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BIBUOTHEEK UNIVERSITEIT UTRECHT
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Rotzdyskrasie
und
ihre verwandten Krankheiten
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oder die
scrophulösen Dyskrasien des Pferdes
ihre Natur und Formen
in nosolojischer, diagnostischer, ätiologischer, therapeutischer, polizeilicher und foj^BHflSSSffimiJlf^nestellt.
Nach Impfversucljeöquot;, tacLj^wra-fgeft StadiÄRund Erfahrungen
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W. E. A. Erdt
kÖDigl. Departements-Thierarzt in Coeslin.
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V'erlag von Otto Wigand. 1863.
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Vorwort.
Wer eine mühsame langjährige Arbeit mit Fleiss und Aus­dauer vollendet hat, der sieht naturgemäss mit behaglicher Freude und mit Wohlgefallen auf sie hin und lässt schliesslich sein Opus mit den besten Wünschen und Hoffnungen eines seegensreichen Wirkens, wie ein Kind seiner Liebe und Pflege, hinaus in die Welt gehen. Traurig für ihn, wenn sich jene Wünsche und Hoffnungen nicht erfüllen, wenn eine eifersüchtige Critik schonungslos nur die, wie allem Menschenwerk, so auch diesem, anhängenden Un-vollkommenheiten und Gebrechen aufdeckt, ohne gerecht zu sein und auch das Gute und Nutzbringende hervorzuheben; sie benagt damit die Lebenswurzeln und bereitet dem Werke des Fleisses in rücksichtsloser Feindschaft und Parteilichkeit das Grab seines Unterganges.
Ich würde nicht wahr sein, wenn Ich behaupten wollte, dass jene Freude und jenes Wohlbehagen auch mich beseeligt, denn ich weiss nur zu gut, welche schwere Aufgabe die Tendenz des vorliegenden Buches sich gestellt hat und an welchen Mängeln und Gebrechen dem gegenüber es leidet; ich weiss nur zu gut, dass ich es mit dieser Arbeit unternommen habe einen Augias­stall auszuräumen, dass aber meine Kraft und Lebensdauer dazu nicht ausreichen will; weiss aber auch, dass die unnachsichtige Critik, die Alles besser machen — will —, nicht Rücksicht
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nehmen wird auf Schwierigkeiten und Unmöglichkeiten, sondern dass- sie, die vorliegenden abstracten Thatsachen, wie sie ihrer Ansicht nach sein müssten und nicht sind,nur mit Rücksicht auf den Widerstreit derselben mit allen bisherigen Autoritäten und auf die Verdunkelung des Nimbus dieser letzteren, rücksichtslos ihrem Urtheile unterwerfen wird. Mag man es bequemer finden, mit hingebenden Autoritätenglauben im alten Schlendrian scha­blonenartig fort zu leben, weil es dabei nicht nöthig wird, den Geist zum Denken zu erheben; zu bestreiten ist es aber nicht, dass ein derartiges Leben des Menschengeistes unwürdig und solcher Glaube in der Wissenschaft verächtlich ist. Nicht die Critik fürchte ich darum, ich beklage nur die rücksichtslose, ungerechte Critik, die lediglich vom Parteistandpuncte ausgehend, ihre Auf­gabe darin sucht und findet, das Geniale zum Trivialen herab zu ziehen und den Autor zu seiner Anerkennung, zu seiner Freude über die Producte seines Fleisses und seiner oft unsäglichen Mühseligkeiten gelangen zu lassen. Solche Critik wuchert schnell, wo man alte Autoritätsprincipien verlegt, resp. umzu-stossen versucht, und da dies auch von meinem Buche geschieht, so bin ich keinen Augenblick zweifelhaft, was ich in dieser Be­ziehung zu erwarten habe.
Demnach übergebe ich diese Schrift dem Publicum mit einem festen Vertrauen und in dem Bewusstsein, dass Wahrheit und Recht sich immer und überall durcharbeiten und schliesslich doch zum Siege gelangen. — Auch appellire ich an die Nachsicht jedes Urtheils, die man mir gewiss gern gewähren wird, wenn ich zu erwägen bitte, dass ich auf einem Felde arbeiten musste, welches fast ganz unvorbereitet ist, und auf dem ich kein Material zur Arbeit vorgefunden habe, dass ich vielmehr fast Alles im Laufe eines ganzen Menschenlebens von 33 Jahren selber schaffen und sammeln musste, wenn ich weiter zu erwägen bitte, wie schwierig und umfassend hier meine Aufgabe an und für sich ist. Ich weiss es, mein Buch leidet an einzelnen Wiederholun­gen , es leidet an gewissen Mängeln, es. ist nicht überall streng wissenschaftlich; indess auch dies wird man nachsichtig beur-theilen müssen, wenn man erwägt, dass es nicht ausschliesslich
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für ein sachverständiges Publicum, sondern auch für Leser undnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i
Interessenten anderer Categorieen geschrieben ist, deren Ver-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;f lt;
ständniss ich diese Schrift in anderer Weise nicht besser anpassen zu können vermeint habe. —
Ich habe mich endlich schwer zu dieser Arbeit entschliessen
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können, ich fühlte mich ihr nicht gewachsen; den Beweis dafür mas man darin finden, dass ich sie bis zu meinem Lebensabend aufschob, schliesslich aber doch das gesammelte schätzbare Material zu verwerthen und nützlich zu verwerden für Pflicht hielt, um so mehr, als ich damit einem sehr allgemein gefühlten
Bedürfniss be
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nen zu können hoffen darf.
Coeslin, im Februar 1863.
Der Verfasser.
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Einleitung pag. 1—13.
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I. Abtheilunff.
Historische Nachrichten und Literatur über die lyrapha-
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thisch-catarrhalisehen Wurm des Pferdes. sect;. 1-
1.nbsp; Capitel: Aeltere Periode.
2.nbsp; nbsp;Capitel: Mittlere Periode.
3.nbsp; Capitel; Neuere Periode.
gastrischen Krankheiten, -252.
sect;. 1-10.
sect;. U—26. sect;. 27—245.
Rotz und
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4. Capitel: Ueberblick und Schluss. sect;. 246—252.
n. Abtheilung.
Die Drüsenkrankheiten oder Serophein des Pferdes (Scro-phula equina) imAUgemeinen und die mit ihnenverwandten, oder sich in dieselben metamo rp hosiren d en Krankheiten. sect;. 253—447.
1.nbsp; Capitel: Begriff, Sitz und Natur der Drüsenkrankheiten. sect;. 253—268.
2.nbsp; Capitel: Vorkommen und geographische Verbreitung der Scropheln des
Pferdes. sect;. 269—275.
3.nbsp; Capitel: Analogieen und Entstellung der Scorpheln aus andern Krank-
heiten und deren Ausgängen. sect;. 276—316. 1. Gruppe. Catarrhalische Krankheiten. sect;. 277—303. a. Strengel. sect;. 277—284.
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b.nbsp; nbsp;Druse, Kropf, Kehlsucht, Catarrhalfieber. sect;. 285—301.
c.nbsp; nbsp;Catarrhalische Bräune. sect;. 302.
d.nbsp; nbsp;Lungencatarrh. sect;. 303.
2.nbsp; Gruppe. Septische Krankheiten. sect;. 304—307.
a.nbsp; nbsp;FaulBeber. sect;. 304.
b.nbsp; nbsp;Tuberkelkrankheit. sect;. 305. 306.
c.nbsp; nbsp;Lungenschwindsucht. sect;. 307.
3.nbsp; Gruppe. Entzündungskrankheiten. sect;. 308—310. a Lungenentzündung. sect;. 308.
b.nbsp; nbsp;Fussentzündung. sect;. 309.
c.nbsp; nbsp;Venenentzündung. sect;. 310.
4.nbsp; Gruppe. Exanthematische Krankheiten. sect;. 311—315.
a.nbsp; nbsp;Mauke. sect;. 311—314.
b.nbsp; nbsp;Herpetische Exantheme. sect;. 315.
5.nbsp; Gruppe. Aeussere suppurirende, virulente Schaden und Geschwüre. sect;. 316.
4.nbsp; Capitel: Contagiosität der Scropheln, Eigenschaften der Contagien im
Allgemeinen und des Scrophelcontagiums im Besondern. sect;. 317—333.
5.nbsp; Capitel: Identität der Drüsenkrankheiten des Pferdes mit den Scrophel-
krankheiten des Menschen, nachgewiesen durch Impfungen des Serophelstoffs von Menschen auf Pferde. sect;. 334—364.
1.nbsp; nbsp;Impfungen an Pferden mit Scrophelmaterie des Menschen von aner­kannt rein scrophelkranken Individuen. sect;. 336—^347.
2.nbsp; nbsp;Impfung an Pferden mit Scrophelmaterie des Menschen von nicht an­erkannt rein scrophelkranken Individuen. sect;. 348—349.
3.nbsp; nbsp;Impfung an Eseln mit Scrophelmaterie des Menschen von anerkannt rein scrophelkranken Individuen; sect;. 350—358.
4.nbsp; nbsp;Impfung an Eseln mit Scrophelmaterie des Menschen von nicht aner­kannt rein scrophelkranken Individuen; sect;. 359. 360.
5.nbsp; nbsp;Reflexionen. sect;. 361—364.
6.nbsp; Capitel: Eintheilung und Formen der Scropheln des Pferdes , Symptome,
Producte, Wirkungen und Folgen derselben. sect;. 365—430.
1.nbsp; nbsp;Einleitung. sect;. 365. 366.
2.nbsp; nbsp;Formen nach dem Sitz und ihrer Ausdehnung. sect;. 367—376. a Allgemeine Scropheln. sect;. 367—376.
laquo;. Mit vorzugsweise alleinigem ErgriflFensein des Lymphgefäss-
sjstems. sect;. 367—369. ß. Mit gleichzeitigem Ergriffensein gewisser Weichgebilde und
Organe. sect;. 370. 371. y. Mit Ergriffensein der festharten Theile in mehr oder weniger
Ausdehnung. sect;. 373—376. b. Locale Scropheln. sect;. 377. 378.
3.nbsp; nbsp;Formen nach dem Alter, den Organen und Systemen. sect;. 379—387.
a.nbsp; nbsp;Scropheln des jugendlichen Alters , Scropheln der Digestion. sect;. 379—381.
b.nbsp; nbsp;Scropheln des späteren Alters, Scropheln der Respiration. sect;. 382. 383.
c.nbsp; nbsp;Scropheln jeden Alters, Scropheln der ganzen Ernährungssphäre, der Assimilation. sect;. 384—387.
4.nbsp; nbsp;Formen nach dem Verlauf und der Dauer. sect;. 388—396.
a.nbsp; nbsp;Acute Scropheln mit aeutem Verlauf. sect;. 388—392.
b.nbsp; nbsp;Acute Scropheln mit chronischem Verlauf. sect;. 393.
c.nbsp; nbsp;Chronische Scropheln mit aeutem Verlauf. sect;. 394.
d.nbsp; nbsp;Chronische Scropheln mit chronischem Verlauf. sect;. 395. 396.
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5. Formen nach ursächlichen Momenten, nach ihrer Ausdehnung, Ent­stehungsweise, Art der Betheiligung des Organismus und ihrer Beschaf­fenheit. sect;. 397—403.
a.nbsp; nbsp;Angeerbte oder angeborne Scropheln. sect;. 397.
b.nbsp; nbsp;Durch Ansteckung entstandene Scropheln. sect;. 398.
c.nbsp; nbsp;Durch Nahrungsmittel, Localeinflüsse, Miasmen etc., atmosphärische und Gebrauchsverhältnisse spontan erzeugte Scropheln. sect;. 399.
d.nbsp; nbsp;Idiopathische Scropheln. sect;. 400.
e.nbsp; und f. Sympathische und symptomatische Scropheln. sect;. 401. g. und h. Einfache und complicirte Scropheln. sect;. 402.
i; und k. Primäre und seeundäre Scropheln. sect;. 403. 6. Formen nach dem Charakter und dem Grade der Krankheit. sect;.404—410.
a.nbsp; nbsp;Einfache, fieberlose Scropheln mit geringen Affectionen. sect;. 404.
b.nbsp; nbsp;Bösartige, verdächtige, fieberliche Scropheln mit bedeutenden Affec­tionen. sect;. 405.
c.nbsp; Die Scropheln mit Nasengeschwüren. sect;. 406.
d.nbsp; nbsp;Die Scropheln mit Hautgeschwüren. sect;. 407.
e.nbsp; nbsp;Das scrophulöse Nasen- und Hautgeschwür vereinigt. sect;. 408—410.
7.nbsp; Capitel: Ursachen der Scropheln des Pferdes. sect;. 411—426.
1.nbsp; Die Vererbung. sect;.411.412.
2.nbsp; Die Anlage (Disposition). sect;. 413—419.
3.nbsp; nbsp;Die veranlassenden und Gelegenheitsursachen. sect;. 420—426.
8.nbsp; Capitel: Verlauf, Dauer und Prognose der Scropheln. sect;. 427—433.
9.nbsp; Capitel: Heilverfahren bei den Scropheln. sect;. 434—447.
1.nbsp; nbsp;Allgemeine Betrachtungen. sect;. 434. 435.
2.nbsp; Diätetisches Verfahren. sect;. 436—443.
3.nbsp; nbsp;Therapeutisches Verfahren. sect;. 444—447.
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III. Abtheilung.
Die Rotz- und Wurmkrankheit der Pferde: sect;. 448—833. Einleitung für diese Abtheilung pag. 232—240.
1.nbsp; Capitel: Begriff, Sitz und Natur der Krankheit. sect;. 448 — 487.
2.nbsp; Capitel: Formen des Rotzes der Pferde. sect;. 488—590.
Allgemeine Betrachtungen. sect;. 488—490.
1.nbsp; Der scrophulöse Rotz. sect;. 491—539.
2.nbsp; nbsp;Der blennorrhoische Rotz. sect;. 540—552.
3.nbsp; nbsp;Der septische Rotz. sect;. 554—573.
4.nbsp; nbsp;Der carcinomatöse Rotz. sect;. 574—585.
5.nbsp; Der Beschälrotz. sect;. 586—588.
6.nbsp; nbsp;Andere Rotzformen. sect;. 589—590.
3.nbsp; Capitel: Verschiedenheiten des Rotzes des Pferdes und der Syphilis des
Menschen und Anomalieen des scorphnlösen Rotzgeschwüres des Pferdesund der syphilitischen Ozaenades Menschen. sect;. 591—602.
4.nbsp; Capitel: Vorkommen des Rotzes und seine geographische Verbreitung.
sect;. 603—614.
5.nbsp; Capitel: Analogieen und Verwechselungen des Rotzes mit andern Krank-
heiten des Pferdes und Anomalieen derselben. 615—626.
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6.nbsp; Capitel: Contagiosität und Fortpflanzung des Rotzes; Eigenschaften des
Contagiums. 627—642.
7.nbsp; Capitel: Die Pathogenese und Diagnose des Rotzes. sect;. 643—732.
8.nbsp; Capitel: Die Ursachen der Rotzkrankheit. sect;. 733—763.
9.nbsp; Capitel: Verlauf, Dauer und Prognose der Rotzkrankheit. sect;. 764—778.
10.nbsp; Capitel: Präcautions-, diätetisches und therapeutisches Verfahren beim
Rotze. sect;. 779—795.
11.nbsp; Capitel: Was in polizeilicher und rechtlicher Beziehung beiderBotzkrank-
heit zu gelten hat. sect;. 796—823.
12.nbsp; Capitel: Uebertragung des Rotzcontagiums auf Menschen. sect;. 825—833.
IV. Anhang.
Fünfunddreissig Rotzkrankheitsfälle nach peactischen Beobachtungen und Untersuchungen, als Belege für die aufgestellten Theorieen. pag. 491—549.
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Einleitung.
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Es ist eine auffallende Erscheinung, dass in unserer sehreib-seeligen Zeit, wo neben der Feder rühmlicher Literaten der Gänsekiel ruhmsüchtiger Scribenten eifrig nach Lorbeeren jagt, so dass kaum noch ein nennenswerther Gegenstand in den Gebieten der Wissen­schaften , Künste, Industrie und Gewerbe unerörtert geblieben ist, das Feld der Thierheilkunde so kläglich, und zwar von Jahr zu Jahr spärlicher, bearbeitet wird. Das Unkraut, was jene lorbeersüchtigen Scribenten auf dem Boden thierärztlicher Literatur so im Uebermaasse cnltiviren, müssen wir natürlich hierbei ausser Acht lassen. Es giebt keine Wissenschaft die an innermWerth, an geistigem und materiellem Interesse, an Wichtigkeit in ihrem Endzweck, an lehrender Frucht­barkeit und Quellenreichthum, der Thierheilkunde den Rang streitig machen könnte, und obwol sie in dieser Beziehung jeder andern vollkommen ebenbürtig ist, so giebt es dennoch keine, auf der der Unstern des Geschicks mit so niederdrückender Wucht lastete, wie auf ihr. Sie ist es allein, die in der Gesetzgebung keine Vorbildung erfordert, die den Händen Unvorbereiteter und Unwissender zur Er­lernung und Anwendung überlassen, dem Geiste der Männer von anderm Fach zur weitern Ausbildung und Handhabung in staatlicher Beziehung und zur Vertretung bei der Gesetzgebung und Gesetzan­wendung überwiesen und jedem Laien und Obscuranten, welchem Stande, welcherBildungsstufeund welchem moralischen und sittlichen Standpnncte er auch angehöre, zur vollkommen gleichberechtigten, uneingeschränkten, staatlich geschützten Ausübung anheim gegeben ist, —sie ist die einzige aller Wissenschaften, ja aller Künste und Gewerbe, die der Staat verlassen, geopfert, verstossen hat, die, ver­waist, vergebens nach Anerkennung, nach Emancipation, nach Selbst­ständigkeit ringt. Es würde ein solches Verhältniss eine wenig ehrenhafte Gesinnung bekunden, wenn wir, als so noch betheiligt, nicht den Druck dieses Alps, der jeden Keim neu erwachenden Lebens der Thierheilkunde erstickt, in seiner ganzen Tiefe und Schwere
ErdI, Rotzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1
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empfänden. Kaum hat diese Wissenschaft die Stufe einer lebens-und productionskräftigen Jungfräulichkeit betreten und auf dieser schon manche herrliche Blüthe getrieben, so gebietet die eifersüchtig bevormundende, stiefmütterliche, unnatürliche Gesetzgebung den Stillstand, indem sie mit ihren Verordnungen die Quellen ihres Lebenssaftes verstopft. Was die Gesetzgebung seit 1812 in derThier-heilkunde Gutes und Nützliches gefördert hat, das haben spätere Ministerial-Verordnungen ihr wieder entzogen, und so hat das eine Rescript vom 31. März 1847, welches nicht nur die Pfuscherei in der Thierheilkunde in ihrem ganzen Unfange sanctionirt, sondern zu­gleich jeden einzelnen Pfuscher zum wirklichen Thierarzt macht, nicht nur die Thierheilkunde als auszuübende Kunst weit in das vorige Jahrhundert zurückgeschleudert, sondern dieselbe als Wissen­schaft, wie auch den ganzen thierärztlichen Stand als solchen, illu­sorisch gemacht. Fragen wir, welche Veranlassung diese Herabsetzung, diese tief empfundene Entwürdigung des Faches und des ihm ange-hörigen Standes bewirkt hat? so wissen wir darauf in der That nicht zu antworten.
Die Pfuscherei wird gepflegt und geschützt, ihre Repräsentanten geniessen noch Vorrechte vor den rationellen Thierärzten, da sie weder, gleich diesen, an eine Taxe gebunden, noch irgend einer Cont-role oder Verantwortlichkeit für ihre Handlungen unterworfen sind, noch einem mit nicht unbedeutenden Opfern an Geld, Zeit und Fleiss verbundenen Studium und Examen sich zu unterwerfen haben. Unter der Ueberwucherung eines so gepflegten und geschützten Unkrauts, muss jeder Keim des guten, Hoffnung gebenden Saamenkoms unter­drückt und zuletzt erstickt werden.
Wenn schon dafür gesorgt wird, dass der grössere Theil der auf der Thierarzneischule auszubildenden Aspiranten der ungebildeten, im Wesentlichen unwissenden Kategorie angehört, so dass die wenigen wissenschaftlich und rationell gebildeten Thierärzte durch diese ihnen gleich gestellten Rivalen, hinlänglich gedemüthigt sind und herab­gezogen werden, so muss die Liebe zur Wissenschaft und der Trieb zum rüstigen Fortschreiten auf der Bahn derselben erstickt, die Kraft und der Muth aber zu guten Werken und zum thätigen Wirken gebrochen werden, wenn sie in den geschützten und bevorrechteten Pfuschern alles Gesindel, Abdecker, Kutscher, Viehhirten, Schäfer, in ihren Fächern unfähige, durch Unsittlichkeit herabgekommene Ge­werbsleute jeder Art, Vagabonden und Verbrecher, als ebenbürtig und mindestens gleichberechtigt, sich gegenüber gestellt und demnächst mit Frechheit sich zur Seite gehen sehen, ihnen und ihren Familien durch Schwindeleien, Betrug und andere,.unwürdige Mittel das Brod entziehend. Dies Bewusstsein und das Gefühl, durch ein unge­schütztes Fach subsistiren zu müssen, im Staate nirgend von Fach-
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genossen vertreten, dagegen in jeder Beziehung von Männern aus andern Fächern überall überwacht zu werden, kann nur zu einer all­gemeinen Enttnuthigung führen, zumal wenn das Maass der Schmach so weit gefüllt wird, dass man den Grundsatz hinstellt: zur Aus­übung der Thierheilkunde ist eine Prüfung und Concession nicht er­forderlich , wol aber müssen Abdecker und Viehkastrirer gesetzlieh eine vorschriftsmässige Prüfung bestanden haben, bevor ihnen dilaquo; zur Ausübung ihres G-ewerbes erforderliche Concession ertheilt werden kann. — Wäre die Sache nicht zu ernst, man würde hierin den lächer­lichsten Hohn finden müssen, der nur den verletzen kann, von dem er ausgeht; wir finden darin nur ein gänzliches Verkennen des Stand-punctes der Wissenschaftlichkeit, Wichtigkeit und Tendenzen der Thierheilkunde. —
Nachdem wir dies vorangeschickt, dürfen wir nicht weiter nach der Beantwortung der Frage forschen, warum jetzt auf dem Gebiete wahrhaft wissenschaftlich thierärztlicher Literatur so wenig Gediegenes geleistet wird, warum in dem Verhältniss zu dem vielen Unkraut, welches jetzt auf diesem Felde wuchert, so selten ein reines Waizen-korn zum Gedeihen kommt? Wenn daher unter diesen Verhältnissen die Liebe zur Wissenschaft gänzlich erlischt, so darf sich Niemand wundern, befremden muss es vielmehr, dass dennoch zuweilen dre Glanz des Lichtes eines seltenen Sternes die Dunkelheit dieser Nacht durchbricht.
Wie überhaupt auf dem Gebiete der Wissenschaft in den letztern Jahren weniger geleistet worden ist, als sonst, da die Politik mehr wie je in dieser Zeit die Geisteskräfte absorbirt und beschäftigt hat, so wollen wir zugeben, dass die jetzige Unfruchtbarkeit in der thier-ärztlichen Literatur auch hierin ihren Antheil gefunden, jedenfalls aber ist diese Ursache nur sehr untergeordneter Natur und die wich­tigsten Momente liegen unzweifelhaft weit tiefer. Unter den gegen­wärtigen Verhältnissen giebt sich bei allen Thierärzten ein Missmuth, eine Niedergeschlagenheit und Verstimmung kund, die in ihnen jede lebendige Liebe, jede thätige Mitwirkung für die Fortbildung der Wissenschaff, jede Neigung zum Studium und Forschen auf dem Ge­biete derselben ertödtet. Es ist daher an Stelle des frühern so leben­digen wissenschaftlichen Strebens im Thierheilpersonal deutlich er­kennbar eine allgemeine Apathie und Gleichgültigkeit getreten und jeder sucht, so gut es nur geht, aus seinem Fache den möglichst grössten materiellen Vortheil sich zu verschaffen und, indem er ledig­lich hierfür sich abmüht, erreicht er es dennoch kaum, eine traurige Subsistenz zu fristen, so lange er gewissenhaft auf dem Wege der Rechtlichkeit bleibt. Wenige noch sind dem Streben nach eigener wissenschaftlicher Vervollkommnung und weiterer Ausbildung der Wissenschaft treu geblieben, aber auch sie erliegen nach und nach
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immer mehr dem moralischen Druck der Verhältnisse. Viele Thier-ärzte, deren Zahl stets im Zunehmen begriffen ist, verfallen der ge­wissenlosesten und unredlichsten Handlungsweise, und, indem sie auf diesem Wege nach Subsistenzmitteln ringen, ziehen sie sich, ihre Fachgenossen und das Fach selbst immer tiefer in den Sumpf allge­meiner Verachtung. Wir haben in neuester Zeit leider nur zu häufig Gelegenheit gehabt, diesen wahren fressenden Krebsschaden an der Thierheilkunde, der auch den Besten undMuthigsten entkräften muss, zu beobachten, und in der That muss Jeden hierüber eine wehmüthige Trauer erfüllen, um so mehr, als nur die Aussicht vorhanden ist, dass es sobald nicht besser, wol aber noch schlimmer werden dürfte. —
Die Wissenschaft, wenn sie als solche anerkannt und geachtet sein will, wenn sie als solche geliebt und gefördert sein soll, muss und darf nicht mit dem Gemein-Gewöhnlichen sich befassen, sie darf nicht entweiht und in den Schmutz der Trivialität hinabgezogen, sie darf nicht von jedem faden Obcuranten gemisshandelt, noch in seiner Sprache benutzt und angewendet werden, daher darf sie auch von solchen keine Nomenclatur annehmen, weil sie dadurch nur sich selber entwürdigt, sie muss vielmehr ihre eigene Terminologie sich bilden. Die Wissenschaft ist eine Frucht des reinen hehren Menschengeistes, aber zugleich auch eine Führerin desselben; darum steht sie erhaben hoch über der Sphäre des gewöhnlichen Naturmenschen, unerreichbar für diesen und nur dem Studium und dem Denken zugänglich, sie ist die Vermittlerin und das vereinigende Element zwischen dem gött­lichen und dem menschlichen Princip, denn sie allein lehrt uns das Dasein eines höheren Wesens, indem sie uns in die Geheimnisse und Wunder seiner Schöpfungen führt und zum Endzweck alles Forschens die endliche Erkennung jenes Wesens hat. Darum ist es eine Blas­phemie, die Wissenschaft der blasirten Dummheit und Unwissenheit Preis zu geben, die an dem Menschengeschlecht oft furchtbar sich rächt, und, so wie man Kindern scharf schneidende Instrumente, Gift und Feuer entzieht, sollte man die unwissenden Laien, der Pflicht gemäss, noch viel mehr an der Ausübung der Wissenschaften hindern. Dass es nützlich ja nothwendig war, erkannten unsere Vorfahren nur zu gut, darum gaben sie den Wissenschaften ihre eigene Sprache, um sie hierdurch vor jeder Gefahr der Entweihung, zugleich aber auch vor jedem Missbrauch durch die Unwissenheit zu schützen und sie dieser möglichst schwer zugänglich zu machen.
Die Thierheilkunde aber hat sich der Sprache der Wissenschaft bisher nur wenig befleissigt, in ihr ist die rohe uncultivirte Sprache, die Ausdrucksweise der Unwissenheit, noch herrschend; danach zu schliessen, hat sie sich noch nicht zu dem Thron der Wissenschaft emporgeschwungen und wird deshalb auch wol nicht von den andern Wissenschaften als ebenbürtig und legitim angesehen, und aus Conse-
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quenz müssen wir dies als richtig anerkennen, denn die Sprache ist ein wesentliches Barometer des Ciilturzustandes dessen, der sich ihrer bedient und wenn sie daher noch so uncultivirt auftritt, wie in der Thierheilkunde, muss man voraussetzen, dass diese selbst noch keine wissenschaftliche Stufe erstiegen hat, also noch eben so uncul­tivirt ist, als ihre Sprache. Auf die Stufe der Wissenschaft die Thier­heilkunde zu erheben, ist Aufgabe und Pflicht des Staates, es ist dies nur der Gesetzgebung möglich und diese liegt lediglich in der Gewalt des Staates.
Wir sind überzeugt, dass, wäre die Thierheilkunde nur bei jeder Provinzial-Regierung des Landes durch einen Repräsentanten vom Fache vertreten und dieser als Referent bei der Behörde angestellt, die Gesetzgebung würde bald eine ganz andere werden, viele Mini­sten alrescripte, die den thierärztlichen Stand herabdrücken, der Thier­heilkunde als Wissenschaft und als technischem Fache den Untergang bereiten, würden gewiss in entgegengesetztem Geiste abgefasst sein, denn wir glauben, dass die bisherige Gesetzgebung in der Thierheil­kunde und die Ministerialerlässe meistens auf die Aussprüche und Berichte der Provinzial-Regierungen gegründet worden sind und diese denselben zur Richtschnur und Grundlage gedient haben. So sehr wir nun aber die beste Ueberzeugung von der Weisheit, dem guten und reinen Geiste und der Gerechtigkeit aller unserer Landescollegien hegen, und so sehr diese Ueberzeugung mit unserm innersten Be wusst-sein auf das festeste verwachsen ist; so vollkommen wir von der Ge­wissenhaftigkeit und Ehrenhaftigkeit der Referenten der Thierheilkunde bei allen jenen Collegien durchdrungen sind, so kommen wir dennoch immer darauf zurück, dass es nicht Männer von unserm, sondern von einem ganz andern Fache sind, die über uns und unsere Fachange­legenheiten referiren, ohne unser Wissen und unsere Ueberzeugungen zu theilen und zu adoptiren, viel mehr an die Verhältnisse derThier heilkunde lediglich den Maassstab ihrer eigenen aus keinen genügen­den Fachkenntnissen hervorgegangenen Ansichten legen. Der Schmerz, die Trauer, die in der Tiefe des Herzens wurzöln, brechen endlich durch, und die schwer gedrückte Brust sucht sich Erleichterung zu schaffen, wo nur Gelegenheit sich darbietet. Es mag dies als ein solcher Gefühlsdurchbrueh angesehen werden, den Jahre lange Schmach, Jahre langer Druck der Verhältnisse, mit Geduld getragenes Unrecht und aufgehäufte Unbilden, hervorgerufen haben. Wir hoffen darum aber Verzeihung, wenn wir hier von dem eigentlichen uns vorge­steckten Ziele etwas abgewichen und auf ein anderes Gebiet, leider das unerfreulichste und widerlichste unseres Verhältnisses und Stand-punctes, etwas weiter hinüber geschweift sind.
Wir selbst sind von dem allgemeinen Misere der Thierärite zwar stark inficirt, aber keineswegs besiegt und beherrscht, unsere moralische
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Kraft ist noch nicht vollständig gebrochen, unser Muth noch nicht ganz überwunden, uns schimmert noch, wenn auch matt, am bewölkten Ho­rizonte das Licht der edeln Sterne des Vertrauens und der Hoffnung. An das endliche Durchdringen der Erkenntniss der Wahrheit, auf die sich unser Vertrauen stützt, an den endlichen Sieg der guten Sache, lehnt sich unsere Hoffnung; wir glauben daher fest, wenngleich wir für unsere persönlichen Verhältnisse aus der Erfüllung unserer Wünsche und Hoffnungen keine Erwartungen mehr nähren dürfen, denn dafür haben bereits die Jahre und die Verhältnisse (die Sorgen) hinreichend gewirkt. Die uns erfüllende Zuversicht gilt lediglich unserem Fache dem wir dienen, sie gilt der Ehre und den Interessen unseres Standes. Demgemäss haben wir auch auf dem Felde unserer Wissenschaft bisher ununterbrochen zu wirken, zu sammeln und zu bauen gesucht, und so ist auch diese Frucht, die wir hier niederlegen, zwar gereift unter den schwierigsten Verhältnissen und Kämpfen, das Resultat jahrelangen Sammeins und Bauens. Niemand wird aber an diesen Bau einen zu grossen Maassstab zu legen haben, denn es kann der Ausführung des­selben nichts weiter zu Gute kommen , als was die Beschränkung der Verhältnisse, der Zeit und Mittel zulassen. Ohne Versuche und Untersuchungen wird es keinem Sterblichen vergönnt, hinter den Schleier der Natur, den sie über ihr stilles Wirken ausbreitet, zusehen und hier ihr Schaffen zu belauschen; Versuche und Untersuchungen erfordern aber vor allen Dingen Zeit, die wir zur Beschaffung unsers Lebensunterhaltes nothwendig gebraucht haben ; sie erfordern weiter Oelegenheit und Localien, deren letztere uns fehlen, wenn erstere auch tausendfach uns gegeben war; sie erfordern aber endlich auch Versuchsindividuen, Apparate und Instrumente, die wir nicht besitzen, und zu deren Anschaffung uns die nothwendigsten Geldmittel fehlen ; wir besitzen nicht einmal das Nothwendigste, ein Mikroskop. — Diese Umstände werden unsern Anspruch auf die nachsichtigste Critik, deren wir so sehr bedürfen rechtfertigen und in Erfüllung gehen lassen, sie werden jedem unbefangenen Urtheile den Maassstab anweisen, den es diesem Opus anzulegen hat, sie werden die Erwar­tungen niederhalten und nichts Ausserordentliches und Ungewöhnliches hoffen lassen. Auf Eins nur machen wir Anspruch und dies ist nicht Originalität, sondern Selbstständigkeit, der Standpunct auf eigenen Füssen, die Befreiung von allem Autoritätenzwang. Die meisten Thier-iirzte schreiben für Geld, ihre Praxis ist versumpft, sie suchen ihre Existenz aus der Schriftstellerei zu fristen, sie beugen sich unter dem Autoritätenzwang, und indem sie nichts gelernt und wenig verlernt haben, schreiben sie ab, oder compiliren, wiederkäuen das schon oft Wiederkäute und geben dem alten faulen quot;Kern höchstens eine neue, viel versprechende Schaale und setzen dem unter derselben befind­lichen alten zerrissenen Kleide einen Flicken über den andern auf.''
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Die buchhändlerisehe Speculation, dies ist das Einzige, was man dabeinbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 4
zu bewundern hat, lässt sich stets von Neuem verleiten, solch Unzeugnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ;|
in Verlag zu nehmen, und auf den Geldbeutel der Leser speculirend,
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ihre Repositorien mehr und mehr mit Maculatnr zu füllen. Die Werke
sind für alle Stände geschrieben, pomphafte, marktschreierische Titelnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;I
und Ankündigungen gehen ihnen vorauf, man hofft etwas Neues,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ^Ji
etwas wissenschaftlich Gediegenes, Interessantes zu finden und trägtnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; f
seinen abgedarbten Pfennig dem Buchhändler hin. Man liest und
liest nur schon oft Gelesenes und, wirft man die Makulatur nicht ver-
drüsslich in den Papierkorb, so schmückt die Eitelkeit einstweilen
den Bücherschrank mit dem Einbände, bis auch ihn hier das Loos
alles Irdischen, der Würmerfrass und Schimmel, erreicht.
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Eitle Ruhmsucht nach einem Namen, den er nicht verdient, hat
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ebenfalls manchen thierärztlichen Abschreiber geschaffen. Uns hat
stets die Furcht vor solcher Critik, solchem Schicksal unserer Fleisses-früchte, solchem Ruhme gefesselt. Stets konnten wir unsern eigenen
Anforderungen nicht-genügen, stets fanden wir uns zu schwach der
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Aufgabe gegenüber, die wir uns selber gestellt hatten und deshalbnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;l
legten wir schon vor 20 Jahren, wo wir diesen Gegenstand zu be­arbeiten anfingen, und vor 8 Jahren wieder, nachdem wir dies ge-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1 v schrieben hatten, die Feder bei Seite, hoffend, dass ein Besserer undnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;^ Geschickteren, sich dieses Gegenstandes annehmend, die Wissenschaft mit den Früchten gediegenen Fortschritts, auf diesem unbekannten mit Unkraut überwucherten Felde der Thierarzneikunde, welches wir zum Gegenstande unseres Forschens gemacht haben, bereichern, dass er uns die Resultate neuer Untersuchungen, Beobachtungen und Er­fahrungen bringen werde, gerne bereit, ihm die Priorität einzuräu­men. Aber vergebens, wir stehen heute mit der Sache auf dem Ge­biete der Literatur noch auf dem Standpuncte vor 20 Jahren und früher.
Nachdem ich fünf Jahre lang im Regierungsbezirk Bromberg die reichste und mannigfaltigste Gelegenheit gehabt hatte, reiche, für mich sehr kostspielige. Versuche mit den Drüsenkrankheiten der Pferde zu
machen, nachdem sich bei mir die Ansichten über dies Gebiet der
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Thierheilkunde gebildet und festgesetzt hatten, machte ich im Jahre 1834 in Berlin Impfversuche der Scrophelkrankheiten des Menschennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i
auf Pferde für Staatskosten, um den Beweis der Identität derselben mit allen Formen der Drüsenkrankheiten der Pferde zu liefern, zudem
Zweck, dieselben später zu veröffentlichen und zum Gemeingut zunbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i,
machen. So überraschend und überzeugend meine Versuche auchnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;'
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durch die Erfolge gekrönt wurden, so bin ich bis jetzt immernoch
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nicht zur Veröffentlichung gelangt. Einerseits hat es mir stets an Zeit
frefehlt; andererseits schlössen sich daran vielfache andere Ideen undnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;, lt; •
Gedanken, für die die Reihe meiner Beobachtungen und Erfahrungen
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mir lange nicht genügten, und etwas Nutzloses, ein Bruchstück, wollte ich nicht liefern ; dem Ganzen fühlte ich mich nicht gewachsen, ich hatte nicht denMuth, an ein Werk zu gehen, für das meine Kräfte nicht ausreichten. So entsank mir immer wieder die Feder, so oft ich sie ansetzte, hoffend, dass ein Anderer, Fähigerer mir zuvorkommen werde. Diese Hoffnung war bis jetzt vergebens; ich fühle es, mein Lebensabend bricht an, und, will ich mein Haus bestellen, so ist es Zeit, auf Andere darf ich nicht mehr rechnen. Niemand soll sein Licht unter den Scheffel stellen, und kann man ein Licht nicht leuch­ten lassen, so soll man es wenigstens anfachen, anregen. Dies will ich hiermit auch thun und sollte ich auch alle bisherigen Autoritäten dabei übergehen. Eine neue Wahrheit hat immer etwas Missliches, sobald sie ans Licht tritt, seit Pythagoras nach Entdeckung seines be­kannten Lehrsatzes den Göttern eine Hekatombe opferte. Ich muss mir jetzt die Zeit nehmen, da es noch Zeit ist, überdem habe ich seit 20 Jahren wieder so viel und mannigfach Gelegenheit gehabt, Beob­achtungen und Erfahrungen zu sammeln, so dass sich Material auf Material gehäuft hat, und es mich mächtig anreizt, dieses erdrückende Gewicht von mir zu wälzen. Falle nun die Sache aus wie sie wolle, ich hoffe, man wird mich gütig und nachsichtig beurtheilen und nicht als Anmaassung das erkennen, was mir das Interesse für die Wissen­schaft abgerungen hat.
Die Gruppe der lymphatischen und Drüsenkrankheiten des Pferde­geschlechtes, die wir mit den Scrophelkrankheiten des Menschen in gewissen Beziehungen für identisch erkennen, und die mit diesen ähn­lichen Krankheiten, mit denen sie leicht verwechselt werden können, oder die man bisher mit ihnen für analog oder gar identisch angesehen und unter einen Hut gebracht hat, ist der Gegenstand unserer Be­arbeitung, und es ist die Hauptaufgabe derselben, diese Identität mit den in der Thierheilkunde unter den Trivialnamen bekannten Krank­heitsformen, der Pferde, als Kropf, Druse, Steindruse, verdächtige Druse, bösartige Druse, herumirrende oder herumschweifende Druse, Rotz, Wurm etc. nachzuweisen, was durch unsere im Jahre 1834 auf der Thierarzneischule in Berlin gemachten Impfversuche theil-weise gelungen zu sein scheint. Demnach versuchen wir nachzu­weisen, dass alle jene Formen der Pferdekrankheiten auf eine Grund­krankheit zurückzuführen sind und im Wesentlichen nurModificationen derselben bilden. Hiermit würden wir der Natur, dem Wesen dieser Krankheiten um einen bedeutenden Schritt näher gerückt sein und somit die Heilung derselben, sobald sie erkannt sind, weniger Schwie­rigkeit machen, und ich behaupte, obwol ich sehe, wie man, hohn­lachend, spottend oder verdutzt erschrickt, dass wir die Krankheiten, und wenn sie auch Rotz, oder sonst wie genannt werden, in allen ihren Formen und Stadien meistens heilen müssen und können. —
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Dies Letztere würde unbedingt der wichtigste, schwierigste und reellste Theil unserer Arbeit sein, wenn wir mit demselben erst im Reinen wären, wenn die Versuche, die wir zu machen gedächten, unsere Verhältnisse gestatten möchten und wir dieselben bereits ab­geschlossen hätten. So aber bietet sieh uns keine Aussicht dazu. Sollten wir indess die Gelegenheit einmal finden, so hoffen wir, was die Heilung der qu. Krankheiten anbetrifft, zu dieser Arbeit, insofern unser Zweck erreichr. wird, noch einen Nachtrag liefern zu können, der eventuell derselben sich anschliessen wird. Wir dürfen indess ver­sichern, dass wir bereits viele anerkannt an Rotz und Wurm leidende Pferde geheilt haben. Wir hoffen, unsere Anstrengungen, Bemühungen und Opfer werden diejenige Anerkennung finden, die sie mit Recht beanspruchen können, denn von der grossen Wichtigkeit des Gegen­standes, wie von den weittragenden, realen, wohlthätigen Folgen für Staat und Volk, glauben wir, ist jeder Sachkenner vollkommen durch­drungen. Wir werden uns für diese Arbeit vollständig belohnt finden, wenn es uns gelingen möchte, dadurch, dasswirin das Chaos, in welchem diese Materie noch ruht, einiges Licht und einige Ordnung gebracht haben, und wir damit zu neuen Ideen, neuen Gedanken, zu Forschungen und Versuchen auf diesem Gebiete der Thierheilkunde anregen, welche nothwendig mit der Zeit zu nützlichen praktischen Vortheilen ausschlagen müssen, und schon scheint es uns von wesent­lich practischem Werthe, wenn es gelungen ist, all die verschiedenen Formen der Drüsenkrankheiten der Pferde in ein nosologisches System zu bringen. Wir wiederholen nochmals, dass wir dieser Aufgabe uns nicht vollständig gewachsen glauben, doch da es Niemand uns zuvorgethan, so thue man es uns nach und vollende den Bau, den wir begonnen.
Die Impfversuche, die wir in Berlin machten, hafteten bei Pferden meistentheils und riefen diejenigen Resultate hervor, die wir ver-mutheten und voraussetzten; d. h. die Scropheln des Menschen hafte­ten auf den geimpften Pferden in solcher Weise , dass sie wiederum die Scropheln in der bösartigsten Form , die man Rotz nennt, also die Ozaena scrofulosa, hervorriefen. Bei Eseln hafteten die Impfver­suche des Impfstoffs von Menschen, direct übertragen, nicht; wol aber haftete bei Eseln der Impfstoff, den man von solchen Pferden, bei denen durch den Scropheleiter vom Menschen die Ozaena erzeugt war, entnahm, und erzeugte auch bei diesen Thieren die Ozaena scrofulosa, vulgo Rotz. Die Thiere, bei denen die Impfung gelungen war, wur­den getödtet und zur nähern Information in der Zootomie der Thier-arzneischule secirt. Mehrere derartige. Sectionen fanden im Beisein des Professors der Anatomie des jetzigen Geheimen Ober-Medic.-Raths und Directors der Thierarzneischule Dr. Gurlt statt, der sich von dem vollkommtnenen Vorhandensein der Krankheit überzeugte.
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Im Allgemeinen haftete die Impfung schwer, war der Verlauf ein langsamer, schleichender, traten die Symtome gelinde und in keiner grossen Ausdehnung auf. Nicht bei allen Thieren haftete die Impfung gleichmässig, manche Impfungen hafteten gar nicht. Dies hatte zum Theil seinen Grund in der grösseren oder geringeren Dis­position der Impflinge, zum Theil in dem Impfstoffe selbst, denn, obwol mir der damalige Staabsarzt der Charite, Herr Dr. Leinweber, mit der grössten Bereitwilligkeit und Unterstützung entgegenkam, mir selber auf der Scrophelstation die Patienten aussuchen und bestimmen half, von denen ich den Scropheleiter zu entnehmen hatte, so waren doch eines Theils die Scropheln nicht immer rein, sondern vielfach complicirt, mit andern Krankheiten verbunden etc., andern Theils hatten die Scropheln nicht immer das Stadium der Reife erreicht, wo man sie schon als contagiös hätte ansehen können.
Im Allgemeinen dürfen wir, wie die Erfahrung lehrt, den Satz als erwiesen ansehen, dass bei allen Uebertragungen von Krankheits­stoffen der Erfolg, die Wirkung, sich stets nach dem Verhältniss der Organisation und namentlich dem Verhältniss der nervösen Thätigkeit und Reizbarkeit, also der Receptions-, Reactions- und Reproductions-lahigkeit desjenigen Individuums, von welchem der Impfstoff entnom­men wird, zu dem, auf das er übertragen wird, richtet. Es wird dem-gemäss die Uebertragung eines Ansteckungsstoffes von einem edleren Individuum, von feinerer Organisation, mitthätigerem und reizbarerem Nervensystem, auf ein anderes, von entgegengesetzter Qualität, schwie­riger haften, die Krankheit wird sich langsamer nnd unvollkommener entwickeln, sie wird langsamer, weniger rapid verlaufen und nicht von so allgemeinem, den ganzen Lebensprocess in Anspruch nehmen­den Umfange sein. Dieser Satz ist natürlich nur als Regel hinzu­stellen, und die Ausnahmen, die sich finden, sind selten und beziehen sich in der Regel auf einzelne bestimmte Krankheitsformen, die jeder­zeit bestimmte Dispositionen voraussetzen.
Es ist gar nicht in Frage zu stellen, dass, wenn wir es auch mit ein und derselben Krankheitsgruppe, wie hier mit den Scropheln, ja wenn wir es selbst mit ein und derselben Krankheitsspecies, wie mit der Ozaena scrophulosa, ja selbst wenn wir es mit ein und derselben Form einer Krankheit zu thun haben, doch immer die Krankheit, je nach dem Individuum, in Nebendingen, in Eigenschaften etc. abweicht, Das Product der Krankheiten , bei ansteckenden das Contagium , ist je nach den Individuen von verschiedener Beschaffenheit, von ver­schiedenen Eigenschaften, namentlich in Beziehung auf seine Repro-ductionskraft bei Uebertragung auf andere Individuen. Es verhält sich dies hier wie der Boden zu denFrüchten und wie die Früchte zu dem Boden. Wem wäre es nicht bekannt, dass der Saame auf dem einen Boden schnell und üppig keimt, grosse, reife und wohlschmeckende
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Früchte in üppiger Fülle trägt, während er auf anderem Boden nicht einmal keimt, geschweige denn Früchte bringt und zwischen diesen beiden Extremen finden sich die tausenderlei Abstufungen und Va­rietäten.
Wenn wir diese Beobachtungen und Erfahrungen schon in Be­treff der Verschiedenheit der Individuen ein und derselben Species gemacht haben, so müssen jene Differenzen noch in ungleich höherem Maasse auftreten zwischen Individuen von verschiedenen Familien, am meisten aber zwischen solchen von ganz verschiedenen Gattungen. Der Mensch, der unter den Gebilden der Natur die höchste , edelste Organisation repräsentirt, der unstreitig das am vollkommsten aus­gebildete Nervensystem, mithin die grösste ßeizempfänglichkeit, Receptivität und die prägnanteste Reprodnctionsfähigkeit besitzt, der nicht nur für sich eine eigene bestimmte Species, eine selbstständige Familie und Gattung darstellt, ist unbedingt unter allen Organisatio­nen am empfanglichsten für alle Krankheitsstoffe, namentlich aber für die contagiösen. Daher dürfen wir uns nicht wundern , wenn die meisten in Thieren erzeugten Contagien überhaupt auf dem Menschen haften, für die der Mensch eine Reizempfänglichkeit, eine Receptivität besitzt, und zu deren Krankheitszuständeri seine Organisation in einem verwandtschaftlichen Verhältniss steht. Hierhin gehören unter Andern vorzüglich die Drüsenkrankheiten der Pferde in ihrer höchsten Poten-zirung als Rotz, Wurm etc.; die Mauke, die Kuhpocken, der Milz­brand, die Teigmähler der Rinder, die Tollwuth u. a. — Alle diese Krankheiten haften beim Mensehen, mit dessen Säften in Berührung gebracht, sicher, schnell, erzeugen die heftigsten Reactionen vom grössten Umfange mit dem rapidesten Verlauf etc. ; kurz sie erzeugen beim Mensehen jedesmal ein Krankheitsbild, das von viel umfang­reicheren und heftigeren Symptomen begleitet ist, als dies bei den Thieren der Fall ist, in denen jener Ansteckungsstoff seinen Ursprung genommen hat. Je tiefer aber die Natur des Thieres steht, je roher die Organisation desselben ist, in dem das Contagium sich entwickelt hat, je sicherer haftet es auf den Menschen und je umfangreicher und gefährlicher ist seine Wirkung; so wirkt z. B. das Rotzcontagium vom Esel weit heftiger und sicherer auf den Menschen als das vom Pferde etc.
Nun findet aber auch das umgekehrte Verhältniss statt, die Con­tagien, erzeugt in höhern edleren Organisationen, auf niedere über­tragen, wirken stets milder, je weiter sie in ihrem Organisationstypus von jenen sich entfernen, bis sie zuletzt so milde werden, dass ihre Wirkung gleich 0 ist. Darin liegt die Erklärung, warum der bösartigste Scropheleiter vom Menschen bei Pferden den sogenannten Rotz er­zeugte, während er bei Eseln sich ganz indifferent erwies, denn offen­bar steht der Esel ungleich tiefer in seiner Organisation, namentlich was die Ausbildung und Reizempfänglichkeit des Nervensystems
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anbetrifft, als das Pferd. Eine durchgreifende Basis und Consequenz lasst sich allerdings für diese Beobachtung und Thatsache nicht auf­finden und feststellen, soviel ist im Allgemeinen aber unzweifelhaft, dass die Wirksamkeit der Contagien von der höheren Organisations­stufe nach der niedern progressiv ab- und umgekehrt, von derniedern zur höheren stufenweise zunimmt. Die mannigfachen Verhältnisse, Zustände und Nebeneinflüsse greifen natürlich störend und modifi-cirend in diese Regel ein, und wir dürfen nicht in Abrede stellen, dass Klima , Lebensweise , Temperatur, moralische Einflüsse etc. hierbei eine nicht unwesentliche Rolle spielen.
Noch finde ich mich veranlasst, hier ein Thema zu berühren, welchem ich ungerne und mit Schmerz Ausdruck und Worte verleihe; ich bin es indess der Sache, dem Stande, dem ich angehöre und der Gesetzgebung, die ich anklagte, schuldig.
Wir schreien über die geringe Anerkennung unsers Standes, und unserer Wissenschaft, wir beklagen uns über die Nichtachtung, die Beide erfahren, ohne dass wir anerkennen, welchen Theil der Schuld wir selber tragen und ohne dass wir bemüht sind, denselben zu sühnen. Es ist die Thierheilkunde hin und wieder von recht tüchtigen, wissenschaftlich durchgebildeten Männern cultivirt und geflegt worden, aber es ist noch Niemandem gelungen, um nur Eines hervorzuheben, die Abstellung der in der That widerlich klingenden und nichts sagenden , ja oft irreleitenden , aus einzelnen Symptomen entlehnten, von der rohesten Unwissenheit und dem Aberglauben dictirten, oft anstössigen Benennungen der einzelnen Krankheiten, wie Rotz, Wurm, Hiihnerarsch, Ritzigkeit, gelber Schelm, Milzbrand, Löserdürre etc. abzustellen. Diese aus alter finsterer Zeit zu uns übertragenen Abdecker-, Schäfer- nnd Hirtenerfindungen gehören leider heute noch zum Sprachgebrauch unserer Wissenschaft und Ge­setzgebung.
Der rohe, verächtliche und ingnorante Pfuscher, welcher sich mit Pferdecuren befasst, nennt seine Krankheiten Kropf, Rotz etc., kann darüber weise und bestimmt sprechen, stellt mit der grössten Leichtigkeit die Prognose und in der Regel günstig, und hat seine stereotypen Mittel dagegen. Der rationelle Thierarzt beschäftigt sich auch mit Pferdecuren und nennt die Krankheiten, die er behandelt, ebenfalls Kropf und Rotz, wie jener Pfuscher. Er spricht jedenfalls besser darüber als dieser, aber für das ungebildete Publicum nicht so verständlich , nicht so sicher, nicht so zuversichtich, er schüttelt bei der Prognose bedächtig den Kopf oder stellt sie ungünstig; er heilt die Krankheit auch besser und sicherer als der Pfuscher, nur nicht so mysteriös und geheimnissvoll, oft viel einfacher. Das Pub­licum begreift aber die Handlung des Thierarztes nicht so, wie die des Pfuschers. Wenn daher der rationelle Thierarzt bei dem grössten
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Theil des Publikums es erreicht, dass er in dessen Augen mit dem Pfuscher auf gleiche Stufe gestellt wird, wobei seine Wissenschaft aber nicht als solche Anerkennung findet, sondern als Empirie, als Handwerk angesehen wird, so hat er viel erreicht. Traurig, aber leider wahr ist es, dass der Thierarzt selbst in der Gesetzgebung*) mit dem rohen Obscuranten auf gleiche Stufe gestellt ist. Jeder Be­reiter, Stallmeister und Cavallerieofficier stellt sich in thierärztlichem Wissen höher als den Thierarzt, denn auch er weiss ja was Kropf, was Rotz ist etc. Wenn der Name sonst nichts zur Sache thut, hier thut er viel, und viel Unheil hat die thierfirztliehe Terminologie der Thierkrankheiten schon angerichtet, man darf nur an die Namen Loserdürre, Wasserscheu, und Milzbrand denken, wie oft haben diese Namen zum Verkennen der Krankheiten geführt.
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•) Namentlich Preussens.
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1. Abtheilung.
Historische Nachrichten und Literatur über die lym­phatisch-katarrhalischen und gastrischen Krankheiten, Rotz und Würmer dejä Pferdes*).
1. Capitel: Aeltere Periode.
sect;• 1-
Die Nachrichten, welche wir üher die Scrophelkrankheiten der Einhufer, die Drüsenkrankheiten derselben haben, reichen höchstens bis gegen 500 Jahre vor Chr. zurück und verlieren sich dieselben in jener Zeit in dunkle, höchst unbestimmte, dürftige Mittheilungen. Es sind fast nur griechische Schriftsteller, die uns aus jener Zeit etwas über Thierkrankheiten überhaupt mittheilen und zwar beweisen uns diese Nachrichten, dass die Thierheilkunde damals sich in den Anfängen ihrer Geburt befand. Schriftsteller, die sich mit dem Naturstudium und der Arzneikunde beschäftigten, sind es haupt­sächlich, von denen wir jene schwachen Ueberlieferungen besitzen, aber auch von einigen sogenannten Thierärzten, von Historikern und selbst Dichtern finden wir einzelne Mittheilungen. Daher finden wir auch nur solche Krankheiten erwähnt, die sehr häufig auftraten, oder durch ungewöhnliche äussere Erscheinungen, oder grössere Verheerungen sich auszeichneten und die Aufmerksamkeit der Be­obachter fesselten. Oft lassen uns jene Nachrichten darüber in Zweifel, welche Krankheit eigentlich gemeint worden ist, weil sie sich immer nur auf einzelne in die Augen fallende Symptome oder
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*) Es kann nicht in unserer Absicht liegen, hier eine vollständige Geschichte und Literatur der Drüsenkrankheiten der Einhufer geben zu wollen, da wir darauf Bedacht zu nehmen haben, das Volumen dieser Schrift soviel als möglich einzuschränken. Es würde solches nur zu unnöthigen und uninteressanten Weit­läufigkeiten führen, daher wir hierin nur so weit gehen, als es für unsern Zweck nothwendig erscheint.
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Produete von Krankheitsformen und deren Modificationen bezieben, ohne die Krankheitsfamilie uns vorzuführen und auf deren Wesen und Character einzugehen. Man kann daher nur selten zu einem richtigen Sehluss gelangen und weiss daher denn auch in der Regel nicht, welcher Gi-undkrankbeit und welcher Krankheitsgruppe man jene Form beigesellen soll.
sect;• 2.
Von dieser Methode der Beobachtung und Beschreibung haben die Schriftsteller in der Tierheilkunde, selbst bis in die neuere Zeit hinein, grossentheils sich leiten lassen, weil die wenigsten auf eigenen Fassen standen und aus eigenen Beobachtungen und Er­fahrungen schrieben, weil die meisten das bereits Gegebene nur wiedergaben d. h. von andern, altern abschrieben, und ihnen das, worüber sie schreiben wollten, nicht klar geworden war. Erst in neuester Zeit hat man angefangen, dem entgegengesetzten mehr wissenschaftlich begründeten Systeme Eingang und Geltung zu ver­schaffen, und diese Methode ist zunächst vorzugsweise von Frankreich ausgegangen und angeregt worden. Es hat dies allerdings mehr Schwierigkeiten, jedoch ist es allein wissenschaftlich, wenn man bei auftretenden Krankheitsformen, von der Protopathie ausgeht, aus dieser die Form ableitet, oder sie auf dieselbe zurückführt, und dem gefundenen Grundleiden gemäss oder doch mit besonderer Berück­sichtigung desselben, das therapeutische Verfahren beobachtet.
sect;. 3.
Hippokrates, der Vater der Arzneikunde, 450 v. Chr., kannte schon die Drüsenkrankheiten der Pferde und, wie es scheint, die schlimmsten Formen derselben, denn er spricht von sehr ansteckenden Krankheiten und empfiehlt selbst die Absonderung der kranken Pferde von den gesunden. Hiernach müssen wir annehmen, dass er schon die schlimmste Form der Drüsenkrankheiten der Pferde, die Ozaena scrofulosa, nnsern sogenannten Rotz, gekannt hat, und zu bewundern ist es und ein Zeugniss für seinen richtigen und scharfen Beobachtungsgeist, dass er damals schon die Contagiosität jener Krankheit richtig erkannt, mithin sie besser, als mehr denn 2000 Jahre später lebende, vielfach berühmte und gerühmte Schriftsteller gekannt hat. Er scheint über die Haupteigensehaft jener Krankheit schon im Klaren gewesen zu sein, die den Fachgelehrten bis auf die neueste Zeit herab noch Problem war und die unter diesen zu un­endlich vielen Controversen Veranlassung gegeben hat. Es giebt uns dies wiederum den Beweis, dass der. einfach schlichte Menschen­verstand der gesunden Natur in vielen Dingen klarer, tiefer und weiter sieht, als die ausgedehnteste, sich blähende, oft blasirte.
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Fachgelehrsamkeit, die, wie auch in diesen Falle, öfter zu vielem Unheil geführt hat, zumal #9632;wenn sie sich, wie dies so oft geschehen, von Dünkel und Eigensinn leiten Hess. Xenophon, der um einige Jahre später lebte, hat so speciell und wissenschaftlich von Pferde­krankheiten nicht gehandelt. Obwohl er solche kennt, da er von vielen derselben spricht, so geht er doch nicht speciell auf die Drüsen­krankheiten und deren Natur ein. Die Druse erwähnt er gar nicht.
sect;• 4.
Wichtiger für uns sind schon die Nachrichten des Aristoteles, der etwa 380 v. Chr. lebte. Er ist der erste bekannte Schriftsteller, der sich über die Druse der Pferde auslässt. Er sagt z. B., dass die Pferde, welche truppen weise in den Wäldern leben, von der Druse frei sind. Es ist dies der erste und wichtige Fingerzeig, der uns zu der Annahme führt, welcher viele spätere Schriftsteller beigetreten sind, dass die Druse etc. hauptsächlich vom Körnerfutter und der Stallluft entstehe, und dass sie sich bei Pferden, die mehr nach natur-gemässen Verhältnissen, d. h. die mehr im Freien leben und mit Gras, Heu etc. genährt werden, nicht findet. Er spricht ferner von einer Krankheitsform der Einhufer, die er ßrjXit;, nennt und meint, sie sei dem Esel eigenthümlich, komme aber auch bei Pferden vor. Wir wissen nicht gewiss, ob er mit jener Bezeichung unsere Drüsenkrank­heiten der Einhufer überhaupt meint, oder blos die einzelne Form, die wir unter der Benennung Rotz kennen. Wahrscheinlicher ist das Letztere, und mag er diese und ihr sehr nahe stehende , ähnliche Formen damit meinen , was wir daraus schliessen müssen, dass er von einem zähen, weisslichen, übelriechenden Ausfluss aus der Nase und Thränenfliessen spricht, welche Krankheit unheilbar sei, wenn jener Ausfluss jauchenartig werde. Es ist also hiernach nicht nur die schlimmste Form der scrophulösen Ozaena, vielmehr auch eine bei weitem mildere Form , die allenfalls in jene ausarten kann, ver­standen.
sect;• 5.
Die Griechen haben in ihrer bilderreichen Sprache die Drüsen-lirankheiten des Menschen in kindlich einfacher Weise der Beob­achtung mit Eigenthümlichkeiten des Schweines verglichen, und, ent­weder weil auch die Schweine häufiger an Drüsengeschwülsten des Halses leiden, oder weil die Drüsenkrankheiten von viölen ekelhaften schmutzigen Zufällen begleitet sind, und man das Schwein in älterer Zeit sich immer als das ekelhafteste und schmutzigste Thier dachte, oder weil scrophulöse Menschen, besonders mit Drüsenanschwellungen behaftete Kinder, in der Regel eine heisere grunzende Stimme haben, nannte man die Krankheit xotQcxg (Choiras, Choeras) von o xoiqccc.
Erdt, Rolzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2
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das Schwein (eigentlich: junges Schwein Ferkel). Wenn nun Aristoteles die Drüsenkrankheiten der Einhufer fxrjXig nennt und darunter die Rotzkrankheit versteht, so hat er wohl auch keine Ah­nung davon gehabt, dass /Jiji-ig mit ^olt;pa?, die Drüsenkrankheiten der Einhufer mit dem Scropheln des Menschen, die auffallendste Analogie haben, und der Rotz nur eine Forraspecies derselben ist. Später wurden die Drüsenkrankheiten des Menschen Scrophulae, Scrophelkrankheiten, von Scropha: das Sauschwein, Mutterschwein, genannt.
sect;• 6. Viele andere Griechen ausser Aristoteles, namentlich sogenannte Rossärzte, Historiker und Dichter haben der Pferdekrankheiten ge­dacht und besonders die fiqkig zum Gegenstande ihrer Bearbeitung gemacht, und darum ist es schwierig, ein Ganzes der Geschichte dieser Krankheit zu geben. Sie behaupten zum Theil, die Pferde bekämen nur darum die Krankheit, weil sie keine Gallenblase haben, daher sich die Galle mit dem Blute der längs der Wirbelsäule verlaufenden Arterien vermische, von da aus in das Rückenmark und Gehirn dringe und hier die Krankheit erzeuge. Sie suchen den Sitz der Krankheit also im Gehirn. Dies ist z. B. vom Absyrtus bekannt, welcher sich den hippokratischen Ansichten, die Krankheit ebenfalls für contagiös haltend, anschliesst und zu ihrer Heilung das Mark der Coloquinthen als wirksam empfiehlt.
sect;• 7. Wie die griechischen, so haben auch die römischen Schrift­steller und später noch diejenigen aller Nationen, immer nur die einzelnen Formen der Scropheln der Einhufer und von diesen die höchst bösartigste Form, den sogenannten Rotz , bearbeitet und be­schrieben. Unter den Römern finden wir zuerst etwas ausführlicher die Thierkrankheiten von P. Vegetius, genannt der Veterinarius, 380 nach Chr., in seinem Werke. „Mulomedicina s. de arte veteri-nariaquot; , abgehandelt. Obwol dieser Schriftsteller 700—800 Jahre später als Aristoteles lebte, so sind dennoch seine Ansichten über die Pferdekrankheiten um nichts klarer und wissenschaftlicher.
sect;• 8. Was uns V. über die Drüsenkrankheiten der Einhufer zum Besten giebt,'bezieht sich wieder hauptsächlich auf die schlimmsten und diesen nahe kommenden Formen, den sogenannten Rotz und diesem ähnliche Zustände, ohne dass wir in der Beschreibung eine bestimmte und entschiedene Angabe der.charaeteristischen Symptome und bestimmte Trennungen und Merkmale der Formen und Stadien der Krankheit aufzufinden im Stande wären. Dass die altern Schrift-
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steller immer hauptsächlich jenen Krankheitszustand im Auge gehabtnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,j
haben, ist sehr natürlich, da derselbe in der Regel mit den amnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;f ,
meisten in die Augen fallenden Symptomen auftritt, sehr häufig vor-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.
kommt, fast immer unheilbar ist, und deshalb als die verheerendste Krankheit der Einhufer angesehen werden muss.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;'quot;'$
sect;. 9.
n:
So geht auch V. wenig auf das innere Wesen der scrophulösen
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Ozaena ein, er begnügt sich einfach, wie seine griechischen Vor­gänger, mit der Angabe der am meisten in die Augen fallendennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;, Symptome, aus denen allerdings gefolgert werden muss, dass er den sogenannten Rotz gemeint hat. Er sagt, dass bei der Krankheit der
Pferde eine klebrige, weisse, sehr stinkende Materie aus der Nase
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fliesst, die Augen feucht sind, das Ansehen wild und hässlich, das
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Haar trocken und rauh ist, und dass , wenn dieser Ausfluss blutig wird, die Krankheit unheilbar ist. Es ist unzweifelhaft, dass hier der Rotz vorstanden ist, und datirfc sich diese Beschreibung aus der Zeit des Einfalls der Gothen in Rom her. In Betreffquot; des Vor­kommens der Drüsenkrankheiten bei den Einhufern, der Ursachen, des Verlaufs, der Entstehung und des Sitzes der Krankheit pflichtet , ' V. den Ansichten der meisten griechischen Schriftsteller und nament- 'u i *quot;-\ lieh des Aristoteles, wie wir sie oben angegeben haben, bei. Andere i ^ römische Schriftsteller (wir nennen hier z. B. Columella, Varro und , i Palanus) und Rossärzte, sowie auch später französische und deutsche, \ • sind diesen Ansichten gefolgt. V. nennt seine Krankheit, unter #9632;'
welcher er die scrophulöse Ozaena und andere damit nahe verwandte Formen versteht, „Malleus humidus.quot; —
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sect;. 10.
Der ganze grosse Zeitraum des geschichtlichen Mittelalters, be­ginnend mit dem Verfallen des römischen Weltreichs und den grossen Völkerwanderungen, andauernd während der Kreuzzüge und der
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päbstlichen Weltherrschaft, endigend mit der Reformation , die Zeitnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; , i
des dunkelsten Obscurantismus und des Todesschlummers der Wissen-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ^
. _nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;. quot; . _. _.......nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.. . ..
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macht Rückschritte und wird nur noch getragen von dem finstersten,
den Menschengeist schändenden Aberglauben. In dieser Zeit desnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;'#9632;
Gebanntseins und der schmählichen Erniedrigung des Gottesfunkens
im Menschen, hat auch die Thierheilkunde in der eisigsten Erstarrung
gelegen und so ist denn aus dieser Zeitperiode für unsern Zweck
nichts zu schöpfen. Erst mit dem 16. Jahrhundert beginnt dienbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;S
Wissenschaft wieder zu athmen, denn da tauchen hin und wiedernbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; raquo;
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einige Männer auf, die es wagen wollen, den schwarzen Schatten jener langen Nacht zu durchbrechen, doch sind dies meist nur schwache, ohnmächtige Versuche, und sie ersticken in ihrem Ringen fast in dem dicken Wüste des undurchdringlichen Obscurantism us und Aber­glaubens. Sie brechen indess Bahn und sind der Sporn für Zeit­genossen und Nachkommen, wenn sie auch für uusern Zweck wenig Neues und Interessantes bringen. Sie schöpfen mehrentheils ihr Wissen aus den alten Schriftstellern und folgen daher auch ganz ihren Bahnen, Ansichten und Ideen. Da ihnen sämmtliche anato­mische und physiologische Kenntnisse abgingen, so konnten ihre Kenntnisse von den Thierkrankheiten auch nicht wissenschaftlich, nicht gründlich und nicht anders als oberflächlich und verworren sein. Etwas deutlicher unterschieden sie allerdings nach und nach die Formen der Drüsenkrankheiten und empfahlen zur Heilung derselben neue Mittel.
2. Capitel: Mittlere Periode.
sect;. 11. Wir können nach dem bisher Gesagten die ältere Periode mit den lateinischen Schriftstellern schliessen, das weltgeschichtliche Mittelalter überspringen und zu den thierärztlichen Schriftstellern anderer Nationen des 16. und 17. Jahrhunderts, vor Gründung der Thierarzneischnlen, übergehen. Es ist natürlich , dass wir mit der Gründung der ersten Thierarzneischule im Jahre 1762 diese Periode nicht vollständig abschliessen können, sondern dass uns hier der Standpunet der Ansichten und der Wissenschaft überhaupt als Maass­stab dienen muss, denn es lebten kurz vor Bourgelat, dem Gründer jener Thierarzneischule, gleichzeitig mit ihm und nach ihm, eine Menge Männer, von hohem Geist und umfassender Bildung, die sich fast ausschliesslich und sehr angelegentlich mit der Thierheilkunde beschäftigten, sie pflegten und forderten, und die nicht geneigt waren, sich durch jenes erste Institut von einem Felde, dass sie bis dahin eifrig bebaut hatten, so leicht verdrängen zu lassen, und den Ruhm, den sie auf demselben gewonnen , verloren zu geben, und so gab es zuvor noch harte Kämpfe.
sect;• 12. Eigentliche Thierärzte gab es indess vor 1762 nicht; die mit thierärztlicher Schriftstellerei und Ausübung der Thierheilkunde sich Beschäftigenden waren meistens Menschenärzte. Landwirthe, Stall­meister, Cavalleristen, Schmiede, Ab.decker etc. Insofern diese Männer ihr Wissen grossentheils aus den alten griechiscnen und römischen Schriftstellern schöpften und selbst ohne das Fundament
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der Wissenschaft, Anatomie und Physiologie, waren, blieben sie bei dem Wissen ihrer Lehrmeister stehen, adoptirten deren Lehren und Ansichten und verbesserten oder erweiterten dieselben vermeintlich noch durch eigene aus ihrer Phantasie geschöpfte mittelalterliche Ansichten, wodurch sie die Sache nur noch mehr verwirrten und derselben schadeten. Alle diese, obgleich deren viele noch nach Bourgelat lebten, sind wir genöthigt in die II. Periode zu versetzen, und dürfen ' wir uns hier nicht an Zeit und Jahreszahl binden. Um gerecht zu sein, müssten wir auch einige Männer, die sich als sehr gründlich und wissenschaftlieh bewährt haben, diesen Grundsätzen gemäss, in die III., neuere Periode hinübernehmen, wie z. B. einen Bugni, die beiden La Fosse etc.; indess wir können diese Periode nur mit solchen beginnen und fortführen , die die Thierheilkunde als systematische Wissenschaft, von deren Fundamenten ausgehend, an­erkannten, bearbeiteten und förderten.
sect;• 13.
Wir begegnen in dieser II. Periode, ausser mehreren Andern, namentlich zweien: Masse und Jourdain, bei denen die Thierheil-wissenschaft, besonders in Beziehung auf die Drüsenkrankheiten der Einhufer, noch auf dem Standpuncte, wie vor mehr als 2000 Jahre früher, steht. Es muss dies auffallen, und gehört dies zu den erstaunenswerthesten Erscheinungen auf dem Gebiete aller Wissen­schaften. Beide, Uebersetzer der griechischen Thierärzte, huldigen den Ansichten derselben über Natur, Ursachen, Heilung etc. der Drüsenkrankheiten und machen dieselben zu den ihrigen, indem sie kaum einen Schritt weiter gehen. Jourdain ballhornisirt sogar noch jene Ansichten des Alterthums, indem er annimmt, dass bei den Einhufern statt der Gallenblase ein Nerv vorhanden sei, welcher den von den Griechen angenommenen Gallenfluss nach dem Rückenmark und Gehirn bewirke. Es liefert dies einen traurigen Beweis von dem anatomischen und physiologischen Wissen jener Zeit und zeigt uns, wie schwer es der Thierheilkunde gemacht worden ist, sich bis auf ihren heutigen Standpunct hinauf, durch einen fast undurch­dringlichen Wust von Unsinn hindurch zu arbeiten , gleichzeitig aber auch, welche Riesenfortschritte sie bis heute als Wissenschaft gemacht hat. Wir würden solche Curiositäten nicht aufnehmen, wenn wir es nicht eben der Curiosität wegen thäten und um den Fortschritt des Wissens darzuthun. — Wir hätten unserm Principe getreu , diese Männer eigentlich in die I. Periode versetzen müssen. —
Die Ansichten dieser Schriftsteller über die Heilung der Drüsen­krankheiten und die dagegen empfohlenen Mittel correspondiren ganz mit denen über die Natur der Krankheiten, und unterlassen wir gerne die specielle Angabe derselben. In einem Punkte, dem über die
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Contagiosität, sind sie weiter, als leider viele ihrer Nachfolger, doch folgten sie hierin dem Hippokrates und vielen Andern, lange vor ihnen.
Inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;. 14.
.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;In Betreff'der Ansicht über die Natur der Drüsenkrankheiten
der Einhufer stellt sich Garsault jenen beiden Schriftstellern würdig zur Seite, indem er sagt: der Rotz wird durch eine scharfe, schlecht
l.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;verarbeitete Feuchtigkeit oder eine dicke Lymphe hervorgebracht,
welche sich aus dem Blute in die Drüsen der Nase und Ganaschen ergiesst. Diese Aeusserung documentirt mehr als alles Andere den wissenschaftlichen Standpunct dieses Schriftstellers, und enthalten wir uns füglich jeder Bemerkung darüber. Er hat indess das Gute, dass er die Contagiosität den Nichtcontagionisten seiner Zeit gegen­über mit Energie und erfolgreich bekämpft.
sect;. 15. Carlo Bugni war es, welcher der Thierheilkunde schon im
'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 16. Jahrhundert und zwar durch sein Werk :
,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„Anatomiadelcavallo, infermitä e suoi remedi,quot; (Bologna 1598),
zuerst wissenschaftliche Form gab. Er war der grösste italienische Thierarzt und lieferte bereits 1618 eine sehr gute, gründliche und wissenschaftliche Besehreibung des sogenannten Rotzes. Gleichzeitig mit ihm lebte der spanische Thierarzt Diaz, der weniger klar und deutlich ist.
sect;• 16.
Um die Mitte des 17. Jahrhunderts trat Solleysel, der sich mit der Hippiatrik fleissig beschäftigte, auf und schrieb 1669 ein Buch, worin er seine Ansichten über den Rotz entwickelte. Er sagt, es sei eine sogenannte kalte Krankheit, welche mit dem chronischen Strengel, der wahren und falschen Druse und allen aus diesen Krank­heiten entstehenden Störungen Aehnlichkeit habe, und bei welcher eine scharfe Feuchtigkeit die Nasenschleimhaut zerfresse. Diese Ansicht war lediglich eine Hypothese und basirte keineswegs auf Beobachtung und Erfahrung. Solleysel ist Contagionist und meint sogar, dass der Rotz durch die ausgeathm.ete Luft fortgepflanzt, wer­den könne. Er gesteht, ein Specificum gegen den Rotz nicht zu kennen, hält ihn indess keineswegs für absolut unheilbar, sondern räth vielmehr die Kur an, und schlägt Mittel zu seiner Heilung vor.
Blundeville, der später über den Rotz schrieb, schliesst sich den Ansichten Solleysels an und weicht nur in sofern von ihm ab, als er den Sitz der Krankheit im Rückenmark annimmt und darin theilweise den griechischen Schriftstellerh folgt.
Andere zu jener Zeit lebende französische Schriftsteller über Thierheilkunde finden wieder den Sitz des Rotzes im Gehirn und
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meinen, die Substanz desselben löse sich auf und fliesse durch die Stirn- und Nasenhöhlen ab. Diese Ansicht wird überdem bedeutend später noch sowol von französischen wie von englischen Thierarznei-kundigen vertreten und Degray spricht seine Ansichten dahin aus, dass man das Pferd, bevor man den Rotz heilen will, erst von Ab­magerung, Auszehrung der Lungen, Kopfschmerzen, Krankheiten der Leber, Engbrüstigkeit, Anwachsen der Haut (hide bound), ge­schwollenen Füssen etc. heilen müsse.
sect;• 17.
