen, welche mit der Behandlung oder Verpflegung eines kranken Pferdes sich beschäftigten, vermittelt worden ist. Bei einem meiner Versuche beobachtete ich, dass sich die Ansteckung durch die Streu eines Krankenstalles vollzog. — Von der künst-liehen Uebertragung der Krankheit durch Impfung werde ich bei der Erörterung des Contagiums nähere Mittheilungen machen. — Nach der Aufnahme des Ansteckungsstoffs vergehen 5 — 7 Tage, bis derselbe sich in dem inficirten Organismus so weit entwickelt und vermehrt hat, dass die speeifische Störung in dem Verhalten des Pferdes offenkundig hervortritt.
Hierbei kommen krankhafte Zustände an folgenden Organen
zur Ausbildung.
1) Am Blut.
Den Mittelpunkt für die Einleitung aller weiteren Störungen bildet das Blut. — Im Blut gesunder Pferde finden sich, wie bei anderen Thieren, neben den rothen und weissen Blutkörperchen noch besondere kleine runde Körperchen („Elementarkörnchenquot; der Autoren) in grosser Zahl. Bei der mikroskopischen Untersuchung
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eines kleinen Tropfen frischen Blutes sieht man dieselben auf dem Objectglase sich zum Theil in kleine Häufchen zusammenlegen. Oft treten 2 — 3 dieser Körperchen zu einem kleinen Stäbchen an einander. Manche derselben legen sich an die weissen Blutkörper­chen. Bei der gewöhnlichen Gerinnung des Pferdeblutes gehen sie, wie die weissen Blutkörper, in das Plasma über. In der Physio­logie ist die Natur dieser kleinen Körperchen, welche mit Mikro-kokken verwechselt werden können, bisher nicht festgestellt worden. Nach Virchow (Cellular-Patbol.) stellen sie im Untergang be­griffene Formen der Blutkörperchen dar. Unzweifelhaft sind viele dieser Körnchen nichts weiter als stark geschrumpfte rothe Blut­körperchen. Aber die meisten bekunden in ihren physikalischen Eigenschaften keine Verwandtschaft mit den rothen, sie verhalten sich vielmehr wie die weissen Blutkörperchen. Ich möchte sie aus diesem Grunde in Uebereinstimmung mit Virchow's Ansicht als Derivate der weissen Blutkörperchen ansehen.
Mit der Ausbildung der Pferdestaupe vermehren sich die kleinen Körperchen: auch zerfallen sie sowohl, wenn sie einzeln auftreten, als wenn sie nach Art der Zoogloea sich in Haufen gruppiren, schneller als in Präparaten von gesundem Pferdeblute. Zugleich lässt sich im Blute der staupekranken Pferde eine starke Vermehrung der weissen Blutkörperchen erkennen, welche ebenfalls ihre Formen schneller verändern, als in gesundem Zustande.
Das im Verlauf der Krankheit dem Körper entnommene Blut hat immer eine abnorm dunkle Farbe und ist bei hochgradigen Affectionen schwarzroth. Es wird demnach durch das Gontagium die Athmungsfähigkeit der rothen Blutkörperchen erheblich beein­trächtigt. — Bei den gestorbenen staupekranken Pferden finden sich keine festen, sondern locker zusammenhängende Coagula im Herzen und in den grossen Gelassen. Das Blut, welches während der Krankheit aus der Jugularvene abgelassen wird, gerinnt etwas langsamer, aber ebenso vollkommen, als normales Pferdeblut. Auch das Plasma ist gelblich klar. Die Farbe der rothen Blutkörperchen ist aber abnorm dunkel.
Offenbar hat die physikalische Beschaffenheit des Blutes an der Ausbildung der Krankheitssymptome ihren Antheil, weil die­selbe die Circulation erheblich erschwert und das Zustandekommen der Blutstauungen in den einzelnen Organen wesentlich begünstigt. In der Hauptsache vermittelt aber das Blut die Störungen dadurch,
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dass es das Contagium in eine grössere Zahl von Organen bringt und durch die specifischen Wirkungen desselben die histologischc Einrichtung, sowie die Functionen der Organe schädigt. Hierbei werden vorzugsweise betroffen: das Gehirn, das Herz, die Respira-tionsschleimhaut, die Bindehaut der Augen, die Digestionsschleim­haut, die Leber, das ünterhautgewebe und zuweilen auch die Nieren. Andere Organe des Körpers sind der specifischen Erkrankung der Regel nach nur in geringem Grade unterworfen. Die entzünd­lichen Affectionen, welche die Krankheit während ihres specifischen Stadiums begleiten, tragen wie bei mehreren anderen fieberhaften Infectionskrankheiten den erysipelatösen Charakter an sich. Wenn die Krankheit nicht direct zum Tode führt, oder unter einer gleich-massig verlaufenden Rückbildung der einzelnen Störungen mit einer schnellen Genesung endet, so entwickeln sich Complicationen und Nachkrankheiten, deren Entstehung die abnorme Blutbeschaffenheit begünstigt. Indess dürfte sich hierbei die Verunreinigung des Blutes nicht darauf beschränken, dass sich in demselben das speeifische Contagium befindet. Zweifellos wird auch durch die Resorption der mit den entzündlichen Gewebsdestructionen geschaffenen Pro-duete die Dyskrasie des Blutes vermehrt und verlängert, wodurch sich die Verzögerung in der Restitution des Organismus bei manchen Krankheitsfällen erklärt.
2) An den nervösen Centralorganen.
Wenngleich die Organe, welche für die Wirkungen des Conta-giums empfänglich sind, nicht immer in gleichem Grade afficirt werden und in den leichten Krankheitsfällen einzelne Störungen ganz ausfallen oder kaum wahrnehmbar sein können — so ist doch in jedem klar ausgesprochenen Falle die Wirkung des Contagiums auf die nervösen Centralapparate, welchen die Regulirung der Körpertemperatur obliegt, erkennbar. Fast immer entsteht auch eine starke Blutcongestion nach dem Gehirn. Weiter lassen sich die anatomischen Zustände, welche den Functionsstörungen an den Centralapparaten des Nervensystems zu Grunde liegen, durch die Würdigung der Symptome und Sectionsbefunde nicht verfolgen. Es ist aber anzunehmen, dass die einfache Füllung der Blutgefässe des Gehirns so schwere Zufälle, wie sie bei der Pferdestaupe ge­sehenwerden, nicht hervorbringen kann. Da nun eine erhebliche Trans-
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sudation von Serum in die Ventrikel oder in die maschigen Räume der Pia Mater bei den an der Staupe gestorbenen Pferden nicht gefunden wird, so ist zu vermuthen, dass analog den Wirkungen narcotischer Gifte die im Blute circulirenden Krankheitsstoffe durch ihre chemischen Beziehungen zu den Central - Nervenapparaten die Störung verursachen.
3) Am Herzen.
Die Pferdestaupe wird constant von einer parenchymatösen Myocarditis begleitet, welche sich, abgesehen von den Ausnahme­fällen, schon bei Beginn der Erkrankung einstellt und bei der weiteren Entwickelung eine hervorragende Bedeutung erlangt. Die Herzaffection bildet den wichtigsten Bestandtheil der ganzen Krank­heit. Von ihr wird der tödtliche Ausgang in den meisten Fällen ent­weder direct oder indirect herbeigeführt. Durch die Einwirkung des Contagiums entsteht am Herzfleisch trübe Schwellung, wobei die Querstreifung der Musculatur stellenweise untergeht. Das Herz­fleisch wird mürbe und verliert seine normale Farbe; es erscheint auf der Schnittfläche graubraun, verwaschen und mit röthlichen Flecken durchsetzt. In den schwersten Fällen hat die Schnitt­fläche an grösseren Partien ein hellgraues Ansehen. Hiermit ist constant eine starke Blutanhäufung im Herzfleisch verbunden. In Folge dessen findet bei schweren Affectionen an der Basis des Herzens und den grossen Gefässstämmen eine Infiltration von gelb­licher, fibrinogenhaltiger Flüssigkeit in das Bindegewebe unter dem Epicardium statt. Da der Congestivzustand sich zugleich auf die Gefässe des Herzbeutels erstreckt, so wird gewöhnlich auch in den freien Raum des Herzbeutels dieselbe gelbliche, fibrinogen-haltige Flüssigkeit abgeschieden. Das Transsudat des Herzbeutels beträgt zuweilen nur 100 bis 200 Grm., in schweren Fällen aber 1 bis 2 Ltr. und selbst noch mehr. Es ist entweder klar oder leicht getrübt. Wenn es nach der Section eines gestorbenen Pferdes mehrere Stunden der Luft ausgesetzt wird, so nimmt es zuweilen eine grünliche Färbung an. Bei einigen Pferden, welche unter heftiger Athemnoth nach zwölf- bis dreissigstündigem Todeskampfe zu Grunde gegangen waren, fand ich im Herzbeutel ein hämorrha-gisches Transsudat. Entzündliche Veränderungen habe ich weder am visceralen noch am parietalen Blatte des Herzbeutels beob-
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achtet. Auch das Endocardium fand ich nicht entzündlich erkrankt. Dagegen sah ich bei tödtlichem Krankheitsverlauf häufig an der Oberfläche des Herzens und am Endocardium, namentlich auf den Papillarmuskeln kleine und grössere Ecchymosen.
Die Erkrankung des Herzparenchyms bedingt eine erhebliche Beeinträchtigung der phj^siologischen Leistungen des Herzens. In Folge dessen häuft sich das Blut in den Ventrikeln an und es entsteht eine Erweiterung derselben, welche besonders in der rechten Herzhälfte einen hohen Grad erreichen kann. In Folge der Herz­schwäche wird die Circulation des Blutes in den Lungen unvoll­kommen, wodurch der Respiration Abbruch geschieht. Bei hoch­gradiger Myocarditis erfolgt der Tod durch Herzlähmung (Suffo­cation).
4) An den Augen.
Ein regelmässiger Begleiter der Krankheit ist ferner die Affec­tion der Augen, die aber graduell sehr verschieden sein kann. Sie besteht in einer erysipelatösen Entzündung der Conjunctiva mit starker Injection der Episcleralgefasse und wässeriger Infiltration der Submucosa (ödematöse Schwellung). Da das seröse Infiltrat oft durch die Beimischung von Blutfarbstoff eine gelbliche Farbe hat, so erscheint die geschwollene Conjunctiva pedpehrarum nicht selten gelblich-roth. Dies Verhalten kann zu der Meinung führen, dass die Augenschleimhaut icterisch sei. Ich will deshalb aus­drücklich hervorheben, dass wirklicher (allgemeiner) Icterus nur bei den Nachkrankheiten der Pferdestaupe vorkommt und zwar bei den Thieren, die an einem heftigen Darmkatarrh und an allge­meiner Entkräftung leiden. — Im weiteren Verlauf der Krankheit setzt sich die Entzündung von der Conjunctiva sehr oft auf die Cornea und zuweilen auch auf die Iris fort. Hierbei vergrössern sich die am Rande der letzteren gelegenen und radiär verlaufenden kleinsten Blutgefässe. Die Cornea trübt sich am Rande und- bei weiterem Fortschreiten des Processes in ihrer ganzen Ausdehnung. Nicht selten kommt es zur fibrinösen Iritis und zu einer Blutung in die vordere Augenkammer. Dagegen habe ich niemals den üebergang des Entzündungsprocesses auf die Chorioides oder auf die Linse, den Glaskörper und die Retina beobachtet.
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5) An der Respirationsschieimhaut.
Die Respirationsschieimhaut erkrankt im Beginn des Leidens an einem oberflächlichen Katarrh mit geringer Secretion von wässe­rigem oder auch von grauweissem, zähem Schleim. Gelblicher Nasenausfluss, welcher hauptsächlich aus Blutserum besteht, wird durch die consecutive Broncho-Pneumonie herbeigeführt. Eine starke Dejection von eiterig-weissen Schleimmassen aus derquot; Nase wird nur bei protahirtem Verlauf der Krankheit beobachtet und ist dann ebenfalls als Theilerscheinung einer den Krankheitsfall complicircnden Bronchitis oder Broncho-Pneumonie anzusehen. Oft beschränkt sich der oberflächliche Katarrh auf die Nasenschleim­haut. Nicht selten sind aber auch der Kehlkopf und die Bronchial­schleimhaut afficirt. Nur bei einzelnen Pferden tritt die Entzün­dung der Kehlkopfschleimhaut in einem höheren Grade und mit einer, die Inspiration erschwerenden, e^sipelatösen Schwellung auf. Grosser ist die Zahl der Krankheitsfälle, bei welchen die Bronchitis eine gewisse Bedeutung erlangt. Bei schweren Affectionen ent­wickelt sich in der Respirations-Schleimhaut eine starke venöse Congestion. — Von der Nasenschleimhaut wird das Contagium durch die Lymphgefässe den submaxillaren Drüsen zugeführt, welche in eine erysipelatöse Entzündung mit Infiltration der Drüsenläpp­chen und ihrer unmittelbaren Umgebung versetzt werden und eine festweiche Geschwulst bilden, die aber niemals zur Abscedirung kommt.
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6) An den Lungen und der Pleura.
Die Lungen sind in Folge der parenchymatösen Herzaffection stets mit dunklem Blute gefüllt, welches bei hochgradigen An­stauungen die Lungensubstanz bald in kleineren, bald in grösseren Abschnitten infiltrirt. Im Todesacte entstehen in der Lunge und in der Pleura pubnonah's auch zuweilen kleine hämorrhagische Herde (asphyktische Flecke). Die venösen Gefässe der Pleura erweitern sich in Folge der Blutstauung. Bei schweren Erkran­kungen entsteht in der Brusthöhle eine Transsudation von gelb­licher, klarer oder leicht getrübter, fibrinogenhaltiger Flüssigkeit, welche zuweilen, wenn sie nach der Section 6 bis 8 Stunden der Luft ausgesetzt war, eine grünliche Färbung annahm. Aber nie^
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mals sah ich bei den Thieren, die in dem specifischen Stadium zu Grunde gingen, eine exsudative Entzündung der Pleura. Unter der Einwirkung der atmosphärischen Luft entsteht nach der Eröff­nung der Brusthöhle bei der Section zuweilen sehr bald in dem Transsudat eine Coagulation. In Folge dessen legen sich kleine Mengen von Fibrin der Pleura dicht an. Bei oberflächlicher Beur-theilung eines Befundes kann hierin irrthümlich das Merkmal einer exsudativen Entzündung erblickt werden.
7) An der Digestionsschleimhaut und am Peritoneum.
In der Schleimhaut der Maulhöhle bildet sich regelmässig eine Blutcongestion, welche in schweren Krankheitsfällen zu einer An­schwellung der Zunge Veranlassung geben kann. Auf dem Zungen­rücken entsteht in Folge der Reizung ein epithelialer Belag, welcher, zuweilen kaum erkennbar, in der Regel aber augenfällig ist. Die Secretion der Speicheldrüsen ist gewöhnlich verringert. Zuweilen halten die Pferde den Speichel in der Maulhöhle zurück. Bei pa-retischen Zuständen der Lippenmuskeln wird ein Abfliessen des Mundspeichels beobachtet. Die Schleimhaut des Pharynx erfährt ausser einer starken Congestion keine erkennbaren materiellen Ver­änderungen.
Den Oesophagus habe ich stets gesund befunden.
Die Schleimhaut des Magens und des Darmkanals ist immer der Sitz eines diffusen erysipelatösen Katarrhs und in Folge dessen während des specifischen Stadiums der Krankheit geschwollen und mit einer gelblichen Flüssigkeit imprägnirt. Die Schwellung, welche die ganze Substanz der Schleimhaut und die Submucosa betrifft, verursacht in den höheren Krankheitsgraden die Bildung von Quer­falten in der Schleimhaut. Sie erstreckt sich auch auf die Peyer'schen Haufen. Die Lymphdrüsen des Mesenteriums werden hyperplastisch und serös durchfeuchtet. Wenn die Affection der Darmschleira-haut und mit derselben die Blutcongestion nach dem Darmkanal sehr bedeutend ist, so erlangt der Dünn- und Dickdarm in der serösen Umkleidung eine bläuliche Färbung. Bei protrahirtem Verlauf ent­steht in dem Darmkanal oft ein schleimiger Katarrh, welcher meist nur den Mastdarm, nicht selten aber auch das Colon, Ooecum und den Dünndarm betrifft. Wenn der Mastdarmkatarrh länger an­dauert, so öffnet sich in Folge einer reflectorischen Erschlaffung
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des Sphincter Ani der After bald mehr, bald weniger. — Nach anhaltendem Durchfall wird die Darmschleimh'aut zuweilen wie ausgewaschen gefunden, ähnlich wie bei Calomel-Vergiftungen.
Der Regel nach bildet sich die Schwellung der Digestions-Schleimhaut mit dem Nachlasse des Fiebers wieder zurück. Bei hoch­gradiger Blutstauung stellt sich neben der erysipelatösen Gastro-Enteritis auch eine Infiltration von gelblicher, fibrinogenhaltiger Flüssigkeit in das lockere Bindegewebe des Mesenteriuras, sowie eine Transsudation derselben Flüssigkeit in das Cavum Ahdominis ein. Auch dieses Transsudat, welches indess niemals bedeutend ist und selbst bei den letal verlaufenden schwersten Erkrankungen nur 2 bis 5 Liter betrug, erlangte beim Stehen an der Luft in einigen Fällen eine grünliche Farbe. In Folge der passiven Congestion füllen sich die venösen Gefässe am Peritoneum mit Blut; aber eine frische Peritonitis habe ich bei den Sectionen niemals gesehen.
8) An der Leber.
Zu den regelmässig afficirten Organen gehört ferner die Leber, welche durch die parenehymatöse Entzündung eine starke Vergrös-serung und eine Infiltration mit Fett erfährt. In schweren Krank­heitsfällen entsteht auch eine partielle Degeneration der Leberzellen. Icterus findet sich nur selten und auch dann nur an einzelnen kleinen Partien der Leber, wenn der Tod durch Nachkrankheiten bedingt war. Es möge mir gestattet sein, zu bemerken, dass die exenterirte Leber, wenn sie eine Zeitlang der Luft ausgesetzt wird, oft durch die Einwirkung . des Sauerstoffs eine rothgelbe Farbe erlangt, welche mit dem Icterus verwechselt werden kann.
Vor mehreren Jahrzehnten legten die Thierärzte, welche die Pferdestaupe beobachteten, der Leberaffection eine hervorragende Bedeutung bei. Sie meinten, in Uebereinstimmung mit einem seit dem Alterthum in der Medicin urgirten Vorurtheil, dass durch die­selbe seeundär die Depression des Bewusstseins hervorgerufen werde. Darauf basirt der Name , Lebertyphusquot;, mit welchem man die Seuche vielfach bezeichnete. Nach der thatsächlichen Erfahrung ist aber der einfachen parenehymatösen Schwellung der Leber, welche sich bei vielen Infectionskrankheiten einstellt, ein solcher Einfluss nicht zuzuschreiben. Die Pferdestaupe verursacht keine erhebliche Destruction in der Substanz der Leber. Zum grössten Theil liegen
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der Leberaffection Blutstauung, trübe Schwellung und starke Fett­infiltration zu Grunde. Diese Zustände, welche bei der gewöhnlich bald vorübergehenden Störung der Verdauung gewiss betheiligt sind, werden mit dem Nachlass der Krankheit schnell wieder ausge­glichen.
9) Am Unterhautgewebe.
Das ünterhautgewebe der Gliedmassen, der äusseren Ge-schlechtstheile, des Bauches, des Brustbeins und der unteren Par­tien des Kopfes wird zuweilen schon im Beginn der Erkrankung, oft aber erst am zweiten bis dritten Tage, oder selbst noch später der Sitz einer erysipelatösen Phlegmone. Hierbei füllt sich die Subcutis mit gelblichem, gelatinösem Infiltrat. Auch die Aponeu-rosen der Muskeln werden zuweilen von diesen Affectionen betroffen, wodurch sich die Bedeutung der Krankheit erheblich vergrössern kann. Denn die diffusen Entzündungsprocesse an den Aponeurosen sind ausserordentlich schmerzhaft und behindern die Thiere in den Bewegungen.
10) An der Musculatur.
D:e Körpermusculatur ist bei einem massigen Grade der Er­krankung nicht nachweislich verändert. Dagegen finden sich bei den schweren Affectionen regelmässig in den willkürlichen Muskeln die Merkmale einer parenehymatösen Entzündung.
11) An den Nieren.
Unerheblich ist in der Regel die parenehyraatöse Affection der Nieren. In schweren Fällen kann aber die trübe Schwellung des Nierenparenchyms einen höheren Grad erlangen. Ich habe dies mehrere Male bei Pferden constatirt, welche auf der Höhe der Krankheit verendet waren. Zuweilen kommt es auch im Fasti-gium Morhi oder in den mit Pneumonic oder Durchfall compli-cirten Krankheitsfällen zu einer hämorrhagischen Nephritis. Einmal sah ich im Reconvalescenzstadium eine erhebliche Nierenblutung eintreten. Massige Beimischungen von Blut zum Urin werden bei protrahirtem Verlaufe öfter gesehen.
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Die Harnblase erleidet, abgesehen von der Blutcongestion, keine erkennbaren materiellen Veränderungen.
Die Milz erkrankt während des specifischen Stadiums nicht. Zuweilen findet man bei tödtliehem Ausgange die Pulpa erweicht und in einzelnen Fällen besteht eine geringe Anhäufung von dunklem, flüssigem Blut in der Milz. Hämorrhagische Herde sah ich in der Milz nur dann, wenn Nachkrankheiten mit sephthämi-scher Infection den Tod herbeigeführt hatten.
B. Symptome.
1) Fieber.
Als das wesentlichste Merkmal der Krankheit stelle ich das Fieber in den Vordergrund. Am 5.—7. Tage nach der Infection steigt die Temperatur im Rectum auf 39,5deg; oder auch wohl auf 40,0 bis 41,0 und selbst 41,5deg;. Der höchste Wärmegrad, den ich beobachtet habe, betrug 41,60 C. Mit geringen Schwankungen verbleibt die Temperatur 3 — 5 Tage, selten 6 Tage auf einer solchen Höhe, um dann ziemlich schnell, oft sogar in 10 bis 12 Stunden, zuweilen aber auch erst in 2 Tagen auf die normale Höhe von 38,5—37,50 zu sinken. Wenn sich die Bluttemperatur mehr als 5 Tage auf einer krankhaften Höhe erhält, so besteht gewöhnlich eine Complication des Falles durch Nachkrankheiten. Während des specifischen Stadiums ist die äussere Haut oft ungleich temperirt. Constant fühlt sich die Region der Scheitelbeine sehr heiss an, ebenso findet man fast immer die Haut unter der Mähne und unter der Schweifrübe, wo die Wärme weniger ausstrahlen kann, sehr heiss. Dagegen sind die Gliedmassen verhältnissmässig kühl, und auf dem Nasenrücken ist die Haut bald heiss, bald wieder kühl. Bei hochgradigen Affectionen und bei schweren Nach­krankheiten wird die Haut der Nase kalt befunden. Die gleiche Kälte hat auch die Naseaschleimhaut, während die Maulschleimhaut stets abnorm heiss ist.
Eine weitere Folge des Fiebers ist die grosse Hinfälligkeit der Thiere, welche sich durch eine apathische Haltung und schwankende Bewegung kundgiebt. Nach dem Eindruck, den die Pferde machen?
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besteht in der ganzen Korpermusculatur das Gefühl der Ermüdung. Mit dem schnellen Verfall der Muskelkraft hängt es zusammen, dass einzelne staupekranke Pferde oft längere Zeit liegen. Man beobachtet aber auch nicht selten das entgegengesetzte Verhalten. Vielleicht erkennen solche kranke Pferde im Voraus, dass ihnen nach dem Liegen die Erhebung vom Boden schwierig wird. Die Annahme, dass aus diesem Grunde das Niederlegen vermieden wird, steht der thierärztlichen Erfahrung über das Verhalten kranker Pferde nicht entgegen.
Manche Thiere nehmen Futter auf und kauen auf demselben mit sehr verlangsamten Kieferbewegungen. Zuweilen schiebt sich das zerkleinerte Futter hinter die Backzähne, weil die Thiere es mit den Backenmuskeln nicht wieder in die Maulhöhle zurück­bringen können. Die Ohren hängen schlaff herab, und in manchen Fällen ermangeln auch die Muskeln der Ober- und Unterlippe des normalen Tonus, so dass die Nasenlöcher nach abwärts verzogen werden.
Häufig ist eine gesträubte Stellung des Deckhaars. Aber Schüttelfrost oder krampfhafte Zuckungen der oberflächlichen Korper­musculatur werden bei den staupekranken Pferden der Regel nach nicht gesehen. Nur in einem Falle, den ich als eine seltene Aus­nahme ansehe, bemerkte ich am zweiten Krankheitstage ein leichtes Vibriren der Haut an den Backen und an der Oberlippe, und bei zwei schwerkranken Pferden sah ich ebenfalls am zweiten Krank­heitstage — als sie aus einem warmen Stalle in einen kühlen Raum gebracht wurden — trotz der aufgelegten Decken lebhaftes und 1 — 2 Stunden anhaltendes, convulsivisches Zucken der ober­flächlich gelegenen Muskeln mit Aufsträubung des Deckhaars (Fieberfrost) eintreten. Gegenüber diesen seltenen Ausnahmefällen habe ich Gelegenheit gehabt, viele hundert staupekranker Pferde während des ganzen Krankheitsvcrlaufs zu beobachten. Sie wurden von einem Schüttelfrost nicht befallen.
2) Störung des Bewusstseins.--
Bedeutsam in der Symptomatologie der Staupe ist die Beein­trächtigung der psychischen Functionen, welche das speeifische Fieber regelmässig begleitet. Die Pferde bekunden eine relativ grosse Eingenommenheit des Sensoriums, mit welcher nach dem
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Habitus die Empfindung eines tiefen Kopfschmerzes verbunden ist. Da sich ausserdem in den Muskeln des Kopfes und der Glied­massen das Gefühl der Ermüdung geltend macht, so halten die Pferde den Kopf herabgesenkt oder sie stützen ihn mit dem Kinn auf die Krippe oder andere Gegenstände. Manche Pferde ver­schaffen sich beim Stehen dadurch eine Erleichterung, dass sie nach rückwärts drängen und dem Kopfe durch die straff angezo­gene Halfterkette eine Unterstützung geben. Oft legen die Thiere den ausgestreckten Kopf mit dem Unterkiefer auf die Krippe. Wenn sie mit untergeschlagenen Füssen liegen, so stellen sie den Kopf auf den Boden. Auch legen sich die Pferde gern auf die Seite mit ausgestrecktem Kopfe; meist können sie nur durch sachkun­dige Unterstützung wieder zum Aufstehen gebracht werden. Der Gang ist schwankend. Beim Stehen zittern einzelne Pferde mit den Vordergliedmassen. Die Depression des Bewusstseins wird zu­weilen so gross, dass die Thiere nur noch beim Herannahen an­derer Pferde oder beim Zutragen von Futter und Getränk sich zu einer momentanen Zusammenraffung ihrer Aufmerksamkeit veran-lasst finden. Niemals habe ich aber beobachtet, dass die Pferde nach vorwärts drängen oder Manegebewegungen ausführen. Ich erblicke hierin ein diagnostisches Merkmal der Seuche gegenüber den bei Pferden oft vorkommenden irritativen Processen der Pia Mater (acute Hirnhöhlen Wassersucht). Pferde, welche die Staupe mit schwerer Gehirnaffection überstanden haben, bekunden zuweilen noch 2 bis 3 Wochen hindurch Symptome von Hirndruck, welche mit den Merkmalen des Dummkollers Aehnlichkeit haben. Auch kann ein mit chronischer Hirnhöhlenwassersucht (Dummkoller) be­haftetes Pferd, welches von der Staupe befallen wird, eine sehr erhebliche Depression des Bewusstseins bekunden, ohne hierdurch besonders gefährdet zu sein.
3) Störungen im Bereiche der Circulationsorgane.
Gleichzeitig mit dem Eintritt des Fiebers, zuweilen selbst noch einen Tag früher oder auch erst einen Tag später vermehrt sich die Zahl der Pulse, welche im Laufe der nächsten 3 Tage auf 60—70, zuweilen selbst auf 80 und zeitweise sogar bis auf 100 und 120 Schläge in der Minute ansteigen kann. Auch nach Verringerung der Körpertemperatur bleibt eine abnorm hohe Pulszahl häufig
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noch mehrere, selbst 8 Tage und länger bestehen. Die Art. ma.vill. ext. fühlt sich weich an; Pulswelle schwach und niedrig; Herzstoss gewöhnlich in der linken Unterrippengegend fühlbar. Bei conse-cutiver Darmentzündung und beim tödtlichen Ausgange der Krank­heit ist die Art. mcuoill. zusammengezogen (drahtförmig); der Puls schwer fühlbar. — Die Veitheilung des Blutes im Körper wird ungleichmässig. Hiermit steht im Zusammenhang, dass die Eigenwärme der äusseren Haut und auch des Mastdarms bald höher, bald niedriger ist. Bei manchen Pferden zeigt auch die verwaschen gefärbte Conjunctiva eine hellere Röthe, als bei vielen anderen.
4) Störungen im Bereiche der Respirationsorgane.
Das Athmen hat in der Mehrzahl der Fälle nichts Regel­widriges. Bei den hochgradig erkrankten Pferden ist es aber be­schleunigt. Es werden dann 15 — 20, selbst 30 und 40 Respira­tionen in einer Minute ausgeführt. Das bedingende Moment für die Respirationsbeschleunigung liegt in der starken Congestion nach den Lungen und der Pleura, ausserdem aber in der schmerz­haften Affection der Musculatur am Thorax und zum Theil in den Erkrankungen der Subcutis an den Gliedraasscn. Die zuweilen schon im specifischen Stadium eintretende Complication der Broncho-Pneumonie kann selbstredend an der Beschleunigung der Athem-bewegungen einen erheblichen Antheil haben. Einzelne Pferde äussern bei der Exspiration oder beim Druck gegen die Brust­wandung Stöhnen, ohne dass sie mit einer Pleuritis behaftet sind. Zuweilen wird ein kurzer scharfer Husten gehört. Es ist nicht selten zu beobachten, dass die Thiere den Hustenreiz wegen schmerzhafter Empfindungen zu unterdrücken suchen.
Aus der Nase fliesst eine wässerige oder auch eine grauweisse Schleimmasse in geringer Menge. Bei den leicht erkrankten Pfer­den fehlt diese Erscheinung häufig. Durch die Complication einer hochgradigen Lungencongestion und resp. der Broncho-Pneumonic kann in Folge des Eindringens von Blutbestandtheilen in die Bronchien der Nasenausfluss eine gelbliche, klare Beschaffenheit annehmen. Aus dieser Dejection bleibt an den Rändern der Nasen­löcher in Folge der Verdunstung des wässerigen Theils oft ein gelblich-grauer, krümeliger Ansatz zurück. Die Nasenschleirahaut
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ist abnorm stark geröthet und aufgelockert. Gewöhnlich erscheinen die venösen Gefässe derselben mit Blut gefüllt. Bei der fort­schreitenden Verschlimmerung der Krankheit wird die Nasenschleim­haut cyanotisch.
5) Affection der Augen.
Die Conjunctiva ist in der Regel ödematös geschwollen und diffus geröthet, zuweilen in matter Nüancirung, oft aber dunkel-roth und nicht selten gelbroth (in Folge der reichlichen Infil­tration der lockeren Conjunctiva Palpebrarum mit gelblichem Serum). Icterische Beschaffenheit der Conjunctiva wird nur bei der Complication mit Nachkrankheiten (anhaltendem Darmkatarrh) beobachtet. — Die kleinen ßlutgefässe auf der Sklera sind mit Blut gefüllt. Im Beginn der Erkrankung und in den leichten Fällen markirt sich die wässerige Infiltration nur auf der Sklera neben den gefüllten Blutgefässen und in der lockeren Schleimhaut­falte zwischen dem Blinzknorpel und dem Bulbus. Letztere erlangt durch die Infiltration eine hellgraue Färbung. Die Affection der Conjunctiva ist zuweilen so gering, dass sie nur dem Sachverstän­digen erkennbar wird. Selbst bei hoher Pulszahl und erheblicher Temperatursteigerung haben manche Pferde einen freien Blick und kaum ist bei solchen Thieren eine Vermehrung der Thränenflüssig-keit im Conjunctivalsack wahrzunehmen. Entgegengesetzt kann das Oedem der Conjunctiva so bedeutend sein, dass dicke, theils dunkelrothe, theils graue und mattglänzende Falten derselben aus der verengten Augenlidspalte hervorragen. — Häufig erscheint die Cornea, besonders am Rande, getrübt und an der Peripherie der­selben sind die erweiterten kleinen Blutgefässe sichtbar. In der vorderen Augenkammer entsteht bei hochgradiger Affection ein graues, flockiges Exsudat, zuweilen auch ein Erguss von Blut, welches alsbald gerinnt und der Iris adhärirt. Wegen der schmerz­haften Empfindungen im Auge werden bei den höheren Krankheits­graden die Augenlider theilweise oder selbst vollständig geschlossen gehalten. Bei den meisten Pferden ergiesst sich viel Thränen-flüssigkeit aus den inneren Augenwinkeln über die Backen. Mit der längeren Krankheitsdauer zieht sich der Bulbus zurück und aus dem inneren Augenwinkel tritt neben der Thränenflüssigkeit ein weissgraues, dickschleimiges Secret, welches die halb geschlos­senen Augenlider verklebt.
Dieckerhoff, Die Pferdestaupe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3
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6) Störungen im Bereiche des Digestionsapparats.
Mit dem Eintritt der fieberhaften Erkrankung beobachtet man bei vielen Pferden als Folge einer unangenehmen Geschmacks­empfindung wiederholtes Gähnen. Einzelne Pferde lecken mit der Zunge anhaltend an kalten Gegenständen, um den faden Geschmack in der Maulhöhle zu beseitigen. Nach yorgestreutem Kochsalz äussern solche Thiere eine lebhafte Begierde.
Zugleich verringert sich die Aufnahme des Putters. Oft be­steht während eines, selbst während mehrerer Tage vollständige Inappetenz. Dagegen pflegen die Thiere Wasser reichlicli aufzu­nehmen. Bei schwerem Ergriffensein und besonders bei tödtlichem Krankheitsverlauf bekunden die Pferde zuweilen eine unvollstän­dige Lähmung des Schlundkop(es, wobei das Getränk nicht voll­ständig verschluckt werden kann und deshalb zum Theil durch die Nasenlöcher zurückfliesst.
Die Schleimhaut der Maulhöhle hat eine dunkle, zuweilen cyanotische Färbung. Die Zunge ist trocken und belegt, oft mit einem dicken, grauweissen, auch wohl schwärzlich aussehendem Belag bedeckt. Kleine hämorrhagische Stellen an den Rändern der Zunge sind auf Verwundungen zurückzuführen.
Die Fäces sind gewöhnlich in den ersten Tagen der Erkran­kung, häufig sogar während des ganzen Verlaufs normal, nicht selten aber auch etwas röthlich (verwaschen) gefärbt und breiig. Bei schweren Affectionen stellt sich Durchfall ein, der nach 1 bis 2 Tagen wieder aufhört, zuweilen aber sich als Nachkrankheit fortsetzt. Dem Eintritt des Durchfalls geht oft eine leichte Kolik (Scharren mit den Vordergliedmassen) vorher, welche gewöhnlich einige Stunden oder wohl einen ganzen Tag anhält und in ein­zelnen Fällen sich öfter wiederholt. Bevor die Excremente eine wässerige Beschaffenheit annehmen, zeigen viele Pferde Tenesmus. In anderen Fällen entwickelt sich zunächst ein starker Mastdarm­katarrh, wobei der After sich öffnet und die unter Tenesmus ent­leerten Excremente mit dicklich zähem, eiterähnlichem Schleim umhüllt sind.
7) Störungen im Bereiche des Harnapparats.
Der Krankheitsausbildung folgt der Regel nach zunächst eine Verminderung der Harnmenge gegenüber dem durchschnittlichen
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Quantum, welches in 24 Stunden bei gesunden Pferden entleert wird. Die im Stadium des specifischen Fiebers während 24 Stun­den von einem staupekranken Pferde secernirte Harnmenge schwankte bei den von mir ausgeführten Messungen zwischen 1440 und 3430 Gramm. Der Harn ist gelblich, zuweilen fadenziehend und ent­hält meist nur Spuren, mitunter aber eine grössere Menge von Eiweiss. Bei vielen Pferden konnte ich nur an einem Krankheits­tage Eiweiss im Harn nachweisen; an den folgenden Tagen blieb der Harn eiweissfrei. Das specifische Gewicht schwankt zwischen 1020 und 1040. Während der Krankheit findet sich ferner ein grösserer Gehalt von Epithelien und Chlorverbindungen. Bei dem hohen Fieber kann man vermuthen, dass auch die Ausscheidung von Harnstoff vermehrt sei. Eine vergleichende quantitative Ana­lyse, welche Herr Dr. Schaumann auf meinen Wunsch auszu­führen die Güte hatte, ergab aber Folgendes. Von einem am 3. Krankheitstage an der Pferdestaupe leidenden Pferde, dessen Eigenwärme Vormittags 40,2deg; und Nachmittags 39,9deg; betrug, wurden innerhalb 24 Stunden 3260 Gramm Harn entleert, welcher 4,02 Procent, im Ganzen demnach 131,05 Gramm Harnstoff ent-hielt. — Ein gleich schweres, gesundes Pferd entleerte zu derselben Zeit in 24 Stunden 5200 Gramm Harn, in welchem 2,73 Procent, im Ganzen demnach 141,96 Gramm Harnstoff gefunden wurden. — Am 3. bis 5. Krankheitstage wird der Harn oft klar oder schwach gelblich und dünnflüssig; das specifische Gewicht vermindert sich bis auf 1010 und selbst noch mehr. Wenn die Pferde hierbei, was häufig zu beobachten ist, viel Wasser trinken, so wird die Harnsecretion reichlich. Auch drängen solche Thiere oft zum üri-niren. In schweren Krankheitsfällen ist der Harn zuweilen gelb­braun, dicklich-trübe und fadenziehend, reich an Eiweiss, Epithe­lien, weissen Blutkörperchen, kohlensaurem Kalk und Chlorverbin­dungen. Mehrfach sah ich bei hochgradigen Erkrankungen und bei verschlepptem Verlauf, dass der Harn einen oder einige Tage hindurch durch die Beimischung von Blut eine dicklich - trübe, chokoladenfarbene Beschaffenheit besass. Nur bei einem einzigen Pferde habe ich beobachtet, dass sich als Nachkrankheit eine tödtlich verlaufende Nierenblutung einstellte, wobei längere Zeit hindurch grössere Quantitäten Blut aus den Harnwegen ausgeschie­den wurden.
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8) Affection der Skeletmusculatur.
Abgesehen von der im fieberhaften Stadium theils allgemeinen, theils local bestehenden Ermüdung der Körpermusculatur findet sich sehr oft bei den staupekranken Pferden eine steife Haltung des ganzen Körpers und das Bestreben, jede Ortsbewegung mög­lichst zu vermeiden. Die Thiere sind bei dem gewöhnlichen An­treiben nicht von der Stelle zu bringen. In einzelnen Fällen ver­ursacht ein kräftiger Druck mit der Hand gegen die Muskeln (namentlich am Rumpfe) Schmerzen. Der Gang ist entweder ge­spannt und steif oder auch schwankend. Die Pferde sind zu einer energischen Anstrengung der Streckmuskeln momentan nicht mehr fähig. Diese Symptome, welche man nach der traditionellen Deu­tung auf „rheumatischequot; Affectionen bezieht, beruhen theils in mangelhaften Impulsen der motorischen Nerven, theils in schmerz­haften Irritationen der Aponeurosen und zum Theil in entzünd­lichen Ernährungsstörungen, welche die Substanz der Muskeln betreffen.
9) Affection der äusseren Haut.
Bei der Mehrzahl der Pferde, welche in die Krankheit ver­fallen, entwickelt sich an einer oder an mehreren Gliedmassen eine erhebliche diffuse ödematöse Schwellung der Subcutis. Hengste und Wallachen bekunden zuweilen eine gleiche Anschwellung an der Vorhaut. Ebenso findet sich in der Gegend des Brustbeins und bei den schwer erkrankten Pferden auch am Kopfe, nament­lich an den Lippen und am Unterkiefer eine diffuse Intumescenz des Unterhautgewebes. Im Kehlgang besteht gewöhnlich als eine Folge der in den submaxillaren Lymphdrüsen eintretenden erysi-pelatösen Entzündung eine festweiche Geschwulst von Haselnuss-bis Hühnereigrösse. An den Hinterschenkeln sah ich in 2 Fällen Thrombose der V. saphena eintreten, worauf die Schwellung be­deutend zunahm und gelbliches, eiweisshaltiges Serup tropfenförmig aus der Haut hervorquoll.
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C. Verlauf und Ausgang.
a. Regelmassiger Verlauf.
Während der Entwickelungszeit der Krankheit sind bei einein inficirten Pferde keine Abweichungen von dem normalen Verhalten zu bemerken. Am 5., zuweilen erst am 6. oder auch am 7. Tage nach der Aufnahme des Contagiums entstehen gewöhnlich schnell, meist innerhalb eines Tages die wichtigsten Symptome (Temperatur­erhöhung, Pulsfrequenz, Eingenommenheit des ßewusstseins, mangel­hafter Appetit, Lichtscheu mit Thränen der Augen und Schwellung der Conjunctiva). Gewöhnlich geht die Temperatursteigerung den anderen Symptomen in der Ausbildung um einen Tag vorher. Oft wird aber auch die Herzaffection. oder die Verminderung des Appetits oder die Augenaffection zuerst und schon einen Tag früher, als die krankhafte Temperatur beobachtet. Die Acme der Krank­heit wird am 2., zuweilen erst am 3. Tage der offenkundigen Er­krankung erreicht und besteht im Ganzen nur 2 — 3, in schweren Fällen bis 5 und ausnahmsweise 6 Tage. Dann lässt, wenn die Krankheit einen günstigen Verlauf nimmt, das Fieber ziemlich schnell nach, und auch die übrigen Erscheinungen verlieren sich in 2—3 Tagen. Nur die Frequenz des Pulses dauert zuweilen noch länger, und oft vergeht eine Woche, bis die Thiere in ihrem Tem­perament und in der Futteraufnahme die volle Gesundheit wieder zum Ausdruck bringen. Das Verhalten der Respiration, des Pulses und der Temperatur bei günstigem Verlauf ist aus der nach­stehenden Uebersicht von drei Krankheitsfällen ersichtlich.
1) Regelmässiger Verlauf bei einem leicht erkrankten sechs­jährigen Arbeitspferde (Landschlag). Schnelle Reconvalescenz.
Tag:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Respiration: Puls: Temperatur: Bemerkungen:
1.
.
8
40
37,7
Tag der Infectioi
j Vormittag
9
40
37,4 \
,
\ Nachmittag
10
40
37,6 i
f Vormittag | Nachmittag
9
39
37,4 (
Entwickelungszeit
des
Contagiums.
10
40
37,7/
| Vormittag
10
40
37,41
\ Nachmittag
9
40
37,6/
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38
Tag:
Respiration: Puls: Temperatur: Bemerkungen:
'{
Vormittag 9 Nachmittag 10
39
40
40 54
58 62
68 67
62 58
48 44
40 40
37,5
37,6
37,5 39,7
40,1 40,31
40,2 40,41
39,7 38,0
37,7
37,7
37,5 37,6
Entwickelungszeit des Contagiums.
6.
j Vormittagnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 9
\ Nachmittag 16
Vormittag 17
\
Nachmittagnbsp; nbsp; 13
j Vormittagnbsp; nbsp; nbsp; 11
\ Nachmittagnbsp; nbsp; 10
{ Vormittagnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 9
Nachmittagnbsp; nbsp; nbsp; 9
| Vormittagnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 9
\ Nachmittagnbsp; nbsp; nbsp; 9
Krankheitsverlauf.
10.
Reconvalescenz.
{
Vormittag 9 Nachmittag 9
11
2) Regelmässiger Verlauf bei einem schwer erkrankten sieben­jährigen Wagenpferde (Trakehner Zucht). Schnelle Reconvalescenz.
Tag:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Respiration: Puls:
Temperatur: Bemerkungen: _
1-5.
f Vormittag 10nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38
38 38
,0| ,3j
Entwickelungszeit des Contagiums.
\ Nachmittag 10nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38
M
Vormittag 10 Nachmittag 11
44 44
48 48
48 60
72 72
73 74
38,8 39,7
40,1 40,31
39,9 40,1/
40,6! 40,7
40,4 40,3
Krankheitsverlauf.
10.
| Vormittagnbsp; nbsp; nbsp; 16
\ Nachmittagnbsp; nbsp; 16
f Vormittagnbsp; nbsp; nbsp; 20
\ Nachmittagnbsp; nbsp; 20
| Vormittagnbsp; nbsp; nbsp; 20
\ Nachmittagnbsp; nbsp; 21
| Vormittagnbsp; nbsp; nbsp; 16
\ Nachmittagnbsp; nbsp; 16
*
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39
Tag:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Respiration: Puls:
Temperatur: Bemerkungen:
11.
f Vormittag 16nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;80
41,2 41,11
40,3 40,2
38,6
38,5
38,1 38,3,
Krankheitsverlauf.
\ Nachmittagnbsp; nbsp; 16
72
68 54
48 48
48 42
12
{ Vormittagnbsp; nbsp; nbsp; 16
Nachmittagnbsp; nbsp; 16
( Vormittagnbsp; nbsp; nbsp; 14
' \ Nachmittagnbsp; nbsp; 14
ßeconvaloscenz.
14. (1
ormittag Nachmittag
12 11
3) Regel massiger Verlauf bei jährigen Arbeitspferde (Lastpferd), convalescenz.
einem schwer erkrankton zehn-Leichte Verzögerung der Re-
Tag:
Respiration: Puls:
Temperatur: Bemerkungen
1-5.
6-nbsp; nbsp;\
f
7-nbsp; nbsp;1
11
ormittag 20 ichmittag 24
)rmittag 28 Nachmittag 27
38
59 68
74
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87
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72 72
38,3/
Entwickelungszeit des Contagiums.
39,9 40,5
41,3
41,5 1
41,3
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40,7' 41,0
39,5 39,0
38,7 38,8
Vormittag 31 Nachmittag 34
Krankheilsverlauf.
9.
j Vo\ Na
rmittag 27
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10.
{ Vormittag 24 Nachmittag 24
11.
Vormittag 21 Nachmittag 21
{
12.
f Vormittag \ Nachmittu
| Vormittag 14 \ Nachmittag 15
18
68
38,3
17
66
39,1
14
66
38,3
15
61
38,4
Reconvalescenz.
13.
I
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Tag:
Respiration:
40
1
Puls:
Temperatur:
Bemerkungen:
58
37,9 \
59
38,0 j
54
52
38,1 ( 38,4/
Reconvalescenz.
47
38,01
45
38,3/
14.
| Vormittag \ Nachmittag
{ Vormittag Nachmittag
12
12
11 11
15.
16.
Vormittag 11 Nachmittag 11
Es ist als Regel anzusehen, dass die Krankheit einen günstigen Verlauf nimmt. Bei ganz geringen Affectionen sieht man oft neben massiger Temperaturerhöhung nur eine leichte Anhäufung von Thränenflüssigkeit im Conjunctivalsack und geringfügige Beschrän­kung des Appetits, so dass die Thiere kaum ausser Dienst gestellt zu werden brauchen. In diesem geringen Grade tritt die Krankheit in allen grösseren Beständen immer nur bei einzelnen Thieren auf. Niemals manifestirt sich eine Invasion der Seuche in ihrem Gesammt-Charakter auf diese Weise.
Nach dem Einbruch der Pferdestaupe in einen Pferdebestand ist die Zeit, in welcher sich die einzelnen Krankheitsfälle einstellen, von der Verbreitung des Contagiums in dem Stallraum, beziehungs­weise von der Gelegenheit zur Ansteckung abhängig. In ihrem Verlauf als Seuche verhält sich die Pferdestaupe ähnlich, wie die Rinderpest. Der Regel nach verbreitet sich das Gontagium in kurzer Zeit auf eine grössere Zahl von Pferden mit der Wirkung, dass die am meisten empfängliche^ Thiere bald und die am we­nigsten empfänglichen erst später erkranken. Es folgen sich daher in grösseren Beständen die Krankheitsfälle in unregelmässigen Zwischenzeiten einander. Dass im üebrigen die Infection der Pferde durch Gelegenheitsursachen mannigfach begünstigt werden kann, bedarf wohl kaum einer Andeutung. — Wie bei der Rinder­pest, so wird auch bei der Pferdestaupe zuweilen beobachtet, dass in grösseren Beständen die einzelnen Krankheitsfälle nach regel-mässigen Zwischenzeiten von 5 — 8 Tagen eintreten. Insbesondere ist der Seucheverlauf an eine solche Rcgelmässigkeit nicht selten gebunden, wenn die erkrankten Pferde unverzüglich abgesondert werden.
Die Dauer der specifischen Krankheit erstreckt sich in der grossen Mehrzahl der Fälle auf 3—4 Tage. Zuweilen beginnt die
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Genesung erst am 5. und ausnahmsweise erst am 6. Krankheits­tage. — Für die folgenden 4 — 8 Tage ist eine sorgfältige Pflege und Schonung der Pferde erforderlich, weil durch frühzeitige An­strengung in der Reconvalescenz leicht eine gefährliche Schvächung der Herzkraft entstehen kann.
Nach dem regelmässigen Verlauf erfolgt stets eine vollkommene Genesung. Dieser günstige Ausgang erklärt sich durch die That-sache, dass die Krankheitsprocesse in den einzelnen Organen nicht zu Zerstörungen von Gewebsbestandtheilen führen. Bei guter Pflege können die gesund gewordenen Pferde in wenigen Wochen die starke Abmagerung, welche die schwere fieberhafte Aifection mit sich bringt, wieder ausgleichen. In einzelnen Fällen habe ich sogar beobachtet, dass sich der Nährzustand der Pferde später besser gestaltete, als er vor der Krankheit gewesen war.
b. Unregelmässiger Verlauf.
Dass ein Abortiv-Verlauf — wie derselbe bei der Brustseuche der Pferde und bei der Rinderpest nicht selten gesehen wird — bei der Pferdestaupe vorkäme, habe ich nie beobachtet. Die in sehr niedrigem Grade zuweilen auftretende Gesammt-A flection lässt sich füglich nicht unter den Begriff des Abortiv-Verlaufs bringen. In den zahlreichen Fällen aber, welche ich eingehend verfolgte, hat das Fieber sich niemals vor Ablauf der regelmässigen Krank­heitsdauer verloren. — Eine Aendcrung im regelmässigen Verlauf der Pferdestaupe kann zunächst bedingt sein durch die hochgra­dige Störung eines wichtigen Organs.
Es wird nicht selten beobachtet, dass in Folge einer starken parenehymatösen Entzündung des Herzfleisches die Zahl der Pulse auf 100 bis 110 Schläge in der Minute ansteigt. Dabei wird der Puls zuweilen inäqual und arhythmisch, das Athmen dyspnoeisch. Mehrfach sah ich diese hochgradige Herzaffection im Verlauf der Krankheit plötzlich eintreten bei Pferden, die in unzweckmässigen Stallungen untergebracht waren. Wenn die excessive Myocarditis nicht direct zum Tode führt, so kann sie der Ausbildung anderer Complicationen Vorschub leisten. Darin beruht es, dass die Zahl und Beschaffenheit der Pulse in schweren Krankheitsfällen, die durch Folgeleiden noch nicht modificirt sind, die wichtigsten Merk­male für die Prognose abgeben.
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Es kann ferner in dem Krankheitsbilde die Congestion nach dem Gehirn prävaliren. Hierbei senken die Thiere den Kopf tief herab; der Gang ist mühsam, schwankend. Die Thiere sind schwer zum Vorwärtsgehen zu bringen. Starke Benommenheit des Bewusstseins. Schlaffe Haltung, selbst anhaltendes Senken der Ohren. Herabhängen der Lippen, so dass sich die Nasenlöcher nach abwärts verziehen. Auch fressen solche Pferde entweder gar nicht mehr oder nur sehr wenig und mit verlangsamten Kaubewe­gungen. Oft werden kleine Quantitäten Hafer ungekaut herabge­schluckt. Immer ist dabei die schmerzhafte Affection der Augen bedeutend und bisweilen beobachtet man eine Anschwellung an den Lippen, am Unterkiefer und an der Zunge. Bei dieser starken Ausbildung der Kopfcongestion, bei welcher eine erhebliche Puls­frequenz und zuweilen auch eine beschleunigte Respiration fort­besteht, verzögert sich, wenn die Krankheit überhaupt noch einen günstigen Ausgang nimmt, die Reconvalescenz um 2 bis 3 Wochen.
In seltenen Fällen stellen sich bei der Pferdestaupe in Folge einer erysipelatösen Entzündung der Kehlkopfschleimhaut die Zu­fälle cer Halsbräune ein, die so bedeutend sein können, dass die Tracheotoraie gemacht werden rauss.