Wir kommen jetzt zu La Fosse dem Vater und dem Sohne, beide haben sieh vielfach mit den Thierkrankheiten beschäftigt, verschiedene Schriften herausgegeben und die Thierheilkunde auf ihrem wissen­schaftlichen Standpuncte sehr erhoben ; sie haben darum ein wesent­liches Verdienst um die Thierheilkunde, und ihr Name wird darum in den Annalen der Geschichte dieser Wissenschaft jederzeit mit be­sonderer Achtung genannt werden.
Der ältere La Fosse unterscheidet einen guten und bösartigen Strengel, seine ansteckende Natur sei nicht erwiesen, wol aber be­hauptet er, dass durch Impfung die Krankheit mitgetheilt werden könne. Das Lieblingsalter der Krankheit sei vom 4. bis 6. Jahre. Sie fängt mit Fieberzufällen an, dann erfolgt Husten, Geschwulst aller Speicheldrüsen und Ausfluss aus der Nase. Ohne Anwendung von Mitteln gehen die Geschwülste in Eiterung über. Zur Heilung räth er die Zertheilung der Geschwülste, Aderlass, Purgiren und harntreibende Mittel an. Er behauptet, dass die Krankheit sieh zu­weilen in Rotz endigt.
In Betreff der Natur und des Sitzes des Rotzes, kommen die beiden La Fosse der Wahrheit schon um ein Bedeutendes näher als alle ilire Vorgänger, doch verwechseln sie dieselbe mit andern, in einzelnen Symptomen analogen. Zuständen. 1749 demonstrirte La Fosse d. ä. vor der Academic der Wissenschaften zu Paris, dass der Rotz seinen Sitz in der Schleimhaut der Nase habe. Er schlug daher Ein­spritzungen in die Nase und Trepanation der Stirn-, Nasen- und Kinnbackenhöhlen vor. Er war der Erste, der diese Operation bei dieser Krankheit empfohlen hat. 1752 übergab er derselben Academic cine andere Abhandlung, in welcher er seine Theorie durch mancherlei Thatsachen bewies und die Krankheit in sieben verschiedene Ab­arten theilte.
sect;. 18.
La Fosse d. j. pflichtete in Allem seinem Vater bei, er ver­folgte denselben Gegenstand, und machte 1759 auf Befehl des Königs einige öffentliche Demonstrationen und 1762 legte er seine erste Abhandlung der Academic der Wissenschaften vor, worin er seines
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Vaters Ansichten zu beweisen suchte. Er legte dar, dass der Rotz eine eigenthümliche Krankheit der Schleimhaut der Nase und der benachbarten Höhlen sei. Es sei die Nasenschleimhaut für diese Krankheit so sehr empfänglich, dass jede langwierige Entzündung derselben in den Rotz übergehen könne. Er behauptet sogar den Rotz als Folge eines Bruches der Nasenknochen, oder einer lang­wierigen Druse oder des Strengeis gesehen zu haben. Beide La Fosse behaupten, den Rotz durch scharfe Einspritzungen in die Nase hervorgebracht zu haben.
sect;. 19.
Hiernach scheinen sie jede Zerstörung auf der Schleimheit der Nase, jedes Geschwür in der Nase für Rotz, für eine Ozaena ge­halten zu haben. Von dieser irrigen Ansicht ausgehend, ist es erklärlich , dass auch ihre weitere Ansichten über jene Krankheit irrig und falsch sein müssen, und dies bezieht sich namentlich auf die Contagiositfit und die Heilung der Krankheit. Erstere wird von diesen Schriftstellern nur bedingungsweise angenommen und nur dem achten Rotze zugestanden, den sie vom unächten trennen; Letztere (die Heilung), behaupten sie, könne in den meisten Fällei^ erreicht werden, aber nur durch örtliche Mittel, während sie alle Innern ver­werfen ; ein Beweis, dass sie den Rotz für ein örtliches äusseres, und nicht für ein inneres allgemeines Uebel angesehen habeni Des­halb empfehlen sie Trepanation und Einspritzungen.
In einigen Fällen erschien dies vortheilhaft, in andern entsprach es nicht den Erwartungen.
sect;. 20. quot;Wie unvollkommen und oberflächlich die Beobachtungen der Thierkrankheiten damaliger Zeit waren, beweist die Ansicht, welche die beiden La Fosse über den sogenannten Hautwurm aufgestellt haben. Sie suchen nämlich den Sitz dieser Krankheit im Blute, betrachten sie also als ein allgemeines inneres Uebel, während sie den Rotz auf der Schleimhaut der Nase finden, und ihn für ein äusseres örtliches Uebel ansehen. Sie sagen, der Sitz des Wurmes sei zu Zeiten mehr in den rothen, zu Zeiten mehr in den ungefärbten Theilen des Blutes. Sie betrachten also den Wurm als eine ganz verschiedene Krankheit vom Rotze. Wir wollen dies dem La Fosse gerne nachsehen , denn selbst bis auf die neueren Zeiten haben die meisten Veterinär - Schriftsteller und selbst systematisch ausgebildete und gediegene Thierärzte den Sitz der Wurmkrankheit in den Blut-gefassen gesucht und sie und Rotz für zwei ganz verschiedene Krank­heiten gehalten , eine Ansicht, der selbst Hurtrel Darboval beitritt, selbst nachdem schon die entscheidenden Versuche eines Viborg, Colemann und White längst ein Anderes entschieden haben.
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sect;. 21.
Wir schliessen sonach mit La Fosse die mittlere Periode der Thierarzneiwissenschaft, indem sie uns unserm Zwecke entsprechend, ein genügendes Bild des Standpunctes jener Wissenschaft der damaligen Zeit vorführt. In Frankreich und England finden wir in dieser Periode auf dem Felde der Thierheilkunde nur wenig Früchte von einiger wissenschaftlicher Bedeutung und in Deutschland hat sie kaum das allgemeine Interesse erregt, und wir finden hier höchstens die ersten Spuren ihres erwachenden Lebens. Ueber die Natur der Drüsen­krankheiten und in specie des Rotzes, seinen Sitz, besonders aber über die Contagiosität, die Ursachen etc. hatte sich kaum eine Meinung gebildet, noch weniger war etwas entschieden , und die Form des Wurmes ist überhaupt noch wenig bekannt gewesen, und noch weniger hatte man eine Ahnung davon, dass er mit dem Rotze identisch sei. Die Begriffe über die Natur der Thierkrankheiten standen überhaupt noch auf der Kindheiisstufe und waren daher sehr unklar und ver­worren , indem ihnen jede Wissenschaftlichkeit fehlte. Wir finden dies mehr noch bei den Engländern als bei den Franzosen und selbst Tayserus und Markham die später auftraten, sind noch nicht viel weiter gekommen.
Obwol die Thierarzneikunde den beiden La Fosse dankbar zu sein hat, so hatten sie doch zu viele Nachbeter und Anhänger, die ihre Irrthümer und Ideen weiter verbreiteten , ausbeuteten und noch mehr verwirrten, als dass sie nicht zu den grössten Missgriffen, Irrthümern und Nachtheilen hätten führen sollen. Sie waren es, die den Impuls zu der in Frankreich später allgemein gewordenen Ansicht von derNichtcontagiosität und sichern Heilbarkeit des Rotzes gegeben und damit nicht nur einen langwierigen heftigen Streit mit den Contagionisten angeregt, sondern auch zu unberechenbaren Ver­lusten und Calamitäten des Landes Veranlassung gegeben hatten.
sect;• 22.
Die eigentliche lebendige Thätigkeit und Wirksamkeit in der Thierheilkunde, schon angeregt durch den Geist und Eifer von La Fosse, beginnt erst nach der Mitte des 18. Jahrhunderts mit Grün­dung der ersten Thierarzneischule. Cothenius in Berlin gebührt das Verdienst, der Erste gewesen zu sein, welcher die Notwendigkeit der Errichtung von Thierarzneischulen nachwies und seine Ansichten darüber zur Oeffentlichkeit brachte. Bei den vielfachen Kriegen des vorigen Jahrhunderts zeigte sich von Anfange an wiederholentlich die Rinderpest, die in der Mitte desselben eine neue Invasion machte, indem sie aus den südrussischen Steppen in andere Länder Europas einbrach und mit so verheerender Wuth den Viehstand verwüstete und so reissend und unaufhaltsam um sich griff, als wollte sie den Rindviehstand des ganze.n Welttheiles vernichten.
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sect;. 23.
Diese Calamität war es, die viele Männer von hohem Geist und umfassender wissenschaftlicher Bildung aufmerksam machte und an­regte, sich für Gründung von Thierarzneibildungsanstalten und Aus­bildung von tüchtigen Fachmännern zu interessiren und auszusprechen, und die Regierungen darauf aufmerksam zu machen, ihrerseits die kräftigsten Anordnungen zu treffen, die Seuche zu tilgen und durch Heranbildung von Thierärzten Organe zu schaffen, durch welche man die Natur der Viehseuche sicherer kennen lernen könne, um sie dann später verhüten zu können. In dieser Weise wurden auch die Regierungen auf die Sache aufmerksam, und sie fingen an, zu begreifen , class sie schon gegen sich selbst die Pflicht hätten, den Nationalwohlstand zu erhalten, den jene Seuchen zu vernichten drohten und theils bereits vernichtet hatten. Jene in der That ausgezeichneten Männer ergriffen die Sache mit Feuer und Eifer, sie stellten Unter­suchungen , Beobaciitungen und Versuche mit der Seuche an, be­fürworteten die Ausbildung von Thierärzten etc. Die Namen, welche unter diesen besonders glänzen, sind Bernhard Ramazzini und Lancisi in Italien, Sauvages in Frankreich, und später Camper in Holland. Ihre öffentlichen Reden, Berichte, Gutachten und Abhandlungen sind es vorzugsweise, durch welche die Aufmerksamkeit der Regierungen auf diesen Gegenstand hingeleitet wurde.
sect;. 24.
In Italien, Frankreich, England und auch in Deutschland kam man nun nach und nach immer mehr zu der Ueberzeugung von der Wichtigkeit und Bedeutung der Thierheilkunde und der Nothwendig­keit der Gründung thierärztlicher Bildungs-Institute. Bevor indess die Regierungen Thierarzneischulen gründeten, während sie ent­standen und selbst, nachdem sie schon bestanden, und wissenschaft­liche Thierärzte gebildet waren, beschäftigten sich noch viele Männer aus andern Fächern, theils theoretisch, theils practisch, öfter mit ausgezeichnetem Erfolge , mit Ausübung der Thierheilkunde. Dies war natürlich , da nicht gleich nach Gründung der Bildungsanstalten eine genügende Zahl von Thierärzten überall geschaffen werden konnte, so dass sie den an sie zu stellenden Anforderungen hätten genügen können. Doch jene damals mit Recht geduldete Sitte, dass auch Laien mit Ausübung der Thierheilkunde sich beschäftigen dürfen, hat sich bis in unsere Zeit, wo die meisten Lander mit rationell ge­bildeten Thierärzten überladen sind, fortgeerbt, und ist somit heute zu einem bittern Unrecht, zu einer Calamität und Landplage ge­worden.
sect;. 25. -.
Da nun, ausser Menschenärzten, grossentheils immer noch Stall­meister und Cavalleristen mit Thierkrankheiten in der gedachten
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Weise sich beschäftigten und da das Pferd, als das Lieblingsthier des Menschen, zugleich auch den häufigsten und mannigfachsten Krank­heiten ausgesetzt ist, da das Pferd von allen Hausthieren, als das edelste, unentbehrlichste, nützlichste, zugleich auch das werthvollste ist, so waren, so lange die Thierheilkunde sich nicht zu einer ab-stracten Wissenschaft empor schwingen und der profanen Pfuscherei den Rang streitig machen konnte, so lange sie vielfach, auch nament­lich bei Pferden, als Sache der Liebhaberei betrieben wurde, die Pferdekrankheiten besonders diejenigen, mit denen jene Männer vor­zugsweise sich beschäftigten. Von diesen Krankheiten wählten sie ganz natürlich vor Allem solche, die am häufigsten vorkamen und am gefährlichsten und verheerendsten auftraten. Dies waren somit vor­zugsweise die Scrophelkrankheiten, mithin die Drüsenleiden und ihre Formen, Rotz und Wurm genannt.
sect;. 26.
Wir sind somit im Begriff zur dritten und letzten Periode der Thierheilkunde überzugehen, es ist diejenige Periode, in der man eigentlich erst die Existenz einer Thierheilkunde annehmen kann, und in welcher ein helleres und wännenderes Licht die Tiefen der Wissen­schaft durchdringt. Im Ganzen umfasst diese Periode immer noch eine sehr kurze Zeit, und dennoch hat in dieser die Thierheilkunde trotz aller ihr in den Weg gelegten Hemmnisse, trotz aller Demüthignngen und Kränkungen, trotz alles Mangels an Anerkennung, Förderung und Belohnung, sich zu einer Wissenschaft emporgeschwungen, in welcher der Geist der Wissenschaftlichkeit, sich immer wieder und wieder unter den Schuttmassen und Schlacken hervorzuarbeiten strebt und weiss, die man zu Bergen über sie aufgehäuft hat. — Schwierig­keiten und Undankbarkeiten aller Art sind es, die alle geeignet sind, die Liebe für ein Fach zu ertödten, mit denen die Männer zu kämpfen gehabt haben, die in neuerer Zeit bestrebt gewesen sind, die Thier­heilkunde zu einer Wissenschaft zu erheben , und sie trotzdem dazu erhoben haben. Erfreulich und wohlthuend sind die Fortschritte, die in dieser Beziehung gemacht worden sind, und wir erkennen sie, wenn wir das, was auf diesem Gebiete in neuerer Zeit geschaffen worden ist, nur gehörig sichten und die herrlichen Früchte, von dem vielen Ungeziefer, das sich nach ihnen drängt und sie zu verzehren droht, zu befreien und zu reinigen suchen. So ist nicht nur auf dem Gebiet der Literatur unter dem mancherlei Schlechten, viel Gutes geleistet worden, es ist auch die Thierheilkunde in Theorie und Praxis mächtig vorgeschritten und auf die Stufen einer wahren Wissenschaft gestiegen, so dass wir mit, Vergnügen diese letzte Periode unsern Betrachtungen unterwerfen können.
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3. Capitel: Neuere Periode.
sect;. 27.
Wir beginnen diesen Zeitraum mit der Gründung der Thier-arzneischulen, und zwar zunächst mit dem ersten Stifter derselben. Bourgelat, obwol selbst kein rationell und systematisch gebildeter Thierarzt und ohne die sicher leitende Grundlage der Anatomie und Physiologie, fasste die Sache, der er sich widmete, mit Klarheit auf, und wurde auch in seinen Anschauungen über die Krankheiten der Hausthiere von Klarheit und richtigen Begriffen geleitet, wenigstens überragt er in dieser Beziehung die meisten seiner Vorgänger. Er tritt entschieden gegen die Ansicht von La Fosse, Buffon, Snape, Vitet und anderer französischer Schriftsteller auf. Er ist der Ansicht, man habe die Ursache des Rotzes nur in der Dyskrasie des Blutes und der andern Säfte zu suchen. Er stellte zwar hypothetisch eine Vergleichung und Analogie des Rotzes mit der Syphilis des Menschen auf, widerlegte aber diese Ansicht selber durch seine von ihm unter­nommenen Versuche.
sect;.28.
In Beziehung auf die Contagiosität der scrophulösen Ozaena ist Bourgelat der Meinung, dass sie bald ansteckend, bald nicht ansteckend sei. Er hat also bereits die Contagiosität der Krankheit beobachtet, und verwechselt vielleicht nurnoch einige andere in ihren Symptomen mit dem Rotze analoge Krankheitszustände mit jenem selbst, oder schliesst dies daraus, dassnicht alle Pferde vom Rotze infieirt werden, wenn sie auch mit rotzigen Pferden längere Zeit in Berührung sind, was freilich zu sehr seltenen Ausnahmen gehört.
sect;. 29.
Bourgelat hat alle, vor ihm gegen den Rotz angewendeten und empfohlenen Heilmittel einer strengen Untersuchung undCritik unter­worfen und äussert sich darüber in folgender Weise:
„Was den Rotz, jene furchtbare Krankheit anbetrifft, von wel­cher die gründlichsten Thierärzte nicht viel mehr kennen als die Ignoranten, welche mit so vieler Zuversicht darüber absprechen, so hat man denselben noch durchaus nicht heilen gelernt. Die an verschiedenen Pferden vorgenommene Trepanation, bei welcher zwei Bohrlöcher, das eine am Sinus frontalis, das andere am unteren Theile des Sinus maxillaris, gemacht wurden; sämmtliche reinigende Einspritzungen, durch*-die theils die Geschwüre ge­säubert, theils die Spannkraft der Nasenschleimhaut wieder her­gestellt werden sollte; die Innern auflösenden oder blos lindern-
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den Mittel, das mittelst Einreibungen oder Clystieren etc. an­gewendete Quecksilber; das wiederholte Purgieren, der Gebrauch des Wintergrüns, das über schweisstreibende Hölzer abgezogene Wasser mit Spiessglanz oder Quecksilber vermischt, die kräftig­sten blutreiuigenden oder die Mischung der Säfte verändernden Mittel, z. B. Coloquinthen, Springgurcken, Kirschlorbeer in sehr starken Dosen, endlich Schierlingspulver; nichts von alledem hat dieses schreckliche Gift vertilgen können. Der Baron Sind behauptet zwar, eine Latwerge erfundön zu haben, welche vor dem Rotze schützen und denselben sogar heilen könne, wenn er noch keine Eingeweide ergriffen hat, und dies neue Mittel würde vielleicht mehr. Zutrauen gewonnen haben, wenn es nicht durch ganz Europa als ein Universalmittel ausposaunt worden wäre ; allein es ist, wie so viele andere, gänzlich in Vergessenheit ge-rathen.quot;
sect;.30. Snape, der die Versuche von La Fosse ohne glücklichen Erfolg nachgemacht hat, blieb dennoch, wie Buffbn, Vitet und andere An­hänger desselben , bei der Ansicht des La Fosse stehen. Kersting, der mehr practisch ist und sich weniger auf theoretische Erörterungen über die Natur der Krankheiten einlässt, hat beim Rotz vom Queck­silber nachtheilige Folgen beobachtet, dagegen den Schierling (ge­fleckten oder Wasserschierling?) sehr wohlthätig gefunden. Andere, mehr unwesentliche Schriftsteller, die in jener Zeit über Drüsenkrank­heiten geschrieben haben, waren die Engländer Clark und Robertson. Dieser letztere empfahl zur Heilung des Rotzes die Exstirpation der verhärteten Ganaschendrüson.
sect;.31. Lchrbegriff von den Krankheiten der Pferde und deren Heilung etc. von Dr. J. E. Zeiher, Berlin 1771. Es ist hier gesagt vom Rotz : Der Anfang dieser Krankheit wird der weisse oder Steinrotz, auch Steindruse genannt. Der Verfasser meint, die rotzigen Pferde geben das Wasser, welches sie allererst gesoffen'haben, mit einer grossen Menge Unflath entweder durch den Rachen oder durch die Nasenlöcher wieder von sich. Der Sitz der Krankheit ist in den Schleimhäuten der Nasen- und andern Kopfhöhlen.
Ueber die Natur der Krankheit sagt er: „Aus Allem, was man bisher vom Rotze hat ausfindig machen können, lässt sich bereits ge-dachtermassen schliessen, dass derselbe eine Krankheit sei, die in einer zähe gewordenen Lymphe besteht, welche hauptsächlich die Drüsen des Halses, der Schleimhaut u. s. w. angreift und entweder von einer gehabten Erkältung, von üblem Fufter, welches das Blut zähe und kraftlos macht, oder von einer üblen Beschaffenheit der Luft herrührt.quot;
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Vom Wurm sagt er; „Es giebt nassen, trocknen, unterkötigen, fliegenden, strickfönnigen, gelben oder schwarzen Ausschlag. Die Ur­sache liegt im Blute oder den übrigen Säften. Die Ansteckung ist noch unbekannt.quot;
Man sieht, dass dieser Schriftsteller in der Hauptsache ältere Ansichten adoptirt, und dass er weiter zurück geht, als einige seiner Vorgänger.
sect;. 32.
Veterinarius oder theoretisch-practischer Unterricht von der Behandlung, Cur und Wartung der Pferde und des Hornviehes, Gotha 1779.
Der anonyme Verf. dieser Schrift hat bereits viel klarere und richtigere Ansichten über die Drüsenkrankheiten der Einhufer, als viele seiner Zeitgenossen, und deshalb ist er wol geeignet, unser In­teresse und unsere Aufmerksamkeit in Anspruch zu nehmen. Wir entlehnen daher Einiges aus ihm und lassen solches hier folgen.
sect;. 33.
Von der sogenannten Druse, Kehlsucht oder Strengel, die an einigen Orten Kropf genannt wird, sagt der Verf.:
„Einige vergleichen die Druse den Kinderblattern, Andere dem Katarrh und noch Andere suchen den Sitz der Druse im Kopfe. Allein man glaubt, schon gezeigt zu haben, dass sie von einem verdorbenen Geblüte herrühre oder von einer Gährung, welche gleichsam in dem Blute entstehet, wodurch das verdorbene ausgetrieben wird. Diese Art von Gährung geschieht gemeiniglich zu der Zeit, wenn das Ge­blüt durch Hülfe einer massig warmen Luft verdünnt und in eine leichtere Bewegung gebracht wird. Die Drüsen der Membrana pituitaria und die Glandulae sublinguales scheinen eine besondere Anlage dazu zu haben, dergleichen Unreinigkeit aus dem Geblüte abzuführen und deswegen äussert sich die Krankheit so leicht in diesen Theilen.quot;
sect;.34.
„Von dieser Krankheit ist der Strengel, oder die sogenannte Mor-fondure, in Ansehung seiner Ursachen und seines Wesens gänglich unter­schieden, obgleich bisweilen die Zufälle dabei einander ähnlich sind. Da bei der Druse die Ursache in einer sauren Verschleimung des Ge­blütes zu suchen ist, so rührt hingegen der Strengel von einer zu grossen Auflösung und Alkalescirung (Wörtlich a. d. V.) des Geblütes her, welche durch eine Erhitzung des Körpers hervorgebracht wer­den kann.quot;
sect;.35.
„Vom Rotze.quot;
„In dieser Materie treffen wir wieder bei den varschiedenen Schriftstellern eine grosse Menge von Vorurtheilen und Irrthümern
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an. Die aeltern nehmen dreierlei Arten von Rotz an, den Hirnrotz, Steinrotz und die Rützigkeit. Der erste soll seinen Sitz im Gehirn haben und deswegen unheilbar sein ; der Steinrotz soll von einer ver­alteten Druse oder Kehlsucht, und die Rützigkeit von einem Fehler der Leber herrühren. Diese Arten wollen sie auch aus der Farbe und dem Geruche der zur Nase herausfliessenden Materie unterschei­den, so wie sie auch daraus, ob die Materie im Wasser zu Boden sinkt, oder schwimmt, urtheilen wollen, ob es ein rechter Rotz, oder nicht, und ob er heilbar, oder unheilbar sei. Die neuen Pferdeärzte gehen etwas davon ab und nehmen zweierlei Arten von Rotz an, einen heilbaren und einen unheilbaren, wovon einer im Gehirn, der andere in den Lungen, oder in einem andern Theile des Körpers seinen Sitz haben soll. Einige sehen auch die sogenannte Rückader oder Vena cava, wo sie unter den Lendenwirbeln hergeht, als ein Sammel-gefäss der rotzigen Materie an, weil sie darin in einem zerhaueneu Pferde einige Kennzeichen der Materie gefunden haben.quot;
sect;• 36.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,
Der Verfasser sucht den Sitz der giftigen Materie im Geblüte und behauptet, dass Pferde rotzig sein können, ohne dass man äusser-lich etwas bemerkt. Auch kennt er schon den Unterschied des acuten und chronischen Rotzes und sagt, dass der Rotz sehr ansteckend sei und zwar schon durch den Hauch und die Ausdünstung anstecke.
Vom Wurm behauptet er, dass die Ursachen desselben mit denen des Rotzes ziemlich gleich sind, dass der Wurm oft Vorläufer des Rotzes sei und dass jede Art von Wurm anstecke.
sect;.37.
Wir finden hier, dass dieser Verfasser schon in vieler Beziehung recht richtige Ansichten und Kenntnisse vom Rotze und Wurm hat, und dass er besonders den Letzteren weit richtiger als seine Vor­gänger und meisten Zeitgenossen beurtheilt, namentlich ist es sehr schätzenswerth, dass erdieContagiosität heider Formen der Scropheln der Einhufer kennt und so bestimmt ausspricht, worin ihm viele seiner gediegensten Nachfolger nachstehen.
sect;. 38.
D. H. Bracken (Verbesserte Rossarzneikunst, Altenburg 1758) findet in dem Strengel sehr richtig nahe Aehnlichkeit mit der Bräune. Von den Drüsenkrankheiten der Einhufer und namentlich vom Rotze hat er keinen bestimmten Begriff; er meint, es sei diese Krankheit ein Ueberbleibsel der Druse, das sich in den Drüsen des Schlundes festgesetzt hätte und leugnet, dass die Krankheit ansteckend sei.
sect;. 39.
Ein weit gründlicherer und wissenschaftlicherer Schriftsteller jener Zeit ist W. Gibson, der in seiner, von J. G. C. Koch ins Deutsche
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übersetzten Abhanlt;ilui;g von den Pferdekrankheiten und ihrer Hei-lnng(Goettingen 1780) uns den Beweis geliefert hat, dass er sich eine i'iir die damalige Zeit recht gründliche und gediegene Kcnntniss der Pt'erdekrankheiten angeeignet hatte. So sagt er von dem Strengel, dass derselbe immer nur aus Erkältung entstehe und meist nur junge Pferde vor dem sechsten Jahre befalle, selten später, und jedes Pferd nur einmal im Leben: Er nennt die Krankheit „Strängequot; und unter­scheidet sie von der Kehlsucht.
sect;• 40. Er sucht die Entwicklung des Rotzes in der Blutmasse, in der Übeln Beschaffenheit derselben, die vielleicht eine geraume Zeit hin­durch im Körper verborgen liegen könne aber sich zuletzt durch ein Anschwellen der Drüsen unter den Kinnbacken und durch einen Aus-fluss der Nase äussere, ohne dass man dabei noch ausserdem einige andere sichtbare Symptome oder eine wirkliche Krankheit bemerke. Gibson glaubt fest, dass hierin die eigentliche wahre Natur des Rotzes liege, der dieser Ansicht zufolge entweder kröpf- oder krebsartig sei. Er nennt den Rotz ein Geschwür in der Nase und meint, dasselbe rühre gewöhnlich von einer lang verborgenen schlechten Beschaffen­heit des Blutes her. Er hält ferner den Rotz für erblich, wenn er spontan entstellt, und spricht sich entschieden für die Contagiosität desselben aus, indem er sagt: der Rotz ist immer ansteckend, jedoch zu verschiedenen Zeiten mehr oder weniger; er sei die ansteckendste Pferdekrankheit, doch stecke er nicht alle Pferde gleich sicher an, seihst aber der Athem sei ansteckend. Er unterscheidet auch einen acuten und einen chronischen Rotz.
sect;. 41. So gründlich und wissenschaftlich für seine Zeit die Kenntnisse Gibson's auch von dem Rotze waren, so mangelhaft scheinen sie vom Wurme der Einhufer zusein, denn er hält diesen, gleich vielen Andern, für eine ganz verschiedene Krankheit vom Rotze, indem er sagt, der Wurm sei eine Krankheit der Blutgefässe, er entstehe von ungesunder Nahrung, von frischem Hafer, von Schilfgras, von frischem Heu, von zuviel Nahrung bei nicht angemessener Arbeit, also von zu grosser Vollsäftigkeit, und obwol Viele jede Art des Wurmes für ansteckend hielten, so sei er doch nur selten ansteckend.
sect;.42.
Wir kommen hier wieder auf eine Schrift von einem anonymen Verfasser, der sich einen Schüler J. Ad. Kerstings nennt: „Anwei­sung zur Kenntniss und Heilung der innern Pferdekrankheiten, Mar­burg 1788.quot;
Wir können annehmen, dass wir in dieser Schrift hauptsächlich
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die Ansichten Kerstings wieder finden. Wir zählen sie zu den bessern jener Zeit, und führen deshalb von dem, was sie uns über diecatarrha-lischen und lymphatischen Pferdekrankheiten bringt, das Wesentlichste hier an.
sect;•43. Die Druse, Kehlsueht, Bräune, Strengel, Kropf genannt. Die Krankheit besteht in einer allzugrossen Anhäufung des Schleimes in den zur Absonderung und zum Auswurf desselben bestimmten Theilen und hat jedesmal eine Verschleimung der Säfte zum Grunde, die aber nicht immer im ganzen Körper verbreitet ist. Je mehr nun das Blut verschleimt und je übelarfiger dieser im Blute befindliche Schleim ist, desto schlimmartiger ist die daher entstehende Druse. Auch ist sie nach Beschaffenheit der Wege verschieden, die die Natur, sie aus dem Körper zu schaffen, wählt.
sect;•44. Junge Pferde, Pferde von phlegmatischem Temperament und solche, die auf einer fetten Weide erzogen worden sind, sind vor den übrigen zurDruse geneigt, weil ihr Blut mehrmit schleimio-en Theilen angefüllt ist und ihre Gefässe schlaffer sind als bei andern Pferden. Je schlaffer bei einen Pferde die drüsigen Theile sind, desto leichter bekommt es, bei verhandener Disposition, Drüsengeschwülste, und sind die Drüsen eines Theiles vor den übrigen erschlafft, so kommen die Geschwülste derselben an diesem vorzüglich zum Vorschein. Aus dieser Ursache erseheinen sie bei einem Thiere am Halse, bei dem andern am Kinnbacken, bei dem dritten an den Gelenken u. s. w.
sect;#9632;45. Die Ursachen der epidemischen oder allgemeinen Druse sind entweder in der Veränderung der Luft, oder in den Futterfrüchten zu suchen, wenn diese nicht anders als nass oder faul zum Theil haben eingeerntet werden können und die Pferde den Winter damit o-efüttert sind. Aus diesen Ursachen sagt man auch, dass cjie Druse ansteckend sei, was aber ganz und gar ohne Grund ist.
sect;• 46. Es ist offenbar ein Schritt der Wahrheit schon näher, dass der Verfasser dieser Schrift Druse, Bräune, Strengel etc. für ein und die­selbe Krankheit hält und nicht, wie andere, diese Krankheiten, die wesentlich catarrhalischer Natur sind, als ganz verschieden betrachtet während sie nur eine Forraverschiedenheit eines und desselben Grund­übels darstellen. Seine Definition der Krankheit, seine Angaben über ihren Sitz, ihre Entstehung und Eigenschaften sind mehr wissenschaft­lich und nähern sich bereits mehr der Wahrheit. Auch was er über die Disposition und Ursachen sagt, müssen wir unterschreiben, be-Erdi, Rolzdrskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3
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dauern indess, dass auch er sie mit den Drüsenkrankheiten verwechselt und die Ansteckbarkeit derselben für alle Fälle bestreitet.
sect;. 47.
Interessanter noch ist das, was der Verfasser über den Rotz der Pferde sagt. „Der Rotz ist immer einerlei, er greift, nach Verschieden­heit der Pferde, verschiedene Eingeweide an. Den Ursprung hat man in einem bösartigen Blute, und hauptsächlich in der zur Fäulung ge­brachten Lymphe, zu suchen. Denn ob man gleich bei einem rotzigen Pferde die ganze Blutmasse verdorben findet, so entdeckt man doch bei genauerer Untersuchung derselben, dass mehr die Lymphe ver­dorben ist, als die übrigen Säfte, woraus das Blut besteht, und zwar ist die Lymphe entweder der Fäulung nahe, oder schon völlig in die­selbe übergegangen. Gegenwärtig wissen wir nur das mit Zuver­lässigkeit, dass ein rotziges Pferd eine faulartige Lymphe in seinem Blute habe, in welcher viele schleimige Theile vorhanden sind.quot;
sect;.48.
„Nur alsdann ist der Rotz ansteckend, wenn er den höchsten Grad der Bösartigkeit erreicht hat, das ist, wenn die bei einem rotzigen Pferde gewöhnlich befindlichen Geschwüre ganz roth an Farbe sind, wie erhabene Chancres aussehen und nach und nach immer weiter um sich greifen oder in ihrem Umfange grosser werden.
Es kommt bei dem Rotze nicht auf die Zeit der Dauer, sondern auf seine Beschaffenheit an, denn er tödtet das eine Pferd später, das andere früher.quot;
sect;.49.
„Der Rotz ist, der Erfahrung gemäss, nicht ansteckend, so lange die Geschwürein der Nase nicht die zuvor beschriebene Gestalt haben, sondern ziemlich weiss an Farbe und der Schleimhaut beinahe ahn-' lieh sind, dabei nichtsehr erhöht sind und nicht weiter um sich fressen. Der Kenner braucht dem Pferde nur in die Nasenlöcher hinein zu sehen, um zu erfahren, ob auf der Scheidewand und in der Schleim­haut Geschwüre befindlich sind, oder ob die Schleimhaut in dem einen Nasenloch röther als in dem andern sei. Das Erste ist ein wesent­liches Kennzeichen des Rotzes, das Andere lässt Disposition dazu be­fürchten.quot;
„Empfindet das Pferd Schmerz in den Drüsen, so ist das Uebel verdächtig.quot;
sect;. 50.
„Lässt man das Blut von rotzigen Pferden auf die Erde strömen, so hat der dabei sich bildende Schaum, nicht, wie bei einem gesunden Pferde, eine hellrothe Farbe, sondern er ist grün, gelb und roth durch einander spielend, so wie man Tauben antrifft, die dergleichen durch-
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einander spielende Farben an ihrem Halse haben, weswegen man auch diese Farbe taubenhälsig nennt. Auch wird das auf die Erde fliessende Blut eines rotzigen Pferdes nicht so bald als das Blut eines gesunden gerinnen, sondern eine geraume Zeit flüssig bleiben und ein sehr schmutziges, dunkelrothes Ansehen haben. Lasst man dergleichen Blut aus der Ader in ein Glas laufen und bläst den darauf bestehen­den Seiiaum ab, um seine Oberfläche nochmals genauer ansehen zu können, und stellt es dann so lange hin, bis es erkaltet ist, wozu im Winter 10 Minuten, im Sommer etwas längere Zeit erforderlich ist, so wird das Blut nicht leicht gerinnen, sondern noch etwas Flüssiges beibehalten, es wird sich ein Theil schwarzes Blut zu Boden setzen, und auf diesem werden beinahe drei Theile einer schmutzigen gelben Lymphe obenauf schwimmen. Diese Lymphe wird, wenn man sie von oben betrachtet, mit Flecken bezeichnet sein, die einer weissen Materie, die sie auch wirklich sind, ähnlich sehen.quot;
„Wenn man das Blut im Glase von der Seite betrachtet und es während dieses Geschäftes gegen das Licht hält und es massig von einer Seite zur andern lenkt, so wird man in der Lymphe die Schleim­flocken sehr deutlieh wahrnehmen, da sie sich an dem Rande des Glases festkleben und daran auch kleben bleiben, die übrige allzu­flüssige Lymphe aber wird bei dem Hin- und Herlenken des Glases sich von dem Rande desselben entfernen. Zuweilen hat das Blut von einem rotzigen Pferde einen Übeln Geruch und ist alsdann ein Kennzeichen von einem grösseren Grade der Bösartigkeit des Blutes, und wer sich überwinden kann, etwas von dem Blute eines rotzigen Pferdes auf die Zunge zu nehmen, der wird einen faulen und salzigen Geschmack an demselben entdecken. Je flüssiger das Blut ist, und je mehr der oben beschriebenen Schleimflocken in der oben aufschwimmenden Lymphe enthalten sind, desto rotziger ist das Pferd. Wenn aber das einem rot­zigen Pferde weggelassene Blut noch eine gute Consistenz hat, das ist, wenn es gerinnt, die oben aufschwimmende Lymphe nur t/3 aus­macht und nicht sehr viele Schleimflocken enthält, so hat man Hoff­nung zur Wiedergenesung des Pferdes, weil sein Blut alsdann noch nicht gänzlich in Fäulung gerathen ist.quot;
sect;.51.
Die pathologischen Veränderungen bei rotzigen Pferden, die sich bei der Section ergeben, hat der Verfasser, dem damaligen Stand-punete der Wissenschaft gemäss, sehr ausführlich, bestimmt und deut­lich angegeben, richtig beschrieben und gewürdigt.
Der Verfasser findet den Sitz der Krankheit auch im Blute, hauptsächlich in der Lymphe desselben. Was er uns über die Be­schaffenheit und Eigenschaften des den rotzigen Pferden entlassenen Blutes und über die Erkennung der Krankheit aus demselben sagt,
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ist nicht sowol nur interessant,
als es auch seine Wahrheiten 3quot;
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quot;Wenn es auch im ganzen Umfange mit dem heutigen Wissen nicht mehr übereinstimmt, so war es zu einer Zeit, wo die Zootomie und Zoophysiologie noch in ihrer frühesten Kindheit stand, wo es eine pathologische Zootomie und Zoochemie noch gar nicht gab, doch sicher recht wissenschaftlich, wie es überhaupt nicht uninteressant ist. Wir haben aus diesen Gründen jene Ansichten wörtlich mitgetheilt.
sect;.52.
Ueber den Wurm sagt der Verfasser Folgendes:
„Diese Krankheit hat daher ihren Namen erhalten, weil die alten Pferdeärzte glaubten, dass sie von lebendigen Würmern, die untei der Haut ihre Wohnung hatten und aus den Säften des Pferdes ihre Nahrung erhielten, ihren Ursprung hätte. Die Krankheit aber besteht in einem übelarligen Blute, das, vornehmlich aber die in demselben befindliche Lymphe, nicht nur die alkalische Schärfe hat, sondern auch zugleich widernatürlich zähe ist.quot;
sect;.53.
Aus der weiteren Beschreibung und dem angegebenen Sections-befunde geht hervor, dass die Krankheit hier noch nicht genau be­kannt ist. Es wird hier viel von Polypen in den Blutgefässen ge­sprochen und Kersting selbst sagt in dieser Beziehung: Zuweilen setzt sich, wenn man einem wurmigen Pferde die Ader öffnet, ein solcher Polyp vor die gemachte Oeff'nung und kommt auf diese Art zum Vorschein, den man alsdann mit einer Pincette anfassen und zu­weilen halbellenlang herausziehen kann. Diese von mir gemachten Er­fahrungen sind ein gewisser Beweis, dass sich in dem thierischen Körper auch bei seinen Lebzeiten Polypen erzeugen können.quot;
sect;.54.
Paulet sagt von der Druse, dass sie eine Entzündung der Gegend unter den Ganaschen (des Kehlganges) und der Speicheldrüsen sei. Vom Rotze behauptet er, dass man zu einer richtigen Ansicht nur gelangen könne, wenn man ihn mit der Venerie vergleiche, denn beide Krankheitsgifte wirkten auf einerlei Weise. Bei einer, wie bei der andern Krankheit soll die durch die Anwesenheit des Giftes krank­haft veränderte Lymphe, die dem primären Sitze der Krankheit be­nachbarten Drüsen, bei der einen Krankheit die der Leisten , bei der andern, die der Ganaschen anstecken. Wenn dieser Krankheitsstoff, der in beiden Fällen von scharfer, reizender Beschaffenheit ist, beim Menschen an die Schleimhaut der Harnröhre, beim Pferde an die der Nasenhöhle gedrungen und daselbst aufgelöst und weiter entwickelt worden ist, so veranlasst er eine Reizung, eine Entzündung, ein Brennen, worauf bald ein eiterartiger Ausfluss und eine Vermehrung der Secretion des Schleimes erfolgt, welcher die Bestimmung hat, die Innern Wände jener Höhlen schlüpfrig zu erhalten.
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sect;. 55.
Andere Schriftsteller sind mit Faulet theils gleicher Ansicht, theils ihm gefolgt; z. B. W. G. Ploucquet in seinem „vollständigen Rossarztquot; 1792 und 1803 sagt:
„Das Rotzgift ist vielleicht mit dem Franzosengift verwandt, wenigstens steckt es eben so an. Der erste Grad des Rotzes kann curirt werden, der höhere Grad nicht. Wurm kommt aus einer be­sondern Verderbniss der Säfte und ist ansteckend, ist manchmal mit dem Rotz verknüpft und kann wol einem in die Drüsen der Haut ver­schlagenen Rotz verglichen werden. Mit der Heilung verhält es sich, wie beim Rotz.quot;
sect;.56.
Da die Drüsenkrankheiten häufig mit den catarrhalischen ver­wechselt werden, man viele Analogieen zwischen beiden Krankheits-zuständen findet und aus den letztern die erstem oft entstehen, so kann es nicht uninteressant sein, auch die Ansicht dieses Schrift­stellers über die catarrhalischen Krankheiten der Pferde zu erfahren. Er sagt:
„Strengel, Katarrh ist die bei Pferden am häufigsten vorkommende Krankheit.quot; Er unterscheidet echten, reinen Strengel, versteckten Strengel und verschiedene Arten verschlagenen Strengel und sagt weiter:
sect;.57.
„Versteckter Strengel, wenn entweder zu Anfang des Strengeis sich kein Ausfluss aus der Nase einstellen will, oder, wenn der Stren­gel bereits geflossen, der Fluss auf einmal aufhört und das Pferd dabei kränker wird.quot;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,
„Verschlagener Strengel. Die Entzündung der Schleimhaut in der Nase nimmt manchmal, wenn der Strengel auch schon eine Weile geflossen hat, einen andern Ausgang, und die aufgelöste schleimige Materie desselben schlägt, einen andern Weg ein; die eine Art ist es, wenn das catarrhalisehe Wesen durch den Harn abgeht, die andere Art des verschlagenen Strengeis ist es, wenn sich die catarrhalisehe Materie auf die Gedärme wirft.quot;
sect;. 58.
„Eine andere Art des verschlagenen Strengeis. Oft wirft sich die Strengelmaterie auf die Feifein und in die Drüsen unter den Ga­naschen, die dann hart werden, anschwellen und schmerzen.quot;
„Weitere Verschlagungen des Strengeis. Endlich ist kein Theil am Pferde, auf den sich der Strengel nicht werfen könnte, die Leber. Milz u. s. w.
„Druse ist nichts Anderes, als ein bösartiger Strengel, so wie es auch bösartigen Catarrh giebt.quot;
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sect;. 59.
Gilbert hängt sich an Solleysels Meinung; der Rotz ist seiner Ansfcht nach eine Ausartung der Druse, welche bei den Einhufern das ist, was bei den Menschen die Blattern sind.
Wollstein dagegen folgt mehr der Ansicht Gibsons und sucht den Sitz des Rotzes in einer Übeln Beschaffenheit der Blutmasse, und er widerlegt die von La Fosse aufgestellte Ansicht, dass der Rotz durch äussere Verletzungen der Nase, fremde Körper in derselben, scharfe Einspritzungen in dieselbe etc. hervorgebracht wird. Es könnten wol bösartige Geschwüre, selbst Caries hervorgebracht werden, indess seien dies immer noch keine Rotzgeschwüre.
sect;• 60. J. D. Busch (4. Band des Archivs für Rossärzte) empfiehlt gegen den Rotz täglich drei Mal zwei Gran Sublimat, welchen er mit glück­lichem Erfolge angewendet haben will; auch hat er Quecksilbersalbe eingegeben und eingerieben. Nach drei Wochen war das Pferd, welches so behandelt wurde, nicht nur vom Wurm völlig geheilt, sondern in dem, freilich schon zu weit gekommenen Rotze, so sehr gebessert, dass die Geschwüre in der Nase heilten und die ausfliessende Materie nicht mehr stank. Wegen der Kosten wollte der Arzt das Pferd nicht weiter behandeln. In die Wurmbenlen wurden Einschnitte und Ein­reibungen von Quecksilbersalbe gemacht.
sect;. 61.
Elderhorst nahm zwar ein specifisches Rotzgift an, hielt indess dasselbe für ziemlich analog mit dem venerischen Gifte des Menschen, deshalb versuchte er, wie andere Thierärzte, das Quecksilber, und machte er sein Verfahren in den Nachrichten der Landwirthschaft zu Zelle (1. Band S. 605 und 2. Band S. 121) bekannt. Er versichert, dass nach dem vier-bis sechs wöchentlichen Gebrauch seinerMittel öfters eine merkliche Besserung erfolgt sei, und dann sei es rathsam, mit­unter Grünes zu füttern.
Sander dagegen wendete, wahrscheinlich in der Voraussetzung der Aehnlichkeit des Rotzgiftes mit dem menschlichen Krehsgifte das Kraut und die Wurzel der Belladonna an und sah wenigstens einmal davon gute Wirkung.
sect;. 62.
Eine der bedeutendsten schriftstellerischen Autoritäten jener Zeit über die Drüsenkrankheiten der Pferde, namentlich über die Form des sogenannten Rotzes, ist Philipp Chabert, General - Director der Thierarzneischulen in Paris. Seine beiden Abhandlungen über diesen Stoff sind bekannt und wir entnehmen seine Ansichten aus der deut­schen Uebersetzung. (Anweisung, den Rotz der Pferde zu erkennen, zu verhüten und zu heilen. Leipzig 1796).
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sect;. 63.
Die Kennzeichen des Rotzes sind weder bei allen Individuen, noch in den verschiedenen Epochen der Krankheit gleich. Man zählt dieser Epochen oder Grade gewöhnlich drei.
E rs ter Grad
1)nbsp; Ausfluss einer weisslich dünnen aus einem Nasenloche her­vordringenden Feuchtigkeit.
2)nbsp; Durch Röthe bemerkbare Anschwellung und Entzündung der Schleimhaut der Nase.
3)nbsp; Das Strotzen der Blutgefässe dieses Häutchens.
4)nbsp; Anschwellen einer oder mehrerer Ladendrüsen.
5)nbsp; Glätte und Glanz des Haares, beide von unterdrückter Ausdünstung herrührend.*)
6)nbsp; Crudität und Durchsichtigkeit des Urins.
7)nbsp; Der, obige Umstände abgerechnet, augenscheinliche Ge­sundheitszustand des Pferdes.
Beim angesteckten Rotz sind die obigen Kennzeichen mit keinem Husten verbunden: bei dem durch schlechtes Futter, übertriebene Arbeit etc. entstandenen, bemerkt man einen zähen oder trocknen Husten.
Zweiter Grad.
1)nbsp; Der Ausfluss ist zähe, gelb oder grünlich und hängt sich an die Ränder der Nasenlöcher an.
2)nbsp; Der obere Rand des fliessenden Nasenloches bekommt Runzeln und rümpft sich auf.
3)nbsp; Die geschwollenen Drüsen schmerzen und liegen an dem Kinnbacken fest.
Dritter Grad.
1)nbsp; Der Ausfluss ist grünlich, oder schwärzlich und stinkt.
2)nbsp; Er hat gemeiniglich Blutstreifen.
3)nbsp; Das Häutchen der Nasenhöhle blutet oft.
4)nbsp; Beide Nasenlöcher fliessen zugleich.
5)nbsp; Das Häutchen der Nasenhöhle ist von krebsartigen Ge­schwüren angefressen.
6)nbsp; Die geschwollenen Drüsen schmerzen noch empfindlicher und liegen noch fester am Kinnbacken, als beim zweiten Grade.
7)nbsp; nbsp;Triefen die Augen, oder wenn nur ein Nasenloch fliesst, das Auge derjenigen Seite, wo der Ausfluss statt hat.
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#9830;) Anm. d. Verf. Ist im Gegentheil ein Beweis von stattfindender Ausdün­stung, ist diese unterdrückt, dann ist das Haar struppig und glanzlos.
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8)nbsp; Das untere Augenlied ist geschwollen.
9)nbsp; Die Nasenknochen oder der Vorderkopf dunsen auf und treten in die Höhe.
10)nbsp; Ekel, Mattigkeit, Husten, Geschwulst der Schenkel und Hoden.
11)nbsp; Das Pferd hinkt, ohne dass man die Ursache davon ent­decken kann. Kommt dies Hinken zu den oben gemeldeten Symptomen hinzu, so ist dies meistens ein Zeichen des nahen Todes.
Mit dem Rotze geht es immer äusserst langsam, die Kennzeichen wodurch er sich ankündigt, treten nur nach und nach ein.
sect;• 64. Die Ursachen des Rotzes sind :
1)nbsp; Ansteckung. Sie findet um so leichter statt, je bösartiger das mitzutheilende Gift und je mehr Anlage in den dem­selben ausgesetzten Subjecten vorhanden ist.
2)nbsp; Einathmen bösartiger Ausdünstungen etc.
3)nbsp; Unterdrückte Ausdünstung ist die gewöhnlichste Ursache des Rotzes.
Artet der Wurm in den Rotz aus, so ist der letztere fast immer unheilbar; wird hingegen aus dem Rotze der Wurm, so darf man sich davon viel Gutes versprechen.
sect;• 65.
Die Frage; ob der Rotz heilbar sei? kann man im Allgemeinen mit Nein beantworten.
Die entschieden rotzigen Pferde lasse man unverzüglich tödten.
Bei den Pferden, die sich im 2. Grade der Krankheit befinden, ist die Heilung zu versuchen.
Täglich 2mal striegeln, sehr rein halten; Essigdämpfe, den gutgenährten 1j3, den andern 1/n an der Ration abbrechen, keine Arbeit, aber Bewegung.
sect;• 66.
Die präservative Behandlung besteht überhaupt im Aderlassen und im Gebrauche erweichender, lindernder, brustdienlicher und zer-theilender Mittel. Wenn das Pferd Wasser in den Beinen hat, oder schleimiger, weichlicher Constitution ist, muss der Aderlass unter­bleiben und den oben angegebenen Mitteln Eisenvitriol und Salmiak zugesetzt werden. Haarseile; Harzräucherungen in die Nase. Man reibe den Vorderkopf mit spanischer.Fliegentinctur und bedecke ihn mit einem in die Tinctur getauchten Lappen.
An der Seite, wo die Nase fliesst, ziehe man am Halse von der Mähne bis zur Drosselader 4 Haarseile neben einander. Sollte die
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Drüsengeschwulst und der Ausfluss fortdauern, so sind alle Heil- •nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i
versuche vergeblich. Zertheilen sich die Drüsen und bleibt n;ir einnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;f
unbeträchtlicher Ausfluss übrig, so muss man die erschlaffte Schleim-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;t
haut zu stärken suchen und zu dem Ende an dem Vorderkopfe Striemen
brennen, die sich der Länge nach von der obern Gegend der Stirnnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;il.
bis zur Nasenspitze erstrecken. Gehen die Drüsen in Eiterung
über, so ist dies ein günstiges Zeichen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ' '
sect;• 67. Wir finden auch hier bei Chabert noch erhebliche Irrthttmer, und wenn wir seine Kennzeichen des Kotzes auch nicht durchweg als richtig anerkennen und seine Ansichten über die Krankheit, namentlich aber, was er über Rotz und Wurm sagt, nicht überall unterschreiben können, so müssen wir doch zugestehen, dass ernbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,, ,;
einzelne sehr richtige Ansichten aufgestellt und das Ganze höchst
wissenschaftlich bearbeitet hat.
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Wichtiger als das, was wir aus den meisten bisher aufgeführten Schriftstellern entnommen haben , scheint uns das zu sein, was wir von Abildgaard über die catarrhalischen und Drüsenkrankheiten der Einhufer wissen, denn er war nicht nur ein getreuer und scharfer Beobachter, sondern er hat auch sehr interessante und lehrreichenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; : !
Versuche gemacht und vor allem die Contagiosität des Rotzes nach­gewiesen. Wir wollen sehen, was uns über diesen Stoff in dem ..Pferde- und Vieharztquot; in einem kleinen Auszuge von Peter Christiannbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;if ;|*
Abildgaard (3. Ausgabe, übersetzt, Kopenhagen und Leipzig 1795) mitgetheilt worden ist.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;f
sect;.69.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ; ^
„Kropf und Quark sind 2 verschiedene Namen, die man einer Krankheit gegeben hat. Junge Pferde, wenn sie des Sommers auf dem Grase gewesen sind, werden am meisten davon befallen.quot;
„Im Kropf ist der Knoten unter dem Kinn, mitten zwischennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;f
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beiden Kieferknochen , flach und ebenj ausgebreitet, und, folgt damit ein Fluss aus der Nase, so geschieht dies aus beiden Nasenlöchernnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; t, '
auf einmal. Das Pferd hat auch das Ansehen, innerlich krank zunbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ;
sein. Ist die Krankheit heftig, so ist zugleich Fieber dabei.quot;
sect;. 70. „Bei dem Rotze ist nur eine einzige Drüse angeschwollen undnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;;
zwar gewöhnlich an der einen Innern Seite des Kinnes. Der Aus­fluss ist alsdann auch nur an dem einen Nasenloche und zwar an der Seite, wo sich die geschwollene Drüse findet. Bei diesem Zufalle scheint das Pferd übrigens gesund zu sein.quot;
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sect;• 71. „Junge 3—4jährige Pferde entgehen selten dem Kröpfe, er kann überdem noch in jedem Alter entstehen und rührt von Unord­nungen in der Verdauung her. Pferde, die Winter und Sommer im Freien leben, wie in den wilden Stutereien, sind daher der gewöhn­lichen Kropfkrankheit nie unterworfen.quot;
sect;• 72.
Strengel, Bräune , Entzündung im Halse, sind nach Abildgaard Synonyma, er sagt:
„Strengel hat man den Zufall genannt, wo das Pferd den Hals steif hält, sein Futter käut und fressen will, es aber nicht nieder­schlucken kann, sondern wieder zum Munde herausfallen lässt. Das Saufen ist gleichfalls beschwerlich, denn wenn es das Wasser nieder­schlucken will, fliesst es oft wieder zur Nase heraus. Zuweilen ist der Strengel ein Begleiter des Kropfes.quot;
sect;. 73. „Vom Rotze. Der Rotz ist ein Fluss aus der Nase, mit Röthe, Hitze und Geschwüren an der Haut, welche die Scheidewand zwischen beiden Nasenlöchern bekleidet, verbunden. Was aus der Nase fliesst, ist zuweilen klar wie Eiweiss, zuweilen gelb, grün, stinkend und blutig. Zuweilen fliessen beide Nasenlöcher, und als­dann sind beide Drüsen geschwollen. Diese Krankheit ist ansteckend, wenn sie zu einem gewissen Grade gekommen und die Materie scharf ist, zuweilen ist sie gleich anfangs so scharf, dass sie leicht ansteckt. Der Rotz ist unheilbar, oder wenigstens so gut wie unheil­bar, denn die Mittel, wodurch ein einzelnes Pferd zuweilen herge­stellt wird , sind theils schwer anzuwenden und theils so langsam wirkend , dass ein ganzes Jahr und mehrere dazu erfordert werden. Die Ansteckung geschieht nur durch Berührung der ausgeflossenen Materie, z. B. wenn ein Pferd den Ausfluss ableckt. Zuweilen kann ein gesundes Pferd neben einem rotzigen stehen und mit ihm aus einem Eimer trinken, ohne angesteckt zu wrerden.quot;
sect;. 74.
„Von der bei den Hufschmieden unter dem Na­men Wurm, Springwurm, genannten Krankheit, in Norwegen Pferdepocken genannt. Die Hengste sind dieser Krankheit mehr unterworfen als die Stuten, welche dieselbe nur selten und immer durch Ansteckung bekommen. Fliesst das Pferd stark aus der Nase, so ist dies ein Zeichen, dass das Pferd heftig angesteckt ist. Man nennt dies den Innern Wurm, der aber mit dem Rotze einerlei ist.
Hat ein Pferd, es sei ein Hengst oder eine Stute, den Spring-
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wurm gehabt, so muss man es nicht zum Füllenziehen gebrauchen, denn diese bekommen mit der Zeit dieselbe Krankheit oder auch den Kotz. Die Ursachen sind, wenn ein Pferd nach starker Arbeit auf einmal in Kühe kommt, wenn es nach einer Krankheit zu viel Fressen bekommt. Zur Heilung wendet man mineralischen Mohr, taglich Va Loth mit Mehl an.quot;
sect;• 75. E. Viborg, der die Arbeiten und Versuche Abildgaard's fort­gesetzt und noch weiter ausgedehnt hat, giebt uns eigentlich über die Natur des Rotzes und über seine Eigenschaften die wichtigsten und meisten Aufschlüsse, und wir verdanken ihm vorzugsweise für seine Zeit den gründlichsten und unwiderleglichsten Nachweis von der Contagiosität des Kotzes, sowie der Identität dieser Krankheit und des Wurmes, obwol dennoch viele mit ihm gleichzeitig und später lebende Thierärzte seine Versuche bemängelt, seine Nach­weise in Zweifel gezogen und,Beides bestritten haben.
sect;. 76.
Seine Sammlung von Abhandlungen für Thierärzte etc. aus dem dänischen (5 Bde. Kopenhagen 1795 —1806) machten zu ihrer Zeit Aufsehen und gaben den Ansichten der meisten und tüchtigsten Fachmänner eine andere Richtung, sowie sie noch heute in vieler Beziehung in der Wissenschaft als Richtschnur dienen, und immer wird Viborg in der thierärztliehen Literatur als ein Stern erster Grosse glänzen.
sect;• 77.
Er sucht die Entwickelung des Rotzgiftes, wie viele Andere, in der Blutmasse selbst, indem er nämlich die Erfahrung gemacht, dass, wenn man Rotzmaterie in die Venen eines gesunden Pferdes einspritzt, dadurch ebenfalls Rotz, und zwar mit allen seinen örtlichen Zufällen erzeugt werde. Nach ihm ist aber auch eben sowol der Ausfluss aus der Nase, wie die Thränenfeuchtigkeit, der Harn, Speichel, Schweiss und das Blut mit dem €ontagium geschwängert, und ist die Krankheit durch Impfung mit diesen Säften fortzupflanzen. V. sammelte von rotzigen Pferden, die man vorher durch Reiten in Schweiss gebracht hatte, unter Glasglocken, die man über die Thiere, ohne dass man sie selbst berührte, hielt, den Dunst, der durch die Nase ausgeathmet wurde, kühlte ihn mittelst Schnee in den Glocken ab, und erhielt so eine tropfbar flüssige Ausdünstung, welche er mehreren Pferden auf die gewöhnliche Weise in der Nase einimpfte. Diese wur­den dadurch mit dem Rotze angesteckt. Dasselbe bewirkte auch der Schweiss.
Er behauptet die Identität des Rotzes mit dem Wurme und hat diese dadurch nachgewiesen , indem er Rotzmaterie in die Haut ge-
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impft und dadurch Wurm erzeugt und durch Jauche aus Wurmge-schwüren, in die Nasenschleimhaut eingerieben, Rotzgeschwüre her­vorgebracht hat.
;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;. 78.
Er sucht die Ansteckungsfahigkeit des Rotzeiters nur dann, wenn derselbe eiterartig wird, so lange er klar und wässng sei, stecke er nicht an. Wenn der Rotzeiter bei-|-10—14deg; R. getrock­net werde, sei ihm die Ansteckungsfilhigkeit verloren gegangen, indem es nie gelungen sei, mit einem solchen im trocknen Zustande zu impfen.
sect;• 79.
Viborg hält den Wurm für ansteckender als den Rotz, indem er von diesem sagt: dass sogar der Dunstkreis, worin ein wurm­krankes Pferd gestanden, ansteckend für gesunde Pferde sei. Als Heilmittel gegen den Wurm hat er sowol, wie Abildgaard , die salz­saure Schwererde mit Erfolg versucht.
Inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sect;. 80.
inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; In dem Lehrbuch der populären Thierheilkunde für aufgeklärte
Oeconomen (Altdorf und Nürnberg 1797) von einem ungenannten Verfasser, finden wir die catarrhalischen und lymphatischen Krank­heiten der Einhufer speciell abgehandelt, und theilen wir aus dem­selben Folgendes mit:
Der Strengel ist mit dem Catarrh des Menschen identisch und nicht ansteckend. Er dauert nur 14 Tage; dauert er länger, so ist dies ein üebergang in Rotz, wenn die Drüsen anschwellen.
sect;. 81.
Die Druse, der Kropf, ist den Pferden, wie die Pocken jedem Menschen, eigen und sollen dieselben sie nur einmal im Leben be­kommen. Sie ist ansteckend, steckt aber nicht durch die Aus­dünstung an.
sect;. 82.
Die Druse artet in Rotz aus, wenn der Husten nachlässt, die Geschwulst an den Ganaschen aber weder aufbricht noch kleiner wird und sich festsetzt, und nun in der Nase Entzündung und Ge­schwüre entstehen.
sect;. 83.
Wo sich die Druse auf andere Theile, besonders aber auf die Luftwege und die Lungen versetzt, oder wo überhaupt die Krankheit sich in die Länge zieht, einen gewissen Grad von Bösartigkeit er­reicht und in Rotz übergeht, nennt man sie auch die falsche Druse oder den verlegenen Strengel.
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45 sect;. 84.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i
lieber die Natur der gedachten Krankheiten entwickelt der Verfasser seine Ansichten dahin; Es ist eine widernatürliche Be-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;f
schaffenheit und Verderbniss der Lymphe, der schleimartigen Säfte des Körpers, welche die Natur mittelst eines Fiebers umzuändernnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,
und aus dem Körper zu entfernen sucht. Da nun aber die Haut, welche den Rachen und die Nase auskleidet, vorzüglich viele Schleim­drüsen enthält, so lässt sich daraus die Neigung der Krankheit erklären, sich hier zu entscheiden.
sect;• raquo;5.
Die Körper der jungen Thiere sind nämlich schon an und für sieh vermöge der Schwäche ihrer festen Theile geneigt, viel Schleim
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zu erzeugen, ihre Säfte enthalten schon an und für sich ein Ueber-
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maass von lymphatischen Theilen; treten nun gewisse Umstände ein, welche diesen Schleim auflösen , beweglich machen, oder sonst eine allgemeine Veränderung, Umstimmung, eine gewisse Art von Auf­ruhr in der gesammten Natur der Thiere hervorbringen, so entstehennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; • i jene Fieberbewegungen , welche auf Entledigung dieser Stoffe ab-zwecken.
sect;. 86.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i ( *'4
Beim Rotz, dem Ritzigsein, der Steindruse, dem Steinkropf,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;' ^
der Hauptseuche, wie er die Krankheit benennt, nimmt er mit Chabert 7 Grade an und empfiehlt auch dessen Heilmethode. Das Wesen dieser Krankheit sucht er in einer mit Geschwulst der Drüsen
verbundenen Entzündung der Innern Nasenhaut, oder der mit ihr
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zusammenhängenden Haut der Luftröhre und ihrer Aeste, welche stärkere Schleimabsonderung bewirkt, nachher in Eiterung übergeht, Geschwüre bildet, welche nicht nur jene Häute, sondern selbst auch die Knochen der Nase anfressen und so jenen eiterhaften, blutigen und (von den angefressenen Knochen) schwärzlichen Ausfluss ver­anlassen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; :*,
sect;-87-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;fl#.
Dieser widernatürliche Zustand der Nase kann aber erzeugtnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,,
werden, theils durch Ansteckung, theils dadurch, dass sie irgend einenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ]
Unreinigkeit, eine Schärfe, besonders des lympathischen Theils des
Blutes, auf die Nasenhaut absetzt, oder durch Ausartung der Druse,
des Strengeis etc.
sect;. 88.
Ueber die Ansteckungsfähigkeit des Rotzes sagt er Folgendes:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;%
1) Es kann Grade und Perioden des Rotzes geben, wo seinnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; v
Ausfluss noch nicht ansteckend ist, z. B. im ersten Grade; er würde also nur in den folgenden Perioden jene Bösartigkeit erlangen, welche
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ihn zu einem anstockenden Gifte macht, auch kann dieser Grad bei dem einen Pferde eher, als bei dem andern eintreten.
2)nbsp; nbsp;Es kann vielleicht Arten des Rotzes geben die weniger, andere die mehr Ansteckungskraft bei sich führen, zu den ersteren gehurt vielleicht der sogenannte Lungenrotz, Strengelrotz, zu den andern der ursprünglich durch fehlerhafte Beschaffenheit der Lymphe erzeugte Rotz.
3)nbsp; nbsp;Es kann auch in dem einen Thiere mehr, in dem andern weniger Fähigkeit und Anlage, angesteckt zu werden, obwalten, daher vielleicht manches Pferd trotz dem Beisammensein mit rotzigen unangesteckt bleibt.
4)nbsp; nbsp;Die Versuche, dass Pferde , die bei rotzigen standen , nicht bald darauf den Rotz bekamen, sind indess kein hinlänglicher Beweis, dass die Krankheit gar nicht anstecke, denn sie kann vielleicht erst nach langer Zeit zum Ausbruche kommen. Eben so unvollkommen beweisen aber auch die Versuche, wo Pferde, die mit rotzigen zu­sammenstanden , den Rotz bekamen, die Ansteckungskraft desselben, denn konnten sie nicht schon die Anlage dazu in sich tragen und diese eben jetzt nur erst entwickelt werden?
5)nbsp; nbsp;Die ansteckende Kraft scheint mehr im Nasenrotze, als in der Ausdünstung zu liegen, folglich die Ansteckung mehr auf Auf­nahme des Giftes durch das Maul oder auf Einsaugung desselben durch die Haut unmittelbar des Rotzgiftes, als auf Einsaugung und Einathmen angesteckter Luft zu beruhen.
6)nbsp; nbsp;Bei den Versuchen mit dem mit Wasser gemischten Rotzgift wurde vielleicht eben durch diesen Zusatz die ansteckende Kraft desselben unwirksam gemacht.
sect;. 89.
Wir kommen jetzt zu einem Schriftsteller, der, obwol kein Thier-arzt, dennoch sich vielfach mit Thierkrankheiten abgegeben, dabei sehr klare Beobachtungen gemacht und recht gediegene Schriften herausgejjeben hat. Was er über die catarrhalischen und Drüsen-krankheiten der Pferde gesammelt hat, finden wir in seiner Schrift: lieber Krankheiten der Pferde, gesammelt von G. P. Mogallu 3. Auflage 1801.
sect;• 90.
Druse (Drüse). Diese Krankheit heisst bald Druse, bald Kehl­sucht, bald Kropf, bald Strengel etc. Ihre Ursachen sind heisse Ställe ohne Luft und Licht; grosse Reisen im Frühjahre und zum Anfange des Herbstes; späte Herbst - und zeitige Frühjahrslager; schnelle Veränderungen des Wassers und des Futters; das Reiten in die Schwemme, wenn die Thiere erhitzt sind.
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sect;• 91.
Die Druse befallt Thiere von jedem Alter und öfter als einmal im Leben. Die Druse ist nicht ansteckend. Die Druse wird ein-getheilt:
1)nbsp; nbsp;in die gutartige,
2)nbsp; nbsp;in die bösartige,
3)nbsp; nbsp;in die herumirrende oder verschlagene, 3) in die verdächtige.
Bei der verdächtigen Druse empfiehlt er 2 Quentchen Zinnober, mit Honig zur Latwerge gemacht, und wöchentlich 3mal des Morgens vor dein Futter eingegeben.
sect;• 92.
Vom Rotz. Die aus der Nase rinnende Feuchtigkeit ist das Gift, welches, auf die Oberfläche eines gesunden Thieres gebracht, dieselbe Krankheit in einem Zeitraum von höchstens 15 Tagen bei demselben hervorbringt.
sect;•93.
Lang- und grobhaarige Pferde von gemeinen Racen sind dem Rotze mehr, als Thiere edler Art unterworfen; die Wallachen öfter als Stuten und Hengste ; vor dem 7. Jahre werden wenige Pferde ohne Ansteckung rotzig.
sect;. 93.
Nach der Verschiedenheit der Farbe der Innern Nasenhaut ist auch die Farbe des Ausflusses verändert, und der geübte Pferdearzt kann dieselbe, ohne die Feuchtigkeit zu sehen, daraus sicher be­stimmen *). Pferde, deren innere Nasenhant hochroth und stark entzündet ist, sind vor der Entwickelung des Rotzes gesund gewesen und alsdann ist das herauströpfelnde Wasser hell und durchsichtig und wird nach 5 bis 6 Tagen dick und blassgelb, dass es mit dem Rotze des Menschen einige Aehnlichkeit hat.
sect;. 95.
Sieht die innere Nasenschleimhaut gelbroth aus, so ist das Wasser einer missfarbigen Jauche ähnlich, und der Rotz, in den es sich nach und nach verwandelt, ist dünn und missfarbig. Wenn die innere Nasenhaut bleifarbig aussieht, dann ist das anfanglich heraus­tröpfelnde Wasser trübe und der spätere Rotz dünn, schleimig und
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m iraquo;
*) Amn. d. Verf. Diese Behauptung ist offenbar sehr unrichtig, da kein Thierarzt aus der Farbe der Nasenschleimhaut allein die Krankheit sicher be­stimmen kann. Dies würde -wenigstens zu unendlichen Irrthümern und Miss­griffen führen.
r
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aschgrau. Ist die Farbe dieser Haut braunroth, so ist das Wasser faul, und der nachfolgende Rotz dünn, stinkend und frisst um sich. Diese letztere Rotzmaterie ist unter den bisher angeführten die bos-
'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;artigste; noch schlimmer aber ist diejenige, die grün gefärbt und
blutig ist.
.frnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sect;• 96.
Wenn man bei diesen, scheinbar gesunden Pferden die Drüsen im Kehlgange untersucht, so findet man sie hart und nicht leicht grosser als eine mittelmässige Wallnuss. Bei einem genauem Zu­fühlen ist diese Härte nicht gleichmässig, sondern man hat die Empfindung, als wenn man auf einander gereihete und in einen Knäuel zusammengewickelte Erbsen oder Kirschkerne drückte. Diese besondere Art von Verhärtung, nebst der Veränderung der Farbe an der Innern Nasenhaut ist das erste Kennzeichen des Rotzes. Ob übrigens diese Drüsen nach der, bei den Landleuten üblichen Redens­art, angewachsen sind, oder nicht, trägt zur Vergrösserung oder Ver­minderung der Gefahr nichts bei.
Da man nach allen bisher bekannt gewordenen Erfahrungen noch kein rotziges Pferd ohne verhärtete Drüsen im Kehlgange ge­funden hat, so ist es höchst wahrscheinlich , dass der Sitz des Uebels in den Drüsen und in den, mit denselben genau verbundenen Wasser-gefassen zu suchen ist.
sect;• 98.
Auf die Versuche und Erfahrungen eines Abildgaard und Viborg gründet der genannte Schriftsteller folgende Bemerkungen: h\nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;laquo;Die Vereiterung der Drüsen ist bei dem Rotze weit seltener,
als bei der Druse, geschieht es bei dem Ersteren dennoch, dass die Drüsen eitern, so haben die Pferde den Rotz bekommen ohne vorher den Kropf gehabt zu haben, also höchst wahrscheinlich durch An­steckung.quot;
sect;. 99.
„Nach einigen Erfahrungen scheint das Ansteckungsgift da am meisten zu haften, wo es an der eigentlichen Muskelkraft mangelt, ein Fall der bei den gemästeten Pferden oft eintritt.quot;
„Wird die Rotzmaterie bei derjenigen Temperatur der Luft ge­trocknet , die im Sommer gewöhnlich ist, so verliert dieselbe ihre Ansteckungskraft, wie Viborg über hundertmal erfahren hat. Schon durch die Anwärmung bis zu 45deg; R. verliert nach Abildgaard der Rotzeiter seine ansteckende Kraft.quot;
sect;. iooV
„Ueber die Natur des Wurmgiftes,quot; sagt jener Schriftsteller weiter, „lässt sich nichts Bestimmtes sagen; soviel ist gewiss, dass
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diese Krankheit mit dem Rotze nahe verwandt ist und dass man sienbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
nicht selten beisammen sieht. Oft ist der Kotz die erste Krankheit,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;* , i
und der Wurm gesellt sich später dazu, oft ist es umgekehrt. Allemalnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;j
ist das Uebel ansteckend.quot;
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sect;. 101.
„Die Wallachen und abgenutzten Beschäler sind, so wie die fetten und müssigen Hengste, dem Uebel mehr als die Stuten ausge­setzt. Die weichen Pferde sind demselben mehr als die Pferde von guter Race; die älteren Thiere, die schon über 7 Jahre alt sind, mehr als die jungen unterworfen. Indessen können auch junge Pferde in den Wurm verfallen, wenn sie entweder angesteckt, oder bei der Druse nicht gehörig behandelt sind.quot;
sect;. 102.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ^1 *
„Die Ursachen sind Müssiggang, viel nahrhaftes Futter, wenig Bewegung, schlechte Wärter und warme Stallungen, schlechtes Futter und schlammiges Wasser, häufiges Aderlassen und Purgirennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i
ohne hinlänglichen Grund, schlechte Behandlung der Druse, dernbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; '
alten Wassergesehwülste, der Widerrüstschäden, der veralteten Mauke,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i, I
grosser Wunden ; die Unterdrückung gewöhnlicher Bauchflüsse, dienbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;|
Gemeinschaft mit rotzigen Pferden, oder der Genuss des Futters ausnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; '#9632;
einer Krippe, aus welcher kurz zuvor dergleichen unreine Thierenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ' '
gefressen haben, unterdrückte Ausdünstung oder zu vieles Schwitzen, vernachlässigtes Putzen und Striegeln.quot;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; |y* 4.
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sect;. 103.
„Der Wurm mit der Schnur ist nicht so bösartig, wie der Wurm ohne Schnur. Unheilbar ist die Krankheit immer, wenn sich der Rotz dazu gesellt, oder wenn sie alte Beschäler und abgemattete Wallachen befällt. Mittel dagegen sind Spiessglanzleber und mine-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i '
ralischer Mohr.quot;
sect;. 104.
S. Bell gab seine Meinung über den Rotz in Druck, sie stimmtnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; v
mit der von La Fosse überein. Er bestreitet, dass Rotz und Wurmnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;(
synonym sind und betrachtet beide als ganz verschiedene Krank-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; f
heiten. Bell hat Versuche darüber angestellt, ob Pferde, wenn sienbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; . ]' '
den Ausfluss der Nase von rotzigen Pferden verschlingen, angesteckt werden, und hat in der^That gefunden, dass solche Pferde rotzig wurden.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;quot;
sect;. 105.
Wir kommen jetzt wiederum zu einem der interessantesten und
bedeutendsten thierärztlichen Schriftsteller, der einem Abildgaard und
Viborg würdig zur Seite steht, und der, gleich diesen, höchst interes-
Erdt, Rolzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 4
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sante und lehrreiche Versuche über den sogenannten Rotz der Ein­hufer angestellt und durch deren grosse Genauigkeit viel Licht über diese Krankheit verbreitet hat. Es ist dies E. Colemann. Derselbe hat auch bewiesen, dass Rotz und quot;Wurm synonym, dass sie nur 2 Formen ein und derselben Grundkrankheit sind. Er brachte Rotz
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durch Wurmeiter und Wurm durch Rotzeiter hervor. Er brachte
auch Drüsen rotziger Pferde in den Kehlgang eines Esels, der nach wenigen Tagen die deutlichsten Spuren vom Rotze zeigte; von diesem inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Esel nahm er Rotzmaterie und impfte sie einem andern ein, welcher
dadurch gleichfalls angesteckt wurde. Er versuchte auch die Trans­fusion des Blutes einiger rotzkranker Pferde in gesunde. Zur Heilung hat Colemann innerlich die Salpetersäure empfohlen und versucht, üeber den Hautwurm entwickelt er sehr richtige Ansichten.
sect;. 106.
Wir führen hiermit noch eine andere, nicht minder bedeutende,
englische Autorität unter den thierärztlichen Schriftstellern vor, es
!nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ist dies Delabere Blaine, und wollen untersuchen, was er in seineu
„Grundlinien der Thierheilkundequot; (aus dem Englischen von Dr. W.
jji,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Domeier, 1805) über die catarrhalischen und lymphatischen Drüsen-
;fcnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;krankheiten der Einhufer sagt.
f *nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;• 107.