Eine Verzögerung des regelmässigen Krankheitsverlaufs ent­steht ferner dann, wenn die Anschwellung der Gliedmassen einen bedeutenden Umfang erlangt. Selbst bei einem günstigen Aus­gange vergehen in einem solchen Falle 10 bis 14 Tage und selbst 3 Wochen, bevor die Thiere die Reconvalescenz beendet haben.
Die Complication der Pferdestaupe mit einer Entzündung der Hufmatrix gefährdet das Leben der Thiere durch das anhaltende Liegen und mehr noch durch die hierbei zuweilen unvermeidliche Decubitalgangrän in der äusseren Haut. Bei zeitiger und zweck-mässiger Behandlung wird indess die Complication der Hufrhehe gewöhnlich bald beseitigt.
In ähnlicher Weise kann sich der Verlauf ungünstig gestalten, wenn die erkrankten Pferde zufällig an schmerzhaften Lahmheiten leiden. Bei dem allgemeinen Herrschen der Seuche ist nicht selten zu beobachten, dass krankhafte Zustände der Hufe (Stein­gallen, Zwanghuf) den Verlauf erschweren.
Recidive im Verlauf der Pferdestaupe muss ich nach meinen Erfahrungen zu den Seltenheiten rechnen. Ich habe nur bei zwei durch Lungenentzündung complicirten Krankheitsfällen beobachtet,
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dass in der Reconvalescenz sich plötzlich eine Gruppe von Er­scheinungen einstellte, der ich den Charakter eines Recidivs bei­legen muss. Ueber einen dieser Fälle werde ich in der Casuistik einen ausführlichen Krankheitsbericht mittheilen. Herr Kreisthier-arzt Berndt hat nach einer mir persönlich gemachten Angabe bei zwei Pferden des kaiserlichen Post-Fuhrparks ein Recidiy der Pferde­staupe während der Reconvalescenz eintreten gesehen. — Sehr oft ist dagegen zu beobachten, dass durch frühzeitigen Gebrauch der in der Reconvalescenz befindlichen Pferde bedeutende Störungen der Gesundheit eintreten. Manche Pferde können zwar eine massige Arbeit schon ohne Nachtheil leisten, sobald die Krankheitserschei­nungen aufgehört haben. Bei vielen anderen stellen sich aber am ersten, oder am zweiten, zuweilen sogar erst am dritten und vierten Tage, nachdem die Thiere sich in massigem Grade angestrengt haben, wieder krankhafte Störungen ein. Hierzu gehören: Blutandrang nach dem Gehirn mit Symptomen von Hirndruck, Temperatur­erhöhung, Appetitmangel und Pulsfrequenz, zuweilen auch er­schwertes und beschleunigtes Athmen und in einzelnen Fällen eine starke Muskelschwäche, wobei der Gang schwankend und selbst förmlich taumelnd ist. Die hier angedeuteten Complicationen be­ruhen grösstentheils in Congestivzuständen, von welchen das Herz, die Lungen, das Gehirn, der Darmtractus und die Körpermusku­latur vorzugsweise betroffen werden. Als äussere Ursache der Con-gestionen ist die körperliche Anstrengung zu betrachten, während die Blutdyskrasie und die nervöse Schwäche, deren Ausgleichung in den ersten Tagen nach der Krankheit noch nicht stattgefunden hat, eine Prädisposition für dieselben mit sich bringen.
c. Tödtlicher Aasgang.
Die Beobachtung des Verlaufs bei einer grossen Zahl von Pferden ergiebt, dass etwa 4 Procent der Krankheitsfälle zum Tode führen. Von 1405 kranken Pferden, von welchen ich im gegen­wärtigen Jahre eine zuverlässige Kenntniss erhalten habe, sind 59 zu Grunde gegangen. Bei dieser grossen Zahl wurde aber nicht selten gesehen, dass von 40 bis 50 Pferden 4, selbst 8 fielen, während in anderen Beständen von einer gleich grossen, oder selbst von der doppelten und dreifachen Zahl kein einziger Fall tödtlich verlief.
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Erschwerend für den Verlauf wirkt ganz besonders die Her­anziehung der Pferde zur Arbeitsleistung während der Entwickelungs-zeit der Krankheit und namentlich beim Eintritt der fieberhaften Affection. Ausserdem verursacht die Unterbringung der Pferde in niedrig gelegenen Stallungen oder in schlecht eingerichteten und namentlich mit schlechter Athmungsluft versehenen Standorten ge­wöhnlich eine Verschlimmerung der Krankheitszufälle.
Der letale Ausgang erfolgt entweder im Fastigiwm Morbi oder durch Nachkrankheiten. Im ersteren Falle wird der Tod ver­ursacht durch Paralyse des Herzens und der Lungen oder des Gehirns. Die Herzparalyse findet ihre ursächliche Grundlage in der hochgradigen Myocarditis parencliymatosa. Bei dieser Todesart können die Pferde, wenn sie nicht früh genug, d. h. bei der ersten Entwickelung der krankhaften Störung, ausser Dienst gestellt werden, während der Arbeit plötzlich zusammenbrechen und ver­enden. In den meisten Fällen sieht man aher, dass solche Thiere nach dem Ausbruche des Fiebers noch 2—3 Tage, zuweilen auch selbst 4 Tage leben, dass während dieser Zeit die Zahl der Pulse sich bis zu 80, 90, 100 und 120 Schlägen in der Minute steigert, dass das Athmen 20—30 Mal und selbst noch öfter in der Minute geschieht. Dabei kann eine geringe Futteraufnahme bis kurz vor dem Tode fortbestehen. Ich habe Pferde behandelt, welche noch eine Stunde vor ihrem Tode ziemlich viel Futter verzehrten, sich dann in den Halfter zurücklegten, gleich darauf zusammenbrachen und unter krampfliaften Zufällen in der bekannten Art durch Suffocation zu Grunde gingen. Bei der Section solcher Pferde wird neben der schweren parenehymatösen Degeneration des Herz­fleisches stets eine starke Dilatation des Herzens, namentlich des rechten Ventrikels, Ueberfüllung der Lungen mit dunklem, flüssigem Blut, Lungenödem, schaumige Flüssigkeit in Bronchien und Luft­röhre, Glottisödem und eine starke Blutstauung in den wichtigsten inneren Organen gefunden.
Weniger häufig als durch Herzparalyse sterben die Pferde im Fastigium Morbi an Lähmung des Gehirns. Hierbei entwickelt sich die Krankheit von vornherein unter den gewöhnlichen Zufällen. Aber bald darauf prävalirt die starke Benommenheit des Bewusst-seins, und zuweilen entsteht eine Anschwellung der Haut am Kopfe, sowie Schwellung der Zunge. Zwei bis drei Tage später liegen solche Pferde anhaltend; sie vermögen nur noch mit aller
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Kraftanstrengung den Kopf aufzurichten. Die Depression des Be-wusstseins nimmt zu, die Zahl der Pulse steigt bis auf 90 und 100 Schläge in der Minute, die Respiration wird dyspnoeisch, und der Tod erfolgt bei ruhigem Liegen oder unter leichten Krämpfen in den Streckmuskeln. — Die Nekroskopie bei solchen Patienten ergiebt im Gehirn aussei' einer starken Blutcongestion — bei welcher die grossen venösen Gefässe mit dunklem, flüssigem Blut gefüllt sind — und einer leichten Durchfeuchtung der Pia Mater keine erkennbaren Veränderungen.
d. Complicationen und Nachkrankheiten.
Häufig sind bei der, Pferdestaupe Complicationen und Nach­krankheiten, zu welchen ich folgende rechne.
1) Durchfall.
Schon unter den Symptomen habe ich angeführt, dass die kranken Pferde zuweilen einen oder zwei Tage hindurch breiförmige oder flüssige Excremente absetzen, und dass der Durchfall dann gewöhnlich wieder aufhört. In solchen Fällen kann die Erscheinung zu den Merkmalen gehören, welche eine günstige Wendung (Krisis) der Krankheit anzeigen. Es kommt vor, dass mit dem Eintritt , des Durchfalls am 3. oder 4. Krankheitstage zugleich die Krankheit schnell nachlässt. Zahlreicher sind indess die Fälle, in welchen der Durchfall am 2. oder 3. Krankheitstage vorübergehend besteht, ohne dass Besserung der Pferde eintritt. Daher kann demselben im Allgemeinen eine salutäre Bedeutung nicht beigelegt werden.
Nicht selten dauert der Durchfall länger als 3 Tage, und diese Fälle sind es, welche ich mit Rücksicht darauf, dass den­selben eine erhebliche Entzündung der Darmschleimhaut zu Grunde liegt, iti die Kategorie der Nachkrankheiten stelle. Der Eintritt eines solchen Durchfalls ist zu gewärtigen, wenn nach dem Sinken der Fiebertemperatur eine Pulsfrequenz von mehr als 60 bis 70 Schlägen in der Minute und eine mangelhafte Futteraufhahme fortbestehen. Die Pferde verfallen dabei sichtlich in ihrer Con­stitution. Die Flanken werden aufgezogen. Die Augen treten in ihre .Höhlen zurück. Aus den inneren Augenwinkeln erfolgt ein reichlicher Abfluss von Thränen und dickschleimigem Secret. Die Haut wird hart und legt sich dem Körper fest an. Dabei kann
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die Respiration normal oder beschleunigt sein. Die Peristaltik des Darms wird lebhaft und zuweilen in der Nähe der Pferde hörbar. Beim Eintritt und auch im weiteren Verlauf des Durch­falls machen sich zeitweise Koliksymptome bemerklich. Zuweilen haben die Excremente einen penetranten, stinkenden Geruch. Wenn der After nicht vollständig geschlossen werden kann, fliessen die­selben unwillkürlich ab.
Die Gefahr einer solchen Darmentzündung für das Leben des Thieres ist stets gross, wenn sie auch bei sorgfältiger Pflege und Behandlung oft noch beseitigt werden kann. Neben dem Durch­fall besteht nicht selten die Complication einer schweren Myocar­ditis oder einer multiplen Broncho-Pneumonie, wodurch selbstredend die Prognose verschlechtert wird.
Bei der Complication des Durchfalls habe ich dreimal ein allgemeines Emphysem im subeutanen, sowie im retropleuralcn und retroperitonealen Bindegewebe beobachtet. Dasselbe trat zuerst im Kehlgang und unter dem Kehlkopf in der Unterhaut auf; es ver­breitete sich im Verlauf von mehreren Tagen allmälig über die Region der Ohrdrüsen, an beiden Seiten des Halses und an der Trachea herab über die Intercostalräume und in einem Falle auch auf die Bauchwand. Die Gase füllten die Unterbaut nicht straff aus. Alle- drei Krankheitsfälle nahmen einen tödtlichen Ausgang. Die Nekroskopie ergab neben dem allgemeinen Hauterapliysem auch Gasanhäufung im Mediastinum, sowie an der Wirbelsäule, dem Verlauf der hinteren Aorta folgend, unter der Pleura und dem Peritoneum. Dagegen fand ich in den Lungen, abgesehen von einem Fall, bei welchem in den vorderen Lappen die bei Pferden kurz vor dem Tode sehr häufig eintretende Extravasation von Luft bestand, kein interstitielles Emphysem. Einen von diesen Krankheitsfällen behandelte ich gemeinschaftlich mit dem Herrn Kreisthierarzt a. D. Dominik, einen zweiten mit dem Herrn Thierarzt Fünfhausen junior, und den dritten habe ich in der Klinik beobachtet. Auf den letzteren werde ich im dritten Capitel ausführlich zurückkommen.
Nach meiner Auffassung ist ein solches Emphysem die Folge einer besonderen Fermentwirkung, welche in der lymphatischen Feuchtigkeit des Bindegewebes vor sich geht. Ich bezeichne das­selbe mit Rücksicht auf seine Entstehungsweise und zur besseren Unterscheidung von anderen Arten des Emphysems als „Emphy-
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sema septieumquot;. Auf die zur Erklärung des Zustandekommens derartiger Emphyseme bei Rindern mehrfach behauptete Extra­vasation von atmosphärischer Luft in den Lungen und auf das angebliche allmälige Vorschieben der Luft durch das Mediastinum und an der Trachea herauf in die Subcutis des ganzen Körpers lässt sich die Erscheinung nicht zurückführen. Wer jemals nach einer Hautwunde bei Pferden das durch Muskelwirkung erfolgende Eindringen der atmosphärischen Luft in die Subcutis beobachtet hat, kann bei dem hier fraglichen Emphysem über einen ander­weitigen Ursprung der Gase nicht im Zweifel bleiben. Schon die Thatsache, dass in diesen drei Fällen beim Eintritt des Emphysems die Respiration nicht beschleunigt oder erschwert war, und dass die Subcutis überall nur eine geringe Menge von Gasen enthielt, sich auch nirgends prall anfüllte, muss die Folgerung ausschliessen, dass extravasirte atmosphärische Luft aus den Lungen in das Bindegewebe vorgeschoben sei. — Das Auftreten eines solchen Emphysems halte ich für ein sehr gefährliches Symptom des be­treffenden Krankheitsfalls, weil bei demselben auf eine schwere Dyskrasie des Blutes geschlossen werden kann.
2) Mastdarmkatarrh.
Die schweren Krankheitsfälle compliciren sich oft mit einem heftigen Katarrh der Mastdarmschleimhaut, der sich durch anhalten­den Tenesmus und Entleerung von zähem Schleim zu erkennen giebt. Dabei öffnet sich der After, und mit dem heftigen Drängen wird ein Theil der stark gerötheten und entzündlich geschwollenen Schleimhaut sichtbar. Bei Stuten fliessen die Dejecte oft in die Rima Vulvae, und es kann in Folge dessen eine schmerzhafte Ent­zündung der Scheidenschleimhaut sich ausbilden. — Der Mastdarm-Katarrh kommt nicht selten vor, ohne dass heftiger Durchfall eintritt. Zuweilen geht derselbe der Entstehung des Durchfalls vorher, und oft bleibt er bei den Pferden, die an Durchfall schwer erkranken, fortbestehen.
Wenn die Erkrankung der Mastdarraschleimhaut einen hohen Grad erreicht, so bleibt sie gewöhnlich nach dem Aufhören der übrigen Symptome noch 1 — 2 Wochen fortbestehen. Sie bedingt eine nicht unerhebliche Belästigung der Pferde, die sich deshalb nur sehr langsam von der Krankheit erholen können. Eine gefahr­drohende Bedeutung kann der Mastdarmkatarrh erlangen, wenn
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die betreffenden Pferde gleichzeitig an einer Lungenentzündung er­krankt sind.
3) Broncho-Pneuraonie. Eine erhebliche Schwächung der Herzkraft hat bei der Pferde­staupe stets eine Lungencongestion zur Folge. Der Blutdruck kann so gross sein, dass in einzelnen Abschnitten der Lungen Blutserum durch die Gcfässwände hindurchtritt. Selbst Zerreissungen kleiner Gefässe mit localen hämorrhagischen Infarcten können in schweren Krankheitsfällen entstehen. Da ausserdem durch die krankhafte Blutmischung die allgemeine Ernährung des Körpers schwer geschädigt und die.Muskelthätigkeit beeinträchtigt ist, so steigert sich die Prädisposition für das Zustandekommen von mul­tiplen broncho-pneumonischen Zuständen sehr bedeutend. Dazu kommt, dass ein oberflächlicher Katarrh der Bronchialschleimhaut zu den regelmässigen Bestandthoilen der Krankheit gehört. In Folge der starken Blutcongestion nach den Lungen wird die räum­liche Ausdehnung des entzündlichen Processes von der ßronchial-Schleimhaut auf die Lungensubstanz begünstigt. — Die beschleunigte Respiration, welche die Krankheit in ihrem specifischen Stadium häufig begleitet, kann als ein Merkmal gelten, dass bei dem be­treffenden Krankheitsfall die Gefahr für die Entstehung der ßroncho-Pneumonie gross ist. Als äussere Ursache ist oft das Eindringen von Fermenten oder anderen reizenden Stoffen mit der Inspiration anzusehen. Auch ist ein schneller Temperaturwechsel in der Athmungsluft hierbei nicht ohne Bedeutung.
Nach der Entstehung der Broncho-Pneumonie vermindert sich zuweilen die Zahl der Athemzügc. Dieselbe vermehrt sich erst wieder, wenn durch die Fortsetzung des Entzündungsprocesses auf die Pleura eine consecutive Pleuritis hervorgerufen wird, bei welcher die Tliiere im Momente der Exspiration schmerzhafte Empfindungen (Stöhnen) bekunden. — Constant wird bei dieser Erkrankung das Fortbestehen einer hohen Pulszahl beobachtet, wobei der Puls selbst bis zum herannahenden Tode ziemlich kraftig bleiben kann. Die meisten Thiere sind ausser Stande, ein erhebliches Quantum von Futter zu verzehren. Ein sicheres Merkmal von dem gangrä-nescirenden Charakter der Broncho-Pneumonie liegt in dem Auf­treten des hekannten, eigenartigen, süsslich fauligen Geruchs der Exspirationsluft, neben welchem in den meisten Fällen der Abfluss
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eines dicken, weissgrauen, eiterigen Secrets aus der Nase beobachtet wird. Dabei entwickelt sich nicht selten durch die reizenden Wir­kungen der Dejecte eine Pharyngitis mit Schluckbeschwerden, so dass ein Theil des aufgenommenen Getränks durch die Nase wieder abfliesst. Wenn sich die broncho-pneumonischen Herde vervielfältigen, oder, was dasselbe ist, wenn die Lungen in einem grösseren Umfange erkranken, so sind selbstredend bei der Aus­cultation und Percussion des Thorax die entsprechenden diagnosti­schen Anhaltspunkte zu gewinnen.
Durch die Broncho-Pneumonie wird in jedem Falle der Krank­heitsverlauf erschwert und verzögert. Bedenkliche Zeichen sind eine anhaltende Pulsfrequenz von mehr als 70 pro Minute und dyspnoeisches Athmen. Die krankhafte Erhöhung der Bluttemperatur giebt für die Prognose keinen Maassstab. Gewöhnlich verbleibt die Eigenwärme des Körpers zwischen 38,5 und 39,8deg;, selbst wenn der Krankheitsfall tödtlich verläuft. Der ungünstige Ausgang dieser Complication der Pferdestaupe wird durch den gangränösen Zerfall broncho-pneumonischer Herde bedingt, welcher sich durch wider­lichen Geruch der Exspirationsluft kundgiebt.
Ich habe zwar bei einigen Pferden, welche in einem geringen Umfange an der Broncho - Pneumonie erkrankten und bei der Athmung einen stinkenden Geruch verbreiteten, noch eine Heilung eintreten gesehen. Es kann aber nach meiner Erfahrung auf diesen günstigen Ausgang nur dann einige Hoffnung gesetzt werden, wenn die Thiere bei reger Fresslust bleiben. In allen anderen Fällen führt die Broncho-Pneumonie, sobald die Exspirationsluft einen üblen Geruch hat, zum Tode.
4) Rhehe. Die für die sogenannten rheumalischen Entzündungsprocesse ausserordentlich prädisponirte Huflederhaut ist bei der Pferdestaupe häufig der Sitz einer entzündlichen Reizung. Namentlich sind die­jenigen Krankheitsfälle, bei welchen Schwellungen an den Glied­massen eintreten, von dieser Complication nicht selten begleitet. Schon in dem fieberhaften Stadium pflegen sich die Zufälle derselben an den Vorderfüssen und zuweilen auch gleichzeitig an den Hinterfüssen einzustellen. Die Diagnose ist leicht. Den Pferden wird das anhaltende Stehen erschwert, so'däss sie viel liegen. Beschränkt sich die Affection auf die Vordergliedmassen,
Pieekerhoff, Die Pferdestaupe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4
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so suchen die Thiere die Körperlast auf die Hintergliedmassen zu übertragen. Im Stehen bekunden sie bald auf der einen, bald auf der anderen Gliedmassc stechende Schmerzen. Die Bewegung auf hartem Boden ist schmerzhaft. Wenn die Complication mehr als einige Tage in diesem Grade fortbesteht, so ist das Leben des betreffenden Pferdes schon dadurch erheblich gefährdet, dass das­selbe anhaltend liegen muss, wodurch das Athmen insufficient wird. Auch darf nicht unterschätzt werden, dass solche Pferde beim Stehen wegen der schmerzhaften Empfindungen sich stark anstrengen müssen, dass hierdurch die Circulation erschwert und die Herzschwcäche vergrössert wird. Die Erfahrung beweist aber, dass bei zeitig eingeleiteter thierärztlicher Behandlung die Com­plication in den meisten Fällen beseitigt werden kann, ohne Nach­theile zu hinterlassen.
5) Krouzlähmung. Relativ selten kommt mit der Krankheit eine lebensgefähr­liche Affection der Körpermusculatur zur Ausbildung. Unerheblich ist der paretische Zustand der Muskeln an den Ohren, am Gesicht und an den Lippen. Erschwerend für die schnelle Recreation der Pferde kann schon die anhaltende Schwäche der Kaumuskeln werden. Eine grosso Lebensgefahr bedingt aber die erhebliche Affection der an der Wirbelsäule und am Becken gelegenen Muskeln. Durch dieselbe sind die Thiere genöthigt, anhaltend zu liegeu. Hierbei wird das Athmen insufficient; es vermehrt sich die Herzschwäche, und die Thiere gehen am 2. bis 4. Tage nach Eintritt der Kreuz­lähmung suffocatorisch zu Grunde. Das momentane Unvermögen der staupekranken Pferde zum sclbstständigen Aufstehen ist für die Diagnose der Kreuzlähmung noch kein significatives Merkmal. Wenn aber solche Pferde, die mit einer schweren Affection des Gehirns oder der Gliedmassen nicht behaftet sind, auch bei zweck-mässiger Hülfe sich nicht emporrichten können, so ist auf die in Rede stehende Complication zu schliessen. Mit dem Nachweise derselben wird die Prognose schlecht. Ich beobachtete bei der diesjährigen Invasion der Seuche drei in diese Kategorie gehörende Krankheitsfälle, welche trotz sorgfältiger Behandlung und Pflege einen tödtlichen Ausgang nahmen.
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6) Multiple Abscessbildung in der Haut.
Arbeitspferde sind sehr oft am Halskamm, am Rücken, an der Brust und an den Gliedmassen mit veralteten, aber nicht voll­ständig verheilten oberflächlichen Wunden bedeckt. Unter dem Einfluss der bei der Pferdestaupe bestehenden schweren Beein­trächtigung der Constitution entwickelt sich in solchen wunden Hautstellen leicht eine Eiterung und Abscessbildung. Dasselbe wird beobachtet, wenn bei schweren Krankheitsfällen die Haut durch Druck des Halfters oder des Deckengurts, sowie durch Auf­liegen oder andere Ursachen an einzelnen Stellen eine Quetschung erleidet. Der Eiter, welcher hierbei erzeugt wird, hat eine dünn­flüssige Consistenz und eine graue Farbe. Von den kranken Haut­partien aus vollzieht sich zuweilen eine Infection der Lymphgefässe und eine eiterige Entzündung in den zunächst gelegenen Lymph­drüsen.
Die in Rede stehende Abscessbildung in der Haut ist an und für sich gerade nicht lebensgefährlich und bei beschränktem Um­fange, sowie bei zeitig angeordneter Behandlung gewöhnlich auch mit Erfolg zu bekämpfen. Allein es darf hierbei nicht übersehen werden, dass diese Complication meist nur bei den hochgradigen Krankheitsfällen vorkommt, dass durch dieselbe die allgemeine Körperschwäche gesteigert und die Geneigtheit zur Ausbildung einer Broncho-Pneumonie vergrössert wird. Zu berücksichtigen ist ferner, dass die eiterigen Entzündungsprocesse an den Gliedmassen (in der Fesselregion) und am Widerrist sich in die Subcutis er­strecken können, was nicht blos die Heilung ausserordentlich er­schweren und verzögern, sondern auch die Veranlassung zu einer tödtlichen Sephthämie und seeundären (embolischen) Erkrankung innerer Organe sein kann.
7) Urticaria. Unerheblich ist der auch nur selten im Verlauf der Pferde­staupe auftretende Nesselausschlag. Ich habe diese Complication nur in drei Krankheitsfällen beobachtet, die einen günstigen Ver­lauf hatten. Die Genesung der Pferde wurde durch den Ausschlag nicht aufgehalten. Für die Erklärung der Urticaria erübrigt nur, auf die Wirkung einer vorübergehend im Blute befindlichen eigen­artigen Substanz zurückzugreifen, deren Eigenschaften indess nicht
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näher bekannt sind. Vielleicht ist das Auftreten des Nessel­ausschlags bei der Pferdestaupe auch nur als die Folge zufällig vorkommender Einflüsse anzusehen.
D. Contagium.
a. Entstehung.
Die Untersuchungen, welche ich über das Auftreten der Pferde­staupe zu machen Gelegenheit hatte, können die Anschauung nicht unterstützen, dass das Contagium ausserhalb des Organismus kranker Thiere erzeugt wird, oder mit anderen Worten, dass die Seuche einen miasmatisch-contagiösen Charakter hat. In Deutschland ist die Krankheit immer nur durch Ansteckung verbreitet worden. Das Contagium haftet bei Pferden ausserordentlich leicht. Es übertrifft in dieser Leistung noch den Ansteckungsstoff der Rinder­pest und der Pocken bei den betreffenden Thiergattungen. Bei dem frequenten Verkehr mit Pferden im westlichen Europa und bei der Mannigfaltigkeit, in welcher eine directe und indirecte Be­rührung der Pferde unter einander sich täglich ereignet, fehlt es daher nicht an den Bedingungen zu einer schnellen und umfang­reichen Verbreitung der Seuche. Irrthümlicher Weise hat sich bei vielen Pferdebesitzern der Glaube an die spontane Entstehung der Krankheit mit derselben Hartnäckigkeit erhalten, mit welcher religiöse Dogmen vertheidigt zu werden pflegen. Wenn auch die Zeiten vorüber sind, in welchen das Erscheinen eines Kometen, das Auftreten von Erdbeben oder die Invasionen von Heuschrecken-schwärmen als Ursachen von Seuchekrankheiten unter den Haus-thieren geltend gemacht werden konnten, so besteht doch auch heute noch in weiten Volkskreisen das Vorurtheil, dass durch „er­hitzende Futterstoffequot; und durch besondere Eigenschaften der atmo­sphärischen Luft ansteckende Thierkrankheiten originär entstehen sollen. Wissenschaftlich sind solche Meinungen längst nicht mehr berechtigt.
Als eine eminent ansteckende und specifische Krankheit kann die Pferdestaupe nur aus den concreten Wirkungen eines eigen­artigen Contagiums hervorgehen. Eine andere Quelle als der
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Organismus eines von der Staupe befallenen Pferdes, lässt sich aber thatsächlich für die Entstehung des Contagiunas nicht darthun. So lange ein anderer Ursprung nicht erwiesen wird, erübrigt für die Discussion der Aetiologie nur die Annahme, dass die Pferde­staupe eine Contagion ist, die sich in Europa oder in anderen Welttheilen beständig erhält und in der Gegenwart nicht mehr spontan entsteht. Dass das Contagium sich in südlich gelegenen Ländern wahrscheinlich leichter conservirt, als in nördlichen, kann nach der Analogie anderer Seuchen zugegeben werden. Mit anderen Contagionen hat die Pferdestaupe gemeinsam, dass sie sich nach kürzeren oder längeren Zwischenzeiten mit ausserordentlioher Heftig­keit über weite geographische Gebiete verbreitet und den grössten Theil der Pferde, welche der Ansteckung ausgesetzt sind, befällt. Zur Erklärung dieser Thatsache lässt sich nur die Hypothese an­führen, dass der Ansteckungsstoff, dessen materielles Substrat als ein organischer Körper gedacht werden muss, unter günstigen Be­dingungen besondere biologische Eigenschaften annimmt, welche ihn zu den bezeichneten heftigen Wirkungen befähigen.
Ein bestimmt umgrenzter Landstrich, in welchem die Pferde­staupe dauernd herrschte und aus welchem von Zeit zu Zeit ihre Verschleppung nach Europa und speciell nach Deutschland statt­fände, ist bisher nicht ermittelt worden. Freilich hat man sich gelegentlich der früheren Invasionen um die Herkunft der Seuche nicht viel gekümmert. Es erschien ausreichend, das weit ver­breitete Herrschen derselben mit einer zwar nicht nachweisbaren, aber desto mehr vermutheten, schädlichen Beschaffenheit der atmo­sphärischen Luft oder mit der spontanen Entstehung von Miasmen in Verbindung zu bringen. Thatsächlich ist die Krankheit früher zu wiederholten Malen über die östliche Landesgrenze in Deutsch­land eingedrungen. Aber es lässt sich bei dem gegenwärtigen Stande der Forschung nichts darüber aussagen, ob sie nicht zu­weilen auch aus westlichen und südlichen Ländern uns zugebracht worden ist. Von einem Seuchengange im Sinne der früheren Autoren, welche der Ansicht waren, dass die ansteckenden Krank­heiten bei Thieren und Menschen in Folge kosmischer Potenzen einen bestimmt vorgezeichneten geographischen Zug bei ihrer Ver­breitung verfolgen müssten, kann gegenwärtig nicht mehr die Rede sein. In ihrer Ausbreitung folgt die Pferdestaupe so gut wie die Rinderpest dem Handel und Verkehr. Wenn der Ansteckungsstoff
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nicht in westlicher Richtung verschleppt wird, so kommt in den betreffenden Gegenden die Krankheit auch nicht zum Ausbruch. Nach jeder Himmelsrichtung ist die Verbreitung der Seuche mög­lich, sobald durch den geschäftlichen Verkehr mit Pferden die Gelegenheit zur Verschleppung des Ansteckungsstoffs gegeben ist. Wie schwierig die Ermittelung des Ursprungs der Pferdestaupe ist, lehrt am besten die gegenwärtige Invasion. Im Prühjahr 1881 erschien die Seuche in Frankreich; sie überzog fast gleichzeitig auch Deutschland. Ob sie aber mit Pferdetransporten aus dem östlichen oder südöstlichen Europa nach den westlichen Ländern gehracht oder auf anderem Wege eingeschleppt ist, kann aus den Mittheilungen in der neuesten Literatur nicht einmal mit einiger Wahrscheinlichkeit angedeutet werden. Ein solcher Zustand er­innert sehr lebhaft an die Verhältnisse, unter welchen die Rinder­pest während des vorigen Jahrhunderts in Europa herrschte. Viele Jahrzehnte hindurch war die Ansicht allgemein, dass die Rinder­pest im westlichen Europa spontan entstehen könne. Mit unge­heurer Anstrengung ist die Thatsache, dass die Heimath derselben in Asien ist und dass sie auch dort nicht von selbst entsteht, für die öffentliche Meinung allmälig erobert worden. Wäre hierbei den beharrlichen und folgerichtigen Darstellungen einzelner Gelehrten nicht das Resultat zu Hülfe gekommen, welches die energische Durchführung der Schutzmassregeln erwirkte — es würde vielleicht heute noch an die Entstehung der Rinderpest aus übermässigen Anstrengungen und allerlei diätetischen Schädlichkeiten geglaubt. Schwerlich wird der veterinär-polizeiliche Apparat jemals die Er-kenntniss von dem Ursprung der Pferdestaupe in gleichem Grade fördern. Nichtsdestoweniger gebe ich mich der Hoffnung hin, dass durch exacte Mittheilungen der Thierärzte das Eindringen der Seuche aus einem bestimmten Ursprungslande bei den einzelnen Invasionen in Zukunft mit objectiver Genauigkeit aufgedeckt wird. Der Wissen­schaft, welcher die Erforschung der Wahrheit Selbstzweck ist, wird hieraus ein nicht unerheblicher Nutzen erwachsen.
In dem Organismus eines von der Staupe befallenen Pferdes wird das Contagium nur während einer kurzen Zeit producirt. Seine Bildungsstätte ist das Blut. Dass es sich im Blute findet, habe ich experimentell festgestellt. Vom Blute scheint das Con­tagium in die Secrete der Respirationsschleimhaut überzugehen. Durch diese Annahme erklärt sich die Thatsache am leichtesten,
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dass durch die Exspirationsluft die Ansteckung vermittelt wird. Es ist nicht wahrscheinlich, dass das Contagium aus dem Blute direct in die Residuärluft der Lungen übertritt. Dass es in alle Secrete des thierischen Körpers eindringt, ist zwar nach dem ana­logen Verhalten anderer Seuchen anzunehmen, aber nicht mit Sicherheit zu sagen. Sehr wahrscheinlich kann auch durch den frisch entleerten Harn und durch die Darmexcremente eines kranken Pferdes die Ansteckung eines gesunden Pferdes bewirkt werden. Wegen der ausserordentlich geringen Tenacität des Contagiums ist eine derartige Vermittelung der Infection für die Praxis indess allem Anschein nach unerheblich. Gewöhnlich erfolgt die Ver­breitung der Seuche nur durch die Athmungsluft.
In der Zeit von 5—7 Tagen, welche der Regel nach zwischen der Infection und dem Hervortreten der ersten Krankheitssymptome liegen, findet eine Ansteckung gesunder Pferde nicht statt. quot;We­nigstens habe ich keine Beobachtung gemacht, welche die Richtig­keit dieses Satzes beeinträchtigen könnte. Auch am ersten Tage der offenkundigen Erkrankung ist die Ansteckungsfähigkeit sicher noch sehr gering. Ich habe oft gesehen, dass ein frisch erkranktes Pferd r2 bis 15 Stunden in der engsten Berührung mit gesunden Pferden blieb, und dass die letzteren hierbei nicht inficirt wurden. Wenn aber ein Pferd am zweiten Krankheitstage mit gesunden Pferden in die geeignete Berührung kommt, so erfolgt in der Regel die Ansteckung. Kaum bedarf es hiernach eines besonderen Hin­weises darauf, dass die Zeit, in welcher die Infectionsfähigkeit eines kranken Pferdes ihren Anfang nimmt, nicht ganz genau be­zeichnet werden kann. Die Thatsache aber, dass die Pferde im Beginn der Erkrankung noch nicht oder wenigstens nicht leicht anstecken, ist für die Therapie von so ausserordentlicher Wichtig­keit, dass ich dieselbe hier hervorheben muss. In grösseren Pferde­beständen lässt sich durch die sofortige strenge Absonderung der frisch erkrankten Thiere häufig ein grosser Theil des Bestandes vor der Ansteckung schützen.
Schwieriger als die Zeitbestimmung für den Anfang der An­steckungsfälligkeit eines kranken Pferdes und oft auch mit einer grösseren Verantwortlichkeit für den praktischen Thierarzt ver­bunden — ist die Beurthcilung des Termins, mit welchem bei einem von der Staupe genesenen Pferde die Ansteckungsfähigkeit sicher aufhört. Nach meinen Beobachtungen kann ich nur an-
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führen, dass dieser Termin bei den leichten Krankheitsfällen früher eintritt, als bei den schweren. Ich liess ein Pferd, welches am 16. August die ersten Krankheitssymptome äusserte und nach 4 Tagen schnell reconvalescirte, am 25. August — nachdem es zuvor mit reiner Halfter und Decke versehen war — zu zwei ge­sunden Pferden stellen. Letztere sind nicht angesteckt worden. Entgegengesetzt habe ich constatirt, dass Pferde, deren Genesung nach schwerer Affection sich durch Nachkrankheiten verzögerte, noch 15 Tage nach dem Eintritt der offenkundigen Krankheit ge­sunde Pferde inficirten.
Hiernach kann das Contagium, wenn das specifische Stadium bereits abgelaufen ist, noch eine verschieden lange Zeit in dem kranken Organismus conservirt werden. Auf Grund meiner Er­fahrungen glaube ich indess nicht, dass diese Zeit viel über 10 bis 15 Tage hinausgeht.
b. Vehikel und Verbreitungswege.
Die klinische Beobachtung ergiebt schon, dass die feuchte Exspirationsluft kranker Pferde der gewöhnlichste Träger des Con-tagiums ist. Bei dem längeren Herrschen der Seuche in den letzten Monaten bot sich mir eine reiche Gelegenheit, diese Beobachtung experimentell zu prüfen. Ich constatirte hierbei, dass ein voll­kommen gesundes Pferd schon angesteckt wird, wenn es mit einem staupekranken Pferde während einer Minute in solche Berührung gebracht wird, dass zwischen den Köpfen beider Thiere nur ein Abstand von Va Meter bleibt. Bei grösserer Annäherung erfolgt die Infection noch sicherer. Immer kommt es hierbei darauf an, dass das gesunde Pferd einen Theil von der exspirirten Luft des kranken einathmet. Dass bei einer gleich engen Berührung ver­schiedene Pferde dennoch nicht angesteckt werden, ist schon nach dem analogen Verhalten anderer contagiöser Krankheiten erklär­lich. Erfahrungsgemäss vollzieht sich aber die Verbreitung der Seuche durch Einschleppung des Contagiums in einen gesunden Pferdebestand am meisten dadurch, dass ein einzelnes Pferd des betreffenden Bestandes sich in der angedeuteten Art inficirt. Auf den Droschken- und Omnibushalteplätzen grosser Städte, beim An­halten von Fuhrwerken, welche sich begegnen, ferner an den Be­schlagschmieden, auf Pferdemärkten, an den Gasthöfen und bei
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vielen anderen Gelegenheiten kommt ein krankes oder in der Re-convalescenz befindliches Pferd in die unmittelbare Nähe eines gesunden, wodurch das letztere mit dem Keim der Krankheit be­haftet wird. Durch die üebcrführung des angesteckten Pferdes in einen grösseren Pferdebestand ist die Bedingung zur weiteren Ver­breitung der Krankheit gegeben. Wenn die Seuche in einer Gegend schon einige Zeit geherrscht hat, so wird nicht selten ein von der Krankheit frisch befallenes oder in der Reconvalescenz sich befin­dendes Pferd verkauft und direct zu gesunden Pferden hinzugebracht. Bei der letzten Invasion zu Berlin ist in dieser Art die Seuche häufig auf gesunde Pferde übertragen worden.
Innerhalb eines Stallraums, in welchem sich mehrere Pferde befinden, kann die Infection auch dann zu Stande kommen, wenn die Thiere nicht unmittelbar neben einander stehen. Soweit diese Fälle nicht auf die mittelbare Verschleppung des Ansteckungsstoffs durch Zwischenträger zu beziehen sind, ist es die feuchte Athmungs-luft, welche die Uebertragung des Contagiums vermittelt. In dieser Verbreitungsweise verhält sich der Ansteckungsstoff der Pferde­staupe genau so, wie das Contagium anderer Seuchen (Lungen­seuche, Rinderpest). Dass die von dem Infectionsherde weiter entfernten Pferde häufig früher erkranken, als die nächstgestellten, erklärt sich einerseits aus einer zufälligen Anhäufung von Con­tagium in einzelnen Abtheilungen des Stallraums, anderseits durch die Verschiedenheit in der Empfänglichkeit der Pferde.
Je länger ein gesundes Pferd mit einem kranken in Berührung ist, um so sicherer wird die Ansteckung bewirkt. Pferde, welche 5 bis 6 Stunden oder eine Nacht hindurch in einem Stalle neben einem staupekranken Pferde standen, wurden immer angesteckt. Wenn aber zwischen dem gesunden und kranken Pferde im Stalle ein grosser Abstand blieb, so erfolgte trotz mehrstündigen Auf­enthalts der gesunden Pferde gewöhnlich keine Infection.
Das Contagium kann mit der Exspirationsluft kranker Pferde in lockere, poröse Gegenstände eindringen und sich in denselben eine kurze Zeit keimfähig erhalten. Nicht selten wird durch die mit der Verpflegung kranker Pferde beschäftigten Kutscher und Wärter die Uebertragung der Krankheit vermittelt. Dies geschieht indess nur, wenn die Personen von den kranken Pferden sich direct zu den gesunden begeben. Letztere nehmen das Contagium mit der Inspiration aus der Kleidung der Wärter auf. In einem Falle
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wurde die Verschleppung des Contagiums durch einen Kutscher bewirkt, trotzdem der Stall, in welchem das gesunde Pferd stand, 60 Schritt von dem Raum entfernt war, in welchem sich die kranken Pferde befanden. Jede anderweitige Berührung musste ich nach den angestellten Ermittelungen ausschliessen. Sehr oft habe ich die mittelbare Uebertragung der Seuche durch Personen nachweisen können, wenn die gesunden Pferde in isolirten Ställen 30 — 50 Schritt entfernt von den kranken Pferden untergebracht waren.
Aus diesen Beobachtungen folgt, dass das Contagium durch die exspirirte Luft der kranken Pferde auf eine kleine Entfernung fortgeschleudert und in der feuchtwarmen atmosphärischen Luft eine Zeitlang conservirt werden kann. Die Grosse dieser Entfernung, für welche sich zwar ein allgemein zutreffendes Maass nicht mit Bestimmtheit angeben lässt, ist zweifellos nicht bedeutend. Um in dieser Hinsicht eine Thatsache zu ermitteln, liess ich fünf staupekranke Pferde nacheinander während 14 Tage in Laufställe bringen, deren Doppelthüren mit der oberen Hälfte geöffnet blieben, so dass die Pferde den Kopf häufig durch die Thüröffnung in's Freie brachten. Nun wurden 3 gesunde Pferde in einer Entfernung von 4 Schritt täglich zweimal an den Stallthüren, in welchen die Kranken standen, vorbeigeführt. Alle 3 Pferde sind hierdurch nicht angesteckt worden. Wenn dieser Versuch auch an sich nicht viel bedeutet, so ist er doch geeignet, die allgemeine Erfahrung zu unterstützen, nach welcher das Contagium nur in geringem Grade „flüchtigquot; ist. In der atmosphährischen Luft erfolgt nach kurzer Zeit entweder die directe Vernichtung oder eine so hoch­gradige Verdünnung desselben, dass es seine Keimkraft verliert.
Ueber die Verschleppung des Contagiums durch Zwischenträger habe ich ausser den angeführten Beobachtungen, nach welchen die Kleider von Personen eine Ansteckung vermitteln, bisher keine Gelegenheit zur Feststellung von klinischen Thatsachen gehabt. Aber ebenso gut, wie in Kleidungsstücken, kann auch in Stroh, Heu und anderen Substanzen die Keimfähigkeit des Ansteckungs­stoffs sich eine Zeitlang erhalten. Es sind mir zwar in p-axi keine Fälle vorgekommen, deren Entstehung mit Sicherheit auf die an­gedeutete Mitwirkung solcher Vehikel zu beziehen gewesen wäre. Allein die Richtigkeit dieser Annahme wird durch das Resultat eines Versuchs demonstrirt, welchen ich anstellte. Ich Hess
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am 16. September eine fünfjährige Stute in einen Stall bringen, aus welchem eine Stunde vorher ein staupekrankes Pferd heraus­genommen war. Die Stallthür blieb offen stehen. Die Lagerstreu des kranken Pferdes wurde aber nicht entfernt. Das Versuchspferd, welches 2 Tage in dem Stalle belassen wurde, inficirte sich hier­durch und verfiel am 23. September in die Pferdestaupe, welche einen günstigen Verlauf nahm.
c. Empfänglichkeit.
Eine pathogene Wirkung scheint das Contagium der Pferde­staupe nur bei den Einhufern hervorbringen zu können. Girard u. A. sahen ausser den Pferden auch Esel und Maulthiere in die Krankheit verfallen. Da die letzteren in Berlin und Umgegend nur in geringer Zahl gehalten werden, so hatte ich bisher keine Gelegenheit, den Verlauf der Krankheit bei denselben zu verfolgen. Aus Gründen, die auf der Hand liegen, lässt sich annehmen, dass der Charakter der Seuche bei Eseln und Maulthieren gleich ist, wie bei Pferden.
Bisher ist nicht beobachtet worden, dass ausser den Einhufern andere Thiere an der Pferdestaupe erkrankt sind. Ob dies ganz unmöglich ist, wird erst durch absichtliche Ansteckungsversuche aufgeklärt werden können. Ohne diese Prüfung dürfte die negative Beantwortung der Frage voreilig und ünmotivirt sein. Ich erinnere nur daran, wie lange es gedauert hat, bis die pathogene Wirkung des Rinderpest-Contagiums bei Schafen und anderen Wiederkäuern bekannt wurde, trotzdem die Rinderpest fast 150 Jahre hindurch und nicht selten ganz allgemein in Europa geherrscht hatte.
Kaninchen besitzen gegen das Pferdestaupe-Contagium eine Immunität, wie ich aus meinen Impfungsversuchen folgern muss.
Mit gleicher Sicherheit lässt sich behaupten, dass der Mensch keine Empfänglichkeit für das Contagium hat. Sonst würde bei den Wärtern und Kutschern, sowie bei den Thierärzten, welche sicher gelegentlich der Untersuchung und Behandlung staupekranker Pferde oft in die Lage kommen, das Contagium in ihre Athmungs-organe zu bringen, eine Infection schon beobachtet sein.
Das Alter der Pferde bedingt keinen nachweislichen Unter­schied in der Empfänglichkeit. Indess will ich nicht unerwähnt lassen, dass ich keine Gelegenheit gehabt habe, die Erkrankung
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junger Pferde unter 1 Jahr zu beobachten. Nach dem Charakter der Seuche setze ich aber keinen Zweifel darin, dass auch die jungen Fohlen der Infection zugänglich sind.
Hinsichtlich des Geschlechts ist ebenfalls ein Unterschied in dem Grade der Erkrankung nicht zu bemerken.
Auch die besondere Race der Pferde hat keinen Einfluss auf die Disposition für das Contagium. Sowohl 1871, als im Verlauf des gegenwärtigen Jahres habe ich beobachtet, dass die edlen orientalischen und englischen Pferde in denselben Graden und Complicationen von der Staupe befallen wurden, wie die schweren Arbeitspferde und die Landschläge.
Ebensowenig wird die Wirksamkeit des Contagiums durch den Nährzustand der Pferde in einer erkennbaren Weise beeinflusst. Ich sah in sehr vielen Fällen die mit Mais oder Hafer intensiv ernährten Pferde, und darunter solche, die förmlich gemästet waren, gerade so schwer erkranken, als magere Droschkenpferde und leicht gefütterte Ackerpferde. Im Allgemeinen ist auch die relativ schwere Affection einzelner Organe von dem Nährzustande nicht bedingt. Indess kommt, wie ich mehrfach festzustellen Ge­legenheit hatte, bei einer schweren Erkrankung alter und magerer Pferde die Complication der Broncho-Pneumonie häufiger vor, als sie in gleichem Krankheitsgrade bei den gut genährten Pferden beobachtet wird.
Zu den Anschwellungen der Haut an den Gliedmassen incliniren ältere Pferde, welche an chronischen Entzündungszuständen der Sehnenscheiden und Gelenke oder der Subcutis leiden, im Allge­meinen mehr, als junge, kräftige und fehlerfreie Pferde. Dies schliesst aber selbstredend nicht aus, dass auch bei den letzteren eine erhebliche Hautaffection eintreten kann.
Es ist von mir keine Beobachtung gemacht worden, welche dafür sprechen könnte, dass die Empfänglichkeit der Pferde für das Pferdestaupe-Contagium durch die vorhergehende Behaftung mit einer anderen fieberhaften Krankheit getilgt oder abgeschwächt würde. In den Frühjahrsmonaten 1881 kamen in der Klinik viele Fälle von Brustseuche (ansteckende Lungen-Brustfellentzündung) zur Behandlung. Als nun Anfangs Juni die Pferdestaupe auftrat, befanden sich in einem Stalle der Klinik noch 2 Pferde, welche die Brustseuche überstanden hatten und in der Reconvalescenz be­griffen waren. Zu denselben wurden mehrere staupekranke Pferde
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gestellt. Beide Pferde haben sich hierdurch inficirt und die Staupe mit regelmässigem und günstigem Verlauf durchgemacht, trotzdem sie kurz vorher an der Brustseuche in erheblichem Grade gelitten hatten.
Durch diese Beobachtung wird zugleich die specifische Ver­schiedenheit zwischen der Pferdestaupe und der Brustseuche dar-gethan.
Mehrfach habe ich auch gesehen, dass Pferde, welche an der ausgebildeten Druse gelitten hatten und 2—3 Wochen später sich inficirten, in die Pferdestaupe verfielen.
Bei der Eruption der Seuche in einem grösseren Pferdebestande wird fast immer beobachtet, dass ein bald kleinerer, bald grösserer Theil von den Pferden nicht erkrankt, trotzdem die Gelegenheit zur Ansteckung vorhanden ist. Zuweilen bleiben 20 pCt., oft auch nur 2—3 pCt. übrig. Im Ganzen kann ich aus meinen Beobach­tungen das Resultat ziehen, dass bei einer allgemeinen Verbreitung der Seuche im Durchschnitt etwa 10 pCt. der inficirten Bestände verschont bleiben, wenn die Isolirung der kranken Thiere auch nicht mit der Energie geschieht, dass hierdurch die Ansteckung unmöglich würde. Bei weiteren 15 pCt. nimmt die Krankheit einen relativ günstigen Verlauf, so dass die Thiere ausser der Temperaturerhöhung nur geringe Pulsfrequenz und Appetitmangel zeigen und kaum für einige Tage einer vollständigen Ruhe be­dürfen. Diese Thatsachen sind auf eine Verschiedenheit in der individuellen Disposition der Pferde zurückzuführen, für welche eine anatomische Erklärung nicht gegeben werden kann. Möglich ist auch, dass der Ansteckungsstoif bei längerem Herrschen der Seuche in einem Gehöfte aus rein localen Gründen allmälig degenerirt, so dass die zuletzt noch übrigen gesunden Pferde wegen der geringen Virulenz des Contagiums nicht mehr inficirt werden, üebrigens hat die Pferdestaupe diese Eigenthümlichkeit mit vielen anderen Seuchen der Menschen und Thiere gemeinsam.
Durch die einmalige Erkrankung an der Pferdestaupe erlangen die Pferde eine Immunität gegen das Contagium. Ich habe in einer grossen Zahl von Fällen die gesund gewordenen Pferde mehrere Wochen hindurch mit staupekranken zusammengestellt. Sie waren gegen jede weitere Ansteckung geschützt. Auch sub-cutane Injectionen von Blut staupekranker Pferde hatten bei den genesenen Pferden keine nachtheiligen Wirkungen.
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Nach dem Verhalten anderer Seuchen zweifle ich nicht, dass einzelne Pferde, welche die Krankheit in einem sehr geringen Grade gehabt haben, nur kurze Zeit vor einer wiederholten Infection ge­schützt sein werden.
Wie lange die Immunität gegen das Contagium bei einem von der Staupe befallen gewesenen Pferde vorhält, ist nach der bisherigen Erfahrung nicht zu entscheiden. Vielleicht dauert der Schutz bei einer ganz geringfügigen Erkrankung nur ein Jahr, wie bei der Aphthenseuche des Rindes nicht selten gesehen wird. Vielleicht umfasst er ähnlich wie bei den Pocken der Schafe als Regel die ganze Lebenszeit der Pferde, so dass nur ausnahmsweise eine zweite Erkrankung bei denselben Thieren vorkommt. Es ist wünschenswerth, dass die praktischen Thierärzte die Entscheidung dieser Frage durch sorgfältige Beobachtung des Seucheverlaufs in Beständen, in welchen die Krankheit einmal geherrscht hat, fördern mögen. Freilich dürfte dazu die neue Invasion der Seuche in einer Zeit gehören, in welcher erkrankt gewesene Pferde noch vor­handen sind.
d. Intensität.
Mehr als durch die constitutionelle Anlage ist die Verschiedenheit des Krankheitsgrades durch die Quantität und Qualität des ein­verleibten Contagiums bedingt. Dass äussere Ursachen, namentlich der Aufenthalt in schlecht gelegenen Stallungen, ferner die Unter­bringung einer grossen Zahl von kranken und gesunden Pferden in einem Stalle, die Anstrengung der inficirten Pferde beim Eintritt der Erkrankung, sowie schmerzhafte Lahmheiten die pathogenen Wirkungen des Contagiums vermehren können, ist bereits bei der Erörterung des Krankheitsverlaufs erwähnt worden.
Allein abgesehen von diesen Momenten habe ich gefunden, dass in einzelnen Pferdebeständen die meisten Thiere schwer er­krankten, während in anderen Beständen, in welchen die Behand­lung und Pflege nicht anders bewirkt wurden, grösstentheils nur leichte Krankheitsfälle vorkamen. Selbst innerhalb grösserer Pferde­bestände können solche Verschiedenheiten vorkommen. Von einigen Beobachtungen, die ich hierüber machte, will ich nur eine kurz hervorheben. Im September 1881 behandelte ich gemeinschaftlich mit dem Herrn Thierarzt Fünfhausen junior die Pferdestaupe
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bei den Pferden einer Brauerei-Gesellschaft hierselbst. Es erkrankten im Ganzen von 39 Pferden 37 an der Seuche. Das zuerst be­fallene Pferd hatte 8 andere Pferde inficirt, bei welchen nan gleich­zeitig innerhalb weniger Tage die Eruption erfolgte. Eins von diesen 8 Pferden erkrankte sehr schwer und starb durch Herz­paralyse. Es hatte nachweislich 3 andere Pferde angesteckt, bei welchen die Krankheit ebenfalls einen sehr hohen Grad erreichte und von welchen zwei auch zu Grunde gingen. Alle übrigen Pferde überstanden die Krankheit leicht. Da bei den 4 schwer erkrankten Pferden dieselbe diätetische Pflege und Behandlung, wie bei allen anderen stattfand, so konnte der perniciöse Verlauf durch äussere Veranlassungen nicht bedingt sein. — Eine derartige Modification des Krankheitsverlaufs kann nur in einer besonderen Artung des Contagiums beruhen, wobei wahrscheinlich eine grössere Menge von virulenter Substanz erzeugt wird. Freilich ist diese Erklärung nur eine Hypothese. So lange indess die biologischen Eigenschaften des Contagiums der Erkenntniss nicht vollständiger als bisher zugänglich sind, erübrigt nur, die veranlassenden Mo­mente von den bezeichneten Verschiedenheiten in dem Charakter der Seuche sich in dieser Art zu veranschaulichen.
Die Jahreszeit scheint auf die Wirksamkeit des Ansteckungs­stoffs nur wenig Einfluss zu üben. Nach den Mittheilungen in der Literatur sind die meisten Invasionen im Frühjahr und Sommer beobachtet worden. Es wird aber auch das Auftreten der Krank­heit in den Wintermonaten mehrfach erwähnt. Die Invasion zu Berlin und Umgegend 1871 begann im Februar. In Nordamerika herrschte die Seuche 1872/73 vom October bis zum Februar. Hiernach scheint die Verbreitung der Krankheit ähnlich wie bei der Rinderpest an eine bestimmte Jahreszeit nicht gebunden zu sein. Dass die Krankheit bei heisser und drückender Luft un­günstiger verläuft, als bei kühler Witterung, kann nicht direct mit einer grösseren Intensität des Contagiums in Verbindung gebracht werden. Es ist vielmehr zu berücksichtigen, dass unter dem Ein­fluss einer grossen Hitze die Respiration schwierig wird, und dass in Folge dessen die naclitheiligen Wirkungen des Contagiums sich vergrössern.
Wenn die Seuche etwa 3 bis 4 Monate an einem Orte oder in einer Gegend grassirt hat, so vermindern sich die Ausbrüche. Mit dem Ende des vierten Monats kommt sie allmälig zum Erlöschen.
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Dies kann zum Theil darauf zurückgeführt werden, dass die Ge­legenheit zu weiteren Infectionen sich verringert, sobald diejenigen Pferde, welche durch ihre Beschäftigung der Ansteckung vorzugs­weise ausgesetzt sind, did Krankheit überstanden haben. Nichts­destoweniger lässt sich bei einer vorurtheilsfreien Beobachtung nicht verkennen, dass der Ansteckungsstoff nach einer viermonat­lichen Dauer der Seuche an einem Orte an Intensität verliert und dass schliesslich die Krankheit von selbst aufhört, trotzdem es in dem betreffenden Orte noch viele Pferde giebt, welche nicht er­krankt gewesen sind. In dieser Hinsicht verhält sich die Pferde­staupe analog der Cholera des Menschen.
Die eigentlichen Bedingungen, welche der gedachten Modi­fication des Contagiums zu Grunde liegen, sind bei dem gegen­wärtigen Stande der Forschung nicht zu erklären. Mit einer hypo­thetischen Umschreibung des Problems könnte man die Thatsache auf eine Ermüdung des Ansteckungsstoffs durch die Wirkung localer Einflüsse zurückführen.
e. Incubationsieit.
Nach der Ansteckung vergehen in der Regel 5 — 6, in ein­zelnen Fällen 7 Tage, bis sich die Erkrankung offenkundig durch die oben beschriebenen Symptome hervorthut. Es mag sein, dass als Ausnahme die Entwickelungszeit des Contagiums sich noch um einen oder um einige Tage beschleunigen oder auch verzögern kann. Mir ist bei 27 absichtlich angestellten Ansteckungsversuchen, bei welchen ich gesunde Pferde eines Gehöftes mit den kranken eine kurze Zeit zusammenstellen Hess, kein Fall begegnet, in welchem der Ausbruch der Staupe früher als am fünften und später als am siebenten Tage erfolgt wäre. Wohl aber habe ich im Sep­tember 1881, als die Seuche schon im Abnehmen war, einige Male kennen gelernt, dass in grösseren Beständen, in welchen die erkrankten Thiere sofort entfernt wurden, sich erst am achten und selbst am neunten Tage nachher ein neuer Krankheitsfall den Wärtern bemerklich machte. Es ist möglich, da^s sich in solchen Fällen ähnlich, wie bei der Rinderpest zuweilen gesehen wird, das Contagium abnorm langsam entwickelt. Wahrscheinlich besteht zunächst die Temperaturerhöhung 1—2 Tage ohne Mitaffection der Magen-Darmschleimhaut, so dass die Futteraufnahme in dieser Zeit noch nicht beeinträchtigt ist.
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65
Wird die Ansteckung künstlich durch Injection mit Blut von einem im fieberhaften Stadium staupekranken Pferde in die unter­baut oder in die Blutgefässe gesunder Pferde bewirkt, so dauert die Entwickelungszeit zwar oft ebenso lange, wie bei der gewöhn­lichen Ansteckung. Es kann dieselbe aber, wie aus meinen Ver­suchen hervorgeht, auch schon früher eintreten. Die Schwierigkeit, welche diese Versuchsresultate der Theorie von der Wirkungsart des Contagiums entgegenstellen, verkenne ich keinen Augenblick. Bei dem Mangel jeder objectiven Einsicht in die Natur des An­steckungsstoffs lässt sich das Problem kaum in einer brauchbaren Hypothese veranschaulichen. Ich denke mir, dass in solchen Fällen die organische Substanz, welche die pathogene Wirkung erzeugt, sich bereits in einer vorgeschrittenen Ausbildung befindet und nach ihrer Ueberführung in das Blut eines gesunden Pferdes sich dann direct fortentwickelt. Eine solche Voraussetzung macht die Thatsache einigermassen begreiflich, dass die Erkrankung eines Pferdes an die Injection von virulentem Blut sich direct an-schliessen oder um einige Tage früher, als bei der gewöhnlichen Infection eintreten kann. (Vergleiche die Impfungsversuche.) Da die Bedingungen, unter welchen die Vermehrung des Contagiums. bei der Pferdestaupe vor sich geht, thatsächlich nicht erforscht sind, so nehme ich von einer weiteren Besprechung dieses Problems Abstand. Ich begnüge mich bei dem gegenwärtigen Standpunkt der Wissenschaft damit, eine hypothetische Erklärung desselben angedeutet zu haben. Demjenigen Leser aber, welcher die Er­klärung etwa mit der Empfindung des Bedauerns begleiten möchte, will ich im Voraus mit dem Ausspruch von Tacitus entgegnen: „Si quid novisti rectius iatis, candidus imperti; si non, Ms utere mecum.quot;
Dass das Alter, die Race oder der Nährzustand einen fördern­den oder hemmenden Einfluss auf die Entwickelungszeit haben könnten, wird durch die thatsächliche Erfahrung widerlegt.
f. Impfungsversnche.
Nach dem Charakter der Krankheit unterliegt es keinem Zweifel, dass sich die Vermittelung der Localaffectionen durch die Blut-circulation vollzieht. Bei dieser Auffassung musste ich weiter schliessen, dass, wenn selbst bei der mikroskopischen Untersuchung
Dieckerhoff, Die Pferdestaupe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 5
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des Blutes keine pathogenen Organismen zu erkennen sind, dennoch eine Uebertragung des Contagiums durch Einführnng von krankem Blut in den Körper gesunder empfänglicher Thiere möglich sein muss. Mir war bei diesen Erwägungen nicht unbekannt, dass Her twig vor längerer Zeit versucht hatte, mittels der Transfusion von krankem Blut bei einem gesunden Pferde die Contagiosität der Pferdestaupe zu prüfen, und dass dieser Versuch negativ aus­gefallen war. Da ich die Schlussfolgerungen, welche in der Lite­ratur an dieses Experiment geknüpft sind, nicht für thatsächlich berechtigt und beweiskräftig ansehen konnte, so unternahm ich zur näheren Prüfung der Contagiosität des Blutes eine Reihe von Ver­suchen, über welche ich nachstehend berichte.
Um zu erfahren, ob das Contagium bei Kaninchen eine Er­krankung hervorrufen kann, machte ich 6 verschiedene Impfungs­versuche. In 4 Fällen injicirte ich je 15 Grm. Blut, welches aus der V. jngul. eines im fieberhaften Stadium staupekranken Pferdes entnommen war, subcutan in der Unterrippengegend. Bei 2 Ka­ninchen wurde das von dem frisch entleerten Blut kranker Pferde nach '^stündigem Stehen sich abscheidende Serum subcutan injicirt. .Hierbei gelangten in die Subcutis der Thiere 11 resp. 13 Grm. Blutserum. Unter den vorgedachten 4 Kaninchen befanden sich zwei, zu deren Impfung Blut von demselben Pferde genommen wurde, von welchem gleichzeitig durch Blutübertragung bei ge­sunden Pferden eine Ansteckung vermittelt worden ist. — Sämmt-liche Kaninchen haben nach diesen Impfungsversuchen nicht die geringsten Zeichen einer Erkrankung bekundet. Auch örtlich er­folgte die Resorption des Blutes ohne jede entzündliche Neben­wirkung. Hiernach muss als Thatsache betrachtet werden, dass die Kaninchen für das Virus der Pferdestaupe keine Receptivität besitzen.
Da nach der bisherigen klinischen Erfahrung ausser den Ein­hufern keine pflanzenfressenden Thiere von der Pferdestaupe be­fallen werden, so entschloss ich mich, die Frage der Impf barkeit der Krankheit durch Versuche an Pferden aufzuklären. Zur Aus­führung der Experimente wählte ich frisches Blut, welches mittels Hohlnadel und Saugspritze aus der V. juyularis staupekranker Pferde entnommen wurde. Bei diesem Verfahren ist die Gewin­nung frischen Blutes sehr leicht. Man comprimirt die Vene an einer beliebigen Stelle und sticht über derselben in der Richtung nach oben eine ziemlich weite Hohlnadel ein. Nach der Penetration
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der Venenwand fliesst sofort aus der Nadel Blut. Mittels einer passenden Saugspritze kann dann leicht eine grosse Quantität von Blut erhalten werden.
In Bezug auf die specielle Ausführung der Versuche will ich noch bemerken, dass in allen Fällen Vorsorge getroffen wurde, um für den Erfolg der Impfung jeden Verdacht auszuschliessen, dass durch die Kleidung oder durch Verschüttung von krankem Blut eine indirecte Ansteckung der Versuchspferde hätte stattfinden können.
Erster Versuch. Einem siebenjährigen Wallach veredelter Abkunft, welcher sich 4 Wochen vorher einen Beckenbruch zugezogen und in Folge dessen noch constant eine geringe Vermehrung der Pulszahl hatte, im Uebrigen aber ganz gesund und auch seit Wochen isolirt aufgestellt war, wurden am 28. Juli Abends 6 Uhr 23 Grm. frisches Blut von einem Pferde, welches seit 3 Tagen offenkundig staupekrank war, subcutan vor der Brust eingespritzt. Die hiernach am sechs­ten Tage eintretende Erkrankung ist zunächst — so weit sie auf das Verhalten der Respiration, Circulation und Temperatur sich bezieht — aus folgender Zusammenstellung zu ersehen.
Zeit:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Respiration: Puls: TeinPei*atur
Bemerkungen:
rnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;im Kectum:
28.nbsp; Juli Vorm.nbsp; nbsp; 13nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;48
29.nbsp; Juli Vorm.nbsp; nbsp; 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;50
30.nbsp; Juli Vorm.nbsp; nbsp; 14nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;50
31.nbsp; Juli Vorm.nbsp; nbsp; 16nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;56
1.nbsp; Aug. Vorm.nbsp; nbsp; 14nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;54
2.nbsp; Aug. Vorm.nbsp; nbsp; 14nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;54
3.nbsp; Aug. Vorm.nbsp; nbsp; 14nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;60
4.nbsp; nbsp;Aug. Vorm.nbsp; nbsp; 16nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;60
5.nbsp; Aug.{Vorm-nbsp; nbsp; 15nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 72
8 \ Nachm. 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;88
/-Tag der Impfung. Die Be-kfunde an diesem Tage stim-38,1 ^men überein mit den Unter­suchungsresultaten der vorhergehenden Tage.
38,1
38,5 [
38,2 38,6
Entwickelungszeit des Contagiums.
38,6
39,5
39,5 I
40,3! 40,1
Verlauf der Krankheit.
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Zeit:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Respiration: Puls: .nbsp; nbsp; rf . _ Bemerkungen:
ß . f Vorm. 14nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 72nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 39,71 ^ , raquo; , Tr ., .plusmn;
6- Aug- ( Nachm. 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 78nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39,91Verlauf der Krankheit-
7. Aug. J 'quot; m-
6 1 Nachm. 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;64
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38,8
38,9 l
Reconvalescenz.
8. Aug.
5
/Vorm. 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;48nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;37,6
37,8^
Die am 3. August eintretende Erkrankung gab sich am folgenden Tage durch eine augenfällige Störung des Allgemein­befindens ganz in derselben Weise zu erkennen, wie bei allen deut­lich ausgesprochenen Krankheitsfällen der Pferdestaupe. Auch bei diesem Versuch markirte sich in dem Krankheitsbilde die con-stitutionelle Ermüdung des Pferdes. Gesenkte Haltung und Auf­stützen des Kopfes. Augen halb geschlossen. Krankhafte Thränen-absonderung. Appetit verringert. Am 5. August waren die Sym­ptome schwerer. Conjunctiva in Folge der Infiltration mit gelb­lichem Serum gelbroth gefärbt, massig stark geschwollen. Voll­ständige Inappetenz. Reichliche Aufnahme von Wasser. Dann-excremente nicht erheblich verändert. Im Urin Spuren von Eiweiss. Mit dem 6. August liess sich in dem Krankheitszustande die beginnende Besserung constatiren. Rückkehr des Appetits. Nachlass der Augenaffection und Erleichterung in dem Gesammtbefinden bei der Ortsbewegung. Schnelle Reconvalescenz, so dass das Pferd am 8. August im Wesentlichen als gesund betrachtet werden konnte. An der Impfungsstelle zeigte sich nicht die geringste ent­zündliche Reaction.
Das Pferd stand hierauf noch beinahe 2 Monate lang neben vielen .staupekranken Pferden in einem Stalle. Es ist zum zweiten Male nicht erkrankt.
In ihrem Charakter entsprach die Krankheit des Versuchs­pferdes vollkommen dem günstigen Verlauf eines durch die gewöhn­liche Ansteckung herbeigeführten Krankheitsfalles.
Zweiter Versuch. Achtjähriger Wallach, Wagenpferd, englisches Halbblut, seit 2 Monaten am linken Hinterfuss in Folge von Schale unheilbar lahm, sonst ohne Störung der Gesundheit. Respiration 12, Puls 40,
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Temperatur 37,5. Am 8. August früh 8 Uhr mit 31 Grm. frischen Blutes eines staupekranken Pferdes subcutan am Halse und am Thorax geimpft. — Bis zum 16. August stellte sich keine Er­krankung ein. Die Temperatur im Rectum, welche täglich zweimal festgestellt wurde, erreichte niemals mehr als 38,1deg;. Auch die Zahl der Pulse und Athemzüge blieb auf der Norm. — Meine Absicht, das Pferd noch länger zu beobachten und durch Berüh­rung mit staupekranken Pferden einer anderweiten Infection aus­zusetzen, war leider nicht ausführbar.
Dritter Versuch.
Eine fünfjährige Grauschimmelstute (Wagenpferd) hatte Anfangs August einen Beckenbruch erlitten und war in Folge dessen auf dem rechten Hinterschenkel lahm, im üebrigen aber vollkommen, gesund und notorisch bis dahin von der Staupe nicht befallen gewesen. Respiration 12, Puls 48, Temperatur 37,8. — Am 14. August früh 7 Uhr wurden der Stute 21 Grm. frisches Blut von einem an der Staupe sehr schwer erkrankten Pferde subcutan am Halse eingespritzt, worauf in Respiration, Puls und Temperatur sich folgende Wirkung äusserte:
Zeit:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Respiration:
14. Aug. Nachm. 14
,. . (Vorm. 12 15'Augi Nachm. 16
1C A /Vorm. 16 16-Augi Nachm. 16
Puls:
52
56 56
72
68
60 68
52 56
48 48
56
48
Temperatur im Rectum:
39,5 {
39,1
39,8
Bemerkungen:
10 Stunden nach der Impfung.
39,8 40,3
39,7 40,3
Verlauf der specifischen Krankheit.
17. Aug.
fVorm. 16 \ Nachm. 18
| Vorm. 12 \ Nachm. 12
| Vorm. 12 \ Nachm. 12
18. Aug.
38 38
,9/
Reconvalescenz.
19. Aug.
38,4 38,3
38,3' 37,9
Gesund,
_. . / Vorm. 12 2aAug-l Nachm. 12
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70
Zeit:
Respiration: Puls:
Temperatur im Rectum:
37,4-37,5|
37,6 I 37,9
Bemerkungen:
21.Aug.{Vorm- 1'2 \ Nachm. 12
22.Aug.jyT0™- 12 6 \ Nachm. 12
48 48
52 49
Gesund.
Das Resultat dieses Versuchs ist dadurch auflallend, dass ohne eine besondere Entwickelungszeit des Contagiums die specifische Krankheit unmittelbar nach der Impfung ihren Anfang nahm. Neben der durch das Thermometer festgestellten Erhöhung der Bluttempe­ratur stellten sich auch die übrigen Symptome der Staupe ein: Mattigkeit, Herabhängen des Kopfes, ziegelrothe Färbung und öde-matöse Infiltration der Conjunctiva, Verminderung des Appetits, verlangsamte Kaubewegungen bei dürftiger Futteraufnahme. Am 17. August äusserte das Pferd leichte Koliksymptome. Durchfall trat nicht ein. Harn gelblich, ziemlich klar. Am 18. August machte sich gleichzeitig in sämmtlichen Symptomen ein erheb­licher Nachlass bemerklich, und am 19. August erschien das Pferd, abgesehen von einer gewissen Mattigkeit, vollständig gesund.
Mit Rücksicht auf den auffälligen Krankheitsverlauf brachte ich das Pferd vom 20. August bis zum 6. September fortdauernd mit vielen staupekranken Pferden in die engste Berührung. Es musste zwischen kranken Pferden während der Nacht im Stalle verbleiben. Trotzdem ist eine Infection nicht wieder eingetreten.
Vierter Versuch.
Zehnjährige Stute edler Abkunft, vom Typus der lithauer Pferde, mit störrischem Temperament; auf den Gliedmassen etwas verbraucht, aber vollkommen frei von einer Störung des Allgemein­befindens, auch bisher nicht staupekrank gewesen. Respiration 10, Puls 37, Temperatur 37,3.
Die Stute wurde am 19. August früh 8 Uhr mit 20 Grm. frischen Blutes eines am zweiten Tage staupekranken Pferdes sub-cutan am Halse geimpft. — Bis zum 25. August fand sich in der Temperatur, Circulation und Respiration keine Abweichung von der Norm. Auch im übrigen Verhalten bekundete das Pferd sich als vollkommen gesund.
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26.nbsp; August, Vormittags. Abnorme Röthung der Conjunctiva; Verminderung des Appetits; gesträubte Stellung des Deckhaars. Erhöhung und ungleiche Vertheilung der Wärme in der Haut. Re­spiration 12; Puls 44; Temperatur 39,5.
27.nbsp; August, Vormittags. Dasselbe Krankheitsbild. Respira­tion 12; Puls 48; Temperatur 40,2.
28.nbsp; August, Vormittags. Oedematöse Schwellung und diffuse Röthung der Conjunctiva. Starke Füllung der Episcleralgefässe. Augenlider halbgeschlossen. Vermehrtes Thränen. Starke Em­pfindlichkeit gegen das Licht. Geringer Ausfluss aus der Nase. Schwellung der Lymphdrüsen im unteren Winkel des Kehlgangs. Massig starke Eingenommenheit des Kopfes. Haut am Oberkopf und Hals sehr heiss. Nase geringer temperirt. Gliedmassen kühi. Futteraufnahme verweigert. Wasser reichlich getrunken. Respira­tion 12; Puls 48; Temperatur 40,2.
29.nbsp; nbsp;August, Vormittags. Störung im Allgemeinbefinden ge­ringer. Zeitweise Neigung zur Futteraufnahme. Gutes Heu und Grünfuttcr wird zwar sehr langsam, aber im Ganzen nicht unerheb­lich genossen. Respiration 12; Puls 40; Temperatur 39,2.
30.nbsp; August, Vormittags. Fortschreitende Besserung. Neben Rauhfutter wird auch Hafer aufgenommen. Durstgefühl massig. Augenleiden gemindert. Respiration 12; Puls 40; Temperatur 38,7.
31.nbsp; August, Vormittags. Lichtreiz gemindert, Augenlidspalte normal weit. Conjunctiva nur noch leicht geröthet. Appetit gut. Respiration 10; Puls 38; Temperatur 37,8.
Mit diesem Tage war die Reconvalescenz eingeleitet. Das Pferd erholte sich schnell und wurde schon am 4. September ohne Nachtheil wieder zur Arbeit verwendet. — Die Entwickelungszeit des Contagiums dauerte in diesem Falle 7 Tage. Im üebrigen gestaltete sich das Krankheitsbild genau so, wie die Staupe nach der gewöhnlichen Infection bei einer regelmässigen und leichten Erkrankung verläuft. — Wegen der Widersetzlichkeit des Pferdes konnte Harn zu einer speciellen Untersuchung nicht aufgefangen werden.
Fünfter Versuch. Ein mittclschweres Arbeitspferd (Stute, 8 Jahre alt), welches in geringem Grade an dem Fehler des Kehlkopfpfeifens litt, im Üebrigen aber ganz gesund war und, soweit durch die Anamnese
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festgestellt werden konnte, auch noch nicht an der Staupe gelitten hatte — wurde am 22. August Vormittags 9 Uhr mittels sub-cutaner Injection am Halse geimpft. Zur Impfung verwandte ich 23 Grm. frisches Blut von einem seit 3 Tagen mit der Staupe be­hafteten Pferde. Schon am dritten Tage nach der Impfung wurde eine krankhafte Erhöhung der Bluttemperatur festgestellt. Hierzu fand sich am 4. und 5. Tage eine erysipelatöse Erkrankung der Augenschleimhaut mit starkem Thränen, Verminderung des Appe­tits und gesträubter Stellung des Deckhaars. Am 6. Tage In-appetenz, Schwellung der Conjunctiva, Pulsfrequenz, Steigerung der Fiebertemperatur, vermehrtes Durstgefühl. — Die wesentlichen Symptome der Seuche waren deutlich ausgeprägt. Leider konnte die Beobachtung des Pferdes nicht fortgesetzt werden. Das Ver­halten von Respiration, Puls und Temperatur ergiebt sich aus folgender üebersicht.
Zeit:
22.nbsp;Aug. {
23.nbsp;Aug. 1
Respiration: Puls:
Temperatur im Rectum:
Bemerkungen:
Vorm. 10 Nachm. 10
Vorm. 10 Nachm. 10
Vorm. 10 Nachm. 10
Vorm. 12 Nachm. 12
Vorm. 14 Nachm. 14
Vorm. 16 Nachm. 16
38 38
38 38
38 38
41 40
44
45
47 50
62
37,9 38,1
37,9' 38,3
37,9 38,0
39,2 38,9
39,5 39,9
39,9| 40,1
40,4
Entwickelungszeit des Contagiums.
24
• Aug. j
25.nbsp;Aug. |
26.nbsp;Aug. j
27.nbsp;Aug. |
Krankheitsverlauf, nicht ganz vollendet.
28. Aug. Vorm. 18
Unzweifelhaft war das Versuchspferd durch die Impfung an­gesteckt. Von Interesse ist, dass schon am 3. Tage nach der In­jection sich die krankhafte Erhöhung der Temperatur einstellte.
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73
Sechster Versuch.
Einem braunen Wallach, 12 Jahre alt, Droschkenpferd, mit einer complicirten Hufwunde am linken Hinterfusse behaftet, sonst ganz gesund, wurden am 30. August 20 Grm. Blut von einem seit 3 Tagen offenkundig an der Staupe erkrankten Pferde subeutan am Halse injicirt. Respiration 12; Puls 44; Temperatur 37,7.
Bei diesem Versuche hat eine Erkrankung an der Seuche durch eine 10 Tage lang fortgesetzte Beobachtung nicht mit Sicherheit nachgewiesen werden können. Am 3. Tage nach der Injection er­reichte die Temperatur im Rectum 38,1deg;; sonst blieb sie constant unter 38,0deg;. Das Pferd zeigte 4 Tage nach der Impfung (am 3. September) reichliche Secretion von Thränen und eine geringe Infiltration der Conjunctiva, daneben häufigen kurzen Husten, Ab­sonderung einer geringen Quantität grauweissen Schleims von der Nasenschleimhaut, Aufbürstung des Haars und eine leichte Er­schlaffung der Gesichtsmusculatur. Diese Symptome verringerten sich 4 und 5 Tage später, während in der Circulation, in der Respiration, in der Eigenwärme des Körpers, sowie in der Futter­aufnahme keine Regelwidrigkeiten bei aufmerksamer Untersuchung zu erkennen waren.
Da ich das Pferd später auf die etwaige Beseitigung der An­lage für die gewöhnliche Infection nicht habe prüfen können, so lässt sich die Frage nicht entscheiden, ob die angegebenen gering­fügigen Störungen einer minimalen Entwickelung der Pferdestaupe oder einer anderen Erkrankung angehört haben.
Siebenter Versuch.
Mittels subeutaner Injection am Halse wurden einer neun­jährigen Fuchsstute — Wagenpferd edler Abkunft, am rechten Vorderfuss an einer Hufknorpelfistel leidend, sonst gesund; aber mit der Untugend des Schiagens behaftet — am 9. September Morgens 8l/2 Uhr 31,0 Grm. frisches Blut von einem in massigem Grade seit 2 Tagen an der Staupe leidenden Pferde eingeimpft. Wegen des unleidlichen Temperaments konnte die specielle Unter­suchung des Versuchspferdes nur einmal täglich und zwar am Vor­mittag ausgeführt werden.
Die Wirkungen dieser mit Erfolg gemachten Impfung ergeben sich zunächst aus folgenden Befunden in Bezug auf
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74 Respiration: Puls: Temperatur:
Vom 9.-14. Sept.
12 #9632;
38
38,3 {
fintwickelungszeit des Contagiums.
15. Sept.
12
48
39,2)
16. Sept.
14
48
39,8 gt;
Krankheitsverlauf.
17. Sept.
14
48
40,4)
18. Sept.
14
40
38,31
19. Sept.
12
38
37,6 [
Reconvalescenz.
20. Sept. 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;37,8,
Das Pferd, welches in einem kühlen Stalle, dessen Thür fort­während geöffnet blieb, untergebracht war, zeigte bis zum 14. Sep­tember nichts Abnormes. — Am 15. September stellte sich Appetit­mangel, Eingenommenheit des Kopfes, Aufbürstung des Deckhaars, abnorme Röthung der Conjunctiva und der Nasenschleimhaut ein, wobei aber die Neigung zum Schlagen bestehen blieb. — Am 16. September erschien die Störung im Allgemeinbefinden grosser. Doch konnte man auch jetzt nicht ohne Vorsicht an das Pferd heran­treten. Während des 17. September bestand vollständige Inappetenz. Wasser wurde dagegen reichlich getrunken. Oedematöse Infiltration der gerötheten Conjunctiva. Dunkle Färbung der Maulschleimhaut. Aber die Lebhaftigkeit des Temperaments und die Neigung zum Schlagen nicht verringert. — Am 18. September schneller Nachlass sämmtlicher Krankheitssj'mptome ohne Aenderung in der Defäcation und Harnentleerung. Das Pferd konnte am 19. September als genesen betrachtet werden.
Nach dem Ergebniss dieses Versuchs ist die Erkrankung des Pferdes an der Staupe evident. Vorherrschend in dem Krankheits­bilde ist die Temperaturerhöhung, die schon am 4. Tage nach der Impfung ihren Anfang nahm. Sehr gering war die Herzaffection, womit offenbar die Geringfügigkeit in der Störung des Allgemein­befindens zusammenhängt.
Dass das Versuchspferd wirklich an der Pferdestaupe gelitten hat, lehrt auch das Ergebniss eines anderweitigen, Seite 58 bereits er­wähnten Ansteckungsversuchs. Am 16. September wurde das vor­erwähnte kranke Versuchspferd dislocirt. In den bisher benutzten Stall Hess ich eine Stunde später eine fünfjährige Stute stellen,
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und zwar ohne dass zuvor eine Reinigung des Stalls vorgenommen war. Die Stute blieb bis zum 18. September in diesem Stall und wurde dann in einen. besonderen Raum gebracht, wo sie bis zum 1. October untersucht und behandelt wurde. Sie erkrankte am 23. September nachweislich an der Pferdestaupe und überstand dieselbe in einem viertägigen Krankheitsverlauf. Hiernach hatte sich die Infection der Stute durch Vermittelung der Streu, auf welcher das erkrankte Versuchspferd gestanden, vollzogen.
Achter Versuch.
Einem hochgradig staupekranken Pferde entnahm ich am 26. August Morgens 8 Uhr 22 Grm. Blut aus der Jugularis. Diese Quantität injicirte ich, bevor sie erkaltet war, mittels einer Hohl­nadel in die linke Jugularis einer 8 Jahre alten Stute, welche ganz gesund und von lebhaftem Temperament war.
Bis zum 30. August Hessen sich in dem Gesundheitszustande der Stute nicht die geringsten Aenderungen wahrnehmen. An diesem Tage erschien die Conjunctiva etwas gereizt und leicht infiltrirt, während die Temperatur sich noch nicht änderte. Am folgenden Tage hob sich die Bluttemperatur um mehr als 1,0deg;, und die Conjunctivitis verschlimmerte sich. Am 1. und 2. Sep­tember gelangte die Pferdestaupe bei diesem Versuche zur voll­ständigen Ausbildung. Augenlider geschlossen. Starkes Thränen. Erhebliche Depression des Bewusstseins. Aufstützen des Kopfes abwechselnd mit Rückwärtsdrängen in der Halfterkette. Zeitweise Entlastung der einen und der anderen Hintergliedmasse, wobei sich ein knackendes Geräusch kundgiebt. Nachlass des Appetits. Krankhafte Wärme der Haut. Oberkopf und Hals heiss, Nasen­rücken bald kühl, bald warm. Respiration nicht beschleunigt. Aus der Nase fliesst eine wässerig-schleimige Flüssigkeit in geringer Menge. Im unteren Winkel des Kehlgangs findet sich eine leichte Anschwellung der Lymphdrüsen. Husten wird nicht gehört. Auf Druck gegen den Kehlkopf erfolgen einige kräftige Hustenstösse. Bei der Auscultation und Percussion des Brustkastens ergiebt sich nichts Abnormes. Herzstoss fühlbar. Puls beschleunigt, schwach, Arterie massig voll und weich. Darmexcremente weich. Harn gelblich klar, speeifisches Gewicht = 1025, Spuren von Eiweiss, reich an Chlorverbindungen.
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7G
Ordination: Waschungen des Kopfes; öftere Darreichung von leicht verdaulichem Futter und klarem Wasser.
Am 3. September erreichte die Krankheit ihre Höhe. Starke Ermüdung und Eingenommenheit des Kopfes mit Rückwärtsdrängen in die Halfterkette. Erhebliche und schmerzhafte Schwellung der Conjunctiva. Vollständige Inappetenz. Im Uebrigen die gleichen Erscheinungen, wie Tags zuvor.
In der Nacht vom 3. zum 4. Sepember trat Durchfall ein, womit sämmtliche Krankheitserscheinungen gleichzeitig erheblich abfielen, ürinsecretion nicht vermehrt.
Das Pferd reconvalescirte sehr schnell und war am 5. Sep­tember, abgesehen von einer leichten Röthe der Conjunctiva und der Nasenschleimhaut, vollständig gesund.
Zeit: 26. Aug.
Respiration: Puls:
Temperatur:
37,8 37,8
Bemerkungen:
| Vorm. 10 \ Nachm. 10
36 36
36 36
36 36
38 38
38 38
40 40
48 60
72 72
60 60
40 38
27.Aug.
{ Vorm. Nachm.
10
10
10 10
37,6
37,6|
38,0 37,5
37,8 37,9
37,8 38,5
39,5 39,5
39,6 40,2'
40,5 1 40,3
40,1 40,0
Entwickelungszeit
des
Contagiums.
m.
™Ml™
{Vorm. 10
29. Aug. { ' '
6 l Nachm. 10
30. Aug.
f Vorm. 10
\ Nachm. 10
„, . fVorm. 12 3LAugi Nachm. 12
1- Sept. ( IT 12 r \ Nachm. 12
Krankheitsverlauf.
2. Sept,
{ Vorm. 14 Nachm. 14
i Vorm. 12 \ Nachm. 12
| Vorm. 12 \ Nachm. 12
3. Sept.
4. Sept.
37 37
,81 ,8)
Reconvalescenz.
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77
Zeit:
Respiration: Puls: Temperatur: Bemerkungen:
5. Sept.
fVorm. 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;37,3
\ Nachm. 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;37,3
6 g , fVorm. 10nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;37,51
' ep ' 1 Nachm. 10nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;37,5
Gesund.
In den Erscheinungen und im Verlauf verhielt sich die Krank­heit dieses Versuchspferdes gerade so, wie bei den nach der gewöhn­lichen Ansteckung erkrankenden Pferden in der grossen Mehrzahl der Fälle beobachtet wird.
Neunter Versuch.
Starkes Wagenpferd, kräftig genährt, 9 Jahre alt, mit Zwang­hufen auf beiden Vordergliedmassen behaftet, sonst ganz gesund, erhielt am 28. August 17 Grm. Blut von einem seit 5 Tagen an der Staupe leidenden und noch nicht fieberfreien Pferde mittels Veneninjection in die Jugularis.
Die bis zum 7. September fortgesetzte eingehende Unter­suchung des Pferdes ergab, dass eine Infection hierdnrch nicht herbeigeführt war. Es stellten sich während dieser Zeit auch nicht die geringsten Störungen in der Gesundheit des Thieres ein. Leider war mir eine längere Beobachtung des Pferdes und die Prüfung seiner etwaigen Immunität gegen das Pferdestaupe-Contagium nicht möglich.
Zehnter Versuch.
Am 9. September 1881 um 8 Uhr früh erhielt eine acht­jährige Stute — Arbeitspferd von mittlerer Schwere, mit dem habituellen Fehler des Beissens, ausserdem mit Zwanghufen auf den Vordergliedmassen behaftet, sonst aber gesund — 30 Grm. frisches Blut von einem am 3. Krankheitstage an der Staupe in erheblichem Grade leidenden Pferde mittels Jugularis-Injection direct in die Blutbahn einverleibt.
Von der hierdurch herbeigeführten Ansteckung giebt zunächst folgende Zusammenstellung Auskunft über
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Respiration: Puls: Temperatur:
9. Sept.
10.nbsp;Sept.
11.nbsp;Sept.
12.nbsp;Sept.
13.nbsp;Sept.
14.nbsp;Sept.
15.nbsp;Sept. 16.Sept.
17.nbsp;Sept.
18.nbsp;Sept.
19.nbsp;Sept.
| Vorm. 12 \ Nachm. 12
f Vorm. 12 1 Nachm. 13
fVorm. 11 \ Nachm. 13
| Vorm. 13 \ Nachm. 14
| Vorm. 14 \ Nachm. 16
{ Vorm. 14 Nachm. 14
{ Vorm. 14 Nachm. 14
i Vorm. 12 \ Nachm. 12
| Vorm. 12 \ Nachm. 12
i Vorm. 16 \ Nachm. 16
f Vorm. 12 (Nachm. 12
40 39
39 40
38 39
40 40
40 50
44 43
60 56
56 56
56 60
60 60
48 44
38,3 | 38,5
38,2
38,6 \ Entwickelungszeit des
37,9, 38,5
38,4 38,7
Contagiums.
40,2 40,31
40,7/
40,5
Krankheitsverlauf.
Genesung.
Während die Bluttemperatur am 13. September schon eine abnorme Höhe hatte, fanden sich an diesem Tage noch keine er­kennbaren Störungen im Allgemeinbefinden. Am 14. September wurde das gewöhnliche Futter nicht mehr vollständig verzehrt. Aber die Neigung zum Beissen hatte sich nicht verringert. Am 15. September gesenkte Haltung des Kopfes; Unaufmerksamkeit; vollständiges Versagen der Futteraufnahme; kaltes quot;Wasser wird oft in geringen Mengen getrunken. Conjunctiva gelblich-roth und öde-raatös infiltrirt; die episcleralen Gefässe stark gefüllt. Nasen- und Maulschleimhaut blassroth. Temperatur der Haut ungleich; Nase
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kalt; Oberkopf, Schultern und Hals vermehrt warm. Beide Lungen überall wegsam.
Am 16. September dieselben Erscheinungen. Daneben steife Haltung des Körpers und Beschwerden beim Gehen. Etwas Grün­futter und Heu wird verzehrt. Darmexcremente klein geballt, glänzend.
Am 17. September keine Erleichterung des Gesammtbefindens. Futteraufnahme noch gering. Das Pferd äussert schmerzhafte Em­pfindungen in beiden Vorderhufen, welche neben der abnormen Form der Zwanghufe eine starke Eintrocknung des Horns zeigen.
Ordination: Zweckmässige Verpflegung; Aenderung des Stand­orts; Abnahme der Hufeisen und erweichende Umschläge um beide Vorderhufe.
Am 18. September Schmerzen in den Hufen etwas geringer. Appetit besser. Schleimhäute des Kopfes von normaler Farbe.
Am 19. September Genesung.
Von Interesse ist bei dem vorbeschriebenen Versuch, bei welchem die Infection durch directe Einführung von krankem Blut in die Circulation eines gesunden Pferdes herbeigeführt wurde, dass die krankhafte Erhöhung der Temperatur schon am 4. Tage erfolgte und allen anderen Erscheinungen vorausging. Auch blieb die Affection des Herzfleisches während des Verlaufs der Krankheit gering. Die Vermehrung der Pulszahl und das Fortbestehen des Fiebers am 18. September sind auf die Anstrengung zurück­zuführen, welche die schmerzhafte Affection der Vorderhufe mit sich brachte.
Gesammtergebniss der Impfungsversuche.
Die im Einzelnen vorstehend beschriebene Versuchsreihe unter­nahm ich zu dem Zweck, um einen bestimmten Aufschluss darüber zu erlangen, ob durch subcutane Injectionen von Blut staupekranker Pferde und durch directe Einführung desselben in die V. jugularis bei gesunden Pferden eine specifische Ansteckung herbeigeführt werden kann. Durch das Resultat der Experimente ist die Beweis­frage in affirmativem Sinne entschieden worden.
Von 7 mittels subcutaner Injection geimpften Pferden sind zwei (vergl. 2. und 6. Versuch) nicht nachweisbar inficirt. Da­gegen erkrankten die anderen 5 Pferde (vergl. 1., 3., 4., 5. und 7. Versuch) in Folge der Impfung offenkundig an der Pferdestaupe.
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Nach der bei 3 gesunden Pferden bewirkten Blutinjection in die V. jugularis erfolgte bei einem Pferde (vergl. 9. Versuch) keine Infection. Die beiden anderen verfielen aber in die specifische Krankheit.
Von den 5 durch subcutane Impfung angesteckten Pferden war in einem Falle (vergl. 3. Versuch) der Beginn der specifischen Krankheit schon 10 Stunden nachher festzustellen. In einem Falle (vergl. 5. Versuch) dauerte die Entwickelungszeit des Contagiums 3 Tage, in 2 Fällen (vergl. 1. und 7. Versuch) 6 Tage und in einem Falle (vergl. 4. Versuch) 7 Tage.
Die durch directe Bluteinführung in die V. jugularis angesteckten beiden Pferde (vergl. 8. und 10. Versuch) bekundeten die Erkran­kung am 4. und resp. 5. Tage nach der Impfung.
g. Theorie des Contagiums and seiner Wirknng.
Bei dem acuten, typischen Verlauf und dem eminent fieber­haften Charakter der Pferdestaupe kann es keinem Zweifel unter­liegen, dass der Ansteckungsstoff durch Mikroorganismen gebildet wird. Die theoretische Voraussetzung ihres Vorhandenseins ent­spricht so vollkommen der Auffassung, welche in der allgemeinen Aetiologie der ansteckenden Krankheiten gegenwärtig vertreten wird, dass dieselbe einer Beanstandung kaum begegnen dürfte. Weniger befriedigend, als die theoretische Ueberzeugung von der belebten Natur des Contagiums sind die Resultate der mikroskopischen Untersuchungen, welche die Isolirung der pathogenen Organismen bezwecken. Ich habe in einer grossen Zahl von Fällen und in den verschiedensten Stadien der Krankheit frische Proben von Blut durch Einschnitte in die Haut der kranken Pferde oder mittels einer Hohlnadel aus der Jugularvene entnommen und unter Beob­achtung der bewährtesten Cautelen mikroskopisch untersucht. Aber selbst bei starker Vergrösserung und Anwendung des Abbe-Zeis-schen Beleuchtungsapparats konnte ich keine Mikroorganismen in den ßlutpräparaten finden. Ebenso wenig waren in der Thränen-flüssigkeit und in den Dejecten der Nasenschleimhaut Mikrokokken zu erkennen. — Auf meinen Wunsch unternahm Herr Dr. Grawitz vom pathologischen Institut der hiesigen Universität eine Reihe vor. mikroskopischen Blutuntersuchungen, zu welchen er unter meiner Mitwirkung das Material von Pferden entnahm, welche theils seit
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einem oder zwei, theils seit drei bis fünf Tagen an der Pferde­staupe fieberhaft erkrankt waren. Auch bei diesen Untersuchungen konnten keine pflanzlichen Mikroorganismen nachgewiesen werden. Hiernach sind die negativen Resultate der mikroskopischen Untersuchungen, soweit sie die Auffindung des belebten Contagiums der Pferdestaupe bezweckten, nicht geeignet, bestimmte Anknüpfungs­punkte für eine theoretische Erörterung zu liefern. Allein wenn es auch gelingen sollte, pflanzliche Organismen im Blut staupe-kranker Pferde nachzuweisen, so wäre dadurch für die Erkenntuiss der Wirkungsart des Contagiums noch nicht viel gewonnen. Dass der Ansteckungsstoff in seinem eigentlichen Wesen ein lebendiger Keim und sehr wahrscheinlich ein Mikroorganismus pflanzlicher Natur ist, muss schon aus dem Charakter der Krankheit gefolgert werden. Vollständig lässt sich aber der Zusammenhang zwischen der Krankheit und dem Contagium erst klarstellen, wenn das orga­nische Substrat des letzteren durch künstliche Culturversuche in den besonderen Formen seines Wachsthums und seiner Fort­pflanzung demonstrirt werden kann. Bislang ist die Aussicht, dass der wissenschaftlichen Forschung ein durchschlagender Erfolg in dieser Fundamentalaufgabe gelingen werde, noch nicht sehr ermuthi-gend. Ausser dem Milzbrand bacillus, dessen Entwiche] ungsformen durch die als bedeutungsvoll allgemein anerkannten Forschungen von Koch bekannt geworden sind, hat das lebendige Verhalten des Contagiums noch von keiner Seuchekrankheit so genau fest­gestellt werden können, dass es möglich wäre, eine vollständige Theorie seiner Wirkungen aufzustellen. Wird doch die specifische Natur der gefundenen Mikroorganismen kaum bei wenigen anstecken­den Krankheiten allseitig als zweifellos zugestanden.
Hinsichtlich des Pferdestaupe-Contagiums, dessen materielles Substrat bis jetzt nicht zu isoliren war, kann die theoretische Be­trachtung nur an die Wirkungen anknüpfen, welche bei den in-ficirten Pferden zu beobachten sind. So ungenügend solche empi­rische Abstractionen den enthusiasmirten Parasitologen der Gegen­wart erscheinen mögen, so sind dieselben doch nicht ohne Interesse.
Wenn ich die Entwickelungsbedingungen des Contagiums bei der Pferdestaupe nach dem von mir selbst festgestellten empiri­schen Material prüfe, so gelange ich zu der Anschauung, dass die organisirte Grundsubstanz desselben sich in den festen Organen und Geweben des Körpers nicht fortbildet. Denn das Zustandekommen
Dieckerhoff, Die Pferdestaupe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; (3
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von entzündlichen Processen oder sonstigen Veränderungen an den Geweben wird bei dieser Krankheit überall erst durch die Blut-circulation vermittelt. In der Mehrzahl der Krankheitsfälle stellt sich als erstes Symptom bei den inficirten Pferden die krankhafte Temperaturerhöhung ein und unmittelbar darauf folgen die Local-affectionen.. Demnach ist das Blut gesunder Pferde die Brutstätte des Pferdestaupe-Contagiums. Zur Begründung dieses Satzes be­ziehe ich mich ausserdem noch auf das Ergebniss der Ansteckungs­versuche, bei welchen ich mittels der Injection von krankem Blut in die Jugularvene oder in die Unterhaut die Krankheit auf gesunde Pferde übertragen konnte. Wenn auch die Infection nicht in allen Versuchen gelungen ist, so sind doch die erzielten affirmativen Erfolge für die Entscheidung der in Rede stehenden Frage aus­reichend. Insbesondere lehren die Versuche (vergl. Seite 80), dass das Oontagium bei directer Infusion von krankem Blut in die Gefässbahn eines gesunden Pferdes bis zur Erlangung einer patho-genen Wirkung so ziemlich dieselbe Entwickelungszeit gebraucht, wie bei der gewöhnlichen Infection mittels der Exspirationsluft. Nicht anders geschieht die Entwickelung des Contagiums bei der subcutanen Einverleibung von Blut eines im fieberhaften Stadium staupekranken Pferdes. Dass in diesen Fällen das Contagium an der Impfstelle keine Verstärkung oder Vervielfältigung erfährt, ist aus der Thatsache zu folgern, dass die Blutinjection keine ent­zündlichen Wirkungen im subcutanen Gewebe hervorruft. Die Re­sorption des virulenten Blutes erfolgt unmittelbar nach der Injection in die Unterhaut. Es muss daher das Blut der geimpften Pferde als die Nährflüssigkeit für die Fortentwickelung des Contagiums betrachtet werden. Wenn aber in den Fällen der Impfung das Blut diese Bedeutung hat, so liegt kein Grund vor zu der Annahme, dass es sich bei der gewöhnlichen Infection mittels der Athmungs-luft anders verhalte. Ueberdies ist thatsächlich in vielen, selbst in erheblichen Krankheitsfällen die Respirationsschleimhaut nach­weislich nicht und zuweilen nur ganz unerheblich erkrankt. Nach meiner Anschauung ist deshalb die etwaige Behauptung unzulässig, dass das Contagium in der Schleimhaut des Respirationsapparats die Gelegenheit zu seiner Entwickelung finden und erst nachher durch Resorption dem Blute einverleibt werden könne. Es wird vielmehr auch bei der gewöhnlichen („natürlichenquot;) Ansteckung der Uebertritt des Ansteckungsstoffs in das Blut von den Respira-
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tionswegen durch directe Resorption vermittelt. Im Blut findet das Oontagium die Bedingungen seiner Fortentwickelung. Freilich sind dieselben nicht näher bekannt, so dass ihre Besprechung im Grossen und Ganzen in eine Prüfung von Hypothesen auslaufen muss. Es ist indess nützlich, sich bei der Discussion dieser Fragen daran zu erinnern, dass die „Pilzequot;, welche Krankheiten erzeugen, nicht alle in gleicher Weise schädlich wirken. Einzelne colonisiren sich in den Organen und erzeugen örtliche Krankheiten. Andere verstopfen die Capillargefässe und haben mehr eine grob mechani­sche Wirkung. Einer dritten Reihe von „Pilzenquot; wird die Leistung zugeschrieben, dass sie dem Blut Sauerstoff entziehen und hier­durch eine pathogene Wirkung erlangen. Endlich giebt es jeden­falls auch Mikroorganismen, welche dadurch schädlich werden, dass sie im Blut erst besondere Stoffe erzeugen, die durch ihre chemi­schen Eigenschaften toxisch wirken. Nach der letztgedachten Hy­pothese erklärt sich der pathogene Charakter des Pferdestaupe-Contagiums am besten.
Dem Eintritt des Ansteckungsstoffs in die Blutbahn folgt eine Vermehrung desselben, und zwar sehr wahrscheinlich in einer be­sonderen Entwickelungsform. Nachdem die präsumirten Mikro­organismen ein bestimmtes Lebensstadium erreicht haben, produciren sie muthmasslich eine besondere Substanz, welche eine erhebliche Vermehrung der weissen Blutkörperchen und der Elemcntarkörnchen im Blute, ausserdem aber durch ihre chemischen Beziehungen zu den Organen des Körpers das Fieber und die Localaffectionen her­vorbringt.
Dass die Incubationszeit des Contagiums bei der durch Impfung künstlich erzeugten Erkrankung der Pferde zuweilen abgekürzt wird und sogar ganz wegfallen kann (3. Impfungsversuch, Seite 69), scheint — wie Seite 65 bereits angedeutet wurde — darin zu be­ruhen, dass der Ansteckungsstoff während seines Aufenthalts im Blut sich allmälig ausbildet und auf einer vorgeschrittenen Stufe dieser Wachsthumsperiode sich direct weiter entwickeln kann, wenn er durch Einführung in das Blut gesunder Pferde auf einen em­pfänglichen Boden gelangt.
Die Lebensdauer des Pferdestaupe-Contagiums ist zwar nicht an eine scharf begrenzte Zeit gebunden, erstreckt sich aber nur auf etwa 6—8 Tage. Meine Beobachtungen berechtigen mich nicht zu dem Schluss, dass dieselbe auch in den Ausnahmefällen länger
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als 2 Wochen dauert. Mit Beendigung des Parasitismus muss das Substrat, aus welchem das Contagium hervorgeht, zerfallen. Die hierbei entstehenden Producte werden mittels der physiologischen Apparate aus dem Blut eliminirt.
Nur bei schweren Erkrankungen, bei welchen die krankhaften Zustände länger bestehen bleiben, erhält sich keimfähiges Contagium eine relativ lange Zeit im Blut. Ueber die speciellen Ursachen, von welchen diese Conservirung des Contagiums abhängig ist, lässt sich nichts Bestimmtes aussagen. Nur aus den pathogenen Wir­kungen, welche durch Vermittelung des Blutes unterhalten werden, ist auf die Fortexistenz des Contagiums zu schliessen.
Durch die Conservirung geringer Quantitäten des Contagiums im Blut werden jedenfalls auch die bei schweren Krankheitsfällen im Reconvalescenzstadium ausnahmsweise zu beobachtenden Recidive der Krankheit ermöglicht. Es ist anzunehmen, dass unter dem Einfluss geeigneter Nebenbedingungen — welche auf eine Beschrän­kung der Respiration hinauskommen dürften — sich die pathogene Substanz des Blutes von neuem vermehrt, und dass sich hierdurch die specifische Reizung der empfänglichen Organe wiederholt. Uebri-gens kann nicht jede Erkrankung im Reconvalescenzstadium als ein Recidiv gelten. Denn es bedarf keines besonderen Commentars, dass in Folge einer übermässigen Anstrengung der durch die fieber­hafte Erkrankung geschwächten Organe an sich schon eine erheb­liche Störung der Gesundheit zu Stande kommen kann.
Ein hervorragendes Interesse für die comparative Pathologie hat die Thatsache, dass unter den Wirkungen des Contagiums der Pferdestaupe die Bildung von multiplen hämorrhagischen Herden nicht vorkommt. Sehr wahrscheinlich wird durch diese Eigenthiim-lichkeit in dem Verhalten des Ansteckungsstoffs der gutartige Verlauf der Seuche ermöglicht. Indess fehlt es bei dem gegen­wärtigen Standpunkt der wissenschaftlichen Forschung an that-sächlichen Gründen, mit welchen man sich die inneren Bedingungen dieser Wirkungsweise einigermassen veranschaulichen könnte. Es kann dies um so weniger befremden, als das entgegengesetzte Ver­halten anderer Ansteckungsstoffe in seiner ursächlichen Grundlage bis jetzt auch nicht aufgeschlossen ist und Niemand in die spe-cielle Aetiologie der „hämorrhagischen Diathesequot;, welche zahlreiche Infectionskrankheiten der Menschen und Thiere begleitet, eine be­friedigende Einsicht zu gewinnen vermag. Nichtsdestoweniger bleibt
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die Thatsache, dass — abgesehen von den ausnahmsweise in den Nieren und an der Iris eintretenden hämorrhagischen Zuständen — sich unter den entzündlichen Veränderungen der afficirten Organe die Merkmale einer hämorrhagischen Diathese nicht finden, für die Theorie der Pferdestaupe von grosser Bedeutung.