Er bringt die Druse, den Rotz und Wurm unter die Entzün­dungen der Schleimhäute, den Strengel unter die Geschwüre. Die Druse hält er für eine speeifische Krankheit des Pferdes. Ander.' englische Schriftsteller verglichen sie mit den Pocken, der Bräune, dem Keuchhusten, den Masern und den Windblattern des Menschen. Verf. sagt:
a) „Druse (Verkältung), Catarrhus, Catarrh, Morfondure. Wenn die Krankheit sehr heftige Symptome hat, dann kommt sie einer Peripneumonie sehr nahe, was die ^Franzosen Courbature nen­nen. Druse ist eine Entzündung der Schleimhäute der Luftdurch­gänge , welche ihren Anfang in der Schleimhaut der Nase nimmt. Im Rachen verursacht sie Bräune und an der Spalte der Luftröhre einen leichten Husten. Die Ursache ist jede schleunige Veränderung in der Temperatur der Athmosphäre.quot;
sect;. 108. „Die Druse macht den Ausgang in Ehtzündung der Lungen als den bedeutendsten. Beim erhitzenden Heilplan ergiesst sich gerinnbare Lymphe in die Luftröhre, wovon dasect; Pferd immer ein Schnarchen behält. Wird die Lymphe in die Lnftzellchen ergossen, so entsteht der Dampf (thick wind). Wird der Blutumlauf durch herzstärkende
( Mittel oder zu starke Bewegung zu sehr beschleunigt, so brechen die I
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Luftzellchen, und das Thier bleibt nachher immer herzschlägig (brocken winded). Die Luftröhrenspalte wird vorzüglich reizbar von dem un­gesunden Schleime, der entweder durch eigene Eigenschaften reizt, oder, weil er durch Mangel, oder durch eine zu dünne Beschaffenheit die Wirkung der Luft, des Futters oder Getränkes nicht hinreichend abhält.quot;
sect;. 109.
„Die Druse geht dem Strenge! vorher und ist daher oft die Ursache desselben, deshalb muss die letzte Krankheit auch als eine Endigung der ersten angesehen werden. Mehrere Schriftsteller stimmen darin überein, dass, wenn dieses Uebel lange dauert und der Ausfluss aus der Nase stark ist, der Eotz daraus entstehe.quot;
„Bei heftiger Entzündung ist Aderlass, bei angeschwollenen Halsdrüsen Einreibung von Liniment; bei heftigem Fieber Spiess-glanz, Salpeter mit Seife zu geben. Im Allgemeinen thut Wärme gut. Es ist wahrscheinlich, dass durch den Gebrauch von Niese­pulver der Rotz oft entstehe.quot;
sect;. no.
b)nbsp; nbsp;„Der Stresngel, Strangeis. Französische und andere'Schrift­steller*) vergleichen den Strengel, die Kehlsucht, mit den Menschen­blattern. Es ist eine Entzündung der Drüsen des Kopfes und Schlundes, begleitet von einem eigenen Fieber. Die ansteckende Natur ist nicht erwiesen, wol aber behauptet, dass durch Impfung Mittheilung stattfindet. Das Lieblingsalter des Strengeis ist vom 4. bis 6. Jahre. Die Krankheit fängt mit Fieberzufällen an, dann folgt Husten , Geschwulst aller Speicheldrüsen und ein Ausfluss aus der Nase. Ohne Anwendung von Mitteln gehen die Geschwülste in Eiterung über. Die Heilung erfolgt nach Aufsaugung der Ge­schwülste, Aderlass, Purgier- und harntreibenden Mitteln.quot;
Verf. hat nie beobachtet, dass der Strengel, was La Fosse be­hauptet, sich in Rotz endige.
sect;. Hl.
c)nbsp; nbsp;„Der Rotz, Glanders, la Morve, besitzt ein specifisches Gift; Rotz und Wurm kommen sich in ihrer Natur sehr gleich. DieOzaena d.M. hat man mit dem Rotze verglichen. Der Vergleich ist unpassend, weil die Ozaena durch das Ausziehen eines oder mehrerer Zähne geheilt wird, und weil sie nur ein örtliches und nicht ansteckendes Uebel ist.quot;
sect;. 112. Dieser Schriftsteller hat sich entschieden für die Contagiosität des Rotzes erklärt und dieselbe nachgewiesen , nur meint er, die
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*) Anm. d. Verf. Unter diesen ist auch fälschlich Gibson angegeben der einen solchen Vergleich nirgends aufgestellt hat.
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Ansteckungsfähigkeit des Rotzes sei nicht so leicht, als man gewöhn­lich glaubt. Er behauptet ganz richtig, dass von innern Mitteln beim |fnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rotze mehr zu erwarten sei, als von äussern. Er unterscheidet
raquo;.:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;eine chronische und eine acute Form. Erstere dauert Monate und
Jahre, letztere nur einige Tage.
!:'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;.113.
d) „Der Wurm, Farcy, le Farcin. Die Krankheit scheint eine Entzündung eigener Art der Sauggefasse zu sein, welche, so lange sie sich in diesem Zustande zeigt, leicht gehoben werden kann. Ist aber der ganze Körper durch den Blutumlauf in Mitleidenschaft ge­zogen , so endet sie gewöhnlich in den Tod. Der Wurm entsteht spontan und durch Ansteckung. Von selbst entsteht er häutig aus
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einem Geschwür, wie aus Mauke. Durch diese eigenthümliche
Wirkung entsteht ein Gift, das sich dem ganzen Körper mittheilt und seine zerstörenden Wirkungen entweder auf die tiefer gelegenen Saugadern, auf die Schleimhaut der Nase, oder auf die Lungen selbst äusserst.quot;
sect;• 114. „Jeder Theil des Körpers leidet an diesem Uebel, vorzüglich aber sind ihm der Kopf, der Hals und die äussern Gliedmassen , be­sonders die hintern, ausgesetzt. Die Wurmbeulen entstehen dadurch, dass das Wurmgift an die Klappen der Saugadern geht und hier Ent­zündung und Anschwellung hervorbringt. Es ist dies auch die Ur­sache des langsamen Fortschreitens der Krankheit.quot;
'#9632;#9632;:raquo;:#9632;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;.115.
„Die Heilung erfolgt nach Zerstörung der Knoten, innerlicher Anwendung aller Quecksilbermittel, am besten des salzsauren Queck­silbers, in starken Gaben. Man macht den Anfang mit 5j Morgens und Abends, mit Hafergrütze zur Pille, und steigt nach und nach bis *)jj.
li, (nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Ist die Schwäche und Reizbarkeit für dies Mittel zu gross, so ge-
braucht man statt des Sublimats 5j Calomel und täglich 3mal 5j Grün-. 'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;spahn in steigender Gabe.quot;
sect;. 116. J. White, ebenfalls eine der bedeutendsten englischen Autoritäten auf dem Gebiete der Thierheilkunde, hat uns in seinen Werken viele, höchst interessante und lehrreiche Versuche, Beobachtungen und Er­fahrungen hinterlassen und dadurch nicht nur die Ansichten seiner besten Vorgänger und Zeitgenossen bestätigt und erweitert, sondern er hat die Wissenschaft auch durch manche neue schöne Wahrheit bereichert. Seine vielfachen Versuche sind denen eines Abildgaard, Viborg und Colemann ähnlich, und steht dieser Mann in Hinsicht seiner Verdienste um die Thierheilkunde und die Wissenschaft über­haupt jenen vollkommen gleich. Seine Versuche, namentlich die
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53nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,. raquo;#9632;
über die Drüsenkrankheiten der Einhufer, und in specie über Rotznbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;;
und Wurm, sind mit der genauesten Gewissenhaftigkeit und mitnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;:'T
scharfer Beobachtungsgabe ausgeführt worden, und noch heute be­rufen sich die besten Schriftsteller auf ihn als eine der ersten Autori-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ..) täten. Seine Bereicherung der Materia medica ist bekannt. wl
sect;• 117.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;fi
Wir wollen zunächst sehen, was er in seinem Handbuch der Pferderarzneikunde, (nach der 9. Auflage aus dem Englischen von Victor v. Mueller 1813) über die eatarrhalischen Krankheiten des Pferdes sagt und dann weiter zu den lymphatischen übergehen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;•quot; .
sect;. 118.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.H ..
„Strengel, Strangles, ist eine Krankheit, der die jungen Pferdenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; lt;
zwischen dem 3. und 5. Jahre häufig unterworfen sind, sie bestehtnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;f *
in einer Entzündung des Oberhäutchens des Schlundes und der Nase, so wie in einer Anschwellung der Drüsen zwischen den Kinnbacken, welches Alles mit Husten und dickem weissem Ausfluss der Nasenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i
vergesellschaftet ist. Zuweilen finden sich auch Halsschmerzen mit Beschwerde im Schlucken.quot;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; raquo;
„Die entzündeten Drüsen gehen gewöhnlich sehr bald in Suppu­ration über. Es giebt Fälle wo der Strengel mit einem beträchtlichen Grade von Fieber begleitet ist und derS.chlund oft so entzündet wird, dass das Pferd weder Futter noch Getränk schlucken kann *).
sect;. 119.
Den Catarrh betrachtet White beim Pferde als eine besondere
Krankheit, er sieht ihn für eine Entzündung der Schleimhaut, womit die innere Oberfläche der Nase, der Gurgel, der Luftröhre etc. über­
zogen ist, an. Hier räth er den Aderlass im Beginn der Krankheit an. Von der Druse handelt er nicht.
sect;.120.
lieber Kotz und Wurm theilt uns der Verf. Folgendes mit:
a) „Rotz. Diese Krankheit ist ansteckend und bis jetzt unheil­bar. Die angeschwollenen Drüsen am Hinterkiefer sind jedesmalnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i unbeweglich.quot; '%.$
„Wenn wir den Ursprung, die Fortschritte und die Symptome
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des Rotzes näher beleuchten, so findet sich eine auffallende Analogienbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; j
zwischen diesem und dem venerischen Uebel des Menschen. Wird
Rotzmaterie in die Nase eines Pferdes gebracht, so wird Entzündung und Ausfluss von Materie daraus erfolgen, und diese Materie wird
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eben dieselben giftigen Eigenschaften besitzen, wie diejenige, durch welche sie zuerst hervorgebracht wurde; wie bei der venerischen Materie.quot;
*) Anm. d.Verf. W. nennt hierdasStrengel, wasAndereDruse, und wieder Andere Kropf, nennen, er widerrath daher auch beim Strengel den Aderlass.
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sect;. 121. „Applicirt man dem Pferde Rotzmaterie auf eine feine Haut­stelle , oder wo diese abgeschabt ist, so wird dadurch ein Chancre hervorgebracht, oder, wie man es gewöhnlich nennt, ein Wurmge­schwür erzeugt: die benachbarten Glandeln werden entzündet und schwellen an, das Gift geht nach einiger Zeit in das Blut über und das Pferd wird vollkommen rotzig, indem es zu gleicher Zeit an der­jenigen Krankheit leidet, welche man den Wurm nennt; wie bei der venerischen Materie.quot;
sect;. 122. „Wenn Rotzmaterie auf die Haut eines rotzigen Pferdes gebracht wird, gleichviel ob sie von ihm selbst, oder von einem andern rotzigen Pferde entnommen ist, so bleibt sie ganz ohne Wirkung; wie bei der Venerie.quot;
sect;. 123. b) „Wurm. Diese Krankheit findet sieh auf der Haut im Arer-laufe der Sangadern, die benachbarten Glandeln sind gewöhnlich entzündet und von einer Absorption des Giftes angeschwollen. Nimmt man rotzige Materie von einem wurmigen Geschwür und impft sie der Haut ein, nachdem das Oberhäutchen abgeschabt oder zerrissen ist, so wird ein Chancre oder faules Geschwür hervorgebracht, welches man sehr leicht von jedem andern dadurch unterscheiden kann, dass es ein besonderes, fauliges Ansehen und dicke Ränder hat, wobei dessen Ausfluss in einer dünnen schleimigen Materie besteht. Es verbreitet sich gewöhnlich sehr schnell und lässt sich niemals gesund oder röthlich an.quot;
„Zuweilen sind die Fortschritte der Krankheit ausserordentlich reissend und schnell, zu andern Zeiten aber greift das Uebel nur sehr langsam um sich.quot;
sect;. 124. White brachte in Rotzeiter getauchte Leinwand in Berührung mit den Nasenlöchern gesunder Pferde und zwar längere Zeit, ohne dass Ansteckung erfolgt wäre. Er glaubt daher, dass diese in der Regel vom Magen aus, wenn Rotzeiter verschluckt wird, stattfinde. Er hat hierüber auch Versuche angestellt, wie Bell, und beobachtet, dass sich der Rotz entwickele, wenn gesunde Pferde den Ausfluss von rotzigen verschlingen. Er behauptet, dass der Rotzeiter gleich sicher ansteckt, von welchem Aussehen er auch sei.
sect;• 125. Dr. Georg Parkher, Esq. (Dei; englische sicher und geschwind heilende Pferdearzt, ins Deutsche übersetzt, 1820) meint, zwischen Strengel und Druse ist der Unterschied , dass Ersterer nicht an­steckend ist. Die Druse ist eine dem Pferdegeschlecht eigene Krank-
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heit, womit alle, nur in dem Alter verschieden, befallen werden. Kropf ist eine eigene Krankheit des Pferdes, die besonders bei rauher und starker Luft im Frühjahre , Herbst oder Winter eintritt, sie hat ihren Sitz am Halse hinter den Ganaschen und ist leicht zu erkennen.
sect;. 126. . Dieser Schriftsteller verwechselt die Druse mit der Bräune, was aus seiner Angabe der Kennzeichen zu entnehmen ist. Ueber Rotz spricht er keine Ansicht aus. Vom Wurm sagt er, dass derselbe an verschiedenen Theilen des Körpers, besonders aber an der Hals-, Schrank - und Sporader, wo sich auch öfters noch bösartige Drusen hinzusetzen, sichtbar wird. Sobald sich aber der Wurm ohne be­sagte Druse zeigt, lässt sich immer eine glückliche Heilung hoffen.
sect;. 127. Wir haben bisher eine Menge der verschiedenartigsten Ansichten, Angaben und Beschreibungen der Schriftsteller der neuern Periode über die catarrhalischen und lymphatischen Krankheiten der Einhufer mitgetheilt, und finden, dass dieselben uns in ein so dunkles Chaos führen, in dem sich kaum zurecht finden lässt. Was der Eine be­hauptet, bestreitet der Andere, und wer nicht nach Originalität hascht und das Neue nur um des Neuen willen aufstellt, klammert sich an sogenannte Autoritäten und betet Vorgängern und Zeitgenossen nach.
sect;• 128. Wir finden in den Schriftstellern nicht nur den Widerspruch und Irrthum in den unwesentlichen Dingen, wie in Namen u. dgl., sondern wir finden ihn auch, und in noch grösserm Maasse, in dein Wesentlichen, wie in Sitz, Natur, Diagnose, Ursachen, Heilung und, vor Allem, in den Eigenschaften dieser Krankheiten, namentlich der Contagiositäl. Die wichtigste und wesentlichste Form der lym­phatischen Krankheiten. die wir gewöhnlich Rotz benennen, ist die­jenige , die zu den meisten und heftigsten Widersprüchen und Diver­genzen geführt hat, und es ist in der That merkwürdig, wie am Ende des vorigen und am Anfange dieses Jahrhundert noch, selbst bis in die 20ziger Jahre des letztern hinein, wo doch die Thierarzneikunde sich bereits zu einem Studium und auf die Stufe einer systematischen Wissenschaftlichkeit erhoben hatte, wo sich bereits so viele gediegene Männer ausschliesslich mit ihr beschäftigten, die Contagiosität des Rotzes nicht nur bezweifelt, sondern sogar heftig bestritten werden konnte.
sect;. 129. Die Einen fanden, das Uebel sei lokal, die Andern, es sei allge­mein ; die Einen, es sitze in der Schleimhaut der Nase, die Andern, es sitze in sämmtlichen Schleimhäuten ; die Einen es sitze im Lymph-
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gefasssystem, die Andern, in der Blutmasse etc. So verschieden wie hier, tauchten die Ansichten über Natur der Krankheit, ihre Diagnose, Ursachen und Heilung auf. Die Einen erklärten die Krankheit für identisch mit dem Wurm , die Andern bestritten dies; die Einen erklärten Rotz und Wurm für gleich ansteckend, die Andern nicht, noch Andere behaupteten wieder, dass der Rotz nicht an­steckend sei, rechneten aber den Wurm zu den contagiösen Krank­heiten, und endlich wieder Andere sagten, der Rotz sei zuweilen ansteckend, zuweilen nicht.
sect;.130.
Das meiste Licht über diese Widersprüche haben die gelungenen, interessanten und wissenschaftlichen Untersuchungen, Versuche und Beobachtungen Abildgaard's, Viborg's, Colemanns und White's ver­breitet, und schon in dieser Beziehung haben diese Männer um die Wissenschaft wie um das Volkswohl sich ein unsterbliches Verdienst erworben. Zu bewundern ist es nur, dass noch lange, nachdem ' schon durch diese Versuche die Contagiosität des Rotzes ausser allen Zweifel gestellt und evident erwiesen war, denselben, sowie den Männern selbst gegenüber, dieselbe immer noch, und selbst von aus­gezeichneten und gelehrten Fachmännern, in Zweifel gestellt und bestritten wurde. Mit einer gewissen Hartnäckigkeit leugneten sie die Contagiosität der Rotzkrankheit mit dem Wurme; sie veranlassten dadurch einen vieljährigen heftigen Streit, beriefen sich theils auf eigene Ansichten, Versuche und Beobachtungen, und stützten anderer­seits sich auf Autoritäten , die sie theils miss verstanden, oder deren Aussprüche sie andererntheils missdeuteten, ihren Ansichten ent­sprechend formten, oder auch wol absichtlich und unabsichtlich miss­verstanden. —
sect;• 131.
Fragen wir nach den Ursachen dieser Erscheinungen, so müssen wir dieselben in mancherlei Umständen finden. Einige der betreffen­den Schriftsteller hatten ihre Ansichten über die Natur der Krankheit aufgestellt und sie mit andern Krankheitszuständen bei Thieren wie bei Menschen verglichen, mit denen der Begriff der Contagiosität nicht in Einklang zu bringen war, vielmehr in Widerspruch stand, und, um jene aufrecht zu erhalten, mussten sie diese leugnen, und, um nicht einen Irrthum eingestehen zu müssen, bestritten sie lieber die Contagiosität.
sect;. 132.
Andere, und dies geschah sehr vielfach, verkannten die Krank­heit , verwechselten sie, indem sie .ein oder das andere auffallende Symptom für die Krankheit selber nahmen, und so konnten sie natür­lich in vielen Fällen, wenn sie Uebertragungsversuche machten, eine Ansteckung nicht bewirken, denn der vorliegende Krankheits-
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fall war nicht Rotz, sondern eine andere Krankheit gewesen. Die Namen der Krankheit trugen schon wesentlich dazu bei, Krankheits-zustände für Rotz zu erkennen, die dies noch gar nicht waren und auch nie wurden. so z. B. der eben genannte veranlasste in jener Zeit Manchen, bei jedem pathologischen Ausfluss aus der Nase (Rotz beim Menschen, namentlich bei kleinen Kindern) das betreffende Pferd, Esel etc. für rotzig zu erklären, und mochte es oft der indifferenteste Ausfluss sein, der deshalb, auf gesunde Thiere übertragen, keine Krankheit hervorbringen konnte. Wie oft übrigens der Name einer Krankheit das Publicum sowol, wie selbst Fachmänner zu den ge­fährlichsten Irrthümern bei der Diagnose von Krankheiten verleitet hat, dies haben uns vielfach die Namen: Milzbrand, Löserdürre, Wasserscheu bei Thieren bewiesen.
sect;. 133.
Andere hielten die Geschwüre in der Nase für die Krankheit selbst, und ohne den eigenthümlichen Character dieser Geschwüre festzustellen, verwechselten sie dieselben mit jeder andern Art von Verletzung auf der Nasenschleimhaut, und so passirte bei ihnen jede erodirte, corrodirte, oder sonst wie verletzte und geschwürige Nasen­schleimhaut für Rotz, wie wir dies schon bei La Fosse finden, wenn er behauptet, dass fremde Körper, wie Holzsplitter etc. in der Nase den Rotz hervorrufen könnten, dass er durch scharfe Einspritzungen in die Nase den Rotz erzeugen könne etc.; ein Irrthum der lediglich auf jener falschen Ansicht beruht, wie eine falsche Voraussetzung jedesmal nur einen unrichtigen Schluss zulässt. Natürlich konnte nun von sehr vielen Pferden, die La Fosse, und mit ihm Andere nach seiner Theorie, für rotzkrank erkannten, eine weitere Ueber-tragung der Krankheit, also eine Ansteckung, nicht ermöglicht werden, und somit bei ihm wie bei vielen Andern die Ansicht, dass der Rotz nicht contagiös sei, Platz greifen.
sect;• 134.quot;
Obwol La Fosse selbst kein unbedingter Anticontagionist war, so hat er namentlich in Frankreich, so ziemlich mit den ersten Impuls zu jenem gefährlichen , später so verderblich gewordenen Irrthum und Streit über die Contagiosität des Rotzes gegeben, der um so mehr Ausdehnung gewinnen masste , als La Fosse stets für eine der ersten thierärztlichen Autoritäten gegolten hat und deshalb eine sehr grosse Anzahl von Nachbetern und Abschreibern erhielt, die alk-seine Ansichten adoptirten. Obwol La Fosse ferner einen ächten und unächten Rotz anerkennt, vom Ersteren die Contagiosität be­hauptet, die er nur beim Letztern nicht zugiebt, woraus wir allerdings eine auffallende Täuschung jenes Schriftstellers erkennen müssen, so hat diese doch dem Lande, in welchem sie stattfand, unberechen-
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baren Schaden zugefügt. Seine Nachbeter fanden zum Theil mehr, sie fanden, dass der Rotz überhaupt nicht anstecke, sie verstanden La Fosse nicht, oder wollten ihn nicht verstehen, sie übergingen seine
tnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Unterscheidung der Krankheitsform, und spätere, entschiedene Anti-
*nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;contagionisten beriefen sich sogar, wiewol mit grossem Unrecht,
.j,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;auf ihn.
'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sect;. 135.
Alle diese beregten Irrthümer, sowie die später vorgekommenen, über den Rotz, sind die Folgen der Verwechselung der Wirkung mit der Ursache, und wie weit dies führen kann, zu welchen immensen Ver­lusten dies geführt hat, werden wir später noch sehfin. Viele der späteren thierärztlichen Schriftsteller, welche jenem unseeligen Irr-thum sich hingaben und den Streit darüber führten, wurden von Au­toritäten dazu verleitet, Andere schützten sie vor und beriefen sich
'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;auf sie. Zwei solche Autoritäten waren schon, wie wir gesehen haben,
die beiden La Fosse, es waren Robertson, Bracken, Camper, Jung,
'lt;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Kersting etc. Vor Allen war es Camper, der hier als gewichtigste
!nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Autorität galt, und auf den sich die Hauptgegner der Contagiosität
beriefen, da Camper nach seinen Versuchen sich für die Nichte onta-giosität des Rotzes ausgesprochen hatte, ein Umstand, der allerdings wunderbar erscheinen musste, da man annehmen konnte, dass ein so scharfer Beobachter und grosser Gelehrter wie dieser, dessen Ur-theil allerdings schwer ins Gewicht fallen und Aufsehen erregen,* sowie Gläubige finden musste, nicht einen derartigen Ausspruch thun wurde, ohne dass er die volle Ueberzeugung von der Sache ge­schöpft hatte. Wir können allerdings auch hier nur annehmen, dass Camper aus denselben Veranlassungen, die wir schon angegeben haben, wie viele Andere, zu dem gedachten Irrthum geführt worden ist.
sect;. 136. Vor Allen sind es eine Menge französischer Thierärzte und Schrift­steller, darunter einige von hohem Ruf, von denen die Contagiosität des Rotzes geleugnet worden ist. Diese Meinung, die viele Anhänger und Verehrer, mehr noch unter den Laien als unter den Thierärzten fand, verbreitete sich leicht und allgemein und fand, namentlich in Belgien und Holland, wo bereits der Camper'sche Ausspruch wirksam gewesen war, sehr vorbereiteten und fruchtbaren Boden. Auch in Deutschland und England fand zwar jene Meinung einige Anhänger, doch konnte sie in diesen Ländern nie so recht und in dem Maasse, wie in jenen, Wurzel fassen, und wurde sie hier meistens recht bald und gründlich durch getreue und aufmerksame Beobachtungen und Ver­suche, und namentlich nach dem Bekanntwerden derjenigen von Viborg, Colemann und White, ausgerottet. Nur in dem stabilen Oesterreich, in welchem ebenfalls einige Autoritäten sich für die Nichtcontagiosität
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ausgesprochen, wenigstens doch das G-egentheil in Zweifel gestellt hatten, hielt sich jene falsche Ansicht bis in die neuere Zeit. Erst die bittersten Erfahrungen, die immensesten und unberechenbarsten Ver­luste der Regierungen und der ünterthanen in denjenigen Ländern, wo jener Irrt hum Anerkennung fand, konnten jene schädliche Meinung umstossen und zu einer richtigen Erkenntniss und Einsicht in die Sache führen und somit Massregeln hervorrufen, durch welche jener verheerenden Krankheit ein wirksamer Damm entgegengesetzt wurde.
sect;• 137. Während man auf der Lyoner Thierarzueischule die Rotzkrank­heit stets scharf im Auge beliielt, sie aufmerksam beobachtete und durch gründliche, beständig fortgesetzte Versuche über die Ansteckungs­fähigkeit derselben die üeberzeugung von der Contagiosität der Krank­heit als Resultat schöpfte, lehrten mehrere Professoren an der Al-forter Thierarzueischule mit Sicherheit, dass der Rotz nicht ansteckend sei. Diese Lehren nahmen die Zöglinge dieser Anstalt in sich auf, und, ohne eine Ahnung von der Ansteckungsfähigkeit jener Krankheit zu haben, betraten sie ihre practische Laufbahn, entweder als Privat-thierärzte, oder als practische Thierärzte bei Staatsanstalten, Gestüten, Depots oder Cavallerie-Regimentern, und machten hier ihre Ansichten nicht nur practisch geltend, sondern verbreiteten sie auch als eine unfehlbare Theorie im Publicum. Die enormen Folgen dieser gefahr­lichen Theorie traten natürlich bald genug in einer Weise auf, wovon man keine Ahnung hattlaquo;, noch haben könnte.
sect;. 138. Die Rotzkrankheit trat an verschiedenen Puncten des Landes in vielen Privatställen auf, und herrschte in denselben viele Jahre lang, während man immer noch an die Nichtansteckung glaubte, und erst nachdem sie ein-, zwei- und dreimal den stets erneuten Pferdestand fortgeratft hatte, öffnete man die Augen und sah, dass die Krankheit ansteckend sei. Bei den Regimentern Hess man rotzkranke Pferde mit den gesunden zusammen stehen, oder stellte sie zusammen und ver­breitete auf diese Weise die Krankheit methodisch. Sie zeigte und verbreitete sich danach in Frankreich in vielen Regimentern und in köniirlichen wie in Privatstutereien. Rotzige Pferde wurden, so sehr auch die Sanitäts - Polizei dagegen zu wirken bemüht war, im Ge­heimen einzeln, aber auch öffentlich auf Märkten in ganzen Massen verkauft, und so .verbreitete sich die Krankheit sehr bald in schrecken­erregender Weise über das ganze Land. Vorzugsweise waren inficirt die Arondissements Montreuil-sur-Mer, Boulogne-sur-Mer, Saint-Omer. Das ganze Departement Pas de Calais war inficirt, und selbst in dilaquo; benachbarten Departements verbreitete sich die Krankheit, die eigent­lich ihren Ursprung bei den Pferden eines einzigen Fuhrmanns ge-
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nommen hatte. Diese seuchenartige Ausbreitung des Rotzes fand statt in den Jahren 1807 und 1808, nachdem sie schon 1776 einmal seuchenartig in Frankreich geherrscht hatte. Die Nichtcontagionisten beschuldigten bei jener Seuche mit Unrecht die Nahrungsmittel. Etienne beobachtete den Rotz mehrere Jahre enzootisch in Moulins, wo theils die Lage des Aufenthaltsortes, theils die schlechte Beschaffen­heit des Heues als Ursache angegeben ist.
sect;. 139.
In ähnlicher Weise trat die Rotzkrankheit in Belgien auf, und Oesterreich giebt uns in einem einzigen grossen Beispiel den Beweis von der gewaltigen verheerenden Kraft einer ansteckenden Krankheit und dem grossen Unheil, welches eine irrige Ansicht über ihre Natur verschulden kann. Wir meinen das Beispiel, welches uns das grosse kaiserlich - königliche Militairgestüt Mezohoegyes in Ungarn ge­geben hat.
sect;. 140.
Dieses auf einer Kronländerei Ungarns in dessen ebener Pussten-Gegend im Anfange dieses Jahrhunderts auf einer Fläche von einigen 40,000 n Joch im grossartigen Maassstabe angelegte Gestüt, in welchem eine Menge der verschiedenartigsten Pferderacen vereinigt wurden, hatte ursprünglich die Bestimmung, unter Leitung einer Civilverwaltung, Remonten für die österreichische Cavallerie zu er­ziehen. Von der Productionskraft des Bodens hatte man einen sehr hohen Begriff, der sich nach und nach zu einer gewissen Ueberspan-nung steigerte, so dass man die Idee fasste, auf diesem einzigen Gestüt so viel Pferde zu produciren, um damit die ganze österreichische Armee zu remontiren. Gleichzeitig fasste man die Idee, die Pferde hier halb wild zu erziehen, d. h., sie Sommer und Winter im Freien zu lassen. Man hatte keine Ställe, man baute Schuppen zu Unterständen für die Pferde und zum Unterbringen einigen Winterfuttßrs, liess indess die Pferde nach Willkür von demselben fressen, liess Hengste und Stuten frei untereinander umhergehen und sich wild paaren. Die Fohlen liess man mit den alten Pferden , bis sie verwachsen waren, zusammen und fing sie dann, je nachdem sie gebraucht wurden, ein.
sect;• Ul. Anfangs hatte man nur die geringe Zahl von einigen tausend Pferden zur Begründung dieses Gestüts hier placirt und so lange dies statt fand, kam kein Unfall von Bedeutung vor, je mehr sich aber die Idee von der Productionskraft des dortigen Bodens steigerte, desto mehr wurde auch die Zahl der dort zur Zucht zu verwendenden Pferde ver-grössert. Wie man aber die Ideefassl'e, aus diesem einzigen Gestüt die ganze österreichische Armee zu remontiren, da steigerte man die Zahl der dortigen Pferde ins Ungeheure, und so wurden im Jahre 1809 nach
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der Reduction der österreichischen Armee, die auf den Friedensschluss nach der Schlacht von Wagram erfolgte, alle von der Armee abge­gebenen Stuten und Hengste, die den Feldzug bis dahin mitgemacht hatten, als Zuchtpferde auf das Gestüt Mezehoegyes gebracht und hier ganz sich selbst überlassen; so dass man durch diesen Zufluss die Zahl der Pferde dieses Gestüts zu der ungeheuren Höhe von 17,000 steigerte.
sect;. 142.
Unzweifelhaft brachten diese Pferde schon manchen ausgebilde­ten, ansteckenden Krankheitsstoff mit, andere waren inficirt und noch andere trugen in Folge der Feldzugsstrapazen, Entbehrungen und schlechten Behandlung den Ent wickelungskeim zu ansteckenden Krank­heiten in sich, da man überdem in dem guten Glauben, dass die Rotz­krankheit nicht ansteckend sei, bei der Auswahl der Pferde un­zweifelhaft ohne alle Wahl und Vorsicht in Beziehung auf die Drüsen­krankheiten zu Werke gegangen ist. Vielleicht ohne genügende Sach-kenntniss, jedenfalls aber einer so grossartigen Anlage und einer so ungeheuren Zahl von Pferden an Kraft nicht gewachsen, war die Aufsicht mangelhaft, das Gestütspersonal zu schwach. Im Herbst kamen die Pferde an, abgehungert und abgemattet waren sie, die Weide reichte nicht aus, die vorhandene war bald verzehrt, der Hunger trat neben schlechtem rauhen Wetter ein, die Pferde gingen und lagen auf kahler und feuchter Erde und frassen allen Schmutz ein. Winter-vorräthe waren nicht in hinreichender Menge herbeigeschafft, und auch diese waren bald aufgezehrt, und so dauerte der Hunger den Winter hindurch. Die Pferde gingen , wo sie wollten, sie konnten nicht gehütet werden, zu Hunderten entliefen sie über die Grenzen des Gestüts, sich Nahrung auf andern Gebieten suchend, zu Hunderten erlagen sie dem Hunger.
sect;. 143.
Unter diesen Umständen konnte es nicht fehlen, dass jede Spur mitgebrachten Ansteckungsstoffs sich zur höchsten Potenz steigerte, dass jede mitgebrachte Infection zur vollständigen Krankheit sich aus­bildete , dass jeder Keim zur Krankheit sich zur vollständigen Blüthe und Frucht entwickelte, und dass jeder Saame zur Krankheit hier einen sehr reichen und fruchtbaren, gut vorbereiteten Boden fand, auf dem er sich ungehindert ausbreiten konnte, üeberdem waren hier die genügendsten Veranlassungen zur spontanen Entwickelung aller lym­phatischen, kachectisehen und typhösen Krankheiten gegeben. Diese blieben dann natürlich auch nicht aus, und schon im Herbste 1809 zeigten sich catarrhalische und lymphatische Krankheiten in bedenk­licher Ausbreitung. Diese vermehrten sich im Laufe des Winters und arteten in Rotz und Wurm aus, dazu gesellten sich bösartige Mauken-
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ausschlage mit Fussgeschwülsten, Kachexieen, Wassersüchten, tuber-laquo;ulöse Lungenaff'ectionen und Schwindsuchten; Krankheiten die eine Menge Pferde fortrafften.
sect;.144. Die meisten dieser Krankheiten ergriffen das Lymphsystem und arteten in Rotz und Wurm in allen Formen aus, so dass im Frühjahr und Sommer des Jahres 1810 diese Krankheitsformen nicht nur in dem Gestüte selbst schon ziemlich allgemein geworden waren, sondern sich auch schon, über die Grenzen desselben hinaus, auf andern Ge­bieten durch die hinübergelaufenen Pferde verbreitet hatten. An An­steckung dachte und glaubte hier noch Niemand, und so weideten rotzige, wurmige, maukige etc. Pferde neben gesunden, auf derganzen Gestütsfläche verbreitet und die Nachbargrenzen nicht verschonend, in ungestörtem Frieden beisammen. Der grösste Wahnwitz, den man natürlich lediglich dieser schwachen und unwissenden indolenten, technischen Gestütsverwaltung, die den Wald der Bäume wegen nicht sah, zur Last legen musste, sprach sich darin aus, dass die ungeheuren Verluste an Pferden , welche diese Krankheiten herbeiführten , denn sie rafften in progressiver Steigerung unstreitig eine ungeheure Menge Pferde weg, stets durch neue ergänzt wurden, und so führte man dem Brande stets neuen Brennstoff zu, und obwol man im Jahre 1810 be­reits anfing, viele Pferde für unheilbar zu erklären und abzuschlachten, so wurden bis zum Jahre 1812 alle diese Verluste immer noch durch neuangekaufte Zuchtpferde ersetzt. So kaufte man z.B. im Jahre 1811 in der Moldau 1100 Zuchtstuten auf und placirte sie in diesem Gestfit etc.
sect;. 145. Erst im Jahre 1812 schien die Langmuth der k. k. Regierung in Wien erschöpft. Es wurde eine sachverständige Commission von hier aus in das Gestüt gesendet, die sofort die Untersuchung begann. Es wurde der Rotz und Wurm von dieser für contagiös und die hier herrschende Krankheit für Rotz und Wurm erklärt. Man fand sämmt-liche Pferde, sämmtliche Baulichkeiten und das ganze Bodenareal des Gestüts inficirt. Die bisherige Gestütsverwaltung wurde entlassen und eine neue energische, militairische Gestütsverwaltung eingesetzt, wie überhaupt tüchtige technische Kräfte hier angestellt und die ganze Einrichtung auf militairischen Fuss organisirt. Es wurde ein Caval-lerieregiment zur Dienstleistung hierher commandirt. Es wurden in diesem einzigen Jahre hier 12,000 Pferde des Rotzes wegen getödtet, es wurden sämmtliche Baulichkeiten niedergebrannt, sämmtliche Uten­silien , Geschirre und Geräthschaften durch Feuer vernichtet; das Gestüt wurde in eilf Abtheilungen eingetheilt, neue Wirthschaftsge-bäude aufgeführt, Ställe und Futterräume erbaut, die Pferde in Ställen untergebracht; die wilde Zucht eingestellt, Hengste, Stuten und Füllen nach den Jahrgängen , Schlägen und Racen getrennt; das Areal in
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Koppeln, Weiden und Fulterschläge eingetheiltetc, und einCabinets-befehl bestimmte von nun an, als Maximum der hier zu ernährenden Pferdekopfzahl, die Summe von 6000 Stück, welche nicht über­schritten werden dürfe.
sect;. 146.
. Doch war mit diesen umfassenden, energischen und durchgreifen­den Massregeln immer noch nicht die Rotzkrankheit getilgt, sie loderte immer wieder von Neuem mehr und weniger auf, so aufmerksam und strenge man auch mit ihr verfuhr. Sie behauptete ihre Herrschaft trotz­dem bis 1816 und tödtete bis dahin noch eine Menge Pferde, so dass sie im Ganzen ungefähr 20,000 Stück zum Opfer für die unseelige Idee der Nichtcontagiosität des Rotzes gefordert hatte. Man sah bald ein, dass die ganze Weide des Gestüts, mithin der ganze Grund und Boden desselben inficirt, d. h. mit Rotzcontagium gesättigt war, und dass an eine gründliche und nachhaltige Tilgung jener entsetzlichen Seuche nicht eher zu denken sei, bevor man nicht jenen Boden des-inficirt, d. h. umgeschaffen hatte. Deshalb wurde die grossartige Arbeit beschlossen und ausgeführt, das ganze Gestütsterritorium um-zurajolen, und so nahm man Schlag für Schlag vor, rajolte den Boden mehrere Fuss tief um und säete ihn mit neuen Futterkräutern an, und erst, nachdem dies geschehen war, 1816, erschien die Seuche als voll­ständig getilgt. Der Schade, den hiernach die Botzkrankheit in diesem einzigen Institut angerichtet hat, ist auf sechs Millionen Gulden be­rechnet worden.
sect;. 147.
Während diese und ähnliche Vorgänge sich ereigneten und als Beispiele auftraten, welche mehr als alles Andere den evidentesten Beweis von der Contagiosität des Rotzes lieferten; während mehrere der genannten ausgezeichneten Fachmänner, durch ihre gründlichen Forschungen und Versuche jene längst schon erwiesene Eigenschaft der Krankheit wiederholt erwiesen und bestätigten; während die ge­lehrtesten Professoren der Thierarzneischule zu Lyon jene Versuche wiederholten und für die Contagiosität mit Energie und Beweisen in die Schranken traten, während in den meisten Ländern alle, in Frank­reich mehrere gewichtige Anticontagionisten in die Reihen der Con-tagionisten übertraten; während der Irrthnm der Nichtcontagiosität sich so furchtbar rächte und unsägliches Leiden über viele Gegenden brachte, stritt man sich in Frankreich immer noch um die Wahrheit, und einige Alforter Professoren, mit der rückwärts schauenden Hälfte des Januskopfes, lehrten immer noch die Nichtcontagiosität des Rotzes, da sie sich schämten, ihren Irrthum einzugestehen, lieber Elend über das Land brachten und ihre Zöglinge erst durch theure Erfahrung zur Erkenntniss der Wahrheit kommen Hessen. —
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sect;. 148.
Man beschuldigte den alten Chabert der Anticontagiosität mit Unrecht; man berief sich vorzugsweise alaquo;f ihn, da er, sein ganzes Leben hindurch die Contagiosität des Rotzes behauptend, vor seinem Ende seinen Irrthum noch eingestanden haben soll. Er wurde indess gerechtfertigt. Chaumontel, Fromage deFeugre, Dupuy, Godine d. j-. Rodet, Morel, Louchard, Gosson waren die entschiedensten Anti-contagionisten in Frankreich, und einer der eifrigsten, überzeugtesten und überzeugendsten, daher gefährlichsten, war der letztere. Ihre Schriften und Lehren verbreiteten sich sehr und fanden viel Aner­kennung und Nachbeter, daher sie viel schadeten.
sect;. 149. In der Mitte standen die beiden La Fosse und Bourgelat nebst andern mit ihrer Doppelansicht der Contagiosität. Auch sie hatten ihre Parthei in einem Heer von Anhängern und Nachbetern.
sect;. 150.
Die zweite Parthei unter den Schriftstellern und Fachmännern, jedenfalls am bedeutendsten vertreten, nicht aber sowol von umfang­reichster Wirksamkeit, war die der Contagionisten. Es waren dies in Frankreich : Solleysel, La Gueriniere, Chabert, Gaspard Saunier, Gar-sault, Desplas, Vitet, Gilbert, Volpi, Gohier, Huzard, Courbebaisse, Guillaume u. A. Es konnten diese ausgezeichneten Männer, unter denen besonders Gohier und Huzard hervorragten, nicht so wirksam sein, wie ihre Gegner, weil eben der Glaube an die Meinung dieser nicht so unbequem und unangenehm war, als der an die entgegengesetzte Ansicht.
sect;• 151.
Dupuy sieht die Druse als eine Wirkung der Tuberkelkrankheit an. Den Rotz der Pferde hält er für eine Tuberkelkrankheit. Er nimmt einen versteckten Rotz an und sagt: bei diesem entwickeln sich die Tuberkeln, ohne bei Lebzeiten des Thieres irgend ein erkennbares Symptom hervorzubringen. Erst im zweiten Stadium, wo der Rotz zu einem offenbaren wird, werden die Tuberkeln weich, desorganisirt und gehen in Eiterung über. Dann unterscheidet er einen acuten Rotz, den er mit der brandigen Bräune und Lungenentzündung vergleicht. Dupuy nimmt an, dass die nächste Ursache der Rotzkrankheit in einer specifisch krankhaften Veränderung des Zellgewebes bestehe, wodurch kleine harte, knochenartige, zu jauchiger Vereiterung geneigte Knoten oder Tuberkeln gebildet würden und die tuberkulöse Eachexie (affec­tion tuberculeuse, Phymatose) sehr mannigfaltigen Hausthierkrank-heiten, namentlich der Druse, der Mauke, dem Hautwurm, dem Rotze, den Wurmkrankheiten der Wiederkäuer und Schweine u. s. w. zu Grunde liegen. Dieses tuberculöse Leiden bleibt oft Jahrelang verborgen.
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sobald aber die Tuberkeln zunehmen , entsteht Strengel, Druse u. s. f. Mit ihrer Verschwärung beginne nun aber die zweite Periode, des nun erst kenntlich gewordenen Rotzes.
sect;. 152. Dupuy sieht also Druse, Strengel, Rotz für synonym an, es sind nach ihm dies blosse Stadien ein und derselben Krankheit. Wir sehen hieraus, in welchem grossen Irrthum dieser gelehrte Professor der Alforter Thierarzneischule befangen war. Er behauptet, dass jedes Pferd, welches an Tuberkeln leide, mit der Zeit rotzig werden müsse. Rotz und Wurm betrachtet er ganz richtig nur als eine Formver­schiedenheit im Sitze ein und derselben Grundkrankheit.
sect;. 153. Dupuy, der nie seine Ansicht über die Contagiosität des Rotzes entschieden ausgesprochen hat, könnte, da er die Krankheit lediglich als eine Tuberculosis ansah, unmöglich zugeben, dass sie contagiös sei, da er andernfalls mit seiner Ansicht in Widerspruch gerathen würde. Er sagt, dass man den Vorbeugungsmitteln mehr Aufmerksam­keit als den Heilmitteln schenken müsse, und empfiehlt zur Heilung eine stärkende Diät, so wie tonische und revellirende Heilmittel. Ferner räth er zu hustenstillenden Pulvern, nebst dem Einleiten von warmen Wasserdämpfen in die Nasenhöhlen, worauf Räucherungen von Weinessig, Wachholderbeeren, Campher und andern Reizmitteln folgen müssten.
sect;. 154. Godine d. j. folgt ganz den Ansichten Dupuy's. In Bezug auf den acuten Rotz sagt er, dass diese sehr acute Krankheit nicht mit dem Rotze verwechselt werden dürfe, denn sie bestehe in einer gan­gränösen Entzündung der Schleimhäute, oder sie sei in der That nichts Anderes, als eine sehr entzündliche und brandige Affection der Schleim­und serösen Häute der Schädel- , Brust- und Hinterleibshöhle; er ist der Meinung, dass diese Krankheit durch schlechte Nahrungsmittel und nur selten hervorgebracht werde, und dass sie nur bei solchen Thieren entstehe, die schon einer milzbraadigen Affection unterworfen seien. Die Sectionen zeigten aber nur einen vorhergegangenen allge­meinen putriden Zustand der Schleimhäute, besonders der Nasen- und Stirnhöhle, und im Rachen fände sich die Schleimhaut nicht nur sehr hlaufleckig, geschwürig und brandig, sondern auch die Schleimhaut der Luftröhre zeige eben solche pathologische Veränderungen.
sect;. 155. Godine hat hiernach offenbar den acuten Rotz nicht gekannt, er hat andere Krankheitszustände, und namentlich die brandige Bräune, damit verwechselt. Er ist übrigens einer der grösten Eiferer gegen die
Erdt, Rotzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 5
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Contagiosität des Rotzes und stellt diese sogar als ein blosses Hirn-gespinnst hin.
sect;. 156.
Bodet ist ebenfalls ein Anhänger der Lehre Dupuy's, was ihn beweg, rotzige und wurmige Pferde mit gesunden zusammen zulassen und dadurch diese Krankheiten in dem Cavallerie-Regimente, dessen Pferde seiner ärztlichen Behandlung anvertraut waren, zu verbreiten. Er behauptet, dem Rotze gehe eine, von dieser Krankheit selber unab­hängige, tuberculöse Kachexie vorauf. Den Rotz selbst scheint er für ein krebsartiges Uebel anzusehen.
sect;• 157. Morel weicht von der Dupuy'schen Ansicht wieder in sofern ab, als er die Rotzkrankheit für eine chronische Entzündung der Nasen­schleimhaut, die nicht speeifisch sei, sondern durch die anhaltende Dauer jeder Entzündung der Nasenhöhlen veranlasst werden kann,, hält. Die Entzündung selbst könne nie für Rotz gelten, wol aber könne sie ihn seeundär erzeugen. Es ist in der That zu beklagen, dass ein so kenntnissreicher, gediegener Schriftsteller seine Ansicht und Meinung über eine so wichtige Angelegenheit, wie es die Con­tagiosität des Rotzes ist, vorweg der Präoccupation eines Irthums Preis gegeben hat. Dieser Irthum besteht in der Annahme, dass der Rotz nicht contagiös sei, denn indem er dies ausspricht, leugnet er die Möglichkeit einer Ansteckung des Rotzes nicht, behauptet aber, dass diese sehr selten sei und nur unter gewissen Umständen statt­finden könne. Zu solchen und ähnlichen quot;Widersprüchen muss am Ende ein Irrthum über eine so klare Sache, wie es die Contagiosität. des Rotzes ist, führen, wenn man mit Hartnäckigkeit dabei beharrt. — Die tharapeutische Behandlung des Rotzes , welche Morel empfiehlt, hat sich bei dieser Krankheit niemals bewährt.
sect;. 158. Louchard, ein ebenfalls sehr gediegener Thierarzt, betrachtet den Rotz als eine cigenthümliche Schwindsucht der Nasenschleimhaut. Auch er hat sich bei seiner entschiedenen Ansicht über die Nicht-contagiosität des Rotzes eines Widerspruchs, in seiner 1825 er­schienenen Schrift: „La morve est-elle contagieuse? Nonquot;, schuldig gemacht, wenngleich derselbe auch nicht direct ausgesprochen ist. Dieser quot;Widerspruch liegt schon darin, wenn er nach direeter und be­stimmter Behauptung, dass der Rotz nicht ansteckend sei, sagt:
„Was mich anbetrifft, so bin ich der Meinung, dass man die angebliche Ansteckungsfähigkeit dieser Krankheit sehr über­treibtquot; etc. — Ausserdem giebt er zu, dass die acuten Krankheiten der Nasen-sc-hleirahaut des Pferdes häufig contagiös seien, aber diese Eigenschaft
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verlieren, sobald sie in den chronischen Zustand übergehen, eine Ansicht, die Morel schon vor ihm aussprach und Gosson später be­stätigte.
sect;. 159.
Volpi sagt schon, dass er Thierärzte gekannt, welche bei den
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Regimentern angestellt wurden, die auch nicht das Geringste von der Ansteckungsföhigkeit des Rotzes ahnten, daher sie rotzige Pferde mit andern zusammenstellen Hessen und dadurch die Krankheit ver­breiteten. Er betrachtet als die Hauptursache der Krankheit die An­steckung. Er empfiehlt zur Heilung des Rotzes täglich 1/2 Unze schwarzes Schwefelquecksilber, bis Ekel, Appetitlosigkeit und Speichelfluss eintritt, demnächst frisches Kalkwasser bis diese Symp­tome verschwunden sind, darauf wieder mit dem Schwefelqueck-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;;lt; silber fortgefahren und so gewechselt bis zur Heilung. Ausserdem werden täglich Einspritzungen von Kalkwasser in die Nasenhöhlen gemacht. r *#9632;
sect;• 160.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;!^.
Huzard d. j. betrachtet die Druse der Pferde als eine Krankheit des ganzen Organismus, welche mit einem Leiden der Schleimhaut der Nasenhöhlen, des Kehlkopfes, der Kehlsäcke und überhaupt aller Theile der Rachenhöhle endige.
sect;• 161.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;T^
lieber die Natur der Rotz- und Wurmkrankheit lässt Huzard sich nicht vernehmen , er ist mit seiner Ansicht zurückhaltend , wol aber bemängelt er die Ansichten Anderer, die er für unrichtig, anerkennt. Was er über diese Krankheit geschrieben hat, bezieht sich nur auf die Verhinderung der Ansteckung, die er entschieden vertritt, und auf die anzuwendende Desinfection. Schon H. behauptet, dass der Irrthum der Alforter Professoren, die die Nichtcontagiosität des Rotzes lehrten, unsäglichen Schaden verursacht hat, und glaubt auch er, dass derselbe nur aus einer Verwechselung des Rotzes mit andern nichtcontagiösen Krankheiten hervorgegangen sei.
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Gohier hat sich in neuerer Zeit, wo in Frankreich die Conta-giosität des Rotzes immer noch bestritten wurde und deshalb für ein Problem galt, am meisten bemüht, dasselbe durch wissenschaftliche
Versuche zu lösen , was ihm auch vollständig gelungen ist, obwol er
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dennoch nicht im Stande war, die entgegengesetzte Ansicht der Al­forter Professoren zu einer bessern zu bekehren und das in Frankreich verbreitete Vorurtheil gänzlich auszurotten; doch ist nicht zu ver­kennen , dass jene interessanten Versuche von ausserordentlich wohl-thätigen Folgen, auch in jenem Lande, waren.
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sect;. 163. Nachdem jener unseelige Streit in Frankreich seine höchste Blüthe erreicht hatte, nahm derselbe allmählig ab, immer schwächer wurde das Heer der Anticontagionisten, und immer kräftiger und allgemeiner trat die Ansicht der Contagiosität des Rotzes in den Vordergrund, doch, lange nachdem schon diese letztere Ansicht in allen andern Ländern Europas die Oberhand gewonnen hatte, und keine Spur von Anticontagionisten hier mehr zu finden war, wurde in Frankreich jener Streit nocli mit Eifer und Heftigkeit geführt. Wir wenden uns nun noch zu einigen andern Schriftstellern, indem wir dieses unerfreu­liche Thema verlassen , um deren Ansichten über die catarrhalischen und lymphatischen Krankheiten der Einhufer zu vernehmen.
sect;• 164.
Vatel ist der Ansicht, dass die krankhaften Erscheinungen bei der Rotzkrankheit oft alle dazu beitragen, die Drüsenaffection für idiopathtsch zu halten; allein das bereits Geschehene lässt uns das Gegentheil vermuthen und den krankhaften Zustand der Drüsen als einen consecutiven, d. h.als Folge irgend einer tiefsitzenden und ver­borgenen Verderbuiss betrachten. Dies schliesst er aus der krankhaften Affection der Schleimhäute derjenigen Seite des Kopfes, wo die Drüsen angeschwollen sind.
sect;. 165.
Ferner nimmt dieser Schriftsteller, nachdem er die Ursachen des Rotzes der Reihe nach aufgezählt hat, an-, dass dahin alle Ursachen mehr oder minder häufiger, mehr oder minder acuter und mehr oder minder wahrnehmbarer Entzündungen der Nasenschleimhaut wirken könnten, die dann durch ihr Fortbestehen zur Entstehung krankhafter Erzeugungen Veranlassung gäben, deren Verschwärung als das patho-gnomonische Zeichen dessen, was man mit dem Namen Rotz etc. be­zeichnet, betrachtet werden kann.
Es ist dies jedenfalls eine eigenthümliche Definition der Krank­heit, die wir Rotz nennen, die Ansicht dieses Schriftsteilers ist etwas einseitig, und er sieht, wie so viele Andere, die Krankheit als eine Folge einer Entzündung der Nasenschleimhaut an.
sect;. 166. Auch Hurtrel d'Arboval sieht den Rotz für eine Krankheit der Schleimhäute an, er nennt ihn eine catarrhalische, entzündliche Reizung derselben und meint, er sei vielleicht nur eine Form der Coryza oder des Strengeis. Den Wurm dagegen sieht er für eine Ausschlagskrank­heit an, die auch beim Rindvieh vorkommt, und die in einer entzünd­lichen Reizung der Lymphgefässe und Drüsen, so wie des Zellge­webes besteht. Das Lymphsystem, meint H., namentlich die Drüsen,
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sei der Hauptsitz der Krankheit, Zellgewebe, Schleimhäute und Haut­bedeckung seien vielleicht nur secundär ergriffen.
sect;. 167. Wir erkennen hieraus, dass auch dieser Schriftsteller noch eine ganz unrichtiglaquo; Ansicht vom .Kotze hat, dessen lymphatische Natur erwiesen ist, und die heute kein Mann vom Fache mehr bestreiten wird. Den Hautwurm, wie ihn die Einhufer haben, will er beim Rind­vieh beobachtet haben, was jedenfalls auf ein Verkennen auch dieser Krankheit schliessen lässt, da er übrigens, was er anderweit ganz ent­schieden ausspricht, für durchaus nicht analog oder synonym mit dem Rotze passiren lassen will. Er meint überdem, der Rotz fangt immer mit einer Entzündung an, die bisweilen acut ist, aber gewöhnlich in den chronischen Zustand übergeht, oft von Anfang an in dem­selben sich befindet. Auch nimmt er an, wie La Fosse, sie können durch mechanische Ursachen hervorgerufen werden , ein offenbarer Beweis, wie wenig gründlich er diese Krankheiten beobachtet hat, da er sie in dieser Weise mit andern Krankheitszuständen verwechseln kann. Die Versuche und Erweise eines Viborg , Colemann , White und Gohier seheinen bei diesem Schriftsteller auch nicht den zu er­wartenden Erfolg gehabt zu haben.
sect;. 168.
H. hält den Rotz und auch den Wurm für contagiös und beide Krankheiten fast für unheilbar, er meint, es gäbe gegen sie kein Specificum. Er unterscheidet einen catarrhalischen, einen acuten und einen chronischen Rotz.*) Wie wenig dieser Schriftsteller selbst sich mit den Erscheinungen des Rotzes bekannt gemacht hat, beweist er damit, indem er behauptet: der acute Rotz zeige dieselben Symptome, wie der Strengel. Wir finden zum Schlüsse bei diesem Verf. des Wörterbuchs der Thierheilkunde noch ein rationelles Heilverfahren beim Rotze sowol, wie beim Wurme angegeben. Die Erfahrung hat aber auch genügend gelehrt, dass ein raquo;olches'keinen besondern Erfolg gewährt.
sect;. 169.
Die Druse nennt H. auch Drüsen, Adenitis, Scrophula equina, französisch: Gourme. Er legt uns hierauf eine Menge Fragen in Beziehung auf diese Krankheit vor, auf deren Beantwortung er selber sieh nicht einlässt und geht dann zu den Ansichten anderer Schriftsteller über. Er meint: in den Ansichten dieser herrschen zwei Hauptideen vor, die einer Reinigungskrise und die eines catarrhalischen
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*) Anm. d. Verf. Wenn H. den Kotz überhaupt für ein catarralisches Leiden hält, dann kann er diesen Unterschied nicht machen, denn, was wäre somit der acute und der chronische Kotz für ein Leiden ? —
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Leidens. Die letztere fängt, als die rationellere, an, die Oberhand zu gewinnen. Das, was man Druse nennt, ist in der That nichts Anderes, als eine wahre Entzündung der Nasenschleimhaut. Die Verstopfung und Anschwellung der benachbarten Drüsen, zumal der unter den Ganaschen, welche diesen pathologischen Zustand gewöhnlich be­gleitet, ist nur das Resultat der sympathischen Verbindung. Es lässt sich durchaus kein entscheidendes Kennzeichen nachweisen, welches dazu berechtigte, die Druse als eine eigenthümliche und andere Krank­heit , als den Strengel, darzustellen. Die bösartige Druse, meint er, unterscheide sich vom Rotz nur durch die Abwesenheit der Rotzge­schwüre. Er hält die Druse für nicht ansteckend.
sect;• 170.
Von dem, .was uns italienische Thierärzte über lymphatische Krankheiten der Einhufer mittheilen, finden wir besonders interessant, den Bericht an die landwirthschaftliche Gesellschaft, des Seine-Depar­tements von Collaine, Professor der königlichen Thierarzneischule in Mailand:
„Glücklicher Versuch den Rotz und Wurm der Pferde zu
heilen.quot; übersetzt von Fr. C. G. Gericke, 1812.
Im März 1809 besichtigte Collaine 76 Pferde des 23. Dragoner-Regiments, welche seit 18 Monaten vom Rotz und Wurm angesteckt waren und alle die Krankheit im hohen Grade hatten. Das Regiment hatte einen sehr beschwerlichen Marsch und Dienst an der Meeres­küste zwischen Neapel und Rom gehabt. Der Nähe des Meeres schreibt Verfasser besonders die häufige Entstehung des Wurmes zu, der meistens in Rotz überging. Beide Krankheiten hält er für indentisch und nicht immer für ansteckend.
Neun mit Rotz und Wurm gleichzeitig befallene Pferde, liess er sogleich tödten ; sechs andere wurden gotödtet, nachdem sich die Be­handlung in einigen Wochen erfolglos bewies.
Nun blieben noch 26 mit Wurm behaftete, 28 mit Rotz befallene und 7, welche, nachdem sie einige Zeit am Wurm behandelt waren, bald des Rotzes verdächtig wurden.
sect;• 171.
Diät: wenig Heu, viel Stroh, Futter mit Salz.
Behandlung: Wurmgeschwüre exstirpirt und Wunden ge­brannt; 3—4 Mal Aderlässe von 2 Pfund, in Zwischenräumen von 2—3 Tagen angewendet. Auch gab man Kermes mineralis täglich 2 Unzen, zum Theil Andern Flores sulphuris, täglich 5—6 Unzen, nach­dem mit kleinen Dosen angefangen war.
Zwei wurmige Pferde wurden nach 2 monatlicher Behandlung getödtet. Strychnos, Nux vomica und Extraetum Aeoniti versuchte er
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ohne Erfolg. Ein drittes Pferd wurde noch getödtet. Die übrigen 23 Pferde waren in 45 Tagen geheilt. Mit gleichem Erfolge wurden noch mehr von der Armee nachgeschickte Pferde geheilt.
Beim Rotz wurden dieselben Aderlässe angewendet, jedoch bis zur völligen Entkräftung, und dabei Schwefel, bis zu 2 Pfund täglich gegeben, indem man mit 4 Unzen anfing. Wenn 5— 6 Unzen Spiess-glanz oder Spiessglanzleber gegeben wurde, schränkte C. die Schwefel­gabe bis auf 24—20 Unzen pro Tag ein. Einige genasen in 2, andere in 5 Monaten. Zwei wurden getödtet, eins starb und 25 wurden geheilt.
sect;. 172.
Im Ganzen sind verbraucht 1100 Pfund Schwefelbliithe, 100 Pfund Antimonium, 151 Pfund Spiessglanzleber, 15 Pfund Kermes. Bei Caries in der Nase hat er die Nasenlöcher aufgeschlitzt und die Geschwüre gebrannt oder mit Acidum sulphuricum geätzt, bei Eiter­ansammlungen den Trepan angewendet und selbst alle Kopfhöhlen in eine vereinigt und Einspritzungen von Solanum nigrum, später von Plumbum aceticum, angewendet. Das Scarificiren oder Brennen der untern Krebsgeschwüre fand Verf. oft ausreichend, ohne dass er die oben sitzenden beachtete, welche von selbst heilten.
sect;. 173. Der Professor an der Veterinärschule zu Turin, Re, sieht den Rotz der Pferde für eine krankhafte Veränderung des Lymph -, Ath-raungs- und Schleimhautsystems an. Er hat einen Fall mitgetheilt, in welchem er den ausgebildeten Rotz mit Drüsen, Rotzgeschwüren, einen eiterförmigen Ausfluss aus den Nasenhöhlen eines Pferdes, wel­ches 18 Monate in einem Krankenstalle für rotzkranke Pferde gestanden hatte , durch täglich 4 bis 5 Unzen Kochsalz vollständig geheilt hat.
sect;. 174. Wir kommen jetzt noch zu einigen deutschen und englischen Schriftstellern, deren Ansichten uns interessant und wissenswerth sind, denn wir erkennen daraus den Fortschritt der Wissenschaft in Beziehung auf die lymphatischen Krankheiten der Einhufer in den verschiedenen Ländern, im Besondern wie im Allgemeinen; wir erkennen daraus ausserdem, dass die deutschen Thierärzte, wie die englischen, in ihren Beobachtungen und Untersuchungen jederzeit viel gründlicher .und gewissenhafter, als die französischen, zu Werke gegangen und darum viel früher als diese zur richtigen Ansicht und Erkenntniss jener Krankheiten gekommen sind, was denn auch dahin geführt hat, dass dieselben, hier wie in England, nie so verheerend aufgetreten sind und dem Lande so unsäglich vielen Schaden zuge­fügt haben, wie in Frankreich.
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sect;. 175. Ein gewisser Anton Meier folgt in seiner Abhandlung über den Rotz der Pferde noch ganz den älteren Schriftstellern, von denen er meistens abschreibt. Er hat weder eine eigene Ansicht, noch gehen seine Mittheilungen aus eigenen Beobachtungen hervor, daher es überflüssig ist, auf dieselben hier speciell einzugehen.
sect;. 176.
Der sicher und geschwind heilende Pferdearzt etc. von J. Baron v. Sind, herausgegeben von K.W.Ammon 7.Auflage 1813. Wir entnehmen daraus Folgendes:
Die Druse (Kropf, Strengel, Kehlsucht etc.) ist eine catarrha-lische Krankheit, wobei das Thier hustet, traurig ist, das Futter ver­sagt, und sich zwischen den Ganaschen eine Geschwulst formirt. Keine Krankheit kommt bei Pferden öfter vor als diese, sie erscheint aber unter verschiedenerlei Gestalten und in verschiedenen Graden der Heftigkeit. Der Verf. zählt hierher auch die Bräune und Lungen­entzündung, indem er sagt: es können bei dieser Krankheit sogar die Luftröhre, die innern Theile des Schlundes, ja selbst die Lungen, entzündet werden.
Zu den Ursachen rechnet er vorzüglich Erkältung.
Die Heilung der verdächtigen Druse oder des Steinkropfs ist langwierig und zweifelhaft, und oft unmöglich.
sect;• 177.
Der Rotz ist ansteckend und unheilbar. Der Verf. kennt die verschiedenen Formen dieser Krankheit und meint, sie sei einmal bösartiger als das andere Mal und verlaufe bei dem einen Pferde ge­schwinder und zerstörender als bei dem andern. Jedes Pferd ist des Rotzes verdächtig, wenn sein Ausfluss länger als 6 Wochen an­hält. Der Verfasser glaubt, dass der Rotz nur selten für sich ent­stehet und dass er die meisten Male durch Ansteckung fortgepflanzt wird. Auch geht oft die Druse und der Wurm in den Rotz über. Der Rotz steckt durch die blose Berührung, nicht durch die Aus­dünstung an.
sect;. 178.
Der Wurm entsteht nicht an einer bestimmten Stelle des Körpers und unter einerlei Gestalt. Er entsteht von denselben Ursachen, als der Rotz. Er verbreitet sich nicht blos durch die Berührung, sondern auch durch die Ausdünstung.
Die Heilung ist sehr hartnäckig und sehr oft unmöglich. Der Verf. hat eine Latwerge aus Angelik und Terpentinöl am wirk­samsten gefunden.
sect;. 179.--
Abhandlung über den Rotz der Pferde und die mit gutem
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Erfolge dagegen angewandten Mittel, nebst mehreren Beobachtungen
über dessen Heilung von Tscheulin, 1811.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;f
Die Ansichten dieses Verfassers stimmen im Wesentlichen mitnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;;
denen des vorigen und der andern bessern Schriftsteller überein,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,
nur hält er den Rotz nicht für unheilbar, sondern er empfiehlt imnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; :'
Gegentheil Räucherungen mit salpetersauren Dämpfen, Einspritzungennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;!
von Sublimatwasser in die Nase, Einreibung der Drüsenknoten mit Mercurialsalbe. Innerlich : Baldrianwurzel, Süssholz, Zinnober ; demnächst Spiessglanz, Schwefel und Quecksilbermittel, mit bittern und aromatischen Stoffen. Er will nach diesen Mitteln günstige Erfolge gesehen haben.
sect;. 180.
Lehrbuch der Krankheiten der Thiere, besonders der Pferde, von St. Zipf, 1807.
In dieser Schrift finden wir die Krankheiten der Pferde, und namentlich die lymphatischen und Drüsenleiden, in einer recht ge-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; y**
diegenen Weise abgehandelt. Er hält den Rotz nicht für unheilbar und empfiehlt zur Heilung besonders das Calomel mit arabischemnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;laquo;
Gummi und mineralischem Mohr.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; :4t.
sect;. 181.
Der Taschenpferdearzt von J. N. Rholwes 2. Auflage 1810.
Der Verf. sagt: Eine jede Druse entsteht bei den Pferden wie der Schnupfen beim Menschen, grösstentheils aus Erkältung, und
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sie ist nach allen Erscheinungen nichts mehr und nichts weniger, als ein Schnupfen.
Rotz, ungeachtet nur der wahre Rotz unheilbar ist, so ist es doch möglich, dass, wenn diese Krankheit aus einer lange eiternden Druse , die in den Rotz ausarten kann , entstanden ist, selbige dann noch geheilt werden kann.
Wurm. Eben die Ursachen, welche den Rotz erzeugen, erzeugen auch den Wurm. Die Krankheit ist heilbar, wenn das Pferd noch jung und gut bei Fleisch und Kräften ist, wenn das Haar noch eine gesunde glänzende Farbe hat, wenn dem Pferde noch keine Materie aus der Nase fliesst.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i iraquo;
sect;. 182.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1 ,rt
Naumann, Director der königlichen Thierarzneischule in Berlin, hat rotzige Pferde dadurch geheilt, dass er ihnen täglich 3mal, eine Stunde vor dem Futter, eine Auflösung von Arsenik, Potasche und arabischem Gummi, nebst Fenchelsaamen, Calmus und Myrrhen, zu Pillen gemacht, eingab; oder Pillen von Schierling, Calomel, Schwefelleber und Honig anwendete. Auch hat er die Salpeter­säure zu einer Drachme pro Dosi, mit Chamillenpulver und Schleim zur Pille gemacht, angewendet.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ;!£•'
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sect;. 183.
Ueber die Drüsenkrankheit der Pferde von Michael Erdelyi 1813.
Diese kleine Schrift behandelt den Gegenstand in der That recht gründlich ; es wird hier nur von den Krankheiten des Lymphsystems gehandelt und somit jede Vermischung mit catarrhalischen Affectionen vermieden.
Der Verf. nimmt an, dass die Druse eine Krankheit des Lymph-systems sei, und giebt er davon folgende Definition:
„Unter Druse, Kropf, Strenge!, Kehlsucht, Gourme der Fran­zosen, Strangles der Engländer, Ciamorro der Italiener, versteht man eine ansteckende, dem Pferdegeschlecht eigenthüraliche Krankheit, welche durch ein eigenartiges Fieber, durch Entzündung und An­schwellung der Schleimhäute der Nase und der lymphatischen Drüsen des Kehlganges sich äussert und durch den Ausfluss einer anfangs wässrigen , dann eiterartig - schleimigen, leicht ausartenden Flüssig­keit sich entscheidet.quot;
sect;. 184.
Wir finden, dass der Verf. hier die Drüsen- oder lymphatischen mit den catarrhalischen Krankheiten für identisch hält oder dieselben mit einander verwechselt. Es ist dies ein offenbarer Irrthum , mit welchem er aber gleichzeitig die Wahrheit ausspricht, dass alle unter jenen Namen verstandenen Krankheiten, die er für ein und dasselbe Grundübel hält, ansteckend sind. So interessant uns diese kleine Schrift ist, so hat sie doch jenen grossen Uebelstand jener Ver-' wechselung oder Vermischung, und man findet schwer heraus, was man zu den catarrhalischen, und was man zu den lymphatischen Krankheiten gehörig rechnen dürfte. Es scheint, die catarrhalischen Krankheiten bei dem Pferdegeschlechte finden bei ihm keine Aner­kennung, denn er reiht alle solche in das Bereich der lymphatischen Krankheiten ein , während Andere die Sache umkehren, indem sie alle lymphatischen Krankheiten in die Classe der catarrhalischen versetzen.
sect;. 185.
Veith sieht den Strengel als ein einfaches Catarrhalfieber von gelinderer Form an , welches als entzündliche Affection der Nasen­schleimhaut erscheint, doch wenigstens das Lymphdrüsensystem in Mitleidenschaft zieht und daher seine Form so eigenthümlich ist, dass es sich von allen derartigen Fiebern anderer Thiere unterscheidet. Er unterscheidet eine gutartige und eine bösartige Druse, eine aus­artende , wandernde oder verschlagene Druse. Die erstere ist ein dem Strengel ganz ähnliches catarrhöses Fieber, welches mit einer vorherrschenden Affection des lymphatischen Gefässsystems und ent­zündlicher Anschwellung der im Hinterkiefer-Canale liegenden
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Lymphdrüsen verläuft und durch eine wohlthätige Krise in Genesung übergeht. Häufig werden Strenge!, Kehlsucht, Druse, Kropf, nebst verschiedenem Andern als Modificationen eines und desselben krank­haften Zustandes angesehen.
Die bösartige Druse nimmt einen üblern Verlauf, sie tritt ent­weder mit Faulfieber auf, oder dasselbe entwickelt sich während ihres Verlaufs, sie ist oft mit einem gastrischen oder nervösen Leiden ver­bunden , Verwickelungen, welche die wohlthätige Krise hindern und üble Ausgänge hervorrufen.
sect;. 186.
Die Rotzkrankheit definirt Veith in folgender Art:
„Sie ist eine dem Pferdegeschlecht (Pferd, Esel, Maul-thier, eigenthiimliche, kachectische und langwierige Krankheit mit vorhersehendem Leiden der Schleimmembranen der Nase und der benachbarten Lymph - Drüsen, das zur Ent-wickelung eines besonderen bösartigen Ansteckungsstoffes (des Rotzgiftes) führt.quot;
Er sagt, sie entstehe durch ursprüngliche Entwickelung sowol, sils durch Ansteckung, und sie sei in ihrem gewöhnlichsten Vor­kommen durch keine Heilmethode bezwingbar. Er meint, der sich selbst entwickelnde Rotz fängt nicht selten da an, wo das fieberhafte Leiden, welches die Druse und den Strengel begleitet, unter ungün­stigen Umständen aufhört. Diese Druse geht dann zunächst in die bedenkliche, und diese in die verdächtige Druse über. Bei dem Rotz durch Ansteckung finden sich gegen den 6. Tag sehr bemerkliche Fieberzufälle. Er unterscheidet einen langsam und einen schnell ver­laufenden Rotz. Derselbe geht häufig in den Hautwurm über, wie dieser in den Rotz ausartet. Die Natur des Rotzgiftes ist noch un-entdeckt. Der Sitz der Krankheit ist vorzüglich in den Schleim-membranen und den Lymphdrüsen. Anfangs ist sie immer ein mehr örtliches Leiden, wenn sie durch Ansteckung entstanden ; sie ist anfangs ein Allgemeinleiden, wenn sie sich ursprünglich entwickelt.
Der Rotz gehört zu den contagiösen und erblichen (hereditären) Krankheiten.
Ferner sagt der Verfasser: „So mannichfaltige Dinge man schon zur Heilung des Rotzes eingeschlagen, so hat doch bisher keine sichere Heilmethode sich finden lassen, die gegen ein so speeifisches, orga­nisch chemisches Uebel auch speeifisch sein müsste.quot;
Beim entstehenden Rotze empfiehlt er Calomel, glänzenden Ofenruss, Zinnober, Schwefel, Spiessglanz, mit bitter aromatischen Mitteln; Einreibung der Mercurialsalbe in die Drüsenknoten, alle 2—3 Tage, und Warmhalten derselben, neben guter und leicht ver­daulicher Nahruno;. Den Zinnober hält er am wirksamsten.
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sect;. 187.
Den Hautwurra hält der Verf. für eine chronische und an­steckende kachectische Krankheit mit vorzüglichem Leiden des Lymph­systems , welche durch zerstreute oder an einander gereihte Beulen oder Knoten und Geschwüre an der allgemeinen Bedeckung sich äussert.
Die Heilung hält er für selten möglich und meint, dass selbst im Falle des Gelingens das Uebel sehr bald wiederkehrt. Er räth zur Heilung Stahlschwefel, Kermes, Spiessglanzleber mit Ofenruss, bittern und aromatischen Arzneien und Terpentinöl; Cauterisiren der Wurmbeulen mit dem Glüheisen, mit Höllenstein, oder Bestreuen mit Kohlenpulver und Quecksilberoxyd.
sect;. 188.
In der speciellen Pathologie und Therapie von Waldinger, (3. Auflage, mit Zusätzen von Erdelyi 1833) hat dieser Letztere über Drüsenkrankheiten seine eigenen Ansichten niedergelegt, d. h. von sich selber abgeschrieben. W. sagt: heisse, schmerzhafte, ange­schwollene Drüse unter den Ganaschen mit verlorener Fresslust und Fieber nennt man gutartig, die, mit dem Verschwinden der An­schwellung und dem Anscheine der Genesung, in die bedenkliche übergeht.
Bräune und Strengel hält er für Synonyma, sowie bösartige Drüsen und Kropf. Wir finden also auch hier eine Verwechselung der catarrhalischen mit den Krankheiten des Lymphgefässsystems.-Unter bösartigen Drüsen beschreibt er die eigentliche Druse, Kehl­sucht, Kropf und räth zu ihrer Heilung die Schwefelleber.
sect;. 189.
Die verdächtigen Drusen sind entweder von Andern angeerbt, oder nach kurz abgelaufenen Drüsenfiebern entstanden. In seinen Wahrnehmungen, Wien 1818, handelt dieser Schriftsteller von diesem Krankheitszustande, wie vom Rotze, er spricht von einem Ausfluss, welcher durchsichtig gelb ist, von Blattern die in der Nase auffahren, welche ein schlechtes Ansehen gewinnen und ihre Ränder speckartig aufwerfen. Er empfiehlt die Heilung, so lange solche Geschwüre unten sitzen und hält Spiessglanzbereitungen mit balsamischen und bittern gewürzhaften Mitteln für die geeigneten ; ätzende metallische Mittelsalzauflösungen zu Einspritzungen, Einreibungen von flüchtigen und blasenziehenden Mitteln in die Drüsen. Das Uebel nimmt zu mit dem Ausflüsse aus der Nase, und es geht in Rotz über, weil die Ge­schwüre hoch oben sitzen.
sect;.190.
Der Rotz ist eine dem Pferdegeschlecht eigenthümliche Krank­heit , welche Anfangs mit einem Fieber begleitet ist, im weiteren
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Verlaufe durch einen eiterähnlichen Ausfluss aus den Nasenlöchern, durch bösartige Geschwüre an der Nasenschleimhaut und durch be­deutende festsitzende, der Zertheilung widerstehende Anschwellungen der lymphatischen Drüsen im Kehlgange der Pferde sich zu erkennen giebt.
Schlechte Wartung und Pflege, vorausgegangene gut- oder bös­artige Druse und Wurm, bedeutende Verletzungen, wodurch beträcht­liche Eiterung hervorgeht, künstliche Impfung, indem man Rotzeiter in die gesunde Schleimhaut eines Pferdes einreibt; Ansteckung, indem gesunde Pferde mit rotzigen in Berührung kommen, durch Sättel, Putzzeug und Geräthschaften jeder Art j auch durch Sehweiss, Harn und Blut, Krippen , Raufen und Trinkgeschirre , die mit Rotzeiter inficirt sind, können zur Entstehung der Rotzkrankheit Veranlassung geben.
sect;• 191.
Ist ein Pferd vom Rotze angesteckt, so befällt mit dem sich äussernden Anschwellen der Drüsen das angesteckte Pferd ein Fieber. Beim nicht angesteckten Rotze erscheint der abgeartete Ausfluss erst nach dem Fieber. Beim angesteckten Rotz erscheint der verdäch­tige Ausfluss mit dem Fieber. Nicht angesteckte rotzige Pferde fliessen gewöhnlich aus beiden Nasenlöchern. Bei angestecktem Rotz bemerkt man vorzüglich anfangs nur den verdächtigen Ausfluss aus einem Nasenloch, an jener Seite, wo die verhärtete Drüse sich befindet. Unangesteckte rotzige Pferde ändern bald den Ausfluss in den bösartigen, achtfärbigen. Bei angesteckten verdächtigen Drusen bleibt oft der Ausfluss lange nur gelb durchsichtig.
Die harten unschmerzhaften, sich selbst entwickelnden ver­dächtigen Drusen sind oft lange noch beweglich; die angesteckten verdächtigen Drusen sind meistens gleich unbeweglich und sitzen mit einem breiteren Grunde fest. Bei in Rotz übergehenden verdäch­tigen Drusen entstehen die Rotzgeschwüre gewöhnlich erst oben und man sieht selbe unten nicht; bei von rotzigen angesteckten Pferden sieht man sehr bald die Rotzgeschwüre unten, und oben ist oft noch Alles gesund.
Ohne Ansteckung rotzig gewordene Pferde schnaufen oft schon, ehe man noch die Rotzgeschwiire sieht; angesteckte schnaufen noch lange nicht, wenn man auch die Rotzgeschwiire unten schon sieht.
Nicht angesteckte haben gewöhnlich an beiden Seiten die har­ten angeschwollenen Drüsenverhärtungen; bei angesteckten ist meistens nur an einer Seite der Ganasche eine verhärtete Drüse.
sect;• 192. Den Wurm (Hautwurm) definirt dieser Schriftsteller so: „Er ist eine dem Pferdegeschlecht eigene, anfangs mit Fieber
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verbundene, später aber eine meist langwierige, chronische, an­steckende, fieberlose Krankheit, welche ihren Sitz in dem Lymphge-ffisssystem hat etc.quot;
Die Krankheit befällt meist junge Pferde, besonders solche, welche längere Zeit an bösartiger oder verdächtiger Druse gelitten haben, und wo die Saftmasse entartet ist. So lange die Beulen eine schwarze Farbe haben, sind sie gut (W. Wahrnehmung.)
sect;. 193.
Schon Waldinger sagt in seiner Therapie, und hier tritt er mit mehreren früheren Schriftstellern in Widerspruch, dass nur gesunde und jüngere Pferde für die Ansteckung von Rotz und Wurm mehr empfänglich sind, wo dagegen magere, abstrapazirte alte Pferde gar nicht fangen, wenn keine wesentliche Zerstörung in einem Eingeweide, welches zur Ernährung des Körpers etwas beiträgt, sich im Körper findet.
sect;• 194.
Diese schätzenswerthen Beobachtungen und Mittheilungen von Waldinger sind höchst interessant und zeigen uns einen bedeutenden Fortsehritt in der Wissenschaft und Kenntniss der wichtigsten, der catarrhalischen und lymphatischen, Krankheiten der Einhufer, die auch er nur leider, wie die meisten andern Schriftsteller seiner Zeit und vor und nach ihm, mit einander verwechselt und in eine Kategorie stellt. Dennoch verbreiten sie viel Licht über diese Krankheiten und führen uns in ihrer wissenschaftlichen Beurtheilung und Kennt­niss um ein Bedeutendes weiter.
sect;. 195.
Waldinger ist durch und durch Chemiker und beurtheilt und erklärt alle Krankheiten auf chemischer Basis nach chemischen Prin-cipien , Vorgängen und Gesetzen , worauf er dann auch sein thera­peutisches Verfahren stützt und verschreibt. So erklärt er auch die Drüsenkrankheiten aus chemischen Processen hervorgehend und meint sie seien Folge einer in den Säften des betreffenden thierischen Organis­mus stattfindenden sauern Gährung, hervorgehend aus zu viel vorhan­denem sauren Reiz. Wenn wir auch eine saure Gährung und Säure hier ganz in Abrede stellen müssen, da einmal Säure jede Gährunghindert, basische Beschaffenheit dagegen sie fördert, andererseits die chemi­schen Reagentien die Säfte und Effluvien bei drüsenkranken Pferden jederzeit entschieden basisch finden, endlich aber auch man neuer­dings Säuren in grossen Gaben bei drüsenkranken Pferden von wohl-thätigen Wirkungen befunden hat, so liegt dennoch in den chemischen Anschauungen des W. immer etwas Wahres, obgleich wir in Specie die seinigen für etwas zu materiell ansehen möchten.
sect;.196.
Sein Heilverfahren bei den Drüsenkrankheiten, und in specie beim beginnenden Rotze, besteht der Hauptsache nach darin, dass er auf die
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Geschwüre und geschwollenen Drüsen eine Salbe von Lorbeeröl, Terpentin und gepulverten Canthariden anwendet und das Thier Morgens und Abends fünf Minuten lang frisch bereitete, fein gepulverte Holzkohle, die in einem Beutel dem Pferde über die Nase gehängt wird, einathmen lässt. Seine Innern Mittel sind die von andern Schrift­stellern bereits als wirksam empfohlenen metallischen, bittern, aroma­tischen etc.
sect;. 197.
Thomas Pael, Professor und Lector der Thierarzneiwissensehaft zu Dublin (Practisehe Beobachtungen über einige der gewöhnlichen Pferdekrankheiten etc., übersetzt von J. L. Wallis, 1820) entwickelt seine Ansichten über einige catarrhalische und lymphatische Krank­heiten des Pferdes in folgender Weise :
Strengel befällt die Pferde von jedem Alter, am gewöhnlichsten aber die vom ersten bis zum sechsten Jahre. Man glaubt, dass die Pferde diese Krankheit nur einmal bekommen, so wie es mit den Blattern etc. bei den Menschen der Fall ist, auch sind nur wenig Pferde, vielleicht gar keins, von dieser Krankheit frei. Wenn aber alte Pferde davon befallen werden, so erscheint sie-in einer'gemilder­ten Form und heisst dann Kehlsucht, Druse oder Feifei.
sect;. 198.
Von dem Rotze. Er ist gemeiniglich eine Folge der Eäude, oder wird aus ihr erzeugt, wenn sie, aus Mangel einer richtigen Be-urtheilung oder Ansicht, verkehrt behandelt oder vernachlässigt wird. Am häufigsten wird der Rotz mit dem Strengel verwechselt, ob sie gleich sehr leicht von einander zu unterscheiden sind. Geschwüre in der Nase sind gewöhnlich für sichere Kennzeichen des Rotzes zu halten, wir müssen aber auch auf das Niehtvorhandensein der Ge­schwüre nicht zu viel Gewicht legen, weil nach den Entdeckungen des unsterblichen Hunter ausgemacht ist, dass die Blutgefässe auch die Eigenschaft haben, die Materie von dem Blute abzusondern, ohne dass Geschwüre oder sonst Fehler der körperlichen Bestandtheile vor­handen zu sein scheinen.
Die Entziehung grüner Futterkräuter nennt er aber eine wichtige Ursache des Rotzes.
Der Rotz ist nichts Anderes, sagt derVerfasser weiter, als einein dem Pferde durch verkehrte und gekünstelte Behandlung in der Fütte­rung und Wartung eingeimpfte Krankheit. In spanisch Amerika ist sie ganz unbekannt, auch soll dies in Buenos-Ayres der Fall sein.
Verfasser will mit vielem Grunde schliessen, dass diejenigen Gegenden, wo der Rotz nicht angetroffen wird, auch von der Räude frei sind, er gesteht indess, dass diese Behauptung nur auf einer Muth-maassung und auf Folgerung nach der Analogie beruht.
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Man darf nur genaue Untersuchungen anstellen, so wird man sich überzeugen und die Erfahrung machen, dass nicht bloss in den vereinigten Staaten von Amerika, sondern auch in einer grossen Strecke des festen Landes in Indien, wo die englische Stallbehandlung eingeführt ist, sowol der Eotz, als die Räude angetroffen wird.
Dem Verfasser sind 2—3 Fälle vorgekommen, wo der Rotz nach einer äussern Verletzung der Nase entstand, wovon er einen Fall erzählt. Er gesteht dann aber ein, dass das Pferd das Rotzgift bereits im Körper getragen haben muss.
sect;. 199. Der Rotz ist als eine Krankheit zu betrachten, welche nicht örtlich , sondern durch den ganzen Körper verbreitet ist, deshalb ist die Anwendung örtlicher Mittel in der Nase zwecklos, ist eine Be­handlung zulässig, so muss sie durch Mittel bewirkt werden, die auf das ganze Körpersystem wirken können.
sect;. 200. Verfasser ist der Meinung, dass Esel nie an dem Rotze, noch der Räude leiden, ausser wenn sie von rotzigen Pferden angesteckt sind, oder ihnen Rotzmaterie eingeimpft worden ist, für welche sie eine noch ungleich grössere Empfänglichksit besitzen, als die Pferde selbst, der Esel erzeugt aber die Krankheit niemals in sich selbst, welches der Verfasser daher leitet, dass dieses Thier im Allgemeinen so wenig gewartet und behandelt wird. Kärgliches und unkräftiges Futter legt nie den Grund zu Rotz oder Räude, die sorgfältige Verpflegung in den Ställen sieht Verfasser als die erste Ursache der Krankheit an.
sect;. 201.
Die Räude oder der Grind ist eine Krankheit die sehr oft epidemisch , nie aber ansteckend ist, ausgenommen wenn Geschwüre dabei statt haben.*) Dies ist ein Unterscheidungszeichen, welches genaue Aufmerksamkeit verdient, weil, so lange keine aufgebrochenen Geschwüre da sind und die kranken lymphatischen Drüsen, die von den Schmieden Grindknoten oder Grindbeulen genannt werden, hart bleiben und nicht aufbrechen, kein Pferd von einem räudigen, mit dem es in Berührung kommt, angesteckt werden kann.
Man theilt die Räude in 2 Arten , nämlich in die, wo sie die lymphatischen Drüsen der Haut angreift und von den Schmieden ge­wöhnlich die Knobberraude genannt wird und die, wo dem Thiere die Beine stark, schmerzhaft und zuweilen sehr schnell anschwellen.
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*) Anm. (1. Verf. Offenbar verwechselt dieser Schriftsteller denHautwurm mit der Räude, was er Räude nennt ist Hautwurm, jener scheint ihm ganz un­bekannt zu sein.
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sect;. 202. Die an der Londoner Thierarzneischule angestellten, vieljährigen Versuche haben bewiesen, dass das Gift der Räude und des Eotzes von gleicher Beschaffenheit ist; zeigt sich das Gift auf die beschrie­bene Weise auf der Haut, so ist es Räude; greift es die absondernde Nasenhaut an, so ist es der Rotz. Es ist wirklich möglich, einen An­fall der Räude oder des Rotzes durch faule heisse Luft in kurzer Zeit herbeizuführen. Im Anfange des gegenwärtigen Krieges*) wurde eine Expedition nach der Gottesinsel an der Küste Frankreichs unter­nommen ; während dieser Reise brach ein Sturm aus, und der Herr eines Pferdetransports war genöthigt, die Thüren und Klappen des Schiffsverdecks zuzumachen. Da nun die Pferde auf diese Weise der frischen Luft beraubt waren, so empfanden sie sehr bald die unglück­lichen Wirkungen dieses Verfahrens, denn als der Sturm aufhörte, und die Thüren und Luftlöcher geöffnet wurden, fand man verschie­dene dieser armen Thiere todt, und diejenigen, welche noch am Leben waren, hatten entweder die Räude, oder den Rotz.
sect;. 203.
Der Verfasser, der in vielfacher Beziehung im Irrthum sich be­findet und weder von den Drüsenkrankheiten, in Specie von Rotz und Haut wurm, noch von der Räude anerkennenswerthe wissenschaft­liche Kenntnisse zu haben scheint, giebt uns nichts desto weniger mehrere interessante Fingerzeige und belehrt uns über manche Dinge, die der Beobachtung im hohen Grade werth sind. Er sucht die Ur­sachen der qu. Krankheiten vorzugsweise in dem von der Natur so sehr abweichenden Verhalten der Pferde, und interessant sind seine Bemerkungen über das Nichtvorkommen des Rotzes etc. in einigen Ländern des Südens. Ob er darin Recht hat, dass der Rotz etc. bei Eseln nie spontan entstehe, bleibt fraglich, jedenfalls ist diese Be­merkung beachtenswerth.
sect;. 204.
Gründliche, neue Heilung der Drüsenkrankheiten, als auch vor­züglich des Rotzes der Pferde von A. Schllchting, 1822. Dieser Schriftsteller theilt die Drüsenkrankheiten der Pferde in fünf Classen und nennt die beiden ersten Classen das kleine, und die drei letzten das grosse Drusen. Die dritte Classe der Drusenkrankheit ist schon der niedere Grad der Rotzkrankheit.
Die Classen sind nicht festgestellt und nicht bestimmt wissen­schaftlich unterschieden. Es sind nur die Mittel zur Heilung ange­geben , ohne dass man weiss, gegen welchen Krankheitsgrad sie em­pfohlen sind.
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*) Anm. d. Verf. Von 1803. Knit, Rotzdvskrasie.
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sect;. 205.
Die russischen und polnischen Pferde in den süddeutschen Staaten etc. von Dr. J. J. Weidenkeller, 1822.
In dieser Schrift finden wir über die catarrhalischen und lym­phatischen Krankheiten der Pferde Folgendes angegeben:
Druse ist eine acute fieberhafte Krankheit des Pferdegesehlechts, verbunden mit einem Auswurf unreiner Stoffe aus dem Körper, welche sich in den Drüsen, besonders jenen der Nase, des Mundes, Schlundeä und der Lunge anhäufen. Die Krankheit wird in wahre und falsche Druse eingetheilt. Erstere ist die Jugendkrankheit der Pferde, welcher der grösste Theil der Pferde unterworfen ist, sobald sie zur gehörigen Aussildung gelangen. Oefters schwellen bei der wahren Druse gar keine Drüsen bedeutend, sondern kaum fühlbar an.
sect;. 206.
Die falsche Druse ist die wahre Catarrhalkrankheit, sie ist auch mit Fieber verbunden und kommt in jedem Alter vor. Sie ist das­jenige Uebel, welches andere Schriftsteller Strengel, Kehlsucht, Schnupfen etc. nennen, und entsteht meistens nach unterdrückter Ausdünstung. Sind der Kehlkopf oder die sogenannten Schilddrüsen sehr stark angeschwollen, so nennen dies Viele den Kropf. Sind die Ganaschendrüsen aufgebrochen und stark in Eiterung übergegangen, was oft zur Wiederherstellung der Gesundheit des Thieres noth-wendig ist, so nennen dies Viele Strengel. Verschwindet auf einmal der Ausfluss aus der Nase, Geschwulst und Entzündung, und wird, das Uebel höchst lebensgefährlich, so nennt man dies verschlagene Druse.
Alle diese Benennungen: Kehlsucht, Strengel, Kropf, Druse, sind Eins, es ist bei allen diesen kein Unterschied hinsichtlich der Lage, des Standes und Grades der Krankheit.
Die wahre Druse entleert sich durch die Expectoration, die falsche auf verschiedenen Wegen.
sect;. 207. Von den: Kotz. Dies ist eine dem Pferdegeschlecht eigene, sehr verderbliche Krankheit des Lymphsystems, erzeugt entweder durch einen eigenen kachectischen Zustand, oder durch Ansteckung. Den ersten Grad nennt man bösartige Druse oder Rotzverdacht. Der Verf. hat von Collain's Verfahren mit Schwefel die besten Erfolge gesehen. Die ausgebildete Krankheit ist unheilbar.
sect;. 208. Der Wurm hat, wie der Rotz, einen kachectischen Zustand zum Grunde. Er ist der höchste .Grad der Kachexie. Rotz und Wurm ist ein und dieselbe Krankheit, nur der Sitz ist verschieden.
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Verf. theilt die Wurmkrankheit ein in ächte und unächte; erstere ist nie heilbar, letztere kann geheilt werden, weil sie gleichsam nur der erste Grad der Krankheit ist, wie der Rotzverdacht beim Rotz.
sect;. 209. Dr. J. D. Hofacker in einer Anleitung zur Benrtheilung der Hauptmängel der Hausthiere (Tübingen 1822) und Lehrbuch aber die gewöhnlichen allgemeinen Krankheiten des Pferdes etc. (eben­daselbst 1823) stellt über die catarrhalischen und Driisenkrankheiten der Einhufer folgende Ansichten auf:
a)nbsp; nbsp;Strenge 1. Entzündung der Schleimhaut der Luftwege de:laquo; Pferdes mitHusten und Schleimauswurf, entsprechend dem Schnupfen und Catarrh des Menschen, mit Anschwellung der Lymphdrüsen.
sect;. 210.
b)nbsp; nbsp;Druse ist ein ansteckendes, heftiges Catarrhalfieber junger Pferde die noch nicht abgezahnt haben, mit stärkerer Anschwellung der Ganaschendrüson und grosser Neigung, an verschiedenen Stellen Abscesse zu bilden.
Wenn Husten und angeschwollene und verhärtete Drüsen zurück­bleiben, dann kehren leicht catarrhalische Anfalle zurück, bei welchen der Schleimausfluss noch eine üble Beschaffenheit annimmt und zu­letzt verdächtige Druse und Rotz wird.
Wenn bei hohem oder nervösem Grade der Krankheit und ihrem noch acuten Verlauf andere Organe, als die gewöhnlichen, leiden; wenn Lungen, Gehirn etc. befallen werden, so heisst die Krank­heit verschlagene Druse.
Veith's Vergleich der Druse mit den Scropheln des Menschen ist unpassend, weil die Affection des Lymphsystems in der Druse nicht allgemein, wie beim Menschen , sondern vielmehr ein zufälliges Ergriffenwerden der entzündeten Schleimmembran in der Nase und der Lymphdrüsen ist.
Die Druse als Entwickelungskrankheit ist eine allgemeine Krank­heit, welche als Entzündung der Schleimhäute 'der Luftwege, gleich­sam metastatisch oder halbcritisch, eine örtliche wird. Fieber ist das Erste, Entzündung und Secretionsprocess die Folge. Die Krank­heit ist ansteckend.
sect;. 211.
DerRotz, Gz aena co ntagio sa e qui, isfc eine dem Pferde, Esel und Maulthier eigenthüraliehe, ansteckende, langwierige Krank­heit mit Bläschen und schankerartigen Geschwüren auf der Schleim­haut der Nasenhöhle, die zuletzt in Beinfrass der Knochen der Nase und der angrenzenden Höhlen übergehen, von Anschwellungen der Lymphdrüsen zwischen den Aesten des Hinterkiefers begleitet sind
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und gewöhnlich erst nach mehreren Jahren allgemeine Leiden her­beiführen.
sect;. 212.
Unterschied zwischen Rotz, Strengel und Druse. Rotz hält Jahre lang an, Strengel und Druse entscheiden sich in wenig Wochen. Rotzausfluss wird bei längerer Dauer missfarbig, bläulich, graulich, nicht selten mit Blutstreifen und schwärzlichen Knochenstücken untermischt. Auch fliesst er oft nur aus einem Nasenloehe, während bei Strengel und Druse immer beide Nasen­löcher fliessen. Die Drüsen sind beim Rotz auffallend hart und kugelartig, auch an den Hinterkiefer angewachsen, brechen sehr selten auf; bei Strengel und Druse sind sie grosser, wärmer und nicht an­gewachsen, und ergiessen , wenigstens bei Letzterer, oft vielen und gutartigen Eiter. Strengel und Druse sind mit Fieber, heftigem Husten und Mattigkeit verbunden, Rotz ist fieberlos, und Kräfte und Munterkeit sind oft noch Jahre lang unverändert; der Husten kann beim Rotze auch ganz fehlen.
sect;• 213.
Zuweilen werden rotzige Pferde gleichsam in der Mitte der Krankheit von einer andern bösartigen Krankheit befallen, welche gemeiniglich in wenig Tagen durch Brand tödtet (rotzige Lungen­entzündung). Wenn rotzige Pferde stark gebraucht und schlecht gehalten werden, so verlieren sie ihre Tauglichkeit zur Arbeit früher und gehen unter den Erscheinungen einer mit Fieber verbundenen Wurmbildung, gleichsam mit acutem Verlaufe, schneller zu Grunde.
Junge Esel unterliegen besonders schnell an einer Art acutem Rotze, schneller Wurmbildung, oder Lungenentzündung, daher deren Inoculation mit Rotzmaterie das beste Mittel ist, zu entscheiden, wenn es sich um die Frage handelt, ob ein Pferd mit dem wirklichen Rotze behaftet sei, oder nur mit einer verdächtigen Druse. In den meisten Fällen ist Rotz durch Ansteckung entstanden, selten durch ursprüngliche Ent Wickelung.
sect;. 214. Wird mit Rotzeiter an der Nase oder an andern Hautstellen geimpft, so entsteht nach einiger Zeit ein örtliches G-eschwür, die Ganaschendrüsen schwellen an, und allmälig entwickelt sich der Rotz, zuweilen auch Wurm. Wenn ein bereits rotziges Pferd an irgend einer Hautstelle mit Rotzeiter geimpft wird, so entsteht kein örtliches Geschwür, gerade wie auch venerische Menschen mit Schankereiter geimpft, keinen neuen örtlichen Schanker bekommen. Der AnsteckungsstofF ist fixer Natur, und die blose Ausdünstung eines rotzigen Pferdes steckt nicht an. Die Trensen rotziger Pferde be­wirken wol selten Ansteckung. Das Contagium verliert seine an-
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steckende Kraft, wenn es der freien Luft bei -(-45deg; R. exponirt wird, oder wenn es vertrocknet.
Wurmjauche, auf die Nasenschleimhaut geimpft, bringt Rotz hervor,
Empfänglichkeit für Rotzgift ist nicht bei allen Pferden gleich. Junge Esel besitzen die grösste Receptivität, gewöhnlich verfallen sie in acuten Rotz.
Der ursprüngliche Rotz entsteht am häufigsten aus versteckter Druse (franz.: fausse Gourme). Auch entsteht er durch das Ein-athmen unreiner Luft.
sect;. 215.
Die Natur des ursprünglichen Rotzes hat mit den Scropheln des Menschen in hohem Grade Aehnlichkeit, insofern eine Ent­mischung der Lymphe beide Krankheiten begründet, auf welche An­schwellungen der Lymphdrüsen folgen.
Mit den scrophulösen Ausschlägen, bösen Köpfen, flüssigen Ohren und Augen hat offenbar die Entstehung der Rotzgeschwflre Aehnlichkeit, und endlich hat Rotz, wenn er eine allgemeine Krank­heit veranlasst und in Wurm übergegangen ist, sehr grosse Analogie mit der vollkommen ausgebildeten Scrophelkrankheit. In beiden finden sich an verschiedenen Stellen angeschwollene Lymphdrüsen, die häufig aufbrechen; bei beiden werden leicht die Lungen ulcerös angegriffen, und beide endigen mit allgemeiner Kachexie.
Auf der andern Seite zeigen sich auch bedeutende Unterschiede zwischen Rotz und Scropheln. Die Entmischung der Lymphe bei Scropheln geht ohne Zweifel aus einer fehlerhaften Assimilation in den Verdauungsorganen, und hier vorherrschender Säurebildung, hervor; beim Rotz ist es immer vorhergehende Krankheit der Schleim­häute des Respirationssystems, Strengel, Druse, aus welcher die Ent­mischung im Lymphsystem hervorgeht, und nie scheint sich bei Scropheln ein Contagium zu entwickeln, was doch beim Rotz so energisch hervortritt. —
Der Rotz steht als eigene Krankheitsform 'in der Mitte zwischen der venerischen Krankheit und den Scropheln des Menschen.
sect;. 216. Der quot;Wurm ist eine dem Pferdegeschlecht eigene, langwierige ansteckende Krankheit, mit bösartigen Geschwülsten und Geschwüren an verschiedenen Stellen des Körpers, besonders unter der Haut.
sect;. 217. Richard Vine's practische Abhandlung über die Rotzkrankheit und den Hautwurm des Pferdes (Aus dem Englischen von Wagen­feld 1833) ist eine nicht uninteressante Schrift. Der Autor hat^
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86 •ßnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; von richtigen Grundanschauungen ausgehend, die Sache mit vor-
urtheilsfreier Klarheit aufgefasst und wiedergegeben. Er sucht z. B. die Krankheit nicht, wie fast alle Thierärzte und thierärztliehen
Schriftsteller, in einem irgend einer Säftemasse beigemischten eigen-thümlichen Gifte, und an einem besondern Orte, auf eine bestimmte
f Localität beschränkt, sondern er sucht sie in einer vorangehenden dyskratischen oder kachectischen Beschaffenheit aller Säfte, die. dem Ausbruche des Rotzes oder Wurmes vorhergehen muss, und er findet Isnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;diese Krankheiten nicht auf eine bestimmte Localität beschränkt,
sondern er findet, dass sie Allgemeinleiden sind. Diese Ansichten müssen wir in der Hauptsache beim spontan entstehenden Rotz und Wurm unterschreiben, obwol es bei den durch Infection entstande­nen Krankheiten ganz anders ist. Der Verf. hält den Rotz etc. für keine specifisehe Kranheit und will auch nichts von specifischen Mitteln wissen. Er hält diese Krankheiten für das dyskratische und letzte Stadium gewöhnlicher entzündlicher Krankheiten an ver­schiedenen Theilen des Körpers, Nasenschleimhaut, Lungensubstanz, Haut etc.
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sect;. 218.
Der Verf. behauptet: Rotz und Wurm könnten willkührlich beim Esel hervorgebracht werden, wenn in den Kreislauf desselben irgend eine reizende Flüssigkeit oder etwas von der Säftemasse eines ungesunden Thieres eingebracht wird. Er betrachtet vorzugsweise die Druse und den Strengel, deren schlechte und fehlerhafte Behand­lung und übele Ausgänge als die Ursache des Rotzes, und sagt, er kann auf zweierlei Weise entstehen: 1) durch heftige und anhaltende Entzündung der Schleimhaut der Nasen -, Stirn - und Kinnbacken­
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höhlen , das Resultat von Druse etc., und 2) durch Entzündung der Lungensubstanz, wodurch Tuberkeln , Vomicae etc. entstehen. Im ersten Falle kann sich die Entzündung der Schleimhaut zu den Lungen verbreiten, und im letztern die Entzündung der Lungen
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bis zur Nasenschleimhaut.
sect;. 219.
Zur Heilung des Rotzes und Wurmes empfiehlt V. innerlich reizende und stärkende Mittel; sein Hauptmittel sind die Canthariden. Dieses Mittel ist keineswegs neu. sondern vielfach vor ihm innerlich angewendet und versucht. Robertson hat es zuerst zur Heilung des H)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rotzes und Wurmes angewendet. Es wird besonders in kleinen
steigenden Gaben von 5 bis 10 Gran angewendet. Der Verf. will
P von diesem Mittel, besonders beim Wurm, sehr glückliche Erfolge gesehen haben, er räth aber zu einer ausserordentlichen Vorsicht bei demselben.
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sect;. 220.
Handbuch der Thierarzneikunde oder theoretische und practische Darstellung aller Krankheiten der vorzüglichsten Hausthiere etc., nebst einem Anhange, von P. Vatel, aus dem Französischen für deutsche Thierärzte bearbeitet von A. W. Pestel, 1829.
In dieser Schrift sind 12 Klassen Reizungen angenommen. Sie handelt die Druse in der ersten Klasse und der siebenten Ordnung ab. Sie begreift sie unter den Reizungen des Schleimhautsystems, und namentlich der Schleimmembranen der Sinnesorgane, und zählt sie zu den Entzündungen.
sect;. 221.
A.nbsp; nbsp;Acute Rhinitis bei jungen Einhüflern ist bei diesem Verf. die Druse, Drüse, Drüsenkrankheit. Sie complicirt sich gewöhnlich mit Laryngitis, auch mit Pharyngitis. Wenn die Symptome der Druse sich nicht gar zu heftig offenbaren, dann ist es gutartige Druse, tritt die Entzündung zu intensiv auf, dann ist es die bösartige Druse.
sect;. 222.
B.nbsp; nbsp;Acute Rhinitis bei erwachsenen Einhüflern ist Schnupfen (Coryza) , Strengel (Morfondure) Nasenfluss, Nasencatarrh , falsche Druse (fausse Gourme). Oefters werden bei dieser Krankheit auch die Lymphdrüsen der Ganaschen mit von der Reizung ergriffen, sie sehwellen an und gehen bisweilen gar in Verschwärung über. Diese Affection complicirt sich öfters mit Bräune, mit Magen - und Darm­entzündung.
sect;. 223.
C.nbsp; nbsp;In Fällen übermässig acuter Druse und Nasencatarrhs ent­stehen bisweilen auf der Oberfläche der Nasenschleimhaut mehr oder minder umfangreiche Verschwärungen, die nur als das Resultat einer übermässig acuten Entzündung anzusehen sind. Jene Fälle sind mit grosser Mattigkeit, Fieber etc. verbunden und öfters auch mit Pharyn­gitis, Laryngitis, Pneumonie etc. complicirt (bösartige Druse, bös­artiger Nasencatarrh). Das strengste antiphlogistische Heilverfahren ist unstreitig das einzige Mittel, mit welchem dieser Krankheit entgegen zu wirken ist.
sect;. 224.
D.nbsp; nbsp;Die chronische Rhinitis (Druse) ist in den meisten Fällen die Folge vorangegangener acuter Nasenschleimhautentzündung, doch tritt sie bisweilen anfangs als eine spontane Krankheit hervor.
sect;. 225.
E.nbsp; nbsp; Die unter dem Namen: ansteckende Druse, contagiöses Kopfleiden (Mal de tete de Contagion) und in Brand ausartende Coryza, brandige Druse, Schnupfen (Coryza gangraenosa) benannte
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Affection der Schleimhaut der Nase, ist nur selten idiopathisch, son­dern in den meisten Fällen das Symptom einer typhösen, fast be­ständig tödtlichen Krankheitsform.
sect;. 226.
Hautwurm, Wurmbeule (farciminium) ist in der 1. Klasse 4. Ordnung der Reizungen des lymphatischen Systems abgehandelt, und zu den Inflammationen und Subinflammationen gezählt.
Die nur selten acut, sondern gewöhnlich chronisch vorkommen­den Entzündungen der Drüsen und lymphatischen Gefässe, sowie überhaupt alle die obscuren Entzündungsformen derjenigen Theile, wo die Existenz dieser Drüsen und Gefässe selbst noch zweifelhaft ist, sind bei dem Pferde, Maulesel und Esel mit dem Namen Haut­wurm bezeichnet worden ; indess hat man sie auch bisweilen an den Ochsen wahrgenommen. Sie haben mit den Affectionen, welche man beim Menschen unter dem Namen Scropheln begreift, sehr viel Aehn-liehkeit, ja sind ihnen vielleicht vollkommen gleich.
sect;. 227.
Obwol der Verfasser die Trennung der Wurmkranken von den Gesunden anräth, so spricht er sich nicht für die Ueberzeugung aus, dass der Wurm ansteckend sei.
Die Mittel welche fähig sind, die dem lympathischen System innewohnende Reizung zu vermindern und dem Blutgefässsysteme die prädominirende Herrschaft, welche es verloren, wieder zu geben, sind in dieser Hinsicht als die rationellsten zu betrachten. Er räth auch den salzsauren Baryt, wie er bei Menschen gegen Scropheln angewendet wird, an.
sect;. 228.
Die Rotzkrankheit des Pferdes bringt der Verfasser unter folgende Abtheilung seines Systems:
10.nbsp; Klasse. Krankhafte Productionen oder Erzeugnngen.
11.nbsp; nbsp;Ordnung. Heterologe oder fremdartige krankhafte Pro-
ductionen oder Erzeugungen. 1. Abtheilung. Heterologe oder fremdartige flüssige Säfte
oder Materien. 3. Unterabtheilung. Scirrhöse und encephaloidische (hirn-substanzähnliche) Materien und nennt sie Phthisis nasalis.
Die Rotzkrankheit des Pferdes ist das Resultat der unter dem Namen Seirrhus, hirnsnbstanzähnliche Krebsmassen , bisweilen auch Tuberkeln u. s. w. bekannten krankhaften Productionen, welche sich in dem dichteren Theile der Membran , welche die Nasenhöhle aus­kleidet , entwickeln. Der Verfasser hält die Rotzkrankheit für eine eigenthümliche, selbstständige Krankheit des Pferdes.
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Bösartige Catarrhalfieber, Halsentzündungen, Brustseuche und andere typhöse Fieber gehen sehr oft in Rotz über, namentlich wenn ihre Krise misslingt.
sect;. 229.
Dieteriehs definirt in seiner speciellen Pathologie und Therapie die Rotzkrankheit auf folgende Weise: „der sogenannte Rotz ist eine bei den Pferden langsam, bei den Eseln schnell verlaufende, dem Pferdegeschlecht überhaupt eigenthümliche und ansteckende Krankheit, welche sich durch ein vorherrschendes Leiden der Schleim­häute der Luftwege, besonders aber der Nasenhöhlen und desLymph-gefass- und Drüsensystems, auszeichnet, und welche mit einer oder der andern kachectischen Krankheitsform endigt.
sect;. 230.
K. W. Ammon hält die Druse für eine, dem Pferdegeschlecht eigene Krankheit, die nicht mit dem Catarrh des Menschen ver­wechselt werden muss. In seinem allgemeinen Vieharzneibuch etc., 2. Aufl. 1831, spricht er sich über den Rotz dahin aus, dass dessen Ansteckungsfähigkeit ausser Zweifel sei, wiewohl er nur, wie die Erfahrung gelehrt hat, durch Berührung ansteckt. Auf diese Art lasse sich erklären, warum oft ein rotziges Pferd bei gesunden Pferden im Stalle stehen könne, ohne dass diese angesteckt würden. Ein wurmiges Pferd könne den gesunden Pferden Rotz mittheilen. Als Ursache des Wurmes sieht er Mangel an Bewegung bei guter reichlicher Nahrung an.
sect;. 231.
Dr. J. F. Alpin (Die gewöhnlichen Krankheiten der Pferde und des Rindviehes, 1831) sagt über Druse, Rotz und Wurm nur Be­kanntes. Rotz und Steindruse hält er für identisch. Seine Ansicht über die Natur des Rotzes und Wurms ist ziemlich veraltet. Er empfiehlt zur Heilung dieser Krankheiten diejenigen Mittel , die be­reits von vielen, altern Schriftstellern empfohlen worden sind, und auch bei ihm spielen Quecksilbermittel die Hauptrolle.
sect;. 232.
Ueber die Rotz- und Wurmkrankheit der Pferde mit besonderer Rücksicht auf ihre Heilung etc. von F. W. Gr. Versmann, 1 843.
Diese kleine Schrift ist besonders dadurch interessant, dass sie uns sieben Pferde eines Ackerbauers (Colon genannt) vorführt, die alle in hohem Grade, wie wir dies aus der Beschreibung ihres'Zu-standes erkennen müssen, rotzig gewesen sind, und die der Verfasser der Schrift in kurzer Zeit vollständig geheilt hat. Hieraus zieht er den wohlbegründeten Schluss, dass der Rotz heilbar sei, und meint, dass es danach nicht gerathen scheine, jedes für rotzkrank erkannte Pferd
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sogleich tödten zu lassen, dass man vielmehr zuvorHeih-ersuche anstellen müsse. Der Verfasser hat bei jenen Pferden innerlich das Cuprum sulphuricum in Verbindung mit Aloe, demnächst das Manganum oxydatum nativnm angewendet, dabei in Zwischenzeiten Purganzen von Aloe gegeben, die Drüsen mit Mercurialsalbe und Jodsalbe, die Wurmbeulen mit Sublimatauflösung und der letztern Salbe einreiben, dabei die Pferde täglich rüstig arbeiten und die Ställe reinlich und luftig halten lassen. Die Abführungen wurden von Zeit zu Zeit wiederholt. Dann wurden später täglich 2mal Chlorräucherungen angewendet. Später Extr. Belladonnae mit 01. Hyoscyami, er­wärmt, alsEinreibungauf die Drüsenknoten angewendet. Darauf folgte die innerliche Anwendung des Jod in steigender Gabe als Kali hydrio-dicum von 2 Drachmen bis auf eine halbe Unze täglich. Die Behand­lung hatte vom 16. September bis zum 6. Januar gedauert, und die Pferde waren geheilt.
sect;. 233.
F. A. Körber (Handbuch der Seuchen und ansteckenden Krank­heiten, 1835) handelt auch den Rotz und Hautwurm der Pferde ab. Er bringt sie unter die ansteckenden sporadischen Krankheiten, obwol wir annehmen, dass alle ansteckenden Krankheiten seuchenartig auf­treten können und auftreten, sobald ihnen die dazu nöthige Bedingung, das Leben in Gemeinschaft, in Heerden der betreffenden Thiere, gegeben ist, und die Rotzkrankheit hat sich in dieser Beziehung leider vielfach genug bewährt, indem sie in Gestüten , Pferdedepots, Ar­meen und einzelnen Militairabtheilungen , ja in Ländern, Provinzen und Bezirken als Seuche vielfach aufgetreten ist.
K. behauptet, jedenfalls ganz unrichtig, dass die Rotzkrankheit eine schleichende Kachexie sei, und sich bald früher bald später, doch meist immer erst nach einer Andauer von 1—3 Monaten und länger, in Folge des örtlichen Leidens, die allgemeine Kachexie zu entwickeln beginne.
Diesen Satz können wir nicht unterschreiben , er ist jedenfalls ganz unhaltbar und wird sieh aus dem, was wir über den vorliegenden Gegenstand weiterhin zu sagen haben, vollständig widerlegen.
sect;• 234.
Der Verfasser nimmt einen üebergang der gutartigen Druse in Rotz an, er identificirt Druse und Rotz und hält somit die eine Krank­heit blos für den Ausgang der andern, während wir beide für zwei wesentlich sehr verschiedene Krankheiten halten. Tritt Rotz ein, so kann dies durch Druse wol veranlasst sein, indess ist dies immer eine andere Krankheit als Druse und durchaus kein Aus- oder Üebergang.
Verfasser sucht den Sitz der Krankheit, gleich andern, in der
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Nasenschleimhaut und deren Forsetzungen, in den Lymphdrüsen des Kehlgangs und, bei längerer Dauer, in den Lungen. Das Leiden selbst, sagt er, besteht in einer Entzündung der Lymphgefässe, welche in Auschwitzung übergeht und dadurch Verdiekung der Lymphge-fasswände, knotige Auftreibung an den Klappen derselben, aus wel­chen später die Rotzgeschwüre hervorgehen, und Vergrösserung und Verhärtung der Lymphdrüsen im Kehlgange veranlasst. Die Ect-zündung selbst macht noch nicht den Rotz aus, erst ihr Ausgang in Ausschwitzung und deren naehtheilige Folgen bilden ihn.
sect;. 235.
Wir können solchen Ansichten und Behauptungen gegenüber, die zum Theil Widersprüche und wissenschaftliehe Schnitzer ent­halten , uns auf eine specielle Kritik nicht einlassen, da sie das Ge­präge der ünhaltbarkeit schon an der Stirne tragen; sie widerlegen sonach sieh selbst und beweisen nur, dass der Verfasser es mit der Sache nicht sehr ernstlich gemeint hat und in dieselbe nicht besonders tief eingedrungen ist. Wie oberflächlich derselbe die Sache ge­nommen, und dass er selbst hin und wieder, ohne Selbstprüfung, auf Autoritäten sich gestützt hat, die eigentlich solche nicht sind, beweist der eine Umstand, dass er den alten Chabert, gleich den fälschlichen Beschuldigern einiger seiner Landleute, denen er, wie es scheint, ohne Weiteres geglaubt hat, unter die Anticontagionisten des Rotzes zählt.
Er hält den Rotz für unheilbar.
sect;. 236. Die Ansichten, welche der Verfasser über die Form derDrüsen-krankheiten, welche man mit dem Namen des Hautwurras der Ein­hufer belegt, ausspricht, schliessen sich denen über Rotz an, er hält beide, Rotz und Wurm für identisch , nur verschieden in ihrer Form, hält aber den Wurm in vielen Fällen für heilbar.
sect;. 237. Die englische Viehzucht, aus der Bibliothek der Londoner Ge­sellschaft etc., ins Deutsche übersetzt mit Anmerkungen und Zusätzen etc. 1. Bd. Das Pferd, seine Zucht etc. 1837. In diesem Werke ist gesagt, dass der Rotz unheilbar sei, dass er in der Mehrzahl der Fälle das linke Nasenloch angegriffen habe ; längere Zeit bleibe der Ausfluss durchsichtig, aber klebrig, dann mische sich Eiter bei; von diesem Eiter werde aufgesaugt, und dann schwellen die Ganaschen­drüsen auf einer oder beiden Seiten an. Es sei sicher, dass der Aus­fluss aus der Nase, ohne andere Krankheitszeichen und selbst ohne Geschwüre, zwei und drei Jahre lang fortgedauert habe, und dennoch das Pferd vom Anfang an rotzig und ansteckungsfähig ge­wesen sei.
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Sobald Geschwüre sich in der Nase bilden, wird auch die allge­meine Constitution des Thieres angegriffen werden. Die Symptome wechseln so sehr, dass man darüber in Verlegenheit kommen kann. Der Ausfluss kann so gering sein, dass man ihn kaum wahrnimmt und er bloss durch seine Klebrigkeit auffällt; die Drüsen sind manchmal nicht im Geringsten angeschwollen.
Wir finden diese Angaben ganz richtig, und stimmen sie mit den von uns gemachten Beobachtungen vollkommen überein.
sect;. 238.
Der Verfasser meint, es sei eine Krankheit der Nasenschleim­haut , zu der sich am Ende noch der Hautwurra gesellt, und wenige Pferde gehen am Rotz zu Grunde, ohne vorher Symptome des Wurms gezeigt zu haben, und dieser sei in seinem letzten Stadium fast allemal mit Rotz complicirt. Beide seien verschiedene Formen und Grade ein und derselben Krankheit. Es sei keinem Zweifel unterworfen, dass der Sitz der Krankheit ursprünglich in der Nase sei, dass sie eine Zeit lang blos ein örtliches Leiden sei, dass eine Entzündung der Tuberkeln vorausgehen müsse, ehe jener Eiter gebildet werde, wel­cher die Constitution des Thieres angreife.
Alles, was die Nasenschleimhaut angreife, längere Zeit darauf einwirke und ihreLebensthätigkeit schwäche, könne Rotz ver­anlassen. Man habe ihn auf Brüche der Nasenbeine und Einspritzungen von scharfen und reizenden Substanzen in die Nase folgen sehen.
In einigen Fällen heilte chronischer Rotz von selbst. Von Anwendung der Arzneien hofft Vf. keinen Erfolg. Blauer Vitriol und spanische Fliegen haben sich am wirksamsten erwiesen.
sect;. 239.
C. F. W. Funke, Handbuch der speciellen Pathologie und Therapie 1839.
Dieser Schriftsteller vertritt in der Hauptsache die Ansicht Körbers in Beziehung auf die Drüsenkrankheiten, mit Einschluss des Rotzes und Wurmes der Einhufer. Er will bei den Sectionen im niedern Grade der Rotzkrankheit, die Schleimhaut der Nase mit ihren Verzweigungen in die Kiefer- und Stirnhöhlen roth marmorirt und auf­getrieben , mit Rotzmaterie überzogen und mit kleinen weissen Bläs­chen , so wie mit hirsekorn- und grützartigen Erhabenheiten und Ge­schwüren besetzt, doch ohne anderweite auffallende Zerstörung der­selben gefunden haben.
Zu den Anomalieen des Rotzes, welche dessen Diagnose er­schweren , rechnet der Verfasser sehr kleine Drüsenanschwellungen im Kehlgange, vernarbte und sehr hooh oben sitzende Geschwüre in der Nase, so dass es den Schein hat, als wären gar keine vorhanden, geringen oft fast gänzlich fehlenden Ausfluss bei nicht selten zahl-
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reicher Rotzgeschwürbildung und characteristischen Verhärtungen der Kehlgangsdrüsen.
Was die Franzosen acuten Rotz nennen, hat der Verfasser venöse Druse genannt.
sect;. 240.
Der Verfasser sagt merkwürdigerweise Folgendes: „Das An-steckungsgifl des Rotzes hat mehrere Träger, ist zwar besonders mit dem Nasenausfluss verbunden, überdies aber auch in den Thränen, dem Harn, Speichel, Blut und der tropfbarflüssigen Ausdünstung der Lungen und der Haut (dem Schweisse) enthalten, während die un­merkliche Hautausdünstung frei vom Contagium zu sein scheint.quot;*)
Ferner giebt der Verfasser an, dass das Contagium verschiedene Intensitätsgrade besitzt^ die mit den Krankheitsgraden im gleichen Verhältnisse stehen und seine Wirkungskraft lange beizubehalten scheint, wenn es nicht hoher Wärme und der Zugluft ausgesetzt wird. Auf die Schleimhaut der Verdauungseingeweide vermag es seine an­steckende Kraft nicht zu äussern, indem es hier jedenfalls durch dienbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ' | Verdauungskraft unwirksam gemacht und zersetzt wird. Bei etwa vorhandenen Verletzungen in diesen Theilen wäre aber wol die Mög­lichkeit zur Ansteckung gegeben.
sect;• 241. Verfasser sagt ferner: „Da die unmerkliche Hautausdünstung gänzlich frei von aller Ansteckungskraft ist, so kann auch durch das blosse Beisammenstehen eines gesunden und eines rotzigen Pferdes das erste nicht angesteckt werden, wenn nicht auf ai:dere Weise ein Contagiumsträger mit einem ansteckungsfähigen Boden in Berührung kommt. Aus demselben Grunde wird auch die Ansteckung durch Ställe nicht so leicht. Eben weil die Hautausdünstung nicht, sondern nur der Schweiss ansteckt, so werden auch Sättel, Decken, Leder-und Riemenzeug, Striegeln und Kartätschen nur dann anstecken, wenn sie wirklich vom Schweisse rotziger Pferde verunreinigt sind. Da auch die gesteigerte Lungenausdünstung, sei es an sich, oder indem sie durch die rotzige Nase geht, ansteckt, so ist jedenfalls auch das Einathmen der von erhitzten rotzigen Pferden ausgeathmeten Luft ansteckend für gesunde.
sect;. 242.
Verfasser sagt ferner: „Nur wenn das Rotzleiden junge, kräftige, ausgewachsene, compacte Pferde betrifft, und durch Ansteckung ent­standen ist, oder sich erst kurz aus der verdächtigen Druse entwickelt hat und man somit weder örtliche bedeutende Zerstörungen, noch
*) Anm. d. Verf. Man sehe Viborgs Versuche, die dieser Ansicht direct widersprechen. —
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eine allgemeine eingewurzelte Kachexie anzunehmen hat, kann man bei warmer, trockener Witterung und sonstiger guter Wartung und Pflege und geeigneter Behandlung eine Heilung für möglich halten, während in allen übrigen Fällen, besonders bei bedeutenden Zer­störungen der Nasenschleimhaut, der Knorpel- und Knochenblättchen, bei Auftreibung derNasenbeine und schnaufendem Athem , die vielge-rühmtesten Mittel uns im Stich lassen, und wenn man hin und wieder von solchen glänzenden Rotzcuren sprechen hört oder geschrieben lieset, so sei man überzeugt, dass die ganze Sache entweder ganz er­logen , oder die behandelte und geheilte Krankheitjmr so beschaffen gewesen ist, wie wir sie noch heilbar angegeben haben. — Aber auch in den für geheilt gehaltenen Fällen sei man vorsichtig und nur wenn alle Symptome gänzlich verschwunden sind und wegbleiben, und das Thier wieder wohlbeleibt und glänzend wird, kann man dann die Heilung aussprechen.quot;*)
sect;. 243.
Der Verfasser bezeichnet den einfachen entzündlichen Nasen-catarrh als Strengel, und den drüsigen Nasencatarrh als Druse. Er beschreibt viele Formen und Uebergänge dieser Krankheiten. Auch bezeichnet er eine Form beider Krankheiten als die venös entzündliche, die er stets für sehr gefahrvoll und für die gefährlichste hält, und meint, dass diese Krankheiten diejenigen sind, unter welchen die Franzosen den acuten Rotz verstehen.
sect;. 244.
Der Verfasser unterscheidet einen Wurm aus Selbsterzeugung und einen milgetheilten oder abgeleiteten, und sagt, die Krankheit habe einen langsamen Verlauf. Einen acut verlaufenden Wurm nimmt er nicht an. Der mitgetheilte Wurm verläuft, wie er sagt, schneller, und nur unter besondern Umständen gesteht er bei diesem einen acuten Verlauf zu. Der spontane Wurm bildet sich aus dem vorwaltenden Lymphdrüsensystem hervor, und scheint das Leiden mit der Bildung einer alienirten Lymphe zu beginnen. Er nimmt an, dass beim Wurm eine allgemeine erhöhte Thätigkeit im ganzen Lymph-system, und somit vermehrtes Volumen der Gefasse eintritt. Die Alienation der Lymphe nimmt gleichzeitig zu und bildet sich zu einem krankhaften Reiz für die Lymphgefässe und Drüsen aus, reizt diese bis zu einem gewissen Entzündungsgrade und veranlasst dadurch jene beulenartigen Anschwellungen und nachfolgenden Geschwüre etc.
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*) Anm. d. Verf. Wir können diesen Satz nicht unterschreiben, da unsere eigene Erfahrung demselben widerspricht.quot;quot; Wir glauben vielmehr, dass dies Feld lange noch nicht erschöpft ist, und wir endlich dennoch Oahin kommen werden, den Rotz in den meisten Fällen zu heilen.
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Durch die klappenreiche Bildung derLymphgefasse wird jene schnur-iörmige Anreihung der Beulen bedingt.
sect;. 245. Ausser den von uns bis jetzt aufgeführten Schriftstellern , gicbt es noch eine grosse Menge, älterer und neuerer Zeit. fast aller Na­tionen , die über die Drüsenkrankheiten der Einhufer geschrieben haben. Es sind im Wesentlichen überall dieselben Ansichten ausge­sprochen , die wir von den citirten Schriftstellern mitgetheilt haben, Ausserdem giebt es noch eine Menge von Abhandlungen und Mit­theilungen über die Drüsenkrankheiten, und namentlich über Rotz und Wurm, in allen thierärztlichen und medicinischen Zeitschriften aller Zeiten und Länder, in denen nicht nur Ansichten entwickelt, sondern auch die interessantesten und lehrreichsten Beobachtungen und Er­fahrungen wiedergegeben sind. Wir können uns sonach auf eine weitere specielle Angabe dieser Mittheilungen nicht einlassen, da uns dies offenbar zu weit führen würde und wir begnügen uns daher mit dieser allgemeinen Andeutung, dem Leser überlassend, sich das Ge­gebene aufzusuchen und damit bekannt zu machen.
4. Capitel: Ueberblick und Schluss.
sect;• 246.
Ueberblickt man nun die Literatur, die hier vor uns liegt, im Allgemeinen, so sollte es fast scheinen, als hätte dieselbe bereits recht segensreich gewirkt; doch, durchliesst man sie speciell, so wird man zweifelhaft, ob sie mehr Segen oder mehr Unheil veranlasst hat, und fast möchte man zu der letztern Annahme veranlasst werden, besonders wenn man die französische Literatur speciell durchgeht und in Be­tracht zieht, welche Wirkungen und Folgen dieselbe nach sich gezogen hat. Es ist nicht möglich, bei solcher Literatur zu einer Klarheit und Bestimmtheit seiner Ansicht über den Gegenstand zu gelangen, der hier behandelt wird, und man weiss zuletzt kaum, worüber und was man gelesen hat. Der Eine hält das für ein lymphatisches Leiden, was der Andere catarrhalisch nennt, und der Dritte als Kachexie be­zeichnet; der Eine behauptet, es sei ein örtliches Leiden, was der Andere für ein allgemeines ausgiebt, und so sucht der Eine den Sitz der Krankheit im Gehirn und den Nerven, derZweite in dem Lymph-gefässsystem , der Dritte in den Schleimhäuten der Kopfhöhlen, der Vierte in sämmtlichen Schleimhäuten, der Fünfte in den Lungen, der Sechste in den Verdauungseingeweiden, der Siebente im Blate, u.s. w. Erinnert man sich der Namen, die man für diese Krankheiten erwählt, hat, wie Druse, Kropf, Steinkropf, Steindruse, Schlier, Rotz, Ritzig-
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keit, Wurm, Schnur- und Hautwurm etc., so erkennt man sehr bald den Standpunct der Wissenschaft. Selbst in diesen Beziehungen der Krankheitsformen widersprechen sieh unsere Schriftsteller, denn der Eine nennt das Kropf, was der Andere Druse, der Dritte Strengel nennt. Nicht weniger Unklarheit und Widersprechendes finden wir in den Schriften über die aetiologischen Momente der in Rede stehenden Krankheiten; der Eine sucht die Ursachen der Krankheiten in Er­hitzung und Erkältung; der Andere in zu wenig, der Dritte in zuviel, der Vierte in zu schlechtem, der Fünfte in zu gutem Futter, was der Sechste der zu geringen Bewegung und Arbeit zuschreibt, fürchtet der Siebente von zu viel Bewegung und Arbeit u. s.w. Wir können uns sonach die bisherige Literatur wenig zu unserer Richtschnur nehmen, indem wir darin zu wenig Anhalts- und Stiitzpuncte finden, wir müssen uns sonach lediglich auf unsere eigenen Beobachtungen und Erfah­rungen stützen.
sect;. 247.
So mannigfaltig die Formen und Complicationen der Drüsen­krankheiten beim Menschen sind, so verschieden sich der Grad, der Sitz und die Ausdehnung dieser Krankheiten in ein und demselben In­dividuum ausspricht, so werden in der Menschenheilkunde dennoch alle diese Verschiedenheiten auf eine Grundkrankheit zurückgeführt. Warum ist dies in der Thierheilkunde nicht so? Bei den Drüsen­krankheiten , die bei der Gattung Equus leider nur zu häufig vor­kommen, finden wir in der thierärztlichen Literatur stets das Gegen-, theil. Die Legion der verschiedenartigen Ansichten über die einzelnen Formen, Complicationen und Grade der Drüsenkrankheiten, hat auch eben so viele verschiedene Namen hervorgerufen , die am Ende alle für ein und dieselbe Grundkrankheit gelten. Schon die Anatomie und Physiologie dürfte uns hier zur Richtschnur und als sicherer Führer dienen.
Die meisten thierärztlichen Schriftsteller, auf die wir hier nicht speciell eingegangen sind, zu denen namentlich das ganze Heer von Cavallerieofficiren , Stallmeistern , Bereitern , Pferdepächtem , Hirten etc. mit ihrem Anhange gehört, die durchaus keine technische, ja nicht einmal eine allgemein wrisseiischaftliche Basis für sich haben, sind nur reine Abschreiber oder Nachbeter von gefeierten Autoritäten, die es nie wagten, noch es verstanden, solchen zu widersprechen, die das Gelesene oder Gehörte nicht einmal verstanden und so, von Missverständnissen geleitet, die thierärztliclie Literatur befleckten und in Misscredit brachten, die Sache selbst aber verwirren halfen, aus unrichtiger Auflassung hervorgehend, falsche Ansichten verbreiteten, die Wissenschaft zur Trivialität herabwürdigten, und so ein Chaos herbeigeführt haben, aus welchem das reine Licht der Wissenschaft nur mühsam hervorbrechen kann. Hätte der Staat die Thierheilkunde
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von Hause aus, als das erkannt, was sie in der That ist, eine Wissen­schaft, hätte der Staat sie von Hause aus emaneipirt und auf den Standpunct gestellt, wo sie hin gehört, wo sie leider heute noch lange nicht angelangt ist, dann würde sie, eineWohlthat des ganzenMenschen-geschlechts, bereits Eiesenfortschritte gemacht haben, und unzweifel­haft auf dem Standpancte angelangt sein, auf dem heute die Menschea-heilkunde steht. Die Ignoranz und der Obscurantismus dürften sich in ihr nicht mehr breit machen und für Autoritäten gelten und deren Ausübung sich anmaassen, wie dies leider immer noch geschieht, wo--durch ihren Jüngern Subsistenz, Ehre und Ruhm in jeder quot;Weise ge­schmälert wird.
sect;. 248.
So wirr und widersprechend die ausgesprochenen Ansichten über die meisten Thierkrankheiten sind, so muss es auch jedem an­drehenden practischen Thierarzt schwer werden, sich zu einer eigenen durchgreifenden Ansieht über die ihm vorkommenden Krankheits­formen hinauf zu arbeiten und sich ein System zu bilden. Da dies nothwendiger Weise geschehen muss, indem er mit dem, was die bestehende Theorie ihm bietet, in praxi nicht fertig werden kann, so folgt daraus natürlich, dass fast jedes einzelne Individuum, welches ins practische Leben tritt und nicht unbedingt, wie die meisten unserer heutigen Thierärzte, maschinenmässig der reinen Empirie folgt und nach vorgeschriebener Schablone handelt, sondern selbstständig geistig thätig ist, über die Thierkrankheiten seine eigenen Ansichten hat und nach diesen sich auch sein besonderes System bildet. Bevor nun aber der rationelle Thierarzt hierin eine gewisse Festigkeit, Sicherheit und Consequenz erlangt, muss er Jahre lang in recht thätiger und ange­strengter Praxis sich bewegen, muss experiraeutiren, vei-suchen, unter­suchen, beobachten und erfahren, und dem Lande erst viele Opfer abfordern, bevor er ihm, oft nur in geringem Masse, nützen kann. Daher sind die angehenden Thierärzte, mit seltenen Ausnahmen, in der Praxis wenig glücklich.
sect;. 249.
Welcher Thierarzt, der auch noch so kurze Zeit nach vollbrachtem Studium auf practischer Laufbahn sich bewegt und hier sich mit den Drüsenkrankheiten der Pferde nachdenkend beschäftigt hat, wird nicht mit mir erkannt und empfunden haben, wie verwirrt und verwirrend die Ansichten über Drüsenkrankheiten der Pferde sind, wie unrichtig ihnen mitunter der nosologische Standort angewiesen ist etc. Alle Drüsenkrankheiten haben ihren primären Sitz in den ersten und zweiten Wegen des Reproductionssystems und sind deshalb stets mit Fehlern der Verdauung verbunden.
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sect;. 250.
Halten wir diese Thatsache fest, so finden wir alle Drüsenkrank­heiten überhaupt, gleichviel von welcher Form, in welchem Stadium, von welcher Ausdehnung etc., in anomalen Zuständen der ernähren­den Säfte, des Blutes und vorzugsweise der Lymphe, ausgesprochen, wir finden also jene Krankheiten als pathologische Zustände der Er­nährung manifestirt, und daher finden dieselben ihren richtigen noso-logischen Standort unter den Krankheiten der Ernährung. Ob die Krankheit ihren primären Sitz in den Verdauungsorganen, oder in den Ernährungssäften hat, ist in Beziehung auf ihren nosologischen Standort gleichgültig. Eben so oft, wie primär die Verdauungsfehler auftreten und secundär die Ernährungssäfte pathologisch verändert werden, eben so oft ist es umgekehrt. Die Krankheiten, die daraus heryor gehen und sich als Drüsenkrankheiten (Scropheln) manifestiren, sind wesentlich , d. h. in ihrer Natur, dieselben. Nur die Ursachen sind verschieden, und sie allein bringen die Krankheit auf verschiedenen quot;Wegen zur Entwickelung und kleiden sie in andere Formen.
sect;. 251. Insoweit die Drüsenkrankheiten auf ihren Entwickelungswegen Fortschritte nach den verschiedensten Eichtungen machen, Verbin­dungen und Trennungen eingehen, allgemein werden, oder sich loea-lisiren, unter dem Einfluss der Vitalität des Organismus, oder des Chemismus ihre Formen ändern, ändern sie gewöhnlich auch ihr Wesen, ihre Natur, und wir haben es sehr oft im Verlauf der Krank­heiten mit solchen zu thun, die ihren ursprünglichen nosologischen Standpunct verlassen und auf einen ganz andern, wol zuweilen ent­gegengesetzten, sich gestellt haben, mithin eine vollständige Meta­morphose eingegangen sind. Dies ist in vielfacher Beziehung wichtig und bedeutungsvoll und gewinnt vor allen Dingen in therapeutischer Beziehung seine practische Bedeutung.
sect;. 252. Finden wir den ursprünglichen Zustand der Drüsenkrankheiten des Pferdes, die Scropheln, ihrem primären Sitze nach, in den ersten und zweiten Wegen der Reproduction, verbunden mit Verdauungs­fehlem , so abstrahiren wir ganz davon, was aus den Krankheiten später, im weitern Verlauf derselben wird. Der ursprüngliche Fehler hat seinen Grund in einer Disharmonie in der Vitalität der Lymphe und Blutgefässe mit den Verdauungseingeweiden und gleichzeitig in einem anomalen Chemismus der Lymphe und des Blutes. Eins bedingt das Andere, Eins folgt aus dem Andern, gleichviel, wo die Sache ihren Anfang nimmt, in den Verdauungseingeweiden, den Lymph-und Blut-gefässen, oder in den Säften, in jener Vitalität, oder in dem Chemismus
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der Säfte. Das Einzige was fest steht, das ist die Anomalie der Er­nährung im Anfange der Krankheit. Diese Ernährung, obwol speci-fischer Natur, tritt in verschiedenen , oft ganz entgegengesetzten und oft extremen Verhältnissen zum Organismus auf; sie ist übermässig, in Ueberfülle, also mit Plethora undFettiiblagerungen,sieist unzureichend, mangelhaft, also mit Phthisis und Abmagerung verbunden. Wie dem aber auch sei, immer ist eine Disharmonie, ein Missverhältniss im Stoffwechsel, zugegen, und dies die Ursache der weitern Ausbildung und des üblen Verlaufs der Krankjieiten.
II. AbtÜeilung.
Die Drüsenkrankheiten oder Scropheln des Pferdes (Scrophula equina) im Allgemeinen und die mit ihnen verwandten, oder sich in dieselben metamorphosirenden
Krankheiten.
1. Capitel: Begriff, Sitz und Natur der Drüsenkrankheiten.
sect;. 253.
Wir begreifen und bezeichnen mit der Benennung Drüsenkrank­heiten oder Scropheln eine Krankheitsgruppe des Pferdes, welche bei diesem nützlichsten unserer Hausthiere, am häufigsten und ausge­prägtesten zwar im jugendlichen, sonst aber auch, wiewol seltener und complicirter, in jedem andern Alter, in den mannigfachsten Formen und Gestalten unstreitig am meisten dessen gesundes Leben bedroht. Diese Krankheiten haben ihren Sitz in dem Ernährnngssystem des Thieres und vorzugsweise in den lymphatischen Säften und Drüsen. Ihre Präexistenz ist als Folge schlechter Verdauung oder fehlerhafter Nahrungsstoffe, oderderlnfection, in der Regel in fehlerhafter Mischung oder in Entmischung des Chylus und der Lymphe , secundär aber in krankhafter Alteration der Drüsen, durch welche jene Säfte zunächst
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hindurch müssen, und auf die sie einen specifischen krankmachenden Reiz ausüben, zu suchen. Wir haben es .auf diese Weise mit einer Dyskrasie zu thun, die sich auf ein ursprünglich örtliches Leiden zu­rückführen lässt, im weitern Verlauf aber den ganzen Säfteapparat einnimmt und damit gleichzeitig die Schleimhäute in Mitleidenschaft zieht, und je nach den veranlassenden und fortwirkenden äussern und innern Ursachen und den dadurch hervorgerufenen Formen, die mannig­fachsten Metamorphosen und Ausgänge erleidet.
sect;. 254. -
Die Scropheln sind bei Pferden wie bei Menschen Krankheiten der Ernährung, der vegetativen Lebenssphäre. Bei ihrer spontanen Entwickelung, als primäre Scropheln, entstehen sie aus fehlerhafter und schlechter Ernährung, krankhafter Blutbildung; als secundäre Scropheln dagegen entstehen sie durch Metamorphose aus andern Krankheiten, oder durch Uebertragung des Scrophelcontagiums, bei welcher schliesslich die Ernährung in einen anomalen Zustand über­geführt wird. Die ursprünglichen Scrophelkrankheiten entstehen am liebsten und leichtesten bei Individuen, bei denen die vegetative Lebens­sphäre über die animalische relativ vorwaltet, wo jene diese relativ beherrscht, wo die Ernährung vorzugsweise auf die vegetative Sphäre gerichtet, diese Seite des Lebens gewissermassen übersättigt. Hier finden wir die vollständigste und ausgedehnteste Anlage.
Wir finden daher im Anfange der Krankheit, in ihren ersten Stadien, die lange Zeit hinaus dauern können und deren Grenze nicht zu bestimmen ist, in der Regel einen sogenannten guten physischen Ernährungszustand, eine mastige, fettsüchtige, torpidwässrige, phleg­matische Constitution, gegen die die animalischen Lebensfunctionen verhältnissmässig zurückweichen. Wir finden dann organische Erschlaf­fung, Abnahme der physischen Kräfte und der Ausdauer, verhältniss-mässige Zunahme an Fett, oft bedeutende Fettablagerungen, After-productionen etc. Wir finden im Blute relative Verminderung des Cruors, wenigstens des rothen Stoffs desselben, dagegen ein Vorwalten des fibrinösen Theils und des Serums mit Ueberschuss an Albumin. In dem Verhältniss, in dem dieScrophelkrankheit vorschreitet und allge­meiner wird, nimmt der gedachte, wässrig torpide Zustand zu, und tritt das animalische Leben zurück ; in dem Verhältniss, aber in dem der Krankheitsprocess zerstörend in die Organisation eingreift und seine weitern Phasen durchläuft, lässt die Ernährung nach; und es beginnt die Abmagerung.
sect;. 255.
In diesen Verhältnissen findet .der Umstand, dass das Pferd so vorzugsweise zu Scropheln disponirt ist und desshalb so häufig daran leidet, seine volle Berechtigung und Erklärung, wenn wir in Betracht
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ziehen, dass von allen pflanzenfressenden Hausthieren das Pferd das gefrässigste und niastungsfähigste ist, was beweist, dass bei diesem Thiere das vegetative Leben, die Ernährungssphäre, in einem eigen-thümlichen prävalirenden Verhältniss zur animalischen Lebensseite steht. Berücksichtigen wir zugleich den Umstand, dass das Pferd meistens mit stark mehl- und stärkehaltigen, schwer verdaulichen, wenig Stickstoffquot; enthaltenden Körnern ernährt wird, dass es oft zu wenig, und der Nahrung nicht entsprechende, Bewegung hat und in nur zu häufigen Fällen nicht den angemessenen Gennss der frischen reinen Luft, mit dem erforderlichen Sauerstoffgehalte hat, dass also der Stoffwechsel nicht diejenige Beschleunigung, Regelmässigkeit und Förderung erhält, die das animalische Leben voraussetzt, so wird es einleuchten, dass hier eine Menge Veranlassungen gegeben sind, durch welche das vegetative Leben das animalische überwuchert, und wir werden jenen Umstand nicht weiter in Zweifel ziehen dürfen. Nicht weniger aber linden wir auch den Umstand erklärt, dass Pferde von reinem Racen, höhern und edlern Stammes, seltener von Scropheln befallen werden, als andere, weil in jenen in der Regel das animalische Leben vollkommner ausgebildet ist und der Stoffwechsel lebendiger und regelmässiger von statten geht, als bei Niederungs -, Marsch-, jungen und gemeinen Pferden, bei denen die entgegengesetzten Ver­hältnisse stattfinden, daher sie mehr zu Scropheln disponiren. Die Disposition zur scrophulösen Dyskrasie, wächst mit Sicherheit in dem Verhältniss, als das animalische Leben dem vegetativen gegen­über sinkt.
sect;. 256. Wenn wir nun aber auch sehr häufig die Scrophelkrankheiten bei altern Pferden auftreten sehen, die unter ganz andern Verhält­nissen leben, als jene, deren wir im vorigen sect;. gedachten, so liegt dies einestheils in der vorwaltenden scrophulösen Diathese des Pferdes überhaupt; andererseits aber auch darin, dass die Scropheln bei Pferden ein entschiedenes Contagium bilden und dieselben sich nur zu häufig durch dieses auf andere Pferde , also iauch auf ältere, über­tragen. Freilich ist die primäre spontane Entwickelung der Scropheln bei altern Pferden seltener, desto häufiger aber ist ihr Erscheinen bei diesen als secundäre Krankheit, als Metaschematismus. Viele Krank­heiten der Pferde gehen in eine scrophulöse Dyskrasie über und nehmen natürlich ganz den Charakter der Scrophulöse an; viele compliciren sich mit einer solchen Dyskrasie. Es sind dies vorzugs­weise die catarrhalischen Krankheiten, die gerne in die Scrophulöse sich umwandeln oder sich mil ihr compliciren. Zuviel Ruhe bei reichlicher Nahrung, oder zu viel Anstrengung bei zu viel Nässe und wiederholten Erkältungen, schlechte Ernährung und fehlerhafte, verdorbene Nahrung, sind die wirksamsten Ursachen des Ueber-
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ganges catarrhalisclier Krankheiten in die Scrophulose, und so kann diese beiPferden jeden Alters, jeder Race, jeder Abstammung hervor­gerufen werden. — Häufig aber sind es auch blose blennorrhöische Zustände, die bei altern Pferden angetroffen und mit scrophulösen verwechselt werden.
sect;. 257.
Wir zählen zu der Krankheitsgruppe der Scropheln des Pferdes eine ganze Reihe von anomalen Zuständen, die in ihren Formen, Erscheinungen, Wirkungen , Ausgängen und Folgen etc. die mannig­fachsten Verschiedenheiten zu erkennen geben. Sie treten häufig in acuter, bei weitem häufiger aber in sehr chronischer Gestalt auf; ihr Verlauf entscheidet sich in allen Abstufungen der Zeit zwischen Tagen und Jahren. Sie sind und bleiben oft lange Zeit scheinbar local, in der Regel aber stellen sie ein Allgemeinleiden dar; sie sind von Fieber begleitet, in den meisten Fällen sind sie aber fieberlos; zuweilen erscheinen sie nicht contagiös, zuweilen scheinen sie dies nur bedingungsweise zu sein, in der Regel aber bilden sie ein sehr unbedingtes, oft heftig wirkendes und sicher ansteckendes Contagium. Die Scrophulose tritt bei Pferden zuweilen als eine sehr unscheinbare, versteckte Krankheit mit wenig bemerkbaren Symptomen, zuweilen aber als sehr umfangreiche, auffallende, heftige Krankheit, mit sehr auffallenden, gefährlichen Zufällen, auf. Sie ist aber mitunter im erstem Falle eben so unheilbar, wie im letztern, immer jedoch ist ihre* Heilung schwierig und langwierig, sie gelingt oft nur scheinbar, und die Krankheit tritt bei nächster Gelegenheit, auf gegebene Veran­lassungen, wieder um so heftiger hervor, öfter gelingt sie gar nicht als sie möglich wird. Die Scrophulose tritt oft als eine secundäre Folge nach andern Krankheiten, besonders den catarrhalischen, öfter als Metaschematismus derselben, zuweilen aber auch als Complication dieselben begleitend, auf. Die primitive Scrophulose dagegen hat in der Regel die catarrhalische Complication im Gefolge. Der Character der Krankheit ist scheinbar oft sehr gutartig, oft ist er aber entschieden als sehr bösartig ausgesprochen ; zuweilen weicht sie schnell, in der Regel nur sehr langsam, zuweilen aber auch gar nicht, der einfachsten Diät, und oft widersteht sie mit der entschieden­sten Hartnäckigkeit der rationellsten Behandlung und den kräftigsten Arzneien; sie sehreitet, trotz Anwendung derselben, zerstörend, oft sehr schnell, oft sehr langsam fort und endet das Leben zuweilen in wenigen Tagen, zuweilen erst nach mehreren Jahren, ja zuweilen gar nicht.
sect;. 25laquo;.
Die Scropheln bestehen in einer eigenthümlichen Dyskrasie, Entmischung der Säfte, welche die verschiedensten Grade und
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Intensitäten annehmen kann; quantitativ sehr verschieden ist, wie es scheint, jene Entmischung und Aenderung derBestandtheile der Säfte, ob sie aber auch in Hinsicht der Qualität der Bestandtheile ver­schieden ist, d. h. ob neue Bestandtheile hinzutreten, oder ob solche fehlen bleiben, das ist eine Frage, welche die Chemie zu beantworten hat; fast müsste man, bei dem wirklich wunderbar verschiedenen Auftreten der Krankheit in dem Wechsel ihrer Erscheinungen, jene Frage zu bejahen im Stande sein. Die scrophulöse Dyskrasie, wenn sie, ob früher oder später, zum Tode führt, wirkt oft, wie ein Ferment, zersetzend und chemisch verändernd auf die ganze Säfte­masse und greift destruirend die verschiedensten organischen Gebilde an, von denen sie besonders die Schleimhäute, die Cutis, den Zell-stofi, die Lungen, die mit Lymphgefässen reichlich versehenen drüsigen Organe, die cartilaginösen Gebilde, und endlich die porösen Knochen, besonders die Knochenlamellen in den Kopf höhlen, ihrer Zerstörung unterwirft. Nimmt die scrophulöse Dyskrasie diese bös­artige Gestalt an, dann wählt sie vorzugsweise und gewöhnlich zu­nächst diese Gebilde dort, wo der grösste Gefässreichthum und der thätigste Stoffwechsel stattfindet, wo also auch die Lymphgefässe am häufigsten und thätigsten sind; sie wählt aber auch diejenigen Organe und Gebilde besonders, welche zunächst mit der atmos­phärischen Luft unmittelbar in Verbindung stehen; also den Kopf, seine Schleimhäute und Höhlen, die Lungen, den Hals, die Ge-schlechtstheile, Füsse, Gelenke und die Cutis. — Oft schlummert die Krankheit in ihrer besondern Form unscheinbar im einzelnen Individuum bei allen Attributen einer äusserlich scheinbaren Gesund­heit, ausgerüstet mit der Kraft vollständiger Contagiosität, lauernd und schleunige Gefahr bringend für die mit ihm in Berührung kommenden Individuen, in denen mitunter die leiseste Spur des Contagiums eine mit rapid zerstörender Wuth um sich greifende Krankheit entzündet, welche, wie die Flamme in einem Strohgebäude, aus einem kleinen verborgenen Funken entspringend, durch einen leisen Luftzug entzündet, verzehrend um sich, greift. Oft wieder­stehen Individuen den selbst continuirlichen Einwirkungen jenes, in der Regel langsam wirkenden und schleichenden Giftes ; oft wider­stehen sie jenen in der Regel viel gefährlichem Effluvien jener flammenden, rapid zerstörenden, schnell und sicher tödtenden Krank­heitsform Monate und Jahre lang. Aufgenommen in den gesunden Organismus, reagirt das Contagium oft schnell, oft langsam und reproducirt in dem einen die Krankheit, deren Product es selbst ist, in wenig Tagen, in dem andern erst nach wenig oder vielen Monaten, ohne dass die Anwesenheit des Contagiums im Organismus sieh ver-räth. Alle diese Varietäten und Formen, die sich in einer gemein­schaftlichen , eigenthümlichen dyskratischen Entmischung der Säfte
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vereinigen und darin ihre Grundlage finden, begreifen wir unter dem gemeinschaftlichen Namen der Scropheln.
sect;. 259.
Die Scropheln des Pferdes wechseln die Form, die Symptome, den Verlauf, wie das Chamäleon seine Farbe, sie sind in der That der Proteus der Pferdekrankheiten, stets in anderer und neuer Gestalt auftretend. Sie sind darin eigenthümlich, dass ihre Wirkungen eben so oft ihre Ursachen sind, wie umgekehrt, dass sie von dem unschäd­lichsten Indifferentismus zur intensivsten Contagiosität sich steigern; dass sie von heilbaren Zuständen zu gänzlich unheilbaren Formen übergehen, welche zu den umfangreichsten und intensivsten destruc-tiven Processen der organischen, sowol der weichen, wie der festen Gebilde, fortschreiten; dass sie in Rücksicht ihres Verlaufs und ihrer Dauer die merkwürdigsten Differenzen zeigen ; dass, obwol meistens fieberfrei, sie dennoch nach Umständen unter heftigen Fieber­symptomen verlaufen ; dass sie , wie beim Menschen , vorzugsweise ein Erzeugniss unserer Culturzustände sind, und dass sie, wie sie von uncivilisirten Völkern nicht gekannt werden , auch in wilden Pferden eine originäre Erzeugung nicht finden; dass sie so wenig die kalten, wie die heissen Zonen heimsuchen, ein Individuum mehr­mals im Leben befallen und aus den verschiedenartigsten, anscheinend entgegengesetztesten Ursachen hervorgehen.
sect;. 260.