Die pathogene Einwirkung des Contagiums auf die einzelnen Organe vollzieht sich nicht immer gleichmässig und in einer regel-mässigen Aufeinanderfolge. Oft geht die krankhafte Temperatur­erhöhung der Entwickelung anderer Krankheitszeichen um einen, zuweilen sogar um zwei Tage voraus. Ich habe aber bei mehreren Pferden durch sorgfältige Untersuchungen von dem Momente der Infection bis zum Aufhören der Krankheit festgestellt, dass die Augenaffection, sowie die durch Pulsfrequenz charakterisirte Myo­carditis oder auch der durch Appetitmangel sich äussernde Magen-Darmkatarrh zuerst eintreten kann, und dass einen Tag und selbst zwei Tage später erst die Temperaturerhöhung mit den übrigen Krankheitsmerkmalen folgt. — Dass die graduelle Ausbildung der einzelnen Bestandtheile, aus welchen sich die Krankheit zusammen­setzt, nur selten eine allseitige üebereinstimmung zeigt, habe ich schon in der Symptomatologie hervorgehoben.
Für die hier angedeuteten DiiFerenzen in der Gestaltung des Krankheitsbildes können die bedingenden Momente in verschiedenen Ursachen liegen. Es kann sein, dass durch zufällige Strömung in der Blutcirculation zu einem der empfänglichen Organe während der Entwickelungszeit oder nach dem Ausbruch der Krankheit mehr Contagium hingebracht wird, als zu einem anderen Organ. Ausserdem lässt sich zur Erklärung dieses Verhaltens eine gewisse Verschiedenheit in der constitutionellen Anlage der Organe für entzündliche Processe heranziehen. So dunkel der physiologische Begriff von der besonderen Diathese für die Krankheitsursachen seit dem Alterthum geblieben ist, so kann doch als erfahrungs-gemäss so viel zugestanden werden, dass nicht alle Organe eines Thieres von den Angriffen einer allgemein wirkenden Schädlichkeit gleich leicht betroffen werden.
Endlich kommt für die bei der Pferdestaupe sowohl in director, als in indirecter Beziehung schwer wiegende Herzaffection in Be­tracht, dass das Herz ununterbrochen Arbeit zu leisten hat. Der salutären Bedeutung, welche die vollständige Ruhe für den Krank­heitsverlauf hat, habe ich bereits wiederholt gedacht. Am Herzen
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kann die Ruhe nicht in dem Grade eintreten, wie an manchen anderen Organen. Da nun die toxische Wirkung des Contagiums sich an jedem Organ, welches zu einer anstrengenden Thätigkeit veranlasst wird, steigert, so besitzt sehr wahrscheinlich die con-tinuirliche Arbeit des Herzens in dem angedeuteten Sinne einen ursächlichen Antheil daran, dass die Myocarditis in den meisten Fällen eine excessive Bedeutung in der Symptomatologie der Pferde­staupe einnimmt.
Mit vielen anderen fieberhaften ansteckenden Krankheiten der Menschen und Thiere hat die Pferdestaupe gemeinsam, dass bei schweren Infectionen die empfänglichen Organe in eine stärkere Reizung versetzt werden, als bei der Entwickelung geringer Quan­titäten des Ansteckungsstoffs im Blut. Dass in den hochgradi­gen Krankheitsfällen die individuelle Disposition der einzelnen Or­gane nicht bedeutungslos ist, wurde schon bemerkt. Allein es lassen sich in dem Krankheitsverlaufe mancher Fälle noch ausser-dem Merkmale fixiren, welche nur darauf zurückgeführt werden können, dass die relativ starke Affection einzelner Organe die Folge von grösseren Ansammlungen des Contagiums im Blut ist. Hier­mit bringe ich zunächst die Thatsache in Verbindung, dass häufig im fieberhaften Stadium ein vorübergehender Durchfall eintritt. Fast immer sind es gerade die schwersten Kranheitsfälle, bei wel­chen Durchfall entsteht und es scheint, dass vorzugsweise die An­häufung einer relativ grossen Quantität des Contagiums im Blut eine stärkere Reizung des Darmcanals und damit den Durchfall herbeiführt.
Sehr oft lässt sich aber ausserdem erkennen, dass die Affection des ganzen Organismus gleichmässig ansteigt und sich bis zum dritten, vierten oder fünften Krankheitstage auf dieser Höhe erhält oder sogar noch grosser wird. Es kann dabei vorkommen, dass die Vermehrung der pathogenen Substanz im Blut um dieselbe Zeit ihren höchsten Grad erreicht, wenn der organische Keim des Ansteckungsstoffs sich dem Ende seiner parasitischen Existenz im Thierkörper nähert. Einem solchen pathologischen Zustand folgt oft eine erhebliche Reizung des Darmcanals oder der Nieren, die sich durch die Ausscheidung wässeriger Producte aus diesen Organen zu erkennen giebt. Irrthümlicher Weise hat man seit alter Zeit in dem Zusammentreffen solcher vermehrten Ausscheidungen aus dem Darmcanal und den Nieren mit dem Nachlass des Fiebers und
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anderer Localaffectionen eine active Leistung des Organismus finden wollen. Thatsächlich erlischt das specifische Fieber nur deshalb weil das Contagiura seine Lebensfähigkeit und damit zugleich die Möglichkeit seiner pathogenen Wirkungen einbüsst. Und die Ent-lerung von wässerigem Harn oder von dünnflüssigen Darmexcremen-ten ist lediglich die Folge der reizenden Wirkungen, welche die im Blut befindliche Schädlichkeit auf die betreffenden Organe ausübt.
Gewiss kann man in allen Fällen, in welchen mit dem Eintritt der fraglichen Ausscheidungen die wichtigsten Localaffectionen voll­kommen verschwinden oder sich wenigtens erheblich vermindern, von einer Krisis (Entscheidung) der Krankheit sprechen. Aber es darf dabei nicht ausser Acht bleiben, dass in zahlreichen anderen Fällen mit ganz gleichem Erfolge eine günstige Wendung (Krisis) in dem Decursus Morbi eintritt, ohne dass sich in d^r Menge und Beschaffenheit des Harns resp. der Darmexcremente Etwas Besonderes bemerklich macht. Die Schlussfolgerungen, welche sich aus diesen Thatsachen gewissermassen von selbst aufdrängen, er­halten noch dadurch eine Unterstützung, dass sich oft am zweiten oder dritten Krankheitstage vermehrte Harnausscheidung oder Durchfall vorübergehend einstellt, ohne dass eine Verringerung der localen Störungen beobachtet würde. Solche Symptome, die nach der Schönlein'schen Schule in der früheren Medicin als „Pseudokrisenquot; gedeutet wurden, bekunden stets eine schwere Ge-sammtaffection des betreffenden Thieres. Es kann daher nur angenommen werden, dass . sie die directe Folge einer relativ starken Vermehrung der specifischen, virulenten Substanz im Blut sind.
Hiernach haben die sogenannten „kritischen Entlerungenquot; bei der Pferdestaupe nur eine symptomatische Bedeutung. Wenn ihr Eintritt in dem Moment erfolgt, in welchem die pyrogene und phlogogene Substanz im Blut die Existenzfähigkeit verliert, so ist es statthaft, sie den Phänomenen zuzuzählen, welche die günstige Wendung (Krisis) im Krankheitsverlauf darthun. Einen eigentlich heilsamen Werth haben aber die vermehrten Secretionen im Ham-und Digestionsapparat an und für sich nicht. Das ergiebt sich schon aus der Thatsache, dass bei ihrem Eintritt am zweiten oder dritten Krankheitstage ein erkennbarer Einfluss auf die weitere Ge­staltung des Leidens nicht existirt,
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Kaum eine zweite Thierkrankheit bietet für das comparativ-pathologische Studium der Lehre von den Krisen so manigfache Gesichtspunkte, wie die Pferdestaupe. Die im Ganzen leicht zu ermittelnden Eigenthümlichkeiten im Krankheitsverlauf beweisen zur Evidenz, dass die therapeutische Formel von der „Anregung der Krisenquot; eine wissenschaftliche Berechtigung nicht hat.
Nach der klinischen Erfahrung wird der Ansteckungstoff ausser-halb des Organismus der Pferde in kurzer Zeit vernichtet. Von mir ist keine Beobachtung gemacht worden, welche die Annahme unterstützen könnte, dass derselbe in den Ställen oder an irgend­welchen Gegenständen seine Keimfähigkeit länger, als einige Tage bewahren könnte. In der Praxis hat sich nirgends die Notwendig­keit ergeben, durch eine besondere Desinfection der Stallungen, in welchen staupekranke Pferde gestanden haben, der Verbreitung der Seuche entgegenzutreten. Ausserdem sprechen die Resultate meiner Ansteckungsversuche mittels directer Injection von Blut dagegen, dass das Contagium ausserhalb des lebenden Thierkörpers eine be­sondere Entwickelungsform annehmen muss, um die specifischen, pa-thogenen Eigenschaften zu erlangen. Demnach ist die virulente Substanz der Pferdestaupe als ein „endogenesquot; Contagium an­zusehen.
Die Affection der einzelnen Organe beruht auf einer specifischen Wirkung des Ansteckungsstoffs, welche zwar in der pathologi­schen Erfahrung zahlreiche Analogien hat, aber mit den localen Störungen anderer ansteckender Krankheiten nicht vollkommen über­einstimmt. — In dem Stadium des specifischen Fiebers sind die ana­tomischen Processe der Pferdestaupe durch eine erysipelatöse Tendenz gekennzeichnet. Allein hierin liegt nichts Eigenartiges. Das gleiche Gepräge besitzen auch die örtlichen Affectionen anderer infectiöser Krankheiten, die sich in ätiologischer Hinsicht von der Pferdestaupe sehr scharf abheben. Es ist daher nicht zulässig, in dem erysipe-latösen Charakter der Localaffectionen ein Motiv zu suchen für die Zusammenstellung mehrerer infectiöser Krankheiten in eine beson­dere Familie (Erysipelaceae), wie ehemals von den Anhängern der Schön lein'schen Schule geschah. Gerade die am schärfsten durch den erysipelatösen Charakter der Localprocesse ausgezeichneten Thierkrankheiten (die Lungenseuche des Rindes und die Brustseuche — Brustinfluenza oder entzündliche Influenza — des Pferdes) unter­scheiden sich von der Pferdestaupe vor Allem dadurch, dass bei
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diesen Leiden die Pleura durch das Gontagium unmittelbar gereizt und in eine serös-fibrinöse Enzündung versetzt wird, während bei der Pferdestaupe selbst in den schwersten Krankheitsfällen eine unmittelbare Läsion des Brustfells resp. eine erysipelatöse Pleu­ritis nicht eingeleitet wird, trotzdem durch die starke Congestion aus den Gefässen der Pleura zuweilen ein fibrinogenhaltiges gelb­liches Transsudat in den Pleurasack übertritt.
Das Gesammtverhalten der Pferdestaupe steht dem Gharakter der Rinderpest einigermassen nahe. Selbst einige nosologische Momente — Thränen der Augen, erysipelatöser Magen-Darmkatarrh am ersten bis vierten Krankheitstage, oberflächlicher Katarrh der Respirationsschleimhaut, Unempfänglichkeit der Milz für das Gon­tagium — documentircn eine gewisse Aehnlichkeit. Nicht minder liegen in der Incubationszeit des Gontagiums und in der Art der Verbreitung beider Krankheiten manche Vergleichsobjecte. Mit Rücksicht hierauf kann der historische Irrthum entschuldigt werden, welchen K an old 1811 — zu einer Zeit, als die Pathologie noch sehr dürftig bestellt war — beging, als er die Identität der Pferde­staupe mit der Rinderpest behauptete. Nichtsdestoweniger bestehen zwischen beiden sehr erhebliche Verschiedenheiten, auch ganz ab­gesehen davon, dass die Rinderpest notorisch nicht auf Pferde und die Pferdestaupe nach allen bisherigen Erfahrungen nicht auf Rinder übergehen kann. Der Pferdestaupe fehlt der degenerative Process in dem Stratum epithelkde der Schleimhäute und vor Allem die hämorrhagische Diathese, welche die Rinderpest begleitet und die Entstehung zahlreicher minimaler und grösserer hämorrhagischer Herde in den Schleimhäuten und in anderen Organen vermittelt. Das Gontagium der Pferdestaupe hat diese Wirkung auf die Gefäss-wände der Gapillaren nicht. Ausserdem wird das Rinderpestfieber constant von Schüttelfrost und Muskelzittern begleitet, während mit dem Fieber der Pferdestaupe diese Affection nur ganz aus­nahmsweise verbunden ist.
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E. Diagnose.
Das Krankheitsbild der Pferdestaupe hat in seiner Gesammt-heit ein so eigenartiges Gepräge, dass die Diagnose für den thier-ärztlichen Sachverständigen im Allgemeinen keine grossen Schwierig­keiten mit sich bringt. Namentlich ist die richtige Beurtheilung derjenigen Krankheitsfälle, welche sich durch eine gleichmässige Entwickelung der wichtigsten Localaifectionen auszeichnen, leicht. Dass im Uebrigen die Erkrankung eines Pferdes an der Staupe mit grösserer Sicherheit zu ermitteln ist, wenn der Sachverständige die allgemeine Verbreitung der Seuche an einem Orte oder in einer Gegend bereits kennt, liegt auf der Hand. Dagegen wird eine umfassendere Erwägung der diagnostischen Momente nothwendig, wenn die vorerwähnten Hülfsmittel nicht vorhanden sind. Denn es giebt bei der Pferdestaupe kein einziges Symptom, welches für die Diagnose als pathognomisch betrachtet werden könnte. Sowohl das Fieber, wie die Herzaffection und die Conjunctivitis können vereinzelt aus mehrfachen Veranlassungen bei Pferden zur Aus­bildung kommen. Deshalb muss der Thierarzt in der Zeit, in welcher die Seuche an einem Orte herrscht, jede fieberhafte Er­krankung eines Pferdes mit Berücksichtigung der Symptome, welche der Pferdestaupe angehören, untersuchen. In einem grösseren Be­stände, in welchem die Seuche bereits mehrere Pferde ergriffen hat, kann jeder neue Krankheitsfall gewöhnlich schon von Laien erkannt werden. Viel schwieriger ist aber die Feststellung der Krankheit bei den zuerst erkrankten Thieren eines Bestandes, in welchem der Ausbruch der Seuche unerwartet kommt, und nament­lich bei solchen Pferden, bei denen die Affection am ersten oder zweiten Krankheitstage nur in einem massigen Grade auftritt. Ueberhaupt ist die Diagnose derjenigen Krankheitsfälle nicht leicht, bei welchen die krankhafte Temperaturerhöhung nur einen massigen Grad erlangt und die erysipelatöse Entzündung der Conjunctiva nicht deutlich ausgeprägt ist. Mit dem Krankheitsbilde solcher Fälle haben andere, bei Pferden häufig vorkommende sporadische Affectionen eine grosse Aehnlichkeit.
Wie bei vielen anderen Krankheiten, so kann auch bei der Diagnose der Pferdestaupe dem Thierarzt der pathologische Grund­satz: „Non mimerandum, sed pcrpendendum est,quot; nicht dringend
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genug empfohlen werden. Es kommt in erster Linie nicht auf die blosse Wahrnehmung der Symptome an, die sich als quantita­tive Abweichungen physiologischer Zustände und Functionen zu erkennen geben, — es muss vielmehr auch auf das besondere Gepräge, welches die ätiologischen Momente den Symptomen ver­leihen, Rücksicht genommen werden.
Als die wichtigsten Krankheiten der Pferde, welche nach ihrem Symptomenbilde mit der Pferdestaupe verwechselt werden können, sind folgende hervorzuheben.
a. Einfacher Katarrh der Nasenschleimhaut.
Catarrhus nasalis simplex.
Die in Folge von Erkältungen häufig vorkommende Affection des einfachen Nasenkatarrhs kann ähnlich, wie die Pferdestaupe, den Ausfluss einer geringen Quantität von wässeriger, klarer oder von schleimiger, weissgrauer Flüssigkeit aus den Nasenlöchern und eine geringe Anschwellung der submaxillaren Lymphdrüsen bedingen. Es kann auch gleichzeitig eine Beschränkung der Futteraufnahme hierbei auftreten. Dagegen fehlt regelmässig die krankhafte Tem­peraturerhöhung und die Hinfälligkeit, mit welcher die staupekranken Pferde behaftet sind.
b. Einfacher Schlnndkopfkatarrh.
Pharyngitis superficialis simplex.
In der kälteren Jahreszeit, zuweilen aber auch im Sommer erkranken Pferde nicht selten an einer einfachen entzündlichen Affection der Schleimhaut des Schlnndkopfes, des oberen Theils der Zunge und des Gaumensegels. Die Folge dieser Affection ist eine Verminderung des Appetits, mangelhaftes Schlucken, Ausfluss von lufthaltigem (schaumigen) Speichel aus der Maulhöhle, zuweilen auch aus beiden Nasenlöchern und öfteres Lecken der Pferde an kalten Gegenständen. Da die in solcher Art erkrankten Pferde häufig den Kopf etwas gesenkt und nach vorn gestreckt halten, so bietet das Symptomenbild einige Aehnlichkeit mit dem Benehmen staupekranker Pferde. Indess wird die Schwäche in der Musculatur, die Pulsfrequenz und die starke Temperaturerhöhung mit der un­gleichen Vertheilung der Eigenwärme auf der Oberfläche des Körpers vermisst.
J.
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g. Einfacher Kehlkopfkatarrh.
Catarrhus laryngealis simplex. Laryngitis acuta. Angina simplex.
Bei Pferden entwickelt sich die katarrhalische Entzündung der Kehlkopfschleimhaut theils selbständig, theils ist sie ein Bestand-theil der Druse. Unter den Symptomen der einfachen Bräune macht sich am meisten die krankhafte Reizbarkeit der Kehlkopf­schleimhaut geltend, welche bei einem leichten Druck auf die oberen Ringe der Trachea oder auf den Kehlkopf zu ermitteln ist. Ausserdem wird bei diesem Leiden häufiges Husten, geringere oder grössere Erschwerung der Inspiration und eine leichte Dejection von zäher, weissgrauer, schleimiger Flüssigkeit aus den Nasenlöchern beob­achtet. In allen erheblichen Fällen tritt zugleich eine krankhafte Erhöhung der Bluttemperatur bis zu 39,5deg; und 40,0deg; und eine massige Beschleunigung der Herzcontractionen hinzu. — Solche Zufälle können bei einem Pferde wohl eine gewisse Aehnlichkeit mit dem Krankheitsbilde der Staupe vortäuschen, und es bedarf zuweilen einer fortgesetzten Untersuchung, um die Diagnose mit Sicherheit zu motiviren. Für die Unterscheidung ist auch hier zu beachten, dass die Pferdestaupe von einer grossen Hinfälligkeit neben starker Temperaturerhöhung und Pulsfrequenz begleitet wird.
Wenn die Thierärzte erst allgemein der Meinung entgegen­treten, dass der in den Frühjahrs- und Herbstmonaten unter den Pferden oft in grosser Verbreitung auftretende acute Kehlkopf­katarrh (Husten) als eine besondere (die katarrhalische) Form der „Influenzaquot; definirt werden könne, so wird die Verwechselung dieses Leidens mit der Pferdestaupe leicht zu vermeiden sein.
d. Acuter Bronchialkatarrh.
Bronchitis acuta.
Durch Erkältung, seltener durch andere Irritamente entsteht bei Pferden eine selbständige entzündliche Affection der Bronchial­schleimhaut, welche in der ersten Zeit nur von mangelhaftem Appetit, häufigem, zuweilen schmerzhaftem Husten, leichter Ath-mungsfrequenz und geringer Beschleunigung des Pulses begleitet wird. Da hierbei die krankhafte Temperaturerhöhung fehlt oder doch nur sehr geringfügig ist, so lassen^ sich die angedeuteten
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Symptome in concrete ohne Schwierigkeit mit einer selbständigen Bronchitis in Verbindung bringen.
e. Druse.
Coryza Equorum.
Die zum Theil sporadisch, zum Theil endemisch bei jungen und älteren Pferden auftretende Druse besteht in einer anstecken­den katarrhalischen Affection der Respirationsschleimhaut, welche in ihrem weiteren Verlauf einen eiterigen Charakter annimmt. Hierbei bildet sich ein pathogenes Ferment, welches durch Re­sorption den betreffenden Lymphdrüsen zugeführt wird und in den­selben eine zur Eiterbildung tendirende Entzündung verursacht. Diese allgemein bekannte Pferdekrankheit kann nur während ihrer ersten Entwickelung zu einer Verwechselung mit der Pferdestaupe Veranlassung geben. Beiden Krankheiten gemeinsam ist die ka-tarrhaliche Affection der Nase, des Kehlkopfs und der Bronchien, sowie die Anschwellung der submaxillaren Lympfdrüsen. Unter­schiedlich von der Druse bildet sich bei der Pferdestaupe der Regel nach schon im Beginn der Erkrankung eine starke Tempe­raturerhöhung aus und die Intumescenz im Kehlgange ist weniger hart. Ausserdem führt die Drüsengeschwulst bei der Pferdestaupe nie zur Abscessbildung. — Hierin liegt für die meisten Fälle ein genügender Anhalt, um sich vor einem Irrthum schützen zu können. Es darf aber nicht übersehen werden, dass in seltenen Fällen bei der Pferdestaupe schon am zweiten Krankheitstage eine heftige Halsbräune auftreten und dass auch die Druse von vornherein mit einer intensiven Laryngitis (Bräune) einsetzen kann. Unter solchen Umständen kann das Symptomenbild beider Krankheiten für den Augenblick eine frappante Aehnlichkeit besitzen, so dass die Diagnose mit Sicherheit erst nach der einen oder zwei Tage hin­durch fortgesetzten Beobachtung zu ermöglichen ist.
f. Acute Broncho-Pnenmonie.
Broncho-Pneumonia acuta. Pneumonia catarrhalis. Broncho-Pneumonia multiplex.
Gleichzeitig mit der Bronchitis oder auch erst in ihrem weiteren Verlauf entwickelt sich bei Pferden nicht selten eine herd weise Ent-
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zündung des Lungenparenchyms, welche oft einen günstigen Verlauf nimmt, zuweilen aber durch Mortification und gangränösen Zerfall des Lungengewebes zum Tode führt. In der ersten Entwickelung dieser Lungenentzündung unterscheidet sich das Symptomenbild ge­wöhnlich nicht von demjenigen einer einfachen Bronchitis. Es kann daher eine frische Erkrankung an der Pferdestaupe bei einiger Auf­merksamkeit kaum mit derselben verwechselt werden. — Grössere Schwierigkeiten entstehen aber für den Sachverständigen, wenn es sich um die Frage handelt, ob in concreto die Brocho-Pneumonie eine Nachkrankheit der Pferdestaupe oder ein selbständiges Leiden ist. Den meisten Anhalt gewähren die bedeutende Blutcongestion in den Scheimhäuten und der starke Kräfteverfall bei den Nach­krankheiten der Pferdestaupe. Es begreift sich, dass in den spä­teren Stadien der Lungenentzündung eine scharfe Diagnose ohne genügende Anamnese nicht mehr möglich ist.
g. Leichte fieberhafte Affectionen, bei welchen sich eine Organ­krankheit nicht deutlich ausspricht — Reizfieber; Erkältungsfieber.
Febris irritativa. Febricula. Ephemera.
Junge und ältere Pferde, welche bei rauher und regnischer Witterung in ungewohnter Weise angestrengt werden, erkranken zuweilen unter den Symptomen eines leichten Fiebers mit und ohne Schüttelfrost. Dabei versagen die Thiere momentan die Futterauf­nahme, stehen traurig und mit gesenktem Kopfe. Der Puls ist massig beschleunigt und die Temperaturerhöhung gewöhnlich gering, selten über 39,0deg; bis 39,5deg;. Aber die Respiration geschieht be­schleunigt. Bisweilen äussern die Thiere schmerzhafte Empfindun­gen im Moment der Exspiration und besonders auch beim Druck gegen die Brustwandungen. Durch sorgfältige diätetische Pflege verringert sich die Erkrankung schon nach wenigen Stunden und am folgenden Tage können die betreffenden Pferde wieder ganz gesund sein.
Diese Affection ist sehr leicht zu verwechseln mit der Druse, welche nicht selten durch die nämlichen ursächlichen Einflüsse zur Entwickelung gebracht wird und am ersten Tage von denselben Störungen im Gesammtbefinden der Pferde begleitet sein kann. — Vor einer Verwechselung mit der Pferdestaupe schützt sich der
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Thierarzt am besten durch eine sorgfältige Anamnese. Ander­seits bietet die Athmungsbeschleunigung gegenüber der geringen Puls­frequenz und Temperatursteigerung einen genügenden diagnostischen Anhalt.
h. Einfache Gastrose.
Gastrosis simplex. Status gastricns. Indigestio.
Während schwere üeberfütterungen bei Pferden häufig eine ge­fährliche Anschoppung der Nahrungsmittel im Dickdarm (Kolik) zur Folge haben, entsteht nach geringen üeberladungen dos Magens mit Körnerfutter oder auch nach der Aufname ungewohnter oder verdorbener Futtermittel nicht selten eine relativ leichte Störung der Digestion, bei der die Thiere eine Verminderung des Appetits, häufiges Gähnen und Lecken an kalten Gegenständen bekunden. Bei dem fieberlosen Auftreten dieser Affection ist es dem Thierarzt unter Berücksichtigung der Anamnese nicht schwierig, dieselbe von der Pferdestaupe zu trennen.
i. Fieberhafte Gastrose.
Gastrosis febrilis. Catarrhus intestinalis febrilis.
Die nach Diätfehlern bei Pferden entstehende Störung in der Digestionsschleimhaut bedingt zuweilen eine krankhafte Steigerung der Körpertemperatur mit massiger Pulsfrequenz neben Appetit­mangel. Dabei kann die Jlaulschleimhaut trocken und die Conjunctiva venös geröthet sein. Solche Symptome haben viel Aehnlichkeit mit den Zufällen, unter welchen die Pferdestaupe am ersten Krankheits­tage sich manifestirt. Es ist zwar bei dem fieberhaften Magendarm­katarrh die Temperatur der äusseren Haut nicht sehr hoch und es fehlt auch die wässerige Infiltration der Augenschleimhaut. Allein da die Pferdestaupe oft am ersten Krankheitstage und zuweilen selbst in ihrem ganzen Verlauf mit einer erheblichen Augenaffection nicht verbunden ist, und da die krankhafte Eigenwärme oft erst am 2. Tage erheblich wird, so lässt sich zuweilen eine sichere Unterscheidung zwischen diesen beiden Krankheiten bei der ersten Untersuchung eines Krankheitsfalles nicht ermöglichen. Leichter ist selbstredend die Diagnose, wenn durch die Anamnese nachge­wiesen werden kann, dass das betreffende Pferd der Ansteckung
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durch das Pferdestaupe-Contagium ausgesetzt gewesen ist. Die in concreto bestehenden Zweifel lösen sich dadurch, dass das Fieber der Pferdestaupe einen typischen Verlauf hat und mindestens 3 Tage anhält, während die krankhafte Vermehrung der Eigen­wärme bei dem fieberhaften Darmcatarrh in der Regel schon nach einem Tage wieder nachlässt.
k. Infectiöser Magen-Darmkatarrh.
Catarrhus intestinalis infectiosus. Gastro-Enteritis infectiosa.
Häufiger als der vorerwähnte fieberhafte Magen-Darmkatarrh ist bei Pferden diejenige krankhafte Störung in der Digestions-schleimhaut, welche durch inficirende Substanzen, namentlich nach dem Genuss von verdorbenem Stroh verursacht wird. Mit den nachtheiligen Wirkungen solcher Schädlichkeiten verknüpfen sich sehr oft schmerzhafte Empfindungen im Darmcanal (Kolik). Indess sind auch die Fälle nicht selten, in welchen die Thiere keine Symptome von Kolik äussern, aber eine erhebliche Vermin­derung des Appetits, Pulsfrequenz, Temperatursteigerung bis zu 40deg; C. und darüber, schmutzig gefärbte Conjunctiva, trockene Maul­schleimhaut, leichte Benommenheit des Bewusstseins und träge Defäcation bekunden. Fast noch mehr als die unter i. gedachte Darmkrankheit giebt die hier gemeinte Affection der Digestions­organe Anlass zu einer Verwechselung mit der Pferdestaupe. Wenn in einem concreten Fall die Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung nicht erweislich gemacht werden kann, so lässt sich zuweilen die Natur der Krankheit nach dem Ergebniss der einmaligen Unter­suchung nicht mit Sicherheit feststellen. Erst die weitere Beob­achtung kann eine genügende Aufklärung bringen. Tritt eine öde-matöse Infiltration der Augenschleimhaut, reichliche Thränenabson-derung oder Anschwellung der Gliedmassen ein, so macht die Fest­stellung der speeifischen Krankheit keine Schwierigkeiten. Fehlen aber solche Symptome, so lässt sich erst eine Sicherheit dadurch gewinnen, dass in dem weiteren Verlauf der Pferdestaupe sich der typische Krankheits-Charakter mehr und mehr ausspricht, was bei dem infectiösen Magen-Darmkatarrh nicht beobachtet wird. Von einigem Werth ist ferner die Thatsache, dass die krankhafte Tem­peraturerhöhung, sowie auch die anderen Erscheinungen bei dem infectiösen Magen-Darmkatarrh gewöhnlich sofort nachlassen, wenn
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die Thiere ia einen anderen Stallraum gebracht und rait gesunden, resp. leicht verdaulichen Futterstoffen ernährt werden.
1. Wund-Infectionskrankheiten — Wandfieber; acute Blut­vergiftung; Sephthämie; Ichorrhämie.
Zu speciflschen Infectionen, welche von wunden Stellen in der äusseren Haut oder in den Schleimhäuten ihren Ausgang nehmen, incliniren die Pferde weit mehr, als die übrigen Hausthiere. An­scheinend unerhebliche Verletzungen in der äusseren Haut (Mauke, Quetschungen, Decubitus und andere traumatische Zustände) bringen häufig eine fieberhafte Störung des Allgemeinbefindens mit sich. Eine solche Affection kann in ihrer Gefahr für die Existenz des bei reffenden Pferdes sehr verschieden sein. Auch die Symptome dieser Störungen, die ich im Einzelnen an dieser Stelle nicht weiter verfolgen kann, gleichen sich in den verschiedenen Krankheitsfällen nicht vollkommen. Oft äussern die Thiere starkes Muskelzittern und zuweilen auch Schüttelfrost. Dass in solchen Fällen die Unter­scheidung der Sephthämie von der Pferdestaupe keine Schwierig­keiten macht, ergiebt sich aus der Symptomatologie der Seuche schon mit Bestimmtheit. Bei leichteren Verletzungen wird aber nicht selten eine krankhafte Vermehrung der Eigenwärme ohne Muskelzittern beobachtet. Solche Fälle können in ihrem äusseren Ausdruck den Erscheinungen der Pferdestaupe sehr ähnlich sein. Der Unterschied liegt im Wesentlichen auch hier in dem typischen Verlauf und in dem starken Ergriffensein des Sensoriums, welches die specifische Krankheit kennzeichnet. Ausserdem ist bei dem sephthämischen Zustande gewöhnlich durch eine sorgfältige Befund-erhebung das Vorhandensein eines, wenn auch nicht quantitativ, so doch qualitativ erheblichen traumatischen Zustandes nachzuweisen. Wenn ein Krankheitsfall trotz der umfassenden Erhebung dieser Momente in seiner Bedeutung unklar bleibt, so erübrigt nur, die Beobachtung einen oder zwei Tage fortzusetzen. Die Diagnose kann dann nicht mehr zweifelhaft bleiben.
m. Rotz.
Maliasmus. Morbus malleus et fareiminosus.
Niemand wird darüder im Zweifel sein, dass, wenn bei einem rotzkranken Pferde Geschwüre in der Nasenschleimhaut, copiöse
Dieckerhoff, Die Pferdestaupe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 7
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Dejectionen aus der Nase und indurirte Drüsengeschwülste vor­handen sind, die Verwechselung eines solchen Krankheitsfalls mit anderen Affectionen und speciell mit der Pferdestaupe nicht in Frage kommen kann. Aber die heimtückische Rotzkrankheit hat nicht selten ihren Sitz in den Lungen und 4n den tieferen Schichten der Respirationsschleimhaut, während die äusseren, der Untersuchung zugänglichen Organe nicht verändert sind. Hier können die Krank-heitszustände, welche sich der objectiven Ermittelung entziehen, einen subacuten Verlauf nehmen und eine fieberhafte Störung im Allgemeinbefinden der betreffenden Pferde bedingen. Unter solchen Verhältnissen macht die Diagnose der Rotzkrankheit grössere Schwierigkeiten, als dem Sachverständigen bei irgend einer anderen Affection begegnen. Derartige Pferde äussern nicht selten mehrere Tage hindurch eine Temperaturerhöhung bis zu 39,50 oder auch bis zu 40,0deg; und darüber. Gleichzeitig vergrössert sich die Zahl der Pulse, und es besteht mangelhafter Appetit. Hierbei kann ein geringer Ausfluss von schleimiger Flüssigkeit aus der Nase vor­handen sein oder fehlen. Es liegt auf der Hand, dass ein der­artiger Krankheitsfall mit dem Bilde der Pferdestaupe eine grosse Aehnlichkeit haben kann. — Hierzu kommt, dass, wenn in den inneren Organen Rotzproeesse mit subacutem Verlauf bestehen, zu­weilen weiche, rundliche Geschwülste und im Anschluss daran strangförmige Auftreibungen der Lymphgefässe in der äusseren Haut sich einfinden (acuter Wurm). In diesen Hautgeschwülsten entwickelt sich alsbald eiteriger Zerfall mit Geschwürsbildung. — Im Verlauf der Pferdestaupe kommt eine ähnliche Hautaffection, die an und für sich einen gutartigen Charakter hat, nicht selten zur Entwickelung. — Demnach giebt es beim Rotz mehrere Erkrankungsformen, welche nach ihrer äusseren Manifestation mit manchen Fällen der Pferdestaupe sehr wohl in Parallele gestellt werden können. Die Aehnlichkeit kann, wie ich aus Erfahrung kennen gelernt habe, so gross sein, dass eine 2 bis 3 Tage hin­durch fortgesetzte Beobachtung erst die erforderliche diagnostische Klarheit zu schaffen vermag. Es ist daher für den praktischen Thierarzt schon aus äusseren Gründen dringend geboten, jedes unter dem Bilde eines schleichenden Fiebers erkrankte Pferd, bei welchem über die Aetiologie des Falles ein Aufschluss nicht gewonnen werden kann, vorab zu isoliren. Soweit hierbei die Pferdestaupe in Betracht kommt, ist in jedem Fall nach 2—3 Tagen die Diagnose zu sichern.
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99 n. Dummkoller.
Hydrocephalus chi-onicus Equorum.
Unter den Syraptomen der Pferdestaupe hat die Eingenommen­heit des Bewusstseins eine hervorragende Bedeutung. In der Regel wird zwar der Congestivzustand im Gehirn, welcher bei diesen Symptomen besteht, mit dem Nachlass des Fiebers gleichzeitig wieder ausgeglichen. Nicht selten beobachtet man aber, dass bei den in schwerem Grade afficirten Pferden noch 1 bis 2, selbst 3 Wochen lang ein nicht unerheblicher Stumpfsinn bestehen bleibt, während alle übrigen Krankheitserscheinungen bis auf eine geringe Pulsfrequenz, welche meist vorhanden ist, aufgehört haben. In dem speciellen Verhalten solcher Pferde zeigen sich, abgesehen von der Pulszahl, fast dieselben Merkmale, welche beim Dummkoller gefunden werden. Nur zeitweise bekunden die Thiere lichte Mo­mente, während welcher sich in ihrem Habitus eine normale Ver-standes-Befähigung ausspricht. Dass ein solcher Zustand, welcher gewissermassen eine verschleppte Reconvalescenz von der Pferde­staupe darstellt, den Verdacht des Duramkollers erwecken kann, bedarf für die Thierärzte kaum einer Andeutung. Wie in vielen anderen Fällen bei der Diagnose des Dummkollers, so ist auch hier das ürtheil von dem Ergebniss einer fortgesetzten, beziehungs­weise einer nach längerer Zwischenzeit wiederholten Untersuchung abhängig zu machen. Auch ein am Dummkoller leidendes Pferd kann an der Staupe erkranken. Es ist deshalb nicht ausgeschlossen, dass die erwähnten Symptome mit dem chronischen Hydrocephalus im Zusammenhang stellen. Hierüber liefert die sachverständige Beobachtung, wenn sie 1 bis 2 Wochen fortgesetzt wird, näheren Aufschluss. Denn soweit nach der tiiatsächlichen Erfahrung ge­schlossen werden kann, geht der Dummkoller aus der Pferdestaupe nicht direct hervor. Ich habe wohl in einem Falle bei einem siebenjährigen schweren Arbeitspferde belgischer Abkunft, welches nach Angabe des Besitzers schon seit einem Jahre ausscrordentlich schreckhaft und auch mit einer Eingenommenheit des Kopfes be­haftet war — gesehen, dass sich nach einer schweren Erkrankung an der Pferdestaupe im Reeonvalescenz-Stadium, als das Pferd bereits zur Arbeit benutzt wurde, die Zufälle der acuten Hirnhöhlen­wassersucht ausbildeten. Aber, soweit meine Kenntniss reicht, spricht kein Beispiel dafür, dass sich bei einem Pferde aus der
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mit der Pferdestaupe verbundenen Congestion nach dem Gehirn der Dummkoller als eine selbständige Krankheit direct fortsetzen könnte. Wenn demnach bei einem von der Staupe genesenden Pferde die Aeusserung von Hirndruck unter den Symptomen, welche den Dummkoller diagnostisch kennzeichnen, continuirlich bestehen bleibt, so ist zu vermuthen, dass das Pferd schon vor dem Eintritt der Staupe mit dem Dummkoller behaftet gewesen ist.
o. Blutfleckenkrankheit der Pferde.
Morbus maculosus Equorum. Typhus equinus. Febris putrida.
In der älteren Literatur der Thierarzneikunde hat man die hier gemeinte Krankheit, für welche die Namen „Pferdetyphusquot; und „Faulfieberquot; von den deutschen Thierärzten angewendet werden, oft mit der Pferdestaupe verwechselt. Galten doch beide als Modi-ficationen des „typhösen Fiebersquot; oder als besondere Arten des Typhus resp. der typhoiden Krankheit. Jahrzehnte hindurch erschien es daher selbstverständlich, dass beide Krankheiten durch die näm­lichen ursächlichen Wirkungen veranlasst werden könnten.
Der Name „Faulfieberquot;, welcher schon im vorigen Jahrhundert zur Bezeichnung dieser Krankheit gebraucht wurde, hat nach seiner historischen Bedeutung denselben Sinn, welcher in der neueren Zeit mit dem Namen der Zymosis oder der zymotischen Krankheit ver­bunden wird. In gleicher Weise ist auch das Wort „Typhusquot;, sowie die mehr systematische Bezeichnung „typhöse Krankheitquot; denjenigen allgemeinen Krankheiten beigelegt worden, welche wir heute nach dem Vorgang Virchow's für „Infectionskrankheitenquot; ausgeben.
Vor etwa 20 Jahren sprach sich Roll dahin aus, dass der „Typhus der Pferdequot; eine Form des Milzbrandes sei, und dass die denselben charakterisirenden Schwellungen der äusseren Haut und der Schleimhäute als carbuneulöse Zustände aufzufassen seien. Dieser Anschauung sind bereits Haubner u. A. mit Erfolg ent­gegengetreten, indem sie nachwiesen, dass Impfungen mit dem Blut der am sogenannten Pferdetyphus leidenden Thiere keine nachtheiligen Wirkungen haben und insbesondere eine Erkrankung an Milzbrand nicht hervorbringen können. Ich kann mich diesem Urtheil auf Grund meiner eigenen Erfahrungen nur anschliessen.
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Eine pathologische Aehnlichkeit oder auch nur eine ätiologische Verwandtschaft mit denjenigen Krankheiten, welche in der Medicin als Typhus des Menschen benannt werden, besitzt der „Pferde­typhusquot; nicht. Auch diese Thatsache ist in der Literatur bereits vor längerer Zeit hervorgehoben worden. — Nichtsdestoweniger hat sich der ungeeignete Name des Pferdetyphus bis jetzt in der Literatur erhalten. Dass derselbe Missverständnisse begünstigt, be­darf keines ausführlichen Nachweises. Ich kann mir daher den Namen des Typhus für die in Rede stehende Pferdekrankheit nicht aneignen.
Die Krankheit, über welche ich an dieser Stelle eine umfassende Darstellung nicht zu liefern vermag, spricht sich vorzugsweise durch die Entstehung von hämorrhagischen Herden (Petechien, sowie kleineren und grösseren Suffusionen) in der Haut, in der Conjunc­tiva, in der Respirationsschleimhaut, sowie in der Digestionschleim­haut aus. Zuweilen entstehen solche Herde auch in den Muskeln oder in den Lungen, der Milz und anderen Organen. Das in den Herden befindliche Blut wirkt als ein phlogogener Körper und er­zeugt in der Nachbarschaft eine erysipelatöse Phlegmone. Nach den einzelnen Organen, welche von den Blutungen betroffen Aver-den, kann der Verlauf der Krankheit grossen Verschiedenheiten unterliegen. Ungünstig sind im Allgemeinen die Fälle zu beur-theilen, in welchen die Nasenschleimhaut oder der Kehlkopf in grösserem Umfang blutig infiltrirt und der Kopf von einer unförm­lichen Anschwellung betroffen wird. Ausgebreitete hämorrhagisehe Herde in der Portio •pylorica des Magens und im Duodenum be­dingen zuweilen schon am zweiten oder dritten Krankheitstage den Tod. Grössere Herde in der Lunge oder in der Milz können zum Verblutungstod führen, während Blutergiessungen und diffuse An­schwellungen in der äusseren Haut oft 1 bis 2 Wochen und selbst noch länger bestehen bleiben, ohne das Leben des Thiers direct in eine erhebliche Gefahr zu bringen.
Nicht selten entwickelt sich die Krankheit im Verlauf der Druse, namentlich wenn in der Rachenschleimhaut oberflächliche Eiterungen bestehen. Gleich oft beobachtet man die Ausbildung der Krankheit bei einer verschleppten Broncho-Pneumonie von be­schränktem Umfang, wobei in den vorderen Lappen der Lungen oder an irgend einer anderen Stelle sich eiterig-jauchige Herde be­finden. Solcher Fälle hat man unter dem Namen des „consecu-
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tiven oder deuteropathischen Faulfiebersquot; gedacht. Gegenüber dieser Entstehungsart sollte die Krankheit auch ohne die Mitwirkung irgend einer Localaffection sich ausbilden können: eine Ansicht', welcher in dem Namen des „idiopathischen oder primären Faulfiebersquot; von den Autoren Ausdruck gegeben worden ist.
Nach meiner Auffassung muss bei der Entstehung der Krank­heit immer eine defecte Stelle in den Schleimhäuten oder in der ausseien Haut vorausgesetzt werden. Die Affection beruht auf der Einführung eines besonderen Virus in die Blutcirculation. Durch die nachtheiligen Wirkungen der Schädlichkeit auf die GapiUar-gefässwandungen wird die Entstehung multipler hämorrhagischer Herde vermittelt. Hiernach steht das üebel der Wcrlh of'sehen Fleckenkrankheit des Menschen vollkommen parallel. Ich bezeichne deshalb das Leiden als „Blutfleckenkrankheit der Pferde-'.
Mit der Pferdestaupe hat die Symptomatologie der Blutflecken­krankheit nur wenig Berührungspunkte. Vor Allem liegt ein wesentliches' Unterseh'eidungsmerkmal darin, dass der Morbus ma-culosus Eq. bei seiner ersten Entwickelung nicht von Fieber begleitet ist Einer krankhaften Erhöhung der Bluttemperatur gehen stets umfangreiche entzündliche Veränderungen in einzelnen Organen vor­aus. Zu einer Verwechselung kann demnach nur eine Intumescenz der Haut an den Gliedmassen und am Kopf Veranlassung geben. welche bei beiden Krankheiten vorkommt. Bei der Blutflecken­krankheit wird aber eine Anschwellung, welche derjenigen der Pferdestaupe ähnlich sieht, nur im Initialstadium beobachtet. Für solche Fälle ist die Abwesenheit des Fiebers und das Auftreten von Petechien in den Schleimhäuten des Kopfes zur Unterscheidung ausreichend. Leichter kann eine Verwechselung begangen werden bei einem Pferde, welches an der Pferdestaupe in schwerem Grade gelitten und eine lange Reconvalescenz durchzumachen hat. Indess dürfte die sorgfältige Erhebung der Anaraneso den Thierarzt über die Schwierigkeiten gewöhnlich hinweghelfen. Dazu will ich noch ausdrücklich bemerken, dass ich die Blutfleckenkrankheit in dem Reconvalescenzstadium der Pferdestaupe niemals habe entstehen sehen.
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p. Brustseuche der Pferde.
Influenza pectoralis. Influenza pleurltica. Pleuro-Pneumonia contagiosa Equorum.
Keine Krankheit ist mit der Pferdestaupe so allgemein ver­wechselt worden, als die ansteckende Lungen-Brustfellentzündung. Ich habe schon im ersten Capitel erörtert, dass irrthümlicher Weise bis in die neuere Zeit beiden Seuchen eine gemeinsame ursächliche Grundlage zugeschrieben worden ist. Die Ansicht, dass zwischen beiden Krankheiten nur formelle Differenzen bestehen sollen, hat in der thatsächliehen Erfahrung keine Berechtigung mehr. Sie muss daher als ein historischer Irrthum erkannt und bei Seite ge­lassen werden. Wenn Jemand sich durch die klinische Beobachtung noch nicht von 6er essentiellen Verschiedenheit zwischen beiden Seuchen hat überzeugen können, so wird er doch die von mir festgestellte Thatsache, dass die Pferdestaupe impfbar ist und dass nach der wirksamen Uebertragung des Contagiums dieselbe Krank­heit mit allen ihren Eigenthümlichkeiten hervorgerufen wird — als beweiskräftig dafür gelten lassen müssen, dass beide Affectionen von einander unabhängig sind.
Die Erklärung für die auffällige Erscheinung, dass die Brust­seuche der Pferde mit mehreren anderen Krankheiten in eine Gruppe zusammengebracht wurde, scheint mir darin begründet zu sein, dass die klinischen Befunde nicht mit genügender Objectivität gewürdigt worden sind. In der Praxis hielt man sich einseitig an die grösseren Symptomen-lleihen. Da ausserdem vor 25 Jahren noch ziemlich allgemein das Bestreben vorwaltete, verschiedene Krankheiten, die einige Aehnlichkeit miteinander besitzen, nach dem Vorgange der Botanik in Familien zusammenzubringen, so wird der. Irrthum be­greiflich, dass die Brustseuche als eine selbständige Krankheit nicht allgemein anerkannt ist. #9632; Wohl hat die Analogie zwischen der entzündlichen Influenza des Pferdes und der Lungenseuche des Rindes die Aufmerksamkeit der Thierärzte erregt. Aber während die Lungenseuche schon seit Jahrzehnten als eine speeifische con-tagiöse Krankheit galt, haben namhafte Autoren die ßrustseuchc des Pferdes als eine aus sehr verschiedenen Schädlichkeiten origi-nirende und zu essentiellen Variationen inclinirende Gruppenkrank­heit geschildert. Der retrospectivgn Kritik erscheint diese Ansicht
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um so auffallender, als von sehr wichtigen Seiten die Contagiosität der Brustseuche des Pferdes rückhaltlos vertheidigt wurde.
Der Standpunkt, dass die Brustseuche keine specifische Krank­heit sei, muss nach den gegenwärtigen Erfahrungen der Wissen­schaft fallen. Ihrem Wesen nach ist dieselbe nichts Anderes als eine fieberhaft verlaufende und ansteckende Lungen-Brustfellentzün­dung. Ob sie einen rein contagiösen oder einen miasmatisch-con-tagiösen Ursprung hat, lässt sich zur Zeit nicht mit Sicherheit darthun. Da sie aber ansteckend ist und in jedem einzelnen Krank­heitsfall den Character einer fieberhaften Infection hat, so muss schon nach den Regeln der formalen Logik angenommen werden, dass sie auch niemals anders als durch die pathogene Einwirkung eines specifischen Ansteckungsstoffs entstehen kann.
Auf die Verbreitung der Seuche durch Ansteckung ist seit mehr als 40 Jahren in . der Literatur hingewiesen worden. Auch kann schon inhaltlieh der mitgetheiiten Beobachtungen kein Zweifel darüber obwalten, dass der Ansteckungstoff durch die Athmungs-wegc auf gesunde Pferde übertragen wird. Dagegen wird die Zeit, welche das Contagium von dem Moment seiner Einführung in ein gesundes Pferd bis zur wahrnehmbaren Entfaltung seiner krank­machenden Wirkung braucht, verschieden angegeben. Gegenüber den Verhältnissen, welche bei der Lungenseuche des Rindes in diesem Betracht obwalten, verkenne ich nicht, dass über die Incubations-zeit des Contagiums bei der Brustseuche nach den gegenwärtigen Erfahrungen eine genaue Bestimmung unthunlich ist. Allein es dürfte doch kaum richtig sein, die Incubationszeit auf mehrere Wochen zu berechnen. Wenigstens können die Versuche, die ich .selbst wiederholt angestellt habe und die klinischen Beobachtungen, welche in ihrem Gesammtresultat der Bedeutung von Versuchen ziemlich gleichkommen, eine derartige Behauptung nicht unter­stützen.
Trotzdem die Ansteckung gesunder Pferde mit dem Contagium der Brustseuche vielfach beobachtet und bewiesen ist, dürfte doch das Ergebniss von einigen Versuchen, welche ich im Jahre 1873 anstellte, auch heute noch von Interesse sein. Es möge mir daher gestattet sein, über dieselben hier kurz zu berichten.
1) Am 31. Mai 1873 stellte ich einen fünfjährigen Wallach — dem leichten Wagenschlage angehörend — welcher mit einer leichten Periarthritis am Krönende!enk behaftet, im üebrigen aber
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ganz gesund war, zwischen zwei an der Brustseuche leidende Pferde. Bis zum 3. Juni zeigte das Versuchspferd keine Störung seiner Gesundheit. Am 4. Juni versagte es die Futteraufnahme, ohne in seinem Habitus erheblich krank zu erscheinen. Am 5 Juni be­kundete es neben der mangelhaflen Futlcraufnahme zeitweise Husten. Athmung beschleunigt und angestrengt. Puls schwach, Arterie weich. Conjunctiva geröthet und icterisch. Die Auskul­tation beider Lungen ergab eine Abschwächung des Respirations­geräuschs linkerseits. Dementsprechend war der Percussionsschall an der unteren Hälfte der linken Brust leer.
Diagnose: Influenza pectoral is, praeeipue Pleuto -Pneumonia sinisfm.
Die Krankheitserscheinungen bestanden 4 Tage lang auf ziem­lich gleicher Höhe. Während dieser Zeit verzehrte das Pferd nur sehr wenig Futter. Vom 9. Juni an verminderten sich die Zufälle, ohne dass eine vermehrte Ausscheidung von Harn oder eine ander­weitige Steigerung der physiologischen Secretionen eingetreten wäre. Am 20. Juni war das Pferd vollkommen genesen. Das Verhalten der Respiration, Circulation und Eigenwärme geht aus folgender Uebersicht hervor.
Respiration: Puls: Temperatur:
31. Mai f Vorm. 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 40nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 38,2
bis 3. Juni j Nachm. 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 40nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 38,4
4nbsp; nbsp;Juni(Vorm' Unbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 40nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 88'4
Unil Nachm. 15nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 42nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 38,7
5nbsp; nbsp;Juni(Vorm' quot;24nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 66nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 40'5
Uni | Nachm. 24nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 60nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 40,0
fi T . / Vorm. 26nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 74nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 40,5
6.nbsp; Juni { ,,. ,
\ Nachm. 26nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 80nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 40,8
_ T . / Vorm. 18nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 54nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 39,3
7.nbsp; Juni lt; ,T ,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; '
\ Nachm. 20nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 60nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 39,8
, . , Vorm. 18nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 66nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 40,0
8.nbsp; Juni
Nachm. 20nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 66nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 40,2
Vorm. 16nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 54nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 39,0
Nachm. 16nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 54nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 39,2
9. J
um
.
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106
Respiration: Puls: Temperatur:
10.nbsp; Juni
11.nbsp; Juni
12.nbsp; Juni
13.nbsp; Juni
14.nbsp; Juni
15.nbsp; Juni
16.nbsp; Juni
17.nbsp; Juni
18.nbsp; Juni
19.nbsp; Juni
20.nbsp; Juni
f Vorm.
12
50
39,4
\ Nachm.
12
50
39,5
Vorm.
16
56
40,5
Nachm.
18
48
40,1
| Vorm.
16
50
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\ Nachm.
16
48
39,8
f Vorm.
16
46
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14
48
39,6
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14
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39,1
12
42
38,8
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12
40
39,1
14
42
39,8
f Vorm. \ Nachm.
12
42
38,9
12
44
38,9
Vorm. Nachm
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48
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12
50
38,8
j Vorm. \ Nachm.
12
42
38,2
12
44
38,6
f Vorm. \ Nachm.
12
38
38,0
12
38
38,2
| Vorm.