Der Sitz der Krankheit, sie sei auf originäre Weise, oder durch Ansteckung entstanden, ist primitiv immer nur in den Säften. Erst durch ihre Stoffentmischung und Aenderung ihrer Bestandtheile, oder durch Aufnahme fremdartiger geeigneter Stoffe, führen sie bei ihrem Eintritt in die drüsigen Gebilde die der Krankheit eigenthümliche Alteration herbei, die daher jederzeit consecutiv ist. Erst mit der Drüsenalteration geht die Säfteentmischung schrittweise weiter, geht sie von einer in die andere Säftemasse über und nimmt an Intensität zu, so dass sie bald früher, bald später, bald mehr, bald weniger itensiv, zu einer allgemeinen Dyskrasie wird, und dass sie mit diesem Gange der Krankheit gleichzeitig sowol ihre destructiven, wie constructiven Processe beginnt und ausführt. Diese Processe, also Geschwüre und Zerstörungen in den Schleimhäuten, den Knorpeln und Knochen, Tuberkelbildungen, fungöse Wucherungen etc., nehmen immer erst ihren Anfang nach jener Drüsenalteration, wenn sie über­haupt, was nicht unbedingt nothwendig, eintreten. Die Grund­bedingung dieser Processe aber, also die Krankheit selbst, liegt nicht in den Organen und festen oder weichen organischen Gebilden, son­dern sie liegt primitiv immer in der dyskratischen Entmischung der Säftemasse, die in chemischen Verhältnissen ihrer Bestandtheile be­gründet ist und deren consecutive Erscheinungen jene regelmässig
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im weitern Verlauf der Krankheit eintretenden destructiven etc. Processe sind.
sect;. 261.
Gehen wir auf den Ursprung der Krankheit zurück, so lässt sie sich jederzeit auf einen örtlichen Beginn und Sitz, mithin auf eine locale Erkrankung zurückführen. Wir sind ganz im Irrthum, wenn wir meinen, wie es die Wissenschaft bisher angenommen hat, aus schlechter Verdauung hervorgehende, mangelhafte Chylusbereiturjg, Verhärtung der Mesenterialdrüsen, danach erfolgende fehlerhalte Blutbildung und dem entsprechende mangelhafte Ernährung mit Auf­trocknung, Schwinden der Muskulatur bei Spitzbäuchigkeit, Bleieh-heit des Blutes, Torpor und catarrhösen Affectionen allein stelle die Scrophelkrankheit dar. Die Verschiedenheiten dieser Krankheit sind gar mannigfach, und es kommt einerseits auf den genetischen Ursprung der Krankheit sowol, wie andererseits auf die Ursachen, durch die sie hervorgerufen wird, auf das Wie und Wo ihrer Einwirkung an, und so kann die Scrophulose eben sowol ihren Ursprung in Aussen­dingen , in äusserlichen Localaffectionen haben, die zunächst eine örtliche nach und nach allgemein werdende Dyskrasie erzeugen, die dann mangelhafte Ernährung erzeugt, während die Verdauung und Chylusbereitung noch vollständig ungestört ist, die dann aber schliess-lich allerdings auch eine krankhafte Urastimmung erleidet, wie sie in andern Fällen mit diesen Verdauungsstörungen beginnt und jenen Verlauf im umgekehrten Verhältniss durchmacht. — Danach aber wird jederzeit der Sitz der Krankheit ebenfalls ein anderer sein müssen.
sect;. 262.
Drei Wege haben wir zunächst als diejenigen zu betrachten, auf denen die Scrophulose ihren Anfang, ihren störenden Eintritt in in das normale organische Leben machen kann: 1) auf dem Wege der Verdauung, 2) der Infection des Blutes, 3) der Infection der Lymphe. Den ersten Weg finden wir, wenn durch fehlerhafte oder der Natur und den Lebensverhältnissen der Thiere unangemessene Nahrungsmittel, zu denen auch das Wasser zu rechnen ist, die Ver­dauung in ihrer normalen Tliätigkeit in der Weise gestört wird, dass daraus die Bereitung eines so anomalen Chylus hervorgeht, welcher die Mesenterialdrüsen der Art afflcirt, dass sie in eine krankhaft er­höhte Thätigkeit gerathen, anschwellen , schliesslich aber verhärten und, als nunmehr degenerirte Organe, unthätig bleiben. Hiermitnimmt der Chylus eine ganz falsche Mischung an, die sich in das Blut über­trägt und auch dessen Bestandtheile in solches Verhältniss bringt, dass die vollständige und normale Blutbildung unmöglich wird, so dass damit die Bestandtheile desselben in ein ganz abnormes Ver­hältniss zu einander treten. Hiermit ist die Blutdyskrasie gegeben.
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welche eine mangelhafte Ernährung zur Folge hat. Bei mangel­hafter Bildung und ungestörter Rückbildung, während fortdauernden, quantitativ gleichmässigen Zuflusses durch die Verdauung, muss natürlich unter gewissen Verhältnissen des Alters und der Constitution des Individuums nach und nach Ueberschuss an Albumin und Plasma im Blute, sowie unter Umständen zuweilen auch eine Plethora der Lymphe eintreten, die auch Stagnation und Stasen, sovvol des Blutes, wie der Lymphe, zur Folge hat. Die Wirkungen dieser Verhältnisse sind starke Fettablagerungen, physische, torpide Schwäche, Atonie, Afterproductionen (Tuberkeln), quantitativ und qualitativ pathische Seeretionen. Da hiermit alle Absonderungsorgane in einen anomalen Zustand versetzt werden, so geschieht dies natürlich auch mit den Schleimhäuten. Indem das Verhältniss der organischen Bestand-theile des Blutes hiernach ein ganz anderes wird, treten auch die anorganischen Bestandtheile desselben in ein anderes Verhältniss zur Masse, wie zu einander. Ob dem Blute neue derartige Stoffe zuge-füiirt werden, müssen wir dahin gestellt sein lassen, dass aber diese Stoffe entweder in anderer Verbindung und Gestalt zum Blute treten, oder dass sie in diesem in analytischer, theilweise vielleicht auch in synthetischer Weise während der Scrophulose ent- oder gemischt werden, ist kaum noch fraglich.
Den zweiten Weg haben wir als denjenigen anzusehen, auf welchem die Krankheit durch primitive Infection des Blutes herbei­geführt wird. Diese kann einerseits durch die Lungen, andererseits* durch directe Aufnahme ins Blut stattfinden. Durch die Lungen kann wiederum das Blut die Ursachen aufnehmen, aus denen eine originäre Entwickelnng der Scrophulose erfolgt, z. B. verdorbene mephitische Luft etc., es kann aber auch das Contagium der Scrophel-patienten auf diesem Wege vom Blute aufgenommen werden, indem die Lungen solche Luft einathraen, die mit demselben gesättigt ist. Die Blutgefässe dagegen können im Organismus selbst erzeugte Krank­heitsstoffe aufnehmen wie Jauche etc., aus denen die Scrophulose sich entwickelt; diese kann aber auch entstehen, indem das Contagium von Scrophelpatienten direct vom Blute aufgenommen wird.
Endlich kann aber auch noch auf dem dritten Wege dadurch die Scrophulose herbeigeführt werden, dass entweder die Lymphgefässe wie die Venen, im Organismus selbst erzeugte pathische Producte aufnahmen, die zur Ursache einer scrophulösen Dyskrasie werden, oder dass das Contagium anderer Individuen durch die Lymphgefässe aufgesogen wird.
sect;. 263.
Die scrophulose Dyskrasie erttsteht also nicht primitiv immer aus der Verdauung und durch primitive Alteration der Nahrungssäfte und Mesenteriaklrüsen ; es kann vielmehr die vollständig ausgebildete
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Scrophulose da sein, ohne dass die Verdauung und jene Drüsen auch nur im mindesten afficirt sind. Diese Affection tritt dann zwar con-secutiv ein, indess, da die beiden letztern Wege der Scrophelentwicke-lung die bei weitem häufigsten beim Pferde sind, so ist die primi­tive Erkrankung der Verdauung die seltenere Erscheinung bei den Scrophelkrankheiten dieses Thieres.
So verschieden diese Wege sind, auf denen scrophulose Dys-krasieen hervorgerufen werden können, so verschieden der Ort ist, an welchem der Krankheitsprocess seinen Anfang nimmt, so verschieden die Ursachen sind, aus welchen die Krankheit hervorgeht und die ihren Verlauf begleiten, so verschieden endlich die erkrankenden In-dividnalitaten sind etc., so mannigfach und verschieden sind die Formen und Modificationen unter denen die Scropheldyskrasie auftritt.
sect;. 264.
Der Chemismus in den Säften bei Entwickelung und Fortbestand der Scropheldyskrasie, dessen wir sect;. 260 gedacht, beschränkt sich keineswegs auf die Mischungs- und Verhältnissänderung der organischen liestandtheile, die wir sect;. 262 andeuteten, allein: viel wichtiger und tiefer eingreifend in die Natur des animalischen normalen Lebens scheint der Chemismus, welcher die anorganischen Stoffe der Säfte betrifft und scheinen die daraus hervorgegangenen anomalen, heterogen werdenden Stoffe zu sein. Hierin liegt einer der räthselhaftesten Vorgänge und Erfolge in der animalischen Natur, und wir kommen hier auf mancherlei ungelöste und unlösbare Probleme, von denen wir die Genesis und Natur der in gewissen Krankheiten sich bildenden Contagien voranstellen wollen. Welche Art von Chemismus in Be­ziehung auf die anorganischen Bestandtheile, oder deren Elemente in den thierischen Säften bei den Dyskrasien, in specie bei der Scrophel­dyskrasie vorgeht, ob ein analytischer oder synthetischer, oder beide zugleich, ob die Contagien durch diesen oder jenen gebildet werden, ob sie aus der Analyse hervorgehende, einfache Elemente jener Be­standheile , oder ob sie durch eine consecutive Synthese aus dieser zusammengesetzte Stoffe sind, das wissen wir leider nicht, und noch immer liegt über diese Frage ein Schleier des tiefsten Geheimnisses ausgebreitet, den keine Forschung bis jetzt zu lüften vermochte. Die Dyskrasien entstehen , wir erkennen eine Säfteentmischung aus ihren Wirkungen, die Contagien entwickeln sich mit ihnen, bald intensiv, bald indifferent, oder sehr milde, bald sehr häufig, bald gering, bald von ätherischer Flüssigkeit, bald fix an die Substanz, bald an die eine dieser, bald an die andere, bald an alle Substanzen des Organismus untrennbar gebunden etc. Auch sie erkennen wir n rfr aus ihren Wir­kungen, sie selbst sind substantiell, weder sinnlieh noch auf chemischem Wege bisher erkennbar, noch weniger ist ihre Zusammensetzung oder
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ihre elementare quot;Wesenheit bekannt, die Chemie kennt dafür bisher keine Reagentien.*) Was wir näher von ihnen kennen, sind einige Eigenschaften, deren erste die Kraft der Wiedererzeugung gleichartiger Krankheitsprocesse, in gleichartigen oder doch analogen Organismen, aus denen sie hervorgegangen sind, und in denen sie wiederum sich neu regeneriren, ist. Wir wissen, sie zu zerstören, aber erzeugen können wir sie nicht. —
sect;. 265.
Von der Scropheldyskrasie wissen wir allerdings, dass der Che­mismus bei der Säfteentmisehung eine besondere Einwirkung in Hin­sicht auf die anorganischen StofTe entfaltet, denn wir finden bei dieser Krankheit allemal eine Prävalenz basisch alkalischer Stoffe nicht nur in allen Säften, sondern auch in allen Secreten und Auswurfsstoff'en. Wir dürfen nur das Curcuma- oder Lacmuspapier zur Hand nehmen, um uns hiervon zu überzeugen.**) Wir wissen auch, dass die Säfte theilweise bedeutenden Ueberschuss an basisch phosphorsaurem und
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*) Wir dürfen hier nur an das Contagium der Hnndswuth erinnern, es er­zeugt sich mit der Krankheit jedesmal, ist von so sicherer, specifischer und in­tensiver Wirksamkeit, dass uns dieser Stoff mit Recht ein Schrecken geworden ist. Gebunden an die Säfte des erkrankten Thieres, wissen wir aber heute über seinen genetischen Ursprung, den Process seiner Erzeugung, wie über seine Zu­sammensetzung oder sein elementares Wesen kaum mehr, wie vor 2000 Jahren.
**) Hiermit widerlegt sich die von Waldinger viel bekannte, weder auf Untersuchungen noch Beobachtungen basirte, rein hypothetische Theorie von saurer Gährung bei der Verdauung und Ceberschüssen von Säuren in den Säften als Wesen der Drüsenkrankheiten, des Rotzes, Wurmes etc. und wir begreifen in der That nicht, wie noch neuere Pathologen und erfahrene Practiker dieser Theorie beitreten können, da doch eigentlich das Gegentheil bei jeder Dyskrasie sich findet, was sie als das Wesen derselben mit obiger Ansicht hinstellen. Spinola (spec. P. und Th. S. 1090 und 1091) betrachtet, womit wir vollständig übereinstimmen, die tuberkulöse und scrophulöse Dyskrasie, als einen wesent­lich gleichen Krankheitsznstand und findet den Unterschied, was aber unserer Ansicht widerstreitet, nur in einem verschiedenen Grade der Krankheit. Wir erblicken den Unterschied vielmehr lediglich in der, von der Individualität des erkrankten Thieres abhängenden Form und dem Sitze der Krankheit. Leider schliesst sich nun aber Spinola jener Ansicht Waldingers an, indem er (pag. 1692 1. c.) das Wesen der Tuberculosis s. Scrophulosis aus dem Entwickelungs-gange derselben ableitend, wortlich sagt: „Lassen wir dieselbe (die Tuberkel­krankheit) mit einer fehlerhaften Verdauung (Athmung und Ausdünstung) den Anfang nehmen, so wird als nächste Folge eine mit der Chymusbildung be­ginnende und bis in das Blut sich fortsetzende fehlerhafte Mischung der Säfte (vorherrschend der Lymphe — Status lyraphaticus) hervorgehen, welche, sofern-in dieser Periode ein Rüekschreiten des Leidens nicht erfolgt, in ihrer Fort-entwickelnng durch die abnorme Chylus- und Blutbildung (welche man in Säure­bildung, unvollständiger Sättigung des Ghymus durch zu geringe Gallenabsonde­rung und daraus hervorgehendem sauren, reizlosen, faserstaffarmen Chylus, welcher Lymphdrüsen undLymphgefässe nicht hinlänglich erregt und bei seinem Durchgange durch dieselben die stufenweise Umänderung in Blut nur sehr un-
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an kohlensaurem Kalke enthalten , welches zur Erzeugung der After-produetionen (Tuberkeln) verwendet wird. Dieser Stoff ist indess eine zufällig seeundäre Beimischung der Säfte als indirecti; Folge ihres Entmischungsprocesses, und scheint wegen der mangelhaften Ernährung der Knochen, analog der Muskeln, von den aus den Nah­rungsmitteln aufgenommenen Kalkbestandtheilen im Blute als Ueber-schuss zurück zu bleiben. Als directe Wirkung des Entmischungs­processes dagegen scheint in den Säften ein anderer alkalischer Stoff gebildet zu werden, entweder im analytischen Wege aus den in den Säften naturgemäss vorhandenen Mineralstoffen, oder im synthetischen Wege, indem Elementstoffe zusammen treten, und, analog wie das Ammoniak aus Wasserstoff und Stickstoff sich bildet, erzeugt sich ein Alkaloid mit alkalischen Eigenschäften aus gewissen Elementen, welches oxydationsfähig ist und erst. namentlich bei der Scrophel-dyskrasie, seine volle ätzende Schärfe durch die Oxydation erreicht. Dieser basische Stoff, der überaus leicht zersetzbar zu sein scheint, ist wahrscheinlich das Wesen des Contagiums selbst, welches vorzugsweise seiner leichten Zersetzbarkeit wegen die heutige Chemie noch nicht ermittelt hat, weil es ihr an dem nöthigen Reagens fehlt. Dass aber ein solches Agens von basischer Natur wirklich existirt-, dürften wir kaum noch für zweifelhaft halten , wenn wir sehen, wie es, seiner grossen Affinität zum Sauerstoff wegen, bei allen Scropheln zur Luft drängt und hier, entweder endosmotische Effluvien, oder offene Ge­schwüre bildend, aus diesen sich ergiesst, währeifd es dort, wo es die Luft nicht erreicht, Stasen- und Tuberkelbildungen veranlasst; wie es nach seiner Oxydation an ätzender Schärfe gewinnt, und erst dann die organischen Gebilde zerstört, und namentlich bei Geschwüren zerstörend in die Tiefe dringt; wie es beilnf'ectionen (unmittelbaren) der Lymphe, als heterogener, höchst erregender Stoff wirkt, indem es die Lymphdrüsen , die es berührt, zu heftiger Entzündung und An­schwellung augenscheinlich reizt; wie es endlich durch Säuren und Säurebilder (namentlich Chlor) so leicht zerstört, d. h. neutralisirt wird. —
vollständig erleidet — gesucht hat) bedingt u. s. w. Es ist dies eine Theorie, für die wir keine Basis finden, sie erscheint fast wie eine hingeworfene Phantasie, und Phantasieen gehören nicht in die Wissenschaft. Die Seropheldyskrasie ist stets eine bestimmte Krankheit, welche nur in der Form, dem Verlauf und den Ausgängen wechselt, was, sie mag auf die eine oder andere Weise entstanden sein, von der betreffenden Individualität, den veranlassenden und fortwirkenden Ursachen und andern Zufälligkeiten abhängt, aus ihrer Neigung zu bestimmten, jederzeit wesentlich gleichartigen Afterbildungen und andern bestimmten Sym­ptomen hervorgeht. Daher können wir uns auch bei der blosen Angabe, dass sie nach feh le rhafter Verdauung, auf die eine fehlerhafte Säfte­mischung folge, entsteht nicht genügen lassen, denn der Begriff fehlerhaft ist für unsere heutige Kenntniss der Wissenschaft, viel zu generell.
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sect;. 266. . Wenn wir hiernach wesentliche Veränderungen in der Zusammen­setzung und den Mischungsverhältnissen der ernährenden Säfte, be­wirkt durch Chemismus, erblicken, wenn jene Säfte dadurch aus neutraler Indifferenz in eine basische Differenz übergehen, dann muss die Rückwirkung auf den Organismus nothwendig eine krankmachende sein, und in dem Yerhältniss, wie diese Rückwirkung vorschreitet, wie der Krankheitsprocess des Organismus extensiv und intensiv sich ausdehnt, muss auch die chemische Zersetzung der Säfte weiter fort­schreiten. Die dyskratisehen Säfte, die das wesentlichste Moment der Ernährung sind, müssen in ihrem chemisch veränderten Zustande einen wesentlich directen Einflnss auf Bildung und Rückbildung, auf den Stoffwechsel, eine entsprechende Stagnation in demselben hervor­rufen und damit ein Allgemeinleiden herbeiführen, welches mit der Zeit den äussern Habitus des Individuums ganz verändert. Finden wir die Entmischung vorzugsweise in dem lymphatischen Theil der Säfte, so müssen wir die Wirkungen derselben auch vorherrschend in denjenigen Organen und Gebilden finden, zu denen sie in nächster Beziehung stehen, zu denen sie in grösserer Menge fiiessen, in denen sie länger verweilen und in denen der grösste und lebendigste Stoff­wechsel statt findet. Dies sind namentlich die drüsigen und Abson­derungsorgane , von letztem vorzugsweise die Schleimmembranen und die Cutis; ferner die Lungen, die Gelenkenden etc. Von diesen sind nun vorzugsweise wieder diejenigen Gebilde den Angriffen des Krank-heitsprocesses ausgesetzt, welche mit der atmosphärischen Luft in directer Verbindung stehen , daher die Respirationsschleimhäute, die Lungen, die Cutis, weil das basische Princip der dyskratisehen Säfte, vermöge seiner Affinität zum Oxygen, der Luft zudrängt und von ihr zugleich angezogen wird, um mit demselben in Verbindung zu treten.
sect;. 267. Die Lymphdrüsen, die physiologisch die Bestimmung haben, die Lymphe aufzunehmen, sie in einer vielfachen Gefässverzweigung zu vertheilen und zur Blutbildung geeignet zu machen, dennächst in die Blutmasse überzuleiten, werden durch die alkalische Schärfe der ent­mischten Lymphe bei ihrem Eintritt in dieselbe dergestalt gereizt, dass sie sich entzünden und anschwellen und damit einen vermehrten Blutandrang herbeiziehen. Durch Compression und spätere Oblitera­tion der Capillaren in den Drüsen, plastische Metamorphose , Ver­härtung und Aufhören der functionellen Befähigung derselben, steigert sich die Lymphe in den zuführenden Gefässen und ist rückwirkend auf die Gebilde, von denen sie ausgeht, in denen sie nun ihre, theils bil­denden, theils destruirenden Processe beginnt, die sich in Ausflüssen, Tuberkeln , Wucherungen , Geschwüren, Knoten etc. aussprechen.
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Während jener Stagnation sucht sie auch andere Wege, durch seitliehe Lymphgefdsse, auf, durch die ein Theil derselben in die Venen tiber­geleitet wird. Mit dem Venenblute durchströmt jene entmischte Lymphe, ihre pathischen Bestandtheile in dem fibrinösen Theile des Blutes stets regenerirend und vermehrend , die Lungen, alterirt auch hier die Lymphdrüsen, die Schleimhäute, wie am Kopfe, und geht zur Tuberkelbilriung über, wie auf den Schleimhäuten und der Cutis zur Geschwürsbildung. Dadurch wird die Function der Lungen gestört, sie weiden zu Auswurf und Husten gereizt, verfalleö in Atonie und Torpor. — Aus den Lungen geht das dyskratische, heterogene Stoffe enthaltende Blut zum Herzen zurück und von hier zur Ernährung in den ganzen Organismus. Die Ernährung kann nur mangelhaft sein, wie es der Saft ist, aus dem sie stattfindet.
sect;. 268.
Die mangelhafte Ernährung besteht in einem Missverhältniss in Bildung und Rückbildung, während jene sich verringert, bleibt diese sich gleich, daher Schwinden der Organe und Gebilde, namentlich Muskeln und Knochen, bei quantitativ und qualitativ gleicher Auf­nahme von Nahrungsmitteln, bei quantitativ sich gleichbleibender Lymphe, aber relativer Zunahme des Blutes an Albumin und Fibrin; trotz dessen aber Hunger und Aufnahme von Nahrungsmitteln im verstärkten Maasse, *) daher in der Regel Dickbäuchigkeit und ver­mehrte Fettablagerung. Die Scrophulose kann nun drei verschiedene Verhältnisse annehmen, die von der Individualität, der Lebensweise, Behandlung der Kranken, den fortdauernden oder aufhörenden Ein­flüssen der veranlassenden Ursachen etc. abhängen ; je nachdem erfolgt Genesung, Stillstand, oder Fortschritt der Krankheit. Im ersten Falle verschwinden die Symptome der Krankheit nach und nach, wiewol sehr langsam und alle Functionen regeln sich; im andern tritt eine Aenderung der Krankheitserscheinungen nicht ein; im dritten steigern sich die Symptome der Krankheit in jeder Weise, der Umfang der Dyskrasie wird immer allgemeiner und intensiver, es tritt Abmagerung und Appetitlosigkeit ein, die Säfte unterliegen einer immer weiteren chemischen Entmischung, die Krankheits-producte, namentlich die Secrete, nehmen an Masse und Intensität zu, die Afterproductionen vermehren sich, und die destructiven Pro-cesse nehmen überhand, so dass schliessiich eine fast gänzliche Auf-
*) Hier verweise ich auf meinen Aufsatz im Magazin f. d. g. Thhlk. von G. u. M. (28. Jahrg. 1. Quartalheft): über die Verfütterung des Knochenmehls und die darin gegebene Definition über Hunger und Appetit, und erinnere zu­gleich an die Esslust scrophnlöser Menschen, ihre dicken spitzen Bäuche bei Schwinden der Muskeln, ihre Fettansätze bei niederm und Abmagerungen bei höherem Grade der Krankheit.
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lösung (Zersetzung) der Säfte mit Verfall der organischen Gebilde und Functiousstörungen der wichtigsten Lebensorgane mit endlichem Tode eintritt. Häufig treten dann noch andere Zustände, namentlich septische Fieber, besondere Functionsstörungen in den Lungen etc., hinzu und beschleunigen das ungünstige Ende der Krankheit. Bei allgemeinen Scropheln stellen sich immer schon ganz abnorme Mischungsverhältnisse im Blute, die namentlich bei jungem und wohl­genährten Thieren auffallend sind, heraus, und dies ist, neben relativem Üeberschuss an Albumin und Fibrin, eine bleiche Farbe durch Ab­nahme der rothen und entsprechender Zunahme der weissen Blut­körperchen.
2. Capitel:
Vorkommen und geographische Verbreitung der Scropheln des
Pferdes.
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sect;. 269.
Die Scropheln mögen wol mehr oder weniger bei allen Thierarten vorkommen, sie treten aber unzweifelhaft bei den verschiedenen Arten unter ganz verschiedenen Erscheinungen, Formen und Symptomen auf und sind daher in den meisten Fällen als solche noch unerkannt, wie das Erkennen der Scropheln selbst bei Pferden ja erst der neuern Zeit angehört. Soviel steht indess fest, dass die Krankheit bei Pferden am häufigsten vorkommt, dass sie bei diesen Thieren am reinsten und vollständigsten auftritt und in Formen erscheint, welche die eigentliche Xatur der Krankheit zu verläugnen scheinen, und die wir nach gewöhnlichen Begriffen von derselben, in den meisten Fällen nicht für Scropheln ansehen.
sect;. 270.
Betrachten wir die Scropheldj-skrasie nach den gewöhnlichen bisher gültigen Begriffen über diese Krankheit, nach denen sie zwar sowol auf originäre Weise erworben, wie angeboren sein kann, die aber vorzugsweise immer nur eine Krankheit des jugendlichen Alters ist, die ein Contagium nicht bildet, mithin auf dem Wege der An­steckung sich nicht fortpflanzen kann, die aber auch ihrer Natur nach sich wesentlich von der Tuberkulose unterscheidet, welche letztere eine Krankheit sui generis darstellt, dann freilich kommt sie bei Menschen weit seltener und bei Pferden nur ausserordentlich selten vor. Wenn aber die Scrophelkrankheit, wTie wir sie betrachten, beim Pferde keineswegs ausschliesslich eine Jugendkrankheit ist, viel­mehr in den verschiedensten Altersstufen vorkommt; wenn sie nicht ausschliesslich diejenige Jugendkrankheit ist, die mit Indigestionen, Verstopfungen, aufgetriebenen Leibern , bleichen Schleimhäuten etc.
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beginnt und zu Durchfällen, Abmagerung, Muskelschwinden, Ver­härtung und Vergrösserung der Gekrösdriisen etc. übergeht; wenn vielmehr die Scrophelkrankheit nach unsern BegrifTen eine Dyskrasie der Lymphe, des Lymphgefässsystemes sowol wie des Blutes, von eigenthümlicher Art ist, mit welcher Lymphdrüsengeschwülste und Verhärtungen, Tuberkeln etc. entstehen; wenn sie eine Krankheit ist, die ein Contagium erzeugt, welches, auf andere Individuen über­tragen , wieder eine Krankheit unter ähnlichen Zufällen und Erschei­nungen hervorruft, die wir darum auch Scropheln nennen, sobald sie ein lymphatisches Leiden mit besonderer Säfteentmiscbung, Drüsen­anschwellung etc. zu erkennen giebt; wenn also die Scrophelkrank­heit eben sowol durch Ansteckung, wie durch Vererbung und spontane Entwickelung sich fortpflanzen und hiernach in den mannigfachsten Formen und unter den verschiedensten Symptomen erscheinen kann; wenn sie gleichzeitig mit der Tuberkulose identisch, oder die Tuberkel­bildung, wie wir sie ansehen, nur ein Symptom jener Krankheit ist, gleich der Geschwürsbildung, dann kommt die Scrophelkrankheit bei Pferden sehr oft und ganz allgemein vor.
sect;. 271.
Ob die Scrophelkrankheit auch bei andern Thieren, als beim Pferde, der Species Equus caballus, vorkommt,. ob z. B. auch die Tuberkelkrankheit des Rindes (die Perlsucht) eine Scrophelform ist, das müssen wir für jetzt noch ununtersucht und unerörtert lassen. Ob die Scropheln z. B. bei Eseln und Maulthieren vorkommen , ob sie bei diesen sich spontan entwickeln, oder nur durch Ansteckung vorkommen, das ist bis heute noch nicht ausgemacht. Wir wissen allerdings, dass gewisse Scrophelformen des Pferdes auf jene Thier-arten sich übertragen lassen und bei diesen Krankheitsformen unter sehr heftigen, mit rapidem, allemal tödtlichem Verlauf, entwickeln. Ob aber diese so erzeugten Krankheitsformen als Scropheln zu be­trachten sind, ob sie als eine blos ausgeartete Form der Scrophel-tlyskrasie angesehen werden müssen, auch das lassen wir hier ununter­sucht und unerörtert, denn wir wollen uns hier ausschliesslich mit der Scrophelkrankheit des Pferdes beschäftigen.
sect;. 272.
Beim Pferde kommt die Scropheldyskrasie sehr häufig und sehr allgemein vor, sie erscheint immer als eine lymphatische Dyskrasie, mit Schwellung und Verhärtung der Lymphdrüsen. Sie tritt als reine lymphatische Dyskrasie, reine Scropheln, als modificirte, complicirte, oder ausgeartete Krankheit auf; sie entwickelt sich spontan, vorzugs­weise im Jugendalter , aber auch , wiewol seltener und schwieriger, und besonders selten in reinen Formen, in spätem Altersstufen; sie entwickelt und verbreitet sich durch Uebertragung eines Contagiums;
ßnll, Rolzdvskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3
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sie entsteht durch Vererbung, durch Metastasen und Metaschematismus. Die Scropheln können unter Umständen die Pferde in allen Alters­stufen befallen, sie erscheinen bei jedem Geschlecht, obwol am häufigsten bei geschlechtslosen Thieren, d. h. bei entmannten Heng­sten; sie befallen spontan besonders gerne die gemeinen, schwammigen, wässrig phlegmatischen , schlafffaserigen, porösen, torpiden Pferde, übertragen sich aber durch ihr Contagium leichter und sicherer auf edleRacepferde, besonders auf Producte der Kreuzung, und verlaufen bei diesen in der Regel acuter und rapider, als bei jenen. Die spontane Entwiekelung der Scropheln findet man daher häufiger bei Marsch- und Niederungspferden, bei denen sie aber wieder seltener einen bösartigen, tödlichen und acuten Verlauf nehmen, wie dies auch bei jungen, noch unausgebildeten Pferden der Fall ist. Die Scropheln erscheinen ferner eben sowol als secundäre, wie als primäre Krankheit; sie treten aber auch nicht immer als allgemeines Leiden auf, sondern erscheinen häufig nur local, werden aber in solchen Fällen in kürzerer oder längerer Zeit zu einer allgemeinen Krankheit.
sect;. 273.
Nach derLocalität finden wir die Scropheln bei Pferden häufiger dort, wo dieselben dichter und in grösseren Zahlen bei einander, wo sie in engen oder grossen Ställen zusammengedrängt leben, wo die Ställe tief oder eiftgeschlossen liegen, wo es ihnen an Luftwechsel fehlt. Sie treten häufiger in Niederungen und Marschgegenden, in Gegenden mit strengem , fettem Boden, auf und zeigen sich eben so häufiger dort, wo die verschiedenartigsten Eacen und Schläge unter einander sehr vermischt und gekreuzt sind. Wir finden die Scropheln des Pferdes darum häufiger in Städten, als auf dem platten Lande, und besonders in grossen Städten, wo die Pferde in grösserer Zahl auf kleinerm Räume zusammengedrängt sind. Sie kommen ferner seltener in der Nähe der Meeresgestade, als in Binnenländern, seltener auf Inseln, als auf Festländern vor.
sect;. 274. Die Scropheln des Pferdes treten häufiger in der gemässigten, als in der heissen und kalten Zone auf. In der gemässigten Zone kommen sie am häufigsten in denjenigen Regionen und Ländern vor, die vorherrschend eine tiefe und niedrige Lage haben, also in den grossen Stromgebieten, dann wieder in solchen, die ein überwiegend nasses, ein sehr wechselndes , unbeständiges Klima in schroffen und extremen Uebergängen haben. Daher erscheinen die Scropheln be­sonders häufig im nördlichen Frankreich, Irland, England, Dänemark, Holland, Belgien, dem nördlichen Deutschland, dem südlichen Schweden, im mittlem Russland, in Polen und den alten ehemals
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polnischen Provinzen, bis zu den Gestaden des schwarzen Meeres hin, in den westlichen Provinzen des türkischen Reichs an den West­küsten des schwarzen Meeres in den. Donauländern, Ungarn, dem tieferen Galizien, Serbien, den österreichischen Küsten - und Tief­ländern, Italien etc. Dagegen erscheinen die Scropheln des Pferdes seltener in Portugal und Spanien, dem südliehen Frankreich, in Schottland, dem nördlichen Schweden, in Norwegen, im nördlichen, östlichen und asiatischen Russland. Sie kommen überhaupt seltener im ganzen mittleren Hochasien, in den dünnbewohnten, von Wüsten durchzogenen Ländern Asiens und in Nordamerika vor. In den englischen Besitzungen Asiens dagegen, wie in den andern Colonieen Englands, wohin man englische Pferde eingeführt hat, istdie Scrophel-krankheit der Pferde zu Hause, nicht weil sie dort sich spontan ent­wickelt hat, sondern weil sie unter den Pferden während der theils langen Seereisen von England aus auf den Schiffen sich erzeugt hat und auf diese Weise in die englischen Colonieen übertragen worden ist, wo sie nun durch Ansteckung und Vererbung verbreitet und erhalten wird. In Nordafrika war die Krankheit bis dahin unbe­kannt, seit indess Frankreich sich hier festgesetzt hat, scheint sie auch hier vorzukommen. In den russischen und tartarischen Steppen, in den Wüsten Asiens und Afrikas, in den südamerikanischen Savannen, überhaupt in den ehemaligen spanischen Besitzungen Amerikas, sind die Scropheln der Pferde ganz unbekannt, weil sie in der That hier nicht vorkommen.
Wir sehen sonach, class die geographische Verbreitung der Scrophelkrankheiten des Pferdes sich über alle Längengrade des Erdkreises erstreckt, dass sie aber nach den Breitegraden eine ge­wisse Grenze findet, welche ihr von der Natur gesteckt worden ist. Jene Krankheiten scheinen eben so wenig zwischen den Wendekreisen, wie im hohen Norden und Süden vorzukommen, ihr Vorkommen in letzter Beziehung reicht nicht weit über den 60. Breitegrad hinaus, es sei denn, dass sie an einzelne Punkte dieser Regionen, wie nach Indien innerhalb der Wendekreise, von andern Gegenden einge­schleppt worden ist.
sect;. 275.
Wir erkennen hieraus, dass die Scropheln, wie beim Menschen, so auch beim Pferde , eine Krankheit der vorschreitenden Cultur, gleich den Hämorrhoiden des Menschen , sind ; denn fast überall hin, wohin sich die Civilisation ausbreitet, folgen ihr die Scropheln. In Gegenden aber, wo der Mensch und seine Hausthiere noch im rohen Naturzustande leben, wo die Pferde keine andere Decke ala den freien Himmel haben, wo sie willkiihrlich sich bewegen, sich nähren, sich paaren können und geboren werden, wo sie im Freien, ungebunden und ungezähmt gross wachsen , wo ganz wilde, oder
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auch nur halb wilde Zucht existirt, wo erst der Lasso, wie in den stidrussischen Steppen, in der Tartarei und den südamerikanischen Savannen oder den Pampas die Pferde zu Hausthieren macht, da finden die Scrophelkrankheiten keinen Boden, da sind sie nicht ein­heimisch. Die Localitäts- uud Lebensverhältnisse sind es also hauptsächlich, von denen das Vorkommen der Seropheln abhängig ist. Von wesentlichem Einfluss auf ihr Erscheinen überhaupt, wie auf ihr häufigeres oder minderes Vorkommen bleiben allerdings immer die klimatischen und Boden - Verhältnisse , wie die Temperatur, und darum sehen wir sie auch in Thälern und Niederungen ungleich häufiger auftreten als auf Höhen*).
3. Capitel:
Analogieen und Entstehung der Seropheln aus andern Krankheiten
und deren Ausgängen.
sect;. 276.
Die Seropheln der Pferde haben viele Analogieen, viele andere Krankheitsformen dieser Thiere sind ihnen ähnlich , mit ihnen ver­wandt und auch sehr häufig mit ihnen vergesellschaftet; sie gehen häutig zu serophulösen Dyskrasien über und finden sich oft in Be­gleitung von serophulösen Diathesen, daher sie auch oft mit einander verwechselt und von Vielen selbst für identisch gehalten werden.
Mehr als alle andern sind es die catarrhalischen Krankheiten des Pferdes, Krankheiten, die bei diesem Thiere ungemein häufig und in den verschiedensten Formen und Gestalten vorkommen, welche mit den Seropheln die meisten Aehnlichkeiten in Rücksicht der Symp­tome , des Verlaufs und der Ausgänge haben und welche jederzeit mehr oder weniger in ihrer Begleitung erscheinen und daher auch den häufigsten Verwechselungen mit den Seropheln unterliegen. Es treten catarrhalische Zustände ohne Seropheln sehr häufig auf, nie aber kommen Seropheln vor, die nicht mit catarrhalischen Affectionen verbunden sind. Sie bilden unter einander oft die wunderbarsten Uebergänge und die mannigfachsten Metamorphosen. Treten die Seropheln primär auf, so gesellen sich immer catarrhalische Zustände hinzu, wogegen diese zuweilen in eine scrophulöse Dyskrasie aus­arten. Diese letztern Verhältnisse sind es besonders, die zu den Ver­wechselungen , wie zu der Ansicht von ihrer Identität Veranlassung gegeben haben.
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*) Wenn wir diese Verhältnisse aufgesfellt und in Betracht gezogen haben, so ist es natürlich, dass hier stets nur von der Regel, die wir im Auge hatten , die Rede sein kann, eine Regel die überall und immer ihre Ausnahmen findet.
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Diejenigen Erankheitszustände und Formen, welche am häufig­sten in scrophulöse Dyskrasieen übergehen, oder mit ihnen vergesell­schaftet sind und verwechselt werden , Krankheiten, die unter den widersinnigsten Namen bekannt sind , wollen wir in Nachfolgendem in Betracht zieher,.
ErsteGruppe. Catairhalische Krankheiten.
a. Strengel,
lat.: Coryza, Catarrh us equi, Rhinitis, Catastagmus benignus
et malignus, Blennorrhoea. franz. : Rhume. engl.: Strangles, Cold.
Der Strengel ist eine entzündliche Affection der Nasenschleim­häute , mit welcher in der Regel Entzündung der Schleimhäute des Rachens und selbst der Fortsetzungen derselben, namentlich auch der Kopfhöhlen, der Luftsäcke, der Augenlieder etc. verbunden ist. Der Strengel ist sonach eine eigentliche Rhinitis und die weitere Affection der Fortsetzungen der Schleimhäute ist consensuell, der eigentliche Krankheitsprocess entsteht und entwickelt sich in den Nasenschleim­häuten, auf denen Röthung, Schwellung und Auflockerung, bei vor­handenen Fiebersymptomen, zunächst eintritt. Nicht selten dehnt sich der Entzündungsprocess bis auf die Schleimhäute des Kehl - und Schlundkopfs aus. Die Krankheit tritt in der Regel als eine Rhume mit acutem Verlauf auf, wenn derselbe nicht durch besondere Um­stände und Verhältnisse unterbrochen wird. Ihr Ausgang ist in den meisten Fällen der in eine gutartige Ausschwitzung eines aus der Nase abfliessenden purulenten, profusen Schleimsecrets, wenn nament­lich der Krankheitsprocess sich vorzugsweise nur auf die Schneider-schen Membranen beschränkt und nicht andere Zwischenfälle, Um-stimmung des Krankheitscharacters, Complicationen, Störungen der Regelmässigkeit des Verlaufs etc. hinzutreten; wenn nicht während der Entwickelung und des Verlaufs der Krankheit die veranlassenden Ursachen oder andere schädliche, störende Einflüsse oder bestimmende und modificirende epizootische Zustände einwirken.
sect;. 278. Es kann unter den letztgedachten Umständen die Krankheit zu einem gangränösen Zustande gesteigert werden und dieselbe je nach
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den stattfindenden Einflüssen aber auch einen sehr langwierigen Ver­lauf nehmen und die bösartigsten Ausgänge aller Art haben. Er­streckt sich der Entzündungsprocess auf die weiteren Schleimhäute der Cavitäien des Kopfes, auf die Luftsäcke etc., und es wird nicht durch ein rechtzeitiges, rationelles Heilverfahren die Entzündung in den Schleimhäuten gehoben oder abgeleitet, so ist dies stets ein schlimmer Zustand, selbst wenn die Krankheit den unter andern Umständen günstigen Verlauf, den in Ausschwitzung, nimmt, indem aus jenen Höhlen, den Luftsäcken etc. jenes copiöse purulente Schleim-secret keinen Ausweg findet, sich in denselben ansammelt, sie anfüllt und, als fremdartiger Stoff reizend, einen Krankheitsprocess fort­dauernd unterhält, schliesslicheine chemische Schärfe annimmt, die Schleimhäute degenerirt, selbst die Knochen afficirt und dabei, fort­während überfliessend, durch die NasenöfTnungen seinen Abzug nimmt. Das in jenen Höhlen und Lnftsäcken eingeschlossene patho­logische Secret unterliegt einer Verderbniss der Art, dass es eine alkalische Schärfe annimmt. Wird von jenem Secret alsdann etwas durch die Lymphgefässe resorbirt, so schwellen danach sofort die nächsten Lymphdrüsen an , die Lymphe wird entmischt, die Drüsen verhärten, es entstehen lymphatische Ausflüsse aus der Nase und wir haben einen blennorrhöisch-scrophulösen Zustand, der schnell ver­laufen, aber auch Jahre dauern kann. Aber es findet sehr häufig eine Resorption dann, wenn jenes Secret jene eigenthümliche alkalische Schärfe angenommen hat, nicht mehr statt, weil die Schleimhäute der mehrgedachten CavitUten dergestalt degenerirt sind, dass in ihnen jedes Resorptionsvermögen aufgehört hat. Sie sind bedeutend ver­dickt, verdichtet und verhärtet und haben ein unebenes, weisslich gelbliches, todtes Ansehen ; die Schleimbälge in ihnen sind bedeutend vergrössert und erseheinen wie warzige, callöse, zahllose Auswüchse oder Wucherungen auf der Oberfläche der Schleimhaut. Sie sondern den krankhaft veränderten Schleim in bedeutend vermehrtem Maasse ab und das Schleimhautleiden in jenen Höhlen etc. ist chronisch und unheilbar geworden, während die Schleimhaut in den untern Regionen der Nase längst geheilt ist. Der durch den ununterbrochenen Ab-fluss jenes ätzend gewordenen Secrets durch die Nase, auf die Schleim­haut derselben ausgeübte Reiz macht auch diese bald wieder krank, sie wird in einen chronisch asthenischen entzündlichen Zustand ver­setzt, wodurch sie aufgelockert wird. Häufig wird nun das Epithelium stellenweise weggeätzt, und wir haben dannauf solchen Stellen granulöse Wucherungen; häufiger aber noch hat die Nasenschleimhaut von jenem Secret resorbirt und der dadurch hervorgerufene, oben näher specificirte Krankheitsprocess hat die Lymphe entmischt, sie ätzend gemacht und, indem sie durch Stagnation auf der Nasensehleimhant zu jenem ätzenden Secret tritt, dringt die Aetzung mehr in die Tiefe, und wir
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haben mit dieser serophulös blennorrhoischen Dyskrasie einen ge­schwürigen Zustand auf der Nasenschleimhaut.
sect;. 279.
Jenes angesammelte Schleimhautsecret ist aus den betreffenden Cavitaten durch die Kunst, selbst durch Trepanation, nicht vollständig zu entfernen und andern Falls wären auch nicht immer die degenerir-ten Schleimhäute zu restauriren, daher den auch solcher Zustand, so­bald er einen gewissen Grad erreicht hat, in der Regel unheilbar bleibt, (s. den 14. Fall) um so mehr, als eine TJmstimmung der Schleimhäute durch continuirliche, örtliche Arzneiwirkungen grosse Schwierigkeiten hat, oft unmöglich ist. Die fortdaurend vermehrte und abfliessende Schleimabsondening, ist ein Säfteverlust; weitere Resorptionen jenes Secrets sind Veranlassung zur weiteren Säftever-derbniss; die gefüllten Luftsäcke verursachen Druck auf die Schling­organe und erschwertes Schlingen, das Secret in den Kopf höhlen verursacht unmittelbaren Druck aufdie Riech-und andere Kopfnerven, mittelbar auf das Gehirn, hemmt also die Nerventhätigkeit, Portionen des überfliessenden, übelriechenden und schmeckenden Sekrets treten in die Rachenhöhle, mischen sich den Speisen bei und verekeln dem Thiere den Genuss der Nahrung, der Patient verliert den Appetit und lässt daher vom Fressen ab. Der gemeinschaftliche, dauernde Einfluss dieser Verhältnisse ruft schliesslich Abmagerung hervor, der sich jene Dyskrasie zugesellt, welche wir die scrophulöse nennen, weil die Drüsen erkranken und die Lymphe in eigenthümlicher Weise entmischt wird, durch den naturgemässen weiteren Gang des Krank-heitsprocesses. Die endliche Folge ist Putrescenz, Abzehrung, Tod. Unter gewissen begünstigenden Momenten dehnt sich der ganze Ver­lauf dieses Krankheitsprocesses auf Jahre aus.
sect;. 280.
So kann ein ursprünglich einfacher Kntzündungsprocess der Schleimhäute, ein Catarrhalzustand, für sich bestehend und verlaufend, laquo;inen Character und Ausgang annehmen, welcher nicht nur eine con-tagiöse Natur verräth, sondern auch von so hartnäckiger und bös­artiger Beschaffenheit wird, dass er, wie es leider nur zu häufig ge­schieht , mit der bösartigsten Form und dem höchsten Stadium der scrophulösen Dyskrasie verwechselt wird. Jener Catarrhalzustand geht aber auch eben so häufig in die bösartigste Form der scrophu-lösen Dyskrasie über und vergesellschaftet sich mit ihr, wo dann die letztere als consecutiver Krankheitsprocess auftritt, während bei primär erscheinender scrophulöser Dyskrasie catarrhalische Affectionen die naturgemässen Folgen sind und daher als beständige Begleiter der­selben erscheinen müssen. In diesem Zusammenhange beider Krank-
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heitszustände und in ihrem mehrentheils gemeinschaftlichen Auftreten, liegt die Ursache der grossen Verwirrung der Begriffe über sie, der Schwierigkeit ihrer Erkennung und Unterscheidung und das Räthsel ihrer so häurig vorkommenden Verwechselung.
sect;.281.
Die Verschiedenheit der krankmachenden Ursachen und der fortwirkenden Einflüsse auf die Krankheit, die Verschiedenheit der Extension und Intensität des primär auftretenden Leidens, welches sich selbst bis zu einer intensiven Bronchitis ausdehnen kann, die Verschiedenheit der constitutionellen Verhältnisse und der Disposition der von der Krankheit befallenen Individuen, besonders Localaffec-tionen und dgl. m. modificiren den Gang, Verlauf und Ausgang der Krankheit in der mannigfachsten Weise. Nehmen, was vorkommt, die Venen von jenem ätzenden Krankheitsproduct, womit die Kopf­höhlen angefüllt sind, Parthieen auf und führen sie in die allgemeine Blutmasse über, so reizen dieselben die Lungen , während jene Blut­massen in sie eintreten, dies findet um so mehr statt, wenn die Lungen ohnehin schon alterirt, geschwächt oder gar afflcirt sind. Es treten dabei Stasen des Bluts in den Capillaren der Lungenzellen, locale Entzündungen, Extravasate, Knotenbildung, und im weitevn Verlauf, Lungenknotenschwindsucht ein. Insofern dagegen jeuer Krankheits­stoff in die Lymphgefässe dringt und die Lymphe jene dyskratische Entmischung eingeht, wie sie der Scrophulose eigenthümlich ist und welche, in die Lymphdrüsen gelangend , dieselben sofort rings zur Anschwellung, Degeneration und Verhärtung bringt, wird er zur veranlassenden Ursache der Miliartuberkeln in den Lungen, in dem Falle, sobald die Lymphgefässe derselben jene dyskratische Lymphe aufnehmen und sie ihren Drüsen zuführen. Die Oberfläche der Lungen ist unter der Pleura mit einem ausserordentlich dichten netzförmisen Geflecht von Capillarlymphgefässen bedeckt, in deren tausendfachen Verschlingungen die Lymphe längere Zeit verweilt. Sobald die Drüsen angeschwollen sind, stagnirt die Lymphe in ihnen und die Capillaren dehnen sich aus; an ihren peripherischen Enden aber (den Anfängen), unter der Pleura, bilden sichLymphstasen und geben hier, wie noch später bei der Abhandlung der Tuberkelbildungen näher nachgewiesen werden soll, die Grundlage zu den Miliartuberkeln ab. Sie sind das Product eines scrophnlös dyskratischen Zustandes. Beide Zustände der Lungen sind unter vorliegenden Umständen con­secutive Producte eines primär catarrhalischen Krankheitsprocesses. Sie kommen gemeinschaftlich, beide gleichzeitig, aber auch jeder einzeln vor. —
sect;. 282.
Sind diese Lungenzustände eingetreten, so bemerken wir im weiteren Verlauf der Krankheit eine stets vollkommnere Entwicke-
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lung der scrophulosen Dyskrasie, die profusen Ausflüsse aus der Nase nehm en. zu, die Ernährung und Blutbereitung verringert und verschlechtert sich in steigendem Maasse, Abmagerung tritt ein in dem Verhältniss, als die Säfte schlechter und entmischt werden. Die Lymphdrüsen der Lymphgefässe der Cutis, sowie der von der Nase kommenden Lymphgefässe, also die Drüsen des Kehlganges, schwellen an und verhärten, und es bilden sich durch denselben Process, wie die Miliartuberkeln in den Lungen, die scrophulosen Haut- und Nasen­geschwüre, gewöhnlich Wurm und Kotz genannt. Oft ist schon die blonnorrhöische Ozaena vorhanden und die scrophulöse gesellt sich nun hinzu, oft findet das umgekehrte Verhältniss statt, oft aber auch findet beides nicht statt, und nur eine Form der Ozaena bildet sich aus und verläuft, oft aber auch erscheint mit der einen oder andern,
wol aber auch mit beiden gleichzeitig das scrophulöse Hautgeschwür
verbunden, oft ist aber auch dieses nur allein vorhanden und jede Ozaena fehlt. —
sect;. 283.
Der Uebergang der Krankheit in die scrophulöse Dyskrasie er­folgt hiernach nicht aus demStrengel unmittelbar, sondern erst, nach­dem derselbe seine Ausgänge gemacht hat, und zwar wird sie durch die Producte jener Krankheiten hervorgerufen. Sie ist eine Wirkung der Infection der Lymphe oder des Blutes durch jene Producte. Die
Wirkungen dieser Infection erscheinen in der verschiedensten Weise,
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sie treten zuweilen unter sehr rapiden und allgemeinen, zuweilen unter sehr schleichenden, beschränkten und örtlichen Symptomen auf; sie sind in manchen Fällen lange verborgen, und wir erkennen die scrophulöse Dyskrasie äusserlieh an keiner Erscheinung, wenn sie innerlich auch schon vollständig ausgebildet ist. Sie bindet sich in manchen Fällen längere Zeit an bestimmte Oertlichkeiten und artetnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;j
erst im weitern Verlauf zu einer allgemeinen Krankheit aus, dagegen zeigt sie sich zuweilen auch schon in ihrem ersten Auftreten als eine allgemeine Dyskrasie.
sect;. 284.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; H ,*
Wenn bei dem profusen Ausfluss aus der Nase, der schon vor dem Eintritt der scrophulosen Dyskrasie, aus oben näher erörterten Veranlassungen zugegen war, die Nasenschleimhaut noch unverletzt
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und wenig krankhaft afficirt erseheint und das Sekret derselben so wenig qualitativ wie quantitativ pathisch verändert ist, so ändert sich der Zustand der Nasenschleimhaut und ihr Secret mit dem Eintritt der scrophulosen Dyskrasie wesentlich. Die Schleimhaut lockert sich auf, und ihr Secret nimmt eine andere chemische Mischung, eine andere Farbe und Consistenz an, und quantitativ wird es in grösserer Mensre abgesondert, der Abfluss des pathischen Products mithin im
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Ganzen vermehrt. Tritt indess die scrophulöse Ozaena hinzu, dann erfolgen mitunter noch partielle Blutungen, und das Secret ist nicht nur mit Blutstreifen hin und wieder gemischt, sondern es ist dasselbe zuweilen durchweg von Blut mehr oder weniger geröthet. Der Aus-fluss wird lediglich durch den Zutritt der entmischten Lymphe ver­mehrt und sie ist die Ursache seiner chemischen, Farben- und Con-sistenzveränderung. Finden keine Blutuntermischnngen statt, was andernfalls immer auffallend und leicht erkennbar ist, so erscheint die Farbe doch immer dunkler, intensiver gelblich, oder auch wol bräunlich oder grünlich, und derAusfluss ist zäher, klebriger, leichter austrocknend; getrocknet bildet er bemsteinfarbige, bräunliche oder grünliche Krusten. In chemischer Hinsicht hat er eine schärfere alka­lische Eigenschaft angenommen, ist daher ätzender*)
b. Druse, Kropf, Kehlsucht, Katarrhalfieber,
griech. :nbsp; nbsp;Xotgädsg;
lat.:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Febriscatarrhalis equorum non adultorum, Catarrhus :
franz.:nbsp; nbsp; nbsp;la Gourme, fausse Gourme, Etranguillon, Mor-
fondure:
engl.:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Cold oder Strangles ;
ital.:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Moccio, nach Andern : Ciamorro ;
span. :nbsp; nbsp; nbsp;Muermo.
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sect;. 285. Wir unterscheiden Druse von Drüsenkrankheiten oder Drüsen. Druse, obwol hergeleitet von Drüse, ist jedenfalls das Nomen proprium für eine eigenthümliche Krankheit des Pferdes. Ursprünglich hat der Name Druse wol nichts Anderes als Drüse und Drüsenkrankheit be­deuten sollen, und hat sich die Deutung als ein Schlendrian, ein wissenschaftlicher Unfug, bis auf die heutige Zeit bei allen Autoren erhalten. Nehmen wir Druse statt Druse, so würde man nicht be­greifen, wozu ersteres Wort, da letzteres doch das wissenschaftliche ist und desshalb immer und überall in der Wissenschaft gebraucht wird, wogegen das Wort Druse nur eine Schmiedeverstümmelung von Drüse ist und zur Bezeichnung einer Pferdekrankheit gebraucht wird,
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*) Die speciellen Erörtenmgon dieser Vorgänge und Erscheinungen erfolgen später am geeigneten Orte, wir haben ihrer hier nur deshalb im Allgemeinen Erwähnung gethan, um die Ursachen nachzuweisen, welche eine so häufige Verwechselung und Vermischung der scrophulösen, mit den catarrhalischen Krankheitsformen verschulden. Diese Ursachen sind die Änalogieen in den Er­scheinungen beider Krankheitszustände, sie liegen in ihrer so häufigen Verge­sellschaftung und den Uebergängen derselben in einander, so wie in der jeder­zeit stattfindenden consensuellen Mitleidenschaft der Schleimhäute bei Scrophel-dyskrasieen.
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bei der man in der Regel Anschwellungen im Kehlgange, die man irrthümlich für kranke Drüsen hält, findet. Will die Wissenschaft kranke Drüsen, oder Drüsenkrankheiten bezeichnen, so darf sie sich nicht derselben Verstümmelungen und Irrthümer schuldig machen, oder solche beibehalten und damit anerkennen, welche von Schmieden und Fahnenschmieden ausgehen und in einer Zeit entstanden sind, wo es noch keine ThierarzneiWissenschaft gab. Für das Wort Drüse, womit die Wissenschaft ein ganzes System von eigenthümlichen Or­ganen bezeichnet, kann sie nie Druse gebrauchen wollen, sie würde hiermit einer Verstümmelung und Pfuscherei sich schuldig machen und wäre dies blos eine Verstümmelung des Wortes, so würde man mit Druse eben so wenig wie mit Drüse eine Krankheit bezeichnen, man würde darunter vielmehr immer nur gewisse Organe verstehen können. Ein anderes ist es mit dem Laien und Pfuscher, der nicht weiss, dass Drüse ein Organ und Druse dessen Verstümmelung ist, der mit Druse, wie mit Drüse eine Krankheit bezeichnen zu müssen glaubt. Da nun aber einmal das Wort Druse als Bezeichnung für eine Krankheit eingeführt ist, so wollen wir es immerhin beibehalten, aber nur als ein Nomen proprium für eine bestimmte Krankheitsform, abgesehen davon, ob kranke Drüsen damit vergesellschaftet sind oder nicht, keineswegs aber können wir jener Benennung die Berechtigung zugestehen, dass sie specifisch ein Drüsenleiden bezeichnen soll, welcher Idee sie ohne Zweifel ursprünglich ihre Entstehung verdankt. Diese Bezeichnung einer Krankheit ging aus dem Irrthum hervor, dass man dieselbe mit einem Drüsenleiden verbunden wähnte oder dies als das Grundleiden ansah, weil jederzeit Anschwellung im Kehlgange statt fand, ein Irrthum, der sich bis heute in der Wissenschaft eriialten und fortgeerbt hat. Jene Krankheit aber, die man von Hause aus mit dem Namen Druse bezeichnete und für die man bis auf den heu­tigen Tag jenen Namen beibehalten hat, den auch wir dafür gelten lassen und beibehalten wollen, ist aber keineswegs eine Drüsenkrank­heit, sondern wesentlich nichts Anderes, als ein catarrhalisches Leiden. — Die secundären Folgen und Complieationen der Druse, zu denen auch Drüsenaßectionen gehören, stehen in keiner Beziehung zu jener Benennung und wir desavouiren hiermit ausdrücklich den Gedanken, als hätten wir mit Druse irgend welche Drüsenaff'ection meinen können.
sect;. 28amp;. Die Druse ist ein asthenisch entzündliches, mit Fieber begleitetes Leiden der Lungenschleimhäute, welches sich in der Regel auf die Schleimhaute der Luftröhre, des Kehlkopfs oder der Rachenhöhle, selbst bis auf die der Nasenhöhlen etc. ausdehnt; sie ist immer verbunden mit krankhafter Affection der Schleimhäute der Verdauungseingeweide, und häufiger ist diese letztere Affection der primäre Zustand und das
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Lungenleiden secundär, seltener ist es umgekehrt. Treten die Schleim­häute, was oft der Fall, jedoch immer erst die Folge des Uebersehens der ursprünglichen Krankheit und des Fortwirkens der veranlassenden Ursachen, so wie des Einflusses anderer krankmachender Momente ist, der Luftröhre, des Kehl- und Schlundkopfes, der Rachenhöhle, der Nase, der Luftsäcke, der Kopfcavitäten etc. in Mitleidenschaft, so ist dies nur consensuell und secundär, oder es bedingt, ohne jene Einflüsse, mindestens eine besondere und vorherrschende Disposition, wie sie bei jungen, noch nicht ausgewachsenen Thieren vorhanden ist, welche von dieser Krankheit am liebsten und häufigsten heimge­sucht werden, weil die Schleimhäute der Verdauungsorgane, wie alle andern, bei ihnen immer noch mehr aufgelockert, reizbarer undthätiger sind, und die bedeckende Haut, nicht in dem Masse , wie bei älteren Pferden, an die äussern Einflüsse gewöhnt ist und ihnen trotzen kann. Daher treten bei jungen Thieren leichter und häufiger die nachthei­ligen Wirkungen vonErkältung ein, es influiren schädliche Nahrungs­mittel, Witterungsverhältnisse und Temperaturwechsel weit mehr auf ihren Organismus und seine Lebensprocesse, es wird die gesunde Thätigkeit der Schleimhäute um so leichter in eine kranke umgestimmt, und es zeigen sich um so mehr in ihr metastatische Kranhheitsprocesse. Die jungen Thiere leiden schon aus dem Grunde häufiger als andere an krankhaften Aflectionen der Schleimhäute des Kopfes und an meta­statischen Ablagerungen und Geschwülsten dieses Körpertheils, weil bei dem Zahnwechsel derselben und der fortdauernden Ausbildung des Cerebralsystems ein stärkerer Stoffwechsel und ein grösserer Säftezufluss hier stattfindet. Dadurch ist die Anlage des Kopfes zur Mitleidenschaft bei allen vorkommenden Krankheitsprocessen im Jugendalter vorzugsweise begründet.
sect;. 287.
Die Druse, wenn ihr Eintritt nicht übersehen, wenn sie recht­zeitig, diätetisch sowol wie therapeutisch , rationell behandelt und in ihrer naturgemässen Bahn erhalten, respective in dieselbe geleitet wird, verläuft immer gutartig. Ihr Eintritt findet unter Fieber­symptomen und den Erscheinungen acuter Krankheiten statt. Sie nimmt nur dann einen chronischen und bösartigen Verlauf an, wenn die krankmachenden Ursachen fortdaurend einwirken, wenn besondere Dispositionsverhältnisse in dem erkrankten Individuum vorhanden sind, oder wenn der gutartige regelmässige Verlauf der Krankheit durch irgend welche Verhältnisse und Umstände unterbrochen wird. Diese Druse, namentlich bei jungen Thieren, kann danach einen sehr bösartigen Character annehmen , wenn sie z. B. asthenisch, typhös, nervös wird, oder, wie dies häufig geschieht, wenn sie sich mit andern allgemeinen oder localen Krankheitsprocessen complicirt. Die Krank-
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heit wird in solchen Fällen sehr häufig mit umfangreichen, sehr tief eingreifenden und bösartigen Localaffectionen verbunden sein.
sect;. 288.
Die Druse, Febris catarrhalis, unterscheidet sich wesentlich nicht von der Rhinitis, der Unterschied liegt nur in dem Sitz, dem Um­fange und den Coraplicationen der Krankheit. Die Druse ist mehr ein Allgemeinleiden, der Strengel ist mehr örtlich, jene Krankheit ist' stets von gastrischen Coraplicationen begleitet, diese nicht. Die Druse hat eine grössere Neigung zur Metastase und zur Mataptose, und wir finden daher diese Krankheit sehr häufig mit sehr intensiven and wesentlichen Localaffectionen verbunden, die besonders den Ver­dauungsapparat, die Lungen und alle drüsigen Organe beireffen, was bei dem Strengel nicht der Fall ist.
sect;. 289.
Der Eintritt der Druse findet unter gastrischen Beschwerden statt, die sich durch Appetitlosigkeit, Versagen der Nahrung, Ver­
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stopfung, schleimigen Kothabgang etc., begleitet von Fiebersymptomen,
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zu erkennen geben. Werden diese Erscheinungen bemerkt und man ändert danach in zweckmässiger Weise die Diät, leitet eventuell einnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;lt;: lt; *
rationelles therapeutisches Verfahren ein, dann verhütet man in der Regel die Übeln Ausgänge und die Uebergänge in den bösartigen Character, sowie die gefährlichen Coraplicationen und Localaffectionen. Die Druse nimmt vielmehr ihren regelmässigen, schnellen und gut­artigen Verlauf. Wird dieser aber durch besondere Umstände gestört, oder man übersieht den Eintritt der Krankheit, was in der Regel ge­schieht, die schädlichen veranlassenden Einflüsse aber wirken fort­dauernd ein, dann stellen sich jene nachtheiligen Veränderungen des Krankheitscharacters, Metastasen, Metaschematismen, Localaffectionen etc. ein, in deren Gefolge blennorrhöische, wie scrophulöse Dys-krasien sich entwickeln, die dann wiederum deetructive Störungen Nasengeschwüre, scrophulöse Hautgeschwüre und allgemeine septische Zustände mit Elephantiasis und Faulfieber im Gefolge haben.
sect;.290.
Weil nun aber die Druse, als ein ursprünglich reines catarrha-lisches Leiden und während ihres Verlaufs beim Durchgange aller Stadien, mit allen jenen gedachten Ueber- und Ausgängen, Compli-cationen und Krankheitsablagerungen, sich vorherrschend als Catarrhal-fieber behauptend und manifestirend, beim ungünstigen und chroni­schen Verlauf in der Regel, selbst beim acuten Verlauf zuweilen , in eine locale noch häufiger in eine allgemeine Scrophulosis übergebt, oder doch sich mit derselben complicirt und diese in den der Art be-
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troflfenen Individuen um so leichter alle Phasen und Grade der scrophulösen Krankheit durchmacht, weil dieselben zur Scrophulosis prädisponirt sind und in ihrem geschwächten Zustande derselben unterliegan, so ist es natürlich, dass bei oberflächlicher Untersuchung und Beobachtung solcher Krankheiten, sieh Irrthümer in Masse ein­schleichen müssen und bereits seit den ältesten Zeiten bis heute ein­geschlichen und erhalten haben. Zu diesen gehört nun vorzugsweise die Verwechselung der Scrophelkrankheit des Pferdes mit der Druse, Krankheiten die man sogar indentiflcirt hat, während jene doch ein lymphatisches und diese ein catarrhalisches Leiden ist. Da man die Scrophulosis mit catarrhalisehen Zuständen verwechselt, diese häufig in Scropheln übergehen, diese wieder immer mit catarrhalisehen Affectionen complicirt sind, so hat man nicht nur die Scropheln für Druse gehalten, sondern man hat auch ihren Sitz in den Schleimhäuten zu finden geglaubt, ihre Ursachen für alle Fälle auf die Ursachen catarralischer Zustände zurückgeführt und den Sitz aller Formen, Ausgänge und Producte der Scropheln in den Schleimhäuten suchen zu müssen geglaubt.
sect;. 291. Sind nun die ersten gastrischen -Erscheinungen der Druse unter den angegebenen Verhältnissen übersehen, und die Krankheit ändert ihren Verlauf und dehnt sich weiter aus, dann stellt sich neben jenen Erscheinungen unter Fiebersymptomen trockner schmerzhafter Husten' bei beschleunigtem Athmen ein; die Augen trüben sich, ihre Lieder schwellen an, Thränen fliessen ab , die Haare sträuben sich, die Haut wird trocken, die Temperatur ungleichmässig vertheilt; die sichtbaren Schleimhäute sind geröthet und trocken. Wir haben es mit einer Bronchitis zu thun. Oft, erst wenn auch diese übersehen oder vernachlässigt wird, oft aber auch mit ihr gleichzeitig, bald bei weniger, bald bei mehr Fieber, wird die Leber entzündlich gereizt und afficirt, womit die Gallensecretion beeinträchtigt wird, pflanzt sich die Bronchialentztindung auf die Schleimhäute der Luftröhre, des Kehl- und Schlundkopfs, das Schlucken erschwerend, der Rachen­höhle , der Luftsäcke, der Nase und der Cavitäten des Kopfes fort: der ganze Kopf schwillt, das Athmen wird beengt und beschleunigt. Noch hat die Krankheit einen gutartigen Character und eine acute Form, noch ist sie zu beseitigen und zu einem günstigen Ausgange zu führen. Wird aber auch dieses Stadium versäumt und wirken die veranlassenden Ursachen und andere schädliche Einflüsse, wie zu heisse oder kalte, nasse Luft, unreine Luft, Luftzug, schlechte Nah­rung u. dgl. m. fortdauernd ein, dann wechselt die Krankheit, eben so wie nach einer allgemeinen Prädisposition und bei entsprechender Individualität die gutartige mit der bösartigen, die acute mit der chronischen Form, sie macht Metastasen und Metasehematisrnen.
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Die Synocha geht in Asthenie über, die Schleimhaute lockern sich auf, werden bleichroth, orange- oder bleifarbig, alle ergriffenen Schleirnmembranen secerniren ein purulentes Secret, welches in grossen Massen durch die Nase abfliesst; die Stimmritze verschwillt, das Athmen wird erschwert, röchelnd , pfeifend, erstickend , oft un­möglich und kann der Erstickung nur durch die Tracheotomie vor­gebeugt werden; der Schlundkopf verschwillt, das Schlucken wird erschwert, zuweilen unmöglich, Speisen und Getränke fliessen zur Nase zurück. Die Geschwulst des Kopfes zieht sich zurück, be­grenzt sich und bleibt oft in grossem Umfange im Kehlgange, zu den Seiten des Kehlkopfs und unter den Ohrdrüsen als Metastase zurück, sich im Verlaufe der Krankheit im günstigen Falle erweichend und grosse Massen Eiter entleerend; im ungünstigen Falle sich zertheilend und dann anderweitig sich ablagernd, als sogenannte verschlagene, wandernde oder herumirrende Druse dann auftretend; im zweiten ungünstigen Falle, aber äusserst selten, sich verdichtend, verhärtend.
sect;. 292. Diese Geschwülste, weil sie stets in der Nähe von Drüsen, den Ohr-, den Schild- und besonders den Kehlgangsdrüsen vorkommen, weil diese Drüsen wol auch häufig consensuell mehr oder weniger afficirt werden, hat man meistens für Drüsengeschwülste falschlich angesehen und daher sie mit den Scropheln verwechselt oder identisch gehalten, daher auch den Namen Druse (eigentlich Drüse) angenommen, indess sie sind, wie auch Spinola in seiner speciellen Pathologie ganz richtig sagt, nichts Anderes als metastatiche Ablagerungen in das um und neben den Drüsen reichlich vorhandene Zellgewebe,' die, wenn sie nicht aus dem Körper ausgeschieden, sondern in die Blutmasse wieder aufgenommen werden, von den übelsten Wirkungen und Folgen sind. Die Drüsen, in deren Nähe sich diese Metastasen hinziehen, werden zwar immer alterirt, gesunden aber jederzeit mit dem Abfluss des metastatischen Stoffs, es entsteht daraus nie die Scrophulosis, es sei denn, dass von dem Stoff in Venen oder Lymphgef'ässen aufgesogen und solcher durch diese Gefässe den Lymphdrüsen zugeführt wird, wodurch dann sowol allgemeine wie locale Scropheln mit allen ihren Folgen und Ausgängen und in allen Formen entstehen können.
sect;. 293. Durch die Mitleidenschaft der Schleimhäute des Kopfes, die ganz analog ist dem Krankheitszustande der bösartig verlaufenden Rhinitis, entstehen auch alle jene Folgen, Aus- und Uebergänge, alle Krankheitsformen etc, die wir schon bei der Rhinitis näher angegeben und beschrieben haben, daher wir der speciellen weiteren Erörterung darüber hier füglich tiberhoben sein können. Da aber die Druse eine allgemeine, den ganzen Organismus in Mitleidenschaft ziehende, oft
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sehr umfangreiche und intensive Krankheit ist, so macht sie ungleich häufiger jene bösartigen lieber- und Ausgänge und geht ungleich häufiger zur allgemeinen Scrophulosis über, als die Ehinitis. Aber die pathologischen Processe der ungünstig verlaufenden Druse, ihre zerstörenden und bildenden Kräfte, sind noch anderweitig, sind noch im Innern des Organismus, in der Brust- und Bauchhöhle und deren Organen thätig, während die gedachten pathologischen Vorgänge im Kopfe und dessen Umgebung sich ereignen. In deu Lungen bilden sich Knoten , Tuberkeln, Vereiterungen, durch Resorption des ver­dorbenen virulenten Schleimsecrets, oder des Eiters, entwickeln sich lymphatische Zustände , Miliartuberkeln, Scropheln, die oft von hier aus anfangend, allgemein werden, öfter auch, wenigstens lange Zeit, Jahre lang, in den Lungen local bleiben ; öfter von hier aus die scrophulöse Ozaena, ohne Mitleidenschaft der Kehlgangsdrüsen und anderer erzeugen. Es entwickelt sich eine catarralische oder tuber­kulöse Phthysis, die früher oder später den Tod herbeiführt; es bilden sich ferner plastische und seröse Ausschwitzungen in den Lungen (Hepatisation) und in der Brusthöhle acute, auch chronische Brust­wassersucht, die den Tod zur Folge haben. Die Leber wird atrophisch und sondert schlechte Galle ab. Während alle diese Vorgänge, Zer­störungen, Destructionen etc. stattfinden, nehmen, falls derTod nicht früher schon durch die pathologischen Zustände in der Brusthöhle er­folgt, die Venen und Lymphgefässe, Krankheitsprocesse auf und* führen sie in den allgemeinen Kreislauf der Säfte über, es entstehen Anschwellungen verschiedener Art, es bildet sich Phlebitis, Elephan­tiasis etc., es bildet sich das scrophulöse Hautgeschwür, ein septischer diskratischer Zustand tritt ein, und Faulfieber endet das Leben.
sect;. 294.
Die Druse aber, die überhaupt nach Umständen die merk­würdigsten und mannigfachsten Metamorphosen und Ausgänge macht, die überhaupt die verschiedenartigsten Stadien und Entwickelungs-phasen durchmachen kann, nimmt oft noch einen ganz andern Verlauf. Nachdem jene ersten gastrischen Beschwerden und die darauf folgende catarrhalische Affection der Lungen eingetreten sind, macht das catarrhalische Leiden in seinem weitern Fortschreiten Halt, es verbreitet sich nicht noch nach andern Richtungen hin und auf andere Organe, und die ganzen nun weiter folgenden Krankheits­processe tragen sich in den Organen der Bauch - und Brusthöhle zu. Der Verlauf kann ein acnter oder chronischer sein, und es kann in ersterem Falle der catarrhalische Entzündungsprocess bis zum gan­gränösen Ausgange in den Tod sich steigern. Dieser Ausgang ist jedoch selten, häufiger erfolgt schon in beiden, im acuten wie im chronischen Falle, der Ausgang in Ausschwitzung. Hepatisation und
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Wassersucht; im chronischen Falle dagegen erfolgt auch zuweilen der Ausgang in eine catarj-hali.sche oder tuberculöse Phthisis, wäh­
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rend deren Verlauf, falls er sehr langsam ist, sich noch scrophulöse Affectionen in allen Graden und Formen hinzugesellen können.
sect;. 295.
Der häufigste Gang und Verlauf dieser Krankheit im chronischen Falle ist indess folgender: Die Schleimhäute der Bronchien lockern sich auf, die Schleimhäute schwellen an, destruiren sich und secer-niren eine unverhältnissmässige Menge eines purulenten profusen Schleimes, der durch die Luftröhre zur Nase abfliegst und , vermöge seines anomalen Reizes auf die Schleimhäute, diese auf dem We^e den er passirt, irritirt, sie auflockert und zu einer ebenfalls krank­haften, vermehrten Schleimsecretion reizt. Dieser Verlauf und Aus­gang, der mehrentheils nur bei altern Pferden vorkommt, kann ohne weitere Schritte, höchstens in sehr geringer Steigerung der vor­handenen Erscheinungen, ohne weitere Zufälle etc. sehr lange dauern und successive in eine phthisische Kachexie, ohne andere Compli-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ' i
cationen , ausarten , es können aber auch , durch länger fortgesetzte Eesorption, durch den Säfteverlust und eine nach und nach erfolgende Säfteverderbniss, wie dies in manchen Fällen geschieht, locale, wie
allgemeine Scropheln erzeugt werden, die im Verlauf alle Stadien
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und die verschiedensten Formen durchmachen, und können diese Scropheln für sich, wie auch dies vorkommt, eben sowol einen acuten, wie chronischen Verlauf nehmen. Es kommt vor, dass bei solchen Zuständen plötzlich heisse, schmerzhafte Drüsenanschwellung, unter eintretenden Fiebersymptomen , im Kehlgange auftritt, von da ausgehend, die Lymphgefässe bis zur Nase anschwellen und hier
das scrophulöse Nasengeschwiir bilden; oder dass plötzlich heisse.
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schmerzhafte Anschwellung unter begleitenden Fiebersymptomen, irgend wo unter der Haut des Körpers, am häufigsten an den Hinter-füssen, auftritt, an welcher die Lymphgefässe sjrotzend und strang-förmig anschwellen, auf denen sich das scrophulöse Hautgeschwür bildet. Verlieren sich die Fiebersymptome bei diesen Krankheits-processen, dann verlaufen sie weiterhin chronisch ; bestehen sie fort, dann ist die weitere Entwickelung des scrophulöson Krankheits-processes ebenfalls acut. Eine allgemeine Säfteentmischung, ein septischer Zustand, Auflösung und Zerstörung des organischen Zu­sammenhangs , bei Aufhören der Ernährung, endet dann schnell das animalische Leben, indem die Stelle der geregelten Vitalität, ein untergeordneter Chemismus einnimmt.
sect;. 296.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;I
Der Vorgang des Krankheitsprocesses kann aber auch noch ein anderer sein. Es treten nach und während der Resorption jenes Enll, RolzHvskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;9
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purulenten profusen Schleimseerets in den Bronchien, jene Drüsen­anschwellungen im Kehlgange oder unter der Haut, also auch jene scrophulösen Geschwüre nicht ein, es wirkt das in die Lymphgefasse und Venen aufgenommene, theils verdorhene Krankheitssecret der Bronchien rein local auf die Lungen selbst und bildet hier ein local scrophulöses Leiden, das erst später in seinen weiter fortgesetzten Wirkungen zu einem allgemeinen wird, was in sehr kurzer, aber auch in sehr später Zeit, d. h. innerhalb 8—14 Tagen, aber auch erst nach Monaten, erfolgen kann. Indem der resorbirte Krankheits­stoff' die Lymphgefasse der Lungen und deren Drüsen reizt und irritirt, schwellen dieselben, es entstehen in ihnen Stockungen, Verhärtungen, und so bilden sich Knoten, Miliartuberkeln und Geschwüre. Diese vermehren und verändern den Ausfluss aus der Nase in Rücksieht seiner Farbe, Consistenz und chemischen Beschaffenheit. Dieser Zustand dauert oft lange Zeit und so kann man bei Sectionen von Pferden alle diese pathologischen Veränderungen in den Lungen linden, ohne dass die scrophulöse Ozaena und Drüsenanschwellung im Kehlgange oder das scrophulöse Hautgeschwür zugegen ist, und man findet in der.Nase nichts als Auflockerung der Schneiderschen Membranen und Secretion eines purulenten profusen Schleims.
sect;. 297. Aber es kommen auch Fälle vor, wo sich nach jenen Vorgängen in den Lungen und aus denselben, das scrophulöse Nasen- oder Haut-quot; geschwiir, oder auch beides gleichzeitig, entwickelt, ohne dass noch anderweite pathologische Zustände sich entwickeln, und so kann man bei Sectionen von Pferden Miliartuberkeln in den Lungen und jene Geschwüre finden, ohne irgend welche Drüsen- oder andere An­schwellungen. Indess am häufigsten kommt es vor, dass während oder nach den gedachten Vorgängen in den Lungen, durch weiteres Umsichgreifen der Verderbniss der Lymphe und durch das Allgemein­werden der Scrophulosis, zunächst Drüsenanschwellungen eintreten und nach diesen dann die betreffenden Geschwüre entsehen; seltener aber ist es der Fall, dass die letztern in Folge des Lungenleidens primär entstehen und die Drüsenanschwellungen secundär, also nach ihnen erst sich entwickeln. Indess kommen auch solche Fälle vor.
sect;. 298. Endlich noch können beide Lungen in gleicher Weise afficirt und destruirt sein, dann treten alle die gedachten Folgen selbstständig und gleichzeitig an beiden Seiten des Individuums auf; es kann nur eine Lunge krankhaft ergriffen sein, dann erscheinen alle die ange­gebenen weiteren Metamorphosen etc. primär auf einer Seite des Körpers, auf derjenigen, deren Lunge afficirt ist und dann erst, wie dies oft vorkommt, oft aber auch nicht, im spätem Fortgange der
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Krankheit, entwickeln sich auch dieselben Zustände auf der zweiten Hälfte des Organismus, was aber auch eben sowol bis zum endlichen Verlauf der Krankheit ausbleiben kann.
sect;. 299.
Nach Allem, was wir bisher über diesen catarrhalischen Krank­heitszustand, den wir mit dem Namen Druse bezeichnen, gesagt haben, müssen wir um so mehr erkennen, dass bei Beurtheilung des­selben Irrthümer um so leichter möglich und kaum zu vermeiden sind, dass man ihn. aber mit Scropheln verwechselt und identificirt, bleibt immer ein zu grosser Missgriff und Tadel für die fortge-schrittene Wissenschaft. Wir erkennen ferner, dass die Druse uns ein Heer von Varietäten , Formen , Metamorphosen , Complicationen, lieber- und Ausgängen vorführt, deren grosse Masse bis in alle Specialitäten hinein kaum übersichtlich ist. Wir sind weit entfernt, so anmaassend zu sein, um zu glauben oder glauben machen zu wollen, als hätten wir den Gegenstand erschöpft oder auch nur an­nähernd alle jene Varietäten etc. in Betracht gezogen, wir sind viel­mehr überzeugt, dass wir in dieser Beziehung bei Weitem noch nicht die Grenze erreicht haben, was jedenfalls weitern Studien und einer spätem Zeit vorbehalten ist.
sect;. 300.
Alle diese Vorgänge und Erscheinungen, alle diese Verschieden-lieiten und Varietäten etc., die uns von der Druse geboten worden sind, sind abhängig von der Individualität und Disposition der be­treffenden Thiere, von den constitutionellen Verhältnissen ; von der Extensivität und Intensivität in welcher die Krankheit ursprünglich auftritt; von den in Mitleidenschaft gezogenen Organen und den Localaffectionen ; von der Art und Dauer der Einwirkung der ver­anlassenden Ursachen; von dem Verhalten, den Einflüssen , den diätetischen und arzneilichen Einwirkungen während der Krankheit; von dem Stadium der Krankheit, in welchem diese oder jene Ein­wirkungen beginnen; von der chemischen Veränderung und Be­schaffenheit , welche die Lymphe während des Verlaufs der Krank­heit annimmt etc.
sect;. 301.
Die Druse befällt aus den oben schon angegebenen Gründen und Veranlassungen am liebsten die Thiere jugendlichen, noch unaus-gebildeten Alters; sie befällt aber auch Thiere höhern und jeden Alters, doch stets je älter je seltener, je älter je weniger heftig, je weniger ex- und intensiv, mit je seltenern Metastasen, in je wenigem Formen, Varietäten und Metaschematismen. Am heftigsten und intensivsten werden jederzeit die wohlgenährtesten, vollsäftigsten und ausgeruhten Individuen und diejenigen von vielem Temperament
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und hoher Veredlung befallen. Die Krankheit befällt die Thiere mehrmals im Leben; je öfter ein Thier sie überstanden hat, je gelinder tritt sie auf. Die Druse ist daher nicht aussehliesslich eine Jugondkrankheit, sie ist nicht unbedingt an ein gewisses Alter ge­bunden und es ist keineswegs erforderlich, dass jedes Pferd sie einmal im Leben haben und überstehen muss.
c) Ca t ar r h ali s ch e B riiu n e, Angina c atarr halis.
sect;. 302.
Auch diese Krankheit, die im Wesentlichen ein catarrhalisches Leiden und daher der Druse und Rhinitis sehr analog, häufig mit einer, oder auch mit beiden zugleich vergesellschaftet ist, die nur insofern, als sie ihren Sitz vorzugsweise im Kehl- und Schlundkopf und in der Rachenhöhle hat, von jenen unterschieden wird, liefert uns dieselben Erscheinungen, wie die Druse und der Strengel. Wir würden das von diesen Krankheiten bereits Gesagte lediglich wieder­holen müssen, dessen wir sonach wol überhoben sein dürften, und bemerken nur noch, dass auch die Bräune jene Neigung zur Bildung von Geschwülsten in den Umgebungen der Drüsen des Kopfes und zu metastatischen Ablagerungen hat, wie die Druse, und dass auch hieraus alle jene Folgen entstehen, die wir bereits bei der Druse in Betracht gezogen haben. Im Ganzen ist die Bräune eine beim Pferde häufig erscheinende catarrhalische Krankheitsform, aus welcher sehr vielfach die Scropheln in allen Formen und Graden hervorgehen. Während bei der Druse die scrophulöse Lungenaffection häufiger das primäre scrophulöse Leiden ist, tritt dies nach der Bräune mehren-theils seeundär auf, und man kann daher bei Sectionen von Pferden, die in Folge der Bräune das scrophulöse Nasen- oder Hautgeschwür bekommen haben, zuweilen die Lungen noch ganz frei von jeder scrophnlösen Affection finden, wie dies nach der Rhinitis der Fall ist, was bei solchen Pferden, die ursprünglich ah'Druse gelitten haben, nicht stattfindet.
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d) L u n g e n c a t a r r h. Pneumonia c a t a r r h a 1 i s.
sect;. 303.
Wir haben einfache catarrhalische Lungenentzündungen. die in den meisten Fällen einen ganz gelinden, #9632;laquo;gutartigen und schnellen Verlauf nehmen. Sobald aber eine solche Lungenaffection durch ungünstige Verhältnisse und Einflüsse, gesteigert und zum chronischen Verlauf, sowie zur Seeretion eines purulenten profusen .Schleimes in den Bronchien veranlasst wird, so findet durch Resorption des­selben ein Uebergang in scrophulöse Dyskrasie statt, aus welcher
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alle diejenigen Scrophelmetamorphosen und Formen hervorgehen können, die wir bei der Drnse nach der durch diese stattfindenden Lnngenaff'ection entstehen sahen. Diese Scropheln werden jedesmal ein eben solches Verhalten zeigen, wie jene, und wir finden in diesem Falle bei Sectionen zuweilen die ausgebildetsten Scropheln mit den Nasen - und Hautgeschwüren, ohne dass die Drüsen des Kehlganges alterirt sind , es remss hier also jederzeit die scrophulöse Affection der Lungen als das primäre scrophulöse Moment angesehen werden.
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Zweite Gruppe. Septische Krankheiten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1. *
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a) Faulfieber, f e b ri s pu trida.
sect;. 304.
Bei Scropheln, und noch mehr bei andern Krankheitszuständen,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;*
wie wir das namentlich bei der Druse gefunden haben, ist das Faul­fieber nicht selten Folge eines eingetretenen septischen Zustaudesund der letzte, allemal tödliche Ausgang derselben. Tritt aber das Faul­fieber primär ein, und wird, wie dies gewöhnlich der Fall ist, die sep­tische Dyskrasie durch das Fieber herbeigeführt, so kann auch der dyskratische Zustand der Art sein, dass er eine scrophulöse Compli­cation im Gefolge hat, und dass sie dann, im Falle ihrer Heilung, selbst einen scrophulösen Krankheitsprocess als Nachkrankheit zurück-lässt. Nimmt aber das Faulfieber einen chronischen Verlauf, dann treten nicht selten locale organische Destructionen ein, welche solche pathologische Froductionen im Gefolge haben, durcli deren Resorption, wenn bereits das primäre Hauptleiden gehoben ist, sowol locale wie allgiemeine Scropheln in allen Formen, Graden und Varietäten etc. zur Ausbildung gelangen können.
b) Die sogenannte Tuberkelkrankheit, Tuberculosis.
sect;. 305.
Eine Tuberculosis sui generis giebt es nicht, sie ist identisch mit der Scrophulosis; Tuberkeln sind stets Producte der scrophulösen Dyskrasie. Sie sind Ablagerungen oder Ausscheidungen anomaler Stoffe und Beimischungen der Lymphe, des Blutes oder des Lymph-gefässsystems, welche das Product des dyskratischen Lyraphkrank-heitsprocesses sind, und entstehen durch Degeneration oder Structur-veränderung der Lymphdrüsen herbeigeführte Blut-oder Lymphstasen in den Capillaren derjenigen Gebilde, in welchen einerseits die meisten
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Capillaren vorkommen, andererseits dieselben am wenigsten dehnbar sind und die anomalen Stoße der Säfte am Durchgange den grössten Widerstand finden. Die meisten Lymphgefasscapillaren finden sich aber immer in den thätigsten, dem lebendigsten Stoffwechsel unter­worfenen Organen, beim Pferde z. B. in den Lungen, die bei diesem Thiere, schon ihrer Function wegen, von straffer Textur sein müssen und sind, daher hier die Tuberkelbildung. Die Rindslunge dagegen hat eine weit geringere Function, daher weniger Stoffwechsel, schlaffere Textur, leichtere Ausdehnung der Capillaren; daher hier seltener Tuberkelbildung, und diese mehr in den serösen Häuten, bei der Perl­sucht, aus entgegengesetzten Gründen. Diese Tuberculose hat, wie jede Andere, die Scrophulose zur Grundlage. —
sect;. 306.
Die Tuberkelbildung kommt vor, und wir nehmen äusserlich keine Erscheinung der Scrophulose wahr, merken überhaupt nichts von jenem pathalogischen Bildungsprocess. Mögen wir dann immerhin diesen Zustand eine tuberculose Dyskrasie nennen ; sie bleibt immer eine Scrophulosis, die dann erst in ihrer wahren Natur im spätem Verlaufe sich manifestirt und zeigt.
c) Lungenschwindsucht, Phthisis pulmonum.
sect;. 307.
Obwol diese Krankheit beim Pferde nicht häufig erscheint, so kommt sie dennoch in gewissen Formen, in der Regel mit chronischem Verlaufe, vor. Die in Eiter zerfliessenden Substanzen fäessen nicht immer regelmässig und schnell genug ab, und Partieen derselben ver­weilen längere Zeit in den Bronchien und zwischen den zerstörten Lungenzellen, werden hier, indem sie in eine gewisse chemische Zersetzung verfallen sind, resorbirt und inflciren dergestalt das Blut und die Lymphe, dass sich danach eine scrophulose Dyskrasie voll­ständig entwickelt.
Dritte Gruppe. Entzündungskrankheiten.
a) Lungenentzündung,, Pneumonitis. sect;. 308-.
Obwol im Allgemeinen die Entzündungen an und für sich keine Dyskrasieen zur Folge haben oder herbeiführen, mithin auch keine Scropheln bilden können, so sind es doch ihre Ausgänge und Producte.
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Geht z. B. die Lungenentzündung in Vereiterung über, so hat diese nicht selten die scrophulöse Kachexie in derselben Weise im Gefolge, wie die Lungenschwindsucht etc.
b) F u s s e n t z ü n d u n g, P e d i t i s. sect;. 309.
Von der Fussentzündung gilt in der Hauptsache dasselbe, was von der vorigen Krankheit gesagt ist. Geht die Fussentzündung aber in Eiterung über, so ist Scrophelkrankheit eine sehr häufige Folge derselben, und zwar ist dies in den meisten Fällen das scrophulöse Hautgeschwür, welches sich in dem weiteren Verlauf der Scrophulosis ausbildet, weil bei der grössern Entfernung zur Nase, bevor sich die Krankheit hier als Ozaena ausspricht, das Hauptgeschwür schon aus­gebildet ist, denn in der Regel werden bei derartigen Resorptionen von Krankheitsstoffen immer die zunächst befindlichen Lymphgefässe und Drusen afficirt und von der Krankheit ergriffen. Die in Eiterung ausgehende Fussentzündung bringt stets derartige Gefahren mit sich, dass nach derselben andere bösartige Krankheiten, wie z. B. bösartig auftretende Scropheln, Lungenentzündungen mit Knotenbildung und dergl., folgen, welches seinen Grund darin hat, dass der Eiter im Huf wenig Abfluss findet und hier eingeschlossen einer sehr baldigen Ver-derbniss um so mehr unterliegt und jauchig wird, als die Eiterung hier vorzugsweise fibröse Gebilde, Sehnen, Bänder und Knorpel be­trifft, und dass ferner der Fuss so überreichlich mit Lymphgefässen und Venengeflechten versehen ist, von denen eine starke Resorption jener Jauche stattfindet, und theilweise die Lymphe, sowie das Blut verderbend, in die Drüsen und Lungen übergeführt wird, wo dann jene Krahkheiten sich ausbilden. Zuweilen ensteht hier auch, nach­dem sich das scrophulöse Hautgeschwür schon ausgebildet hat, in Folge der Lungenaffection, während derselben . noch das scrophulöse Nasengeschwür etc.
c) Venenentzündung, Phlebitis.
sect;. 310.
Die Venenentzündungen, namentlich wenn sie die Geflechte und feinern Verzweigungen derselben in etwas grösserem Umfange, oder an Stellen, wo sie dicht liegen , wie an den Füssen, Gelenken, am Gesicht etc., betreffen und, wie, dies nur zu häufig geschieht, dieselben dann in Eiterung übergehen, haben in der Regel die nachtheiligsten Folgen, gleich den in Eiterung übergehenden Fussentzündungen.
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Vierte Gruppe. Exanthematische Krankheiten.
aj Die Mauke, Paronychia serosaet herpetica.
sect;• 311.
Die Mauke, welche eine eigenthiimliche Ausschlagskrankheit bildet und somit einen eigenthümlichen Krankheitsstoff absondert, erscheint oft in bedeutendem Umfange und mit sehr profuser Ab­sonderung jenes Krankheitsstoffes. Ihre Beseitigung muss mit einer gewissen Vorsicht durch innere und äussere Mittel stattfinden, da eine plötzliche oder schnelle Unterdrückung der frisch entstandenen Mauke von den nachtheiligsten Folgen ist. Oft wird die Mauke habi­tuell, und dann nur ist sie durch eine besondere Kur von Innen zu beseitigen; von den nachtheiligsten Folgen ist die Unterdrückung solcher Mauke von Aussen durch Arzneien, oder ein plötzliches Ver­schwinden derselben durch andere Umstände, wie z. B. Erhitzung, Erkältung etc. Der Krankheitsstoff geht ins Blut über und lagert sich auf andere Körpertheile, oft auf edle Organe , wie Leber, Augen etc. ab, sich hier einen Ausweg suchend, und ist dann von den ge­fährlichsten, oft tödtlichen Wirkungen. Wirft sich der Krankheitsstoff' auf die Haut und andere weniger edle Körpertheile, so ist dies günstig und von weniger directen nachtheiligen Folgen, obwol indirect sich mitunter die bösartigsten Krankheitszustände, wie Scropheln und alle scrophulösen Krankheitsformen, ausbilden.
sect;. 312.
Indem der Maukeausschlag plötzlich unterdrückt wird und somit die Absonderung des Krankheitsstoffes hier aufhört, wird die vor­handene Absonderung durch Venen- oder Lymphgefässe anf'senommen und im erstem Falle der Blutmasse, im letztern der Lymphe beige­mischt. Theils von der chemischen Mischung und Schärfe, theils von der Quantität des aufgenommenen Stoffs, hängt die schnellere oder langsamere , die intensivere und extensivere Wirkung ab , auf welche Organe oder Gebilde hin derselbe sich auch werfen und seine, das ge­sunde Leben störenden Wirkungen äussern mag. Häufig wirft sich der Maukestoff gleichzeitig auf mehrere innere Organe, immer aber werden es solche sein, die als bereits beleidigte, geschwächte, also disponirte bestehen; am häufigsten wjrd dies die Lungen betreffen, einerseits weil sie die am häufigsten afficirten Organe ohnehin sind, und andererseits, weil bei dem Kreislauf die ganze Blutmasse durch die Lungen geht und hier stets etwas verweilt, um den Process der
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Decarbonisation durchzumachen; ausserdem bleiben auch wol einige Bluttheile in den Lungenzellen hin und wieder für längere Zeit zurück und wirken, sobald sie Beimischungen von Maukejauehe haben , als krankmachender Reiz, und eben so schädlich wirkt das Blut in diesem Falle, was die Lungen zum Stoffwechsel, der in diesem überaus thätigen Organ bedeutender, als in andern ist, verbrauchen.
sect;. 313.
Der Theil der Maukejauche, welcher durch die Saugvenen auf­genommen und dem Blute zugeführt wird, istes vorzugsweise, welcher jene zerstörenden Krankheitsprocesse in den gedachten Organen, und namentlich am häufigsten in den Lungen, hervorruft, aus denen dann in weiterer Entwickelung die Scrophulosis in allen Formen sich aus­bildet, die alle Phasen durchlaufen und in der Regel das scrophulöse Nasengeschwür erzeugen. Der Vorgang in dieser Weise ist der ge­wöhnliche , am häufigsten eintretende, oder doch zuerst auftretende bei plötzlicher Unterdrückung der Mauke, welches darin seinen Grund hat, dass die Venen am meisten und schnellsten den Maukestoff auf­nehmen und denselben schnell in den Kreislauf und somit in die Lungen überführen, dadurch also den Lymphgefässen in der Regel zuvorkommen, und dass sehr viele Pferde ohnehin mit fehlerhaften Lungen existiren.
sect;. 314.
Langsamer zwar, als die Aufsaugung und Fortloitung des Mauke­stoffs durch die Venen, findet dieselbe in den Lymphgefässen statt, jedoch, wo die innere Organisation eine sehr gesunde und kräftigeist, setzt die letztere dem einwirkenden Krankheitsstoff eine so kräftige Reaction entgegen, dass die Entwickelung des durch die Infection zu verursachenden Krankheitsprocesses der Art sich verzögert, dass ihr die Wirkung desjenigen Theiles des Maukestoffs, welcher von den Lymphgefässen aufgesogen wurde, auf die Lymphdrüsen, und von hier weiter, zuvorkommt. Bevor also noch die Metastase durch das Blut auf innere Organe zur Wirkung kommt, sehen wir eine lympha­tische Dyskrasie, also einen scrophulösen Krankheitsprocess, sich entwickeln, der sich äusserlich oft durch die mannigfachsten Ge­schwülste, durch Drüsenanschwellungen, Eiterbeulen, Fieber, Aus­flüsse, lymphatische Anschwellungen, und im weiteren Verlauf selbst scrophulöse Haut- und Nasengeschwüre und allerlei weitere destruc­tive Processe ausbildet.
In den Fällen, wo, wie dies oft wol stattfindet, diese letztern Krankheitszustände sich schnell entwickeln, machen die andern früher angedeuteten Innern Krankheitsprocesse zuweilen einen dauern­den Stillstand. Aber es kommt auch vor, dass sowol der Krankheits­process in innern, wie in äussern Destructionen sich zugleich und
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gleichmässig entwickelt und seiner Vollendung entgegen geht. Dann haben wir, bei einer allgemeinen Dyskrasie und jenen äusserlich er­scheinenden Krankheitsproducten, in der Regel innerlich Tnberkel-bildung oder Eiterknoten in den Lungen und andern Organen, neben gastrischen Beschwerden und Störungen bei Structurveränderungen, Anschwellungen und Verhärtungen der Gekrösdrüsen etc. Es treten bei diesen KrankheitsentWickelungen überhaupt, je nach den indivi­duellen Eigenschaften und Dispositionen, der betreflenden Thiere, noch mancherlei Modiflcationen, auf und so kann in dem Entwicke-lungsgange des Krankheitsprocesses bald die eine, bald die andere der gedachten pathologischen Erscheinungen primär oder secundär auftreten, die eine kann sich erst aus dor andern entwickeln etc. Wir haben daher z. B. nach solchen metastatischen Maukeinfectionen bald das scrophulöse Geschwür der Nasenschleimhaut eben so häufig primär, wie das der Cutis; es entwickelt sich aber auch eben so oft das eine aus dem andern, wie sie gleichzeitig auftreten. — (S. hier den sechsten Fall.)
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b) Die herpetischenExantheme. Herpes.
sect;. 315.
Die herpetischen Ausschläge und besonders solche, die als me­tastatische zu betrachten sind , die indess bei Pferden nicht häufig vorkommen, sind ebenfalls geeignet, nach ihrer Unterdrückung und nach plötzlichem Zurücktreten nach Erhitzung oder Erkältung, oder nach Anwendung gewisser äusserer Mittel, die scrophulöse Dyskrasie her­vorzurufen, und dürften die dabei vorgehenden Krankheitsprocesse und Formen mit allen ihren Erscheinungen in vielen Fällen denen analog sein, die wir bei der metastatischen Maukeinfeotion zu be­trachten Gelegenheit hatten.
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Fünfte Gruppe.
Aeussero suppurirende, virulente Schäden und Geschwüre.
sect;. 316.
Wenn Jauche oder verdorbener Eiter von alten Wunden und Geschwüren, von Krebs und Knocheiftfrass, durch Venen oder Lymph-gefässe resorbirt und den Säften zugeführt wird, wie dies besonders bei Eiter- oder Jaucheeinschliessungen und Versenkungen, namentlich aber bei verjauchten Eiterbeulen oder bei brandigen und krebsartigen
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Geschwüren in drüsigen Gebilden, z. B. in den Speicheldrüsen, ferner bei Zahngeschwürnn und Zahnfisteln etc., stattfindet, so werden davon die Lymphdrüsen in der Regel mehr oder weniger afficirt und dann entwickelt sich in der Mehrzahl der Fälle seeundär eine lym­phatische Dyskrasie, die keine andere Krankheit, als die Scrophulose ist, welche in ihrem weiteren Verlauf uns alle diejenigen Erschei­nungen darbietet, die wir bereits bei der metastatischen Maukeinfec-tion kennen gelernt haben. Die Geschwüre, welche namentlich bei Pferden sehr häufig zur scrophulösen Dyskrasie führen, sind vorzugs­weise, ausser den bereits genannten, die Genickbeulen, die veralteten und ausgedehnten Widerrüstschäden, Brustbeulen, veraltete Hufge-.-.chwüre und Hufknorpelfisteln etc.
4. Capitel.
Contagiosität der Scropheln, Eigenschaften der Contagien im Allgemeinen und des Scrophelcontagiams im Besondern.
sect;. 317.
Die Frage : „Ist die Scrophelkrankheit confagiös oder nicht ?quot; harrt bis dahin jedenfalls noch ihrer definitiven Entscheidung. Obwol die meisten Schriftsteller, sowol Menschen- wie Thierärzte, die Con­tagiosität der Scropheln in Abrede stellen (wir kennen keinen, der sie zugegeben hätte), so scheint die Sache doch lange noch nicht ab-gethan zu sein, und es wäre hier ein offenbar unverzeihlicher, sich selbst sehr strafender Fehler, wenn man sich so ohne Weiteres dem Antoritätenglauben ergeben wollte. Wir behaupten gerade entgegen­gesetzt: „Die Scrophelkrankheit sei contagiös.quot; Der sogenannte Rotz und Wurm sind in den meisten Fällen Scropheln, und beide Formen sind entschieden und immer contagiös. — Es wird daher der Mühe lohnen, die Sache näher zu prüfen, vor Allem aber den Begriff der Contagiosität festzustellen, um jeder Verwirrung vorzubeugen.
sect;. 318.
Es ist jedenfalls eine Schattenseite der meisten Schriftsteller, dass -sie oft Begriffe hinstellen, ohne dieselben zuvor genau zu präci-siren und festzustellen. Ein übereinstimmendes Verständniss jedes Begriffs ist aber nothwendig, sobald man überzeugen und Ueberein-stimmung der Ansicht gewinnen will. Es ist natürlich, dass über das Wesen eines jeden Begriffs die Ansichten oft sehr entgegengesetzt sind und daher auch nirgends, wo wir derartige Begriffe anwenden, und ohne Weiteres hinstellen, eine Uebereinstimmung stattfinden kann :
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präeisiren wir indess zuvor die Begriffe genau, so ist es nun möglich Einverständnisse und übereinstimmende Ansichten herbeizuführen, und bleibt es dennoch immer Jedem überlassen, andere Grundsätze auf­zustellen und danach sich seine besonderen Anschauungen von der Sache zu bilden. Wir sind jedei-zeit geneigt, solchen Anschauungen ihre Berechtigung zuzugestehen, können sie indess aber dann nur aner­kennen, wenn sie auf wissenschaftlicher Basis ruhen und durch Gründe unterstützt, so wie durch positive Beweise zurlleberzeugung erhoben sind: hypothetische Raisonnements, sowie sophistische Speculation lassen wir nicht gelten. Dies ist es, was wir fordern und was wir zu gewähren gesonnen sind.
sect;. 319.
Wenn die Wissenschaft behauptet und beweist, class die soge­nannte Rotz- und Wurmkrankheit eontagiöse Krankheiten sind, wenn sie von einem Rotz- und Wurmcontagium spricht; wenn dann ferner die Wissenschaft nach weist, dass gewisse Formen der sogenannten Rotz- und Wurmkrankheit, wieder nur Formen , Grade oder Stadien, der Scrophelkrankheit sind, so ist es doch nicht in Abrede zu stellen, dass die Scroplielkrankheiten contagiös sind , dass es ein Scrophel-contagium giebt.
Wir verstehen unter Contagiura das Product eines anomalen Lebensprocesses einer animalischenOrganisation, welches eigenthümlich geeignet ist, in andere solcher Organismen, mit scheinbar oder wirk­lich, mit absolut oder relativ normalem Lebensprocess, auf dieselben in der einen oder andern Weise übertragen, den Lebensprocess in gleicher Art zu anomalisiren und dadurch sich zu reproduciren. Das Contagium kann nun sowol in einem besondern Product, Stoffquot;, des Krankheitsprocesses bestehen, welches in den Säften des Organismus löslich, denselben beigemischt bleibt, sich nicht davon scheidet, ver­flüchtigt, — fixes Contagium; es kann sich davon trennen, verflüch­tigen, — flüchtiges, ätherisches Contagium. Es kann als fixes Con­tagium an die festen, in den thierischen Säften aufgelösten Bestand-theile , es kann an die flüssigen Bestandtheile der Säfte chemisch, vielleicht auch mechanisch, gebunden sein. Als ätherisches Contagium dagegen kann es nur an die flüssigen, sich selbst verflüchtigenden Bestandtheile der Säfte, entweder chemisch oder mechanisch, ge­bunden sein.
Das Contagium kann ferner, ohne ein besonderes Product zu sein, in einer besonderen eigenthümlichen chemischen Veränderung der Säfte, entweder in einer analytisclfen oder synthetischen, bestehen ; diese Veränderung kann die fixen , festen, in den Säften aufgelösten Stoffe, als fixes Contagium, sie kann die flüssigen auflösenden Stoffe der Säfte als flüchtiges Contagium betreffen.
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sect;. 320. Betrachten wir laquo;alle diese Verschiedenheiten, so können wir daraus allein eine so grosse Mannigfaltigkeit der Contagien ableiten, dass wir damit nie ein Ende erreichen und keine Grenze finden können. So gross nun danach die Mannigfaltigkeit der Contagien sein kann, so unterliegt dieselbe doch gewissen bestimmten Beschränkungen und Gesetzen, welches eine höchst weise Einrichtung der Natur ist, weil andernfalls die Contagien das animalische Leben, welches zu ihnen im Connex steht, sehr bald von der Erde vertilgen würden.
sect;. 321.
Bis jetzt hat es den Forschungen der Wissenschaft noch nicht gelingen wollen , auch nur bei einem einzigen Contagium das Wesen desselben festzustellen, und so kennen wir bis dahin noch bei keinem derselben seine physikalischen Beschaffenheiten und Eigenschaften, noch seine ehemische Zusammensetzung. Wir wissen höchstens, dass es an den thierischen Säften haftet, oder dass seine Existenz anf einer gewissen chemischen Veränderung dieser Säfte beruht; an welchen Bestandtheil oder Stoffquot; jener Säfte es aber gebunden ist. oder haftet, und worin jene chemischen Anomalieen bestehen, das selbst wissen wir bis jetzt noch nicht. Wir kennen gewisse Eigen­schaften der Contagien, alle indess sind uns lange noch nicht be­kannt und von ihren Wirkungen auf den thierischen Organismus sehen und kennen wir zwar die Erfolge, haben bis jetzt aber keineswegs die Art ihrer Wirksamkeit und das Wesen ihrer wirkenden Kraft auch nur in einem Falle ermittelt. Es liegt demnach über die Natur der Contagien noch ein tiefes Dunkel ausgebreitet, und es hat hier die Wissenschaft und ihre Forschungen noch ein eben so wichtiges, wie interessantes Feld zu erschliessen und zn bebauen.
sect;. 322.
Betrachten wir jene beschränkenden Gesetze, durch welche die Natur den Contagien ihre bestimmten Grenzen gesteckt hat, näher, so finden wir zunächst, dass zur Erzeugung der Contagien selbst ge­wisse bestimmte äussere und innere Bedingunaen erforderlich sind. Da ein jedes Contagium das bestimmte Product einer bestimmten Krankheit ist, so ist zu seiner Erzeugung jedesmal eine solche ein nothwendiges Erforderniss, denn nur ein anomaler Lebensprocess kann ein Contagium erzeugen. Um den Organismus in diesen anomalen Lebensprocess zu versetzen, müssen alle jene äussern und innern Be­dingungen gegeben sein und gemeinschaftlich einwirken, welche jene eigenthümliche krankhafte Umstimmung hervorrufen können.
sect;. 323. Jedes Contagium aber ist speeifischer Natur, und somit kann dasselbe auch nur von speeifischen Krankheitsprocessen hervorgerufen
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werden. Jene Bedingungen müssen also nothwendig der Art sein, dass sie den gedachten specifischen, und keinen andern Krankheits-process erzeugen, und dazu ist erforderlich, dass dieselben sich in voller Uebereinstimnmng ihres quot;Wesens und Influirens befinden. Es ist sonach neben den besondern äussern veranlassenden und erregen­den Ursachen und deren Einfluss auf den thierischen Organismus, stets noch ein solcher von specifiseher Individualität, und dieser wieder von besonderer Disposition und Anlage, erforderlich, damit jener specifische Krankheitsprocess sich entwickeln und jenes specifische Contagium produciren kann, und müssen zugleich jene äussern und innemBedingungen von solcher Gewalt, solchem Einfluss und solcher Dauer der Einwirkung sein, dass sie den bisherigen normalen Lebens-process, d. h. die Gesundheit, in jenen anomalen, d. h. in Krankheit, umzuwandeln, also die gesunde Reaction des Organismus zu besiegen, zu überwältigen im Stande sind. Da nun diese Bedingungen und Verhältnisse die mannigfachsten Abweichungen erfahren, durch welche die Ausbildung jener specifischen Krankheiten unterbrochen und in eine andere Bahn gelenkt wird, so ist damit zu gleicher Zeit die Ausbildung des Contagiums beseitigt und so liegt darin eine mannig­fache Beschrankung der contagiösen Krankheiten , wie ihrer Conta­gion selbst.
sect;. 324.
Müssen wir in dem vorher Gesagten gleichzeitig schon hin--reichende Veranlassungen zu einer Menge von Modificationen in dem Auftreten der contagiösen Krankheiten und ihrer Producte, also in den Contagien, so wie in den Eigenschaften derselben, finden, so finden wir sie offenbar noch mehr in ihrer eigenen Beschaffenheit, wir finden sie noch mehr in der chemischen Analyse und Synthese des Contagiums, die von geringen Modificationen des Krankheits-processes, bedingt durch modificirte äussere und innere Influenzen, sich herleiten können, und die vielleicht an und für sich, von unnaeh-weisbarer Unbedeutendheit, in Betreff' der Eigenschaften des Conta­giums aber von der grössten Bedeutung sind. Die laquo;jeringste Ab-weichung in den erörterten Verhältnissen hat vielleicht gerade hier bei den Contagien die grössten Erfolge. Wir sehen dies z. B. bei dem Pockencontagium, welches seine contagiösen Eigenschaften erst mit einetn bestimmten Stadium der Krankheit erreicht und dieselben eben so bestimmt wieder beim nächsten verliert.
sect;. 325. Wir würden nun unter Contagium das specifische Product eines specifischen Krankheitsprocesses verstehen, welches fähig ist, in dazu geeigneten gleichartigen Organismen dieselbe Krankheit hervor­zurufen und durch diese sich selber zu reproduciren. Jedes Krank-
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heitsproduct von dieser Eigenschaft, also jeder ansteckende, von einer Krankheit erzeugte Stoff, ist ein Contagium, welche sonstigen Eigen­schaften derselbe auch haben mag. Hiernach ist es nicht erforderlich, dass der Begriff' des Contagiums die Eigenschaft voraussetzt, dass von ihm jedes Individuum gleicher Art, dass es unter allen Umständen und Verhältnissen, unter allen Bedingungen und zu jeder Zeit seines Lebens etc., angesteckt werde, noch dass es selber die Eigenschaft der Infection unter allen Verhältnissen und zu jeder Zeit besitze. •
sect;. 326.
Wir müssen zunächst nach Feststellung dieses Begriff's über Contagien, welcher die Parasiten - Schöpfungen und Störungen im thierischen Organismus, also Räude z. B., von den contagiösen Krankheiten mit Recht ausschliesst, uns mit den Verschiedenheiten der Contagien bekannt machen, um demnächst auf die Eigenschaften derselben übergehen zu können.
Nach der Beschaffenheit, oder Art und Weise ihrer Fortpflanzung theilen wir die Contagien in 2 Hauptgruppen , in flüchtige und fixe Contagien; nach ihren Eigenschaften und ihrer Fortpflanzungsföhig-keit müssen wir sie ebenfalls in 2 Hauptgruppen theilen, nämlich in absolut und relativ ansteckende, solche, die unter allen Umständen auf Individuen derselben Art sich fortpflanzen, und solche, die dabei immer gewisse Bedingungen erfordern. Wir haben ferner Contagien, die auf ein und demselben Organismus nur einmal, und andere, die öfter im Leben auf ihm haften können ; manche Contagien binden sich nicht an eine Thierspecies, sie sind übertragbar auf die ver­schiedensten Thierarten, selbst den Menschen, und von diesem wieder aufThiere; andere dagegen binden sich bestimmt an eine Species, noch andere an eine Gattung.
sect;. 327.
So verschieden hiernach die Contagien an und für sicherscheinen, so abweichend und wechselnd, so verschieden. sind sie auch in ihren Eigenschaften und Wirkungen. Wir finden Contagien, die bei jeder Temperatur flüchtig sind und sich verbreiten, andere , die bei jeder Temperatur fix bleiben, und noch andere, die in der Mitte stehen, die bei gewissen Temperaturgraden fix bleiben und erst bei höherem Thermometerstande flüchtig werden. Die Wirkung und Reproduction derselben aber ist von Witterungs -, klimatischen und Localitäts-verhältnissen nicht abhängig. Wir berufen uns hier auf das Conta­gium der Rinderpest, der Hundswuth und des Milzbrandes. Die Verbreitung und Fortpflanzung solcher Contagien, so wie die Intensität ihrer Wirkung, sind nicht gebunden an Temperatur- und klimatische Verhältnisse wol aber werden sie durch diese modificirt. Auf die fixen Contagien sind die Temperaturverhältnisse von geringe-
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rem Einfluss, was dagegen die flüchtigen durch hohe Temperatur an Extensität gewinnen, verlieren sie an Intensität, die sich bei niedrigem Thermometers tande verhältnissmässig steigeit. Manche Contagien sind leicht zersetzbar, sie bedürfen nur eines geringen Temperatur-grades, einer geringen Einwirkung der Luft, um unwirksam gemacht zu werden, andere besitzen eine starke Tenacität und werden nur in hohen oder sehr niedorn Temperaturgraden zerstört. Noch andere, wie z. B. das Rotzcontagium, erhalten durch den Zutritt der Luft eine grössere Intensität. Einige Contagien wirken bei Uebertragungen schnell, heftig, sicher, andere wirken langsam, successive fort­schreitend , unsicher; noch andere wirken bei Uebertragungen an­scheinend gar nicht, sie bleib™ längere Zeit im Organismus, Monate, ja Jahre lang, latent und zeigen dann plötzlich und unerwartet ihre bis dahin schlummernde Wirksamkeit durch den Ausbruch der Krank­heit , in der sie sich reproduciren. Manche Contagien erfordern zu ihrer Fortpflanzung bestimmte Temperaturgrade, andere nicht; manche erfordern zu ihrer Fortpflanzung und Reproduction bestimmte Individualitäten und individuelle Eigenschaften, andere nicht; manche wieder übertragen sich auf die verschiedenartigsten Individualitäten, reproduciren sich aber nur in gewissen derselben als fortpflanzungs-fähige Contagien, während in andern derselben die contagiösen Charactere erlöschen ; manche wirken auf gewisse Individualitäten als sehr heftige rapide Krankheitsursache, auf andere nicht; manche wirken nur, unmittelbar ins Blut übertragen, andere wirken aber auch in den Magen gebracht, in die Lungen eingeathraet oder mit der Oberhaut oder Schleimhaut, in Berührung gebracht; manche endlich zeigen ihre Wirkungen in regelmässigeu Stadien unter allen Verhältnissen, während bei andern dieselben nach Temperatur, Individualität etc. modificirt werden. Einige Contagien beschränken ihre Wirksamkeit lediglich auf eine Thierspecies, wie das Rinderpest-contagium, andere erzeugen und reproduciren sich nur in gewissen Species, wie das Wuthcontagium, welches auf Menschen und alle Säugethiere übertragbar ist, aber nur in den Carnivoren und Omni­voren reproductionsfähig wird; während es in den Herbivoren zwar die tödtliche Krankheit hervorruft, nicht aber die Reproductionskraft zu erreichen seheint; noch andere übertragen sich auf Menschen und alleThiere und erreichen in allen Individuen ihre volle Reproductions­kraft, wie das Milzbrandcontagium; endlich noch andere erreichen in gewissen Thierspecies und Individualitäten eine sehr heftige, starke, in andern eine sehr milde, oder gar keine Contagiosität, und so sind manche Contagien für die eine Thierspecies zwar übertragbar und krankmachend, aber in derselben nicht reproductionsfähig, während sie in andern die höchste Reproductionskraft erreichen und daher in diesen als ein wahres Contagium auftreten, in jenen aber ein eisent-
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liches Contagium nicht bilden. Diesem nach erscheinen die absoluten Contagien in sehr geringer Anzahl, während die relativen in ausser-ordentlicher Zahl und Mannigfaltigkeit vorkommen. Es lässt sich daher, wo die Contagien anfangen und wo sie aufhören, eine Grenze nicht ziehen, und wir nehmen daher an, dass ein Contagium jedesmal da stattfindet, wo eine Krankheit durch Ansteckung sich fortpflanzt, oder geimpft werden kann und, so entstanden, weiter übertragbar i^t, abgesehen davon, in welchem Grade oder Stadium, unter welchen Umständen, Verhältnissen und Bedingungen die Uebertragung statt findet.
sect;. 328. Die Wirkungen der Contagien zeigen sich unter allen diesen Verhältnissen von grosser Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit, und die Folgen derselben sind oft ganz anderer und abweichender Art, wenn sie in grossen Massen , als wenn sie in kleinern Quantitäten, wenn sie in concentrirtem , als wenn sie in verdünntem Zustande, wenn sie innerlich, als wenn sie äusserlich, wenn sie allgemein, oder wenn sie örtlich in dem Organismus aufgenommen werden. Alle Contagien zeigen sich am fortpflanzungsfähigsten, wenn sie unmittel­bar ins Blut aufgenommen werden und hier ist das quantitative Ver-hältniss in der Regel gleichgültig, da mehrentheils die geringste Menge von eben solchen Wirkungen ist, wie das grösste Quantum. Ein Anderes ist es mit der localen, wie mit der allgemeinen Infection durch die Cutis , durch die Schleimhäute, durch die Athmungs - und durch die Verdauungsorgane. Hier bedarf es in der Regel nicht nur eines gewissen grössern Quantums, sondern auch eines gewissen Concentrationsgrades, und es scheint, als hätte bei solchen Infectionen das Contagium stets einen grössern Widerstand des gesunden Lebens-processes zu überwinden, um diesen in einen kranken umzuwandeln, als dies bei Infectionen in das Blut der Fall ist. Soviel steht indess fest, dass die unmittelbaren Blutinfectionen am schnellsten zur Wir­kung gelangen, welches den Schluss zur Folge hat, dass die auf andern Wegen dem Organismus zugeführten Contagien, bevor sie ins Blut und an den Ort gelangen, wo ihre Wirkung sich geltend macht, theilweise einer Zersetzung unterliegen, und dies mag vorzugs­weise der Grund sein, weshalb solche Infectionen oft nicht haften, in der Regel aber gelinder auftreten und von langsamerer und milderer Wirkung sind, weshalb denn auch die Contagien in grösseren Massen und im concentrirteren Zustande in Anwendung kommen müssen. Was hier gesagt ist, gilt am meisten bei den leicht zersetzbaren Contagien, je leichter zersetzbar sie sind, je weniger wird jede andere Infection, als die durch das Blut, zu fürchten sein. Der Grund aber, weshalb die Infectionen am schwierigsten und seltensten durch die Verdauungseingeweide stattfinden, ergiebt sich hieraus ganz von
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selbst, denn jedenfalls wirkt der kräftige Verdauungsprocess mit seinen auflösenden und zersetzenden Stoffen zerstörend auf die Conta-gien, die in sein Bereich gelangen und macht sie insofern wirkungslo?, in soweit die Zersetzung vor ihrem Uebergange ins Blut möglich ist. Blutinfectionen bringen allemal, wie allgemeine Infectionen , primär eine allgemeine Krankheit hervor, während äussere Localinfectionen in der Regel auch nur locale Reactionen primär hervorrufen und die allgemeinen Reactionen erst secundär nachfolgen.
sect;. 329.
Wenn wir nicht in Zweifel stellen können , dass die Scropheln des Menschen ein Contagium zu entwickeln fähig sind, sowie es nicht bestritten werden kann, dass die Drüsenkrankheiten der Pferde con-tagiös sind; so ist damit keinesweges behauptet und angenommen, dass die Scrophelkrankheiten des Menschen unter allen umständen, in allen Stadien und in jedem Falle contagiös sind, so wenig, wie dies bei den Drüsenkrankheiten der Pferde stattfindet und behauptet werden kann. Wenngleich wir wissen, dass diese Krankheiten ein Contagium zu entwickeln im Stande sind , so ist damit keineswegs die Grenze bezeichnet, hinter welcher die Contagiosität eintritt und vor welcher sie aufhört. Dafür fehlt es uns bis jetzt noch an den bestimmten Erkennungszeichen , und ist es der Zukunft der Wisssen-schaft vorbehalten, hierüber die nöthigen Feststellungen und Auf-' Schlüsse zu geben. Es ist unzweifelhaft, dass in dem einen Falle die Contagiosität dieser Krankheiten bedeutend früher, als im andern beginnt, dass sie in dem einen Falle sich sogar sehr schnell und in kurzer Zeit, in dem andern erst sehr spät ausbildet, so dass es fast niemals bestimmt werden kann, in welchem Zeitpimcte und auf welcher Entwickelungsstufe die Krankheit contagiös ist und auf welcher nicht. —
sect;. 330.
Die hier entwickelten Verhältnisse in Beziehung auf Eintheilung, Verschiedenheiten, Eigenschaften und Wirkungen der Contagien, ver­anlassen und berechtigen uns, auch die Scrophelkrankheiten der Pferde in dieClasse der contagiösen Krankheiten aufzunehmen, denn sie sind unter allen Umständen und in allen Stadien ansteckend, im höchsten Stadium indess, in welchem sich bei allgemeiner scrophulöser Dyskrasie das Nasen- oder Hautgeschwür ausbildet, sind sie sogar höchst conta­giös. Die meisten Schriftsteller und thierärztlichen Autoritäten wol­len die Drüsenkrankheiten der Pferde, und alle ihre Formen nicht für Scropheln passiren lassen , weil sie behaupten, jene seien ansteckend und die Scropheln des Menschen nicht, und deduciren so: da die Scropheln des Menschen nicht contagiös, die Drüsenkrankheiton der
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Pferde Jagegen, und besonders die Ozaena etc, sehr eontagics sind, so können dies keine Scropheln sein. Ferner sagen sie: die Scropbeln des Menschen befallen nur das jugendliehe Alter, da aber die Drüsen­krankheiten der Pferde in jedem Alter derselben vorkommen, so können es auch aus diesem Grunde keine Scropheln sein.
sect;. 331.
Wir wollen uns hier über die Scropheln des Menschen jedet' Urtheils enthalten und nicht näher untersuchen, ob sie contagiös sind, oder nicht, wir zweifeln indess nicht daran, dass sie unter gewissen Umständen und in gewissen höhern Stadien auch eine contagiöse Beschjiffenheit anzunehmen im Stande sind. Ob dem so ist, oder nicht, ist hier in der Hauptsache gleichgültig, und bevor wir uns in dieser Beziehung auf Beantwortung weiterer Fragen einlassen, müssen wir die Frage aufstellen: Wenn eine Krankheitsgruppe oder Form beim Menschen nicht contagiös ist, warum soll dieselbe beim Pferde nicht zu einer contagiösen ausarten? Oder selbst: Warum soll nicht eine nichteontagiöse Krankheit des Menschen, wenn sie das Pferd befallt, in eine contagiöse ausarten oder sich steigern können? — Wir wollen zunächst eine Beantwortung dieser Fragen ruhig abwarten und dann erst auf weitere Erörterungen uns einlassen. Dass aber die Scropheln auch bei Menschen jeden Alters vorkommen, wissen wir, und lehrt uns solches die tägliche Erfahrung, und, selbst wenn dies nicht der Fall wäre, so würde dies noch kein Grund sein an­zunehmen , dass die Drüsenkrankheiten der Pferde keine Scropheln sind. Denn da die Scropheln vorzugsweise eine Krankheit des vege­tativen Lebens, im Anfange gewissermaassen ein Ueberwuchern des­selben über das animalische Leben sind und sie deshalb vorzugsweise das Kind befallen, weil bei ihm der vegetative Lebensprocess vor­waltet und die Krankheit vorzugsweise dann sich ausbildet, wenn jene Lebenssphäre durch vegetabilische Nahrungsmittel übersättigt wird, so folgt daraus, dass das Pferd in jedem'Alter noch mehr die Bedingungen zu Scropheln in sich trägt, als das Kind, weil bei jenem in jedem Alter das vegetative Leben mindestens in dem Maasse über dem animalischen steht, wie beim Kinde, und das Pferd nur mit vegetabilischen Nahrungsmitteln erhalten wird, und daher seine vegetative Lebenssphäre leichter wie beim Kinde zu Ueberwuche-rungen ernährt werden kann. Jene Deduction erweist sich nach dem schon, was wir über die Contagien vorangeschickt haben, als hinfällig, wie sie überhaupt als nichts beweisend angesehen werden muss, sie ergiebt sich aber als vollständig unrichtig, wenn wir, wie später nachgewiesen werden soll, aus Menschenscropheln die Drüsenkrank-lieit des Pferdes und selbst die Ozaena scrophulosa durch Impfung hervorrufen können. —
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sect;. 332.
Das Contagium der Scrophelkrankheiten ist in der Regel kein flüchtiges, sondern ein fixes, es ist in der Regel kein absolutes, son­dern ein relatives Contagium, doch müssen wir zugeben, dass es unter Umständen zu einem flüchtigen und absoluten gesteigert wer­den kann.
Das Scrophelcontagium entwickelt sich nur unter gewissen Be­dingungen und pflanzt sich auch nur unter solchen fort; es haftet und wirkt öfter als einmal im Leben auf denselben Organismus und es ist erblich auf die Nachkommen, so dass es zuweilen vollständig schon im Fötus vorkommt. Das Scrophelcontagium bindet sich nicht nur an den Menschen und an eine Thierspecies, das Contagium über­trägt sich also vom Pferde auf andere Thiere und den Menschen, und von diesem wieder auf das Pferd. Die Entwickelung und Wirkung dieses Contagiums ist nicht gebunden an Localität, Jahreszeit und Clima, in den Polargegenden und zwischen den Wendekreisen scheint es unbekannt zu sein, die höchste und niedrigste Temperatur unserer Atmosphäre scheint seine Entwickelung und Wirkung zu verhindern. Die tiefen Localitäten und die wärmere Jahreszeit wirken begünstigend für das Contagium. Bei -}- 45deg;, nach Viborg, verliert dasselbe seine Wirksamkeit, wird also zersetzt; durch die Luft und andere Einflüsse, selbst durch Trocknen, verliert es nicht seine ansteckenden Eigen­schaften, und dauert seine Kraft lange Zeit; es ist dies mithin nicht eins der am leichtesten zersetzbaren Contagien. Das Contagium wirkt oft schnell, oft langsam, zuweilen wirkt es bei Uebertragungen in 24 Stunden, zuweilen erscheinen die Wirkungen erst in Monaten, in der Regel aber findet seine volle Wirkung innerhalb 14 Tagen statt. Das Contagium setzt immer eine gewisse individuelle Disposition voraus, denn es giebt, wiewol selten, unter den Pferden Individuen, bei denen es nicht haftet, noch sich spontan entwickelt; zuweilen ruft das Contagium in manchen Individuen eine sehr heftige, rapide, acut verlaufende Krankheit hervor, die in wenigen Tagen alle Stadien durchläuft, während bei andern Individuen dasselbe Contagium eine so chronisch verlaufende Krankheit entwickelt, die Jahre dauert; es ist mithin das Scrophelcontagium von der Individualität sehr ab­hängig. Dies Contagium erzeugt keine regelmässigen Krankheits­stadien, diese sind vielleicht die unregelmässigsten aller Krankheiten. Es bindet sich ferner an kein Alter; obwol das jugendliche Alter seine Entwickelung und Wirkungen zu begünstigen scheint, so treten diese im Füllenalter doch immer i^ einer entsprechend mildern Form auf, und nimmt die Krankheit hier fast nie einen rapiden Verlauf. Das Contagium pflanzt sich, durch unmittelbare und mittelbare Be­rührung, durch Uebertragung ins Blut, auf die bedeckende Haut und
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auf die Schleimhäute fort und kann selbst durch die Verdauungs-oingeweide aufgenommen und krankmachend werden.
sect;. 333. Das Scrophelcontagium hat vor allen Dingen seinen Sitz in dem Inhalte der Lymphgefässe , an den es gebunden ist, und es ist mit ihm verbunden auch in den Schleimhautsecreten der Respirations­organe. Es beschränkt sich meistentheils hierauf, so lange die Krankheit local bleibt, und, erst wenn sie allgemein wird , findet sich das Contagium an alle Säfte, das Blut etc. und die Secrete ge­bunden. Vor allen Dingen findet es sich aber auch in den Geschwüren, Beulen und Exanthemen, welche die Krankheit erzeugt und ist hieran den Inhalt derselben gebunden. Das Contagium reagirt allemal scharf alkalisch und hat eine fast ätzende Eigenschaft, indem es, auf die Pferdehaut eingerieben, Schärfe erzeugt; es wird durch die Einwir­kung von Säuren zerstört. Seine nächsten Wirkungen bei Infectionen finden auf die Lymphdrüsen statt, und os ist nicht erforderlich, dass das Contagium zunächst ins Blut übergehe und durch dieses erst die Krankheit zur Ausbildung bringe.
Fünftes Capitel.
Identität der Drüsenkrankheiten des Pferdes mit den Serophel-
krankheiten des Menschen, nachgewiesen durch Impfungen des
Scrophelstoffs von Menschen auf Pferde.
sect;. 334.
Vergleichen wir die Drüsenkrankheiten des Pferdes durch alle ihre Stadien, Formen, Aus- und Uebergänge, in ihrer Dauer, ihrem Verlauf, ihren Symptomen, Complicationen, Ursachen etc. mit den Scropheln des Menschen, so finden wir eine auffallende Menge von Analogieen und üebereinstimmungen, deren Inbetrachtnahme keinen Zweifel übrig lässt, dass diese Krankheiten -identisch sind. Diese Annahme wird indess zur vollen Gewissheit erhoben, wenn wir bei Uebertragungen des Scrophelstoffs vom Menschen zum Pferde die vollständigen Drüsenkrankheiten bei diesem, und umgekehrt bei Ueber-tragung des Krankheitsstoffs der Drüsenkrankheit des Pferdes auf den Menschen, scrophulöse Leiden bei diesem entstehen und sich aus­bilden sehen. Es findet nur edn Unterschied bei den gegenseitigen Uebertragungen dieser Krankheitsstoffe statt, indem das Contagium der Pferde, auf Menschen übertragen, von sehr heftiger, umfangreicher und intensiver Wirkung ist und die heftigsten und umfangreichster Reactionen hervorruft; während umgekehrt der Scropheleiter des Menschen, auf Pferde übertragen , bei diesen sehr gelinde , kaum be­merkbare nur successive sich entwickelnde Krankheitssymptome und
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sehr schwache Reactionen hervorruft. Dies liegt natürlich in dem Unterschied der Intensität des KrankheitsstofFs und der Organisation und Lebensweise der sehr verschiedenartigen Individualitäten, vor­zugsweise dem Unterschiede des Nervensystems , seiner Receptivität und Reizbarkeit. Noch eine Erscheinung ist es, die bei den Scropheln des Menschen häufig vorkommt, bei denen des Pferdes aber bis jetzt in der Weise noch nicht beobachtet worden ist, es ist dies die scrophulöse Arthrocacie und die scrophulöse Rhaehitis, mit Gelenk-caries, welche mit den tiefeingreifendsten und umfangreichsten De-structionen und Productionen in den Knochen, besonders den porösen, also dos Rückgrats und der Gelenkenden und ihrer Knorpel, ver­bunden ist. Bei Pferden ist dagegen in der Scrophulosis nur eino pathologische Mitbelheiligung der Knochen des Kopfes, die selten über die lamellösen Knochen der Nasenhöhlen, der Nasen-, Thränen-und Vorderkieferbeine hinausgeht, indem diese Knochen zuweilen durch Caries oder Necrose der Zerstörung unterliegen.
sect;. 335.
Schon, bald nachdem Verf., die Thierarzneischule in Berlin ver­lassend, ins practische Leben trat und sich ihm in der Provinz Posen die mannigfachste Gelegenheit zur practischen Beschäftigung und Be­obachtung der Drüsenkrankheiten der Pferde, die hier für eine all­gemeine Landescalamität zu jener Zeit gelten konnten, darbot, erkannte derselbe in den Drüsenkrankheiten der Pferde die Scropheln des Menschen. Alle Beobachtungen und Erfahrungen von damals be­festigten diese Ansicht und machten den Wunsch lebendig, Gelegen­heit zu finden, durch Impfversuche die Wahrheit dieser Ansicht aussei-Zweifel stellen zu können*). Wie weit dies gelungen ist, mögen die nachfolgenden Versuche erweisen**).
*) Diese Gelegenheit ergab sich erst im Jahre 1834, wie ich als Repetitor an die künigliche Thierarzneischule nach Berlin berufen wurda. Ich suchte Bekanntschaft in der Charite und fand hier Gelegenheit, mit dem behandelnden Arzte sehr fleissig die Scrpphelstation zu besuchen. Auf meine Bitte bewilligte mir das Ministerium eine kleine Summe zum Ankauf für die Impfung mit Scrophelmaterie geeigneter Pferde und Esel und die Erlaubniss, an der könig­lichen Thierarzneischule die Versuche machen zu dürfen. Diese Versuche und ihre Resultate sollen hier mitgetheilt werden. Wenn dieselben ungenügend erscheinen sollten, so wolle man mir dies nicht zur Last legen, denn einmal waren die mir bewilligten Mittel sehr beschränkt und zweitens gebrach es mir an genügender Zeit, denn ich konnte die Versuche erst Ende August beginnen und mnsste Anfangs April 1835 von Berlin schon abreisen, um an meinem Be­stimmungsort Bromberg rechtzeitig einzutreffen.
**) Die Priorität analoger Versuche, quot;deren Resultate nicht angegeben sind, nimmt Spinola (pag. 1690 seiner speciellen Pathologie und Therapie) in An­spruch. Es sind ihm meine früheren Versuche bis dahin nicht bekannt gewesen, da andernfalls jene Bemerkung nicht gemacht worden wäre.
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1. Impfung an Pferden mit Scrophelmaterie des Menschen von anerkannt rein scrophelkranken Individuen.*)
, sect;• 336.
a. Erster VLersuch.
Eine neunjährige Rappstute wurde von der Artillerie wegen Strahlkrebs auf die Königl. Thierarzncisehule gebracht und hierdurch eine mehrwöchentliche Behandlung geheilt. Da das Pferd in Folge der Schmerzen und des wenigen Futters, das ihm gereicht wurde, ab­gemagert und entkräftet war und wegen Verkrüppehing der Hufe keinen reellen Werth mehr hatte, obwol es sonst sehr gesund erschien, so wurde es der Schule überlassen, für deren Rechnung es einige Wochen stehen blieb. Am 24. August 1834 wurde es mir Behufs meiner Impfversuche übergeben. Eine genaue Prüfung dieses Pferdes ergab, ausser dass es an einem sehr leichten gutartigen Catarrh litt, seine vollkommene Gesundheit.
Das Pferd erhielt täglich 1 Metze Hafer mit Häcksel und 5 Pfund Heu, mit hinreichendem Wasser, zur Nahrung, dabei wurde es indem schönen, trocknen und warmen Wetter Tag und Nacht in einer Koppel, in der es sich frei bewegen konnte, gelassen.
Diesem Pferde impfte ich noch an demselben Tage Scropheleiter, welcher von nachfolgend näher bezeichnetem Individuum seinen Ur­sprung hatte :
Ein dreizehnjähriger Knabe, mit vollständigem Scrophelhabitus, wurde, sehr stark ausgebildeter Scropheln wegen, in die Charite ge­bracht. Bei dem Patienten waren die Cervicaldrüsen zu beiden Seiten dergestalt angeschwollen, dass die Geschwulst über den Unterkiefer hervorragte, mit welchem Uebel der Knabe bereits l3'4 Jahre behaftet zu sein vorgab.
Fieber war nicht vorhanden, das Aussehen des Patienten war gelblich bleich, leichenfarbig, aufgedunsen, die Haut trocken und welk, Abmagerung war nicht vorhanden, sondern der Knabe war gegentheils gut genährt. Das Auge war matt, glanzlos, feucht, die Körper- und Geisteskräfte waren wenig beeinträchtigt. Schmerz beim Sprechen, Schlucken und der Respiration fehlte ; zuweilen stellte sich ein un­freiwilliges Husten ein. Die Nasenschleimhaut secernirte profusen purulenten Schleim; der Urin war trübe und setzte ein gelatinöses, flockiges Sediment ab. Die angeschwollenen Halsstellen waren sehr gespannt, Schmerz mehr in der gespannten Haut, weniger in den Drüsengeschwülsten, in der Tiefe zugegen.
*) Diese Impfversuche sind hier so wiedergegeben, wie in einem Berichte von Jahre 1845 an das Königl. Ministerium der G. V. und Medicinalangelegen-heiten in Berlin in dessen Archiven jener Bericht niedergelegt ist, von dem Ver­fasser erstattet worden sind.
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An der rechten Seite war eine in Vereiterung übergegangene Drüse bereits seit drei Monaten aufgebrochen und bildete ein offenes Scrophelgeschwür, welches den specifischen Character solcher Ge­schwüre unverkennbar an sich trug, es war unrein, bleich und schmerz­haft, mit rauhem, warzigem Grunde und welken aufgedunsenen Rän­dern, die sich etwas aufheben Hessen und unter denen dann die Ge­schwürsfläche sich noch fortsetzte. Die von diesem Geschwür secer-nirte Jauche war zähe, weisslich , gallertartig und reagirte auf blaues Lacmuspapier sauer. Von diesem Geschwür entnahm ich etwas dieses Secrets das ich mit Nr. 1 bezeichnete.
An einer Stelle der linken Seite des Halses war die Haut etwas sackartig erweitert, violcttfarbig und fluctuirend, schmerzlos, aber sehr gespannt. Diese Beschaffenheit hatte die Geschwulst bereits seit mehreren Wochen gezeigt. Bei der Oeffhung derselben durch einen Lanzettstich, entquoll eine bedeutende Menge mit Blut untermischter, körniger, oft stückiger (wie geronnener Faserstoff) Jauche, von gelb­licher Farbe und süsslichem Gerüche. Diese Jauche reagirte auf ge-röthetes Lacmuspapier stark alkalisch. Von dieser Jauehe entnahm ich ebenfalls etwas und bezeichnete sie mit Nr. 2.
Das oben näher bezeichnete Pferd wurde nun mit dem Scrophel-stoff dieses Patienten in folgender Weise am 24. August geimpft: Von Nr. 1 rieb ich etwas auf eine Stelle der Nasenschleimhaut der Scheidewand der rechten Seite ein, die ich zuvor blutig gemacht, indem ich mit dem Nagel des Fingers das Epithelium abgekratzt hatte. Mit Nr. 2 aber tränkte ich einen doppelten Wollfaden und zog den­selben in Form eines Eiterbandes an der rechten Seite der äussern Fläche des Hinterkieferfortsatzes, dort wo die Art. facialis an das Gesicht tritt.*)
Den 25. August. Auf der Impfstelle der Nasenschleimhaut hatte sich ein Schorf gebildet, unter welchem sich im Verlaufe des Tages Eiter erzeugte.
An dem Eiterbändchen mit Nr. hafte Fntzündungsgesehwulst, etwa
2 war eine begrenzte , schmerz-1 Zoll lang und 8 Linien breit.
entstanden.
Den 26. August. Die Wunde in der Nase war zwar noch mit Schorf bedeckt, unter welchem jedoch kein Eiter mehr vorhanden war; um die Wunde herum befand sich ein begrenzter, weisser, speckiger, aufgelockerter Rand.
*) Die rechte Seite wählte ich deshalb , weil man , obwol irrthümlich , an­nimmt, dass die Rotzkrankheit, ans Gründen einer vorwaltenden Anlage in der Mehrzahl der Fälle ursprünglich die linke 8eite zuerst befällt, ich mithin beim Gelingen des Versuchs das Resultat für entscheidender halten konnte, wenn die eisten Spuren jener Krankheit sich in diesem Falle auf der rechten Seite be­merklich machten.
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Die Geschwulst am Eiterbande hatte das zweifache ihres gestrigen Umfanges erreicht, war gespannt, schmerzhaft und zog sich strang-formig bis zum Mundwinkel hin, sie zeigte Fluctuation und bedeutende Eiterung. Die Drüsen des Kehlganges der rechten Seite waren doppelt so gross wie eine Haselnuss angeschwollen, locker, weich, wenig schmerzhaft.
Den 27. August. Es waren unbedeutende Fieberbewegungen eingetreten, das Pferd hatte etwa 50 weiche, klopfende Pulse.
In der Nase bei der Impfung mit Nr. 1 hatte sich der auf der Wunde sitzende Schorf sehr zusammen gezogen, der weisseRand war ebenfalls verkleinert, die Eiterung hatte ganz aufgehört. Der Schorf Hess sich mit dem Finger leicht abstreichen und unter demselben be­fand sich eine wunde Stelle, deren Oberfläche eine weissgelbe Farbe hatte und auf welcher sich gesunde Granulation zeigte.
Die Geschwulst am Eiterbande hatte sich verkleinert, die nach dem Maulwinkel hingehende strangförmige Anschwellung war ganz verschwunden, die Schmerzhaftigkeit hatte ganz nachgelassen, der aus den Oeffuungen hervorsickernde Eiter hatte eine jauchige Beschaffen­heit angenommen, besass ein bräunliches klares Ansehen, war zähe und mit rothen Streifen und Puncten vermischt und liess sich schwer aus den Oeffnungen hervordrücken.
Die Drüsenanschwellungen hatten zugenommen.
Den 28. August. Der allgemeine Zustand war wie gestern.
Die Impfstelle in der Nase war ohne Schorf, aufgelockert, speckig, ohne Eiterung und von weissgelber Farbe, im Anfange un­verändert.
Die Geschwulst am Eiterband und die Drüsengeschwulst waren unverändert, die Suppuration war sehr stark und von derselben Be­schaffenheit wie gestern.
Den 29. August. Im allgemeinen Zustande war keine Verände­rung eingetreten.
Die Impfstelle in der Nase war mit einem kleinen Schorf bedeckt, sehr verkleinert und anscheinend im Begriff, zu verheilen.
Am Kiefer hatte sich die Geschwulst, um das Eiterband herum, weiter ausgedehnt, sie war knotig und sehr schmerzhaft geworden und sonderte immer noch blutige Jauche ab.
Die Drüsen waren noch angeschwollen, etwas lockerer und schmerzhafter geworden.
Das an der rechten Seite des Kiefers durch das Eiterband her­vorgebrachte Geschwür hatte einen bösartigen Character angenommen, es war nun zweifelhaft, ob diese Beschaffenheit des Geschwürs der Impfung mit Scropheleiter zugeschrieben werden musste, oder ob sie durch eine bis dahin noch verborgen liegende dyskratische Diathese bedingt wurde, um hierüber Gewissheit zu erlangen, wurde heute
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laquo;in Gegenversuch gemacht, und zwar an der linken Seite des Hinter­kiefers, entsprechend der Impfstelle auf der rechten Seite, ein reiner Wollfaden als Eiterband gezogen.
Den 30. August. Keine Veränderung. Die Heilung der Impf­stelle in der Nase schreitet fort. An der Operationsstelle der linken Seite findet sich eine schmerzhafte Geschwulst.
Den 31. August. Der Puls wird kleiner und frequenter.
Die Impfstelle in der Nase ist beinahe ganz verheilt.
Am Kiefer sind die Anschwellung und die auf derselben befind­lichen Beiden vergrössert; die Jauche ist nicht mehr blutig, sondern hat eine gelblich weisse Farbe, sie ist eiweissähnlich mit Klumpen untermischt und dicklicher als sonst. Die Drüsenanschwellung der rechten Seite ist grosser und schmerzhaft, an der linken Seite hat sich auch Drüsenanschwellung eingestellt. Aus beiden Nasenöffnnngen fliegst Schleim, an der rechten Seite aber mehr und mit virulentem Eiter vermischt, der sich an den Randern der Nasenöffhung zu Krusten verdickt.
An der Operationsstelle der linken Seite ist die Anschwellung wie gestern, Eiterung wenig und gutartig.
Den 1. September. Der Puls erscheint wurmförmig und leer. Der Appetit ist unverändert gut. Ein allgemeiner Schwächezustand -wird bemerkbar, und die Sensibilität erscheint herabgestimmt.
Die Impfstelle in der Nase rechterseits ist wie gestern.
Die äussern Impfstellen am Kiefer der rechten Seite, sondern jetzt einen dicken, zähen, sich in Fäden ziehenden, durchscheinenden, gelbliehen Eiter ohne Blutstriemen in grosser Quantität ab. Das Secret der Impfstelle ist mithin respective viermal bestimmt metamorphosirt. Die Anschwellung gewinnt an Umfang, sie nimmt den torpiden, oede-matösen, schmerzlosen Character an, ist durchgängig weich ; in der Richtung nach dem Auge zu bilden sich mehrere kleine Beulen, so dass man deren jetzt schon sechs Stück zählt, die an einem geschlän­gelten Strange liegen. Eine dieser Beulen fluctuirte, sie wurde ge­öffnet und entleerte rothlich gefärbte, zähe, durchscheinende Jauche. In der Richtung nach dem Mundwinkel und den Kehlgangsdrüsen zu, beginnen Knötchen sich zu bilden. Die Drüsenanschwellung wird be­deutender.
An dem Eiterbande der linken Seite wird röthliche, klare, zähe Jauche abgesondert. Die Drüsenanschwellung hat auch hier bereits die Grosse einer Wallnuss erreicht und wird schmerzhaft.
Alle hier abgesonderten pathologischen Seccete, das von der linken sowol, wie von der rechten Impfstelle, sowie die Jauche der an der rechten Seite sich bildenden Beulen , reagiren auf geröthetem Lacmus- und auf Curcumapapier stark alkalisch.
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Die Schleimhäute derNaso haben noch eine normale Farbe, und der Ausfluss aus der Nase hat noch eine homogene gutartige Be­schaffenheit. Fühlt man indess in die rechte Nasenhöhle mit dem Finger hinein, so bemerkt man, weiter hinauf am Nasenflügel, einige Auflockerung und anscheinend ein Knötchen in der Grosse eines Hirsekornes; tiefer unten, dem Nasenflügel zu, befindet sich auf einer etwas aufgelockerten Stelle ein gelber Fleck wie eine Erbse gross.
An der linken Seite auf der Schleimhaut der Nasenscheidewand tritt ein bläulich violetter Stamm, mit unbedeutender Auflockerung der Schleimhaut verbunden, von oben nach unten zu verlaufend, deut­lich in Erscheinung, welcher Stamm sich in röthlich violette, durch­scheinende Gefasse, wie ein Baum in seine Zweige, dem Ausgange der Nase zu, verbreitet. Man erkennt die Gefösse deutlich, sie sind mit Blut sehr gefüllt und ausgedehnt.
Die Impfung hat bis hier einen Krankheitszustand hervorgerufen, den man unter andern Umständen Wurm, mit bösartiger Drüse ver­bunden, nennen müsste.
Den 2. September. Der allgemeine Zustand ist seit gestern un­verändert. Die gestern angegebenen örtlichen Erscheinungen bestan­den auch heute; die Schmerzhaftigkeit der Drüsengeschwülste hatte zugenommen. An der linken Seite beginnt neben dem Eiterband sich ebenfalls ein Knotenstrang zu bilden, der nach dem Auge zu hinauf-länft. Die Schleimhaut in der Nase rechterseits zeigte heute die Färbung, Auflockerung und Gefässbildung wie gestern an der linken Seite. Der Ausfluss war aus beiden Nasenlöchern vermehrt, trocknete an den Nasenrändern fest, hatte ein gelbgrünliches Ansehen und zeigte mitunter kleine Blutstriemen. Der gestern im rechten Nasen-loche bemerkte gelbe Fleck hat einen entzündeten Umfang und ist selbst etwas aufgelockert.
Den 3. September. Das Fieber nimmt den Character einer febris hectica an, die andern Lebensverrichtungen sind wie bisher.
Die Impfstelle im rechten Nasenloch ist vollständig verheilt.
An beiden äussern Impfstellen vermehren sich die Beulen, und die angeschwollenen schmerzhaften Lymphgefässe dehnen sich, in ihrem Lumen sowol, als ihrem Verlaufe nach, mehr aus, eben so die sie umgebenden Anschwellungen am Kopfe, welche diesem ein etwas aufgedunsenes Ansehen geben. Das Secret aus den Eiterbändern ist vermehrt, in beiden gleichartig beschaffen, mithin unverändert. Die in den Beulen abgesetzte Materie hat ebenfalls die röthlich jauchige Beschaffenheit verloren und dagegen das eiterartige Ansehen des durch die Eiterbänder erzeugten Secrets gewonnen. Die angeschwollenen Drüsen nehmen an Schmerzhaftigkeit zu. Der Ausfluss aus der Nase ist wie gestern. Die Auflockerung der Schleimhaut in beiden Nasen­löchern wird bedeutender; die violette Färbung nimmt an Umfang
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und Intensität zu, die Empfindlichkeit der Nasenschleimhaut ist sehr gestiegen. Der am 1. d. Mts. bemerkte und gestern näher bezeichnete gelbe Fleck im rechton Nasenloch hat sich in ein sogenanntes Rotz­geschwür verwandelt, es ist ein reines Scrophelgeschwür, es hat einen aufgeworfenen callösen Rand (Wall), unter welchem die Geschwürs­fläche sich noch fortsetzt, der Grund des Geschwüres ist warzig un­eben. Das Ausprusten, welches das Pferd bisher bei der leisesten Berührung der Nasenschleimhaut that, wird von ihm jetzt, anscheinend der Schmerzen halber, gänzlich unterdrückt. Die Conjunctiva ist eben­falls aufgelockert, und in den innern Augenwinkeln sammelt sich etwas zäher Schleim an.
Die Krankheit hat jetzt das Stadium erreicht, wo wir sie sonst Wurm und Rotz nennen.
Den 4. September. Im allgemeinen Zustande sind keine Ver­änderungen eingetreten. An beiden Seiten dehnen sich von den Operationsstellen an den Hinterkiefern die Lymphgefässe in allen Richtungen in bedeutender Anschwellung über das ganze Gesicht aus, sie fühlen sich hart und nicht elastisch an. Das Secret aus der Impfstelle rechterseits nimmt wieder eine mehr durchsichtige Be­schaffenheit an. Die Auflockerung in der Nasenschleimhaut, so wie ihre krankhafte Färbung, dehnt sich über den ganzen Theil derselben aus, so weit derselbe sichtbar ist, der Ausfluss ist vermehrt, klumpig, missfarbig, die Schleimhaut, so wie das Niesen und Husten sind schmerzhaft, die angeschwollenen Drüsen sind sehr schmerzhaft, man fühlt, von ihnen ausgehend, nach dem Halse zu strangförmig ver­laufend, angeschwollene, sehr gespannte Lymphgefässe. Das Geschwür in der Nase hat seinen erhabenen glatten Rand verloren, er ist zer­fressen und in Folge dessen zerrissen, es secernirt eine zum Schorf antrocknende Jauche (Lymphe).