12
38
38,2
\ Nachm
12
38
38,0
2) Zu einer sechsjährigen Stute (Halbblut, Wagenpferd), welche auf dem linken Hinterfuss in leichtem Grade spatlahm war, aber seit 7 Wochen niemals Zeichen von einer inneren Krankheit be-. kündet hatte, stellte ich am 9. August 1873 ein an der Brust­seuche leidendes Pferd. Beide Thiere befanden sich in einer Box und waren nur durch einen Latirbaum von einander getrennt.
Bei dem Versuchspferde fand sich am 14. August Appetit­mangel. Im Habitus sprach sich eine deutliche Hinfälligkeit aus. Das Deckhaar erschien weniger glatt. Gesenkte Haltung des Kopfes. Geringe Quantitäten von ßauhfutter werden sehr lang-
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sam und mit Unterbrechungen gekaut. Conjunctiva stark geröthet und gelblich tingirt. Sciera intensiv gelb. Maulschleimhaut schmutzig gelb. Auch die röthlich erscheinende Nasenschleimhaut zeigte eine gelbliche Nuance. Zunge trocken und leicht belegt. Pulsfrequenz und Eigenwärme erhöht. Athmung nicht beschleunigt. Die specielle Untersuchung der Lungen ergab bei der Auscultation eine Ab-schwächung des Vesiculärathmens linkerseits. Der Percussions-schall war an der linken Seite in der unteren Brusthälfte gedämpft.
Diagnose: Brustseuche, in specie Pleuro-Pneumonia sinistra.
Ordination: Zweckmassige Diät. Innerlich: Natr. nitric, mit Na fr. sulfur.
15.nbsp; nbsp;August. Eine wesentliche Aenderung der angegebenen Symptome nicht zu constatiren. Geringe Vermehrung der Athera-züge. Puls schwach, Arterie weich. Herzstoss schwach fühlbar. Herztöne nicht abnorm. Aus beiden Nasenlöchern rostfarbene Dejection.
16.nbsp; nbsp;August. Derselbe Befund.
17.nbsp; nbsp;August. Beschleunigung der Respiration. Ausgesproche­nes Bronchialathmen in der unteren Hälfte der linken Lunge. In den entsprechenden Grenzen am Thorax dumpfer Percussionsschall.
Ordination: Abreibung der Haut mit Spiritus. Einwickelung der Füsse mit Flanclibinden. Aenderung des Standorts und Unter­bringung des Pferdes in einem hohen, gut ventilirten Raum.
18.nbsp; August. Leichte Besserung in dem Gcsammtbefinden. Das Pferd verzehrt geringe Quantitäten Grünfutter und Kleie.
19.nbsp; nbsp;August. Erscheinungen nicht verändert. In der linken Lunge hat die Unwegsamkeit nicht zugenommen. Druck auf die linke Brustwandung wird dem Pferde lästig; es erfolgt aber kein Stöhnen.
Ordination: Natr. horacic. mit Nafr. sulfur.
20.nbsp; nbsp;August. Aligemeinbefinden etwas besser. Respiration schneller.
21.nbsp; nbsp;August. Besserung im Appetit, sonst keine Aenderung in dem allgemeinen Verhalten des Pferdes. Aber öfteres Drängen auf die Harnwege und häufige Entlerung geringer Mengen von klarem, wässerigem Harn.
22.nbsp; nbsp;August. Nachlass in der Gelbfärbung der Schleimhäute. Zunahme in der Wegsamkeit der linken Lunge. Abnahme der Fieberhitze und Pulsfrequenz.
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23. August. Fortschreitende Reconvalescenz. Am 24. August konnte das Pferd als genesen betrachtet werden.
Zeit:
Respiration:
Puls:
Temperatur:
14. Aug.
|Vorm. 12 \ Nachm. 12
50 72
38,9 40,9
15. Aug.
fVorm. 15
\ Nachm. 16
66 76
40,3 41/2
16. Aug.
fVorm. 16
\ Nachm. 18
70 72
40,9 40,9
17. Aug.
| Vorm. 26 \ Nachm. 26
68 80
40,0 40,0
18. Aug.
| Vorm. 26 \ Nachm. 27
76 80
39,8 40,7
19. Aug.
f Vorm. 28 \ Nachm. 28
76 76
40,0 40,4
20. Aug.
f Vorm. 30 \ Nachm. 30
74 66
39,7 39,3
21. Aug.
jVorm. 31 \ Nachm. 30
68 68
39,3 39,3
22. Aug.
f Vorm. 36 [ Nachm. 29
62
68
38,9 38,8
23. Aug.
f Vorm. 22
56
38,7
\ Nachm. 22
46
37,9
24. Aug.
jVorm. 20
40
38,0
i Nachm. 19
42
38,0
Zwei andere Versuche, bei welchen ich in gleicher Weise die gesunden Pferde mit den kranken in die engste Berührung brachte, hatten ganz dasselbe Resultat. Auch hier kam die fieberhafte Er­krankung an der Pneumo-Pleuresie mit dem fünften Tage, nach­dem die Berührung erfolgt war, zu Stande. — In der Literatur ist neuerdings mitgetheilt worden, dass die entzündliche Influenza
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schon am dritten Tage nach der Infection hervorgetreten sei. Mir sind solche Fälle ebenfalls begegnet.
Ein besonderes Interesse für die Erkenntniss der ätiologischen Verschiedenheit zwischen der Pferdestaupe und der ßrustseuche dürfte auch folgender Versuch in Anspruch nehmen. Derselbe hüftlahme braune Wallach, auf welchen durch subcutar.e Impfung die Pferdestaupe übertragen war und dessen Krankheitsgeschichte Seite 67 dargestellt ist, erkrankte trotz fortdauernder Gelegenheit zu Infectionen nicht wieder an der Pferdestaupe. Dieses Pferd stellte ich am 26. September Vormittags in einen Stall, in welchem vorher brustseuchekranke Pferde sich befunden hatten. Die An­steckung erfolgte sofort, und am 29. September Vormittags war eine rechtsseitige infectiöse Pleuro - Pneumonie (Respiration 24, Puls 80, Temperatur 39,6 0) ganz unzweifelhaft zu constatireu. Bei zweckmässiger Behandlung nahm auch die Brustseuche bei diesem Versuchspferde einen regelmässigen und günstigen Verlauf.
Anderseits habe ich sehr oft die klinische Beobachtung ge­macht, dass gesunde Pferde, welche mit brustseuchekranken Pferden in einem Stalle, aber nicht nahe zusammenstanden, erst 2 bis 3 Wochen später offenkundig in die Krankheit vorfielen. Mit Rück­sicht auf die Ergebnisse meiner Versuche deute ich diese Beob­achtung dahin, dass die Infection sich nicht sofort mit der Zu­sammenstellung der betreffenden Pferde, sondern erst in einem späteren Termin vollzogen hat.
Mir scheint, dass die Enwickelungszeit des Contaginms bei der Brustseuche nach Analogie des latenten Stadiums bei der Lungen­seuche nicht beurtheilt werden darf. Denn das Pferd besitzt gegen viele Krankheitsursachen eine grössere Vulnerabilität, als das Rind. Endzündliche Krankheitsherde von infectiösem Charakter in den Lungen, welche beim Rind noch keine nachweisbare Störung des Gesundheitszustandes zu veranlassen brauchen, bedingen beim Pferde schon eine auffällige Beeinträchtigung des Allgemeinbefindens. Mit dieser Verschiedenheit in der Vulnerabilität der Gewebe steht in Verbindung, dass das sogenannte chronische oder latente Stadium der Lungenseuche des Rindes gewöhnlich 4 Wochen und oft noch länger dauert, während die Entwickelung des Contagiums bei der Brustseuche des Pferdes schon innerhalb einer Woche vollendet ist. Ich kann nach den mir zu Gebote stehenden thatsächlichen Beob­achtungen nicht sagen, dass die Brustseuche bei einem Pferde
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stets oder auch nur in der Mehrzahl der Fälle am 3. bis 5. Tage nach der Infection sich offenkundig hervorthut. Es mag sein, dass die Entvvickelungszeit zuweilen 8 Tage, vielleicht auch noch etwas länger dauern kann. Aber die neuerdings von einigen Seiten aus­gesprochene Ansicht, dass die Incubationszeit sich auf 3—4 Wochen ausdehnen soll, muss ich einstweilen in Frage stellen.
Aehnlich wie bei der fibrinösen oder croupösen Pneumonic des Menschen, bei der Lungenseuche des Rindes und einigen an­deren Krankheiten, hat das Contagium der Bruslseuche eine örtliche und eine allgemeine Wirkung. Die örtliche Wirkung wird sofort nach der Einführung des Ansteckungsstoffs eingeleitet. Es entstellt in der Bronchialschleimhaut ein erysipelatöser Entzündungsprocess, welcher sich von einzelnen Bronchien auf das Lungonparcnchym fortsetzt und demgemäss zuweilen nur einzelne, in der Regel aber mehrere Entzündungsherde veranlasst. Da der speeifische Process auch in die Gefässwände eindringt, so erfolgt schon im Initial­stadium eine Thrombose kleiner Gefässe und in Folge dessen eine hämorrhagische Infarcirung des Lungengewebes. Fast immer voll­zieht sich die Ausbreitung des Krankheitszustandes auf die Pleura, und die sich hiernach entwickelnde Pleuritis bildet oft den wich­tigsten Bestandtheil der gesammten Krankheit. In seltenen Fällen ist die Entzündung des Lungenparenchyms unbedeutend, und der Process setzt sich von der Schleimhaut der Bronchioli auf das interstitielle Lungengewebe und direct auf die Pleura fort, so dass, wenn derartige Thiere nach 8 —14 Tagen zu Grunde gehen, eine Lungenaffection kaum noch nachgewiesen werden kann. Häufiger wird dagegen die Existenz einer multiplen Pneumonic beobachtet. Selten confluiren die Entzündungsherde, so dass eine oder sogar beide Lungen zum grossen Theil hepatisirt werden (lobäre Pneu­monic der Autoren). — Der erysipelatöse Entzündungsprocess im Bindegewebe und im Parenchym der Lungen breitet sich oft auf die dünnen Wandungen grösserer Lungenvenen aus, und die hier­durch veranlassten Thrombosen der letzteren gehören bei der Brust­seuche zu den gewöhnlichsten Vorkommnissen. — Mit dem Eintritt der Thrombose in einer grösseren Vene erfolgt durch den starken Blutdruck in den betreffenden Lungenarterien die hämorrhagische Infarcirung eines der verlegten Vene entsprechenden Lungenabschnitts. Hierdurch wird, weil das in die Alveolen ergossene Blut erstarrt, die feste Hepatisation der Lunge mit der bekannten grösseren
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Brüchigkeit des Gewebes herbeigeführt. In dieser Hinsicht verhält sich die Pneumonic bei der Brustseuche des Pferdes ganz so, wie bei der Lungenseuche des Rindes. Wenn eine grössere Lungenvene vollständig verlegt wird, so ist die Mortification eines Abschnitts der Lunge unvermeidlich. Während die Rinder aber bei der Lungen­seuche oft überleben, dass ein ziemlich erhebliches Lungenstück — welches durch hämorrhagische Infarcirung abstirbt — durch dis-secirende Entzündung, Abkapselung und Verwachsung mit der Rippenwand oder dem Zwerchfell ausgeschaltet wird, ist bei der Brustseuche der mit einer grösseren Vulnerabilität ausgestatteten Pferde ein solcher Ausgang sehr selten. In der Regel gehen die betreffenden Pferde schon in sehr kurzer Zeit zu Grunde. Ich habe bis jetzt nur 2 Fälle beobachtet, in welchen ein bei der Brust­seuche infarcirtes, nekrotisch gewordenes und abgekapseltes grösseres Lungenstück nach dem 2 und resp. 4 Monate später erfolgten Tode seine anatomische Configuration noch nicht eingebüsst hatte. Es scheint, dass für gewöhnlich bei den Pferden die Entwickelung gangränöser Processe in den durch Infarcirung abgestorbenen Lungen-partieu zu sehr begünstigt wird, so dass ein solcher Ausgang den exceptionelleA Ereignissen zugerechnet werden muss.
Der mit den örtlichen Entzündungszuständen sich vermehrende specifischelnfectionsstoff wird durch Resorption in das Blut gebracht und bedingt durch Verraittelung der Circulation eine grössere Reihe pathogener Wirkungen, deren wichtigste sich auf die Erregung von Fieber, von parenehymatösen Entzündungen und Schwellungen des Herzens, der Leber, der Magen-Darmschleimhaut, der Nieren, der Körpermusculatur und der Milz erstrecken.
Obwohl bei der Brustseuche einzelne von den für das Con-tagium empfänglichen Organen in einem excessiven Grade erkranken können, wodurch der Symptomatologie und dem Krankheitsverlauf eine gewisse Regelwidrigkeit verliehen wird — so ist es doch in der thatsächlichen Erfahrung nicht berechtigt, verschiedene Formen der speeifischen Krankheit aufzustellen. Auch bei der Lungenseuche des Rindes decken sich die Symptome und der Verlauf in den einzelnen Krankheitsfällen nicht vollständig. Mit Recht wird es aber nicht für nothig erachtet, deshalb verschiedene Formen der Lungenseuche zu unterscheiden.
Die speeifischen Wirkungen des Brustseuche-Contagiums dauern 7—8 Tage. Zuweilen sistirt die Krankheit unter dem Bilde der
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Krisis mit oder ohne vermehrte Ausscheidung von wässerigem Harn. Häufiger wird aber beobachtet, dass sich die Krankheitsfälle nach dem Aufhören dor specifischen Affection durch consecutive Störungen fortsetzen, an welchen die entzündlichen Destructionen der Brustorgane den wichtigsten Antheil haben.
Aus unbekannten Gründen wird die Brustseuche zuweilen am 3. bis 5. Krankheitstage in ihrem Verlauf unterbrochen, so dass die Erscheinungen schnell nachlassen und die Thiere ohne Nach­krankheit genesen (A bortiv-Verlauf).
In dem Resolutionsstadium der Pneumonie oder nach der Mortification von broncho-pneumonischcn Herden gelangen nicht selten aus den Lungen Krankheitsproducte von reizender Wirkung in die Bronchien. Es entsteht hierdurch Bronchitis und ßronchi-ektasie, zuweilen auch Laryngitis und Pharyngitis neben Ausfluss schleimiger oder eiteriger Dejecte aus der Nase.
Ich kann an dieser Stelle keine umfassende Charakteristik von der Brustseuche entwerfen. Die vorerwähnten Thatsachen dürften genügen, um die in der Literatur noch gegenwärtig verbreitete Meinung zurückzuweisen, dass die Brustseuche, oder wie man ge­wöhnlich sagt, die „Influenzaquot; der Pferde zuweilen von einem primären Katarrh der oberen Luftwege eingeleitet werde. Dem­gegenüber will ich ausdrücklich erklären, dass die in einem solchen Katarrh beruhende Erkrankung der Pferde der Brustseuche nicht angehört. Gerade so, wie bei der Lungenseuche des Rindes, ent­steht auch bei der Brustseuche des Pferdes der unter den Symptomen häufig zu beobachtende Husten aus der specifischen (erysipelatösen) Entzündung der Bronchialschleimhaut. Dagegen ist die in der zweiten und dritten Krankheitswoche bei einem an der Brustseuche leidenden Pferde entstehende Bronchitis in die Kategorie der Nach­krankheiten zu stellen.
Auch die infectiösen Magen-Darmkatarrhe und die in seltenen Fällen als eine selbständige Krankheit auftretende septische Myo­carditis können der Brustseuche nicht angereiht werden.
Die Brustseuche charakterisirt sich ebenso wie die Pferdestaupe als eine acut verlaufende, fieberhafte und contagiöse Infections-krankheit. Daher kommt es, dass, wenn Jemand blos die funetib-nellen Störungen der einzelnen physiologischen Systeme von concreten Krankheitsfällen hervorhebt, zwischen den Symptomen beider Krank­heiten eine Uebereinstimmung oder doch eine Verwandtschaft con-
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struirt werden kann. Die scheinbare Aehnlichkeit wird aber sofort hinfällig, wenn der Thierarzt sich bemüht, die speciellen Eigen­schaften, welche in den Zufällen beider Krankheiten liegen, zu er­kennen. In dieser Hinsicht ist zunächst von entscheidender Be­deutung, dass zwischen den beiden Contagien ein specifischer Unterschied besteht. Die Entwickelung der Pferdestaupe aus der Brustseuche oder umgekehrt der Brustseuche aus der Pferdestaupe wird niemals beobachtet. Ebenso bieten die pathogenen Wirkungen der einzelnen Contagien speeifische Verschiedenheiten dar. Bei der Brustseuche ist immer eine primäre Lungen- resp. Lungen-Brust­fellentzündung vorhanden. Ohne diese Localkrankheit der Brust­organe giebt es keine Brustseuche. Von significativer Bedeutung ist ferner bei der Brustseuche die häufig zu beobachtende Aus­breitung des speeifischen Eutzündungsprocesses über einen grossen Theil der Pleura durch örtliche Infection. Hierdurch sind die oft ausserordentlich copiösen serös-fibrinösen Exsudate in die Brust­höhle bedingt, welche den ungünstigen Verlauf vieler Krankheits­fälle verursachen. — Solche Zustände werden bei der Pferdestaupe nicht gesellen. Die bei der letzteren in einer Minderzahl der Krankheitsfälle auftretende Lungenentzündung resp. Lungen-Brust­fellentzündung hat niemals die Bedeutung einer primären Affection. Insbesondere besitzt die Pleuritis nie einen speeifischen (erysipela-tösen) Charakter. Entzündlichen Hydrothorax mit reichlichem Er-guss von fibrinös-serösem Exsudat habe ich bei der Pferdestaupe nie beobachtet.
Im Verlauf beider Krankheiten finden sich: krankhafte Tempe­raturerhöhung und Affectionen der Magcn-Darmschleimhaut, des Herz­fleisches, der Leber, der Nieren und der Skeletmuskeln. Aber es spricht sich doch bei jeder Krankheit in den Symptomen die ätio­logische Eigenart aus. Die Brustseuchc ist von vornherein bald in höherem, bald in leichterem Grade von einem allgemeinen Icterus begleitet, während dies Symptom der Pferdestaupe abgeht. Der letzteren kommt dagegen die ödematöse Infiltration der Conjunctiva sowie die starke Blutstauung in verschiedenen Organen zu, was bei der Brustseuche nicht beobachtet wird. Von entscheidendem Werth ist ausserdem die durch Auscultation und Percussion, sowie durch den Husten und das schmerzhafte Athmen festzustellende Pneumo-Pleuresie. Bei der Brustseuche findet sich schon im Initial­stadium eine Abschwächung des respiratorischen Geräusches und
Di eck e r h of f, Die Pferdestaupe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;8
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gewöhnlich auch sehr bald eine umfangreiche Verdichtung einer Lunge durch Hepatisation oder pleuritisches Exsudat. Dagegen entsteht bei der Pferdestaupe in der Mehrzahl der Fälle keine Lungenentzündung. Wenn sich derselben eine Lungenentzündung als Complication hinzugesellt, so erfolgt ihre Entvvickelung der Regel nach erst in den späteren Stadien der Krankheit.
Die sachkundige Verfolgung der in ihren wichtigsten Merk­malen hier angedeuteten speeifischen Verschiedenheiten schützt in •praxi vor einer Verwechselung zwischen beiden Krankheiten. Wenn der Thierarzt nur daran festhält, dass bei der Brustseuche des Pferdes die infectiöse Pleuro-Pneumonic den Mittelpunkt der ge-sammten Störung darstellt, und dass eine Pneumonie der Pferde-staupo als wesentlicher Bestandtheil nicht angehört, so wird ihm die Diagnostik nicht schwer fallen. Dass die Verwechselung beider Krankheiten bisher allgemein vorgekommen ist, lässt sich nicht damit erklären, dass die diagnostischen Untersuchungen und Er­wägungen der praktischen Thierärzte unvollständig gewesen wären. Der Irrthum hat vielmehr allein darin seinen Grund, dass in der Pathologie die speeifische Verschiedenheit beider Krankheiten nicht präcisirt worden ist.
F. Therapie.
a. Curative Behandlung.
Speeifische Mittel, mit welchen die Krankheit im fieberhaften Stadium coupirt werden könnte, giebt es nicht: Es erübrigt daher nur, bei der Behandlung der staupekranken Pferde sich nach den wichtigsten Bestandtheilen, aus welchen sich die Krankheit zusammen­setzt und beziehungsweise nach den pathologischen Zuständen und Complicationen, welche erfahrungsgemäss das Leben der Pferde be­drohen können, zu richten. Insbesondere sind so weit als thunlich bei der Behandlung eines Pferdes alle äusseren Schädlichkeiten fern zu halten, durch welche der Krankheitsverlauf ungünstig ge­staltet werden kann. Im Allgemeinen ist festzuhalten, dass die Blutdyskrasie den Mittelpunkt für die Störungen, welche die Pferde­staupe mit sich bringt, darslellt. Die Abänderung in den Mischungs-
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Verhältnissen des Blutes wird zunächst von dem Contagium gesetzt. A-ber die Erfahrung zeigt, dass durch eine Reihe von äusseren Ein­flüssen eine Vermehrung und Potenzirung der krank machenden Schädlichkeiten im Blut erfolgen kann, ßegelmässig verschlimmert sich die Affection eines Pferdes unter Verhältnissen, weiche die Athmung der rothen Blutkörperchen beschränken. Ausserdem ver­zögert sich der Krankheitsverlauf an sich oder durch die verschieden­sten Complicationen, wenn das beim Stoffwechsel verbrauchte Er­nährungsmaterial des Blutes durch die Zufuhr der Nahrungsmittel sich wenigstens zu einem Theil nicht bald wieder ersetzt. Hier­nach ist bei der thierärztlichen Behandlung der staupekranken Pferde Alles fern zu halten, was die impure Beschaffenheit des Blutes vergrössern kann. Was man in technischer Hinsicht wirken kann, richtet sich theils direct, theils indirect nach diesem thera­peutischen Gesichtspunkt. Im Einzelnen ergeben sich für die The­rapie folgende Indicationen.
1) Behandlung der Blutdyskrasie und der Fieberhitze, lieber die Gefahren der Krankheit werden die Pferde am besten durch eine zweckmässige und sorgfältige Pflege hinweggeholfen. Mit der Entwickelung des Fiebers müssen die Thiere unverzüglich ausser Dienst gestellt werden. Jede weitere Anstrengufig hat eine nachtheilige Wirkung. — Ein kühler Aufenthalt ist den kranken Pferden zuträglich. Der Rumpf ist mit einer leichten Decke zu behängen, mit welcher in den Sommermonaten zugleich die Be­lästigung durch die Fliegen verringert wird. — Es ist ferner dringend erforderlich, die Thiere nur an solchen Standorten zu belassen, an welchen sie eine reine Athmungsluft finden. Gegen diese therapeutische Vorschrift werden die meisten Fehler begangen. In der Meinung, dass durch chemische Desinfectionsmittel die Athmungsluft eines ungünstig gelegenen Stallraums zu purificiren sei, bleibt die nothwendige anderweite Aufstellung der kranken Pferde unbeachtet. Der Glaube, dass durch die Behandlung der Stallwände und des Fussbodens mit Garbolsäure die Respirations­luft verbessert werden könnte, hat schon bei manchen staupekranken Pferden eine Verschlimmerung herbeigeführt. — Wenn die Stallungen für die energische Ventilation und Abkühlung der Luft nicht ganz zweckmässig eingerichtet sind, so ist es besser, die kranken Pferde täglich mehrere Stunden oder selbst anhaltend an einem schattigen
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Ort im Freien zu belassen. Die Verbesserung der Athmungsluft im Stall kann durch sorgfältige Reinigung der Wände und der Futterkrippen, bei heisser Witterung auch durch häufiges Besprengen des Fussbodens mit kaltem Wasser gefördert werden.
Dem Verfall der Kräfte lässt sich ausserdem zweckmässig entgegenwirken durch die Verabreichung von gut beschaffenen Nahrungsmitteln. Da die Pferde in dem specifischen Stadium der Krankheit nur wenig Appetit zeigen, so empfiehlt es sich, ihnen abwechselnd Futterstoffe von verschiedener Art zur Aufnahme vor­zulegen. Beiläufig bemerkt giebt es kein Arzneimittel, mit welchem eine Anregung des Appetits bei kranken Pferden gleich zweck­mässig erwirkt werden könnte, wie durch die Verabreichung geeig­neter Nahrungs- und Genussmittel. Hierbei ist die Vorliebe für einzelne Futterstoffe, welche sich in dem Appetit der Pferde aus­spricht, täglich näher zu prüfen. Während manche Pferde gutes Heu, Grünfutter, Mohrrüben oder Tränke von Roggenschrot und Kleie bevorzugen, verzehren andere lieber geringe Quantitäten von reinem Hafer. Von solchen Futterstoffen können die Pferde nach Belieben fressen. Eine Ueberladung der Verdauungswege ist hier­von nicht zu befürchten. Soweit reicht der Appetit der Pferde bei der Pfcrdestaupo niemals.
Zur Befriedigung des Durstgefühls ist den Thieren am besten klares Wasser zu reichen. Fine Verkürzung in der beliebigen Auf­nahme des Wassers muss vermieden werden.
Die Fiebertemperatur der kranken Pferde ist mit Arzneimitteln nicht zu bekämpfen. Theoretisch betrachtet lässt sich überhaupt die Erniedrigung der Temperatur in fieberhaften Krankheiten nur dadurch herbeiführen, dass die pyrogene Substanz des Blutes ent­weder quantitativ verringert oder in ihrer Wirkung beschränkt wird. Eine solche Bedeutung hat das Chinin beim Wechselfieber des Menschen. Aber ich habe mich nach dem Resultat vieler Heil­versuche bei der Pferdestaupe nicht überzeugen können, dass die specifischen Antipyretica die Temperatur erniedrigen. Ich habe Chinin, Blausäure, Salicylsäure, salicylsaures Natron und andere Mittel in grossen Dosen gegeben. Einen erkennbaren Einfluss auf das Verhalten der Temperatur hatten diese Medicaraente nicht. — Auch von anhaltenden Berieselungen des Körpers mit kaltem Wasser und von Infusionen desselben in den Mastdarm sah ich bei der Pferdestaupe keinen Nutzen. Die Ansteigung der Fieberhitze
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wird hierdurch nicht aufgehalten, wenn anders die Bedingungen für dieselbe vorhanden sind.
Die Verabreichung von Abführmitteln, namentlich von Aloe­pillen, welche manche Laien nach einer ganz unberechtigten An­schauung empfehlen, kann erfahrungsgemäss die Störung des Ali­gemeinbefindens nicht erleichtern.
Die Behauptung, dass nach der Einleitung eines antipyreti-schen Heilverfahrens die Temperatur der staupekranken Pferde bedeutend zurückgegangen sei, beruht auf einem Beobachtungsfehler. Es wird dabei übersehen, dass in dem rcgelmässigen Ablauf der Störungen sieh die Fieberhitze am dritten bis sechsten Krankheits­tage von selbst erheblich verringert.
2) Behandlung der parenehymatösen Myocarditis. Bei der Pfercestaupe ist immer auf die Herzaffectiou eine be­sondere Rücksicht zu nehmen. Zur Beschränkung der nachtheiligen Wirkungen, welche aus derselben hervorgehen, dient schon das ad 1 empfohlene diätetische Verfahren, durch welches die gleichmässige Vertheilung des Blutes im Körper begünstigt wird. Empfehlens-werth ist ausserdem die Verabreichung erregender Medicamente. Ein Zusatz von 50,0—100,0 Sp. aeth. und 300,0—500,0 Brannt­wein zu einem Eimer frischen Trinkwassers hat für die kranken Pferde eine belebende Wirkung. Oft trinken die Pferde hiervon freiwillig grosse Quantitäten. Wenn dies nicht geschieht, so wird die Flüssigkeit zweckmässig in Zwischenzeiten von ' 2 bis 1 Stunde mittels eines Schwanmies oder eines Tuches in die Maulhöhle gebracht. Bei grosser Herzschwäche kann ausserdem noch Camphor zu 5,0—10,0 pro die — am besten unter Berücksichtigung anderer Indicationen in Verbindung mit geeigneten Medicamenten etwa: Corf. Quercus und Nafr. hicarhon. aa 75,0 — in Latwergenform gereicht werden.
3) Behandlung der Gehirncongestion. Gegen die Benommenheit des Bewusstseins erweisen sich neben frischer Luft anhaltende Waschungen des Kopfes mit kaltem Wasser vortheilhaft. Bei hochgradigem Stupor ist dem kalten Wasser Spiritus oder Essig zuzusetzen. Ich habe nicht gefunden, dass die Application einer Eisblase auf den Oberkopf eine bessere Wirkung gehabt hätte, als die Anwendung des kalten Wassers. Im Gegen-theil lässt sich das Wasser leichter über alle Theile des Kopfes
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verbreiten, und die Pferde empfinden davon ersichtlich eine mehr erfrischende Wirkung, als wenn ein kleiner Theil des Kopfes mit Eis bedeckt ist.
4) Behandlung des Magen-Darmkatarrhs.
So lange die Krankheit in einem mittleren Grade besteht und einen regelmässigen Verlauf nimmt, ist eine besondere Medication gegen den Appetitmangel entbehrlich. In den schweren Fällen und bei protrahirtem Verlauf erweisen sich tonisirende und die Secretion der Verdauungsdrüsen anregende Medicamente nützlich. Günstige Wirkungen beobachtete ich nach der Verabreichung von Kochsalz als Lecke, oder, wenn das Mittel freiwillig nicht aufgenommen wird, nach dem Aufstreuen desselben auf die Zunge. Ausserdem empfiehlt sich Extr. Aloes 10,0—20,0 mit Nafr. hicarhon. 100,0 auf zweimal in einem Tage zu geben. Vielfach benutzte ich Ilydmrg. bichlorat. cor. 2,0—3,0 mit Cort. Querem und Nafr. chloraf. aa 75,0 auf zweimal p-o die. Kaum bedarf es einer Andeutung, dass eine grosse Zahl anderer Medicamente (Rad. Gentian., Cort. Salio. u. a.) zu dem in Rede stehenden therapeutischen Zweck verwendbar ist.
5) Behandlung der erysipelatösen Anschwellungen in
der Haut.
Sobald sich eine diffuse Tntumescenz in der Haut an den Glied-massen, am Kopf, am Schlauch oder unter der Brust einstellt, ist es vortheilhaft, die Haut mit kaltem Wasser, oder mit Wasser und Essig, oder mit einer Lösung von Phonh. met. stündlich zu waschen. Mit bestem Erfolg benutze ich zu diesem Zweck eine Lösung von Plumh. acet. 2 Th., Ahan. crud. 1 Th. in 20 Aq.
6) Behandlung der Conjunctivitis.
Beschränkt sich die erysipelatöse Entzündung auf die Con­junctiva, so ist eine besondere Behandlung nicht nothwendig. Selbst eine massig starke Empfindlichkeit gegen das Licht, welche beim Eintritt der Reconvalescenz häufig noch besteht, verliert sich bei zweckmässigem diätetischen Verhalten gewöhnlich in wenigen Tagen. Ueberdies erstrecken sich die gegen die Hirncongestion anzuwen­denden kalten Waschungen der Regel nach auch über die Augen, womit schon eine antiphlogistische Wirkung verbunden ist. —
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Wenn aber der Entzündungsprocess auf die Cornea sich verbreitet, so ist die recht oft zu wiederholende Waschung mit adstringirenden Mitteln am Platze. Hierzu erweist sich am zweckraässigsten eine '2procentige Lösung von Liq. Phimh. suhacet. in Wasser. Ge­bräuchlich ist auch die Iprocentige bis •2procentige Lösung von Zinc, sulfuric. oder von Tannin. Bei schmerzhaften Empfindungen in den Augen (starke Lichtscheu) wird recht zweckmässig täglich zwei- bis dreimal die Instillation einer Vaprocentigen bis Ipro-centigen Lösung von Atropin benutzt.
7) Behandlung des Durchfalls.
In allen Fällen, in welchen sich durch Koliksymptome oder durch dünnflüssige Beschaffenheit der Excremente eine erhebliche Darmaffection ausspricht, empfehlen sich warme Einhüllungen des Bauches mit Decken, sowie die Einreibung der Bauchwandungen mit Spiritus, welchem 01. Terebinth, oder Uq. Ammon. caust. zugesetzt werden kann. Zweckmässig ist die Application eines Priessnitz'schea Umschlags. Häufig kommt man mit dieser Behandlung schon aus. Stellt sich anhaltender Durchfall ein, so ist neben derselben die Verabreichung von Tinct. Op. simpl. (15,0—40,0) in Wasser, oder in einem schleimigen Vehikel ange­zeigt. Wenn bei dem Durchfall der Puls kräftig und nicht sehr frequent ist, so leisten die tonisirenden Mittel (C'oW. Quere, oder Cort. Salic. zu 50,0—100,0) in Verbindung mit Kochsalz und kohlensauren Alkalien gute Dienste. In solchen Fällen ist auch das Calomel in sehr kleinen Dosen (0,2 bis 1,0 pro die) in Ver­bindung mit Plumb, acetic. (4,0 bis 8,0) am Platze. Am besten werden diese Mittel in Latwergenforra gegeben. Mit der nöthigen Vorsicht, d. h. unter Mitwirkung eines Sachverständigen kann auch die Einverleibung mit einem schleimigen Vehikel geschehen. Bei den schwer erkrankten Pferden, bei welchen die Kieferbewegungen sehr mühsam erfolgen, werden die Medicamente oft besser in flüssiger, als in fester Form — selbstredend mit der nöthigen Vor­sicht — eingegeben.
Der Mastdarmkatarrh, welcher dem Durchfall zuweilen schon vorhergeht oder mit demselben fortbesteht und häufig starken Tenesmus verursacht, wird zweckmässig mit Infusionen von reiz­mildernden Mitteln behandelt. Hierzu eignet sich ein Decoct von Leinsamenschleim oder eine Abkochung von Weizenmehl oder
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Stärkemehl. Solehe Infusionen müssen alle zwei Stunden gemacht werden.
Bei anhaltendem Durchfall darf der Thierarzt nicht versäumen, die Reinigung des Schweifes oder der Hinterschenkel, an welchen die Excremente zum Theil haften bleiben, anzuordnen.
8) Behandlung der Broncho-Pneumonie.
Leichte Complicationen der Pferdestaupe mit Broncho-Pneu­monie bedürfen ausser der diätetischen Behandlung keiner beson­deren Berücksichtigung. Besser als mit Medicamenten wird dem lebensgefährlichen gangränösen Zerfall broncho-pneumonischer Herde durch die beständige Zufuhr frischer Athmungsluft und durch die Ermöglichung der Futteraufnahmc begegnet. Wenn die betreffen­den Pferde durch eiterigen Nasenausfluss und faulen Geruch der Exspirationsluft das Vorhandensein von jauchigen Herden in den Lungen zu erkennen geben, so haben nach meinen Erfahrungen Arzneimittel keinen Nutzen mehr. Inhalationen von Terpentinöl, Carbolsäure und anderen desinficirenden Mitteln habe ich stets ver­geblich angewendet. — Zuweilen setzt sich die Lungenentzündung, ohne dass Zerfallsherde vorhanden sind, auf die Pleura fort, wobei die Pferde neben der Athmungsfrequenz schmerzhafte Em­pfindungen in der Brustwand äussern. Hiergegen ist mit grossem Vortheil die Application eines Senfbreies oder die Einreibung von Senfspiritus (1 Th. 01. Sinap. auf 12 bis 25 Th. Sp.) auf eine, erforderlichen Falls gleichzeitig auf beide Brustwandungen zu benutzen.
Der Senfspiritus lässt sich nicht gut direct einreiben. Min­destens wird hierbei eine verhältnissmässig grosse Quantität des relativ theuren Medicaments erforderlich. Auch kann bei einer solchen Anwendung des Senfspiritus nicht immer vermieden werden, dass das Mittel nach dem Brustbein abfliesst und eine erhebliche Entzündung der lockeren Haut zwischen dem Vorderschenkel und Brustbein herbeiführt. Solche Entzündungen können bei der Be­handlung eines Pferdes recht lästig werden. Ich empfehle daher folgende Behandlungsweise, die ich nicht blos bei der in Rede stehenden Complication der Pferdestaupe, sondern quot;auch bei der Brustseuche der Pferde recht vortheilhaft gefunden habe. Es wird zunächst hinter dem Schulterblatt bis zum Ellenbogen und in directer Fortsetzung am Brustbein entlang nach hinten, sowie ah
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der Grenze der Brusthöhle nach ohen verlaufend Meldkleister in der Breite einer menschlischen Hand dick ciafgetragen. Der zwischen diesem Mehlkleister-Streifen liegende Theil der Brustwand wird dann zunächst mit einfachem Spiritus oder Branntwein, im Noth-fall mit Wasser befeuchtet, damit der Senfspiritus bei der Appli­cation sich auf alle Hautpartien leicht ausbreiten kann. Darauf giesst man den Senfspiritus (etwa 80,0—100,0 für eine Brust­wandung) auf die angefeuchtete Hautpartie, wobei die gleichraässige Vertheilung des Mittels auf die Haut besonders zu beachten ist.
Andere scharfe Mittel und insbesondere die blasen- und pustel­bildenden Reizmittel sind in diesen Krankheitsfällen anzweckmassig. Denn bei ihrer Benutzung kommt es ganz gewöhnlich zu umfang­reichen Zerstörungen der Haut, wodurch sich die Nachbehandlung unnöthigenveise verzögert. Ich habe sogar gesehen, dass Pferde lediglich durch eine solche unpassende Behandlung in Folge tief­gehender Verschwärungen zu Grunde gingen. Der Thierarzt muss sich bei der Behandlung immer bewusst bleiben, dass bei der Pferde­staupe die ganze Constitution der Pferde eine schwere Störung erleidet und dass hierbei die Wirkung scharfer Medicamente auf die Haut immer einen viel bedeutenderen Grad und Umfang er­reicht, als bei gesunden Pferden. — Aus denselben Gründen ist auch die Application von Fontanellen und Haarseilen contraindicirt.
9) Behandlung der Rhehe. Die erysipelatöse Entzündung der Huf lederhaut, welche die Pferdestaupe oft complicirt, erfordert in allen Fällen die sofortige Entfernung der Hufeisen und — wenn es irgend thunlich ist — die Unterbringung der Pferde in einem Raum mit weichem Fuss-boden. Wenn sich in der Sohle der Hufe viel „todtes Hornquot; findet, so ist dasselbe sofort zu beseitigen. Demnächst müssen erweichende Umschläge um die Hufe applicirt werden. Hierzu eignet sich am besten frischer Kuhmist. Ist derselbe nicht zur Hand, so kann ein Umschlag mit Mehlbrei angelegt werden. Solche Um­schläge sind anhaltend mit kaltem Wasser zu befeuchten. Es ist fast immer ausreichend zur Beseitigung der in Rede stehenden Complication, wenn diese Behandlung zwei bis drei Tage fort­gesetzt wird.
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10) Behandlung der multiplen Abscessbildung in der
Haut.
Das Auftreten von Eiterungsproeessen in der Haut erfordert eine sorgfältige Reinigung der kranken Partien und die frühzeitige Spaltung der Abscesse Hiermit ist die energische Anwendung desinficirender Medicamente zu verbinden. Ldq. Alum, acetic, (fünf-procentig), Villat'scher Liquor oder die oben erwähnte Lösung von 2 Th. l'lmnb. acetic, 1 Th. Ahtm. in 20 Aq. sind die am meisten empfehlenswerthen Mittel. Im Uebrigen können Carbol-säure in Lösung oder in Salbenform, sowie Aloetinctur und andere bekannte Wundhcilmittel Anwendung finden.
b. Prophylaxis.
Dem Einbruch der Pferdestaupe in einen grösseren Pferde­bestand und ebenso ihrer Entstehung bei einzelnen Pferden kann nur durch Vermeidung der Ansteckung begegnet werden. Mit Erfolg lässt sich eine derartige Aufgabe der Therapie nur erfüllen durch Beschränkung in der Benutzung der Pferde. Selten besitzen aber Kutscher und andere Führer so viel Einsicht, dass sie bei der gewöhnlichen Beschäftigung die Berührung ihrer Pferde mit fremden Pferden zu verhindern suchen.
Pferde, welche nach der Infection und während des Verlaufs der speeifischen Krankheit sich in der freien Luft dauernd befinden, oder in einem Raum aufgestellt sind, in welchen continuirlich frische atmosphärische Luft eingeführt wird, erkranken in der Regel weni­ger erheblich, als diejenigen Pferde, welche in einem abgeschlossenen Stalle stehen müssen. Auch diese Erfahrung kann bei der thier-ärztlichen Praxis in prophylactischcr Hinsicht verwerthet werden. Es empfiehlt sich daher, dem angedeuteten Gesichtspunkt nach Massgabe der örtlichen Verhältnisse thunlichst Rechnung zu tragen.
Für grössere Pferdebestände, in welchen die Seuche ausbricht, ist die Erfahrung zu beherzigen, dass durch sofortige Absonderung derjenigen Pferde, bei welchen sich die ersten Krankheitssymptorae zeigen, und durch eine zweckmässige Reinigung ihrer Standorte ein grosser Theil des Bestandes vor der Ansteckung bewahrt werden kann. Zu einer solchen Reinigung genügt vollkommen die Ent-
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femung des Düngers, sowie des Strohs aus dem Standort und die einfache Abwaschung der Krippen, Raufen, Wände und Fussböden mit kaltem quot;Wasser. Die Anwendung starker Desinfectionsmittel ist vollkommen entbehrlich.
Die in der öffentlichen Meinung vielfach vorbreitete Ansicht, dass durch wiederholte Anwendung eines DesinfectionsVerfahrens in den Pferdeställen (Chlorräuchorung oder Bestreichen der Krippen, Raufen, Wände, Fussböden mit verdünnter Carbolsäure) die An­steckung abgewehrt werden könne, ist wissenschaftlich nicht be­rechtigt. In den Ställen, in welchen die Krankheit einmal herrscht, wirken derartige Mittel durch Reizung der Athmungswege bei den kranken Pferden sogar schädlich. Die einfache Reinigung der Stallwände und erforderlichen Falls das Abwaschen derselben mit Wasser genügt schon, um die Athmungsluft des Stalles zu ver­bessern. Wenn noch ein Uebriges geschehen soll, so sind die Stallwände mit Kalkmilch zu bestreichen.
Was endlich die oft angeregte Frage betrifft, ob durch vete-rinär-polizeiliche Schutzmassregeln der Einschleppung und Ver­breitung der Pferdestaupe zu begegnen sei, so ist zu beachten, dass die Seuche in der Art ihrer Ausbreitung sich der Rinderpest analog verhält. Wenn sie deshalb mit polizeilicher Hülfe einge­schränkt oder unterdrückt werden sollte, so würde die Benutzung aller kranken und der Ansteckung verdächtigen Pferde in dem­selben Umfange zu verbieten sein, wie mit Rücksicht auf die Rinderpest-Gefahr gegenüber dem gewerblichen Verkehr mit Rin­dern geschieht. Dabei käme ferner in Betracht, dass ohne ener­gische Durchführung einer solchen Massregel die Verbreitung der Krankheit wegen ihrer ausserordentlich grossen Ansteckungsfähig­keit nicht inhibirt werden könnte. Jede Gelegenheit zur Verschlep­pung des Ansteckungsstoffs wäre zu berücksichtigen. Bei grösseren Pferdebeständen müsste schon wegen der Controle die Benutzung derjenigen Pferde, welche nach dem Ausbruch der Seuche noch eine Zeitlang gesund bleiben, bis zum Aufhören der Krankheit verboten sein. Womit sollten dann aber in den Bierbrauereien, in den Speditionsgeschäften, oder im Postbetriebe und bei zahl­reichen anderen wichtigen Unternehmungen die nothwendigen Trans­porte bewirkt werden? Die erforderlichen Massregeln müssten hiernach unvermeidlich den Erwerb der Pferdebesitzer in so hohem Grade schädigen, dass ihre gesetzliche Anordnung ohne das Cor-
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rdat der Ersatzleistung für die unmittelbaren Verluste nicht be­rechtigt erscheint. Da die Pferdestaupe aber im Ganzen einen gutartigen Verlauf nimmt und hinsichtlich ihrer wirthschaftlichen Bedeutung bei Weitem nicht mit der Rinderpest verglichen werden kann, so dürfte die Einführung von veterinärpolizeilichen Schutz­massregeln gegen ihre Verbreitung unter den gegenwärtigen Ver­kehrsverhältnissen nicht thunlich sein. So schwer die Verluste sind, welche die Besitzer grösserer Pferdebestände durch den Einbruch der Pferdestaupe und die mit demselben unvermeidliche Erschwe­rung des geschäftlichen Verkehrs erleiden, so wird sich doch zur Abwendung derselben die Anordnung polizeilicher Massregeln wohl kaum ermöglichen lassen.
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Drittes Capitel.
Casuistik der Pferdestaupe.
i.
Schwere Erkrankung. Diffuse Anschwellung der Haut an den Gliedmassen. Protrahirter Verlauf. Genesung.
Schimmelwallach — Arbeitspferd, Landschlag, gegen 10 Ctr. schwer, 17 Jahre alt — wurde am 12. September 1881 der Klinik mit dem Bemerken zugebraelit, dass er an demselben Tage weniger Futter als sonst verzehrt habe.
Befunde.
12.nbsp; September. Mittelmässiger Nährzustand, matte Haltung. Langsame Bewegungen. Pulszahl unerheblich beschleunigt. Ath-mung normal. Leichte Erhöhung der Bluttemperatur. , Augen­schleimhaut etwas geröthet. Darmexcremente und Harn normal. Appetit gering. Etwas Grünfutter und Heu wird verzehrt, Hafer dagegen nicht aufgenommen.
Da das Pferd aus einem Stalle kam, in welchem die Seuche herrschte, so wurde nach dem Befunde angenommen, dass die Pferdestaupe in der Entwickelung begriffen sei. Neben der zweck-mässigen Unterbringung des Pferdes erschien eine medicamentöse Behandlung nicht angezeigt.
13.nbsp; nbsp;September. Krankhafte Erhöhung der Bluttemperatur. Benommenheit des Bewusstseins. Steife Haltung des Körpers und schwerfällige Bewegung. Herabfallen der Ohren. Mangelhafter Tonus in den Muskeln des Gesichts und beider Lippen. Auf­gebürstetes Deckhaar. Ungleiche Vertheilung der Temperatur in der Haut. Geringgradige diffuse Anschwellung beider Hinter-
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schenke!. Puls massig beschleunigt. Athmen normal. Appetit gering. Durstgefühl rege.
Ordination: Sp. aeth. mit dem Trinkwasser. Waschung des Kopfes mit kaltem Wasser und der Gliedmassen mit einer Lösung von Plumb, acetic, und Alum. crud.
14. September. Zunahme der Krankheitserscheinungen. Starke Eingenommenheit des Kopfes, welcher häufig auf die Krippe gestützt wird. Zur selbständigen Aenderung seiner Stellung ist das Pferd nicht zu veranlassen. Wenn es von seinem Platze weggenommen werden soll, so muss es durch mehrere Personen fortgeschoben werden. Stärkere Anschwellung der Hinter- und Vorderschenkel. Herabhängen der Ober- und Unterlippe. Röthung und ödematöse Infiltration der- Conjunctiva. Lichtscheu. Schliessung der Augen­lider. Geringer Ausfluss einer dünnschleimigen, klaren Flüssigkeit aus der Nase. Anschwellung der Kehlgangsdrüsen. Vollständige Inappetenz. Häufiges Durstgefühl; von klarem Trinkwasser werden stets nur geringe Quantitäten verschluckt. Herzschlag fühlbar; Puls von mittlerer Stärke; Arterie weich. Athmung leicht beschleunigt, ohne Anstrengung.
Ordination: Innerlich: Hjdrarg. bichlorat. cor. 3,0 mit Natr. chlorat. 50,0 auf dreimal in Mehlpillcn. Aeusserlich: Stündliche Waschungen der Gliedmassen mit einer Lösung von Plumb, acet. und Alum. Anhaltende Waschungen des Kopfes. Priessnitzrscher Umschlag um den Bauch.
15.. September. Dieselben Krankheitserscheinungen. Indess wird etwas Grünfutter mit langsamen Kaubewegungen verzehrt. Starke Pulsfrequenz. Temperatur etwas niedriger. Athmung wie vorher.
Ordination wie gestern.
16.nbsp; September. Geringe Abnahme der Krankheitszufälle. Er­leichterung des Bewusstseins. Schwellung der Gliedmassen hat etwas abgenommen. Neben Heu und Grünfutter wird 1 Liter Hafer verzehrt. Darmexcremento breiig. Harn klar, dünnflüssig, reichlich.
Ordination: Innere Behandlung ausgesetzt. Aeussere Behand­lung wie vorher.
17.nbsp; nbsp;September. Abnahme der Pulsfrequenz und der Tem­peratur. Appetit etwas besser. Bei massigem Antreiben ist das Pferd im Schritt zu führen.
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18.nbsp; September. Fortschreitende Reconvalescenz. Futter wird in massiger Quantität verzehrt. Harn gelblich, trübe, fadenziehend, spec. Gew. = 1025, ohne Eiweiss.
19.nbsp; nbsp;Ms 22. September. Zunehmende Besserung. Futterauf­nahme reichlich. Erschlaffung in den Muskeln der Ohren, Backen und
-Lippen geringer. Anschwellung der Füsse in demselben Umfang wie vorher. Darmexcremente normal. Harn von strohgelber Farbe, dünnflüssig, eiweissfrei.
Das Pferd wurde dem Besitzer auf Verlangen und mit der Empfehlung zurückgegeben, dass es noch 10 bis 14 Tage unter sorgfältiger Pflege in einem geräumigen Stallraum zu belassen und erst dann allmälig zum Arbeiten zu verwenden sei.
Zeit:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Respiration: Puls: Temperatur:
12. Sept.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;44nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38,9
l^Sept.!^ 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;52nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;^
1 \ Nachm. 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;52nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;40,3
14. Sept. {^ra- 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;68nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;40'2
l Nachm. U
15nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;72nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;40,1
15.Sept.
18nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;80nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39,7
80nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39,6
jVorm. 16nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 72nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39,2
1 Nachm. 16nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;70nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39,0
16. Sept.
17.Sept. Vorm- 16nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;60nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38'4
r \ Nachm. 16nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;60nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38,5
18.Sept.(Vorm- 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;5'2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;37'7
r \ Nachm. 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;54nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38,1
/Vorm. 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;50nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;37,8
\ Nachm. 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;48nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38,1
19. Sept.
20. Sept. { ', quot;
I Nachm. 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;50
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;37,9
38,1
21.Sept.(Vo™- 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;48nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;37'9
^ \ Nachm. 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;46nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38,2
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Bemerkungen.
Seinem Verlauf nach gehört der vorstehend beschriebene Krankheitsfall zu den schweren Affectionen, welche stets mit Vor­sicht zu beurtheilen und zu behandeln sind. Vorherrschend in dem Symptomenbild treten die Anschwellungen der Haut und die paretischen Zustände an den Muskeln hervor. In erheblichem Grade war auch das Bewusstsein verringert. Alle übrigen Symptome unterscheiden sich nicht von dem Krankheitsbild, welches den regelmässigen Verlauf kennzeichnet. — Auf den günstigen Ausgang hatte zweifellos die sorgfältige Verpflegung des Pferdes in einem hohen luftigen Stallraum einen erheblichen Einfluss. Ich habe mehrere andere Fälle kennen gelernt, welche bei gleichem Syrapto-menbild am 5. bis 7. Krankheitstage durch Lähmung der nervösen Ccntralapparate zum Tode führten.
II.
Erkrankung in mittlerem Grade. Starke Depression der Hirnfunctionen. Frotrahirter Verlauf. Genesung.
Wallach — 8 Jahre alt, dänischer Race, von trägem Tem­perament; in der Landwirthschaft benutzt — wird am 25. August 1881 in die Klinik recipiri. Vom Besitzer erging die Mittheilung, dass das Pferd seit zwei Tagen erkrankt sei.
Befund.
Nährzustand gut, Deckhaar glatt. Blick ausdruckslos und stier, Aufmerksamkeit auf die Umgebung sehr gering. Körper­bewegungen schlaff und schwankend. Kopfhaltung gesenkt; häufiges Aufstützen des Kopfes auf die Krippe oder auf den Flankir-baum. Schlaffe Haltung der Ohren. Vollständige Inappetenz. Reichliche Aufnahme von klarem Trinkwasser. Darmexcremente in normaler Quantität und Gonsistenz. Leichte diffuse Röthung und wässerige Infiltration der Conjunctiva beider Augen. Nasen-schleimhaut geröthet und leicht geschwollen. Maulschleimhaut normal gefärbt. Hustenreiz nicht vorhanden. Ergebnisse der Aus­cultation und Percussion der Lungen normal. Respiration 12, In-und Exspiration von gleicher Dauer. Puls 68, von normaler Stärke. Herztöne normal; Herzstoss nicht fühlbar. Temperatur der äusseren
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Haut krankhaft gesteigert, am Oberkopf und unter der Mähne sehr hoch, am Nasenrücken geringer, an den Füssen und am Rumpfe nicht erhöht.
Da in dem Stall des Besitzers die Plerdestaupe notorisch herrschte, so waren die Symptome für die Diagnose ausreichend. Nach dem Vorbericht, in Verbindung mit den Krankheitssymptomen, musste angenommen werden, dass die Affection am 23. August ihren Anfang genommen hatte.
Therapie: Anhaltende Waschungen des Kopfes mit Wasser, welchem Sp. dil. und Acet. crud. zugesetzt war.
26. August: Vormittags konnte eine Steigerung des gesamm-ten Krankheitsbildes constatirt werden. Hochgradige Benommenheit des Bewusstseins. Eespiration, Puls und Temperatur wie am vor­hergehenden Tage. Gutes Grünfutter wird mit sehr langsamen Kieferbewegungen zuweilen gekaut, wobei das Pferd oft innehält, so dass die Grashalme aus den Mundwinkeln hervorragen. Am Tage legt sich das Pferd nicht. In der folgenden Nacht hat es anhaltend gelegen. Augenschleimhaut stärker geröthet, Lichtscheu gering. Darmexcremente weicher. Urin konnte nicht aufgefangen werden.
Therapie wie am vorhergehenden Tage; ausserdom 100,0 Sprit, aeth. in einem Eimer Wasser zum Getränk.
Am 27. und 28. August hielten sich die Krankheitserscheinun­gen auf gleicher Höhe.
Therapie: Neben der seitherigen Behandlung wurde in Lat­wergenform pro die auf 3 Mal vertheilt Camph. trit. 10,0, Gort. Quercus 50,0, Natri bicarb. 100,0 verabreicht.
29.nbsp; August. Nachlass der Bluttemperatur um 1,2deg;, während die Athemzüge sich um 4 und die Pulse nur um 2 in der Minute ver­ringerten. Verminderung in der Depression des Sensoriums. Ein­tritt von Appetit. Es wird, wenn auch sehr langsam, 1 Motze Hafer und eine massige Quantität Heu verzehrt. Consistenz der Darmexcremente normal.
30.nbsp; August. Besserung des Allgemeinbefindens. Dem Zuruf folgt das Pferd, wenn auch langsam. Appetit auf Grünfutter und Heu besser; auch eine geringe Menge Hafer wird verzehrt. Tem­peratur im Rectum normal. Pulszahl relativ hoch.
31.nbsp; nbsp;August. Kopfhaltung zwar noch gesenkt, Aufmerksam­keit aber grosser. Appetit gut. Körperbewegungen sicherer.
Dieckerhoff, Die Pfenlestaupe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;\)
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Am 1. September wird das Pferd dem Besitzer mit der An­weisung zurückgegeben, dass es noch- 5—8 Tage hindurch in einem luftigen Stall belassen und täglich V2 Stunde in der freien Luft geführt werden soll.
Tag:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Respiration: Puls: Temperatur:
„- . fVorm. 12
25.nbsp; Aug.{ „ ,
6 \ Nachm. 16
oe a f Vorm. 12
26.nbsp; Aug.lt; „ ,
0 \ Nachm. 16
27.nbsp; Aug. Vorm.nbsp; nbsp;16
28.nbsp; Aug. Vorm.nbsp; nbsp; 16
29.nbsp; nbsp;Aug. Vorm.nbsp; nbsp; 12
30.nbsp; Aug. Vorm.nbsp; nbsp;14
31.nbsp; Aug. Vorm.nbsp; nbsp; 16 1. Sept. Vorm.nbsp; nbsp; 14
68
40,6
68
40,4
68
39,4
72
39,5
72
39,4
72
39,5
70
38,3
60
38,0
60
37,8
58
37.9
Bemerkungen. Obgleich dieser Krankheitsfall erst am dritten Tage zur Fest­stellung kam, so sind die über den weiteren Verlauf desselben festgestellten Thatsachen doch ausreichend für die Erkenntniss, dass die Pferdestaupe unabhängig von localen Erkrankungen der Digestionsorgane mit einer schweren Affection des Gehirns ver­bunden sein kann. Bei dem längeren Herrschen der Seuche an einem Orte werden derartige Fälle nicht selten beobachtet. Im Wesentlichen sind dieselben dadurch charakterisirt, dass die Hirn-affection sich ganz allmälig und erst nach längerer Zeit wieder ausgleicht, trotzdem die Respirations- und Digestionsorgane ihren physiologischen Aufgaben genügen. — Die starke Benommenheit des Bewusstseins könnte den Verdacht erregen, dass das Pferd mit dem Dummkoller behaftet gewesen sei. Ich habe aber durch spätere Beobachtungen constatirt, dass dasselbe bald nach der Abholung aus der Klinik vollständig gesund geworden ist und am Dummkoller nicht gelitten bat.
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III.
Complication mit Halsbräune. Verzögerte Recon-
valescenz. Genesung.
Sechsjähriger brauner Wallach (Wagenpferd), war am 13. Juni in die Klinik aufgenommen. Die Untersuchung an demselben Tage liess erkennen, dass das Pferd an der Brustseuche (contagiöse Pleuro-Pneumonie) mit Affection der linken Lunge erkrankt war. Nach dem Vorbericht und den Merkmalen, welche sich in dem weiteren Krankheitsverlauf herausstellten, hatte diese Aifection schon 4 bis 5 Tage früher ihren Anfang genommen. Der Verlauf war sehr günstig, und am 17. Juni konnte das Thier als genesen betrachtet werden. Es verblieb noch länger im Spital und befand sich seit Aufnahme in die Klinik mit staupek'ranken Thieren in einem Stall.
Am 22. Juni erkrankte das Pferd von neuem unter folgenden Erscheinungen: Traurigkeit; Unaufmerksamkeit; Senken des Kopfes; kraftlose Haltung. Inappetenz. Massige Aufnahme von Trink­wasser. Gliedmassen leicht geschwollen. Thränen der Augen, stärkere Röthung der Conjunctiva. Erschwerte Respiration. Puls schwach. Leichter Nasenausfluss. Intumescenz der Kehlgangsdrüsen im Umfang einer Wallnuss. Häufiger, kurzer, rauher und schmerz­hafter Husten. Respiration 20; Puls 60; Temperatur 40,2deg;.
Diagnose: Pferdestaupe.
23. Juni. Starke Athembeschwerden mit giemender, zeitweise kreischender Inspiration. Das krankhafte Athmungsgeräusch war schon in ziemlich weiter Entfernung vernehmbar. Dabei starkes Speicheln aus dem Maul und Ausfluss von schaumiger Flüssigkeit aus beiden Nasenlöchern. In den übrigen Erscheinungen hatte sich nichts Wesentliches verändert.
Behandlung. Zur Bekämpfung der Erstickungsgefahr wurde die Tracheotomie ausgeführt, worauf sofort Erleichterung eintrat. — Innerlich: Kai. chloric. 20,0; Natr. sulfuric. 260,0; Rad. Li-quirit. 60,0 in Latwergenform.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,
Vom 24. bis 26. Juni änderte sich das Befinden des Pferdes nicht erheblich. Der Appetit war sehr gering, selbst Grünfutter wurde meistens verschmäht.
27. Juni. Allgemeinbefinden schlechter; vollständige Inappe­tenz; starker Durchfall, Excremcnte übelriechend.
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Ordination: Entfernung des Tracheotubus, Reinigung der Wunde mit warmem Wasser. Innerlich: Natr. bicarbon.; Natr. chlorat.; Gort. Quere, aa 60,0 in Latwergenform.
28.nbsp; nbsp;Juni. Allgemeinbefinden besser. Nachlass der Diarrhöe. Schwellung der Gliedmassen fortbestehend. — Dieselbe Medication wird fortgesetzt.
29.nbsp; Juni. Anschwellung der Lymphdrüsen im Kehlgang und der Haut an den Gliedmassen verringert. Copiöse Eiterung an der Operationswunde in der Trachea. Massiger Appetit. Grün­futter wird gern aufgenommen. Regelmässige Verdauung.
Ordination: Reinigung und Behandlung der Wunde in der Trachea mit Tinct. Aloes.
Vom 30. Juni an verringerten sich sämmtliche Erscheinungen mehr und mehr, so dass das Pferd als Reconvalescent betrachtet und nur noch diätetisch behandelt wurde. Die Operationswunde in der Luftröhre erforderte eine aufmerksame Behandlung. Nach­dem das Pferd bis zum 12. Juli verpflegt und täglich in der frischen Luft umhergeführt war. konnte es als gesund und zu massi­gen Arbeiten verwendbar betrachtet werden.
Der Verlauf des fieberhaften Stadiums und der Reconvalescenz ist aus der nachstehenden Uebersicht zu erkennen.
Zeit:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Respiration: Puls: Temperatur:
22.nbsp; Juni Vorm. 20nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 60nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;40,2
23.nbsp; Juninbsp; nbsp;Vorm.nbsp; nbsp;20nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 56nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;40,1
24.nbsp; Juninbsp; nbsp;Vorm.nbsp; nbsp; 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 54nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39,8
25.nbsp; Juninbsp; nbsp;Vorm.nbsp; nbsp;12
26.nbsp; Juninbsp; nbsp;Vorm.nbsp; nbsp;12
27.nbsp; Juninbsp; nbsp;Vorm.nbsp; nbsp; 12
28.nbsp; Juninbsp; nbsp;Vorm.nbsp; nbsp; 12
29.nbsp; Juninbsp; nbsp;Vorm.nbsp; nbsp; 12
30.nbsp; Juninbsp; nbsp; Vorm.nbsp; nbsp; 12 1. Julinbsp; nbsp; Vorm.nbsp; nbsp; 12
56
40,0
56
39,7
64
40,5
44
38,3
40
39,4
40
38,3
40
38,2
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Bemerkungen. Die Krankheitsgeschichte ist in doppelter Hinsicht beachtens-wcrth. Zunächst geht aus derselben die ätiologische Differenz zwischen der Pferdestaupe und der Brustseuche hervor. Denn das Pferd erkrankte durch Ansteckung an der Staupe, trotzdem es kurz vorher die Brustseuche nach regelmässigem Verlauf überstanden hatte. — Ausserdem ist der Fall durch die relativ seltene Com­plication der Pferdestaupe mit Halsbräune interessant. Nur bei wenigen Pferden habe ich diese Complication gesehen, und ausser dem hier beschriebenen Fall ist die Traclieotomie bei keinen; der­selben nöthig gewesen. Die Verengung des Kehlkopfs ist auf eine erysipelatöse Schwellung zurückzuführen, welche in ihrem Charakter mit den Schwellungen der Subcutis übereinstimmt.
IV.
Complication mit beiderseitiger Broncho-Pneumouic. Protrahirter Verlauf. Recidiv in der Reconvalescenz.
Genesung.
Der Klinik wurde in den Frühstunden am 31. Juli 1881 ein zwölfjähriger brauner Wallach (Droschkenpferd) mit dem Vorbericht zugeführt, dass seit einem Tage die Merkmale einer inneren Er­krankung bei demselben aufgetreten seien. Das Pferd gehörte zu einem grösseren Bestand, in welchem seit 14 Tagen die Pferde­staupe herrschte.
Befunde. 31. Juli. Mittelmässiger Nährzustand. Grosse Mattigkeit. Stellung der Hinterfüsse abnorm weit unter den Bauch, während die Vordergliedmassen nach vorn gestreckt werden. Aeusse-rung von schmerzhaften Empfindungen in den Gliedmassen durch abwechselnde Entlastung derselben und wiegende Bewegungen des Körpers nach vorn und hinten. Eingenommenheit des Kopfes und Rückwärtsdrängen in die Halfterkette. Conjunctiva gelbroth und leicht geschwollen. Maulschleimhaut blassroth und trocken. Nasenschleimhaut leicht geröthet und feucht. — Temperatur der Körperoberfläche ungleich vertheilt — unter dem Schopf und zwischen den Ohren, sowie unter der Mähne und Schweif­rübe brennend heiss, am Rumpf massig warm, an der Nase und
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den Extremitäten kalt. Respiration beschleunigt, mit dyspnoei-scher Erweiterung der Nase und leichter Anspannung der Bauch­muskeln. — Herzstoss pochend, Herztöne rein und rhythmisch; Puls beschleunigt, ziemlich kräftig, Art. maxill. massig voll. — Zeitweise erfolgt ein schwacher, abgebrochener, etwas heiserer Husten. Bei Druck am Kehlkopf wird durch anhaltendes Husten eine grössere Reizbarkeit bekundet. — Die Percussion des Thorax ergiebt auf beiden Seiten von oben bis unten einen vollen und hellen Schall. Bei der Auscultation wird in beiden Lungen ein verstärktes, bei der In- und Exspiration hörbares Vesiculärathmen constatirt. — Appetit sehr gering. Das Pferd verzehrt einige Hände voll Hafer, aber Heu und Grünfutter nicht. Darraexcre-mente locker. Urin war nicht zu erhalten. — Respiration 24; Puls 72; Temperatur 40,3.
Diagnose: Pferdestaupe am zweiten Krankheitstage, complicirt mit Bronchitis.
Ordination: Sorgfältige diätetische Pflege in einem gut ven-tilirten Stall. Als Zusatz zu je einem Eimer kalten Wassers 75,0 Sp. aeth. und 300,0 Sp. dil. Entfernung der Hufeisen. Um­schläge um die Hufe und Waschung der Fessel- und Kronenregion mit einer Lösung von 2 Th. Plumb, acet., 1 Th. A]um. in 15 Th. Aq. Priessnitz'scher Umschlag um den Thorax gelegt und zweistünd­lich erneuert. Ausserdem wird zeitweise 1 Theelöflel voll Koch­salz auf die Maulschleimhaut gebracht, um die Speichelsecretion und die freiwillige Ausspülung des Mauls mit Wasser anzuregen.
Am Nachmittag ist eine Aenderung in dem Zustand nicht zu • constatiren. Respiration 28; Puls 72; Temperatur 40,1.
1. September. Im Wesentlichen derselbe Befund. Nur die Athmung ist frequenter und angestrengter. Die Halfterkette wird an dem hochgehaltenen Kopf straff angezogen. Dyspnoeische Erweiterung der Nasenlöcher. Der Percussionsschall ist beiderseits in den unteren Brustregionen leer und hell. Bei der Auscultation wird in den unteren Lungenabschnitten weniger Athmungsgeräusch gehört, als am Tage vorher. Blick stier, etwas ängstlich. Schmerzen in den Fassen geringer. Gleichraässige Belastung der Gliedmassen; auch grössere Sicherheit im Gange. — Am Nachmittag stellt sich etwas Appetit ein; das Pferd nimmt kleine Quantitäten von Grün­futter und gutem Heu. — Respiration 36; Puls 72; Tempera­tur 40,2.
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Diagnose: Broncho-Pneumonia bilateralis.
Die Behandlung des gestrigen Tages wird fortgesetzt.
2.nbsp; September. Benommenheit des Bewusstseins geringer. Be­wegung der Gliedmassen freier, mit regelmässiger Belastung. Dem Anrufe zum Seitwärtstreten wird ohne Beschwerde Folge ge­leistet. Athmung ebenso beschleunigt wie am Tage vorher; Dyspnoe aber wesentlich geringer. Appetit massig. Kleine Quantitäten von Hafer, Heu und Grünfutter werden unter langsamen Kaubewegun­gen allmälig verzehrt. Darmexeremente locker geballt. Harn gelblich, mit Spuren von Eiweiss.
Th erapie wie am Tage vorher.
3.nbsp; nbsp;September. Allgemeinbefinden verschlechtert. Gesenkte Haltung des Kopfes. Vermeidung einer Bewegung des Körpers. Der nur durch starkes Antreiben zu erzwingende Gang schwan­kend. Blick stier. Ungleiche Vertheilung der Temperatur der Haut. Extremitäten kalt. Rechte Halsseite und Nasenrücken massig warm. Die übrigen Körpertheile vermehrt warm. Con­junctiva gelbroth und ödematös. Nasenschleimhaut leicht gc-schwoll en und feucht, Maulschleimhaut blassroth und trocken. Ath­mung frequent und angestrengt. In- und Exspiration von gleicher Dauer. Dyspnoeische Bewegung der Naseneingänge und massig starke Hebung der Rippenwandung. Anspannung der Bauchdecken. Bei der Exspiration leichtes Stöhnen. — Die Auscultation der Lungen lässt in der oberen Brusthälfte beiderseits verstärktes Ve-siculärathmen und in den unteren Abschnitten das vollständige Fehlen von Athmungsgeräuschen constatiren. Dementsprechend ist der Percussionsschall in den unteren Regionen leer und dumpf, in den oberen Partien voll und hell. Beim Druck mit der Hand gegen den Brustkasten bekundet das Pferd auf beiden Seiten Schmerzen. — Der häufig auftretende Husten ist kurz, rauh und schmerzhaft. Appetit verringert. Darmexeremente klein geballt. — Respiration 44; Puls 76; Temperatur 39,8.
Ordination: 01. Terebinth. 20,0; Natr. chlorai, Far. secal. aa 100,0 auf zweimal in Pillenform. Ausserdem Application von Senfspiritus (1 01. Sinap. : 12 Spir.) auf beide Thoraxwandungen.
Am Nachmittag dieselben Symptome. — Respiration 44; Puls 76; Temperatur 39,9.
4.nbsp; nbsp;September. Gesammtbefinden besser. Aussei- Heu und Grünfutter wird auch etwas Hafer verzehrt. Körperbewegungen
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nicht schmerzhaft. Aus beiden Nasenlöchern fliesst tropfenweise eine gelbliche, ziemlich klare Flüssigkeit (Blutserum), in welcher bei der mikroskopischen Untersuchung rothe und weisse Blut­körperchen, Plattenepithelien und Krystalle von kohlensaurem Kalk nachzuweisen waren. Darmexcrcmente von breiiger Consistenz. — Da die Wirkung des Senfspiritus ungenügend war, so erfolgte die nochmalige Application an beiden Brustwandungen.
Respiration: Puls: Temperatur:
Vorm. 44nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;62nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38,1
Nachm. 34nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;72nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;37,7
Ordination: Sp. aetli. im Trinkwasser. Innerlich: Hydrarg. bichlor. corros. 2,0 mit Natr. chlorat. 100,0 und Far. Secai. 200,0 in Latwergenform.
Am Nachmittag hatte sich in Folge der Wirkung des Senf­spiritus eine 2 Ctm. dicke ödematöse Anschwellung der Haut am Thorax ausgebildet.
5.nbsp; September. Das Pferd befindet sich besser. Conjunctiva etwas geröthet, aber nicht schmerzhaft. Nasen- und Maulschleirn-haut normal. Dejection von Blutserum aus der Nase geringer. Eespiration freier. — Die Auscultation und Percussion des Thorax ergaben dieselben Befunde, wie an den vorhergehenden Tagen. Ap­petit gut. Neben einer kleinen Quantität Hafer wird Heu und Kleienfutter reichlich aufgenommen.
Respiration: Puls: Temperatur: Vorm. 30nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;52nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;37,6
Nachm. 28nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;52nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;37,7
Behandlung: Innerlich Sublimat in derselben Verbindung, wie am vorhergehenden Tage.
6.nbsp; September. Fortschreitende Besserung. — Respiration 34; Puls 46; Temperatur 37,5. — Behandlung ausgesetzt.
7.nbsp; nbsp;September. Keine erhebliche Aenderung in dem Befinden des Pferdes. Linke Lunge wegsam. Von oben bis unten ist rauhes Vesiculärathmen zu vernehmen. Rechtsseitig findet sich in den oberen beiden Dritttheilen des Thorax bei der Auscultation ver­stärktes Vesiculärathmen; im unteren Dritttheil fehlt das Athmungs-geräusch. — Husten erfolgt nicht selten, ist abe'r weniger schmerz­haft. Appetit gut. Darmexcrcmente normal. Harn fadenziehend, chocoladenfarben und undurchsichtig, enthält Eiweiss, viele rothe Blutkörperchen, quot;zerfallene Epithelien und Fibrincylinder. Speci-
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fisches Gewicht = 1028. — Respiration 40; Puls 40; Tempera­tur 37,4.
8.nbsp; nbsp;September. Nasenausfluss nicht mehr zu beobachten. Ap­petit gut. Es werden 3 Hetzen Hafer, Grünfutter und Heu am Tage verzehrt. Athmung leicht, wenn auch frequent. — Harn hellbraun gefärbt, fadenziehend, spec. Gew. = 1040; von saurer Reaction; enthält kein Eiweiss, aber viel Chlorverbindungen. — Respiration 36; Puls 50; Temperatur 38,1.
9.nbsp; nbsp;September. Keine Aenderung des Zustandes. — Respira­tion 30; Puls 44; Temperatur 37,9.
10.nbsp; nbsp;September. Athmung etwas angestrengter, als in den letzten Tagen. Sonst keine Aenderung des Zustandes. Harn gelb­lich gefärbt, eiweissfrei. Spec. Gew. = 1020. — Respiration 28; Puls 44; Temperatur 38,2.
11.nbsp; nbsp;September. Fortschreitende Besserung. Rege Fresslust. Aufmerksamkeit auf die Umgebung. Freiheit in der Körperbewe­gung. Zeitweise kurzer und kräftiger Husten. Athmung leicht. Lungen bis auf die untere Partie des rechten Flügels wegsam. Percussionsschall am Thorax entsprechend dieser Stelle leer, sonst voll und hell. — Respiration 24; Puls 44; Temperatur 38,2.
Da für die Unterbringung anderer Patienten in der Klinik Raum beschafft werden musste, so wurde das Pferd mit Rücksieht auf die fortschreitende Reconvalescenz in einen anderen Kranken­stall gebracht.
12.nbsp; nbsp;September. Erhebliche Verschlechterung des Zustandes. Grosse Apathie. Gesenkte Haltung des Kopfes. Augen halb ge­schlossen. Starke Empfindlichkeit gegen das Licht. Conjunctiva im Zustande einer starken Congestion und ödematös geschwollen. Am linken Auge tritt eine dicke, mattgrau gefärbte und wässerig infiltrirte Falte von der Conjunctiva des unteren Augenlides aus der Lidspalte hervor. Nasenschleimhaut hellroth und feucht. Maul­schleimhaut blassroth. Husten kurz, dumpf und schmerzhaft, wo­bei das Pferd zuweilen den Kopf nach vorn streckt und mit den Vordergliedmasscn scharrt. Bluttemperatur und Pulszahl erhöht. Puls schwach; Arterie weich und massig gefüllt. Athmung nicht angestrengt. Exspirirte Luft vermehrt warm, aber nicht übel­riechend. Bei der Auscultation der Lungen wird bis auf den unteren Rand der rechten Lunge verstärktes Bläschengeräusch con-statirt. Die rechte Lunge ist am unteren Rande unwegsam. Ent-
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sprechend dieser Stelle ist der Percassionsschall leer. — Inappe-tenz. Nicht einmal Grünfutter, nach welchem das Pferd bis dahin ein lebhaftes Verlangen gezeigt halte, wird angenommen. Darm-exeremente fest, von alkalischer Reaction. Harn hellbraun gefärbt, durchsichtig, von stark saurer Reaction, spec. Gew. = 1042; ent­hält kein Eiweiss, ist aber reich an Chlorverbindungen und kohlen­saurem Kalk. — Respiration 22; Puls 64; Temperatur 39,2.
Diagnose: Recidiv der Pferdestaupe.
Behandlung: Das Pferd wird auf seinen früheren Standort zurückgebracht. Innerlich: Hydrarg. bichlor. corros 2,0; Natr. chlor. 50,0; Farm. See. 200,0 auf zweimal in Latwergenform.
13.nbsp; September. Benommenheit des Bevvusstseins nicht ver­ringert. Beide Augen fast ganz geschlossen. Starkes Thränen. Conjunctiva venös geröthet und geschwollen. Leichte Intumescenz der Kehlgangsdrüsen. Nase kalt. — Rückkehr des Appetits. Im Laufe des Tages werden nicht unerhebliche Quantitäten von Heu und Grünfutler neben 2 Liter Hafer verzehrt. Fäces nicht abnorm. Harn gelbbraun, von saurer Reaction, spec. Gew. = 1042, ent­hält. Plattenepithclien und in geringer Menge kohlensauren Kalk; kein Eiweiss, aber viel Chlorverbindungen.
Respiration: Puls: Temperatur: Vorm. 18nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;60nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39,6
Nachm. 18nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;60nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39,9
Behandlung ausgesetzt.
14.nbsp; September. Augenleiden etwas gemildert. Massige öde-matöse Schwellung der Haut am Unterkiefer, an den Backen und Lippen. Appetit rege. Das Pferd verzehrt viel Heu und Grün­futter, auch 6 Liter Hafer im Laufe des Tages. Fäces und Harn normal.
Respiration: Puls: Temperatur: Vorm. 18nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;44nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38,8
Nachm. 18nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;40nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38,5
15.nbsp; nbsp;September. Besserung des Allgemeinbefindens. Augen ziemlich geöffnet. Röthung der Conjunctiva geringer. Auch die Schwellung der Backen und Lippen hat abgenommen. Kehlgangs­drüsen normal. Lungen überall, auch im unteren Abschnitt des rechten Flügels wegsara. Percussionsschall am Thorax überall voll und hell. Futteraufnahme normal. — Respiration 18; Puls 44; Temperatur 37,5.
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16. September. Fortschreitende Genesung. Abgesehen von einer leichten Empfindlichkeit beider Augen findet sich an dem Pferde nichts Krankhaftes. — Respiration 16; Puls 38; Tempera­tur 37,3.
Bei der Rückgabe des Pferdes wurde dem Besitzer empfohlen, dasselbe erst nach einigen Tagen zu massigen Arbeitsleistungen zu benutzen.
Bemerkungen.
Die Eigenthümlichkeiten des vorstehend beschriebenen Krank­heitsfalls sind durch die anhaltende Blutdyskrasie bedingt gewesen, deren aussergewöhnlich lange Dauer mit der Broncho-Pneumonie im Zusammenhang stand. Am 10. Tage schien die Krankheit zum Aufhören zu kommen. Auch war, wie beim glücklichen Ausgang schwerer Krankheitsfälle oft gesehen wird, am 8. Tage dem Harn viel aufgelöstes Blut beigemischt. — üra so mehr musste das am 13. Krankheitstage auftretende Recidiv überraschen, dessen äussere Bedingungen auf die Unterbringung des Pferdes in einem warmen Stallraum zurückzuführen sind. Da sich alle wesentlichen Sym­ptome der Krankheit an dem Pferde von neuem einstellten, so kann das Recidiv nur durch die zum zweiten Mal geschehene Ver­mehrung des speeifischen Infectionsstoffs im Blut herbeigeführt worden sein. Der Einwand, dass die neue Erkrankung blos durch eine Congestion des Blutes nach den noch im Zustande der con-stitutionellcn Schwäche befindlichen Organen hervorgerufen worden sei, ist hiernach nicht berechtigt.
V.
Hochgradige Erkrankung. Complication mit Rhehe,
Tod durch Herzparalyse am fünften Krankheitstage.
Achtjähriger brauner Wallach; schwerer Arbeitsschlag; belgi­sche Race. Aufgenommen in die Klinik am 18. August 1881. — Als Yorbericht wird mitgetheilt, dass das Pferd seit etwa 8 Tagen auf den Vorderfüssen lahm gehe und deshalb im Stalle häufig und anhaltend liege. Nach anderweitigen Erhebungen war das Pferd am 14. und 15. August der Infection durch Pferdestaupe-Conta-gium ausgesetzt gewesen.
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Befunde.
18.nbsp; nbsp;August. Nährzustand sehr gut, Deckhaar glatt, Haut elastisch, auf der Subcutis leicht verschiebbar. Gang gespannt. Die Vordcrfüsse werden weit nach vorwärts, die Hinterfüsse unter den Leib gestellt. Anhaltendes Liegen im Stalle. Schmerzhafte Empfindungen in den Vordergliedmassen beim Aufstehen. Appetit und Durstgefühl nicht abnorm. Respiration 16; Puls 52; Tempe­ratur 38,0.
Diagnose: Hufrhehe an beiden Vordergliedmassen. Behandlung: Entfernung der Hufeisen und erweichende Um­schläge um den Huf.
19.nbsp;August. Befinden nicht verändert. Respiration 12; Puls 56; Temperatur 38,8.
20.nbsp; August. Appetit verringert. Es wird nur etwas Grün­futter verzehrt. Im Habitus spricht sich das Gefühl einer starken Ermüdung aus. Auflegen des Kopfes auf die Krippe. Augenlider halb geschlossen. Reichliche Thränenabsonderung. Conjunctiva geröthet und leicht geschwollen. Nasenschleimhaut diffus roth. Abfluss einer klaren, klebrigen Flüssigkeit aus beiden Nasenlöchern. Darmexcremente weich, sonst ohne Veränderung. Körperoberfläche abnorm heiss, aber im Ganzen gleichmässig temperirt. Herzschlag fühlbar. Puls massig stark, Arterie weich. Athmen beschleunigt, aber nicht dyspnoeisch. Respiration 20; Puls 72; Temperatur 39,9.
Diagnose: Pferdestaupe am ersten Krankheitstage neben Huf­rhehe auf beiden Vordergliedmassen.
Therapie: Zweckmässige Diät, innerlich keine Medicamente. Erweichende Umschläge um die Vorderhufe.
21.nbsp;August. Krankheitsbild nicht wesentlich verändert. Futter­aufnahme sehr gering. Durstgefühl lebhaft. Hauttemperatur am Oberkopf und Hals, sowie an den inneren Schenkelflächen erhöht. Im Kehlgang eine walnussgrosse Intumescenz der Lymphdrüsen. Conjunctiva Palpebrarum gelbroth und stark geschwollen. Reich­licher Abfluss von Thränen. Respiration 18; Puls 76; Tempera­tur 40,1.
Therapie: Neben Umschlägen um die Vorderhufe und sorgfäl­tiger Pflege in einem geräumigen, hohen Stallraum wird der Kopf anhaltend mit Wasser gewaschen.
22.nbsp; nbsp;August. Conjunctivitis massig. Gliedmassen leicht ge­schwollen. Herzstoss nicht fühlbar. Puls schwach. Athemzüge
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massig angestrengt. Quantität der Darraexcremente gering. Harn konnte bei dem häufigen Liegen des Pferdes nicht aufgefangen werden. Respiration 18; Puls 84; Temperatur Vorm. 40,1, Nachm. 40,4.
Therapie: Instillation einer ' 2procentigen Atropinlösung in die Conjunctivalsäcke. Waschungen des Kopfes. Innerlich 100,0 Sp. aeth. im Trinkwasser.
23.nbsp; August. Störungen im Allgemeinbefinden schwerer. Gang schwankend, unsicher. Subcutis der Gliedmassen diffus geschwollen. Futteraufnahme sehr spärlich, unter verlangsamten Kaubewegungen. Getränk wird häufig in kleinen Quantitäten aufgenommen und zum Theil nur zum Ausspülen des Maules verwandt. Mangel an Tonus in den Lippen- und Ohrmuskeln. Darmexcremente spärlich, klein geballt. Harnmenge gering; im Harn, dessen spec. Gew. = 1030, viel Eiweiss und Chlorsalze. Respiration 20; Puls 104; Tempe­ratur Vorm. 39,8, Nachm. 40,2.
Therapie: Waschungen des Kopfes. Priessnitz'sche Um­schläge um den Rumpf (zweistündlich wiederholt). Spirt, aeth. im Trinkwasser. Innerlich: Camph. trit. 10,0, Cort. Quere. 75,0, Natr. chlorat. 100,0 in Latwerge auf zweimal.
24.nbsp; nbsp;August. Im Habitus die Zeichen des herannahenden Todes. Blick stier. Augenlidspalte nicht verengt. Pupille von normaler Weite. Ober- und Unterlippe hängen schlaff herab, in Folge dessen Nasenlöcher nach unten verzogen. Ohren erschlafft. Gesicht eingefallen (Facies hippoeratica). Der Kopf wird zuweilen hin- und herbewegt oder ruckweise in die Höhe gezogen. Muskel­zittern am Halse und an den Schultern. Schwankende Bewegungen des Körpers. Breitstellung der Gliedmassen. Nasenrücken, sowie Nasenscheidewand und Muscheln kait. Nasenschleimhaut im Zu­stand venöser Congestion, trocken. Nasenausfluss fehlt. Maul­schleimhaut dunkelroth, mit einer zähen, klebrigen, weissgrauen Masse leicht bedeckt. Vollständige Inappetenz. Wasser wird oft in kleinen Quantitäten zur Benetzung der Maulschleimhaut aufge­nommen. Respiration 30 unter dyspnoeischer Erweiterung der Naseneingänge und starker Anspannung der Bauchdecken, aber ohne Schmerzensäusserungen. Herzcontractionen 96 pro Minute, schwach. Herzstoss kaum fühlbar. Art. maxill. drahtförmig. Puls unfühlbar. Temperatur 39,2.
Unter Zunahme des Kräfteverfalls verbrachte das Pferd noch
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einige Stunden stehend bei heftigem Hin- und Herschwanken des Körpers. Es fiel um 11 Uhr zu Boden und starb nach kurzem Todeskampf unter den Symptomen der Asphyxie. Die Tempera­tur im Rectum betrug post mortem um 11 Uhr 39,1deg; und stieg bis um 12 Uhr auf 39,6deg;. Darauf erfolgte allmäliges Sinken der Temperatur, welche um 2 Uhr noch auf 37,2 0 stand.
Section um 2 Uhr (3 Stunden nach dem Tode). Fundbericht von Herrn Boether:
Aeussere Besichtigung: Nährzustand des Pferdes sehr gut. Haar­decke glatt anliegend, etwas glanzlos. Hinterleib eingefallen. Schleimhaut der Zunge blassroth gefärbt, etwas cyanotisch und trocken. Lippenschleim­haut blassroth, mit wenig schaumiger, klarer Flüssigkeit bedeckt. Aus beiden Nasenlöchern fliessen klare Tropfen ab. Conjunctiven dunkelroth, etwas cya­notisch, stark ödematös geschwollen und besonders am oberen Augenlid mit vielen hirsekorngrossen, braunen Punkten besetzt. Conjunotivalsäoke mit klarer, farbloser Flüssigkeit angefüllt; Augen halb geschlossen. Alle 4 Unter­extremitäten erscheinen stark geschwollen und fühlen sich teigig an. Haare an den geschwollenen Füssen stark gesträubt.
Nach Entfernung der Haut zeigt sich die Unterhaut sehr fettreich, feucht und gelb tingirt; ihre Venen sind stark mit geronnenem, blaurothen Blut ge­füllt. An den Unterextremitäten ist die Subcutis mit einer schwachgelben, klaren Flüssigkeit infiltrirt. Die Skeletmuskeln haben eine trübe.' feuchte, graurothe Schnittlläche und sind etwas brüchig. Perimysium in- und exter-num gleichfalls serös infiltrirt.
Innere Besichtigung: Beim OelTnen der Bauchhöhle fliesst aus der Schnittöirnung circa 1 Liter goldgelber, klarer Flüssigkeit ab. Nach kurzem Stehen scheidet sich aus derselben ein gelbes, gallertiges, faseriges Gerintsel aus. Situs vlscerum normal. Der Digestionstractus enthält nur geringe Men­gen Fultermassen und ist stark zusammengezogen. Beide Blätter des Peri­toneum glänzend, glatt, transparem und stark venös injicirt. Venen des Gekröses strotzend gefüllt mit dunkelrothem, grössteotheils geronnenem Blut. Omentum majus zeigt in Folge Araquo;.r starken Gefässinjection eine bläulichrothe Farbe. Blutungen lassen sich nirgends constatiren. Die stärkste Ilervorwöl-bung des Diaphragma nach vorn liegt im Intercostalraum der 7. und 8. Rippe.
Brusthöhle: Lungen sinken bei ErölTnung der Brusthöhle bis zum Ex-spirationszustand zusammen. In beiden Pleurasäcken zusammen findet sich circa \., Liter klarer Flüssigkeit von derselben Beschaffenheit, wie die in der Bauchhöhle. Herzbeutel lässt sich leicht vom Sternum abstossen. Das Cavum desselben enthält circa 20 Com. einer goldgelben, klaren Flüssigkeit, die ebenfalls nach kurzem Stehen zu einem gallertigen, faserigen Kuchen gerinnt. Pericardium parietale et viscerale glänzend, glatt, durchscheinend. Herz er­scheint vergrössert. Der Umfang an der Basis beträgt 64 Ctm. Der rechte Ventrikel ist stark dilatirt. Derselbe ist wie der gleichseitige Vorhof mit einer Menge grösstentheils geronnenen, dunkelrothen Blutes angefüllt. Der linke Vontrikel hat eine Höhe von 23 Ctm. und ist ziemlich zusammengezogen;
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er schliesst nur eine geringe Quantität geronnenen Blutes ein. Im linken Vor­hof findet sich ein saftiges, dunkelrothes, faustgrosses Coagulum, das sich in die Lungenvenen hinein fortsetzt. Dicke des rechten Ventrikels 2 Ctm., die des linken 4,5—5 Ctm. Das Septum Ventriculorum ist 4 Ctm. dick. Schnitt­fläche des Myocardium trüb, feucht, grauroth, sehr brüchig. Am Klappen­apparat ist nichts Krankhaftes zu constatiren. Die Atrio-Ventricularöffnungen sind so gross, dass man bequem eine mittelgrosse Hand einführen kann. En­docardium glänzend, glatt, durchscheinend. Auf den Papillarmaskeln des linken Ventrikels ist dasselbe etwas getrübt und durch hirsekorn- bis linsen-grosse Blutunterlaufungen braunroth gefärbt. Kranzvene mit saftigen Coagu-lis angefüllt. In der Längs- und Querfurche des Herzens liegt eine 2 '/j Ctm. dicke, hellgelbe, glänzende Fettmasse, deren Schnittfläche feucht und deut­lich gelappt ist. Pleura costalis glänzend, durchsichtig. Die subpleuralen Gefässe stark gefüllt, so dass an der Oberfläche der Pleura ein zierliches, blaurothes Netzwerk besteht. Pleura pulmonalis glatt, glänzend, ebenfalls stark venös injicirt. An mehreren Stellen, besonders am hinteren Ende der Lunge ist die Pleura mit hirsekorn- bis linsengrossen, braunrothen Punkten besetzt.
Oberfläche der linken Lunge ziegelroth, die der rechten bläulichroth ge­färbt. Beim Druck mit dem Finger bleiben auf derselben Fingereindrücke zurück. Schnittfläche beider Lungen lufthaltig, stark glänzend und ent­sprechend der Lungenoberfläche gefärbt. Beim Druck auf die Schnittfläche quillt eine Menge klarer Flüssigkeit hervor, Bronchiallumina stark mit klarer, schaumiger Flüssigkeit angefüllt, ihre Schleimhaut glatt, gelblichroth gefärbt. Der vordere linke Lungenlappen, wie auch der vordere untere Rand beider Lungenflügel ist stark aufgewulstet, lieller gefärbt, als die übrigen Lungen-theile. Beim Herüberstreichon crepitiren diese stark. Schnittfläche lufthaltig, blassroth gefärbt. Schleimhaut der Trachea glatt, stark venös injicirt.
Jejunum enthält eine geringe Menge schleimiger, gelbgrauer Flüssigkeit. Ilium leer. Schleimhaut dieser Darmtheile stark geschwollen und gefaltet, letzteres besonders am Ilium. Oberfläche der Schleimhaut trübe, mit einer dünnen Lage schmieriger, graugelber Masse belegt. Die Beyer'sehen Haufen treten als 3—4 Ctm. lange und 1 — ll/2 Ctm. breite, beetartige Erhaben­heiten stark hervor; ihre Follikel sind grauweiss gefärbt, hirsekorngross. Die Peyer'schen Haufen zeigen eine blassgraue Farbe; nur einzelne, und beson­ders am Ilium, sind röthlichgrau gefärbt. Die Schleimhaut ist stark durch­scheinend und in der vorderen Hälfte des Jejunum gelbgrau, in der hinteren Hälfte desselben und im Ilium graugelb gefärbt. Beim Einschneiden fliesst aus dem Schleimhautkörper eine grosse Menge klarer, gelblich gefärbter Flüssig­keit. Im Coecum und Colon sind dickbreiige, gelblichgrüne Fäcalmassen ent­halten. Schleimhaut dieser Darmtheile stark gefaltet und glasig geschwollen. Oberfläche trübe und grünlich grauroth gefärbt. Die Follikel markiren sich als stecknadelknopfgrosse, graue, prominirende Knötchen. Auf dem Durchschnitt zeigt sich, dass Mucosa und Submucosa sehr stark mit einer hellgelben, klaren Flüssigkeit infiltrirt sind. Im Rectum findet sich nur eine geringe Anzahl klein geballter, fester Kothmassen. Schleimhaut trübe, graugelb gefärbt, stark-geschwollen. Submucosa ist mit einer gelblichen, klaren Flüssigkeit infiltrirt.
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Das Epithel findet sich an der ganzen üarmschleiinhaut und sitzt noch ziem­lich fest auf.
Grösste Länge der Milz 59 Ctm.. grösste Breite 28 Ctm., grösste Dicke 4,5 Ctm. Oberfläche rölhlich blaugrau gefärbt, Milzkapsel glatt, durch-sheinend, mil kleinen, rübsamenkorngrossen, glänzenden, braunrothen Punkten besetzt, die stark prominiren. Die Ränder sind massig abgerundet; Schnitt­fläche trübe, glänzend, graubraunroth. Pulpa ziemlich weich. Milzkörperchen grau, durchscheinend, undeutlich sichtbar. Trabekehverk von normaler Be­schaffenheit.
Die Nieren liegen in einer etwa 4 Ctm. dicken Fettkapsel. Ihre Enu-cleation aus der Capsula fibrosa gelingt leicht. Die Oberfläche beider Nieren ist glatt, blassgrauroth gefärbt. Die Venenstämme treten an der rechten Niere deutlich hervor, während sie an der linken fehlen. Auf der Schnitt­fläche erscheint die Corticalsubslanz trübe, blass grauroth gefärbt. Malpighi-sche Körperchen und Markstrahlen kaum sichtbar. Marksubstanz gelbroth ge­färbt , glänzend. Ihre Zona vasculosa zeigt eine intensiv blaurothe Farbe. Venae rectae treten als blaurothe, nach dem Nierenbecken zu divergireude. Linien deuilich hervor. Im Nierenbecken findet sich etwas zäher, gelber Schleim. Beide Nieren sind schlaff, sehr brüchig. Die rechte hat eine Länge von 18, eine Breite von 14. eine Dicke von 6 Ctm. Die linke Niere ist 19 Ctm. lang, 14 Ctm. breit, 5,5 Ctm. dick.
Magen stark zusanimengezogen. Inhalt schleimig, gelblich grün. Schleim­haut der Portio cardiaca stark gerunzelt, röthlich grauweiss gefärbt. Epithel erhalten. Schleimhaut der Portio pylorica ist in viele starke Quer- und Längs­falten gelegt, die beim Auseinanderziehen der Muscularis sich ausgleichen. Schleimhaut des Pepsindrüsentheils stark geschwollen, circa 3 Mm. dick, trübe, grauroth gefärbt; die des Sohleimdrüsentheils gelbroth gefärbt, trübe und ebenfalls geschwollen. Auf der Oberfläche befindet sich eine dünne Lage grüner, zäher Schleimmasse. Schleimhaut des Pylorus trübe, stark gefaltet, geschwollen. Ihre Oberfläche ist orangegelb gefärbt. Schleimhaut des Duo­denum trübe, orangegelb tingirt, glasig geschwollen. Beim Druck auf den Lebergallengang tritt aus dem Vater'schen Divertikel ein kleiner Schieim-pfropf hervor. Galle fliessl in reichlicher Menge ab.% Die Portio intestiaalis des Lebergallengangs ist etwas erweitert, mit orangegelber Galle angefüllt.
Leber 71 Ctm. lang, 48 Ctm. hoch und 6 Ctm. dick. Ränder schwach abgerundet. Oberfläche bläulich, blass graubraun gefärbt. Leberkapsel glatt, durchscheinend. Schnittfläche trübe, blass graubraun gefärbt. Grenzen der Acini verwischt. Im Centrum der Acini findet sich ein blasses, braunrothes Pünktchen oder Strichelchen. An einzelnen Stellen ist die Schnittfläche in Handtellergrösse gelbroth gefärbt. Lebervenen und Pfortaderäste massig mit dickflüssigem, dunkelrothem Blut angefüllt. Aus den grösseren durchschnitte­nen Galiengängen quillt Galle hervor. Lebersubstanz brüchig.
Die vordere Gekröswurzel zeigt nichts Abweichendes.
Höhlen und Organe des Kopfes: Schleimhaut an der hinteren Fläche der Epiglottis ziegelroth, an der vorderen bläulichroth gefäibt. Sohleimhact der Ligamenta ary-epiglottica und Morgagni'schen Taschen glatt und geschwol­len. Submucosa dieser Theile ist mit einer hellrothen. wässeriiren Flüssigkeit
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infiltrirt. Schleimhaut des Pharynx grauroth gefärbt, glatt, stark cyanotisch. Nasenschleimhaut etwas geschwollen, glatt, bläulich blassroth gefärbt. Das Rückenmark wird zwischen Hinterhauptsbein und Atlas unterbunden und die Schädeldecke abgenommen. Die Dura Mater lässt sich leicht von den Schädel­knochen lostrennen. Blutleiter des Gehirns leer. Die venösen Gefässe der Pia stark gefüllt. In den Maschen dieser Haut findet sich eine geringe Menge klarer, farbloser Flüssigkeit, die sich beim Einschneiden in die Pia auf die Schnittfläche ergiesst. Nach Eröffnung der Ventrikel des Grosshirns in Situ finden sich nur Spuren einer wasserklaren Flüssigkeit in denselben vor. Ependym glänzend. Seine Gefässe besonders an den Corpora striata massig injicirt. Adergeilechte etwas voluminös und trübe. Schnittfläche der Hirn­substanz matt glänzend, mit zahlreichen rothen Strichelchen und Punkten durchsetzt, die sich aber durch den Wasserstrahl fortspülen lassen. —
Die Cornea beider Augen ist schwach getrübt und glatt. Beim Oeffnen der vorderen Augenkammern zeigt sich, dass dieselben ausser einer geringen Menge braunrother, trüber Flüssigkeit mit faserigen, hellgelben, klaren Exsu­datmassen angefüllt sind. Dies Exsudat ist fest mit dem vorderen Rand der Iris verklebt, so dass beim Herausnehmen desselben letztere ihres Epithels verlustig geht. Pupillen sind bis auf einen Spalt von 3 Mm. Weite verengt. Linse und Glaskörper beider Bulbi normal. Papilla optica etwas ramiform geröthet. —
Beide Vorderhufe zeigen normale Form. Auf dem sagittalen Durchschnitt derselben erscheint die Matrix der Zehenwand sehr feucht, geschwollen und intensiv roth gefärbt. Spitze des Hufbeins etwas nach unten gesenkt; auch ist hier die Schwellung der Matrix am stärksten.
Bemerkungen.
Der hier mitgetheilte Fall war von vornherein durch eine schwere Infection eingeleitet. Dass aber die Krankheit in allen ihren Bestandtheilen einen so hohen Grad erreichte, muss zum Theil auf Rechnung der schmerzhaften Fussentziindung gestellt werden, mit welcher das Pferd auf beiden Vordergliedmassen bereits vor der Erkrankung an der Pferdestaupe behaftet war. In Folge dieser Affection musste das Pferd anhaltend liegen und während des Stehens sich erheblich anstrengen.
Die Causa proxima des Todes lag in der Schwächung der Herzkraft, wofür der Sectionsbericht den detaillirten Nachweis liefert. Im Uebrigen hat das Ergebniss der Autopsie noch da­durch ein wissenschaftliches Interesse, als das Pferd auf der Acme der Krankheit zu Grunde ging und deshalb der erysipelatöse Cha­rakter der Localaffectionen an allen für das Contagium empfäng­lichen Organen noch klar ausgesprochen war.
Dieckerhoff, Die Pferdestaupe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; IQ
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VI. Hochgradige Erkrankung. Tod am vierten Krankheits­tage durch Herzparalyse.
Sechsjähriger brauner Wallach — Lastpferd; etwa 14 Centner schwer, der belgischen Race angehörend — wurde am 1. August in die Klinik eingestellt. Angeblich hatte das Pferd an demselben Morgen die ersten Erscheinungen einer erheblichen Erkrankung geäussert, trotzdem aber noch am Lastwagen gearbeitet.
Befunde.
1.nbsp; nbsp;August. Das mit Hafer und Mais mastig genährte Pferd verhält sich apathisch der Umgebung gegenüber. Die Haut ist fieberhaft temperirt. Extremitäten und Ohren sind kühl; der übrige Theil des Körpers fühlt sich heiss an. Aus der Nase fliesst eine geringe Quantität von wässerigem Schleim. Kehlgangsdrüsen geschwollen. Schleimhaut der Nase geröthet, etwas geschwollen, feucht. Schleimhaut des Mauls dunkel geröthet. Augenlider halb geschlossen. Conjunctiva gelbroth, stark geschwollen, so dass ödematöse Schleimhautfalten in die Augenlidspalte treten. Aus beiden Augen ergiesst sich viel Thränenflüssigkeit über die Backen. Futteraufnahme sehr gering. Darmexcremente normal. Respiration 20, ohne Anstrengung. Die Auscultation und Percussion der Brust­wandungen ergeben vollständige Wegsamkeit beider Lungen. — Puls 60, schwach. Arterie massig voll und weich. Herzschlag fühlbar. — Temperatur im Rectum 40,8.
Diagnose: Pferdestaupe.
Ordination: Waschungen des Kopfes mit kaltem Wasser und Verabreichung leicht verdaulicher Futtermittel.
2.nbsp; nbsp;August. Appetit gering. Schwellung der Conjunctiva stärker. An den Gliedmassen und ebenso am Schlauch ist die Haut ödematös geschwollen. Starke Eingenommenheit des Be-wusstseins. Gesenkte Haltung und häufiges Aufstützen des Kopfes. Darmexcremente von breiiger Consistenz. Respiration 18; Puls 60; Temperatur 40,9.
3.nbsp; August. Im Allgemeinen dasselbe Krankheitsbild. Jedoch ist die Zahl der Pulse grosser. Herzschlag fühlbar. Puls klein, Arterie gespannt. Athmung normal. Lungen wegsam. Appetit sehr gering. Darmexcremente ohne wesentliche Veränderungen.
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Harn hellgelb, alkalisch, spec. Gew. = 1035, enthält Epithelien, Chlorsalze und geringe Mengen von Eiweiss. Respiration 18; Puls 76; Temperatur 40,3.
4. August. Frühmorgens um 6 Uhr verzehrt das Pferd Heu und geringe Quantitäten von Hafer sehr laugsam. Eingenommen­heit des Kopfes etwas geringer. Im üebrigen dasselbe Krankheits­bild. — Um 8 Uhr Morgens bemerkt der Wärter Schweissausbmch und Rückwärtsdrängen in der Halfterkette, wenige Minuten später Niederfallen, worauf unter Krämpfen in 2 Minuten der Tod eintrat.
Section am 4. August um 10 Uhr (2 Stunden nach dem Tode). Befundaufnahme von Herrn Bo ether.
A. Aeussere Besichtigung.
1)nbsp; Nährzustand sehr gut. Die Muskelbäuche treten stark hervor. Bauch­decken wenig gespannt.
2)nbsp; nbsp;Die Muskeln des Kopfes, Halses und der Extremitäten zeigen starke Todtenstarre.
3)nbsp; nbsp;Schneidezalingebiss geschlossen; die Lippen hängen schlaff auf der linken Seite herab, ihre Schleimhaut ist bläulich roth gefärbt, glatt und mit feinblasigem Schaum bedeckt.
4)nbsp; nbsp;Augen halb geschlossen: Conjunctiven gelbroth gefärbt und stark geschwollen. In den Conjunctivalsäcken eine geringe Menge klarer, farbloser Flüssigkeit.
5)nbsp; nbsp;Corneae glatt, durchsichtig. Pupillen etwas erweitert. Papillae op-ticae schwach vascular geröthet.
6)nbsp; nbsp;Das Praeputium und die Innenfläche der Oberschenkel sind ziemlich stark geschwollen und fühlen sich teigig an. Die Schwellung setzt sich all-mälig abnehmend seitwärts und nach oben bis in die Regiones iliaoae, nach vorn bis über den Nabel hinaus fort.
7)nbsp; nbsp;Der Penis ist klein und in den Schlauch tief zurückgezogen. Die Präputialöffnung ist fest geschlossen.
8)nbsp; nbsp;After geschlossen.
9)nbsp; nbsp;Panniculus adiposus fast 4 Cim. dick, zeigt eine stark glänzende, gelappte, feste Sclmittfläche und ist gelbweiss gefärbt.
10)nbsp; nbsp;Im Bereich der sub 6 beschriebenen Schwellung ist das Unterhaut­fettgewebe stark mit einer klaren, hellgelben, serumartigenFlüssigkeit infdtrirt.
11)nbsp; nbsp;Die Skeletmusculatur zeigt eine braunrothe, schwach trübe und feuchte Schnittfläche und ist etwas brüchig.
12)nbsp; nbsp;Die oberflächlich gelegenen Körpervenen sind strotzend mit theils geronnenem, theils dickflüssigem Blut gefüllt.
B. Innere Besichtigung. I. Bauchhöhle.
13)nbsp; nbsp;Lage der Eingeweide normal.