Den 5. September. Puls und Athmen sind sehr beschleunigt; das Husten und Ausprusten ist dem Pferde sehr schmerzhaft, der Husten ist pfeifend und kraftlos. Der Appetit ist sehr lebendig. Die Excretionen sind anscheinend normal. Die Conjunctiva ist aufge­lockert und gelblich geröthet. Die Erscheinungen an den Impfstellen bekunden die Zunahme der Krankheit. Die aus den Eiterbändern fliessende Jauche, so wieder Ausfluss aus der Nase, reagiren alkalisch. Das Geschwür in der Nase nimmt an Umfang und an Tiefe zu.
Den 6. September. Keine Veränderung. Die Beulen zu beiden Seiten des Kopfes scheinen sich zu verkleinern.
Den 7. September. Die Drüsenanschwellung im Kehlgang hat bedeutend abgenommen, die vorhandenen Ueberreste sind schmerzlos und mehr hart. Der Ausfluss aus der Nase ist sehr vermindert. Die Beulen im Gesicht sind theils ganz geschwunden, theils sehr ver­kleinert. Die Lymphgefässe haben ihre Anschwellung verloren, sie
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sind nicht mehr zu fühlen und die consensuellen und oedeniatösen Anschwellungen sind sehr verringert. Die Auflockerung und Färbung der Schleimhaut der Nase ist sich gleich geblieben, das Geschwür in dieser ist unverändert und trägt den deutlich ausgeprägten Character der Scrophelgeschwüre. Der Husten ist noch sehr schmerzhaft und heiser, keuchend und pfeifend. Die Empfindlichkeit auf der Nasen­schleimhaut besteht noch fort, eben so die Fieberbewegungen. Das Secret aus den Eiterbändern , so wie aus der einen geöffneten Beule ist sehr vermindert und sieht gewöhnlichem Wundeiter ganz gleich aus, reagirt indess immer noch alkalisch.
Den 8. September. Der Zustand hat .sich nur in sofern geändert, als die Drüsen und Beulen, deren nur noch zwei vorhanden sind, kleiner geworden sind. Bis auf die vorhandenen Fieberbewegungen sind alle Lebensverrichtungen normal.
Den 9. September. Heute wird das Pferd liegend gefunden undnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; *
obgleich es bei dem besten Appetit ist, so ist es doch so schwach, dass es ohne Beistand nicht aufstehen kann. Die Excretionen gehen normal von statten, der Koth ist locker und gross geballt und wird in grossen Klumpen abgesetzt. Der Puls ist matt, wurmförmig, schleichend, siebenzigmal in der Minute zählbar; der Herzschlag ist pochend zu beiden Seiten fühlbar ; das Athmen ist um sechs Züge in der Minutenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; , f j
vermehrt, stöhnend und etwas schnarchend. Das Thier ist sehr abge-
magert, die örtlichen Erscheinungen haben sich nicht verändert, nur
ist der Ausfluss aus den Augenwinkeln vermehrt und schmierig, der aus der Nase ist ebenfalls vermehrt, zähe, graugrün und klebrig. Das Geschwür in der Nase ist etwas vergrössert und die Schleimhaut von livider, gelblicher, bleicher Farbe , sehr feucht und der Athem kühl.
Abends 9 ühr starb das Thier.
sect;• 337.
Den 10. September. Section. Aeusserlich keine auffallenden Erscheinungen. Abmagerung, sehr missfarbiger Ausfluss aus der Nase, braunrothe Färbung der Nasenschleimhaut? Am Kopf an den Impfstellen, besonders an der rechten Seite und am Halse finden sichnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;rf
unter der Haut mit goldgelber, flüssiger, zäher Lymphe angefüllte, aufgeschwollene Lymphgefasse, welche ihren Lauf nach den Kehl­gangsdrüsen nehmen. Diese sind im ganzen Verlaufe des Kehlganges sehr angeschwollen, speckartig verhärtet und auf der Schnittfläche von gelbröthlicher Farbe, sie sind grosser als Hühnereier. Die An­schwellung und Anfüllung der Lymphgefasse mit gelbröthlicher Lymphe lässt sich auch nach aufwärts, den Augen zu, und nach
unterhalb, zu den Lippen, verfolgen. Von den Cavitäten sind am
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meisten die Kieferhöhlen mit einer gleichförmigen zähen Lymphe an­gefüllt , die auskleidende Haut derselben ist aufgelockert und mit
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weissen harten Knötehen in der Grosse der Linsen und Hirsekörner besetzt. Die rechte Seite des Kopfes zeigt diese Erscheinungen im höhern Grade. Die ganze Schleimhaut der Nase ist aufgelockert, an den dütenförmigen Beinen zum Theil zerstört, die ganze Färbung ist braun, auch an einigen Stellen des Siebbeins ist sie zerfressen. An der Nasenscheidewand rechterseits ist nicht nur die Schleimhaut im Verlaufe der im Leben bemerkten Auflockerung und Blaufärbung zerstört, sondern selbst der Knorpel ist angegrifien und rauh geworden. Das von Aussen sichtbar gewesene Geschwür hat sich in die Tiefe des Knorpels eingefressen. Die Blutleiter des Gehirns sind sehr mit Blut angefüllt, geronnener Faserstoff ist in allen Blutgefässen des Gehirns, und das Adergeflecht ist aufgetrieben und hat einige kleine Knötehen. Die Schleimhaut des Kehlkopfesund der Luftröhre ist auf­gelockert, ein goldgelber, zäher Schleim (Lymphe) ist hier, in derselben Qualität wie in den Lymphgefässen, in bedeutender Quantität vor­handen. Bis in die Brusthöhle hinein sind die Lymphdrüsen ver-grössert und von speckartiger Beschaffenheit und die Lymphgefässe mit der bereits näher bezeichneten Lymphe angefüllt.
Die auffallendsten pathologischen Veränderungen zeigen die Lungen: die linke Lunge ist mit Blut überfüllt; alle Lymphgefässe der Lungen sind mit der beschriebenen Lymphe strotzend angefüllt, wie injicirt; die Bronchialdrüsen sind angeschwollen und speckartig verhärtet. Die Lunge fühlt sicii auf der Oberfläche glatt an, dagegen sind auf der Oberfläche der rechten Lunge deutlich harte Erhaben­heiten in unzähliger Menge zu fühlen, so als ob man über Erbsen streicht. Beim Einschneiden in die linke Lunge, widersteht diese dem Messer wenig mehr, als eine gesunde Lunge, in ihrer Substanz zeigen sich Verhärtungen in allen Grossen, von der einer Linse bis zu der einer Wallnuss. Diese Verhäi-tungen haben keineswegs die eigentliche Form und Textur der Tuberkeln, sondern sie scheinen aus der Substanz der Lungen selbst gebildet zu sein und sind Infiltrationen plastischer Lymphe in das Zellgewebe derselben; sie haben keinen Balg, sondern zeigen noch deutlich die Spuren der galligen Textur der Lungensubstanz, sie sind auch nicht bestimmt begrenze, sondern gehen gradatim in die gesunde Lungensubstanz über. Keiner dieser Knoten hat bis dahin eine feste Consistenz, und keiner ist in Zerflies-sung übergegangen, alle haben in Farbe und Consistenz eine schmutzig talgähnliche Beschaffenheit und scheinen somit noch im erstem Stadium ihres Bildungstypus begriffen zu sein.
Die rechte Lunge leistet dem Messerschnitt mehr Widerstand, ihre Substanz ist durch und durch voll Verhärtungen, welche von der Grosse einer Linse bis zu der eines Hühnereies variiren und alle Stadien ihres Entwickelungstypus durchlaufen ; einzelne sind noch weich, talgartig, andere bereits härter, speckartig, noch andere mehr.
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härter. Einige der kleinern Tuberkeln lassen sich hervordrücken und haben dann das Ansahen eines verdrockneten Eiterpfropfs. Die im ersten Bildlingsstadium begriffenen Knoten haben ein teigartiges An­sehen, eine weiche Consistenz und schwammig zellige Textur. Ein Tuberkel von der Grosse eines Taubeneies findet sich vor, derselbe ist in beginnender Zerfliessung begriffen, er besteht aus einem festen, galligen, etwa 2'quot; dicken Balge von fibröser Textur, in welchem ohn-gefdhr gt;)j.i körniger, woissgrauer, grützartiger Masse vorhanden sind, die einen sehr auffallenden Fischgeruch hat und stark alkalisch reagirt.*) Die sämmtlichen Bronchien, am auffallendsten aber die der rechten Lunge, sind mit derselben Lymphe , die sich in der Luftröhre be­findet, theilweise ganz angefüllt. Diese Lympde sowol, wie die in den Lymphgefässen befindliche und aus den Drüsen hervorgedrückte, reagirt alkalisch. In den grössern Gefössen und im Herzen hat sich überall der Faserstoff' in auffallender Menge ausgeschieden und ist geronnen.
Die Sacral- und Inguinaldrüsen und Lymphgefässe sind eben­falls angeschwollen und letztere sehr mit Lymphe angefüllt. Das wenige vorhandene Fett in der Bauch- nnd Beckenhöhle befindet sich im aufgelösten sulzigen Zustande. In den Hinterleibsorganen zeigt sich nirgends eine pathologische Veränderung auch in den Gekrös-drüsen und deren Gefassen findet sich keine Abnormität.**)
sect;. 338. Wenn wir diesen ersten und einen Versuch in Betracht ziehen, und dabei nicht in Abrede stellen können, dass der Impfling von der Scropfelkrankheit ergriffen wurde, dass diese sich nach und nach aus einem Localleiden in ein allgemeines ausbildete und dabei vorzugs­weise das Lymphgefässsystem und seine drüsigen Gebilde ergriff, und die Schleimhäute der Respirationsorgane in nahe Mitleidenschaft zog, auch seinen zerstörenden Krankheitsprocess über diese Organe selbst ganz besonders ausdehnte, und damit ihr höchstes Stadium erreichte, welches unmittelbar zum Tode führte, das Stadium, welches bei Pferden den unter dem Namen der Rotz- und Wurmkrankheit be­kannten Zustand darstellt, so bestehen wir keineswegs darauf, dass hieraus die Zweifler und Gegner die Ueberzengung schöpfen sollen, dieser Zustand sei durch den mit Nr. 2 bezeichneten Scropheleiter herbeigeführt worden, es seien demnach die Drüsenkrankheiten des Pferdes mit den Scropheln des Menschen als identisch und die Sropheln als contagiös nachgewiesen; im Gegentheil wollen wir ihnen nicht
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*) Mag wol eine Voinica aus früheren Zeiten sein.
**) Diese und die folgenden Sectioncn der Versuchsthiere wurden in der Zootomie der Königl. Thierarzneischule im Beisein des Professors der Anatomie, des jetzigen Geheimen Ober-Medicinairaths und Directors Dr. Guilt vollzogen.
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nur ihre Zweifel gerne lassen, sondern sie noch in jeder Weise unter­stützen. Wir glauben , dass der in der rechten Lunge vorgefundene, in Zerfliessung begriffene Knoten bereits vor der Impfung zugegen war, und dies, obwol die Untersuchungsresultate des Pferdes auf einen solchen Zustand keineswegs hindeuteten, auf eine dyskratische Diathese oder Prädisposition schliessen lassen würde, die nur einer geringen Veranlassung, als welche die etc. Impfung angesehen werden kann, bedurfte, um in solchen Zustand, wie er eintrat, überzugehen. Wir geben dies als möglich zu, um so mi'hr, als auch der Gegenversuch auf dem linken Kiefer, durch blosse Application reiner Wollfäden, dieselben Wirkungen hervorbrachte, wie die Impfung auf der ent­gegengesetzten Seite mit dem Scropheleiter Nr. 2 ; wenngleich wir aber auch wieder zugeben müssen, dass diese Erscheinung ihre Er­klärung in dem Umstände finden kann, dass die Application der Woll­fäden am linken Kiefer stattfand, wie schon der scrophulöse Stoff die allgemeine Säftemasse inficirt hatte, daher hier ein bösartiges Ge­schwür entstehen musste.
sect;. 339. Stellen wir uns sonach auf die Seite der Zweifler und Gegner, so würden wir immer noch eine Erklärung dafür zu suchen haben, warum nicht die Impfung auf der Nasenschleimhaut mit Nr. 1 des Scrophelstoffs dieselben Wirkungen hervorbrachte, wie Nr. 2 ? Und warum nach dieser Impfung gerade die specifisch lymphatischen, contagiösen Krankheiten und nicht andere, wie z. B. bei Eiter-injectionen u. dgl. enstanden? Stehen wir dagegen auf der andern Seite, so finden wir hierfür die Erklärung sehr leicht. Der Scrophel­eiter Nr. 1 war aus einem alten offenen Scrophelgeschwür und hatte vermöge seines längern Contacts mit der atmosphärischen Luft eine saure Beschaffenheit, Säure scheint indess die contagiöse Eigenschaft des Scrophelstoffs zu zerstören und deshalb haftete die Impfung auf der Nasenschleimhaut nicht, während diejenige am rechten Kiefer alle Reactionen eines Contagiums hervorrief, weil das Contagium nicht zerstört war, sondern seine volle alkalische Qualität unge­schmälert besass. — Die 2. Frage beantwortet sich nach den Be­griffen der Contagiosität von selbst: das specifische Contagium hat hier die specifischen Krankheitszustände hervorgerufen, deren Product es war und sich selber in denselben reproducirt.
sect;. 340. Betrachten wir indess die Resultate dieses Impfversuchs von welcher Seite wir wollen , immer finden wir in ihm nicht nur sehr interessante , sondern auch sehr wichtige und belehrende Momente, deren nähere Erklärung sich an den geeigneten Orten später ergeben wird. Es muss unter allen Umständen auffallen, dass die Impfung
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in der Nase mit Scrophelstoff Nr. 1 ohne alle Reaction blieb, viihrend Nr. 2 so auffallende und umfangreiche Reactionen und scheinbar so tief eingreifende Wirkungen hervorbrachte, und dass diese Wirkung, von der Impfstelle ausgehend, das Lymphgefasssystem zunächst in so auffallender Weise betraf und gerade die specifisch contagiösen Krankheiten zur Folge hatte, die wir beim Pferde Wurm und Rotz nennen. Interessant und auffallend, gleichzeitig aber nicht unerklär­lich, sind die mancherlei Metamorphosen undProducte der Krankheit während ihres Verlaufs, und scheint es nicht von unwesentlicher Be­deutung zu sein, dass gerade am 14. Tage nach der Impfung, am 7. September, die Krankheit schon als Ozaena (Rotz) sich constatirte.
sect;• 341.
b. Zweiter Versuch.
Ein 14jähriger schwarzer Wallach wurde Behufs der Impfung von einem Berliner Lohnfuhrmann angekauft. Das Pferd verrieth bei einer genauen Untersuchung einen allgemein gesunden Zustand seines Innern Lebens, indem in seinen Verrichtungen keine Abnormität zu bemerken war; es war keine krankhafte Affection irgend eines einzelnen Organes zu entdecken. Der linke Vorderfuss war durch eine früher dagewesene, jetzt aber ganz verheilte Verletzung am Fessel zu einem Stelzfuss geworden, weshalb das Pferd als unbrauch­bar verkauft und von mir zur Impfung mit Scropheleiter vom Menschen verwendet wurde.
Das Pferd war zwar abgemagert, indess war es von sehr robuster kräftiger Constitution und zeigte grosse Begierde nach Nahrung. Es wurde ihm während des Impfversuchs täglich 1 Metze Hafer, 5 Pfund Heu und hinreichendes Strohhäcksel und Wasser als Nahrung ge­reicht; dabei ging es, wie das erste Versuchspferd, frei in einer Koppel des Thierarzneischulgartens umher.
Diesem Pferde impfte ich, am 15. September 1834, Scropheleiter vom Menschen, der Art, dass ich mit demselben, einen doppelten Woll­faden tränkte und einen solchen zu jeder Seite des Gesichts dort, wo die Arteria facialis sich um den hintern Rand des Hinterkiefer­fortsatzes nach aussen umschlägt, unter die Haut, in Form eines kleinen Eiterbandes, zog.
Der Scropheleiter wurde von demselben Knaben entnommen, der solchen zum ersten Impfversuche hergegeben hatte. Der Zustand des Patienten hatte sich in der Zeit vom 24. August bis zum 15. September auffallend verschlimmert; es war starke Abmagerung ein­getreten, die Augenlieder waren geschwollen, triefend und das ganze Gesicht war aufgedunsen. Es hatte sich eine Febris hectica einge­stellt. Die vereiterten Cervicaldrüsen waren in offene Geschwüre, von nicht unbedeutendem Umfange, verwandelt, die eine Menge Jauche
Erdl, Rolzdyskrasic.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ll
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secernirten. Von dieser Jauche, die dasselbe Verhalten zeigte wie die zum ersten Versuch benutzte, mit Nr. 1 bezeichnete, nur dass diese nicht sauer, sondern alkalisch reagirte, füllte ich am 15. Septem­ber ein Lymphnäpfchen und impfte das Pferd noch an demselben Tage, wie bereits vorhin angegeben.
Den 16. September. Das Pferd befindet sich heute ganz ge­sund, die Impfstellen sind etwas angeschwollen, und beim Druck tritt aus den Oeffhungen Eiter hervor, welcher mit etwas Blut vermischt ist. Dieser hat einen etwas Übeln süsslichen Geruch, ein gelbliches Ansehen, ist dickflüssig und reagirt alkalisch. Die Impfstellen sind in der Grosse eines Hühnereies angeschwollen und sehr schmerzhaft.
Den 17. September. Seit gestern ist im Allgemeinen keine Veränderung eingetreten. Der aus den Oeffhungen hervorgedrückte Eiter hat ein milchrahmähnliches Ansehen und eine dicklich homogene Beschaffenheit, sein Geruch ist widerlich süss.
Den 18. und 19. September ist keine Veränderung einge­treten.
Den 20. September. Die Entzündungsgeschwülste haben sich vergrössert, sie sind mit Eiter gefüllt; dieser hat ein gelblich durch­scheinendes Ansehen und ist mit Blutstreifen untermischt, von üblem Geruch.
Den 21., 22., 23. und 24. September. Die Impfstellen haben die Form von Geschwüren angenommen, die Eiterung hat sieh sehr gesteigert, sie hat ein dunkel schmutzig gelbes Ansehen, reagirt stark alkalisch und riecht sehr unangenehm.
Den 25., quot;26. und 27. September. Die Jauchebildung hat sich etwas vermindert, die Ränder an den beiden Oeffhungen der Ge­schwüre sind aufgelockert und sehr schmerzhaft, vor., der untersten Oeffhung des Geschwürs der linken Seite geht eine lymphatische, schmerzhafte Anschwellung slrangförmig um den hintern Rand des Hinterkiefers herum, bis i,u den Ganaschendrüsen hin, die etwas an­geschwollen und schmerzhaft sind. An der rechten Seite findet sich diese strangförmige Anschwellung, so wie auch die der Drüsen, nicht.
Den 28. und 29. September sind keine merklichen Verände­rungen eingetreten.
Den 30. September. Es ist auch eine gleiche lymphatische strangförmige Anschwellung auf der rechten Seite entstanden; auch sind die Ganaschendrüsen dieser Seite angeschwollen. Die An­schwellung der Drüsen ander linken Seite ist so bedeutend geworden, dass sie die Grosse eines Hühnereies erreicht haben; die Drüsen sind sehr schmerzhaft. Aus der linken Nasenöffhung fliesst etwas zäher, weisslicher, durchsichtiger Schleim; die Schleimhaut daselbst ist violett und aufgelockert, und man sieht hier die Venen stark aufge-
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trieben, vom Blute strotzend und büscbelartig sich verzweigend. Es erfolgt öfters ein heiseres, kurzes, sehr schmerzhaftes Husten.
Den 1. October. Es hat sich eine heftige Febris hectica ein­gestellt. Das Pferd hat den Appetit verloren und daher vom Fressen abgelassen , dagegen ist der Durst vermehrt. Die Excretionen , be­sonders das Uriniren und die Hautausdünstung, sind vermindert. Der Koth geht in dicken Klumpen ab. Die Füsse schwellen an ; die Haut zittert und ist kalt; die Haare sind gesträubt und haben ihren Glanz verloren. Man zahlt in einer Minute 70—75 schwache, zitternde, sich wurmförmig bewegende Pulse. Athemzüge sind 18 in der Minute, mit sichtbarer Anstrengung aller Rippen und mit Schnar­chen durch die Nase verbunden. In beiden Nasenlöchern, mehr aber im linken, ist die Schleimhaut, besonders auf der Scheidewand, sehr aufgelockert, so dass sie die Nasengänge fast verschliesst und dadurch das schnarchende Athmen hervorruft. Sie ist in einem bedeutenden Umfange angefressen, und zwar auf der linken Seite am meisten, und überall sieht man auf der Nasenschleimhaut kleine Geschwüre, die eben sowol, wie die angefressenen Stellen auf der Nasenscheidewand, leicht bluten so wie sie nur leise berührt werden. Es fliesst aus beiden Nasenlöchern fortwährend eine gelbliche, klebrig-wässerige, süsslich riechende, mit Blut vermischte Jauche und hin und wieder kommt ein stückiger, grüngelblicher, wie geronnene Milch aussehender Ausfluss zum Vorschein. Um beide Impfstellen herum und nament­lich an den von diesen ausgehenden und zu den Ganaschendrüsen hin verlaufenden strangförmigen Anschwellungen haben sich mehrere Beulen gebildet, die eine blutige, dickliche, süsslich riechende .Tauche enthalten.
Die Augenlieder sind angeschwollen, die Drüsen im Kehlgange haben die Grosse einer Faust erreicht und sind sehr schmerzhaft; der ganze Kopf hat ein aufgedunsenes Ansehen; der Husten, welcher sehr schmerzhaft ist, wird vom Patienten unterdrückt, dennoch erfolgt er zuweilen sehr heftig und droht dann mit Erstickung; er ist keuchend und kurz. Die Anschwellung aller 4 Füsse hat zugenommen; die Esslust ist ganz verschwunden, zum Trinken zeigt das Thier noch Neigung.
Wir haben es jetzt mit einem scrophulösen Krankheitszustande in seinem höchsten Stadium zu thun, es ist die ausgebildete sogenannte Rotz- und Wurmkrankheit des Pferdes, und wie beim ersten Versuch, in der acuten Form. Die Krankheit hat sich innerhalb 16 Tagen zum tödtlichen Ausgange ausgebildet.
Den 2. October. Alle am gestrigen Tagen bemerkten Krank­heitserscheinungen haben an Heftigkeit und Umfang zugenommen. Das Pferd liegt beständig, es kann kaum noch aufstehen, indem es
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sehr entkräftet ist, es isst und trinkt gar nicht mehr und ist sehr ab­gemagert.
Da das Pferd nach allen Erscheinungen für vollständig inficirt und unheilbar angesehen werden muss und nicht Hoffnung giebt, noch einige Tage zu leben, so wird es heute getödtet und Nachmittags secirt.
sect;. 342.
Section.
Im Allgemeinen und in der Hauptsache waren bei diesem Cadaver alle pathologischen Sectionserscheinungen ganz dieselben, wie bei dem ersten Versuchspferde, daher denn die specielle Angabe der­selben nur als eine Wiederholung angesehen werden könnte. Es erscheint nur nothwendig, die etwa vorgekommenen Abweichungen anzugeben.
Sowie bei dem erstem Versuchspferde die pathologischen Ver­änderungen intensiver und in grösserem Umfange an der rechten Seite angetroffen wurden, so finden sie sich hier in höherem Grade auf der linken Seite vor. Die Zerstörungen in der Nase sind bei diesem Pferde in ausgedehnterem Umfange und in grösserer Mannigfaltigkeit vorhanden. Die Lungen, besonders die linke, sind in viel höherem Maasse afficirt, jedoch ist kein Knoten zu finden, der in Zerfliessung begriffen ist, obgleich mehre Tuberkeln, von Wallnussgrösse und grosser, vorhanden sind.
sect;. 343.
c. Dritter Versuch.
Ein 3jähriger Dunkelfuchshengst von gemeiner Landrace wurde mir im December 1834, weil er auf allen 4 Füssen contract und dabei etwas abgemagert war, von einem Berliner Fuhrmann verkauft. Nachdem dieser Hengst 4 Wochen auf der Thierarzneischule gestan­den und nichts weiter gethan, als gesunden Hafer und gutes Heu ge­fressen hatte , da er wegen Mangel an geeigneten Scrophelstoff nicht geimpft werden konnte, wurde er am 12. Januar 1835 castrirt. Das Pferd war ganz gesund, nur schien es, was sein lockerer unbedeuten­der Husten zu erkennen gab, an einer unbedeutenden catarrhalischen Lungenaffection zu leiden. Ueberdem war das Pferd von laxer Faser und schwächlicher Constitution.
Die Diät war während des Impfversuchs wie bei den früheren Versuchspferden. Das Pferd stand fortwährend in einem reinen Stall und wurde von einem Wärter verpflegt, der überhaupt nur mit reinen Pferden zu thun hatte.
Am 15. Januar 1835 impfte ich diesem Pferde Scropheleiter vom Menschen an dem Hinterkiefer der linken Seite, auf derselben stelle und dieselbe Art wie beim vorigen Pferde, mittelst eines mit
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dem Scropheleiter stark getränkten Wollfadens. Der Scropheleiter hatte folgenden Ursprung:
Ein 4jähriges Mädchen von sehr scrophulösem Habitus, sehr ab­gemagert , todtenbleich, mit aufgeworfenen Lippen, angeschwollenen und gerötheten Augenliedern, mit stark schleimender Nase, aufge­triebenem, hartem Unterleibe, wurde wegen Scrophein und Rhachitis in die Charite gebracht. Das Kind litt in einem ausserordentlich hohen Grade an Arthrocace der Gliedmaassen-Gelenke; die Knochen­enden waren sehr stark aufgetrieben und an einigen Gelenken, nament­lich an den Ellenbogen und den Fingern, hatten sich offene cariöse Geschwüre gebildet, die eine bedeutende Menge blutiger Jauche
secernirten, welche einen sehr Übeln, scharfen Geruch hatte und stark alkalisch reagirte. Von dieser Jauche entnahm ich am 14. Januar
etwa 3jj und impfte damit das Pferd auf oben angegebene Weise.
Den 16. Januar. Keine Veränderung.
Den 17. Januar. Das Thier befindet sich heute ganz gesund, die Impfstelle ist etwas angeschwollen und beim Druck tritt aus der Oeffnung Eitec hervor, welcher ein milchrahmähnliches Ansehen hat, er ist weissgelblich dicklich und homogen , hat einen süsslichen Ge­ruch und reagirt alkalisch.
Den 18. Januar. Keine Veränderung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i
Den 19. Januar. Wie gestern, nur ist die Anschwellung etwasnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;;,
bedeutender geworden.
Den 20. Januar. Die Entzündungsgeschwulst ist mit Eiter ge­füllt, dieser hat ein gelblich durchscheinendes Ansehen und ist mit Blutstreifen untermischt und von unangenehmem Geruch.
Den 21. Januar. Die Eitermenge vermehrt sich.
Den 22. bis 25. Januar. Die Impfstelle hat die Form eines unreinen Geschwürs angenommen; der Eiter hat ein dunkel schmutzig gelbes Ansehen, reagirt stark alkalisch, hat einen sehr unangenehmen Geruch. Die Ränder der Impfwunden sind calliis und der Gang des kleinen Eiterbandes ist einem callösen Fistelgange gleich. •
Den 26. bis 30. Januar. Die Jauchebildung hat sich successive immer mehr verloren, die Oeffnungen des Geschwürs sind ringsum sehr angeschwollen , so dass sie sich wie Beulen (Knoten) anfühlen, und der Gang des Eiterbandes fühlt sich wie ein callöser Strang an. Von der Impfstelle verläuft eine lymphatische Anschwellung strang-förmig um den Hinterkieferrand bis zu den Kehlgangsdrüsen.
Den 31. Januar. Die Lymphdrüsen der linken Seite sind etwas angeschwollen und schmerzhaft, aus der linken Nasenöffnung fliesst etwas weisslicher, durchsichtiger zäher Schleim. Die Schleimhaut dieser Nasenhöhle hat auf der Scheidewand eine gelbröthliche Farbe, sie ist aufgelockert und ihre oberflächlichen Venen sind sehr stark aufgetrieben, vom Blute strotzend und büschelartig verlaufend.
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Den 1. Februar. Die gestern vorgefundenen pathologischen Erscheinungen haben zugenommen, die Drüsen sind stärker ange­schwollen , der Ausfluss aus der Nase ist trübe geworden, dick und schmierig; das Athmen durch die Nase ist etwas erschwert; das Auge derselben Seite ist triefend, ein klebriger Schleim verdickt sich im Innern Augenwinkel. Der Appetit ist vermindert, Fieber ist einge­treten , es sind 86 Pulse in der Minute; das Haar ist gesträubt, man bemerkt zuweilen ein schwaches Frösteln und Zittern der Haut. Die Sensibilität ist im Allgemeinen gesunken.
Den 2. Februar. Die gestern angegebenen krankhaften Er­scheinungen haben an Extensität und Intensität gewonnen. Der Ausfluss aus der Nase hat ein aschgraues, mit Blutstriemen unter­mischtes Ansehen, einen widerlichen Geruch. Die Schleimhaut der linken Nasenhöhle ist sehr schmerzhaft, es befindet sieh auf ihr ein kleines Geschwür in dem Umfange eines Pfennigstücks, in dessen Umgebung sie wulstig aufgetrieben ist. Die Kehlgangsdrnsen der rechten Seite sind ebenfalls etwas angeschwollen und schmerhaft, und aus der Nasenöffnung dieser Seite fliesst ebenfalls ein zäher, weiss-licher, durchsichtiger Schleim. Die Fiebersymptome sind gestiegen.
Den 3. Februar. Die Fiebererscheinungen bestehen fort; der Appetit hat sich wieder eingestellt, dagegen schwinden aber dennoch die Kräfte des Thieres zusehends. Das Athmen ist sehr schnarchenc], der Ausfluss aus beiden Nasenlöchern ist sehr vermehrt, widerlich riechend, trübe, aschgrau und schmierig. Die Schleimhaut derNasen-scheidowand linkerseits ist in einer Höhe von 2 Zoll und in einer Breite von ?/j Zoll stark erodirt; der Rand um diese erodirte Stelle ist callös aufgetrieben, sehr schmerzhaft und blutet bsi der leisesten Berührung. Diese Erscheinungen, mit den triefenden Augen und den angeschwollenen Drüsen, geben das Bild einer vollkommen ausgebilde­ten Scrophulosis in ihrem höchsten Stadium, Rotz genannt. #9632;—#9632;
Den 4. 5. und 6. Februar. Die krankhaften Erscheinungen haben täglich zugenommen; die Drüsenanschwellungen sind bedeuten­der geworden und sehr verhärtet, sie sind nicht mehr schmerzhaft. Das Fieber besteht fort; der Appetit ist gut; die Kräfte des Thieres schwinden aber sehr.
Den 7. und 8. Februar. Die Krankheit hat sich bedeutend ver­schlimmert ; der Schwächezustand hat so zugenommen, obgleich der gute Appetit fortbesteht, dass das Thier nicht mehr gehen kann. Das Athmen ist sehr schnarchend, angestrengt und beschleunigt. Die Scheidewand ist in der rechten Nasenhöhle ebenfalls bedeutend angefressen und der Geruch des Ausflusses ist penetrant stinkend.
Den 9. Februar. Der Patient liegt und kann nicht mehr auf­stehen-, er ist dem Tode sehr nahe. Desshalb ist er heute getödtet und für die Anotomie verwendet worden.
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sect;. 344.
Section.
In den Nasenhöhlen sind alle Gänge mit einem gelblich durch­scheinenden , zähen , sehr übel riechenden Secret überzogen , das in ungewöhnlich grosser Quantität vorhanden ist. In allen Nasengängen, auf den dutenförmigen Beinen, auf der knorpeligen Scheidewand und selbst am Siebbein, in beiden Nasenhöhlen sind scrophulöse Geschwöre in allen Formen, Stadien, Grossen und in grosser Menge vorhanden. Alle diese Geschwüre haben den eigenthümlichen Character dei-Scrophelgeschwüre, wie sie in Rust's Handbuch der Chirurgie be­schrieben sind, selbst findet sich au ihnen sehr deutlich auch das Characteristicum, dass ihr wulstiger Rund sich aufheben lässt und man die Fortsetzung der Geschwürsfläche noch unterhalb des Randes bemerkt. Es finden sich auch noch eine Menge kleiner, gelblichweisser Pünktchen, die erst zu Geschwüren aufbrechen sollen. Die rechte Nasenhöhle, welche später als die linke krankhaft ergriffen wurde, zeigt bei der Eröffnung Zerstörungen in grösserem Umfange, als die andere. Mehrere der Geschwüre sind in einander geflossen und bilden, besonders an der Scheidewand, grosse um sich fressende Ge­schwürsflächen , einen Zoll breit und lang, und ist der Grund der­selben uneben und blutrünstig, schwarzbraun. Die Schleimhaut findet
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sich besonders neben den Geschwürsstellen harten Gebilde unter ihr gesund. In den findet sich keine pathologische Veränderung,
verdickt und die fast Cavitäten des Kopfes Die Impfstelle ist sehr
verdickt und callös, die von ihr ausgehenden Lymphgefässe sind sehr ausgedehnt und mit gelblich trüber Lymphe angefüllt, sie sind in dieser Beschaffenheit bis in die Kehlgangsdrüsen hinein zu verfolgen. Diese letztern sind sehr angeschwollen, sie sind noch nicht vollständig verhärtet und verhalten sich beim Durchschneiden wie schmutzig gelb­licher Speck, sie lassen sich auch eben so wie dieser zwischen .den Fingern zerdrücken. Beim Druck liefern sie auf der Schnittfläche eine graugelbliche, trübe, schmutzige, dickliche Flüssigkeit. Eben so verhalten sich die Bronchialdrüsen. Rachen, Kehl- und Schlundkopf, Luftröhre und Lungen, so wie alle übrigen Eingeweide des ganzen Organismus erscheinen ganz gesund, nirgends sind pathologische Ver­änderungen bemerkbar, ausser dass in der vordem Spitze der rechten Lunge ein harter Tuberkel, von der Grosse einer kleinen Bohne, um­geben von ganz gesunder Lungensubstanz, sich vorfindet.
sect;. 345.
d. Vierter Versuch.
Ein Tjähriger braunschwarzer Wallach von sehr kräftiger robuster Constitution, hatte an Dummkoller gelitten, von dem ei; wieder hergestellt worden war. Da indess bei diesem Pferde ein
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Rückfall dieser Krankheit zu befürchten stand, den es schon oft ge­habt hatte, so wurde es mir um einen billigen Preis zu meinen Impf-versuchen überlassen.
Das Pferd war sehr gut genährt, zeigte sehr gute Fresslust, war stets mit gesunden Nahrungsmitteln gefuttert worden, und dem­nach verrieth es auch nicht ein Zeichen irgend eines krankhaften Zustandes, sondern es zeigte sich vielmehr vollkommen gesund. Die Sensibilität hatte indess im hohen Grade gelitten und die Reizbarkeit war sehr vermindert.
In diätetischer Beziehung wurde bei diesem Pferde dasselbe wie bei frühern Versuchspferden beobachtet.
Diesem Pferde wurde Scropheleiter vom Menschen mittelst Wollfäden zu beiden Seiten des Hinterkiefers ganz auf dieselbe Weise und an denselben Stellen geimpft, wie bei den andern Versuchspferden. Ausserdem wurde ihm noch etwas des Scropheleiters in der linken Nasenhöhle auf die Schleimhaut der Nasenscheidewand eingerieben. Die Impfung fand am 13. Februar 1835 statt, und wurde der Impf­stoff von folgendem Patienten entnommen :
Ein Rjähriger Knabe, der seit 5 Tagen wegen scrophulöser Rhachitis in die Charite gebracht worden war, litt in einem enorm hohen Grade an Arthrocace scrophulosa der Gliedmaassen. Die Kniee hatten z. B. mehr, als den Umfang eines Menschenkopfes, sie. waren cariös durchfressen , von Fistelgängen durchdrungen , so dass man die Sonde von einer zur andern Seite durch die Knochen bringen konnte. Sie entleerten eine Menge penetrant stinkender Jauche nach aussen. Der Knabe hatte sein ganzes Leben an Scropheln gelitten, er war nicht allein gänzlich abgezehrt, sondern auch sämmtliche Muskeln waren total geschwunden. Es befanden sich an verschiedenen Körperstellen bedeutende offene Geschwüre, die alle eine sehr stin­kende Jauche in beträchtlicher Menge secemirten. Die aufgetriebenen durch und durch porösen Kniee standen in wunderbarem Contrast mit den total vertrockneten Schenkeln; die von jenen abfliessende Jauche war gelblich weiss und reagirte scharf alkalisch. Aus einer solchen Geschwürsöffnung entnahm ich am 12, Februar etwa ^j der beschriebenen Jauche und impfte damit in oben angegebener Weise.
Den 14. Februar. Das Pferd ist heute anscheinend innerlich ganz gesund; die Impfstellen sind indess in dem Umfange einer grossen Faust angeschwollen ; die Geschwulst geht bis tief unter die Haut, sie ist sehr schmerzhaft, hart und in völliger Eiterung. Der Eiter ist dick, gelblich weiss, homogen, übelriechend und alkalisch. Die Schleimhaut der Nase ist an der geimpften Stelle dunkelroth ent­zündet, sehr aufgelockert und im Umfange eines Silbergroschens erodirt und mit einer Eiterkruste bedeckt.
Den 15. Februar. Die Anschwellung der Impfstellen hat be-
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deutend zugenommen, die Geschwülste sind sehr warm und schmerz­haft ; die Eiterung hat aufgehört, beim Druck quillt ein gelbliches Blutwasser aus den Wunden hervor. Die erodirte Stelle in der Nase, die das Ansehen hat, als sei sie mit einem Aetzmittel hervor­gebracht, beginnt wieder zu heilen.
Den 16. Februar. Die Anschwellungen zu beiden Seiten des Kopfes haben so zugenommen, dass das ganze Gesicht davon ein­genommen ist, die Augen sind dick angeschwollen und beinahe ver­schlossen; Lippen und Nasenränder sind oedemalös geschwollen, so dass das Thier am Fressen gehindert ist. Die Geschwülste sind sehr warm und schmerzhaft. Aus den Impfwunden fliesst sehr viel gelb-sulzige , scharfe, süsslich riechende Jauche ; aus den Augen fliessen viele Thränen. Das Thier fiebert stark. Die erodirte Stelle in der Nase verkleinert sich bedeutend.
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Den 17. Februar. Der gestrige Zustand hat sich wenig ver­ändert, die Schmerzhaftigkeit der Geschwulst hat etwas nachgelassen.
Den 18. Februar. Der fieberhafte Zustand hat aufgehört, die oedematösen Anschwellungen sind verschwunden; die Geschwülste
an den Impfstellen haben sich etwas verkleinert, der Abfluss der Jauche ist nicht mehr so bedeutend, der Schmerz und die Wärme in den Geschwülsten haben nachgelassen. Der Patient verzehrt wieder begierig seine Nahrung. Die im Kehlgange befindlichen Drüsen und Zellgewebe aber sind noch geschwollen, doch sind die Drüsen nicht begrenzt zu fühlen. Die erodirte Stelle in der Nase ist vollkommen verheilt.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;(.laquo;
Den 19. bis 21. Februar. Der allgemeine Gesundheitszustand ist ungetrübt; die aus den Impfwunden hervorsickemde scharfe Jauche hat die umstehenden Haare weggeätzt; die Suppuration ist gering, die Jauche ist klar, röthlich und zähe. Die Geschwülste sind nur noch so gross wie Taubeneier und wenig schmerzhaft. Die An­schwellung im Kehlgange hat sich verloren and fühlt man nur noch die Lymphdrüsen begrenzt angeschwollen, hart und schmerzhaft. Aus der'Nase fliesst viel wässrige, klare Flüssigkeit.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;$'
Den 22. und 23. Februar. Die Anschwellung der Kehlgangs­drüsen ist heute bedeutender; das linke Auge ist sehr trübe ; die aus den Impfwunden hervorquellende Jauche ist trüber geworden, dick­flüssig und blutig.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i '
Den 24. bis 28. Februar. Die Drüsenanschwellung hat sich
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noch vergrössert, aus der Nase fliesst etwas weisslicher Schleim; die Schleimhaut ist aufgelockert und bleich; die Conjunctiva ist sehr auf­gelockert , es fliesst eine schleimige, graugelbliche Feuchtigkeit aus den Augenwinkeln, die sich zu einer schmutzig grünlichen Masse verdickt.
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Den 1. und 2. März. Um die Impfstellen herum haben sich kleine Eiterbeulen gebildet, die mit einer schmutzig gelben, mit Blut untermischten, dicklichen Jauche von unangenehmem Geruch anger füllt sind. Aus den Impfwunden quillt eben solche Jauche in grösserer Menge als bisher hervor.
Den 3. und 4. März. Der Ausfluss aus beiden Nasenlöchern hat sich vermehrt, die Schleimhaut ist aufgelockert und hat eine bleich gelbliche Farbe.
Den 5. bis 8. März. Die Schleimhaut der Nase hat eine nor­male Beschaffenheit angenommen, der Ausfluss hat aufgehört, die Geschwulst der Impfstellen ist kleiner geworden; der ans ihnen hervorgedrückte Eiter hat eine gutartige Beschaffenheit angenommen.
Den 9. bis 12. März. Die Bindehaut der Augen ist sehr roth und bedeutend aufgelockert, so dass die Augen ein kleines ver-schwollenes Ansehen haben.
Da von diesem Versuch weitere Resultate nicht zu erwarten standen, welches seinen Grund in der darnieder liegenden Receptions-und Reactionsfähigkeit haben mochte, so wurde von der weiteren Beobachtung Abstand genommen und die Impffäden entfernt.
sect;. 346. e. Fünfter Versuch.
Dasselbe Pferd wurde am 13. März 1835 mit Scropheleiter von einem andern Individuum , welches mit einer andern Scrophelform behaftet war, auf folgende Weisse geimpft:
Es wurden abermals an jeder Seite des Hinterkiefers, neben den frühern Impfstellen mit Scropheleiter getränkte Wollfäden, ganz auf dieselbe quot;Weise, wie die vorigen, applicirt. Demnächst wurden noch etwa 3jj desselben Scropheleiters in erwärmtem, destillirtem Wasser aufgelöst und in die linke Jugularis injicirt. Den Ursprung und die Beschaffenheit des geimpften Scropheleiters ersieht man aus Nachfolgendem :
Ein 12jähriger Knabe, welcher schon seit Jahren an Scropheln litt, wurde wegen bedeutender Anschwellung aller Lymphdrüsen in die Charite gebracht. Einige der geschwollenen Cervicaldrüsen gingen in Vereiterung über, und aus diesen erhielt ich etwa ^j Jauche. Diese war von derselben Beschaffenheit, wie die beim ersten Versuch mit Nr. 2 bezeichnete Jauche, und ich impfte dieselbe auf oben be­schriebene Weise.
Den 14. März. Das Pferd zeigt Fieberbewegungen; der ganze Kopf ist vermehrt warm, die Nase ist heiss und trocken, es findet Ausfluss statt, der an den Nasenrändern antrocknet. Das Thier steht
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sehr traurig, matt und abgespannt, es athmet beschwert, hustet viel, der Husten ist locker und kraftlos. Die Schleimhaut der Nase ist aufgelockert, blaasgelb und feucht; die Augen sind verschwolleh, trübe und ohne alle Lebhaftigkeit; die Conjunctiva ist bleichgelb, aufgelockert und im iunern Augenwinkel hat sich eine schmierige Feuchtigkeit zur grünen Kruste verdickt. Die Kehlgangsdrüsen sind wiederum stärker angeschwollen und schmerzhaft. Die Impfstellen sind in einem bedeutenden Umfange geschwollen, heiss und schmerz­haft, und es lässt sich aus ihnen viel dicker, klumpiger, mit Blut untermischter Eiter ausdrücken.
Den 15. März. Das Fieber hat etwas nachgelassen, die Nase ist feucht und hat die normale Temperatur.
Den 16. März. Das Fieber hat ganz aufgehört; die Wärme am Kopfe hat nachgelassen, die Geschwulst ist kleiner, die Temperatur an der Nase und das Athmen sind normal; aus den Irapfwunden kommt nur noch wenig blutiger, schmutzig gefärbter Eiter hervor. Die Nasenschleimhaut hingegen ist noch bleich, gelblich, aufgelockert und feucht. Der Husten ist wie am 14. März. Die Drüsen im Kehl-gange sind härter und weniger schmerzhaft.
Den 17. bis 22. März. Das Pferd hat 15 Athemzüge in der Minute; die Drüsen sind verhärtet, verschiebbar und unschmerzhaft. Die Impfstellen sind nur noch unbedeutend angeschwollen; die Eite­rung dagegen ist stark. Aus der Nase fliesstein zäher, weisser, durch­sichtiger Schleim. Die Augen verhalten sich noch so wie früher: der Appetit ist noch gut.
Den 23. März wurde dies Pferd, welches während der mit ihm angestellten Versuche sehr abgemagert war, für die Anatomie getödtet.
sect;. 347.
Section.
Es wurden in den sämmtlichen Organen des Cadavers keine andern wesentlichen Veränderungen angetroffen, als die folgenden :
gt;#9830;
Auflockerung der Schleimhäute in den Respirationsorganen; Anhäufung von zähem, gelbem Schleim in den Bronchien; Vergrösse-rung und Verhärtung der Kehlgangs - und Bronchialdrüsen ; Hepati-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ^
sation eines Theiles der rechten Lunge am innern Rande. Diese Hepatisation war frisch entstanden, hart und zeigte auf dem Durch­schnitt harte gelbliche Knoten, deren einige eine sehr geringe Menge dünnflüssiger Jauche enthielten. Alle Lymphgefässe im Kehlgange und an der Luftröhre waren sehr ausgedehnt und mit gelber trüber Lymphe gefüllt. In dem Halstheile des Rückenmarkcanales fand sich zwischen der Dura-mater und Arachnoidea eine nicht unbeträcht­liche Menge Wasser.
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2. Impfung an Pferden mit Scrophelmaterie des
Menschen von nicht anerkannt rein scroph elkranken
Individuen.*)
NNM
sect;. 348.
f. Sechster Versuch.
Ein schwarzer, zwölf Jahr alter Wallach, von preussischer Niederungsrace, wurde auf der Königl. Thierarzneischule 4 Wochen lang an Fussentzündung behandelt. Da die Heilung nicht vollständig erfolgte, sondern die Hufe verkrüppelten und dabei das Thier sehr abgemagert war, so wurde solches der'Schule überlassen und mir zu meinen Impfversuchen übergeben.
In diätetischer Hinsicht wurde dieses Pferd, wie die früheren Ver-suehspferde gehalten.
Von der nachstehend näher beschriebenen Scrophelmaterie wurde mittelst eines doppelten Wollfadens an der linken äussern Fläche des Hinterkiefers ganz auf dieselbe Weise geimpft, wie bei den früheren Versuchen.
Der Ursprung und die Beschaffenheit des zu dieser Impfung ver­wendeten Stoffs war folgender:
Ein Mann von einundzwanzig Jahren, mit allgemein scrophulösem Habitus, lag seit mehreren Monaten an der Scrophelkrankheit in der Charite. Er hatte angeblich in früheren Jahren immer an Scropheln gelitten; gegenwärtig entstanden bei demselben an sehr verschiedenen Körperstellen, namentlich an den stärksten Muskelpartieen , Beulen, die in der Grosse, von Haselnüssen bis zu Wallnüssen, variirten, welche, sobald sie die Cutis erreicht hatten, fluetuirten und entweder selbständig aufbrachen, oder durch Kunsthülfe geöffnet werden mussten, wobei sie eine Menge zäher, schmutzig gelbbrauner, oft klumpiger Jauche entleerten, die auf Lacmus alkalisch reagirte und einen süss-lich widerlichen Geruch hatte.**) Von dieser Jauche füllte ich am 19. September 1834, ans einer dergleichen Beule, 4 Lymphnäpfchen und impfte damit am 20. September dem Pferde wie oben angegeben.
Den 21. September. An der Impfstelle ist eine bedeutende und Sehr schmerzhafte Entzündungsgesehwulst entstanden, sonst keine Veränderung.
Den 22. bis 26. September. Es sind keine auffallenden be-tnerkungswerthen Veränderungen als Folgen der Impfung eingetreten.
*) Die Benrtheihmg der Scropheln, ob sie rein waren, oder nicht, fand seitens der behandelnden Aerzte der Charite statt.
**) Der Znstand hat seine Analogieen mit dem scrophnlösen Hantgeschwür (Wurm) des Pferdes.
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Die Impfstelle suppurirt stark, der Eiter ist blutig, jauchig. Die Abmagerung und allgemeine Schwäche sind im Zunehmen.
Den 27. September. Heute starb das Tliier an Entkräftung.
8. 349. Section.
Diese ergab keine pathologischen Erscheinungen, die als Foige der Impfung anzusehen gewesen wären.
3. Impfung an Eseln mit Scr ophelm aterie des
Menschen von anerkannt rein scrophelkranken
Individuen.
sect;. 350.
g. Sieben ter Vers uch.
Ein t^/j Jahr alter Eselhengst, zu diesen Versuchen besonders angekauft, war ganz gesund und gut genährt. Die normale Frequenz seines Pulses war 55 in der Minute. Er wurde in einen reinen Stall auf gute Streu gestellt und erhielt täglich 1 Metze Hafer, 5 Pfund Heu und das gehörige Wasser zur Nahrung.
Diesem Thiere wurde von dem Scropheleiter, welcher zum ersten Versuch benutzt und mitNr. 1 bezeichnet worden war, am 27. August, nachdem die Schleimhaut der Scheidewand in der rechten Nasenhöhle mit dem Fingernagel etwas wund gekratzt worden war, auf diese wunde Stelle eingerieben.
Den 28. August. Die Impfstelle war aufgelockert, von weiss-gelber Farbe, stark angeschwollen, strotzende Blutgeiasse verliefen von ihr strahlenartig nach allen Richtungen.
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1 U
Den 29. August war die Impfstelle ganz verheilt und ver­schwunden.
Vom 30. August bis 3. September traten keine Veränderun­gen ein.
sect;. 351.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;^i
h. A ch ter Versuch.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ig,
Eine Eselstute, von demselben Alter und ganz gleicher Be­schaffenheit mit dem Eselhengst, zu demselben Zweck angekauft, eben so gepflegt etc., wurde mit demselben Scropheleiter am 27. August in nachstehender Weise geimpft: An dem äussern Kaumuskel rechter-seits, an dem hintern untern Rande desselben in der Nähe der Arteria fac. wurde eine kleine Schnittwunde in die Haut gemacht, diese mit einem Lorbeerblatt nach unten zu etwas vom Fleische gelöst, so dass dadurch ein kleiner Sack entstand: in diesem wurde etwas des oben angegebenen Scropheleiters hineingebracht.
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•#9632; Den 28. und 2;raquo;. August. Die Impfstelle ist begrenzt ange­schwollen, schmerzhaft, vermehrt warm und sondert etwas Serum aus.
Den 30. August. Es ist unbedeutende Eiterung eingetreten, die Wundränder sind etwas aufgelockert.
Den 31. August. Der Eiter hat ein unreines Ansehen, die Wundränder sind wulstig; die Drüsen zwischen den Ganaschen sind angeschwollen und etwas schmerzhaft.
Den 1. und 2. September. Die Impfwunde beginnt zu heilen, dio Drüsenanschwellung hat sich verloren.
sect;. 352.
i. Neunter Yersnchj andern E s e 1 li e n g s t.
Der Seropheloiter zu diesem Versuch wurde aus einer Eiterbeule des Patienten entnommen, von welchem der Stoffquot; zur vorhergehenden Impfung früher entnommen worden war, und verhielt sich dieser ganz wie der Eiter Nr. 2, welcher zum ersten Versuch benutzt worden war. Die Impfung fand am 3. September in nachstehender Weise statt: Ein doppelter Wollfaden wurde mit der gedachten Lymphe getränkt, und nachdem an der äussern Fläche des Hinterkiefers rechterseits die Haare abgeschoren waren, wurde jener Faden in Form eines kleinen Eiterbandes gezogen.
Den 4. September. Die Impfstelle ist entzündet, staAe Eiterung ist eingetreten, der Eiter ist dicklich, gelblich Aveiss, wie reiner Wund­eiter, und reagirt sauer.
Den 5. bis 7. September. Die aus der Impfstelle hervorgedrückte Flüssigkeit nimmt eine mehr zähe, klare , dunkle Beschaffenheit an ; die Entzündungsgeschwulst wird kleiner der Eiter reagirt alkalisch.
Den 8. und 9. September. Der Eiter aus der Impfwunde hat eine ganz jauchige Beschaffenheit angenommen; die G-eschwulst ist noch unverändert, aber nicht mehr so schmerzhaft; kein Fieber. Die Augenlieder sind an beiden Augen geschwollen, die Conjunctiva ist aufgelockert und geröthet; aus den innern Winkeln beider Augen H.iesst ein pathologisches Schleimsecret in krankhaft vermehrter Menge hervor, am rechten Auge mehr, als am linken, das Secret ist bräunlich, trübe und setzt sich verdickt im innern Augenwinkel fest.
Den 10. und 11. September. Die Geschwulst der Impfstelle ist etwas kleiner, das Secret ist dicker und gelb, mehr eiterartig und (juantitativ geringer geworden. Die Augenlieder sind nicht mehr so angeschwollen und weniger thränend; die Conjunctiva ist noch auf­gelockert.
Den 12. bis 15. September. Der Zustand ist im Allgemeinen unverändert, das Secret aus der Impfstelle hat wieder eine jauchige Beschaffenheit angenommen.
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Den 16. September. Der allgemeine Zustand ist unverändert; der Eiter an der Impfstelle ist jauchig; die Augen thränen stark ; die Conjunctiva ist sehr aufgelockert und geröthet, die Gefässe sieht man in derselben ganz deutlich. Es hat sich ein schmerzhafter, pfeifender Husten eingestellt.
Den 17. bis 28. September ist nichts verändert.
Den 29. September. Die Drüsen des Kehlganges sind etwas an­geschwollen; die Conjunctiva ist sehr aufgelockert, die Augen eitern stark; die Impfstelle ist wieder stärker geschwollen und sondert viel Jauche ab. Das Allgemeinbefinden ist normal.
Vom 30. September bis 15. October sind keine wesentlichen Veränderungen an dem Thiere eingetreten und beobachtet worden. Die früher bezeichneten örtlichen Krankheitserscheinungen sind ganznbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;*
verschwunden, auch der Husten ist nicht mehr zu hören.
sect;. 353.
k. Z e h n t e r V e r s u c h , a n d er E s e 1 s t u t e.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4
Am 10. September wurde ein mit Scropheleiter getränkter dop-
pelter Wollfaden einen Zoll lang unter der Haut auf der linken Seite
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des Gesichts, an der gewöhnlichen Stelle und in bekannter Form, ge­zogen. Der Ursprung und die Beschaffenheit dieses Scrophelstoffs waren folgende:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;'
Bei einem zwölfjährigen Mädchen des Berliner Waisenhauses, welches schon während ihres ganzen Lebens an Scropheln gelitten hatte, stellt sich vor 4 Monaten eine scrophulöse Augenentzündung ein, die, vernachlässigt, bald einen bösartigen Character annahm. Sie ergriff besonders heftig das linke Auge, es bildete sich hier am untern Augenliede eine Geschwulst, welche bald in ein offenes Geschwür überging, das aus der Tiefe entsprang und mit Auflockerung und Caries des Thränenbeins verbunden war. Mit diesem Leiden wurde das Mädchen vor 3 Monaten in die Charite gebracht, und hatte sichder Zustand bis jetzt noch nicht gebessert, im Gegentheil griff die Zer­störung des Knochens immer weiter um sich und es sickerte aus dem Geschwür eine sehr stinkende, gelblich weisse, dickliche, zähe Jauche in grosser Menge hervor; die sehr stark alkalisch reagirte. Von dieser Jauche impfte ich wie oben angegeben.
Den 11. September. Die Impfstelle ist entzündet und wallnuss-gross angeschwollen , sehr schmerzhaft. Der allgemeine Zustand ist normal.
Den 12. September. Die Entzündungsgeschwnlst hat die Grosse eines Hühnereies erreicht, ist sehr schmerzhaft und ohne alle Suppuration.
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Den 13. September. Es ist etwas Eiterung eingetreten, der Eiter ist gelb, dicklich, etwas zähe, riecht widerlich sauer und reagirt dennoch alkalisch.
Den 14. und 15. September. Die Eiterung ist vermehrt, der Eiter ist jauchig, gelblich klar, die Augenlieder sind geschwollen, die Thränen sind dicklich trübe, mit dem krankhaften Schleimsecret der entzündeten Conjunctiva vermischt, und fliessen in vermehrter Menge ab.
Den 16. September. Die Impfgeschwnlst ist in ein jauchiges Geschwür verwandelt, die Jauche ist blutröthlich , scharf alkalifch, die Augen sind entzündet.
Den 17. September. Das Eiterband ist aufgerissen , das Thier hat grosses Jucken in den Geschwüren; es hat sich ein pfeifender, schmerzender Husten eingestellt.
Den 18. bis 27. September. Der Zustand ist unverändert.
Den 28. September. Es hat sich Drüsenanschwellung einge­funden. Aus dem Innern Winkel des linken Auges findet ein be­sonders starker Abflnss eines pathologischen Schleimsecrets statt, und die Conjunctiva ist sehr aufgelockert.
Vom 29. September bis 15. October. Die pathologischen Ver­änderungen sind successive verschwunden und andere wesentliche Veränderungen sind nicht eingetreten.
sect;. 254.
1. Elfter Versuch, an dem Esel h engst.
Von dem Scropheleiter des zehnten Versuchs wurde dem be­treffenden Patienten etwas ganz frisch entnommen, davon am 15. Oc­tober ^j in lauwarmem Wasser aufgelöst und dies dem Eselhengst in die linke Jugularis injicirt.
Den 16. und 17. October. Die Injectionsstelle und deren Um­gegend ist, bis zur Ohrdrüse hinauf, sehr schmerzhaft angeschwollen und heiss, der Hals ist steif, das Athmen etwas beschleunigt, der Herzschlag ist fühlbar, der Puls klopfend, voll, 70mal in der Minute zählbar, die Augen sind trübe und angeschwollen.
Den 18. October. Die Anschwellung längs der ganzen Drossel­vene ist sehr schmerzhaft und heiss, der ganze Hals ist steif, die Drüsen im Kehlgange sind sehr geschwollen und schmerzhaft; aus den Augen fliesst eine schmierige Materie; das Thier steht traurig mit gesenktem Kopfe und frisst nicht; es hat 30 Athemzüge, 90 sehr klopfende Pulse in der Minute, voll und hart; der Herzschlag ist an beiden Seiten fühlbar und sehr pochend. Das Athmen ist erschwert, etwas schnaufend: es zeigt sich öfteres Husten, der Husten ist heiser und schmerzhaft. Das Thier muss öfter niessen, es sucht dies aber zu unterdrücken, da es ihm schmerzhaft zu sein scheint.
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Den 19. October. Die Erscheinungen sind heute den gestrigen ganz gleich; die Pulse sind bis auf 110 in der Minute gestiegen. Es wurden heute an der geschwollenen Drosselvene scharfe Einreibungen gemacht.
Den 20. October. Der Zustand wie gestern, nur finden sich heute 10 Pulse in der Minute weniger. Das Thier ist auf allen vier Füssen, namentlich den hintern, sehr steif.
Den 21. October. Die Zufälle mindern ihre Heftigkeit, das be­schleunigte Athmen hat ganz aufgehört, Pulse sind nur noch 95 in der Minute. Der Husten und das Niessen haben sich ganz verloren; die schmerzhafte Anschwellung im Kehlgange hat nachgelassen; der Kopf wird freier beweglieh.
Den 22. bis 28. October. Es zeigen sich noch Fieberbewegungen, allmählig nachlassend.
Den 29. October. Das Thier scheint ganz gesund zu sein, alle Lebensverrichtungen sind zu einem normalen Zustande zurückgekehrt.
Den 30. October. Die strangförraige Anschwellung der Jugularis ist heute nochmals mit scharfer Salbe eingerieben worden.
Vom 31. October bis 22. November. Das Thier zeigt sich voll­kommen gesund. Es konnten in dieser Zeit keine neuen. Impfver­suche gemacht werden, da es an geeignetem Scropheleiter mangelte.
sect;. 355.
m. Zwölfter Versuch, mit der Eselstute.
Von dem Knaben, von welchem der Scropheleiter zum ersten Versuch entnommen wurde, und der jetzt schon mit einer febris hectica befallen war und seiner Auflösung sichtlich entgegen eilte, der eine Menge offener, suppurirender Geschwüre hatte, entnahm ich Impf­stoff, von basischer Beschaffenheit, aus diesen Scrophelgeschwüren, löste davon ^j in erwärmtem, destillirtem Wasser auf und injicirte dies am 15. October 1834 der Eselstute in die rechte Jugularis.
Den 16. bis 18. November. Etwas Traurigkeit, trübe Augen, schwache Fieberbewegungen und fühlbarer Herzschlag haben sich eingefunden.
Den 19. bis zum 24. November bestanden diese Zufalle fort.
Den 25. November war vollkommene Gesundheit eingetreten. Bis zum 22. November ist das Thier speciell beobachtet worden, es sind aber durchaus keine krankhaften Erscheinungen bemerkt worden.
sect;. 356.
n. Dreizehnter Versuch, an der Eselstute. Fünfzehn Gran des Impfstoffs der beim dritten Versuche mit einem Pferde angewendet worden war, wurden in einer hinreichenden
Erdt, Rolzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;12
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Menge lauwarmen, destillirten Wassers aufgelöst und am 26. Januai-1835 der Eselstute in die linke Jugularis injicirt.
Den 17. Januar. Das Thier befindet sich ganz gesund, die In-jectionsstelle ist etwas angeschwollen und schmerzhaft.
Den 18. bis 21. Januar. Die Kehlgangsdrüsen sind etwas ange­schwollen, die Augen etwas triefend und trübe.
Vom 22. Januar bis 12. Februar ist das Thier beobachtet, die vorerwähnten Erscheinungen sind successive verschwunden und das Thier hat seine völlige Munterkeit wieder erlangt.
sect;. 357. o. Vierzehnter Versuch, an der Eselstute.
Etwa 5jj des Scropheleiters, der bei dem vierten Versuch ver­wendet wurde, ist der Eselstute am 13. Februar 1835 in 3J lau­warmen destillirten Wassers aufgelöst in die rechte Jugularis injicirt worden.
Den 14. Februar. Das Thier zeigt sich ganz munter, es ist keine Spur einer Reaction bemerkbar.
Den 15. Februar bis 12. März finden sich keine andern wesent­lichen Krankheitserscheinungen als die bei der vorhergehenden Injec­tion angegebenen.
sect;. 358.
p. Fünfzehnter Versuch, an dem Eselhengste und der Eselstute.
Am 12. März erhielt ich aus der Charite ein mit Scropheleiter gefülltes 8 Unzenglas, welcher Eiter eine klumpige wässrige Con-sistenz , wie geronnene Milch , eine gelbröthliche Farbe , einen sehr widerlichen Geruch hatte und stark alkalisch reagirte. Diese Jauche war von einem zwölfjährigen Knaben, welcher seit vier Wochen, an sehr ausgedehnten Scropheln und heftiger Rhachitis leidend, in der Charite lag, aus einer Beule entnommen, die sich an der linken Hüfte entwickelt und die Grosse eines Kinderkopfes erreicht hatte. Sie war gleich nach ihrer Entwickelung mit Jauche angefüllt und wurde des­halb geöffnet. Sie entleerte mehr als ein Berliner Quart Jauche.
Von dieser Jauche gab ich jedem der Esel etwa die Hälfte, also vier Unzen, am 13. März ein.
Ich beobachtete hiernach die Thiere bis zum 20. April, indess es zeigte sich keine Reaction von Erheblichkeit. In den ersten Tagen nach dieser Eingabe waren die Thiere etwas traurig und Hessen vom Fressen ab, sie wurden aber bald wieder munter wie zuvor.
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4. Impfung an Eseln mit Sero pf elmaterie des Menschen von nicht anerkannt rein scrophelkranken
Individuen.
sect;. 359. q. Sechszehnter Versuch, an dem Eseln engst.
Von dem Scropheleiter, den ich zu dem sechsten Impfversuche benutzte, wurden 15 Gran in lauwarmem, destillirtem Wasser aufge­löst und am 23. November in die rechte Jugularis injicirt.
Das Thier wurde hiernach bis zum 15. December beobachtet, es zeigten sich nach der Injection in dieser Zeit keine auffallenden Zufalle. Das Resultat dieser Impfung war wie beim dreizehnten Versuch.
sect;. 360.
r) Siebenzehnter Versuch an der Eselstute.
Mit demselben Scropheleiter, der zu dem vorhergehenden Ver­suche gedient hatte, wurde ein doppelter Wollfaden getränkt und in Form eines kloinen Eiterbandes an der rechten Seite des Hinterkiefers, an der bekannte Stelle, am 23. November gezogen.
Das Resultat dieser Impfung war in der Hauptsache dem der vorhergehenden gleich, und auch hier wurde die Wirkung der Impfung bis zum 15. December abgewartet und beobachtet. Die Wirkungen dieser Impfung waren nur örtlich äusserlich, allgemeine und innere Reactionen fanden nicht statt. Es bildete sich ein bösartiges unreines Geschwür mit sehr lange anhaltender, grösserer Geschwulst, als bei den früheren derartigen Impfungen, die Jauche des Geschwürs nahm eine auffallende Schärfe und einen besonders unangenehmen Geruch an; die Heilung erfolgte von selbst.
5. Reflexion en. sect;. 361.
Diese Impfungen, welche vom Jahre 1834 und 1835 her datiren, schliessen zwar eine Reihe von Versuchen ab, leider aber keineswegs die Sache selbst. Wir haben nichts mehr bedauert, als die Versuche, deren in dieser Sache noch gar viele zu machen wären, nicht fort­setzen zu können, wozu es uns leider an Zeit, Mitteln und Gelegen­heit fehlte und bisher gefehlt hat. Diese Impfungsversuche raüssten vorzugsweise darauf gerichtet sein, den unumstösslichen Beweis zu liefern, dass die Drüsenkrankheiten des Pferdes mit all ihren Formen Scropheln, und dass sie als solche mit den gleichnamigen Krankheiten des
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Menschen identisch sind, und dass endlich, wenngleich beim Menschen die Scropheln nicht als contagiöse Krankheit sich manifestiren, sie nichts desto weniger bei Pferden ein wahres Contagium bilden, das im höchsten Stadium und in der intensivsten Form der Krankheit auch seine höchste Potenz und intensivste contagiöse Wirksamkeit erreicht hat. Wir glauben nicht, dass jener Beweis von uns bereits geführt ist, sind indess um nichts weniger überzeugt, dass er durch weitere Versuche geführt werden kann, und müssten diesen Versuchen sich gleichzeitig die­jenigen über die Heilung der Scropheln des Pferdes in allen Formen, die wir unbedingt für möglich halten, anschliessen, und somit wäre der Gegenstand ein sehr dankbarer und reichlich lohnender, daher der Aufmerksamkeit und Unterstützung der Staatsbehörden würdiger und empfehlenswerther; wobei wir aber bemerken müssen, dass eben sowenig 10 Versuche, wie der Zeitraum eines Jahres ausreichen würden, zu den Endresultaten dieser Fragen zu gelangen; es müssten die Versuche an der Thierarzneischule von einem Sachverständigen, dem es klar geworden, worauf es dabei hauptsächlich ankommt, und der von anderweiten Functionen und Verantwortlichkeiten entbunden ist, damit er diesem Gegenstande allein seine volle Zeit und Kräfte widmen kann, übertragen, dabei aber weder Zeit noch Mittel mit ängstlicher Sparsamkeit ihm bemessen werden, dann erst könnte das Resultat eine Krankheit uns genau kennen lehren und sie vielleicht unschädlich machen, die bis dahin dem Staate und Volke alljährlich grosse Capitalien verschlingt.
sect;.362.
Betrachten wir die Resultate, die uns die vorstehenden geringeil und bei weitem unzulänglichen Versuche geben, so sind diese keines­wegs unwesentlich und bedeutungslos.
Zunächst sehen wir, dass wir zu unsernImpfungen einen Scrophel-stoff von anerkannt rein scrophelkranken Individuen haben müssen und nur von solchem die geeigneten Erfolge erwarten, also auch die allei­nigen Ueberzeugungen gewinnen können. (Vergl. die Versuche 1 bis incl. 5 bis 6.) — Wir sehen ferner, dass wir zu den Impfversnchen eines Serophelstoffs uns bedienen müssen, der von basischer, nicht saurer, Beschaffenheit ist, nur in der basischen Beschaffenheit scheint die Contagiosität begründet zu sein, während das Sauerwerden die Zerstörung derselben zur Folge zu haben scheint. (Vergl. Versuche 1, 7 und 8 mit Scrophelstoff Nr. 1, mit dem Versuche 1 mit Nr. 2 und den Versuchen 2, 3, 4, 5, 9 bis incl. 14). Wenn auch bei diesen letztern Versuchen 9 bis 14 keine besondern Krankheitszu­stande, also keine auffallenden Erfolge erzielt worden sind, so sind noch immer lymphatische Affectionen von mehr und minderem Um­fange, von mehr und minderer Intensität bewirkt worden. Wir sehen ferner, dass gewisse nervöse Krankheitszustände, wie Dumm-
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koller und ähnliche, die einen hohen Grad von Torpidität, Mangelan Receptions- und Reactionsvermögen etc. zur Folge haben, den Wir­kungen des Contagiums entgegen stehen, ihnen gewisse Grenzen setzen, man kann sagen, die Disposition beschränken, denn es ist un­zweifelhaft, dass eben sowol zu den schädlichen, wie zu den wohl-thätigen Wirkungen zu den krankmachenden, zerstörenden, wie zu den gesundmachenden und bildenden Proccssen des Organismus die volle und ungestörte Mitwirkung des Nervensystems erforderlich ist, wenn wir unser Urtheil den Erfolgen anmessen wollen. (Hier vergl. die Versuche 1, 2 und 3, mit 4 und 5). Endlich sehen wir, dass der Scrophelstoff des Menschen ein bestimmt specifisches Contagium beim Pferde, nicht aber beim Esel ist, denn, beim Pferde geimpft, bringt er eine specifische Krankheitsform, die ausgebildete Scrophulosis, hervor, während er beim Esel zwar lymphatische Affectionen bewirkt, eine eigentliche Scrophulosis aber nicht zu bewirken im Stande ist. (Vergl. Versuch 1 bis 5, mit 7 bis 14). Dies lässt uns wieder den Schluss ziehen, dass das Pferd eine vollständig ausgebildete Disposi­tion zu den Scrophelkrankheiten'besitzt, die dem Esel nicht eigen ist. Diese Anlage des Esels lässt sich überhaupt nicht erweisen, noch voraussetzen. Schon aus der Natur und Lebensweise dieses Thieres könnte man a priori annehmen, dass bei ihm eine scrophulöse Anlagenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;'.
nicht existirt. Wenn man Rotz für eine Scrophulosis hält, und eine gewisse Form desselben, die bei weitem häufigste, ist unzweifelhaft eine solche, und man sagt dann: der Rotz ist eine den Einhufern, dem Pferde, Esel, Maulthiere etc., eigenthümliche Krankheit, so können wir diesen Salz nicht unterschreiben, müssen ihn vielmehr entschieden in Abrede stellen, einmal, weil im Esel keine Anlage zur Scrophulosis zu liegen scheint und die originäre Entwickelung derselben bei ihm
auch nicht beobachtet worden ist; andererseits aber dieUebertragun-
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gen von Pferden auf Esel zwar in der Regel leicht und sicher haften und eine sehr heftige rapide tödtliche Krankheit hervorrufen, die aber, als gangränöse Lungenentzündung sich manifestirend, keineswegs als eine Scrophulosis, analog der scrophulösen Ozaena des Pferdes, zu betrachten ist. Wir glauben daher nicht, dass man sagen kann, dass, weil der Esel, vom rotzigen oder drüsenkranken Pferde angesteckt, in eine acute und tödlich verlaufende Krankheit verfiel, derselbe am Rotz oder an Drüsen , d. h. an Scrophulosis erkrankt und gestorben sei; eben so wenig wie man dies von Menschen sagen kann, die ohne scrophulöse Anlage, von jenen Pferdekrankheiten angesteckt, mit einer unter auffallenden gefahrlichen Symptomen tödlich verlaufenden Krankheit befallen wurden. Wenn hiernach der Scrophelstoff von Pferden, besonders aus dem Stadium der Scrophelkrankheit, wo sie sich als Ozaena manifestirt, für Menschen und Esel als eine gefähr­liche, krankmachende Materie anzusehen ist, so kann er doch nicht
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in allen Fällen hier als ein Contagium betrachtet werden , weil, wie wir annehmen müssen, derselbe in diesen Individuen nicht immer die­jenige Krankheit hervorruft, deren Product er ist und in der er sich selber reproducirt. Hierzu müssen wir jederzeit eine scrophulöse An­lage, Disposition, voraussetzen, die wir vielleicht vergeblich bei allen Menschen , vergeblich bei Eseln , suchen , dagegen unzweifelhaft bei fast allen Pferden finden, daher denn auch bei Pferden der Scrophel-stoff als ein so entschiedenes Contagium auftritt, daher die eigen-thümlichen Wirkungen des Scrophelstoffs von Menschen auf Pferde, wie sie die Impfversuche 1 bis 5 nachweisen; denn wenngleich der Versuch 4 und 5 nicht den Ausgang nahm, wie die 3 vorher­gehenden, so ist es doch nicht zu verkennen, dass auch hier, eine vollständige Scrophulosis in Folge der Impfung sich entwickelt hatte.
sect;. 363. Die auffallenden Wirkungen des Scrophelstoffs von Pferden auf Menschen und Esel sind, obwol in gewisser Beziehung speeifisch zu nennen , doch ähnlich denen anderer quot;Krankheitsstoffe auf gesunde Organismen, die weniger als Contagien , sondern mehr als thierische Gifte, wie z. B. Milzbrandgift, Krebsjauche, Maukestoff u. dergl. anzusehen sind, die örtlich in der Regel bösartige, brandige Geschwüre hervorrufen, ins Blut oder in die Lymphe übertragen, in ersterem Falle gangränöse Entzündungen innerer Organe, am häufigsten der Lungen, im letzteren heftige lymphatische Reactionen hervor­rufen etc.*)
*) Einer der schärfsten und gefahrlichsten Krankheitsstoffe, von den man sich eine auffallende Wirkung versprechen dürfte, ist unstreitig (Sie Jauche von Noma (Cancer aquaticns) des Menschen. Ein 41/2 Jahr alter Knabe eines Ber­liner Arbeitsmanns bekam am 8. September 1834 früh Morgens an der linken Seite des Gesichts unterhalb des Mundwinkels, ein Bläschen, welches in wenigen Stunden zur Grosse eines Zweigroschenstücks anwuchs, indem es brandig (schwarz) wurde, aufbrach und eine wässrige, furchtbar stinkende Jauchein grosser Menge entleerte. Dieses Geschwür nahm sehr schnell überhand, indem es sich in wenigen Stunden über den grüsstenTheil des Kinnes verbreitete, wobei die Jauche, von welcher bald der Unterkiefer ergriffen war, immer mehr aus der Tiefe hervorquoll. Am 8. September früh wurde der Knabe in die Charitd ge­bracht und hier die Krankheit für Noma erkannt. Ungeachtet der Anwendung von Chlorkalk, der den stinkenden Geruch der Jauche zu mildern vermochte, griff das Geschwür nach Tiefe und Umfang immer weiter, so dass bis Mittag das Kinn und die Unterlippe ganz davon eingenommen waren. Das Gesicht schwoll, be­sonders an der linken Seite, sehr an; Nachmittags erschien auf der linken Wange ein brauner Fleck, der bald brandig war und mit jenem Geschwur in eins ver­schmolz, so dass nun die Hälfte des Gesichts vom Brande ergriffen war. Mitder aus der Tiefe dieses Knochengeschwürs am Kinn hervorsickerndea scharfen und stinkenden Jauche tränkte ich einen Wollfaden und impfte damit ein Pferd, ohne dass ich davon die geringsten allgemein nachtheiligen Wirkungen sah. Das da­durch hervorgerufene Geschwür blieb local und heilte ohne weiteres Zuthun nach Entfernung des Wollfadens; eine lymphatische Affection erfolgte nicht.