14)nbsp; nbsp;Frei im Cavum Peritonei finden sich etwa 1,5 Liter einer klaren,
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goldgelben Flüssigkeit, in welcher nach kurzem Stehen gallertige, etwas fase­rige Gerinnsel entstehen.
15) Die retroperitoneale Fettschicht hat eine Dicke von 8 Ctm. Ihre Schnittfläche ist gelappt, glänzend und gelbweiss gefärbt.
1 6) Magen und Darmcanal massig gefüllt.
17)nbsp; nbsp;Die stärkste Hervorwölbung des Zwerchfells liegt im Intercostal-raum der 7. und 8. Rippe.
18)nbsp; nbsp;Das Jejunum ist mit einer gelben, schleimartigen, trüben Flüssig­keit gefüllt.
19)nbsp; nbsp;Ileum leer.
20)nbsp; nbsp;Schleimhaut des ganzen Dünndarms glasig geschwollen und ge­faltet. Die Höhe der Falten ist etwas diffus geröthet, während die zwischen ihnen gelegene Schleimhaut eine gelbbraune Färbung zeigt. Die Oberfläche ist trübe und durchscheinend. Die Peyer'schen Haufen sind bis 5 Ctm. lang und 2 Ctm. breit und treten als flache, beetartige Stränge stark hervor. Ihre Follikel sind hirsekorngross. grau, durchscheinend und prorainiren über die Oberfläche. Die Schwellung der conglomerirten Follikel ist am bedeutend­sten am Ileum und am hinteren Ende des Jejunum und nimmt nach vorn zu allmälig ab. Das submucöse Bindegewebe, wie auch die Schleimhaut selbst ist stark mit einer klaren, gelblichen Flüssigkeit durchtränkt.
21)nbsp; nbsp;Das Coecum enthält ausser einer geringen Menge Gases dünn­breiige Futtermassen. Die Schleimhaut ist trübe, mit zahlreichen Querfalten ausgestattet und stark geschwollen. Ihre Oberfläche ist gelbgrau gefärbt, trübe und durchscheinend. Submucosa ziemlich fettreich und stark serös infiltrirt.
22)nbsp; nbsp;Im Colon liegen geringe Mengen dünnbreiiger Futtermassen; nur in der magenähnlichen Erweiterung nehmen dieselben eine dickbreiige Cou-sistenz an. Die Schleimliaut der oberen Lagen zeigt zahlreiche bis 4 Ctm. dicke und ebenso breite Falten, die sämmtlich den Poschen des Darmes ent­sprechen und in transversaler Richtung verlaufen. Die Schleimhaut ist sehr stark geschwollen und besitzt eine blauröthliche Farbe. Ihre Oberfläche ist trübe und durchscheinend. Mucosa und Submucosa sind mit einem klaren, gelben Fluidum sehr stark durchtränkt. Die Kämme der Falten sind diffus hellroth gefärbt. Die Schleimhaut der unteren Lagen ist ebenfalls stark ge­schwollen und gefaltet, jedoch nicht in dem Maasse, wie die der oberen. Die Oberfläche ihrer Schleimhaut ist grünlich gelb gefärbt und trübe. Submucosa stark serös infiltrirt. Die Solitärfollikel machen sich im ganzen Colon als hirsekorngrosse, graue, schwach durchscheinende, etwas über die Schleimhaut­oberfläche prominirende Knötchen deutlich bemerkbar.
23)nbsp; nbsp;Das Rectum schliesst geringe Mengen dickbreiiger Fäces ein. Die Oberfläche dieses Darmes ist schwach diffus geröthet. Die Schleimhaut des Anfangstheils ist stark geschwollen; die Schwellung nimmt nach dem Becken­stück zu allmälig ab. Die Oberfläche der Schleimhaut ist mit einer dünnen Lage schleimartiger Massen bedeckt.
24)nbsp; nbsp;Milz 49 Ctm. lang, 46 Ctm. breit und 4,5 Ctm. dick. Die Ober­fläche ist glatt und blassgrau gefärbt; Kapsel schwach durchscheinend, dfa Schnittfläche ist etwas trübe und braunroth gefärbt; die Malpighi'schen
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Körperchen sind kaum sichtbar. Das Trabeculargewebe ist zart und weich. An einzelnen Stellen finden sich wallnussgrosse Knoten, deren Schnittfläche stark hervorquillt und dunkelbraunroth gefärbt ist. Im Uebrigen hat die Pulpa eine ziemlich feste Beschaffenheit.
25)nbsp; nbsp;Capsula adiposa der Nieren ist etwa 7 Ctm. dick, siark glänzend und lappig.
26)nbsp; nbsp;Die Enucleation der etwas schlaffen Nieren aus der Capsula fibrosa gelingt leicht und ohne Substanzverlust. Nierenoberfläche glatt und grauroth gefärbt.
27)nbsp; nbsp;Die Unke Niere 21 Ctm. lang, 13 Ctm. breit und 7 Ctm. dick; auf der Schnittfläche zeigt die Substantia corticalis eine trübe, graurothe Beschaffenheit. Die Markstrahlen treten etwas über die Schnittfläche hervor und sind 0.5 Ctm. breit und grau durchscheinend. Glomeruli schwach sicht­bar. Zona vasculosa ist blauroth gefärbt; die übrige Marksubstanz zeigt eine gelbrothe Farbe. Im Becken liegt etwas zähe, gelbe, schleimartige Flüssig­keit. Die Arcus venosi renales, wie auch die Venae rectae sind stark mit dunkelrothem Blut angefüllt.
28)nbsp; nbsp;Die rechte Niere ist 18 Ctm. lang, 16 Ctm. breit und 7 Ctm. dici:; ihre Schnittfläche zeigt im Wesentlichen dieselbe Beschaffenheit, wie die linke. Die Substanz beider Nieren ist brüchig.
29)nbsp; nbsp;Der Magen enthält eine massige Menge dünnflüssigen Chymus. Cardiaschleimhaut leicht gerunzelt und blassgrau gefärbt; auf derselben sitzen mehrere Gastruslarven. In der Nähe des Oesophagus zeigt die Schleimhaut eine blauröthliche Färbung. Die Schleimhaut des Pepsindrüsentheils ist stark geschwollen und gefaltet. Die Oberfläche ist trübe, grauroth gefärbt und mit einer zähen, schleimartigen Flüssigkeit bedeckt. Die Schleimhaut desSchleim-drüsentheils ist ebenfalls geschwollen und in zahlreiche, nach dem Pylorus zu verlaufende Falten gelegt. Ihre Oberfläche ist blassgrauroth, die Kämme der Falten zeigen eine diffuse graurothe Färbung, Schnittfläche trübe; Submucosa des Magens ist stark serös infiltrirt.
30)nbsp; nbsp;Pylorusschleimhaut grauroth, trübe, stark geschwollen und gefaltet.
31)nbsp; nbsp;Schleimhaut des Duodenum ist glasig geschwollen, trübe und gelb­grau gefärbt.
32)nbsp; nbsp;Die Leber hat eine Breite von 62 Ctm., eine Höhe von 45 Ctm. und eine Dicke von 9 Ctm. Die Kapsel ist glatt und durchsichtig, Ober­fläche graubraun gefärbt; und an verschiedenen Stellen sieht man bis hand-tellergrosse, gelbrothe, diffuse Flecke. Die Ränder sind etwas abgerundet. Die Schnittfläche ist trübe und blassgraubraun gefärbt. Auf derselben finden sich viele bis erbsengrosse, gelbbraune Herde, die eine etwas brüchigere Con-sistenz zeigen, als die übrige Lebersubstanz. Die Grenzen der Acini sind un­deutlich. Peripher werden dieselben von einem etwa 0,5 Mm. breiten, grauen Saum umgeben. Lebervenen und Pfortaderäste sind stark mit dünnflüssigem, kirschrothen Blut angefüllt.
33)nbsp; nbsp;Aus den durchschnittenen Gallengängen quillt eine goldgelbe Galle hervor. Das Leberparenchym ist ziemlich brüchig.
34)nbsp; nbsp;Die Venen des Darmcanals sind sehr strotzend mit dickflüssigem, dunkelrothem Blut gefüllt.
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35)nbsp; nbsp;Beide Blätter des Peritoneum sind glänzend, feucht und durch­sichtig.
36)nbsp; nbsp;An der Gekröswurzel und den übrigen Arterien des Darmes zeigt sich nichts Abweichendes.
II. Brusthöhle.
37)nbsp; nbsp;In der Brusthöhle finden sich gleichmässig vertheilt ca. 6 Liter einer rotlibraunen, trüben Flüssigkeit. Nach kurzem Stehen scheidet sich aus derselben ein rother, gallertig-faseriger Blutkuchen ab.
38)nbsp; nbsp;Pleura costalis, diaphragmatica et Epicardii mit vielen hirsekorn-bis linsengrossen, braunrothen Punkten besetzt, im Uebrigen durchscheinend.
39)nbsp; nbsp;Im Cavum Perioardii befinden sich ca. 20 Cctm. einer hellrothen, klaren Flüssigkeit. Beide Blätter des Pericardium sind glatt, glänzend und durchsichtig.
40)nbsp; nbsp;Das Herz hat einen auffallend grossen Umfang. Die Oberfläche des Herzmuskels ist braunroth gefärbt. Die Längs- und Querfurchen sind mit einer dicken Fettschicht angefüllt. Der rechte Ventrikel ist sehr stark dilatirt und hat eine Länge von 18 Ctm.; der linke erscheint zusammen­gezogen und ist 21 Cim. lang. Der letztere Ventrikel ist leer; während der rechte und die beiden Atrien eine grosse Menge dickflüssigen Blutes ent­halten und ausserdem weissgelbe, saftige Coagula. Endocardium ist glänzend und durchsichtig, an den Papillarmuskeln mit Blut unterlaufen und in Mark-stückgrösse beetartig abgehoben. Klappenapparat intact. Schnittfläche des Myocardium ist braunroth und etwas trübe. Der Herzmuskel ist schlaff; sein Gewicht beträgt 8'/, Pfund.
41)nbsp; nbsp;Pleura pulmonalis ist glänzend, glatt und transparent.
42)nbsp; nbsp;Oberfläche der linken Lunge ist blassroth, die dor rechten bläu­lich braunroth gefärbt. An der Costalfläche im Bereich der Badix Pulmonum ist die Pleura mit vielen braunrothen bis linsengrossen Flecken besetzt. Schnittfläche der Lungen ist stark glänzend und feucht. Bechterseits zeigt dieselbe eine braunrothe, linkerseits eine blaurothe Farbe. Die unteren scharfen Ränder der Lungen sind etwas gewulstet und heller gefärbt, als die übrigen Theile. Die durchschnittenen Bronchien führen eine reichliche Menge Schleim. Die Schleimhaut der Bronchien ist blass und glatt. Tracheal-schleimhaut blassroth, stark venös injicirt.
III. Höhlen und Organe des Kopfes.
43)nbsp; nbsp;Schleimhaut des Larynx ist ziegelroth und glatt.
44)nbsp; nbsp;Die Ligamenta ary-epiglottioa und die mediale Wand der Mor-gagni'sehen Taschen sind stark geschwollen. Die Schleimhaut dieser Theile ist braunroth gefärbt, ihre Submucosa ist mit einer rothbraunen, etwas schmie­rigen Flüssigkeit durchtränkt.
45)nbsp; nbsp;Schleitnhant des Pharynx bläulichroth.
46)nbsp; nbsp;Tonsülen und Solitärfollikel der Zunge sind von normaler Be­schaffenheit.
47)nbsp; nbsp;Nasenschleimhaut ist glatt, im oberen und mittleren Bereich der
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Nasenhöhlen gelblich blauroth, im unteren hellroth gefärbt und etwas ge­schwollen.
48)nbsp; nbsp;Die Blutleiter des Gehirns enthalten nur wenig geronnenes, dunkel-rothes Blut.
49)nbsp; nbsp;Venae Piae Matris sehr stark injicirt. Die Maschen der genannten Haut sind mit einer klaren, hellen Flüssigkeit angefüllt.
50)nbsp; Die Ventrikel enthalten etwa 20 Cctm. einer klaren, farblosen Flüssigkeit.
51)nbsp; Die ependymalen Gefässe sind stark injicirt, besonders die der Corpora striata. Die Adergefleclite zeigen eine hellrothe Farbe und sind nor­mal gross.
52)nbsp; Schnittfläche des Gehirns ist spiegelnd und zeigt viele rothe Funkte und Striche, die sich durch den Wasserstrahl wegspülen lassen.
Bemerkungen. Bei dem Pferde, dessen Krankheitsgeschichte hier dargestellt ist, trat der Tod in dem specifischen Stadium (am 4. Krankheits­tage) ein. Die Veranlassung desselben lag in der Herzlähmung, mit welcher die Blutstauungen in den Brust- und Bauchorganen, sowie das Oedem der Lungen und der Kehlkopfschleimhaut in Ver­bindung stehen. Wie in Folge suffocatorischer Todesarten bei Pfer­den häufig beobachtet wird, fanden sich auch in diesem Falle Ecchymosen am Herzen und in der Pleura. Im Uebrigen sind im Sectionsbericht die specifischen Affectionen der Organe, auf welche das Contagium eine pathogene Wirkung übt, eingehend erörtert. — Ungewöhnlich ist die ausserordentliche Dilatation des mit dunklem Blut gefüllten Herzens, dessen Umfang mehr als doppelt so gross erschien, wie bei einem gesunden Pferde von gleicher Körpergrösse. Eine Hypertrophie bestand nicht, was aus der Ab­wesenheit sonstiger Veränderungen und insbesondere daraus hervor­geht, dass das Herz nur das normale Gewicht von S'/a Pfund hatte.
VII.
Schwere Affection. Hochgradige Depression des Bewusst-seins. Tod durch Gehirnlähmung am fünften Krankheits­tage.
Brauner Wallach, etwa 12 Centner schwer, Arbeitsschlag, 7 Jahre alt, 1,73 M. hoch — wird am #9632;22. August in die Klinik mit dem Bemerken eingestellt, dass sich derselbe seit einem Tage krank gezeigt und das Futter versagt habe, trotzdem aber noch
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zum Arbeiten benutzt sei. Es wurde ausserdem festgestellt, dass unter den Pferden des Besitzers die Pferdestaupe ausgebrochen war.
Status praesens.
Das Pferd ist mastig genährt. Haut derb. Deckhaar leicht aufgerichtet. Aufmerksamkeit auf die Umgebung fehlt. Stierer Blick. Möglichste Vermeidung einer Ortsbewegung. Das Pferd ist schwer zum Herumtreten zu veranlassen. Futteraufnahme sehr spärlich, Kaubewegungen langsam. Wasser wird reichlich getrun­ken. Darmexcremente massig fest, gross geballt. Kothbälle aussen neutral, innen sauer reagirend. Harn war nicht aufzufangen. — Fiebertemperatur der Haut. Die rechte Körperhälfte etwas höher temperirt, als die linke. Region der Scheitelbeine heiss. Nase kühl. Husten wird nicht gehört. Beim Druck auf den Kehlkopf äussert das Pferd einige schwache und dumpfe Hustenstösse. In der Nasenschleimhaut venöse Congestion und leichte Schwellung. Maulschleimhaut geschwollen, bläulichroth, Zungenrücken mit grauem Belag versehen. Conjunctiva geschwollen, wässerig infiltrirt, zwischen Blinzknorpel und Bulbus tritt eine federkielstarke, matt gefärbte, ödematös infiltrirte Schleimhautfalte hervor. Augenlider halb ge­schlossen. Ueber die Backen fliessen reichliche Mengen von Thränen. Athcmzügo etwas angestrengt. Lungen nach dem Ergebniss der Auscultation und Percussion überall wegsam. — Herzstoss deutlich fühlbar. Puls massig stark bei voller Arterie. Respiration 16; Puls 80; Temperatur 40.7.
Diagnose: Pferdestaupe am zweiten Krankheitstage.
Ordination: Entfernung der Hufeisen; Unterbringung des Pfer­des in einem grossen Stallraum mit weichem Fussboden. Waschun­gen des Kopfes und der Gliedmassen mit Essig und Wasser. Inner­lich: Hydrarg. bichlorat. corros. 2,0; Natr. chlorat. 50,0; Farin. Secal. 200,0 in Latwergenform auf zweimal.
23. August. . Zunahme der Krankheitserscheinungen. Kehl­gangsdrüsen linkerseits hühnercigross geschwollen. Thränen der Augen reichlicher. Starke Lichtscheu. Schliessung der Augenlider. Vollständige Inappetenz. Dagegen reichliche Aufnahme von Wasser.
—nbsp; nbsp;Auffällige Prostratio Virium. Gang schwankend, mühsam. Zeit­weises Auftreten stechender Schmerzen in den Verdergliedmassen.
—nbsp; Starke Benommenheit des Bewusstseins. Häufiges Aufstützen des Kopfes. — Schwellung der Lippen, der Backen, der Zunge und
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#9632; der Haut am Unterkiefer. Dunkelrothe Färbung der Maulschleim­haut. Starker Zungenbelag. Zeitweiser Abfluss von schaumigem Speichel aus den Lippenwinkeln und schleimigem, schmutzigem Secret aus den Nasenöffnungen. — Athmung erschwert, mit ver­stärkter Rippenbewegung und Anspannung der Bauchmuskeln. Re­spiration 20; Puls 88; Temperatur 40,4.
Diagnose: Ungünstiger Verlauf der Pferdestaupe. Schwere Ge-hirnaffection und Complication mit leichter Hufrhehe.
Ordination: Um 5 Uhr Nachmittags wurde dem Pferde ver­suchsweise eine Kochsalzlösung (4,0 Natr. chlorat. : 120,0 Aq.) in die Jugularvene injicirt. Nachweisbare Wirkung hiervon nicht beobachtet. Im Uebrigen die Behandlung des vorhergehenden Tages und Waschungen der Gliedmassen mit einer Lösung von Plumb, acet. und Alum, in Aq. Erweichende Umschläge um die Vorderhufe.
24. August. Gesammtbefinden verschlechtert. Eingenommen­heit des Bewusstseins sehr gross. Tiefe Herabsenkung des Kopfes beim Stehen. Kehlgangslymphdrüsen beiderseits stark geschwollen. Zunahme der Schwellung in der Unterhaut an den Lippen und Backen. Augenlider geschwollen und geschlossen. Augenschleim­haut dunkelroth mit gelblicher Nüancirung und zum Tbeil in wulstigen Falten aus der Lidspalte hervortretend. Nasenschleim­haut venös geröthet. Maulschleimhaut cyanotisch und trocken. Zunge stark geschwollen. Oedematöse Anschwellung der Haut an allen 4 Gliedmassen; am stärksten am linken Vorder- und rechten Hinterfuss. — Athmung erschwert, mit starker Erweiterung der Naseneingänge, etwas schniebend; Exspiration verlangsamt. Puls klein, schwach; Arterie weich. — Das Pferd, welches in einem geräumigen Stalle untergebracht war und schmerzhafte Empfindun­gen in den Vorderhufen nicht mehr bekundete, kann trotzdem langes Stehen nicht aushalten. Es liegt häufig flach auf der rechten Seite mit ausgestrecktem Kopf und kann ohne Unter­stützung nicht aufstehen. Futteraufnahme spärlich und sehr lang­sam. Kaubewegungen schwach. Oeftercs Knirschen mit den Back­zähnen. Ein Theil des aufgenommenen Futters bleibt ungekaut neben den Backzähnen liegen. — Darmexcremente gering mit Schleim vermengt, unter Starkem Tenesmus entleert. Harn war nicht aufzufangen. Respiration 20; Puls 88; Temperatur 39,4.
Therapie wie am Tage vorher. Ausserdem spirituöse Waschun­gen des Körpers und Priessnitz'sche Umschläge um den Bauch,
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25. August. A^gemeine Steigerung des Krankheitsbildes. Schwere Eingenommenheit des Kopfes. Im Habitus Ausdruck eines starken Collaps. Vormittags lag das Pferd zwei Stunden, worauf es bei zweckmässiger Hülfe wieder aufstand. Vollständige Inappetenz. Wasseraufnahrae gering. Athmung massig angestrengt.' Inspiration ohne Beschwerde. Exspiration etwas verlangsamt. Herz-stoss fühlbar. Puls schwach und klein; Arterie hart. Respiration 20; Puls 88; Temperatur 39,4.
Um 1 Uhr Nachmittags hat sich das Pferd wieder gelegt. Es kann nicht mehr zum Aufstehen gebracht werden, fällt vielmehr bei jedem Versuch, wenn es auch zweckmässig unterstützt wird, alsbald in die Seitenlage zurück. Kopf stark geschwollen. Augen­lider geschlossen. Pupille verengt. Körperoberfläche kühl. Puls klein; Arterie hart. Athmung nicht verändert; gegen Abend 28 Mal. Temperatur im Rectum 39,3.
Behandlung ausgesetzt.
In der Nacht von 25. auf den 26. August um 1\/., Uhr stirbt das Pferd bei ruhigem Liegen ohne Todeskampf.
Section am 26. August Vormittags 9 Uhr. Fundbericht von Herrn Boether.
Die Bauchdeclien des sehr gut genährten Pferdes sind schlaff, die Haare mattglänzend und anliegend. Maulhöhle geschlossen. Lippen stark ge­schwollen. Beim Einschneiden fliesst aus der Unterhaut derselben eine reich­liche Menge klarer, schwachgelblicher Flüssigkeit. Die Schwellung setzt sich nach oben bis auf die falschen Nasenlöcher und nach hinten bis auf die Wan­gen fort. Aus den Nasenlöchern fliesst eine schmierige, graue Flüssigkeit tropfenweise ab. Augenlider, besonders die oberen, stark geschwollen. Nach dem Einschneiden derselben füllt sich der Schnitt mit einer klaren, farblosen Flüssigkeit. An dem oberen linken Augenlide fehlt zum grössten Theil die Epidermis. Der freigelegte Papillarkörper ist rauh, ziegelroth gefärbt, sehr feucht und mit Blutpunkten durchsetzt. Conjunctiven sehr stark ödemaiös geschwollen, so dass sie wulstig in die Augenlidspalte hineinfallen. Sie zeigen eine intensiv bläulichrothe Farbe und sind mit mehreren braunrothen bis hirsekorngrossen Punkten durchsetzt. Cornea glänzend und durchsichtig. Beide Pupillen sind sehr eng, etwa 3 Mm. breit. Abnormer Inhalt lässt sich in der vorderen Augenkammer nicht constatiren. Die Kehlgangspartie ist ebenfalls stark ödematös geschwollen, so dass sie sich in demselben Niveau befindet, wie die unteren Kieferränder. Beim Einschneiden in dieselbe ergiebt sich, dass die Cutis und besonders die Subcutis stark- serös infiltrirt ist. Die beiden submaxillaren Lymphdrüsen stellen etwa 18 Ctm. lange, 5 Ctm. breite und ebenso dicke, wulstförmige Packete dar. Das periglanduläre und inter-lobuläre Bindegewebe ist locker und wässerig infiltrirt. Auf dem Durchschnitt
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zeigen die etwa haselnussgrossen DrKsenläppchen eine bläulich graubraune Farbe und treten stark über die Oberfläche empor. Die Schniltlläche ist feucht und trübe.
Sämmtliche Extremitäten, die Sternalgegend und der Schlauch sind ziem­lich stark ödematös geschwollen. Die Unterhaut ist sehr fettreich und etwas feucht, nur an den geschwollenen Partien ist sie sehr stark mit einem klaren, schwach gelblich gefärbten Fluidum infiltrirt. Die oberflächlich gelegenen Körpervenen sind stark mit dickflüssigem dunkelrothen Blut angefüllt. Aus dem After fliessen dünndiissige Kothmassen ab.
Baucheingeweide normal. Ketroperiloneale Fettschicht etwa 3 Finger dick, Schnittfläche derselben glatt, gelbweiss gefärbt und stark glänzend. Magen und Darmcanal massig gefüllt mit Futtermassen. Beide Blätter des Peritoneum glänzend und durchsichtig. Im freien Raum der Bauchhöhle findet sich circa 1 Liter trüber, sohwachgelber Flüssigkeit, aus der sich bereits nach kurzem Stehen flockige, gelbe Gerinnsel in reichlicher Menge ausscheiden. Die Venen des Gekröses sind strotzend mit dickflüssigem, dunkelrothem Blut gefüllt. Der Diaphragmastand befindet sich im Intercostalraum der 6. und 7. Rippe.
Nach Eröffnung der Brusthöhle findet sich in den Pleurasäcken etwa '/., Liter einer schwachtrüben Flüssigkeit von derselben Beschaffenheit wie die in der Bauchhöhle. Auch die Pericardialhöhle enthält etwa 20 Cctm. einer derartig beschaffenen Flüssigkeit. Die innere Auskleidung des Herz­beutels ist glänzend, glatt und transparent. Herz anscheinend normal gross. Der Umfang desselben an der Basis beträgt 53 Ctm. Der rechte Ventrikel hat eine Höhe von 17 Ctm. und ist ziemlich stark dilatirt, der linke ist fast vollständig zusammengezogen, seine Höhe beträgt 20 Ctm. Die Herzwandun­gen sind ziemlich straff. Beide Vorkammern und der rechte Ventrikel sind stark mit saftigen, braunrothen Coagulis angefüllt; der linke Ventrikel ist leer. Die Dicke der Seitenwand des linken Ventrikels und die des Septum Ventri-#9632; culorum beträgt 4 Ctm.; die Seitenwand des rechten Ventrikels hat einen Dickcndurchniesser von 2 Ctm. Endocardium glatt, glänzend und durch­sichtig. An den Papillarmuskeln des linken Ventrikels finden sich mehrere bis linsengrosse Blutunterlaufungen. Klappenapparat ohne pathologische Ver­änderungen. Pleura costalis et pulmonalis glatt, durchsichtig und ziemlich stark ramiform geröthet. An der Pleura pulmonalis finden sich zahlreiche braunrothe circumscripte Punkte; ausserdem ist dieselbe an mehreren Stellen mit einer dünnen Schicht ziegelrother faseriger Masse bedeckt, die sich schwer von derselben abstreifen lässt. die Pleura erscheint aber nach Abnahme der Masse an den Stellen vollständig glatt, glänzend und durchsichtig.
Die Lungen verharren im Exspirationszustand und fühlen sich weich-elastisch an. Die Überfläche der rechten ist braunroth, die der linken ziegel-roth gefärbt. Die Schnittflächen sind stark glänzend und lufthaltig, rechter-seits braunroth. linkerseits hellroth gefärbt. Beim Druck quillt auf die Schnitt­fläche eine reichliche Menge klarer farbloser Flüssigkeit. Die Bronchien sind mit schaumiger, klarer Flüssigkeit angefüllt; ihre Schleimhaut wie die der Trachea ist glatt und blassroth gefärbt.
Der Dünndarm enthält geringe Mengen schleimiger, hellgelber Flüssig-
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keit. die Schleimhaut ist massig geschwollen und schmutziggrau gefärbt. Die Peyer'schen Haufen zeigen sich etwas vergrössert, ihre Follikel sind heraus­gefallen. Im Lumen des Blind- und Grimmdarms linden sich dickflüssige Futtermassen in massiger Menge; die Schleimhaut dieser Darmtheile ist trübe, massig geschwollen und grauroth gefärbt. Ihre Solltärfollikel lassen sich kaum erkennen. Mastdarmschleimhaut etwas geschwollen, trübe und von graugelber Farbe. Im Lumen des Mastdarms fand sich eine geringe Anzahl locker ge­ballter, hellgelber Kothmassen
Milz geschwollen, 61 Ctm. lang, 26 Ctm. breit und 4,5 Ctm. dick. Oberfläche röthlich graublau gefäbrt. Kapsel glatt und ziemlich stark durch­scheinend. Ränder massig abgerundet. Schnittfläche trübe und graubraun-roth gefärbt. Die Pulpa quillt über die Schnittfläche stark hervor und ist ziemlich weich. Milzkörperchen nicht sichtbar.
Nieren leicht aus der Capsula flbrosa enucleirbar. Die Oberfläche der linken Niere ist glatt und grauroth gefärbt; die Länge dieser Niere beträgt 22, die Breite 15 und die Höhe 6 Ctm. Auf der Schnittfläche erscheint die Substantia corticalis trübe und grauroth gefärbt. Die Markstrahlen treten sehr deutlich hervor; die Glomeruli sind schwach sichtbar. Die Marksubstanz ist nach der Rinde zu bläulichrotli, nach dem Nierenbecken zu gelbroth ge­färbt. Die Venen der Niere sind stark gefällt. Das Nierenbecken enthält etwas schleimige, glasige Massen. Beim Druck auf die Marksubstanz fliesst aus dem Ductus Belliniani eine graue, schleimige, trübe Flüssigkeit in das Nierenbecken in grosser Menge. Die rechte Niere ist 18 Ctm. lang, 19 Ctm. breit und 5,5 Ctm. dick; ihre Oberfläche ist glatt und graubraun gefärbt. Die Rindenschicht zeigt auf der Schnittfläche eine graubraune, die Markschicht eine rothgelbe Farbe. Die Zona vasculosa der letzteren ist blauroth gefärbt. Ausser dieser Farbendifferenz hat diese Niere dieselbe Beschaffenheit wie die rechte. Beide Nieren zeigen eine etwas schlaffe Beschaffenheit, ihre Substanz ist ziemlich brüchig.
Der Magen ist schwach gefüllt mit einem gelben, dünnflüssigen Chymus. Schleimhaut der Portio cardiaca glatt und fahl, die der Portio pylorica massig geschwollen, etwas gefaltet und trübe. Die Schleimhaut des Pepsindrüsen-theils ist bläulich grauroth, die des Schleimdrüsentheils gelbgrau gefärbt. An der Oberfläche beider befindet sich eine dünne Lage glasiger, schleimartiger Masse. Schleimhaut des Pylorus und des Duodenum graugelb, massig ge­schwollen und trübe.
Leber 64 Ctm. lang, 49 Ctm. breit und 6,5 Ctm. dick. Kapsel glatt und durchsichtig. Oberfläche gelbbraun gefärbt, Schnittfläche trübe und graubraunroth gefärbt. Acinöse Zeichnung etwas verwischt. Die venösen Ge-fässe sind stark mit dünnflüssigem Blut angefüllt. Parenchym etwas brüchig. An der Ilio-cocco-colioa findet sich an einer Seite eine haselnussgrosse Erwei­terung. Die Wandungen des Gefässes sind an dieser Stelle verdickt; die In-tima ist rauh und mit einer haselnussgrossen, festadhärenten, grauen, trockenen Masse bedeckt.
Schleimhaut des Larynx und der hinteren Fläche der Epiglottis hellroth gefärbt, stark venös injicirt und etwas geschwollen. Die Schleimhaut der Morgagni'schen Taschen rothbraun gefärbt und stark geschwollen; ihre
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Submucosa ist mit einem hellrothen Fluidum infiUrirt. Schleimhaut des Pha­rynx röthlich blaugrau gefärbt und etwas geschwollen. Die Zunge zeigt sich stark geschwollen. Ihre Schnittfläche ist sehr feucht; die Schleimhaut der­selben ist grauweiss gefärbt und auf dem Zungenrücken mit einer grauen, schmierigen Masse bedeckt. Am linken Rande der Zunge, etwa in der Gegend des 2. Backenzahns fehlt an einer Zehnpfennigstück grossen Stelle das Epi­thel. Nasenschleimhaut etwas geschwollen und cyanotisch.
Die Eröffnung der Ventrikel des Grosshirns in Situ nach zuvoriger Unterbindung der Medulla oblongata zeigt, dass in denselben nur Spuren einer klaren farblosen Flüssigkeit vorhanden sind. An der harten Hirnhaut findet sich nichts Abweichendes. Die Venen der Pia sind sehr stark gefüllt. In den Maschen dieser Haut findet sich eine geringe Menge klarer, farbloser Flüssigkeit. Die Adergeflechte sind etwas vergrössert und an der Oberfläche leicht getrübt. Die ependymalen Gefässe, besonders an den Corpora striata, stark gefüllt. Die Schnittfläche der Hirnsubstauz ist mattglänzend und mit vielen rothen Pünktchen besetzt, die durch den Wasserstrahl verschwinden, auf leichten Druck aber wiederkehren.
Bemerkungen.
Obwohl das in Rede stehende Pferd während des Krankheits­verlaufs eine starke Benommenheit des Bewusstseins bekundete und durch Lähmung der Gen trainer venapparate einging, so ergab doch die Section keine erkennbaren Veränderungen am Gehirn. Dies Resultat stimmt mit den Befunden bei mehreren anderen Pferden, welche unter gleichen Zufällen verendeten und von mir secirt wurden, überein. Es ist demnach anzunehmen, dass das Contagium auf das Gehirn nach Art der narkotischen Gifte wirkt. — Aus den Krankheits- und Sectionsberichten ist sonst noch die starke Blutcongestion in allen Organen des Körpers bemerkens-werth. Ich möchte insbesondere den Befund der Brustorgane der Beachtung empfehlen. Weder in den Lungen, noch an der Pleura bestand eine entzündliche Veränderung. Aber in den Pleurasäcken hatte sich eine geringe Menge fibrinogenhaltiger Flüssigkeit ange­sammelt, in welcher sich während der Section durch die Einwirkung der atmosphärischen Luft Gerinnsel bildeten. Von letztereu haftete eine etwas eingetrocknete dünne Schicht auf der Pleura pulmonalis so fest, dass sie bei oberflächlicher Betrachtung mit einem Ex­sudat hätte verwechselt werden können.
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VIII.
Complication rait starkem Mastdarmkatarrh undBroncho-Pneuraonie. Protrahirter Verlauf. Genesung.
Sommerrappstute, 14 Jahre alt, Droschkenpferd, aus einem grösseren Pferdebestande, in welchem die Seuche 10 Tage früher ausgebrochen war — wurde am 28. August 1881 in die Klinik mit dem Bemerken eingestellt, dass seit einem Tage mangelhafte Fresslust und Traurigkeit hervorgetreten seien.
Befund.
28.nbsp; August. Das mittelmässig genährte Pferd bekundet in seinem Habitus eine erhebliche Ermüdung und Eingenommenheit des Bewusstseins. Gesenkte Haltung des Kopfes, welcher oft längere Zeit auf die Futterkrippe gestützt wird. Temperatur der Haut abnorm hoch, besonders am Kopf, Hals und Rumpf; Glied­massen kühl. Respiration beschleunigt, 20 Mal in der Minute. Pulszahl 56. Zuweilen wird ein schwacher, etwas rauher Husten von selbst ausgestossen. Appetit gering. Mit verlangsamten Kau­bewegungen wird etwas Heu und Grünfutter verzehrt. Darmexcre-raente normal.
Diagnose: Pferdestaupe am zweiten Krankheitstage. Ordination: Sorgfältige diätetische Pflege.
29.nbsp; August. Dasselbe Befinden. Athmung ruhiger.
30.nbsp; nbsp;August. Ansteigen der Fiebertemperatur. Schwellung und venöse Röthung der Conjunctiva. Nasenschleimhaut trocken und etwas stärker geröthet; Maulschleimhaut normal. Massiger Verfall der Kräfte. Ortsbewegungen ungern und sehr langsam. Häufiges Aufstützen des Kopfes. Anhaltendes Liegen. Aufstehen sehr beschwerlich. Leichte Schwellung der Gliedmassen. Darm-exeremente klein geballt.
Ordination: Waschung des Kopfes mit kaltem Wasser. Appli­cation von Priessnitz'schen Umschlägen mit dreistündiger Wieder­holung um den Bauch. Innerlich Sp. aeth. im Trinkwasser; ausser-dera Camph. tr. 8,0; Natr. bicarb. 100,0 mit Altheewurzcl in Latwergenform.
31.nbsp; nbsp;August. Zunahme der Krankheitssymptome. Respira­tion 24, mit Anstrengung der Bauchmuskeln und massig starker Erweiterung der Nase. Bei der Percussion im unteren Dritttheil
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des Thorax auf beiden Seiten Dämpfung. Die Auscultation ergiebt verstärktes und rauhes vesiculäres Geräusch in beiden Lungen mit Ausnahme der unteren Partien, in welchen kein Athmungsgeräusch constatirt werden kann.
Unter häufig wiederholtem Drängen werden öfter einige Koth-bälle mit Schleim entleert. Mastdarmschleimhaut in der Nähe des Afters lebhaft geröthet; ebenso die Scheidenschleimhaut im Vorhof. Urin, welcher bei dem häufigen Drängen auf den Mast­darm stets in kieinen Mengen aus der Scham gespritzt wird, hat eine gelblichklare Beschaffenheit.
Diagnose: Complication mit Mastdarmkatarrh und Broncho-Pneumonie.
Behandlung: quot;Wie am vorhergehenden Tage.
1.nbsp; September. Keine Aenderung des Gesammtbefmdens. Ordination: Kochsalz als Lecke. Sp. aeth. im Trinkwasser.
Waschungen des Kopfes mit kaltem Wasser. Umhüllung des Bauches mit warmen Decken. Waschung der Gliedmassen mit einer Lösung von 2 Th. Plumb, acet., 1 Th. Alum, in 15 Aq.
2.nbsp; September. Steigerung der Krankheitserscheinungen. Hef­tiger Tenesmus, welcher dem Pferde grosse Beschwerden macht. Appetit sehr gering. Etwas Hafer und geringe Quantitäten von Grünfutter werden langsam verzehrt.
Behandlung nicht geändert.
3.nbsp; September. Das Pferd ist durch den anhaltenden Tenes­mus sehr belästigt. Aus dem bald mehr, bald weniger geöffneten After wird häufig ein zäher, glasiger Schleim herausgedrängt, welcher zum Theil in der Rima Vulvae herabfliesst. In Folge dieses Zustandes muss die Temperatur durch Einführung eines langen Thermometers in die Scheide festgestellt werden.
Athmung beschwerlich, zuweilen unter stöhnenden Lauten bei der Exspiration.
Ordination: Amylum in Wasser als Klysma. Innerlich: Camph. tr. 8,0 mit Gort. Quere, und Natr. bicarb, aa 75,0 in Latwergenform.
4.nbsp; nbsp;September. Gesammtbefinden etwas leichter. Tenesmus in derselben Stärke. Excremente von breiiger Consistenz. Schleim­haut des Mastdarms und der Scheide stark geröthet. Bei dem heftigen Drängen fliesst aus der Scham mit dem Urin zuweilen eine zähe Schleimmasse.
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Ordination: Klystiere ^on Weizenmehl in warmem Wasser. Innerlich: Hydrarg. bichlorat. cor. 2,0 mit Natr. chlorat. 20,0 und Far. Tritic. 150,0 auf zweimal in Latwergenform.
5.nbsp; September. Respiration dyspnoeisch und mit stöhnenden Lauten beim Ausathmen. Die Exploration des Thorax ergiebt Wegsamkeit beider Lungen in den oberen Hälften, während in den unteren Partien das ßespirationsgeräusch fehlt und der Percussions-schall leer und hell ist. Bluttemperatur normal. Puls schwach. Herzschlag fühlbar. Beim Druck gegen die Brustvvandungen lautes Stöhnen.
Behandlung: Application von Senfspiritus (1 01. Sinap. : 12 Aq.) auf beide Brust Wandungen. Innerlich: Hydrarg. bichlorat. cor. wie am Tage vorher.
6.nbsp; September. Athmung erleichtert. Bluttemperatur normal. Puls schwach. Appetit besser. Tenesmus besteht fort. After geöffnet. Entzündliche Röthung der Mastdarm- und Scheiden­schleimhaut massig stark.
Ordination: Innerlich Hydrarg. bichlorat. cor. in gleicher Dosis wie vorher neben sorgfältiger Pflege.
7.nbsp; September. Besserung im Allgemeinbefinden. Es werden 2 Liter Hafer neben gutem Heu und Grünfutter während des Tages aufgenommen. Athmung leichter. Beim Herumführen äussert das Pferd keine erheblichen Beschwerden. Maul- und Nasenschleim­haut von normaler Farbe. Conjunctiva ziegelfarben, aber nicht geschwollen.
Ordination: Zweistündlich Klystiere von Weizenmehl in Wasser. Innerliche Behandlung ausgesetzt.
8.nbsp; September. Fortschreitende Besserung. Durch Auscultation und Percussion des Thorax wird festgestellt, dass die Lungen in ihrem ganzen Umfang wegsam sind. Nur ist in den unteren Par­tien das Athmungsgeräusch geringer, als im normalen Zustande. Futteraufnahme rege.
Ordination: Viermal täglich Mehlklystiere.
9.nbsp; nbsp;bis 12. September. Verringerung des Tenesmus. After wieder geschlossen. Nur selten kommt mit kleinen Kothbällen etwas Schleim aus dem Mastdarm. Muco.sa des Mastdarms und der Scheide erhalten ihre normale Farbe zurück. Aus der Scham wird zuweilen dicker, weisser Schleim in zusammenhängenden Klumpen hervorgedrängt. Appetit rege. Neben grossen Quanti-
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täten von gutem Heu werden 4 Liter Hafer und Schrottränke am Tage verzehrt.
Medicamentöse Behandlung ausgesetzt.
Am 12. September konnte das Pferd als genesen betrachtet und dem Besitzer mit der Empfehlung zurückgegeben werden, dasselbe noch für weitere 8 Tage am besten nicht zur Arbeit zu benutzen.
Uebersicht des Krankheitsverlaufs nach:
Respiration: Puls: Temperatur.-
28.nbsp; nbsp;Aug. Vorm. 24
29.nbsp; nbsp;Aug. Vorm. 16
30.nbsp; Aug. Vorm. 18
31.nbsp; Aug. Vorm. 24
1.nbsp; Sept. Vorm.nbsp; nbsp;24
2.nbsp; Sept. Vorm.nbsp; nbsp;28
3.nbsp; Sept. Vorm.nbsp; nbsp;24
4.nbsp; Sept. Vorm.nbsp; nbsp;28
5.nbsp; Sept. Vorm.nbsp; nbsp;28
6.nbsp; Sept. Vorm.nbsp; nbsp;28
7.nbsp; Sept. Vorm.nbsp; nbsp;20
8.nbsp; Sept. Vorm.nbsp; nbsp;18
9.nbsp; Sept. Vorm.nbsp; nbsp; 16
10.nbsp; Sept. Vorm. 12
11.nbsp; Sept. Vorm. 12
12.nbsp; Sept. Vorm. 12
56
39,6
56
39,6
56
40,0
72
40,4
66
40,3
80
40,0
72
40,3
72
39,3
72
38,5
72
38,5
64
38,2
62
37,8
56
37,6
50
37,4
48
37,4
44
37,4
Bemerkungen. Beachtenswerth bei der Beurtheilung des vorliegenden Falles ist die starke Blutstauung nach den Lungen, womit das Pferd sich von vornherein behaftet erwies. Die Lungencongestion kann als Causa proxima für die am 5. Krankheitstage nachweisbar her­vortretende Broncho-Pneumonie gelten. Obschon letztere nicht zu
Dieckerhoff, Die Pferdestaupe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 11
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gangränösen Zerstörungen führte und an sich auch keine grosse Belästigung für das Plerd verursachte, so verzögerte sich doch die Genesung desselben erheblich. Mit der Pneumonic entstand am 5. Krankheitstage zugleich als eine Folge der schweren Infection ein heftiger Mastdarmkatarrh, welcher nur ganz allmälig zur Aus­gleichung gebracht werden konnte. — Der günstige Ausgang des Falles kommt in der Hauptsache auf Rechnung der mit grosser Sorgfalt durchgeführten Verpflegung und Behandlung des Pferdes.
IX.
Schwere Affection mit verzögertem Verlauf und Nach­krankheiten. Anhaltender Durchfall. Emphysema sep-ticum universale. Multiple Broncho-Pneumonie mit con-secutiver Lungengangrän. Exitus letalis.
Wallach, weisser Schimmel belgischer Abkunft, schwererArbeits-schlag, 15 Jahre alt, auf allen 4 Gliedmassen massig verbraucht — wird in die Klinik am 13. August 1881 mit dem Bemerken eingeliefert, dass das Pferd seit 4 Tagen an der Pferdestaupe krank gestanden habe.
Befunde. 13. August. Dürftiger Nährzustand, Bewegungen sehr lang­sam und schwerfällig. Kopfhaltung gesenkt, häufiges Aufstützen des Kopfes. Im Habitus spricht sich das Gefühl einer starken Ermüdung aus. Vollständige Apathie gegen die nächste Umgebung. Temperatur der äusseren Haut nicht erhöht, aber ungleich ver-theilt. Haut auf der Nasenfirste sehr kühl. Noch kälter fühlt sich die Nasenschleimhaut an. üeber den Scheitelbeinen und am Halskamm ist die Haut heiss. Das Haar etwas aufgebürstet. Die Hintergliedmassen vom Sprunggelenk bis zum Huf massig stark geschwollen. Augenlider halb geschlossen. Starker Thränenabfluss über die Backen. In den inneren Augenwinkeln eine klebrige Schleimmasse von gelblichweisser Farbe. Conjunctiva an beiden Augen ziegelroth, ödematös geschwollen und auf der Sclera von injicirten Blutgefässen durchzogen. Die Cornea an beiden Augen in ihrer Peripherie getrübt. Bei genauer Besichtigung sind die radiär gestellten Randgefässe der Cornea als rothe Streifen zu er­kennen. Nasenschleimhant massig stark geröthet und etwas ge-
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schwollen. Abfluss einer geringen Menge dünnflüssigen Schleims aus beiden Nasenöffnungen. Maulschleimhaut normal gefärbt und trocken. — Durst massig; klares Wasser wird häufig angenommen, aber stets nur in kleinen Mengen getrunken. Appetit gering. Eine Handvoll Hafer und etwas Heu wird sehr langsam und unter be­schwerlichen Kaubewegungen verzehrt. Oft sistirt das Kaugeschäft, trotzdem sich noch Futter in der Maulhöhle befindet. — Peristaltik des Darms lebhaft. Excremente klein geballt, von gelbgrauer Farbe und mit zähem Schleim überzogen. — Herzstoss pochend, Herztöne nicht abnorm. Puls klein, 80 Mal in der Minute. Kinn-backenartorie weich, von mittlerer Füllung. — Respiration 20 Mal in der Minute ohne Anstrengung. Beide Lungen in ihrer ganzen Ausdehnung wegsam. Bei der Auscultation überall normales Athmungsgeräusch. Percussionsschall an beiden Seiten des Thorax voll und hell. — Hustenreiz nicht vorhanden. — Der durch Druck am Kehlkopf künstlich herbeigeführte Husten kräftig. — Tempera­tur im Rectum 39,7.
Diagnose: Pferdestaupe im Stadium des Ausgangs.
Therapie: Sorgfältige diätetische Pflege in einem hohen, gut ventilirten und gleichmässig temperirten Stalle. Waschungen des Kopfes mit kaltem Wasser.
14. August. Zunahme der Störungen. Grosse Mattigkeit. Futteraufnahme sehr gering. Augenlider vollständig geschlossen. Conjunctiva ziegelroth und stark geschwollen. Reichliche Aus­scheidung von zähem, eiterigem Schleim an den inneren Augen­winkeln. Trübung der Cornea stärker. — Auch die Schwellung der Hintergliedmassen hat zugenommen. — Excremente in geringer Menge entleert, mit Schleim überzogen. — Harn gelblich, trübe, geringe Spuren von Eiweiss enthaltend.; spec. Gew. = 1030. — Respiration 16; Puls 98; Temperatur 38,5.
Therapie: Zusätzlich zu jedem Eimer Trinkwasser 75,0 Spirit, aeth. und 500,0 Spirit, dilut. Von diesem Getränk verzehrt das Pferd freiwillig nur kleine Quantitäten; es wird deshalb ausser-dem klares Wasser häufig gereicht und zeitweise das Maul mit der Spirituosen Flüssigkeit durch einen Schwamm gereinigt. Da­neben stündliche Waschungen der geschwollenen Gliedmassen mit einer Lösung von Plumb, acetic. 2 Th., Alum. 1 Th. in 30 Th. Aq. — Priessnitz'sche Umschläge um den Bauch mit dreistünd­licher Wiederholung.
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15.nbsp; nbsp;August. Allgemeinbefinden etwas besser. Unter sehr ver­zögerten Kaubewegungen nimmt das Pferd etwas Hafer und Heu, zeitweise auch etwas Grünfutter auf. Durstgefühl gering. Frisches Wasser wird in kleinen Quantitäten häufig angenommen. — Be­nommenheit des Bewusstseins wie gestern. Constant gesenkte Haltung des Kopfes. An den Augen dieselben Krankheitssymptome; ausserdem Zurückziehung der Augäpfel. Schwellung der Hinter­gliedmassen stärker. Auch- an den Vordergliedmassen ist die Sub-cutis leicht geschwollen. — Darmexcreraente breiartig, in geringer Menge. After geschlossen. Zeitweise leichte Koliksymptome (Scharren mit den Vorderhufen). — Harn wie am Tage vorher. — Respiration 20; das Moment des Ausathmens dauert etwas länger, als das Einathmen. Bauchdecken leicht angezogen. Puls 96, schwach; Temperatur 38,4.
Therapie wie gestern. Ausserdem innerlich: Hydrarg. bi-chlorat. corros. 2,0 mit Natr. chlorat. 20,0 und Farin. secal. 100,0 in Latwergenform.
16.nbsp; nbsp;August. Krankheitserscheinungen in gleichem Grade wie Tags vorher. Augen in ihre Höhlen zurückgezogen. Cornea beiderseits in der ganzen Ausdehnung getrübt. Appetit sehr gering. Kaubewegungen beschwerlich und daher sehr langsam. Häufiges Knirschen mit den Backzähnen. Heu und Hafer wird beim Kauen hinter die Backzähne geschoben und bleibt daselbst längere Zeit liegen. — Peristaltik des Darms gesteigert. Excremente dünnflüssig. Harnmenge gering. Harn gelblich, trübe, eiweissfrei; spec. Gew. = 1024. Respiration 20, mit angespannten Bauchdecken. Puls 96; Temperatur 38,4.
17.nbsp; August. Depression des Bewusstseins in gleichem Grade. Sehr schwerfällige Bewegung. Zum Vorwärts- und Seitwärtstreten folgt das Pferd nur auf starkes Antreiben. Verfall der Kräfte und Abmagerung grosser. Haar struppig. Haut trocken, dem Rumpf fest anliegend und mit staubförmigen Epithelschüppchen bedeckt. Futter wird etwas reichlicher aufgenommen. Schwellung der Conjunctiva geringer; dagegen Zunahme in der Trübung der Cornea. Die vordere Augenkammer enthält beiderseits ein grau­gelbes Exsudat. — In der Kehlkopfsgegend und auf dem ersten und zweiten Halswirbel wird beim Ueberstreichen mit dem Finger ein knisterndes Geräusch in der Subcutis erzeugt (Emphysem). Das aus der Jugularvene probeweise entnommene Blut zeigt eine
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schwarzrothe Farbe und zähflüssige Beschaffenheit; es gerinnt lang­sam, aber vollständig. Respiration Vorrn. 14, Nachm. 15; Puls Vorm. 80, Nachm. 80; Temperatur Vorm. 38,3 Nachm. 38,6.
Therapie: Spirit, aeth. im Trinkwasser, ausserdem Cort. Quercus mit Natr. bicarb, aä 75,0 in Latwergenform. Priessnitz'sche Umschläge um den Bauch und Waschungen der Gliedmassen mit einer Lösung von Plumb, acetic, und Alum crud. in Wasser.
18.nbsp; nbsp; August. Allgemeines Krankheitsbild nicht verändert. Das Hautemphysem erstreckt sich zu beiden Seiten der Trachea und oberhalb derselben bis in die Mitte des Halses herab. Durch dasselbe wird die Haut nicht emporgehoben. — Durchfall stärker; Excremente stinkend, von grünlichgrauer Farbe. — Respiration Vorm. 15, Nachm. 14; Puls Vorm. 68, Nachm. 68; Temperatur Vorm. 38,5,. Nachm. 38,9.
Therapie wie gestern. Ausserdem Instillation einer V^pro-centigen Lösung von Atropin in beide Augen dreistündlich.
19.nbsp; nbsp;August. Zunahme im Verfall der Kräfte; wiederholtes und anhaltendes Liegen. Aufstehen ohne Hülfe nicht möglich. Durchfall gleich heftig. Harn, anscheinend wenig entleert, war zur Untersuchung nicht zu erhalten. Das Emphysem erstreckt sich bis zur Brustgrube und zu beiden Seiten bis auf die Schultern. Die Subcutis ist nirgends durch die Gase prall gefüllt; im Gegen-theil kann an mehreren handgrossen Stellen das Emphysem durch die Palpation nicht nachgewiesen werden. Respiration 16; Puls Vorm. 64, Nachm. 72, von massiger Stärke; Temperatur Vorm. 38,4, Nachm. 38,9.
Therapie: Abreibung des Körpers mit Oleum Terebinth. 1 Th., Spirit. 6 Th., darauf Priessnitz'sche Umschläge. Waschungen des Kopfes mit Essig und Wasser. Innerlich: Tinct. Opii simpl. 25,0, Tirct. Valerian, aeth. 45,0 mit Aq. font. 500,0 vorsichtig eingegeben.
20.nbsp; August. Störungen im Allgemeinbefinden grosser. Star­ker Verfall der Kräfte. Durchfall anhaltend mit gleicher Heftig­keit. Fäces stinkend. Ausfluss von dickem, weissgrauem Schleim aus beiden Nasenlöchern. Augen tief in die Höhlen zurückgezogen. Schwellung der Gliedmassen nicht vermindert. Das Hautemphy­sem hat sich nicht weiter ausgebreitet. Respiration 16; Puls 74; Temperatur 38,5.
Therapie wie gestern. Ausserdem eine Abkochung von Farin, secal. als Klysma zweistündlich applicirt.
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21.nbsp; August. Benommenheit des Bewusstseins geringer. Im Uebrigen dasselbe Krankheitsbild. Respiration 16, mit starker Anspannung der Bauchmuskeln. Puls Vorm. 80, Nachm. 72; Tem­peratur 38,5.
Therapie wie am Tage vorher.
22.nbsp; August. Allgemeinbefinden wie gestern. Futteraufnahme sehr gering. Kieferbewegungen mühsam. Wasser wird in massiger Menge getrunken. Das Emphysem besteht am Halse in gleichem Grade und hat sich über die Schulter auf die Intercostalräume ausgedehnt. Respiration 16; Puls Vorm. 60, Nachm. 72; Tem­peratur Vorm. 37,9. Nachm. 38,0.
Therapie nicht geändert.
23.nbsp; August. Zunahme der allgemeinen Schwäche. Ausfluss von copiösen, weissgrauen, eiterähnlichen Schleimmassen aus beiden Nasenöffnungen. Exspirationsluft übelriechend (Lungenbrand). Athemzüge nicht vermehrt. Die Auscultation ergiebt beidereits in den unteren Abschnitten des Thorax bronchiales Athmungs-geräusch. Percussionsschall in den unteren Brustregionen beider­seits hell und leer. Oedematöse Anschwellung des Schlauches und der Haut am Brustbein. Durchfall nicht gemindert. Harn konnte nicht aufgefangen werden. Respiration Vorm. 14, Nachm. 12; Puls Vorm. 64, Nachm. 72; Temperatur Vorm. 38,6, Nachm. 38,2.
Therapie: Innerlich: Tinct. Opii simpl. 30,0 mit Tinct Va­lerian. 50,0 in 400,0 Aq. Ausserdem Spirit, aeth. im Trinkwasser. Inhalationen mit Terpentinöl.
24.nbsp; August. Grosse Schwäche. Stöhnen bei der Exspiration und mehr noch beim Druck gegen die Brustwandungen. Bei der Auscultation des Thorax an beiden Seiten pleuritisches Reibe­geräusch, an der Trachea Rasselgeräusche. Percussionsschall in der unteren Brusthälfte beiderseits leer und dumpf. — Durchfall etwas verringert. Schwellung der Hintergliedmassen stärker. In der Sprunggelenkbeuge sickert eine gelbliche, klebrige Flüssigkeit in Form von Tröpfchen durch die Haut. Das Emphysem erstreckt sich über den ganzen Körper mit Ausnahme des Kopfes und der Gliedmassen. Aber nirgends ist die Subcutis prall gefüllt. Re­spiration 12; Puls 64; Temperatur 38,6.
Therapie ausgesetzt.
25.nbsp; August. Dieselben Krankheitserscheinungen. Um 9 Uhr früh hat sich das Pferd niedergelegt, und es kann auch durch
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künstliche Hülfe nicht zum Aufstehen gebracht werden. Respira­tion 24 Mal in der Minute mit dyspnoeischer Erweiterung der Nase und starker Anspannung der Bauchmuskeln. Stöhnen im Exspira-tionsact. Puls klein, 100 Mal in der Minute. Art. maxill. draht-förmig. Temperatur 39,0deg;. Um lO'^ Uhr ist die Temperatur auf 38,5deg; gesunken. Puls an der Art. maxill. unfiihlbar. Zeit­weise krampfhafte Contractionen in den Streckmuskeln. Athmen dyspnoeisch. Häufiges Knirschen mit den Zähnen, unwillkürlicher Abfluss von gelblich gefärbten, dünnflüssigen Darmexcrementen. Der Kopf wird anhaltend rückwärts gezogen, und unter zeitweisem Auftreten von Krämpfen erfolgt um 11 Uhr der Tod. — Die post mortem ausgeführten Temperaturmessungen hatten folgendes Re­sultat: Um 11 Uhr betrug die Temperatur 38,0deg;. Sie stieg all-mälig an und erreichte um 12 Uhr die Höhe von 39,2deg;. Dann fiel sie wieder ab, stand um 1 Uhr auf 38,8deg; und betrug um 2 Uhr noch 37,5deg;.
Die Section des Cadavers wurde um 2 Uhr (3 Stunden nach dem Tode) ausgeführt. Dem von Herrn Bo ether aufgenommenen und mir gütigst überlassenen Sectionsbericht entnehme ich folgende Befundangaben:
Ziemlich stark abgemagertes Pferd. Die äusseren Körperhöhlen sind geschlossen. Die Haut ist massig gespannt. Beim Ueberstreichen über die­selbe nimmt man eine schwache Crepitation wahr, besonders am Halse und unter der Schweifwurzel. Augenlidspalte sehr eng. Conjunctiva stark ge­schwollen, feucht und blass blauroth gefärbt. Die Conjunctivalsäcke sind mit klarer, farbloser Flüssigkeit gefüllt. Beide Hinterschenkel sind stark geschwollen und behalten Fingereindracke längere Zeit bei. Beim Ab­ziehen der Haut bemerkt man, dass die Unterbaut mit einer reichlichen Menge geruchloser Gase durchsetzt ist. Die Unterhaut ist ziemlich fettfrei und etwas feucht, nur an den beiden Hinterschenkeln ist dieselbe sehr stark mit einer gelben, klaren Flüssigkeit infiltrirt. Ebenso am Schlauche und am Sternum. Im Bereich der Röhren beider Hinterschenkel ist die Unterhaut grauweiss gefärbt, speckig verdickt und sehr derb. Skelelmusculatur trübe, grauroth gefärbt und brüchig. Die oberflächlich gelegenen Körpervenen sind stark mit geronnenem Blut gefüllt. Die V. saphenae beider Hinterschenkel sind durch länglich geformte grauweisse Thromben verstopft.
Nach Eröffnung der Bauchhöhle zeigen sich sämmtliche Baucheingeweide normal gelagert. Im freien Raum der Bauchhöhle lässt sich kein abnormer Inhalt constatiren. Peritoneum parietale et viscerale glänzend, glatt, durch­sichtig und besonders an der rechten Bauchwand durch Gase stark abgehoben. Unter dem parietalen Blatt des Bauchfells liegt eine etwa ', 2 Ctm. dicke, sulzige, graugelbe Fettmasse. Die Venen des Hinterleibes sind sehr stark mit
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geronnenem, dunkelrothem Blut gefüllt. Der Zwerchfellstand befindet sich raquo;im Intercostalraum der 7. und 8. Rippe.
. Milz 50 Ctm. lang, 22 Ctm. breit und 3,5 Ctm. dick. Milzkapsel glatt, durchscheinend und an der lateralen Fläche der Milz mit mehreren binde-gwebigen Anhängseln besetzt. Die Oberfläche ist blaugrau, die Schnittfläche braunroth. Pulpa ziemlich consistent. Corpuscula Lienis kaum sichtbar.
Die linke Niere ist 20 Ctm. lang, 13 Ctm. breit und 5 Ctm. dick. Die rechte hat eine Länge von 18 Ctm., eine Breite von 19 Ctm. und eine Dicke von 5,5 Ctm. Die Nieren lassen sich leicht aus der Capsula fibrosa enucleiren. Ihre Oberfläche ist glatt und graubraun gefärbt. Auf der Schnittfläche er­scheint die Rindensubslanz trüb, grauroth gefärbt und etwas feucht. Die Packete der geraden Harncanälclien treten sehr scharf hervor. Die Glomeruli sind etwas undeutlich. Die Venae interlobulares machen sich in der Rinden­substanz als blaurothe, radiär verlaufende Linien stark bemerklioh. Die Marksubstanz ist gelbroth gefärbt und feucht. Nach der Rindenschicht zu zeigt sie eine bläulichrothe Farbe. Beim Druck auf die Marksubstanz fliesst aus den Tubuli recti eine reichliche Menge grauer, schleimiger Flüssigkeit in das Nierenbecken. Letzteres ist mit einer schleimartigen, zähen, glasigen Flüssigkeit angefüllt. Die venösen Gefässe der Nieren sind stark gefüllt. Beide Nieren zeigen sich schlaff und etwas brüchig. An dem übrigen Uro­genitalapparat zeigen sich keine Veränderungen.
Der Dünndarm ist massig gefüllt mit schleimiger, graugelber Flüssigkeit. Die Schleimhaut dieses Darmtheils ist stark gefaltet, trüb und geschwollen. Die Oberfläche ist gelbgrau gefärbt, nur die Kämme der Falten zeigen eine diffuse, ziegelrothe Farbe. Im Ilium ist die Schleimhaut mit einer dünnen Lage gelber, schmieriger Masse bedeckt. Die Peyer'schen Haufen sind im ganzen Dünndarm etwas geschwollen. Das Coecum und Colon enthalten dick­breiige, gelbgrüne Faces in geringer Menge. Die Schleimhaut ist stark ge­schwollen, gefaltet und trüb. Die Oberfläche derselben ist im Coecum und in den oberen Lagen des Colon graugelb, in den unteren Lagen des Colon grau­roth gefärbt. Auf der Schnittfläche zeigt sich die Mucosa und Submucosa etwas feucht. Mastdarmschleimhaut etwas geschwollen, graugelb gefärbt und trüb. Im Lumen des Mastdarms befinden sich wenig Fäces von fast flüssiger Consistenz. Schleimhaut des Pylorus und des Duodenum trüb, etwas ge­schwollen und graugelb gefärbt.
Der Magen ist massig angefüllt mit dickflüssigem, gelbem Chymus. Schleimhaut der Portio cardiaca glatt und bläulich weissgrau gefärbt. Schleimhaut der Portio pylorica schwach gefaltet, trüb und ziemlich stark geschwollen. Die Schleimhaut des Pepsindrüsentheils ist graubraun gefärbt, die des Schleimdrüsentheils graugelb. Die Oberflächen beider sind mit einer dünnen Lage zäher, glasiger, schmieriger Masse bedeckt.
Leber 62 Ctm. breit, 45 Ctm. hoch, 6.5 Ctm. dick. Kapsel glatt und durchsichtig. Oberfläche braunroth. Schnittfläche glänzend, schwach durch­scheinend und graubraun gefärbt. Die Grenzen der Acirii sind deutlich sicht­bar. Die Acini werden von einem weissgrauen, schmalen Saum umgeben. Das Parenchym ist sehr derb und fest. Die Lebervenen und Pfortaderäste sind stark mit dünnflüssigem, kirschrothem Blut angefüllt. Die grösseren
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Gallengänge enthallen eine reichliche Menge orangegelber, flüssiger Galle. Arteria ilio-coeco-colica ist etwas cylindrisch erweitert. Ihre Wandungen sind etwas verdickt. Die Intiina ist an der Stelle rauh und mit einer dünnen Schicht grauen, trockenen Gerinnsels bedeckt, in dem sich ei'iige Exemplare von Strongylus annatus vorfinden. An den übrigen Dannarterien lässt sich keine Veränderung nachweisen.
Im Herzbeutel finden sich Spuren einer klaren, gelben Flüssigkeit. Seine Innenfläche ist glatt und durchscheinend. Die Quer- und Längsfurehen des Herzens enthalten eine dünne, graugelbe, feuchte Fettlage. Der Umfang des Herzens an der Basis beträgt 65 Ctm. Der rechte Ventrikel ist stark dilatirt und mit braunrothen, saftigen Coagula angefüllt. Seine Höhe beträgt 20 Ctm. Der linke Ventrikel ist etwa bis zur Hälfte zusammengezogen und mit wenigen saftigen Gerinnseln von braunrother Farbe angefüllt. Er hat eine Länge von 24 Ctm. In beiden Vorhöfen findet sich ein faustgrosses, saftiges, braunroihes Coagulum. Der Dickendurchmesser des rechten Ven­trikels beträgt 2 Ctm., der des linken 5 Ctm. Das Septum Ventriculamp;rum hat eine Dicke von 4 Ctm. An dem Klappenapparat lässt sich keine krank­hafte Veränderung nachweisen. Endocardium glatt und durchscheinend. Schnittfläche des-Myocardium trüb, grauroth gefärbt und sehr brüchig.
Die Lungen verharren im mittleren Inspirationszustand. ' Ihre Oberfläche ist blauroth gefärbt. Das untere vordere Drittel des rechten Lungenflügels fühlt sich sehr derb und etwas'höckerig an. Seine Oberfläche prominirt etwas gegen die Nachbarschaft. Ein Durchschnitt durch diese Lungenpartie ergiebt, dass dieselbe mit zahlreichen erbsen- bis wallnussgrossen Cavernen durchsetzt ist, die mit einer missfarbenen, schmierigen, stinkenden Flüssigkeit angefüllt sind. Die Wandungen dieser Cavernen sind buchtig. zerfetzt und werden von dem Lungengewebe selbst gebildet. Einzelne dieser Cavernen stehen mit Bronchien in Verbindung, andere confluiren untereinander. Ausser diesen Cavernen bemerkt man auf der Schnittfläche viele graue bis erbsengrosse Herde, die etwas über die Oberfläche hervortreten und aus einer bröckeligen, schmie­rigen Masse bestehen. Diese Herde werden sämmllich von einem schmalen, dunkelbraunen Saum umgeben. Das übrige, zwischen den Cavernen und Her­den gelegene Lungengewebe ist luftleer; es zeigt eine stark glänzende, glatte, graubraune Schnittfläche und ist mit zahlreichen bis linsengrossen, braunrothen, diffusen Punkten durchsetzt. Nur hin und wieder treten in demselben hell-roth gefärbte, lufthaltige Inselchen hervor. Die Bronchien dieser Partie sind sämmtlich mit einer graubraunen, schmierigen, übelriechenden Flüssigkeit angefüllt. Ihre Schleimhaut ist stark geschwollen; zum Theil rauh und blau­roth gefärbt. Die Pleura ist an dieser Stelle etwas trüb und mit mehreren kurzen, bindegewebigen Fädchen besetzt. Dieselbe Beschaffenheit zeigt auch das vordere untere Drittel des linken Lungenflügels, jedoch mit dem Unter­schiede, dass hier die Cavernen nicht so zahlreich vorhanden sind. Der übrige Theil der linken Lunge fühlt sich ebenfalls ziemlich fest an, lässt aber beim Ueberstreichen eine deutliche Crepitation wahrnehmen. Seine Schnittfläche zeigt eine graubraunrothe Farbe, ist glatt und sehr stark glänzend. Dieselbe ist schwach lufthaliig. Die Schnittfläche der hinteren beiden Drittel den lin­ken Lunge ist braunroth gefärbt und stark glänzend. Beim Druck auf die-
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selbe tritt eine reichliche Menge klarer, schwach röthlich gefärbter Flüssigkeit über die Oberfläche. Die Broncliien sind stark mit einer schmierigen, grauen, etwas stinkenden Flüssigkeit angefüllt. Im Hauptstamm der linken Lungenvene findet sich ein etwa 5 Ctm. langer, daumendicker Thrombus von weissgrauer Farbe und trockener, elastischer Consistenz. Derselbe zeigt auf dem Durch­schnitt mehrere concentrische Lagen, die sich zwiebelschalartig abblättern las­sen. Peripherisch setzt sich derselbe noch etwas in die kleineren Lungenvenen fort. Die Intima des Gefässes ist an dieser Stelle glänzend und glatt. Eine Ad-härenz zwischen dieser und dem Thrombus besteht nirgends. Schleimhaut der Trachea stark geschwollen, ziegelroth gefärbt, stark ramiform geröthet.
In dem peritrachealen Bindegewebe findet sich eine reichliche Menge Gas. Pleura der Rippen glatt und durchscheinend. Die subpleuralen Venen sindquot; stark gefüllt. Die Mediastinal-Blätter sind durch Gasanhäufungen von­einander getrennt. Die Gasansaramlungen finden sich auch unter der Costal-pleura und unter den Körpern der Wirbel.
Schleimhaut des Larynx und der hinteren Fläche der Epiglottis ist glatt, hellroth gefärbt und massig ramiform geröthet. Die Kehldeckel-Giesskannen-falten sind etwas geschwollen. Ihre Schleimhaut ist bläulich braunroth gefärbt. Die Submucosa ist mit einer hellrothen Flüssigkeit massig infillrirt. Schleim­haut des Phar3Tnx röthlich blaugrau gefärbt und glatt. Schleimhaut des Zun­genrückens fahl und mit einer schmierigen, grauen Flüssigkeit bedeckt. Nasen­schleimhaut blassroth gefärbt, stark cyanotisch und mit einer übelriechenden, schmierigen Flüssigkeit belegt.
Die Eröffnung der Ventrikel des Grosshirns nach zuvoriger Unterbindung der Medulla oblongata ergiebt nur Spuren einer klaren, farblosen Flüssigkeit in denselben. Die Blutleiter enthalten wenig saftige, braunrothe Coagula. Die Venen der Pia Mater sind stark gefüllt mit dickflüssigem Blut. In den Maschen der Pia Mater liegt eine geringe Menge farbloser, klarer Flüssigkeit, besonders an der Basis des Grosshirns. Die ependymalen Gefässe und die Adergeflechle sind ziemlich stark gefüllt. An letzteren bemerkt man mehrere kleine, hirsekorngrosse. glänzende, harte Knötchen von schwach röthlicher Farbe. Die Schnittfläche der Hirnsubstanz ist matt glänzend und mit vielen rothen Pünktchen durchsetzt, die sich durch den Wasserstrahl fortspülen lassen.
Die Corneae beider Augen sind glänzend, glatt und durchsichtig. Die vorderen Augenkamraern sind mit einem gelbweissen, saftigen Coagulum und einer geringen Menge röthlichbrauner. dünnwässeriger Flüssigkeit ausgefülit. Die Gerinnsel sind innig mit der vorderen Fläche der Iris verklebt, so dass beim Entfernen derselben gleichzeitig das Epithel von der vorderen Fläche der Iris mit abgezogen wird. Die Pupillen sind sehr eng. Die Bulbi zeigen keine weiteren krankhaften Veränderungen.
Bemerkungen. Der Krankheitsfall, dem bei seiner Entwickelung von dem Be­sitzer des Pferdes nicht die erforderliche Beachtung geschenkt war, bietet in seinem Verlauf viel Bemerkenswerthes. Durch die Herz-
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schwäche und die Depression des Sensoriums documentirte sich die Erkrankung schon am 13. August als eine sehr schwere. Dass das Blut eine reichliche Menge pathogener Schädlichkeiten enthielt, beweist die am 15. August eintretende starke Darmaffection (Durch­fall), welche trotz aller medicamentösen und diätetischen Behandlung bis zum Tode andauerte. — Für die wissenschaftliche Besprechung der Symptomatologie liegt aber das grösste Interesse in dem uni­versellen Emphysem des Bindegewebes. Zuerst machte sich in der Subcutis des Kehlgangs und der Ohrdrüsen-Region die Gasent­wickelung bemerklich. Aber schon innerhalb weniger Tage voll­zog sich die Bildung von Gasen in der Subcutis des ganzen Kör­pers und — wie die Section ergab — auch im retropleuralen und retroperitonealen Bindegewebe. Lungen, Leber, Milz und Nieren enthielten in ihrem Parenchym keine Gase. Nur in den interlo-bulären Räumen der vorderen Lungenlappen fand sich eine massige Quantität von extravasirter, athmosphärischer Luft. Sonst zeigte die Lungensubstanz, soweit sie nicht von entzündlichen Destructio-nen betroffen war, bei der speciellen Untersuchung die elastische und durch die Füllung der Alveolen mit Luft bedingte knisternde Eigenschaft. Ich habe Seite 46 schon hervorgehoben, dass ich das Auftreten dieses Emphysems auf die Wirkungen eines septischen Ferments beziehe, über dessen specielle Natur nichts Bestimmtes ausgesagt werden kann. Dass der gangränöse Zerfall in den broncho-pneumonischen Herden keinen ursächlichen Zusammenhang mit diesem Emphysem hat, ist schon daraus ersichtlich, dass das Emphysem früher eintrat, als die Lungengangrän. Ich will aber ausserdem noch hinzufügen, dass in einem anderen Falle, den ich durch die gütige Vermittelung des Herrn .Fünfhausen junior kennen lernte, bei der von mir ausgeführten Section keine Merk­male einer entzündlichen Erkrankung der Lungen und auch kein interlobuläres Lungenemphysem gefunden wurden, dass aber das Emphysem des Bindegewebes sich in demselben Umfang ausgebildet hatte, wie in dem hier besprochenen Krankheitsfall.
An dem pernieiösen Verlauf der Localaffectionen, namentlich der Lungenentzündung, hat die schwere parenehymatöse Entzündung des Herzfleisches, welche die Blutcirculation erheblich beeinträchtigen musste, den bedeutendsten Antheil.
Als ein seltenes Ereigniss bei der Pferdestaupe ist aus der Krankheitsgeschichte noch hervorzuheben, dass der erysipelatöse
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Process in der Subcutis der Hinterschenkel sich auf die Wandun­gen der V. saphenae fortsetzte und die Entstehung obturirender Thromben in denselben veranlasste.
Schwere Erkrankung. Nierenblutung als Nachkrankheit.
Verstopfung beider Ureteren durch Blutgerinnsel. Exitus
letalis unter den Erscheinungen der Uraemie.
Rappwallach — Kutschwagenpferd von mittlerer Stärke, 8 Jahre alt, 1,62 M. hoch — wird am 19. Juli 1881 in die Klinik mit der Angabe eingestellt, dass seit 2 Tagen eine'Störung des All­gemeinbefindens mit mangelhafter Futteraufnahme bei demselben beohachtet sei.
Befunde. 19. Juli. Das gut genährte Pferd zeigt eine krankhafte Er­müdung. Der Kopf wird häufig auf die Krippe gestützt. Zum Herumtreten findet sich das Thier erst bei starkem Antreiben ver-anlasst. Häufige Entlastung einzelner Gliedmassen, womit die Ent­stehung eines knackenden Geräusches verbunden ist. Körperbewe­gungen unsicher, zuweilen schwankend. An der linken Hinter­gliedmasse ist die Region des Fesseis leicht geschwollen. Con­junctiva diffus geröthet. Maul- und Nasenschleimhaut nicht ver­ändert. Geringer Ausfluss einer weissgrauen, schleimigen Flüssigkeit aus bei den Nasenlöchern. Kehlgangslymphdrüsen etwas angeschwollen. Husten erfolgt nicht von selbst. Bei künstlicher Reizung des Kehl­kopfs wird der Husten zu unterdrücken gesucht. Temperatur der Haut krankhaft erhöht, namentlich am Oberkopf und über den äusseren Kaumuskeln. Nase kühl, ebenso die Gliedmassen. Herz-action beschleunigt, Herzstoss deutlich fühlbar. Puls kräftig, Arterie massig gefüllt. Athmung beschleunigt und mit massiger Anspannung der Bauchmuskeln. Resultat der Auscultation und der Percussion des Thorax normal. Appetit vermindert. Es wird nur eine geringe Quantität Heu und Grünfutter aufgenommen. Wasser oft, aber stets in kleinen Quantitäten getrunken. Darm-excremente mittelgross geballt und von einer glänzenden Schleim­schicht umgeben, aussen neutral, innen schwach sauer reagirend
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Harn hatte nicht aufgefangen werden können. Respiration 24; Puls 88; Temperatur 41,3. •
Diagnose: Pferdestaupe am zweiten Krankheitstage.
Ordination: Anhaltende Berieselungen des Rumpfes mit kaltem Wasser von 12 Uhr Mittags bis 8 Uhr Abends.
Das negative Resultat dieser Therapie ergiebt sich aus folgen­der Uebersichi.
Respiration: Puls: Temperatur:
12 Uhr Mittags 24nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;80nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;41,3
2 Uhr Nachm.nbsp; nbsp; 20nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;80nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;41,0
4 Uhr Nachm.nbsp; nbsp; 18nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;80nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;40,8
6 Uhr Nachm.nbsp; nbsp; 18nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;80nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;40,8
8 Uhr Abendsnbsp; nbsp; 18nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;82nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;41,1
Nach dieser Behandlung wurde das Thier sorgfältig abgerieben, mit Decken versehen und auf warme Streu gestellt.
20. Juli. Störung im Allgemeinbefinden grosser; starke Be­nommenheit des Bewusstseins. Das Pferd drängt nach rückwärts, so dass der Kopf straff in der Halfter angezogen ist. Augenlider geschlossen. Aus den inneren Augenwinkeln, namentlich rechter-seits, wird eine gelblichweisse, eiterähnliche Masse abgeschieden. Conjunctiva dunkel geröthet und etwas geschwollen. Appetit gering. Während der verflossenen Nacht und des Vormittags werden 2 Liter Hafer, etwas Grünfutter und Heu mit sehr verlangsamten Kau­bewegungen aufgenommen. Wasser häufig getrunken.' Darmexcre-mente wie gestern. Harn braungelb gefärbt, nicht fadenziehend, von alkalischer Reaction; spec. Gew. = 1025, enthält etwas Ei-weiss, Plattenepithelien und Krystalle von kohlensaurem Kalk.
Ordination: Befeuchten des Kopfes und Berieselungen des Körpers mit kaltem Wassser.
Respiration: Puls: Temperatur:
10 Uhr Vorm. 22nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;80nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;41,2
12 Uhr Mittags 24
80
41,1
2 Uhr Nachm. 28
84
41,2
4 Uhr Nachm. 26
84
41,1
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Respiration:
Puls:
Temperatur:
6 Uhr Nachm. 20
80
40,8
8 Uhr Abends 20
80
40,8
21. Juli. Keine Veränderung in dem allgemeinen Krankheits­bilde. Appetit mangelhaft. Conjunctivitis hat massig zugenommen. Darmexcremente gering, weich. Harnentleerung reichlich. Harn hellgelb, von saurer Reaction; spec. Gew. = 1050; geringe Mengen Eiweiss, Plattenepithelien, Krystalle von kohlensaurem Kalk und relativ viel Chlorverbindungen enthaltend.
Ordination: Häufige Waschungen der Augen mit einer 2pro-centigen Lösung von Cupr. aluminat. in Wasser. Ausserdem Fort­setzung der gestrigen Behandlung, deren Resultat in nachstehender Uebersicht bezeichnet ist.
Respiration: Puls: Temperatur:
10 Uhr Vorm. 20nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;84nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;40,4
12 Uhr Mittags
24
80
40,4
2 Uhr Nachm.
24
80
40,2
4 Uhr Nachm.
20
80
40,1
6 Uhr Nachm.
20
80
39,7
8 Uhr Abends
18
80
39,8
Nach dem Aufhören des kalten Bades wird das Pferd wiederum sorgfältig abgerieben, mit Decken belegt und in einen massig tem-perirten Stall auf reichliche Streu gestellt.
22. Juli. Allgemeinbefinden erleichtert. Schwellung der Glied­massen beseitigt; Conjunctivitis erheblich geringer. Darmexcremente normal. Harn wie gestern, aber weniger reich an Chlorverbindungen. Ordination: Mit Rücksicht auf die hohe Temperatur der Atmo­sphäre wird das Pferd bei sorgfältiger Pflege 8 Stunden hindurch an einem schattigen Ort im Freien belassen.
Respiration: Puls: Temperatur: 10 Uhr Vorm. 24nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;76nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; - 39,5
4 Uhr Nachm. 24nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;68nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39,4
9 Uhr Abends 16nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;52nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39,0
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Am 23. und 24. Juli änderte sich der Krankheitszustand nicht erheblich. Conjunctivitis fast vollständig beseitigt. Bei massigem Appetit verzehrte das Pferd allmälig 6 Liter Hafer, etwas Heu und Gras während eines Tages. Darmexcremente nicht verändert. Harn von braungelber Farbe, fadenziehend, specifisches Gewicht = 1025, von saurer Reaction, ohne Eiweissgehalt, da­gegen reich an Chlorverbindungen.
Ordination: Diätetische Pflege mit längerem Aufenthalt in freier Luft.
Respiration: Puls: Temperatur:
23.nbsp; Juli 10 Uhr Vorm. 14nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;52nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38,6
4 Uhr Nachm. 24nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;60nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38,8
9 Uhr Abends 24nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;60nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39,3
24.nbsp; Juli 8 Uhr Vorm. 14nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;54nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38,4
4 Uhr Nachm. 18nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;60nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39,4
25.nbsp; Juli. Appetit geringer, Darmexcremente hellgelb, aussen neutral, innen sauer reagirend. Harn dunkelroth, von alkalischer Reaction, undurchsichtig, fadenziehend. Bei der mikroskopischen Untersuchung findet sich ein reicher Gehalt an rothen und weissen Blutkörperchen, ausserdem Plattenepithelien. Nach kurzem Stehen schlägt sich am Boden des Gefässes ein flockiges Blutgerinnsel aus dem Harn nieder. Puls von mittlerer Stärke, Arterie massig voll und weich. Athmung nicht verändert. Nasen- und Maulschleim­haut blassroth gefärbt.
Respiration: Puls: Temperatur: Vorm. 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;44nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39,2
Nachm. 18nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;52nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39,0
Diagnose: Blutung aus den Harnwegen in Folge Ruptur eines Blutgefässes.
Ordination: Umhüllung des Rumpfes und Bauches mit Decken. Innerlich: Natr. subsulfuros. 30,0; Natr. sulfuric. 300,0; Cort. Quere. 60,0 auf dreimal in Latwergenform. Als Futter: Heu und Gras; ausserdem Roggenschrot, Kleie und Häcksel unter Zusatz von etwas Kochsalz mit Wasser gemischt.
26.nbsp; nbsp;Juli. Keine Aenderung des gestrigen Befundes. Harn ist nicht entleert worden.
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Respiration: Puls: Temperatur: Vorm. 9nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;40nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38,8
Nachm. 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;48nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39,5
Ordination wie gestern.
27.nbsp; Juli. Schwerfällige Stellung und Bewegung, Blick stier. Appetit sehr gering. Hafer wird gar nicht aufgenommen, Heu nur in geringer Menge. Wassergenuss massig. Conjunctiva, Nasen-und Maulschleimhaut blass, etwas anämisch. Darmexcremente trocken und locker. Im Verlauf des Tages wurde nur l/2' Liter Harn entleert, dessen spec. Gew. = 1035 und dessen sonstige Eigenschaften mit dem üntersuchungsergebniss vom 25. überein­stimmen; nur scheidet sich etwas mehr Blutgerinnsel aus.
Respiration: Puls: Temperatur: Vorm. 10nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;40nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;38,1
Nachm. 10nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;44nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;39,1
Ordination: 01. anim. foet. 30,0 mit Farin. See. 250,0 und Wasser in Latwergenform auf dreimal.
28.nbsp; Juli. Das Befinden des Patienten hat sich nicht erheblich geändert. Nur wird etwas mehr Heu und eine geringe Menge Hafer verzehrt. Harnentleerung findet nicht statt, obwohl das Pferd zu wiederholten Malen auf dieselbe drängt.
Respiration: Puls: Temperatur: Vorm. 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;36nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;37,7
Nachm. 12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;40nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;37,9
Ordination: Innerlich: Kai. chloric. 20,0 mit Argilla und Aq. zum Bolus in 2 Dosen.
29.nbsp; nbsp;Juli. Im Habitus liegt die constitutionelle Ermüdung ausgedrückt. Appetit gering, es wird nur etwas Grünfutter ver­zehrt. Im Lauf des Tages wurde 1 Liter Harn aufgefangen, der in Folge der Blutbeimischung dunkelroth erscheint; speeifisches Gewicht = 1038; nach kurzer Zeit entstehen in demselben Blut­gerinnsel. — Respiration 12; Puls 40; Temperatur 37,7.
Ordination wie gestern.
30.nbsp; Juli. Allgemeinbefinden nicht verändert. Linker Hinter­schenkel von Neuem angeschwollen. Appetit schlecht. Harn in geringer Menge entleert, enthält viel Blut, welches alsbald in Form eines fingerdicken, rothen, mit einem grauweissen Saum bedeckten Fadens gerinnt. — Respiration 12; Puls 40; Temperatur 37,8.
Dieselbe Therapie wiederholt.
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31. Juli. Appetit schlecht, Körnerfutter ganz verschmäht, etwas Heu und Grünfuttcr aufgenommen. Wasser wenig getrunken. Harn zweimal entleert, im Ganzen etwa 1 Liter, von derselben dunkelrothen Beschaffenheit wie früher; spec. Gew. = 1035. Kurz nach der Entleerung entsteht in dem Gefäss ein langes Blutgerinnsel.
—nbsp; Respiration 12; Puls 40; Temperatur 37,3.
Behandlung wird ausgesetzt. •
1.nbsp; nbsp;August. Keine Aenderung des allgemeinen Krankheits­zustandes. Linker Hinterfuss stärker geschwollen. Am Schlauch ödematöse Schwellung der Haut. Puls schwach. Die äusserlich sichtbaren Schleimhäute anämisch. Der in geringer Menge ent­leerte Harn von gleicher Beschaffenheit wie gestern. Futteraufnahme versagt. — Respiration 12; Puls 40; Temperatur 37,4.
Das Pferd wird in einen geräumigen Laufstall gebracht, in welchem es aber anhaltend auf einer Stelle stehen bleibt.
2.nbsp; nbsp;August. Störung im Allgemeinbefinden nicht geändert. Die ödematöse Schwellung der Haut setzt sich vom Schlauch über den Bauch auf die Brustbeinregion fort. Ausser einer sehr geringen Menge Grünfutter werden keine Nahrungsmittel angenommen. Das Pferd legt sich häufig nieder, weshalb der Harn nicht aufgefangen werden konnte. In der Streu sind aber Blutgerinnsel nachzuweisen.
—nbsp; Respiration 12; Puls 40; Temperatur 37,3.
3.nbsp; August. Starker Verfall der Constitution. Stierer Blick. Erweiterung der Pupillen. Erschlaffung der Gesichtsmuskeln. Be­nommenheit des Bewusstseins. Häufig Seitwärtsbewegungen des Kopfes, zuweilen auch Nicken mit dem Kopfe. Wiederholtes Liegen, wobei der Kopf nach hinten zurückgezogen wird. Beschwerliches und meistens nur mit Unterstützung zu bewirkendes Aufstehen vom Boden. Es wird weder Futter noch Getränk angenommen. Herz­schlag fühlbar, Puls schwach. Athmcn nicht verändert. Starker Durchfall. Darmexcremente flüssig, von unangenehmem Geruch. — Respiration 12; Puls 56; Temperatur 37,0.
Am Abend des 3. August stellten sich erhebliche psychische Störungen ein. Das Pferd wird unruhig, drängt mit dem Kopfe gegen die Wand und verletzt sich dabei die Haut an verschiedenen Stellen. In der Nacht vom 3. zum 4. August hat es die Stallthür durchbrochen, ist ausserhalb des Stalles zu Boden gefallen, schlägt mit den Beinen um sich und zeigt eine starke Depression des
Dleckerlioff, Uie Pferdestaupe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 12
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Bewusstseins. Es wird mit Mühe auf untergelegtem Stroh in' den Stall zurückgeschleift, ist unvermögend zum Aufstehen und benimmt sich wie ein an hochgradiger, acuter Hirnhöhlenwassersucht er­kranktes Pferd.
Am 4. August zwischen 4 und 5 Uhr früh trat der Tod ein. — Autopsie um 9 Uhr (etwa ^/^ Stunden nach dem Tode). — Befundaufnahme durch Herrn Bo ether.
Gut genährtes Pferd, Hinterleib stark eingefallen. After geschlossen. Augen halb gesclilossen, Bindehaut der Augenlider und des Augapfels schmutzig rosaroth gefärbt und mit mehreren hirsekorngrosson blaurothen, scharf umschriebenen Punkten besetzt. Corneae glatt und durchsichtig; patho­logische Veränderungen an den Bulbi nicht nachzuweisen. Die Unterhaut enthält nur wenig Fett, ist ziemlich feucht, ihre venösen Gefässe sind stark, mit zum grössten Theil geronnenem, dunkelrothem Blut gefüllt; im Bereich des Sternum und Praeputium ist sie galleartig geschwollen und zeigt eine gelbe Farbe. Beim Einschneiden entleert sich an diesen Stellen eine klare, hellgelbe Flüssigkeit. Die Baucheingeweide sind normal gelagert. Magen und Darmcanal zeigen sich nur schwach gefüllt. Peritoneum parietale et viscerale glatt und durchsichtig, an ersterem finden sich zahlreiche hirse- bis linsenkorngrosse, intensiv braunrothe, circumscripte Punkte. Die retroperi-toneale Fettschicht hat eine Dicke von 1 — 2 Ctm. und ist gelbweiss gefärbt. Die Schnittfläche desselben zeigt eine deutliche Lappung. ist stark glänzend und ebenfalls mit vielen braunrothen bis hanfkorngrossen Punkten durchsäet. Das interlobuläre Fettgewebe erscheint etwas gequollen und sehr feucht. Die subserösen Venen, wie überhaupt die Venen des Hinterleibes, sind stark mit blaurothem, dickflüssigem Blut gefüllt. Frei im Cavum abdominale findet sich etwa ein halbes Liter klarer, goldgelber, serumartiger Flüssigkeit, welche nach kurzem Stehen zu einer gallertigen, faserigen Masse gerinnt. Stand des Diaphragma normal. Kach dem Abnehmen des Sternum sanken die Lungen bis zum Retractionszustand zusammen. Der Herzbeutel Hess sich leicht vom Brustbein lostrennen, sein Cavum enthält circa 40 Cctm. einer klaren, schwach­gelb tingirten Flüssigkeit. Beide Blätter des Pericard sind glatt und trans­parent. Die Wandung des rechten Ventrikels ist schlaff, die des linken da­gegen straff. Die Länge des rechlen Ventrikels beträgt 19 Ctm., die des lin­ken 23 Ctm. Der Umfang des Herzens an der Basis beträgt 53 Ctm. Die Herzoberfläche ist braunroth gefärbt, in den Längs- und Querfurchen liegt eine fingerdicke Fettschicht. Der rechte Ventrikel ist ziemlich weit, der linke fast vollständig zusammengezogen, beide sind mit dickflüssigem, schwarz-rothem Blut angefüllt, ausserdem enthält der rechte Vorhof noch ein faust-grosses, saftiges, weissgelbes Coagulum, welches sich durch die Atrio-Ventri-cular-Oeffnung bis in den rechten Ventrikel hinein erstreckt. Die Seitenwand des rechten Ventrikel ist 2 Ctm., die des linken 5,5 Ctm. dick, das Septum Ventriculorum hat einen Dickendurchmesser von 4 Ctm. Schnittfläche des
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Myocard trübe, graurotb gefärbt und ziemlich brüchig. Endocard glänzend, glatt und durchsichtig. An dem Klappenapparat lässt sich nichts Pathologi­sches constatiren.
Oberfläche der rechten Lunge blauroth, die der linken grauroth gefärbt. Pleura costalis et pulmonalis glänzend, feucht und transparent. Der untere, vordere, scharfe Rand der linken Lunge, wie auch beide vorderen Lappen sind etwas gewulstet und heller gefärbt, als die angrenzenden Lungentheile. Beim Bestreichen crepitiren dieselben sehr stark, auch ist die Pleura mehr­fach durch Gase zu erbsengrossen Bläschen abgehoben. Die Schnittfläche der linken Lunge ist durchweg blassroth gefärbt, mattglänzend und schwach gra-nulirt, die der rechten zeigt eine rothbraune Farbe und ist stark glänzend, beim Druck auf letztere quillt eine klare Flüssigkeit auf die Oberfläche. Cre­pitation lässt sich an sämmtlichen Lungenabschnitten deutlich wahrnehmen. Die Schleimhaut der Bronchien ist blassgrau gefärbt und glatt, die Brcnchial-lumina, besonders die der kleinen Bronchien, enthalten etwas klare, schwach röthlich gefärbte Flüssigkeit. Schleimhaut der Trachea blassroth, feucht, glatt und schwach ramiform geröthet.
Der Inhalt des Dünndarms besteht aus dünnbreiiger, gelber Puttermasse, die Schleimhaut der hinteren Hälfte desselben ziemlich stark geschwollen, blassgrau gefärbt, trübe, durchscheinend, ausserdem ist dieselbe in zahlreiche Falten gelegt, die auch dieselbe Farbe zeigen, wie die zwischen ihnen ge­legene Schleimhautfläche. An der vorderen Hafte des Dünndarms ist die Schleimhaut intensiv gelb gefärbt und schwach gefaltet, trübe und etwas glasig geschwollen. Die Submucosa ist schwach serös inflltrirt. Die Peyer­sehen Haufen stellen bis 4 Ctm. lange und 11I'2 Ctm. breite, schwach beet­artige, blassgraue Stränge dar, ihre Follikel sind hirsekorngross, prominiren etwas über die Oberfläche und zeigen eine grauweisse Farbe. Die Schwellung der conglomerirten Follikel ist am stärksten am Ilium und am hinteren Ende des Jejunum und nimmt von da aus nach vorn hin etwas ab. Das Coecum enthält eine geringe Quantität schmutzig gelber, dünnflüssiger Futtermasse. Die Schleimhaut ist ziemlich stark geschwollen, blass grauroth gefärbt, trübe und durchscheinend; die Submucosa ist schwach mit einer klaren Flüssigkeit infiltrirt. Das Colon schliesst dünnflüssige , dunkelgelbe Futtermassen in ge­ringer Menge ein. Die Schleimhaut ist stark glasig geschwollen, trübe und in viele bis fingerdicke Querfalten gelegt. Die Schleimhaut der unteren Lage blassbraun, die der oberen ist blassgrau gefärbt. In letzterer sieht man be­sonders in der magenähnlichen Erweiterung mehrere bis linsengrosse, blau-rothe Punkte, die etwas über die Oberfläche hsrauskommen. Der Durchschnitt ergiebt, dass diese Knötchen ihren Sitz in der Submucosa haben und aus einer schmierigen, braunrothen, blutartigen Masse bestehen. Die solitären Follikel sind stecknadelkopfgross, blassgrau, durchscheinend und prominiren etwas über die Oberfläche. Die Submucosa ist schwach mit einer klaren, farblosen Flüssigkeit infiltrirt. Mastdarmschleimhaut graugelb gefärbt, etwas geschwollen und trübe; an ihrer Oberfläche findet sich eine adhärente, flockige, zähe Masse. Der Darminhalt ist dünnbreiig und schmutzig gelb gefärbt.
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Die Länge der Milz beträgt 46 Ctm., die Breite 23, die Dicke 3,8 Ctm., ilire Oberfläche graublau gefärbt, die Ränder schwach abgerundet, die Kapsel durchscheinend, glatt, die Schnittfläche braunroth, glänzend. Malpighi-sche Körperchen treten als hirsekorngrosse, braun durchscheinende Knötchen deutlich hervor, die Trabekel zeigen eine normale Beschaffenheit, Piilpa ziem­lich consistent.
Die Nieren sind von einer circa 3 Ctm. starken Capsula adiposa um­schlossen; dieselbe zeigt eine glänzende, gelbweisse Schnittfläche und ist mit vielen intensiv braunrothen. scharf umschriebenen Herden durchsetzt. Beide Nieren sind auffallend vergrössert. Das Gewicht der rechten Niere beträgt 2007 Gramm, das der linken Niere 1917 Gramm. Die Capsula fibrosa sehr durchscheinend, lässt sich wegen ihrer Mürbheit nicht im Zusammenhang abtrennen. Die Nieren schlaff, ihre Oberfläche glatt und graugelb gefärbt mit zahlreichen hirse- bis stecknadelkopfgrossen, scharf umschriebenen, braun­rothen Punkten besetzt, die am vorderen und hinteren Ende der Nieren, wie überhaupt an der Convexität derselben sehr dicht gelagert sind und bei ober­flächlicher Betrachtung bis fünfzigpfennigstückgrosse, diffuse, unregelmässig begrenzte, braunrothe Flecke vortäuschen. Auf der Schnittfläche zeigt die Sub-stantia corticalis eine trübe, graugelbe, gleichmässige Beschaffenheit. Erst bei genauer Betrachtung derselben sieht man schmale, parallel nach dem Nierenbecken zu verlaufende, graue durchscheinende Streifen, welche die Packete der geraden Harncanäle vorstellen. Malpighi'sche Körperchen lassen sich nirgends erkennen. Die Rinde ist sehr blass und hat eine Breite von 2 Vj Ctm. Die Substantia medullaris zeigt ebenfalls eine trübe, graurothe Schnittfläche. Die Basis der Pyramiden setzt sich nur wenig scharf von der Corticalis ab; die graurothe Farbe derselben verliert sich allmälig nach der letzteren zu. Die geraden Harncanälchen setzen sich auf der Schnittfläche nach dem Nierenbecken zu convergirenden Streifen zusammen. Die Venae rectae machen sich als blaursthe, feine Züge schwach bemerklich, das Nieren­becken ziemlich stark erweitert. Der freie Papillarrand erscheint wie ange­fressen. Beim Auffallen der Wasserstrahlen ergiebt sich, dass die geraden Harncanälchen pinselartig in das Nierenbecken hineinragen und eine graue oder grünliche Farbe zeigen. Der ganze zerfressene Papillarrand ist mit vielen hirsekorn- bis stecknadelkopfgrossen, braunrothen Punkten dicht besäet und zeigt eine missfarbene Beschaffenheit. In der Umgehung der Nierenbecken bis etwa 1 Ctm. zeigt die Schnittfläche der Papillen eine schmutzig graubraune, trübe Beschaffenheit, in der sich die geraden Harncanälchen nur wenig scharf abheben. Die Schleimhaut der Hörner des Nierenbeckens der linken Niere ist in ihrer ganzen Ausdehnung zerstört. Im Nierenbecken findet sich eine reich­liche Menge braunrolher, saftiger Coagula und etwas hellrothe, zähe, schlei­mige Masse. Die Schleimhaut der Nierenbecken ist, soweit sie erhalten, stark geschwollen und röthlich blassgrau gefärbt. Epithel ist überall vorhanden, dasselbe aber leicht abstreifbar. Beim Druck auf .die Medullarsubstanz quillt aus den geraden Harncanälchen eine trübe, schmierige, graubraune Flüssig­keit in reichlicher Menge in das Nierenbecken. Die Substanz der Nieren ist sehr brüchig und stark mit einem hellrothen. trüben Fluidum durchsetzt. Die
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Nieren verbreiten ausserdem einen auffallend starken urinösen Geruch. Die Arcus renalis venosi enthalten nur geringe Mengen hellrothon, dünnflüssigen Blutes.
Die Ureteren sind stark dilatirt etwa zwei Pinger dick, sehen äusserlich blaugrau aus, nach Freilegung ihres Lumens zeigt sich dasselbe mit einer braunrothen dickflüssigen Masse stark angefüllt, in derselben finden sich dun-kelrothe Coagula. Die Schleimhaut ist etwas geschwollen, glatt und blassroth gefärbt, nur in der Mitte des rechten Harnleiters ist die Schleimhaut in einer Länge von 6 Ctm. mit vielen braunrothen bis mohnkorngrossen Punkten besetzt.
Die Harnblase enthält 2 Liter einer braunrothen, trüben Flüssigkeit, in der viele bis faustgrosse, saftige, dunkelrothe Coagula sich vorfinden. Die Blasenschleimliaut etwas gerunzelt und blassroth gefärbt. Eine Schwellung lässt sich an derselben nicht constatiren. Die Schleimhaut der Urethra ghtt und blassroth.
Der Mageninhalt besteht aus einer dünnbreiigen gelben Masse, die Mu-cosa der Portio cardiaca blassgrau gefärbt und glatt, nur an dem gefranzten Rande zeigt dieselbe eine gelbliche Farbe. Das Epithel ist überall vorhanden, lässt sich schwer abstreifen. Die Schleimhaut der Portio pylorica ziemlicli stark geschwollen, in Quer- und Längsfalten gelegt und trübe. Die Falten verschwinden beim Auseinanderziehen der Muscularis. Am Schleimdrüsen-theil zeigt die Schleimhaut eine bräunlichschiefergraue Farbe, ist schwach durchscheinend und mit mehreren diffusen bis erbsengrossen Herden durchsetzt. Die Oberfläche des Labdrüsentheils ist grünlichgrau gefärbt und durchschei­nend. An beiden Schleimhaut-Portionen ist die Oberfläche mit einer dünnen, grauen, zähen Masse bedeckt, der viele Futterpartikelchen beigemischt sind. Pylorus-Schleimhaut glasig geschwollen und blass gelbgrau gefärbt. Beim Druck auf den Ductus choledoclms fliesst durch das Vater'sche Divertikel eine reichliche Menge Galle ab. Die Portio intestinalis dieses Ganges ist etwas dilatirt und stark mit Galle angefüllt.
Leber vergrössert, 62 Ctm. breit, ihre grösste Höhe 54 Ctm., ihre Dicke 8 Ctm., die Ränder etwas abgerundet. Oberfläche bläulich grauroth, an vielen Stellen fleckig gelbroth. Leberkapsel glänzend , durchscheinend, an der vor­deren Leberfläche mit zahlreichen, derben, fadenartigen Anhängseln besetzt. Schnittfläche trübe und grauroth, acinöse Zeichnung undeutlich. An der Pe­ripherie der Acini zeigt sich ein grauer, schmaler Hof, die Lebervenen und Pfortaderäste sind massig mit dünnflüssigem Blut angefüllt. Hin and wieder zeigt auch die Schnittfläche gelbrothe, unregelmässige, diffuse, bis zehn-pfennigstückgrosse Flecke. Parenchym sehr brüchig, das ganze Organ zeigt sich etwas schlaff.
Larynx-Schleimhaut blassroth, massig injicirt und glatt. Schleimhaut des Pharynx graublau, etwas geschwollen. Der Zungenrücken ist mit einer messerrückendickon, schmierigen, grauen Masse bedeckt. Nasenschleimhaut bläulichroth, glatt und stark venös injicirt.
Die Gefässe der Pia sind stark gefüllt, die Maschen derselben enthalten etwas klare, farblose Flüssigkeit. Eine derartige Flüssigkeit findet sich auch
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in geringer Menge in den Ventrikeln. Ependym blass, an den Corpora striata schwach streifig geröthet. Die Adergeflechte sind rothgrau gefärbt, von nor­maler Grosse. Schnittfläche der Hirnsabstanz mattglänzend, ziemlich fest und mit vielen kleinen, leicht durch den Wasserstrahl wegzuspülenden Strichen und Punkten durchsetzt.
Bemerkungen.
Das Pferd, dessen Krankheitsgeschichte hier beschrieben ist, war zwar von der Pferdestaupe hochgradig befallen. Trotzdem ge­staltete sich der Verlauf am 6. und 7. Krankheitstage relativ günstig. Ich habe viele Pferde behandelt, welche bei gleich erheb­lichem Krankheitsbilde vollständig genesen sind. — Erfolglos blieb die Bekämpfung der Fieberhitze durch kalte Berieselungen des Körpers. Mindestens hatte diese Behandlung auf das Gesammt-befinden des Pferdes keinen heilsamen Einfluss.
Nach schweren Infectionen tritt bei den staupekranken Pfer­den im Beginn der Reconvalescenz nicht selten eine Hämogiobinurie ein, welche einen Tag, zuweilen auch 2 bis 3 Tage anhält. Der Vorgang steht mit der durch das Virus der Pferdestaupe bewirkten Blutdyskrasie in ursächlichem Zusammenhang und vollzieht sich unter momentaner Steigerung des Blutdrucks in den Nieren. Bei dem hier besprochenen Krankheitsfall stellte sich aber, als die Affection einen günstigen Ausgang zu nehmen schien, eine wirkliche Nierenblutung ein, welche durch Ruptur grösserer Gefässe in beiden Nieren bedingt gewesen ist. Da die Hämaturie als Nachkrankheit der Pferdestaupe von mir nur in diesem Falle beobachtet ist, so liess sich nach der statistischen Erfahrung der Ursprung derselben während des Krankheitsverlaufs nicht mit Bestimmtheit diagnosti-ciren. Ich gestehe offen, dass ich auf Grund anderweitiger Beob­achtungen mich der Ansicht zuneigte, dass die Blutung aus einer Vene der Harnblase herrühre. Erst der Sectionsbefund brachte die Aufklärung.
Der tödtliche Ausgang des Falles findet nach dem Ergebniss der Section seine Erklärung dadurch, dass sich nach einer zehn­tägigen Dauer der Hämaturie in beiden Nierenbecken Blutgerinnsel gebildet haben, welche die Ureteren verstopften. — Als directe Folgen dieses Zustandes sind die Rückstauung des Harns und die Erweiterung der Ureteren und der Nierenbecken anzusehen. Durch
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Zersetzung des in letzteren angesammelten Harns ist die jauchige Entzündung des Nierenbeckens und der Nieren (Pyelonephritis ichorosa) zu Stande gekommen, deren zerstörende Wirkungen auf die Nierensubstanz in dem Sectionsbericht eingehend geschildert sind. Bei der Unmöglichkeit, den Harn aus den Nieren zu ent­leeren, trat eine acute urämische Intoxication ein, an welcher das Pferd zu Grunde gegangen ist.
Gedruckt bei L. Schumacher in Bertiraquo;.
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