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sect;. 364. Wenn im Allgemeinen, so eclatante Erfolge die Impfungen auch bei Pferden, namentlich diejenigen mit reinem ächten, alkalisch rea-girenden Scropheleiter an gesunden Individuen, zeigen, wie sich dies besonders in den ersten Versuchen darthut, bei den Versuchen mit Eseln keine besonders auffallenden Wirkungen des Scrophelstoffs be­merkt werden konnten, so waren die geringen Erfolge in den Fällen, wo Eiter von anerkannt reinen Scropheln geimpft wurde, wie in dem 7. bis 14. Versuch, doch immer der Art, dass eine Neigung zur Aus­bildung einer Scrophulosis nicht zu verkennen war, da vorzugsweise bei diesen Impfungen Lymphgefässaffectionen sich hervorthaten, also vom specifischen Impfstoff auch specifische Wirkungen, selbst bei Eseln, sich kundgaben*).
6. Capitel.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; * .,
Eintheilung und Formen der Scropheln des Pferdes, Symptome, Frodncte, Wirkungen und Folgen derselben.
p
1. Einleitung.
sect;. 365.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;' *5
Die Scropheln treten bei den Pferden in den mannigfachsten und verschiedenartigsten Formen auf, so dass es selbst dem rationell-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;!
sten Sachverständigen schwer werden kann, einzelne derselben bei ihrem Vorkommen richtig zu erkennen und an ihren eigentlichen nosologischen Standort zu stellen, daher bei der Beurtheilung der-selben stets eine gewisse Vorsicht und Genauigkeit zu beobachten sein wird. Weit allgemeiner sind die Scropheln unter Pferden ver­breitet und weit häufiger kommen sie bei diesen Thieren vor, als dies beim Menschen der Fall ist, und somit dürften auch die Formen der-
*) Dass der Scrophelstoff des Menschen ziemlich indifferent bei Eseln ist, haben die vorstehenden Impfversuche dargcthan, obwol derselbe bei Pferden nichts weniger als indifferent sich erwiesen hat. Bei diesen ist entschieden in den drei ersten Versuchen die sogenannte Rotzkrankheit durch Scropheleiternbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ^raquo;:
des Menschen hervorgerufen. Da nun aber die Effluvien aus der Nase von Pferden, die mit dieser Krankheit behaftet sind, von so sehr auffallender Wir­kung bei Eseln sich zeigen, so wäre es höchst interessant gewesen, von solchen Pferden Impfstoff auf Esel zu übertragen, die durch Scropheleiter vom Menschen scrophulös, oder rotzkrank, geworden waren, um dessen Wirkung zu beobach­ten, ohne Zweifel würde hier kein Indifferentismus bemerkt worden sein. Diese Versuche unterblieben leider, denn Anfangs wollte ich von den ersten 3 Pferden nicht impfen, weil ich dadurch die Esel zu verlieren fürchtete, die ich noch zu Versuchen der directen üebertragung des Scropheleiters vom Menschen benutzen wollte, und später, nachdem sich solche Impfungen als indifferent erwiesen hat­ten, fehlte es mir an geeigneten Pferden zu anderweiten Impfungen.
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selben bei Pferden sehr mannigfaltig sein. Die rhachitische Form der Scropheln, die so häufig und in so grauenvoller Ausdehnung beim Menschen vorkommt, tritt zwar auch bei Pferden, doch selten, fast nie in so ausserordentlicher Ausdehnung und Intensität, auf, und dies findet seine naturgemässe Erklärung in besonderen Verhältnissen. Beim Menschen ist die Scrophelanlage vorherrschend im Entwicke-lungs-, im Kindesalter, vorhanden; die Scrophelkrankheit ist eine Krankheit des Bildungslebens. Der Mensch gehört zu den Omni­voren, bedarf also zu seinem Bildungsleben der animalischen Nahrung, seine Organisation ist, neben der vegetabilischen, auch auf jene Nah­rung angewiesen. Die Kinder der Armen, besonders in grossen Städten, erhalten keine, oder selten animalische Nahrung, Milch- und Fleischspeisen lernen sie kaum kennen, sie sind meist auf Kartoffeln und Brod angewiesen und unterliegen gewöhnlich der Uebersättigung in diesen Stoffen, weil ihnen diese im Uebermaass zu ihrer Beschäf­tigung und Beruhigung in den schlechten ungesunden Wohnungen, in die man sie eingesperrt, zurückgelassen werden, während die Eltern etc., Erwerb suchend, die Wohnungen verschliessend, sie verlas­sen. Mangel an Bewegung und frischer reiner Luft, gehemmter Stoff­wechsel und unterdrückte Assimilation, Ueberwuchern des vegeta­tiven, Zurückbleiben und Schwinden des animalischen Lebens, haben zur Folge die Scrophulosis, die ihre Vollendung der Form und des Characters in Unterdrückung der Hautausdünstung in der Kälte und Feuchtigkeit der Wohnungen und in dem Einathmen der miasmati­schen kohlenstoffreichen, mit Pilzen und Pilzsaamen geschwängerten Luft der Wohnungen findet etc. Daher ist die Scrophelkrankheit in ihren scheuslichsten Gestaltungen und Formen, vorzugsweise eine Krankheit der Armuth und der grossen Städte. Besondere Ursachen rufen besondere Krankheiten und besondere Krankheitsformen hervor, und die fortdauernde ungehemmte Influenz jener Ursachen steigert sie zur höchsten Potenz, darum jene scheuslichen Scrophelexemplare unter den armen Kindern grosser Städte.
sect;. 366.
Erwägen wir diese Verhältnisse, und vergleichen wir sie mit denen, unter welchen das Pferd geboren wird, wie es organisirt und von der Natur zu leben bestimmt ist, wie es seine Jugend verlebt, wie es aufgezogen wird, Verhältnisse die genugsam bekannt sind, daher deren Erörterung hier überflüssig wird, so finden wir, wenn auch nur approximativ, doch manche Analogieen; dagegen anderer­seits wieder so unendlich weit gehende Abweichungen zu Gunsten des Pferdes, dass darin jene naturgemässe Erklärung des gedachten Problems vollständig gegeben ist, und es würden danach Scropheln beim Pferde vielleicht eine ganz unbekannte Krankheit sein, wenn
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dasselbe nicht eben das Thier der Scropheln, geboren mit der ent­schiedensten Anlage zu denselben, in seiner Organisation wäre.
2. Formea, nach dem raquo;Sitz und ihrer Ausdehnung, a) Allgemeine Scropheln.
laquo;) Mit vorzugsweise alleinigen Ergriffen sein des Lymphgefässsystems.
sect;. 367. Diese Form ist die allein rechte und wahre reine Scrophel-krankheit. Sie tritt indess nie rein auf, dies liegt in dem Zusammen­hange und dem organischen Consensus der Gebilde, wodurch stets andere Systeme mehr oder weniger in Mitleidenschaft gezogen wer­den. Die Lymphgefässe, welche in sehr innigem und ausgedehntem Connex mit den Schleimhäuten stehen und einen grossen Theil der Functionen dieser Häute zu vertreten und zu fördern haben, ziehen jedesmal, ohne Ausnahme , sobald sie krankhaft afficirt werden , die zunächst befindlichen Schleimhäute in Mitleidenschaft, und daher kommt es, dass mit dieser, wie mit allen Formen der Scropheln, stets catarrhalische Affectionen verbunden sind.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;gt; *•'
sect;. 368. Man findet bei dieser Form in der Eegel einen wohlgenährten, nur zuweilen abgemagerten Körper, glattes, glänzendes, nur zuweilen struppiges, glanzloses Haar, etwas verminderte Munterkeit, Thätig-keit, Energie und Ausdauer, gewöhnlieh sehr lebendigen, vermehrten Appetit, etwas beeinträchtigte Verdauung, erschwerte, zu Verstopfung neigende Leibesöffnung; verminderte Hautausdiinstung; Trockenheit, Rigidität der Haut mit häufigem Schien und Kleien; etwas vermehrte Harnsecretion, von trüber, schleimiger, sedimentirterBeschaffenheit; Neigung zu ödematösen Geschwülsten an äen Hinterfüssen, am Schlauch , Euter und unter dem Bauche; vermehrten Geschlechts­trieb mit verminderter Zeugungs - und Conceptionsfähigkeit; etwas beengtes Athmen mit periodischem Husten von trockner, oder lockerer Beschaffenheit, mit heiser pfeifendem, oft röchelndem Tone, kraftlos, öfter schmerzhaft, hohl und dumpf klingend ; Abfluss eines weiss-gelblichen, öfter intensiver gelblichen, mitunter mit schmutziggrau­lichem, mitunter mit gräulichem Anflug versehenen, zähen, fadigen, klebrigen Secrets in grosser Menge aus der Nase, welches öfter auch eine klumpige Beschaffenheit, gleich der gekästen Milch , hat, sich in schmutzig bemsteinfarbigen oder grau erdfarbigen, öfter durch­scheinenden Krusten an die Nasenränder festsetzt, hier die Haare verklebt oder wegätzt, von süsslich widerlichem Geruch ist und das
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geröthete Laemuspapier blau, das Curcumapapier braun färbt. Ein gleiches Secret tritt aus den innern Augenwinkeln hervor und trock­net theilweise hier fest. Es ist dies keineswegs verdickte Thränen-feuchtigkeit, wie alle Schriftsteller irrthümlich behaupten, sondern es ist ein Product der krankhaft erregten Schleimhaut der Augen und der in ihr verlaufenden Lymphgefässe, welches nichts mit dem Pro­duct der Thränendrüse gemein hat. Die Schleimhäute der Nase und der Augen sind in'der Regel mit jenem Secret mehr oder weniger dick belegt, sie selbst sind aufgelockert und im Anfange entzündlich gereizt, daher von röthlicher, ins Orange spielender Farbe, mit büschelartig verlaufenden, stark injicirten, intensiv roth gefärbten arteriellen Gefässen, später von bleicher, schmutzig weissgelblicher (Leichen-) Farbe und stark aufgelockert und verdickt, so class zu­weilen durch den Schleimbeleg und die Verdickung der Schleimhaut in den Nasengängen diese so verengt sind, dass die Luft beim Durch­gange sich pressen muss und dadurch beim Athmen in der Nase einen schnüffelnden Ton hören lässt. Die Augen sind in der Regel etwas getrübt, matt, glanzlos und. verschwollen. Die Lymphdrüsen sind im ganzen Organismus mit mehr oder weniger Ausnahme mehr oder weniger geschwollen, hart, in Eins verschmolzen, anfangs entzünd­lich'gereizt, warm, schmerzhaft, später kalt, hart und unschraerzhaft. Zuerst wird in der Regel die Affection der Lymphdrüsen im Kehl­gange, da sie oberflächlich liegen und am häufigsten auch die Lymph­gefässe des Kopfes zuerst inficirt werden, bemerkt. Die Lymph­gefässe sind meistens stark injicirt, oft geschwollen von Lymph­stagnationen. Die Lymphe selbst, sowol der Lymphgefässe, wie des Blutes, ist consistenter, gerinnbarer, plastischer.
sect;. 369. Die Produkte dieser einfachen reinen Scropheln sind jene patho­logischen Effluvien und Anschwellungen ; ihre Wirkungen sind feh­lerhafte Assimilation, gestörter Stoffwechsel, anomale Ernährung als Folge gestörter Digestion und mangelhafte Blutbildung; daher Abmagerung, Affectionen gewisser Systeme oder Organe, Wucherun­gen, Destructionen, Geschwüre u. s. w. und endlich der Tod.
/?) Mit gl eich zeitigem Ergriff en s ei n gewisser Weich­gebilde und Organe.
sect;. 370. Nur in den seltensten Fällen treten die Scropheln bei Pferden als rein lymphatische Form mit -einfacher catarrh alischer Compli­cation auf, weit häufiger sind neben ihnen noch andere Gebilde, .zu denen sie im besondern Connex zu stehen scheinen, mit ergriffen. Dies sind namentlich diejenigen Weichgebilde, die reich an Lymph-
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gefassen und Lymphdrüsen, vorzugsweise dem vegetativen Leben dienen und dabei in Verbindung mit der atmosphärischen Luft stehen. So finden wir eine allgemeine Scrophelkrankheit, bei der alle Weichgebilde der Nasen-, Eachen-, Kieferhöhlen u. s. w. des Kehl­kopfes , der Lungen u. s. w. speciell und intensiv mit ergriffen sind. Diese WeichgeWlde entsprechen den oben beregten Anforderungen und Bedingungen und sind daher vorzugsweise zur Mitleidenschaft bei Scropheln geneigt.
sect;. 371. Die Symptome sind bei dieser Scrophelform denen der unter laquo; beschriebenen Form gleich, und sind nur noch diejenigen hinzuzu­fügen, welche jene Mitleidenschaft, je nach den ergriffenen Organen und Gebilden und je nach dem Umfange und der Intensität des Ergriffenseins mit sich bringt, und werden diese für jeden einzelnen Fall mehr oder weniger Abweichungen erleiden.
sect;. 372. Die Wirkungen und Produkte dieser Scrophelform sind nach jenen Verhältnissen ebenfalls mannigfacher Art. Die Effluvien sind bei dieser Form in der Regel bedeutender und complicirter, daher bösartiger, weil sie vermischt sind mit Stoffen zerstörter organischer Gebilde. Die pathologischen Processe schreiten, bei destructive!' Mitleidenschaft jener Weichgebilde, schneller fort und greifen heftiger um sich, der destructive Krankheitsprocess ist damit in grösserem Umfange vorhanden und schon aus diesem Grunde dem Lebenspro-cess gefahrlicher. — Wucherungen, Geschwüre, polypöse Bildungen, Marksckwamm, Tuberkelbildung, Entzündung, Brand u. s. w. ergrei­fen jene Organe und führen oft langsamer den Tod herbei, nach dem sie entweder allgemeine Dyskrasie und Abzehrung, oder nicht, herbei­geführt haben.
y) Mit gleic hz ei tigem Ergriffen se i n der fest hart e n Theile in mehroder wenigerAusde'hnung.
sect;. 373.
Die Scropheln haben eine entschiedene Neigung, die festharten Gebilde und von diesen die cartilaginösen und porösen, also die Knorpel, die lamellösen Knochen, die Gelenke und porösen Gelenk­enden in Mitleidenschaft zu ziehen. Am liebsten wählen sie diese Gebilde dort, wo dieselben am unmittelbarsten den Einwirkungen der atmosphärischen Luft ausgesetzt sind und zugleich dort, wo der lebendigste Stoffwechsel stattfindet, also auch die meisten Lymph-gefässe sind, daher am Kopfe und in den Cavitäten desselben. Ueberall, wo bei den Scropheln die Knochen oder Knorpel mit leiden.
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haben wir es eigentlich mit derrhachitischenKrankheitsform zu thun. — Bei Pferden ergreift die Krankheit selten andere Knorpel und Knochen , als die des Kopfes, bei ausgewachsenen Pferden scheint das Gegentheil wenigstens noch nicht beobachtet worden zu sein; wenn es vorkommt, so betrifft es nur jugendliche noch im Wachs-thum begriffene Thiere, und zwar dann vorzugsweise die Gelenke der hintern Gliedmassen. Die Gelenkknoehen und Gelenkenden der Knochen sind im Jugendalter noch weicher, poröser, und es findet in ihnen des Wachsthums wegen noch ein grösserer Säftezufluss und ein lebendigerer Stoffwechsel statt, sie sind daher auch reicher mit Lymphgefässen versehen und es ist darum wol erklärlich, dass bei einer allgemeinen Dyskrasie der destructive Krankheitsprocess unter begünstigenden Momenten sich auf diese Theile wirft, weil in ihnen vorzugsweise die Bedingungen gegeben sind, welche den Fortschritt der Krankheit in jeder Weise begünstigen.
sect;• 374.
Beim Ergriffensein der festharten Gebilde und namentlich der Gelenke, gesellen sich den Symptomen der vorhergehenden Form noch diejenigen hinzu, welche die Mitleidenschaft der knorpeligen und knochigen Gebilde charakterisiren. Es sind dies beispielsweise Symptome, welche aus dem Ergriffensein der Gelenke hervorgehen und den Gebrauch der Gliedmaassen hindern und erschweren, also Gelenkentzündungen und Auftreibungen , Hinken , offene, stinkende, virulent und blutig jauchige, copiössuppurirende Geschwüre, Fisteln, heftige reissende Schmerzen, Elephantiasis, Verkrüppelungen man­cher Art u. dergl.
sect;. 375.
Sind dagegen die Knorpel und Knochen cariös, oder necrotiseh, oder in beider Weise ergriffen, dann ändert sich in entsprechender Weise die Beschaffenheit der durch die Nase abfliessenden Effluvien, sie enthalten die ätzende und penetrant riechende Jauche der aufge­lösten Knochensubstanz oder abgestossene Rudimente von Knochen­lamellen und vermehren sich in dem Maasse, als eben zerstörte Par-thieen jener Gebilde, cariöse Knochenjauche, hinzutritt.
sect;. 376. Die Resorption jener Knochenjauche und üeberführung der­selben in die allgemeine Säftemasse, ändert den Character und die Form der allgemeinen Dyskrasie, stört in ausgedehnterem Maasse die Ernährung, erzeugt andere septische Zustände, Abzehrung, die ver­schiedensten Verkrüppelungen und Deformitäten und beschleunigt den Tod. Ob der destructive Krankheitsprocess die Weichgebilde, oder festharten Theile, oder beide ergriffen hat, immer deutet dies
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nicht ein besonderes oder höheres Stadium der Krankheit an, sondern es liegt vielmehr in dem Character der Dyskrasie und in der Dis­position und Natur des erkrankten Individuums, denn es kommen häufig Fälle vor , wo gleichzeitig mit dem Eintritt, oder doch gleich nach demselben, und besonders bei Infectionen, die Schleimhäute, Knorpel und Knochen zerstörend mit ergriffen werden, selbst wenn die Krankheit lange noch als Localleiden sich manifestirt; anderer­seits wieder kann sie Monate und Jahre lang bestehen, ohne dass solches stattfindet, selbst wenn die Krankheit zu einem Allgemein­leiden geworden ist. —
b) Locale Scroplieln.
sect;• 377.
Wir finden die Erscheinungen der Scrophelkrankheit unter Um­ständen auf gewisse bestimmte und begrenzte Oertlichkeiten be­schränkt und finden, dass sie bald längere, bald kürzere Zeit in der localen Form sich erhalten; immer aber werden sie natürlich im weitern Verlauf zu einer allgemeinen Krankheit. Wir finden z. B. die scrophulösen Krankheitsprocesse ihrem Sitze nach vorzugsweise im Kopfe localisirt, als sogenannte Drüsenkrankheit mit blosser Schwellung der lymphatischen Drüsen des Kehlganges, complicirt mit Affeetionen der Nasenschleimhaut; wir finden sie in den Lungen localisirt, mit Schwellung, Degeneration, der Bronchialdrüsen, Tuber­kelbildung in den Lungen, mit Affection der Bronchialschleimhäute, der Luftröhre, der Rachen- und Kopfhöhlen, des Kehlkopfs und der Drüsen im Kehlgange; wir finden sie als geschwürige oder cariöse Form, mit und ohne Affection der Lymphdrüsen des Kehlganges, in den Schleimhäuten, Knorpeln und Knochen des Kopfes; wir finden sie bald auf der einen Seite, bald auf der andern, bald auf beiden Seiten des Kopfes oder der Lungen. —
sect;. 378.
Alle diese Formen liefern uns die Symptome der sub a. aufge­führten Scrophelformen, mit Ausschluss derjenigen, die speciell von der Allgemeinheit des Leidens gegeben sind und nur Bezug auf diese haben. Die Symptome bei diesen localen Formen modificiren sich indess nicht nur wie bei jenen nach dem Grade, den Stadien, den Complicationen, Mitleidenschaften und vorherrschend ergriffenen Organen und Systemen, sondern sie weichen auch ab nach dem Sitz und ihrer Ausdehnung, und sind dies Verhältnisse diebeiBeurtheilung dieser Formen die grösste Beachtung verdienen.
Auch mit den Froducten, Wirkungen und Ausgängen dieser localen Formen verhält es sich, wie bei den allgemeinen Scrophel-
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formen, nur mit dem Unterschiede, dass alle diese Momente stets weiter modificirt sind nach der Localität und Ausdehnung der Krankheit.
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3. Formen nach dem Alter, den Organen und Systemen.
a) Scropheln des jugendlichen Alters, Scropheln der Digestion.
sect;. 379.
Es ist nicht zu leugnen, dass auch beim Pferde das jugendliche' Alter, das der Entwickelung und des Wachsthums, das Alter in wel­chem das vegetative Leben vorwaltend ist, mehr zu den Scropheln disponirt, als die späteren Lebensperioden. Andererseits aber auch tritt im Allgemeinen die Scrophelkrankheit in dem Füllenalter selten so bösartig und mit solchen Zerstörungszufallen auf, wie dies bei Pferden im höhern Alter stattfindet. Dagegen finden wir aber auch wieder im Füllenalter die Scrophelkrankheit in der Regel reiner und selbstsändiger auftretend, als in spätem Jahren , wo sie gewöhnlich eomplicirter und mit andern Krankheiten vergesellschaftet vorkommt, wo sie andere, mannichfach erkrankte, alterirte, afficirte und ge­schwächte Organe findet, auf die sich ihr Krankheitsproces wirft und mit zerstörender Kraft verläuft. Da in dem jugendlichem Entwicke-lungsalter ein grösserer und schnellerer Stoffwechsel, als später, statt­findet, so ist es natürlich, dass die Lebenverhältnisse in jenem Alter so geordnet sein müssen, dass jener Stoffwechsel in jeder Weise ge­fördert wird, da die Hemmung oder Beschränkung desselben jeden­falls Stockungen, Versetzungen und somit nachtheilige Folgen für die gesunde Entwickelung herbeiführen muss. Wenn nun nach der Natur der Sache im jugendlichen Alter das Verdauungssystem in vorherr­schendem Grade in Thätigkeit sich befindet und erhalten werden muss., wenn, wie bekannt, jeder Krankheitsproeess dahin neigt, sich auf die in höchster Action befindlichen, auf die beleidigten oder geschwächten Organe und Systeme zu werfen, so finden wir es natürlich, dass die meisten Krankheiten der Jugend gastrisch , d. h. Krankheiten der Verdauung, der Assimilation und Ernährung sind, indem die meisten Krankheitsprocesse in diesem Alter sich auf das System der Verdauung werfen. Sind die Lebens - und diätetischen Verhältnisse bei jungen Thieren nicht in der Weise geordnet und geregelt, wie die Natur dieses Alters es erfordert, dann ist die scrophulöse Diathese sehr bald, entwickelt und zu einer vollständigen Scrophulosis ausgebildet.
sect;. 380. Die jugendlichen Thiere, so lange sie noch keinen weiteren Zwecken dienen, als dass sie gepflegt und aufgezogen werden, sind noch den weiteren schädlichen Einflüssen zu entziehen, gegen sie zu
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schützen. Ueberdem befindet sich ihr Organismus noch in einer relativ gesunden Harmonie seiner Organe und Systeme zu einander, und Krankheitsursache, so wie Krankheiten selbst, haben noch nicht in dem Maasse störend auf den Gesundheitszustand einzelner Organe oder Systeme gewirkt; und in diesen Verhältnissen liegt der Grund, weshalb wir in jugendlichem Alter die Scropheln in der Regel nicht so bösartig und mit solcher Zerstörungsintensität für die organischen Gebilde auftreten sehen, wie bei altern Pferden, die schon in Gebrauch gezogen und ihren Lebenszwecken dienstbar gewesen sind, weshalb sie aber auch bei jenen in der Regel reiner und selbstständiger auftreten, als bei diesen.
sect;. 381. Wenn aber jene schädlichen Einflüsse, zu denen besonders diätetische Missgriffe und Sünden gezählt werden müssen, fortwirken, so sehen wir auch in diesen Fällen die Scrophelkrankheit bei Füllen eine Höhe und einen umfang erreichen, der das Leben in jeder Weise angreift und zerstört. Wir finden zunächst bei dieser Scrophel-form , bei lebendigem animirten Appetit, Verdauungschwäche; die Nahrungsmittel verlassen theilweise den Darm, ohne ihre assimilir-baren Stoffe abgegeben zu haben und geben Neigung zu Verstopfung, Hartleibigkeit zu erkennen. Symptome wie bei 1. a) a) treten auf; der Bauch erscheint gefüllt, ausgedehnt, die Flanken eingefallen, die Ernährung und das Wachsthum bleiben zurück; die Munterkeit ist geschwunden ; das Haar wird rauh, struppig, glanzlos und nicht ge­wechselt. Es tritt Appetitmangel, Abzehrung , Neigung zum Erde-und Kalkgenuss, besonderer Appetit auf Stroh, Holz u. dgl., dagegen Abneigung gegen alles Korn und Heu, ein. Es zeigt sich ein Auf­trocknen des Hinterleibes und Einfallen der Flanken bei Schwinden der Muskeln. Oft gesellen sich dazu, wenn die Thiere nicht schon der Abzehrung unterliegen, noch Lungen- und Leberaffectionen, An­schwellung der Gliedmaassen, Auftreibung der Gelenke, cariöse Zer­störungen derselben, Bauchwassersucht u. dgl., Wechsel von Ver­stopfung und Durchfällen etc., und die Thiere erliegen der Entkräftung.. Die Gekrösdrüsen sind vergrössert, verhärtet, zum Theil vereitert; die Lymphgefässe vertrocknet, die Gedärme erschlafft, erweitert, von Gasarten aufgetrieben und ihren Schleimhäute dick mit einer zähen, klebrigen, schmutzig gelbbräunliehen Schleimmasse belegt.
b) Scropheln des spätem Alters.
sp i ration.
Scropheln der Re-
sect;. 382.
Die Zwecke, für welche wir das Pferd in der Regel verwenden, sind meistens solche, bei denen das Respirationssystem besonders in
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grössere Thätigkeit und Affection gesetzt wird. Sobald die geeigneten Veranlassungen den scrophulösen Krankheitsprocess hervorrufen, wirft sich derselbe, dem Gesetz aller Krankheiten folgend, auf die zunächst und am meisten afficirten Respirationsorgane, und so kommt es, dass die Scropheln des Pferdes meistentheils mehr oder weniger mit Affectionen dieser Organe verbunden sind und in diesen ihren destructiven Verlauf nehmen.
sect;. 383. Die Symptome, die überhaupt die Zufälle der Scrophelkrank-quot; heit sind, zeigen bei dieser Form sich noch in den Eigenthümlichkeiten ihrer Localaffection und Complication, und wir finden hier immer noch, neben jenen, diejenigen, welche das mehr oder weniger Ergriffen­sein der Eespirationsorgane characterisiren. Die organischen Ver­änderungen, welche sie hervorrufen, bestehen in Knoten- und Tuberkel­bildung, in Hepatisation, Vereiterung, Bildung von Markschwamm, carcinomatöser Substanzzerstörnng, Verblutung, gangränöser Ent­zündung u. dergl.
c) Scropheln jeden Alters, Scropheln der ganzen Ernährungssphäre, der Assimilation.
sect;. 384.
Wenn wir die Scropheln ad a. die der Verdauung nennen wollen, so müssen wir die ad b. als Scropheln der Respiration bezeichnen. Wir haben es hier nun aber noch mit einer 3. Form zu thun, welche wir die Scropheln der ganzen Ernährungssphäre nennen müssen, weil durch diese speciell weder das eine, noch das andere System mehr oder weniger, sondern die ganze Ernährung, d. h. Verdauungs-, Respira­tions-, Blutgefäss - und Lymphgefässsystem , gemeinschaftlich und gleichmässig ergriffen werden. Dies ist eigentlich die unter Pferden am häufigsten und am verbreitetsten vorkommende Scrophelform, es ist diejenige Form, welche primär nach dem Genuss schlechter, ver­dorbener , schimmlich und dumpfig gewordener Nahrungsmittel und dadurch entstandener Verdauungs - und Assimilationsst'örung und Verdorbenheit der Säfte, secundär aber nach fehlerhaft und schlecht behandelten, zurückgetretenen, fieberhaften catarrhalischen Krank­heiten, wohin ausser Strengel etc. vorzugsweise die Druse zu rechnen ist, also nach sogenannter verschlagener Druse, entsteht.
sect;. 385. Diese Scrophelform finden wir sowol bei jungen, wie bei altern und ganz alten Pferden , am seltensten bei letztern , seltener bei jun­gen , am häufigsten aber bei Pferden im mittleren und kräftigsten Alter. In alten Pferden ist die Scropheldisposition schon abge-
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schwächt und junge Pferde, Füllen werden geschont und können den regelmässigen Verlauf der catarrhalischen Krankheiten abwarten, ausserdem ist es überall Gebrauch, dass sie regelmässiger gefüttert und gepflegt werden, und dass man für sie stets das beste und ge­sundeste Futter aussucht und aufbewahrt. Dagegen, abgesehen da­von , dass die Pferde des mittlern Alters überhaupt die grössere Zahl der Individuen bilden , so sind dies diejenigen Thiere , deren Kräfte am meisten und zu jeder Zeit angestrengt, und die überhaupt für alle Zwecke verwendet werden. Zu jeder Arbeit benutzt und jedem Witterungseinfluss exponirt, wird ihnen selten die Zeit gelassen und die Gelegenheit geboten, den ruhigen und regelmässigen Verlauf der catarrhalischen Krankheiten, denen sie durch jenen Verhältnisse häufiger anheim fallen , als die Pferde anderer Alterstufen, abzuwarten, und wenn hierin schon hinreichende Momente liegen, nach denen diese Scrophelform hier am häufigsten vorkommen muss, so sind sie jeden­falls noch in eben solcher Zahl darin gegeben, dass man bei diesen Pferden, die vorzugsweise den Arbeits-, Postschlag etc. abgeben, mit den Nahrungsmitteln nicht so wählerisch und vorsichtig ist, wie bei den Füllen etc., so dass, wenn Jahre eintreten, wie dies so häufig vorkommt, wo es viel verdorbenes Futter giebt, in der Regel die Pferde dieses Alters es sind, die dasselbe verzehren müssen.
sect;. 386. Diese Form der Scropheln ist es vorzugsweise, die einen recht langsamen Verlauf nimmt, sobald nicht Localaff'ectionen , besondere Mitleidenschaft, einzelner zum Leben sehr wichtiger Organe etc. ein­treten, und liegt dies darin, dass, wenn nicht durch besondere Ver­anlassungen besondere Störungen eintreten, jederzeit eine gewisse Harmonie und Uebereinstimmung, ein sich gegenseitiges Bedingen und Aufheben, ein Entgegenwirken und Unterstützen, ein Neutrali-siren, in dem anomalen Lebensprocess der verschiedenen krankhaft erregten und thätigen Systeme, sowie in der sttattfindenden Ent­mischung und Zusammensetzung der Säfte, zu erkennen und anzu­nehmen ist und, dass endlich weder ein Organ noch ein System vorwraltend den pathologischen Lebensprocess, mit rapidem Verlauf auf Kosten anderer, führt und beendet, dass weder Gefäss- noch Nervensystem, in krankhafter Aufregung und Reizbarkeit sich be­findet, im Gegentheil das animalische Leben darnieder liegt und der ganze Lebensprocess einen langsamem mehr vegetativen Verlauf an­genommen hat.
sect;. 387.
Die Symptome, welche diese Scrophelform begleiten und characte-risiren sind, wenn wir den, diese Form in der Regel besonders aus­zeichnenden , sehr langsamen und regelmässigen Verlauf noch hinzu-
Et-dt, Rolzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; t3
#9632;#9632;#9632;
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fügen, mit denen übereinstimmend, die wir l.a. a. angegeben haben, und finden wir vorzugsweise darin eine Abweichung, dass Pferde, mit dieser Krankheitsform behaftet, unter Erscheinung eines glatten glänzenden Haars, sich Jahre lang im wohlgenährten Zustande er­halten und sich besser mästen, als anderweitig ganz gesunde Pferde. Wir finden ferner in so weit besondere Abweichungen in den Symp­tomen , als bei dieser Form vorzugsweise jederzeit die Schleimhäute in höherm Grade krankhaft mit ergrifien sind und das Secret dieser Häute, wesentlich ein patholgisches Product, und daher sehr verändert, in grosser Quantität abgesondert und durch die Nase entleert, mit pathologisch veränderter aus den Lymphgefassen abgesonderter Lymphe verbunden, ein in Qualität und Quantität auffallend abweichendes Effluvium bildet, welches sich durch corrodirende Schärfe, alkalische Prävalenz stets homogene, dickliche, zähe, klebrige Beschaffenheit, einen eigenthümlich stisslich widerlichen Geruch und sich stets gleich bleibende, gesättigt schmutzig gelbliche, mitunter wol ins grünliche spielende, beim Verdicken , transparent grünlich - bräunliche Farbe characterisirt.
4. Formen nach dem Verlauf und der Dauer.
a. Acute Scropheln mit acutem Verlauf.
sect;. 388.
Wir haben hier eine Form der Scropheln zu betrachten, die bei Pferden im Ganzen nicht zu den seltenen Erscheinungen gehört. Sie tritt lieber bei Race- und Pferden von Temperament, als bei andern, auf und erscheint gewöhnlich in den Fällen, wo Pferde nach langer Euhe und guter Pflege heftig und anhaltend über ihre Kräfte oder Gewohnheit angestrengt, oder wo sie nach überraässigen Strapatzen, magerem schlechtem Futter, Hunger und Abmagerung, plötzlich in Ruhe und gute Pflege versetzt und mit stark nährenden, die Ver­dauung belästigenden Futterstoffen genährt werden, so dass sich in kurzer Zeit eine Säftefülle und Uebersättigung ausbildet.
sect;. 389. Nachdem sich unter den geeigneten Verhältnissen und auf Ein­wirkung der veranlassenden Ursachen, eine scrophulöse Diathese aus­gebildet hat, tritt plötzlich Fieber mit kleinem, unterdrücktem, zittern­dem, schnellem Pulse, bei allgemeiner Hitze, Zittern und Haarsträuben, ein; der Appetit ist gänzlich geschwunden, die Kothentleerung er­schwert, der Koth hart und trocken; der Urin vermindert, klar und braun; die Haut ist trocken, die Temperatur ungleichmässig vertheilt und wechselnd ; die sichtbaren Schleimhäute sind intensiv hoch ge-
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röthet, zuweilen ins Orange spielend, feucht, aufgelockert; (iieAugen sind verschwollen und thränend ; der Puls ist fieberhaft erregt, klein, zusammengezogen, zitternd, sehr schnell; dasAthmen ist beschleunigt, ziehend mit den Seiten. Im Kehlgange sind die Drüsen an einer oder an beiden Seiten angeschwollen, bei manchen Patienten wie eine Wallnuss, bei andern, und häufiger, wie eine Mannsfaust gross. Die Geschwulst ist in der Regel mit Ergiessungen in das umgebende Zellgewebe, daher mit Oedemen in ihrer Umgebung, verbunden, die Drüsen sind hart, sehr schmerzhaft, unverschiebbar, wie festsitzend. Aus der Nase fliesst ein wässriger, grau weisser, durchsichtiger Schleim ab. Es finden sich an verschiedenen Körperstellen, am häufigsten an den Hinterfüssen, Entzündungs - und oedematöse An­schwellungen. Diese Erscheinungen entwickeln sich oft in wenigen Stunden, öfters in nicht mehr Tagen und dauern auch nicht länger, denn dann treten schon wieder andere Zufälle auf. Die Drüsen­geschwülste im Kehlgange werden härter, oft grosser, die umgebende Geschwulst verbreitet sich weiter bis zu den Augen und Nasenlöchern, wodurch zuweilen der ganze Kopf ein verschwollenes Ansehen erhält; die Nasenränder schwellen an, werden hart und verengen die äussern Nasenöffhungen , das aus diesen abfliessende Secret hat mehr Con-sistenz und eine gelbgrünliche oder bräunliche Farbe angenommen, es ist zuweilen aber auch schon von schmutzig grauer Farbe und, wäh­rend es in jenem Falle eine homogene Beschaffenheit hat, ist es im letztern wässrig, flockig, wie ein Gemenge von verschieden'aggregir-ten Bestandtheilen; es fliesst in sehr grosser Menge ab, die sich jeden Augenblick vermehrt, es riecht süsslich widerlieh und reagirl scharf alkalisch ; es ist von ätzender, klebriger Beschaffenheit, verklebt die Haare an den Naseneingängen und, indem es sich hier festsetzt, ver­engt es die Oeffnungen noch mehr, so dass dadurch ein schnüffelnder Ton beim Athmen hörbar wird. Ein ähnliches Secret der Conjunctiva tritt aus den innern Augenwinkeln hervor und setzt sich, verdickend, zum Theil hier fest. Die Schleimhäute de'r Nase sind sehr aufge­lockert, sie haben eine ins Orange schillernde intensiv hochrothe Farbe und die Schleimdrüsen auf derselben sind der Art ange­schwollen , dass sie wie kleine Wärzchen hervorragen. Von den Drüsen des Kehlganges aus, auf der Geschwulst über das Gesicht nach den Augen und den Nasenrändem zu, verlaufend, treten mehr oder weniger dick angeschwollene Lymphgefösse hervor, die sich um die Nasenränder umschlagen und hier sich auf der Schleimhaut ver­lieren. Auf dieser bilden sich einzelne gelblich durchsichtig erschei­nende Pünctchen, die bald zu kleinen Bläschen werden, in denen eine klare gebliche Lymphe enthalten ist, diese platzen auf und bilden nun eine fortwährend sickernde Quelle gelblicher Lymphe, welche den Ausfluss aus der Nase bedeutend vermehrt, ihn noch klebriger
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macht, wesentlich die Farbe verändert und, an den Nasenrändern an­trocknend, die bekannten bernsteinfarbigen Krusten bildet. Das zer­platzte Epithelium jener Bläschen schlägt sich nach innen um, indem der Rand sich in sieh zusammenzieht, und bildet einen wallförmigen Band, unter welchem der rauhe , warzig scheinende Grund des nun offenen Geschwürs sich noch fortsetzt.
Nicht immer sind jene angedeuteten Geschwülste an andern Körperstellen mit diesem Zustande verbunden, wo sie aber vor­kommen, bilden sich in dem bis dahin angegebenen Verlauf der Krankheit, gleichzeitig mit den angedeuteten pathologischen Ver­änderungen, auch auf ihnen strangförmig verlaufende Lymphgefass-anschwellungen, in deren Nähe die Lymphdrüsen angeschwollen und verhärtet sind; an jenen Lymphgefässen laufen Beulen von ver­schiedener Grosse, gewöhnlich von rundlicher halbkugeliger Form, auf, die bei immer weiter gehender Ausdehnung und damit Schritt haltender Verdünnung des Epitheliums, platzen und nun Geschwüre bilden, die in äusserer Erscheinung, Ursachen, Form und Product jenen in der Nase enstandenen gleich sind.
sect;. 390. Während dieser Vorgänge ist der Appetit ganz geschwunden und hat das Fieber sieh bedeutend gesteigert und eine septische Form angenommen; Abmagerung ist eingetreten. Die Brustorgane sind heftig afficirt; eine zerstörende Lungenentzündung mit galloppirender Hepatisation und Knotenbildung, oder mit septischer Auflösung und Zerstörung der Lungensubstanz und ihrer Gefässe, wo dann oft heftiger Blutsturz, oder mit gangränösem Ausgang, wo dann Lungenlähmung und Tod den allgemeinen Tod plötzlich und vorschnell herbeiführt, giebt sich in den diesen Krankheitszustand begleitenden Zufällen der Athmungsbeschleunigung und Athmungsbeschwerden zu erkennen und macht dem weitern Vorschi-eiten des eigentlichen scrophulösen Krankheitsprocesses ein übereiltes Ende. Dieser Verlauf und Aus­gang der Krankheit von ihrer Entstehung an, ist oft das Werk von 2 bis 4 Tagen.
sect;. 391.
Treten jene plötzlich und schnell tödtenden Lungenzufälle, wie Brand oder Blutsturz, nicht ein, dann ist jenem Krankheitsprocess noch weitere Zeit zu seiner vollständigen Entwickelung in folgender Weise gegeben. Die Athmungsbeschwerden nehmen zu in dem Maasse, als die Degeneration der Lungen in Hepatisation, Lungen­knoten und plastischen Ausschwitzungen, häufig auch mit porösen Ausschwitzungen in die Brusthöhle, vorschreitet. Das aus der Nase abfliessende Secret, besonders die aus den zerplatzten Lymphgefäss-enden hervorsickernde Lymphe, besitzt eine so eigenthümliche, ätzende
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Schärfe, dass sie die wallförmigen Ränder der Geschwüre bald zer­stört und in zackige flache Ränder verwandelt und dann, weiter um sich fressend, die , entweder in einzelnen Gruppen zusammenstehen­den , oder auf der ganzen Schleimhaut der Nase mehr gleiehmässig vertheilten Geschwüre, mit einander vereinigt und in eine grosse Geschwürsfläche verwandelt, gleichzeitig in die Tiefe gehend, die Schleimhaut zerstörend, die cartilaginösen und Knochenlamellen angreift. Diesen weitern Fortschritten entsprechend. ändert sich wieder die Beschaffenheit des Ausflusses, sie wird von mehr brauner, weniger klebriger, mehr aashaft stinkender, öfter mit Blut und selbsr zuweilen mit exfoliirten Knoehenstückchen untermischter, jauchiger Beschaffenheit. Zuweilen bilden sich auf den Geschwürsflächen markschwammartige Wucherungen, die leicht und stark bluten und so schnell und ausgedehnt fortschreiten, dass sie binnen Kurzem die von den Lungen ausgehenden Athmungsbeschwerden der Art ver­mehren , dass ein Schnarchen und Röcheln durch die Nase herbeige­führt wird und dass sie den durch Erstickung und Lungenlähmung herbeigeführten und eingetretenen Tod bedeutend beschleunigen helfen. Dieser Ausgang bedarf, von der Entstehung der Krankheit an, in der Regel nicht länger, als 8 bis 10 Tage.
sect;. 392.
In der Regel markirt sich diese acute septische Form der Scro-pheln, zu denen sich häufig das Faulfleber mit allen seinen Symptomen der Putrescenz gesellt, gleichzeitig mit den Fieberzufällen, die ein steter Begleiter derselben sind, zunächst durch äussere lymphatische Krankheitserscheinungen und consensuelles Mitergriffensein der Schleimhäute der Respirationswege. Es treten gewöhnlich zuerst jene Anschwellungen der Lymphdrüsen im Kehlgange, Anschwel­lungen von Lymphgefässen im Gesicht, an den Hinterfüssen, an den Seiten des Bauches, der Brust, des Halses efc. mit Knoten- und Ge­schwürsbildung auf, wobei die Schleimhäute der Nase und Augen irritirt sind und stärker absondern, und demnächst treten die andern Zufälle hinzu, von denen der weitere und schnelle Verlauf der Krank­heit begleitet ist. Doch zuweilen hat dieselbe Krankheit mit rapidem Verlauf bereits bedeutende Progresse in den Athmungsorganen ge­macht, bevor jene äussern Zufälle eintreten, und wir haben es bereits mit einer vollkommen ausgebildeten innern Scrophulosis, in deren Gefolge bedeutende pathologische Veränderungen und organische Zerstörungen entstanden sind, zu thun, die entweder als eine typhöse oder gangränöse Pulmonitis oder Bronchitis sich zu erkennen giebt, und oft mit bedeutenden, anhaltenden Blutflüssen oder plötzlich und unerwartet eintretenden Blutstürzen, aus zerfressenen Lungengefässen herrührend, verbunden ist, bevor sich äusserlich ein Merkmal der
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Scrophulosis zu erkennen giebt, und wenn nicht jener innere Krank-heitsprocess, jene Blutstürze etc. das Leben vorzeitig in sehr kurzer Zeit enden, dann treten auch äusserlich noch die vorgedachten Sym­ptome der Scrophulosis plötzlich auf und machen es dem Arzte erst klar, mit welcher Krankheit er es hier eigentlich zu thun hat. Die Diathese, aus welcher diese Krankheit sich bildet, ist unzweifelhaft eine scrophulöse, und der zunächst sich entwickelnde KrankheitsstoflT ist gleichfalls scrophulöser Natur, aus dessen eigenthümlichem Reiz auf die Respirationsorgane und Säftemasse sich jene eigenthümliche Krankheit bildet, die wir nach ihrem Gmndwesen zwar als eine Scrophelkrankheit erkennen müssen, die in diesem Falle aber nicht als idiopathische, sondern als sympathische Scrophelkrankheit ange­sehen werden muss, da hier, neben dem Lymphgefässsystem, dasBlut-gefässsystem in eine gleiche Mitleidenschaft gezogen ist und die sich bildende Dyskrasie auf die ganze Säftemasse des Organismus primär ausdehnt.
b. Acute Scrophelnmit chronischem Verlauf.
sect;. 393.
In manchen Fällen sehen wir die Scropheln bei Pferden ganz in* derselben Weise und unter denselben Verhältnissen nnd Bedingungen auftreten, wie die vorigen, und können wir daher füglich die weitere, nähere Beschreibung unterlassen. Plötzlich dagegen, nachdem sich bereits die Ozaena nasalis und die lymphatische Helcosis der Haut ausgebildet hat, ändert die Krankheit ihren Character, indem sie den chronischen Verlauf annimmt. Das Fieber und alle consensuellen und sympathischen Anschwellungen, alle Entzündungssymptome verlieren sich und die Krankheit scheint gewissermassen einen Stillstand zu machen. Die Drüsenanschwellungen begrenzen sich bestimmter, der Ausfluss aus der Nase wird mehr homogener, dicklicher, zäher, eiter­artiger, klebriger, zuweilen mit Blutspuren vermischt. Nur die Ge­schwüre in der Nase und auf der Haut vermehren sich und die vor­handenen erweitern sieh nach dem Umfange und der Tiefe succes-siv. Die generelle Affection der Lungen, die beim Eintritt dieser Krankheit jederzeit, mehr oder weniger ausgebildet, auftritt und leicht einen putriden gangränösen Character annimmt, zertheilt sich und geht in eine chronische Tuberculosis über, indem sich successive die Miliartuberkeln bilden. Die Krankheit nimmt nun ihren gewöhnlichen, langsamen Verlauf und kann nicht nur Monate, sondern ein Jahr und länger dauern, ihr gewöhnlicher Ausgang ist der in allgemeine Dys­krasie mit Faulfieber und Abzehrung.
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c. Chronische Scropheln mit acutem Verlauf. sect;. 394.
Obwol diese Form der Scropheln bei Pferden nur äusserst selten auftritt, so kommt sie nichts desto weniger doch vor und verdient deshalb auch hier erwähnt zu werden. Ganz unscheinbar bildet .sich im Kehlgange an einer oder an beiden Seiten eine mehr oder weniger starke, etwas schmerzhafte, entzündete, harte Drüsenanschwellung; zu dieser gesellt sich bald ein trockner Reizhusten der Lunge, etwas Anschwellung und Röthung der Nasenschleimhaut und Bindehaut des Auges der entsprechenden einen oder beiden Seiten und wenig wäss-riger Ausfluss aus der Nase und dem betreffenden Auge. In wenigen Tagen ist der entzündliche Zustand der Drüsen geschwunden, sie haben sich mehr in sich zusammengezogen, sind unschmerzhaft, weniger gespannt, dafür aber elastisch hart und etwas körnig gewor­den , und während sie bis dahin eine mehr runde, längliche oder kuglige Form hatten und fest zu sitzen schienen, sind sie jetzt mehr flach und verschiebbar geworden und fühlen sich ungleich, wie zerspalten, getheilt, an. Mit dem Eintritt dieser Erscheinungen werden die sicht­baren Sehleimhäute bleich, schmutzig gelblich schimmerd, aufge­lockert und secerniren ein schmutzig gelbliches, homogenes, zähes, klebriges Secret, welches in geringer Menge aus den entsprechenden Nasenöffnungen und Innern Augenwinkeln abfliesst und theilweise an die hier zunächst befindlichen Haare anklebt und antrocknet. Der Reizhusten der Lungen verliert sich ganz. Der Appetit, die Verdauung und alle andern Lebensfunctionen gehen ungestört von statten. Die Haut, scheint in ihren Functionen etwas gestört zu sein, sie ist stets mehr trocken, mehr mit Schien, Staub, belegt, die Patienten putzen sich schlechter und das Haar hat, obwol die Ernährung sehr gut ist, nicht den sonst gewöhnlichen Glanz. So dauert die Krankheit Monate lang, und je nachdem die Tuberkelbildung in den Lungen einen Still­stand macht, langsamer oder schneller vorschreitet, entwickeln oder verändern sich die andern Krankheitssymptome sehr langsam, langsam oder schnell.
Plötzlich ändert sich die Krankheit, es treten Fiebersymptome ein, wie wir sie bei der Form sub a beschrieben haben, die Haare sträuben sich, haben ihren Glanz ganz verloren, die Temperatur ist ungleichmässig vertheilt und wechselnd, das Athmen wird kurz , be­schleunigt, öfteres Zittern, Schmerz in den Gliedmassen stellt sich ein. Der Appetit verschwindet gänzlich, der Koth wird hart und trocken, der Urin wird geringer, klar und braun von Farbe, die sichtbaren Schleimhäute nehmen eine intensiv dunkelrothe Färbung an etc., und die Krankheit nimmt nun denjenigen Verlauf und Ausgang, mit allen
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jenen Veränderungen, den wir in der sub a beschriebenen Form näher und ausführlicher angegeben haben.
d. Chronische Scropheln mit chronischem Verlauf.
sect;. 395.
Dies ist offenbar die am gewöhnlichsten und am häufigsten vor­kommende Form der Scropheln bei Pferden. Wir finden diese Form unter Pferden jedes Alters, jeder Race und jedes Lebensverhältnisses auftreten, am häufigsten indess erscheint sie bei solchen geringerer Race, von schlaffer Faser, aufgeschwemmter, vollsäftiger Constitution. Sie tritt ganz unscheinbar, ohne Fieber und Athmungsbeschwerden und ohne alle sonstigen auffallenden Symptome, auf, und keine der gewöhnlichen Lebensverrichtungen ist gestört. Man bemerkt zunächst etwas Anschwellung der Lymphdrüsen im Kehlgange, zu welcher sich gleichzeitig catarrhalische Aftectionen der Nasen- und Augen-schleimhäute gesellen; die Augen erscheinen getrübt. Die Krankheit zeigt sich entweder an einer oder an beiden Seiten des Körpers. Die Drüsenanschwellung ist bald gross, bald klein, bald festsitzend, bald lose, bald hart, bald weicher, bald gleichmässig zusammenhängend, bald körnig getheilt, mitunter schmerzhaft, mitunter unschmerzhaft; in den meisten Fällen dagegen ist sie von bedeutendem Umfange, ist festsitzend, elastisch hart, kautschuckartig anzufühlen, gleichmässig zusammenhängend und unschmerzhaft. Die Schleimhäute der Nasen­höhlen und der Augen sind aufgelockert und feucht, von bleicher, livider Farbe, schmutzig graugelblich und mit einem zähen, klebrigen Secret von gleicher Farbe belegt. Dieses Secret fliesst Anfangs der Krankheit aus den Nasenöffhungen und Innern Augenwinkeln, von gleicher Beschaffenheit, in nur sehr geringer Menge, ab, es hat eine wässrige, mehr dünne Consistenz, eine durchscheinende, schleim­artige, weissgraue, etwas schmutzige Farbe, ist klebrig, verklebt die Haare an den Nasenöffnungen und den innern Augenwinkeln und vertrocknet hier zum Theil zu grau schmutzigen Krusten. Die Krank­heit schreitet successive vor, und damit ändern sich auch gradatim die hier angegebenen Symptome. Die Beschaffenheit der Lymphdrüsen des Kehlganges bleibt unverändert und nur die krankhaften Erschei­nungen auf den sichtbaren Schleimhäuten und die Producte dieser verändern sich, sowol quantitativ wie qualitativ ; oder auch jene Drüsen verändern sich in folgender Weise: Die Anschwellung derselben wird grosser und dann fliessen sie in Eins zusammen, indem ihre körnige getheilte Beschaffenheit aufhört und sie schmerzhaft werden, sie legen sich an den Kiefer fest an und werden nun unverschiebbar und hart. Der Umfang, den die Geschwulst der Drüse erreicht, ist mitunter der einer Mannsfaust, mitunter bleibt dieselbe auch schon
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auf einem weit kleinern Maasse stehen. Die Auflockerung der Schleim­häute nimmt zu, die Schleimbälge schwellen an und erheben sich wie zahllose kleine warzige Puncte über die Oberfläche derselben, aus denen ununterbrochen ein pathologisches Secret, von klarer wasserheller Färbung, hervorsickert, welches der Fläche ein glänzen­des, gefirnisstes Ansehen giebt. Sei es, was noch unerforscht ist, dass die Saugmündungen der Lymphgefässe ihren Dienst versagen und die zur Aufnahme in sie bestimmten Stoffe auf der Schleimhaut zurück lassen, wo dieselben dem pathologischen Schleimsecret sich beimischen, dessen Consistenz und Farbe modificiren und sein Quantum vermehren, oder sei es, was wahrscheinlicher ist, dass, von den ange­schwollenen und verhärteten Lymphdrüsen aus, eine Stagnation der Lymphe in den Gefassen bis zu den Sangmündungen derselben auf der Nasenschleimhaut statt findet und hier aus den erweiterten Mün­dungen hervorsickernd sich mit jenem Schleimsecret vermischt und auf diese Weise dessen qualitative und quantitative Beschaffenheit verändert; oder endlich sei es, dass eine lymphatische Beimischung weder in der einen, noch in der andern Weise statt findet und die Qualität des Secrets der Schleimhaut modificirt, sondern dass viel­mehr dies durch eine verlängerte Einwirkung der atmosphärischen Luft auf jenes Secret bewirkt wird, indem es, nach und nach von den obern Regionen der Nasenhöhlen herabfliessend, nach den Nasen­öffnungen zu sich anhäufend, längere Zeit mit der Luft in Berührung ist und hierdurch an Consistenz zunimmt und in seiner farbigen Be­schaffenheit sich wesentlich verändert; der Ausfluss verändert sich in der Art, dass er sich bedeutend vermehrt, entweder homogen, durch­scheinend klar, von intensiv gelblicher, zuweilen fast bräunlicher oder braungelblicher Farbe, klebrig und leicht trocknend oder vielmehr gerinnend wird, oder heterogen erscheint, indem er gemischt aus einer dünnflüssigen klar durchsichtigen schleimigen und einer coagulirten, klümprigen, käseartig erscheinenden undurchsichtigen, weisslich gelb­lichen oder mehr gelblichen Substanz besteht; derselbe ist ebenfalls klebrig, zähe, verklebt die Haare und trocknet an den Nasenrändern und in den Innern Augenwinkeln, in jenem Falle zu dunkelgelben oder bräunlichen durchscheinenden bernsteinfarbigen, in diesem zu hellgelben oder grünlichen, nicht durchscheinenden Krusten an, zu denen er sich zuweilen schon an einzelnen Stellen in den Nasengängen zu grösseren Massen verdichtet, die, den Luftdurchgang mehr oder weniger hemmend, ein schnüffelndes Athmen bewirken. Die Schleimhaut, der Nase bekommt mitunter hoch- oder dunkelrothe, mitunter violett scheinende grössere oder kleinere Flecke; mitunter nadelkopf- oder linsengrosse, mit klarer Lymphe gefüllte Bläschen, die platzen und oft verschwinden, ohne dass eine Geschwürsbildung statt hat; die aber auch zuweilen zu Geschwüren werden, in denen das Nasenhaut-
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secret die Ränder zerstört und eine weitere Ausdehnung des Geschwürs bewirkt. Es ist hier aber nur das Epithelium und die Membrana mucosa oberflächlich zerstört und darum verheilen dergleichen Geschwüre oder corrodirte Stellen zuweilen ohne alles Zuthun, indem sie stern­förmige, weisse Narben hinterlassen. Zuweilen entstehen dann weitere Geschüre, zuweilen nicht, während die Krankheit langsam fort­schreitet und erst nach Jahr und Tag oder in längerer Zeit sich weiter ausbildet und vollendet oder einen ungünstigen Ausgang macht, oder Jahre lang auf einer Stufe stehen bleibt und dann endlich in Heilung oder in eine bösartige Krankheit und Tod übergeht, oder auch schon früher zur Heilung sich entscheidet. Während des ganzen Verlaufs und der Dauer dieser Krankheit ist sie ansteckend, und so gutartig, gelinde und unbedeutend sie in manchen Fällen erscheint, ruft sie, auf andere Pferde übertragen , nicht selten das bösartigste, rapideste in seinen Wirkungen und Folgen verderblichste Leiden hervor.
sect;. 396.
Es ist unzweifelhaft, und weisen dies die Sectionen solcher ge­fallenen oder getödtetcn Pferde nach, dass während dieses Verlaufs und der Dauer dieser Krankheit, welches schon im Leben die eigen-thümlich heiser pfeifende, trockne, erstickende Form des Hustens zu erkennen giebt, die Lungen in specifischer Weise pathologisch afficist und degenerirt sind, man findet öfters Hepatisationen, immer aber Miliartuberkeln in mehr oder weniger grosser Ausdehnung in ihnen, wenn die Krankheit erst einige Zeit bestanden hat. Sowie nun aus irgend einer Veranlassung, aus Disposition etc., oder nach dem inner­lichen Wesen der Krankheit diese zur vorigen Form sich gestalten kann, indem sie plötzlich einen acuten Verlauf annimmt, so bleibt sie aber in den meisten Fällen bei ihrem chronischen Verlauf und geht in Jahren oft erst in Genesung, oder in einen bösartigen sich mit andern Krankheiten, wie mit Faulfieber, septischen und kachectischen Zuständen, Wassersuchten, tuberculöser Lungenschwindsucht etc., complicirenden Zustand über, der dann langsam den Tod herbeiführt. Bevor sich diese Complicationen einstellen, vermehrt und verändert sich der Ausfluss aus den Nasenöffnungen bedeutend, es bilden sich tief ein- und weit um sich fressende Geschwüre auf der Nasenschleim­haut, welche die cartilaginösen Gebilde mit ergreifen; der Ausfluss wird schmutzig grau, bräunlich mit Knochenjauche und Blut vermischt, übelriechend, scharf ätzend und stark alkalisch reagirend. Das Athmen wird beschleunigter, kurz, mit Flankenschlag, Rippenbewegung und Ziehen der Bauchseiten, schnüffelnd durch die Nase. Die Haare sträuben sich, verlieren ihren Glanz ; der Appetit verschwindet; die Haut wird trocken, schmutzig, und Fiebersymptome stellen sich ein. Man bemerkt bald Abmagerung. Die Füsse, namentlich die hintern,
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schwellen an, oedematöse Geschwülste finden sich am Schlauch und Bauche, an den Fussgeschwülsten, am Gesicht, auch wol noch an andern Körperstellenlaufen strangförmige Anschwellungen der Lymph-gefässe auf, auf denen Beulen von verschiedener Grosse entstehen, die nach und nach aufbrechen und um sich fressende Geschwüre bilden, welche eine krankhaft veränderte scharf ätzende, klebrige , jauchige Lymphe ausscheiden.
5. Formen nach ursächlichen Momenten, nach ihrer Ausdeh­nung, ihrer Entstehungsweise, Art der Betheiligung des Organismus und ihrer Beschaffenheit.
a. An geerbte oder angeborene Scropheln. sect;. 397.
Diese Art der Scropheln, obwol sie immer einen chronischen Verlauf nimmt, bildet nicht eine entschieden bestimmte Form der Krankheit, sie ist vielmehr einerseits nur durch die Art ihrer Ent­stehung eigenthümlich, und kann daher wesentlich mehr oder weniger die eine oder andere Form der Krankheit darstellen, annehmen oder in dieselbe über- und ausgehen; andererseits beschränkt sich ihre Eigenthümlichkeit hauptsächlich darauf, dass sie entweder schon als ausgebildete, bestimmte Krankheitsform mit zur Welt kommt, oder doch als eine Prädisposition ihr Dasein bei dem neugebornen Thiere verräth und bald nach der Geburt zum Ausbruch kommt, daher immer in der ersten Lebensperiode bei den betreffenden Individuen auftritt. Im Uebrigen gilt bei dieser Form der Scropheln jederzeit mehr oder weniger das, was bereits bei den andern Formen gesagt ist.
b. Durch Ansteckung entstandene Scropheln.
sect;. 398.
Auch diese Scropheln haben an und für sich nichts Eigenthüm-liches, ausser der Veranlassung ihres Erscheinens und sie können in allen jenen Formen auftreten, die wir bisher abgehandelt haben. Sie bilden daher keine entschieden bestimmte Form. Von der Art der Ansteckung, ob es eine allgemeine oder eine locale, begrenzte, ob es eine innerliche oder äusserliehe ist, ob es eine directe oder indirecte ist; von der Beschaffenheit des Ansteckungsstpffes, ob er ein acuter oder chronischer, ob er von gutartigen, bösartigen, reinen oder complicirten, von im Entstehen begriffenen, oder weit vorge­schrittenen Scropheln herrührt etc., ob er in concentrirtem oder ver-
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dünntem, ob er im grossem oder geringem Quantum übertragen wird etc., von der Disposition der inficirten Individuen, von ihrer Consti­tution, ihrem Alter, Ernährungszustande, von Witterungs-, Nahrungs-, Gebrauchs- und sonstigen Lebensverhältnissen, unter denen dieselben existiren etc., von dem mehr oder weniger Vorhandensein der ein­zelnen, oder dem mehr oder weniger stattfindenden Zusammentreffen und Uebereinstimmen aller dieser Momente, hängt es ab, in welcher Form sie auftreten, oder welche Form sie in ihrem Verlauf annehmen. — Uebrigens erscheinen die durch Ansteckung erzeugten Scropheln un­gemein häufig, und es ist fast wahrscheinlich, dass sie die am häufig­sten vorkommenden sind. Nach der Ansteckung erscheint die Krank­heit oft schon in sehr kurzer, oder oft erst in sehr später Zeit, ein be­stimmter Zeitraum zwischen der Infection und dem Ausbruch der Krankheit existirt nicht. Wenn das Incubationsstadium auch in der Regel nicht über 14 Tage dauert, so sind doch auch wieder Aus nahmen genug bekannt, in denen das Contagium ungleich länger im inficirten Organismus latent geblieben ist.
#9632;
c. Durch Nahrungsmittel, Local ein flüsse, Miasmen
etc., atmosphärische und Gebrauchs Verhältnisse
spontanerze ugteScropheln.
sect;. 399.
Die Scropheln, welche aus fehlerhaften, schädlichen Futterstoffen und Getränken, aus verdorbener Luft und besondern Miasmen, aus zu viel Ruhe oder iibermässiger Anstrengung entstehen etc., bilden ebenso alle nur möglichen Formen der Krankheit, sie unterscheiden sich von den durch Ansteckung entstandenen nur dadurch, dass diese in der Regel als locale und nur ausnahmsweise als allgemeine Krank­heit auftreten, wenn sie auch im spätem Verlauf und in den höhern Stadien jederzeit zu einem Allgemeinleiden ausarten ; während jene in der Regel als allgemeine und nur ausnahmsweise als locale Krank­heit von Anfang an sich gestalten. Sie unterscheiden sich ferner da­durch, dass die auf dem Wege der Ansteckung erzeugten Scrophelzu-stände jederzeit sogleich in der Scrophelform auftreten, welche die Krankheit anzunehmen überhaupt geneigt ist, dass die eigentliche Natur der Krankheit sofort bei ihrem Entstehen sich ausspricht, während bei den spontan, aus jenen Ursachen entstandenen Scropheln immer noch andere Krankheitszustände vorher, oder gleichzeitig sich herausstellen ; so sind dies z. B. gastrische und catarrhalische Affec-tionen, es sind Krankheiten der Säfte, namentlich des Blutes, es sind oft eigenthümliche Localaffectionen, namentlich der Lungen, je nach­dem in dem erkrankenden Individuum die eine oder andere Anlage
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vorwaltet und je nachdem die Ursache auf das eine oder andere System oder Organ mehr oder weniger direct eingewirkt hat.
d. Idiopathische Scropheln. sect;. 400.
Die idiopathischen Scropheln als solche, haben wir ebenfalls als eine besondere Form zu betrachten. Abgesehen von den Ursachen derselben, erscheinen die Scropheln zuweilen als ein bestimmt be­grenztes und abgeschlossenen Leiden der einen Körperhälfte, der rechten oder linken, der einzelnen Körpertheile und Organe, z.B. des Kopfes, eines quot;oder beider Hinterfüsse, der Lungen, der Verdau­ungseingeweide etc., ohne dass sie immer, obwol dies in den meisten Fällen stattfindet, der Reflex eines Innern Allgemeinleidens sind. Oft bestehen diese idiopathischen Scropheln sehr lange Zeit, bevor sie auf andere Organe, Körpertheile oder Systeme übergehen und zu einem Allgemeinleiden werden, oft findet dies aber auch sehr bald statt. Im Ganzen ist die idiopathische Scrophelform eine seltene Erscheinung, da in den meisten Fällen die Natur der Scropheln da­hin strebt, andere Systeme oder Organe in Mitleidenschaft zu ziehen, daher die nächstfolgende Form, die unbedingt bei weitem häu­figere ist.
e. und f. Sympathische u n d sym pt omati sehe Scropheln.
sect;. 401.
Wir haben auch diese beiden Formen der Scropheln noch insofern zu betrachten, als wir damit darzuthun haben, dass dieselben als sym­pathische Krankheit sowol, wie als symptomatische vorkommen. Un­bedingt ist sie als die erstere, die am häufigsten und in den mannig­fachsten Gestaltungen vorkommende Form, während die letztere wol nur in seltenen Fällen und Modificationen erscheint. Als sym­pathische Krankheit treten sowol die allgemeinen, wie die localen Scropheln auf, indem bei den ersteren ganze Systeme, wie das der Schleimhäute, des Verdauungsapparats , der Lederhaut, der Blut-gefasse etc., bei letztern entweder diese. Systeme oder auch noch andere, als die von den Scropheln ergriffenen Organe, wie nament­lich die Respirations- oder Verdauungsorgane etc. in mehr oder we­niger grosse und allgemeine Mitleidenschaft gezogen sind.
Als symptomatische Scropheln erscheinen sie zuweilen bei und nach chronisch-catarrhalischen und gastrischen Zuständen; bei septi­schen und namentlich tuberculösen Diathesen; bei Huf- und Venen-Entzündungen und deren Ausgängen; bei grösseren lange dauernden Geschwüren, bei Mauke u. dgl.
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und h. Einfache und complicirte Scropheln.
sect;. 402. Einfach sind die Scropheln dann, wenn sie sich durchaus nur auf das lymphatische System beschränken. Diese finden wir am häufigsten bei ganz jungen Thieren, die noch in keiner Weise ange­griffen worden, krank gewesen oder mit besondern Krankheitsanlagen geboren sind. Bei andern Thieren finden wir sie höchstens im Ent­stehen und im Anfange der Krankheit, während sie im spätem Ver­lauf nie einfach bleiben, indem sie sieh mit andern Krankheitszustän-den compliciren. Die complicirten Scropheln sind dagegen allgemein, und in dieser Eigenschaft kommt die Krankheit am gewöhnlichsten vor. Die häufigsten und gewöhnlichsten Complicationen mit denen sie auftritt, sind gastrischer und catarrhalischer Natur; indess auch Blutentmischungen septische Zustände, Lungen- und Ausschlags­krankheiten etc. zählen zu den nicht selten vorkommenden Compli­cationen. In Betreff der Gestalt und Form, welche die einfachen sowol, wie die complicirten Scropheln annehmen, gilt von ihnen nichts Besonderes, sondern im Allgemeinen das, was bisher bereits von den verschiedenen Scrophelformen gesagt worden ist. Sie bilden die eine oder andere Form, oder gehen in die eine oder andere über, je nach­dem äussere oder innere, oder beiderlei Bedingungen gemein­schaftlich auf die betreffenden Individuen einwirken. Es gilt daher auch in Hinsicht der Symptome das, was wir bereits bei früher in Betracht gezogenen Formen angegeben haben.
i. und k. Primäre und secundäre Scropheln. sect;. 403. Wir finden häufig die Scropheln bei Pferden auftreten, ohne dass eine Krankheit vorhergeht, es ist dies in den Fällen, wo die Scropheln selbst als solche angeboren sind, und gleich ausgebildet, mit dem jungen Thiere zur Welt kommen, oder wo eine vorwaltende Anlage zur Scrophulosis mit angeboren wird, die sich in der ersten Lebensperiode zur Scrophelkrankheit ausbildet; oder endlich in den Fällen, wo aus besonderea, direct einwirkenden Ursachen, die bei eigenthümliehen, in gewissen Lebensverhältnissen bestehenden Ein­flüssen, vorzugsweise in fehlerhaften, verdorbenen und mangelhaften Nahrungsmitteln ihren Grund haben, die Scrophelkrankheit herange­bildet wird. Alle diese scrophulösen Zustände nennen wir primäre Scropheln. Dagegen entwickeln quot;sich die Scropheln sehr häufig aus andern Krankheiten, namentlich entstehen sie während und nach gastrischen, catarrhalischen, septischen, exanthematischen und ande­ren Krankheitszuständen ; nach grössern, langdauemden offenen Ge-
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schwürsflächen, nach Huf-und Venenentzündungen, nach Lungen-krankheiten u. dergl. m. und sind die in dieser Weise entstehenden Scrophelformen die secundären Scropheln. Sie unterscheiden sich von jenen in der Regel dadurch, dass alle ihre Formen von denjeni­gen Krankheitszuständen, aus denen sie entstanden, auf die eine oder andere Weise mehr oder weniger begleitet sind. Bei weiter vorge­schrittener oder längere Zeit bestandener Krankheit ist es indess in der Regel nicht zu erkennen, ob jene andern, begleitenden Krank-heitszustände die primären und die scrophulösen die secundären sind, oder ob das umgekehrte Verhältniss stattfindet, denn auch zu den primären Scropheln gesellen sich im weitern Verlauf jedesmal catar-rhalische, und oft noch mannigfache andere Krankheitszustände.
Die primären Scropheln sowol wie die secundären können, wie die einfachen und complicirten, jede Gestalt und Form annehmen oder in solche übergehen, und wir müssen hier wiederholen, was bereits über die letztern gesagt worden ist.
6. Formen nach dem Character und dem Grade der Krankheit.
a. Einfache, fieberlose Scropheln mit geringen Affect i o n en.
sect;. 404.
Wir finden zuweilen die Scropheln des Pferdes mit ausserordent-lich gutartigem, mildem Charakter auftretend. Es finden sich an dem einen oder andern Orte des Körpers, am häufigsten im Kehlgange, lymphatische Anschwellungen ohne Wärme, Schmerz und Fieber­erscheinungen, die bald umfangreicher, bald geringer sind, bald ver­gehen, bald wiederkehren und dann bald an dem einen bald an dem andern Körpertheile wieder zum Vorschein kommen, mit denen keine andern pathologischen Zustände oder örtliche, noch allgemeine, organische Affectionen, als leichte catarrhalische oder gastrische Er­scheinungen verbunden sind. So bestehen sie oft viele Jahre, ohne andere Zufälle mit sich zu bringen und werden kaum bemerkt, da im üebrigen derartig leidende Individuen im völligen Genuss ihrer son­stigen Gesundheit sind, alle Lebensfunctionen ungestört von statten gehen und die Thiere sich einer regelmässigen und guten Ernährung erfreuen. Im spätem Alter scheint, wenn nicht hindernde oder schädliche, die Krankheit steigernde und verschlimmernde Momente hinzutreten, diese Scrophulosis gänzlich zu verschwinden und voll­ständige Genesung einzutreten.
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b. Bösartige, verdächtige, fieberliche S crop h ein mit bedeutenden Affectionen.
sect;. 405. Diese Form, die wir für gewöhnlich als die verdächtige und bösartige Druse bezeichnen, ist in der Hauptsache diejenige, welche wir unter 4. d. aufgeführt haben. Wir haben sie hier indess nicht nach ihrem Verlauf, sondern nach ihrem Character zu beurtheilen, daher wir ihre zufälligen Complicationen, ihre Ueber- und Ausgänge ausser Betracht lassen müssen. Ueber das Vorkommen dieser Form gilt dasselbe, was wir bei Jener sub 4. d. angegeben haben, und über die Symptome gilt im Allgemeinen dasselbe. Gewöhnlich ist diese Form mehr oder weniger mit catarrhalischen und gastrischen Stö­rungen complicirt; sie ist immer mehr oder weniger mit Tuberkel­bildung in den Lungen verbunden und verläuft dabei ausserordent-lich langsam und gleichmässig, wenn nicht besondere krankmachende Veranlassungen hinzutreten, so dass sie Jahre lang, ja das ganze Leben hindurch in gleichmässiger Weise fortbesteht, ohne dass der sonstige Gesundheitszustand des betreffenden Patienten besonders beeinträchtigt zu sein scheint. Zuweilen scheint die Krankheit zu verschwinden, indem die Symptome bedeutend nachlassen, bald aber treten sie wieder in der früheren Gestalt auf, und die Krankheit ist auf dem alten Fleck, welche Mittel auch dagegen angewendet werden mögen. Die Krankheit ist stets fieberlos und bis auf die tuberculöse Lungenaffection, ohne jedes organische Localleiden ; dabei ist sie contagiös, wie das scrophulöse Nasen - und Hautgeschwür und, auf andere Individuen übertragen, bildet sie oft. in kurzer Zeit diese Ge-schwürszustände aus, welche dann nicht selten, mit Fieber verbunden, einen rapiden tödtlichen Verlauf nehmen.
c. DieScropheln mit Nasengeschwüren. sect;. 406. In allen Fällen, wo die scrophulöse Diathesis mit Geschwüren in der Nase, als scrophulöse Ozaena, die wir als den scrophulösen Rotz kennen, auftritt, hat die Krankheit immer einen sehr bösartigen, ansteckenden, langwierigen, in der Regel tödtlichen Character. Sel­ten ist sie, nach dem gegenwärtigen Standpuncte unseres therapeu­tischen Wissens, heilbar, und dies hat einestheils darin seinen Grund, dass sehr häufig mit diesem Zustande Juberkelbildung in den Lungen ver­bunden ist, deren Reflex jene Nasengeschwüre häufig sind, anderntheils liegt es darin, dass die Geschwüre in der Nase in der Regel mehr oder weniger unzugänglich, also nicht örtlich zu behandeln, daher auch nicht heilbar sind, während die Tuberkeln der Lungen bis jetzt auch
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noch jedem unserer therapeutischen Hülfsmittel trotzen. — Das scro-phulöse Nasengeschwür ist daher auch in den meisten Fällen das Resultat eines innern Zustandes allgemeiner Dyskrasie, und die Krank­heit tritt sowol mit, als ohne Fieber und in den verschiedensten Cha-racteren ihrer Heftigkeit, ihres Grades und der Dauer auf. Immer aber, wo das Nasengesehwür erscheint, verräth es einen bösartigen Character und einen hohen Grad der lymphatischen Dyskrasie, welche die Quelle und Ursache desselben ist.
d. Die Scropheln mit Hautgeschwüren.
sect;• 407. Obwol im Ganzen seltener, als die vorige Form, so tieten die Scropheln doch häufig genug auf, indem sie in ihrem Verlauf und Uebergang in einen bösartigen Character die scrophulösen Haut­geschwüre bilden. Wir kennen diesen Krankheitszustand unter dem gewöhnlichen Namen des Wurms, und ist derselbe nicht jederzeit, wie die vorige Form, mit Drüsenanschwellung im Kehlgange und Ausfluss aus der Nase verbunden. Auch findet man bei dieser Form nicht so häufig die Tuberkelbildung in den Lungen. Diese tritt oft im weitern Verlauf der Krankheit als eine secundäre Complication hinzu, während sie als primärer Zustand bei dieser Form nur selten erscheint. Die Hautgeschwüre sind in der Regel nicht von so chro­nischem, hartnäckigem und bösartigem Character wie die scrophu­lösen Nasengeschwüre, sie sind daher und weil sie zugänglicher, weil sie mehr äusserlich sind , weshalb sie leichter örtlich behandelt werden können, ungleich leichter und häufiger heilbar als die Nasen­geschwüre. Oft bilden jene Geschwüre ein bloses Localleiden, als critische Aussonderung eines in den lymphatischen Säften sich er­zeugenden Krankheitsstoffes, und da genügt die blose Zerstörung die­ses Stoffes, so dass die Aufsaugung desselben , durch welche dann eine weitere Verderbniss der Säfte, und mit dieser ein weiteres Vor­schreiten der Krankheit, vermieden wird, nicht möglich ist. Dies ist die einfachste Form vom mildesten Character und in der Regel leicht heilbar durch Anwendung einfach äusserer Mittel. Diese Form tritt ohne Fieber auf, oder es begleitet sie ein leicht vorübergehendes Fie-ben im Entstehen, beim Ausbruch der Krankheit. Bösartiger ist der Character dieser Krankheit jedoch, ob sie mit oder ohne Fieber­begleitung auftritt, wenn sie als Reflex oder critischer Ausbruch einer allgemeinen Dyskrasie oder septischer Zustände sich entwickelt, es reichen dann äussere Mittel nicht aus, sondern dieselben müssen kräf­tigst durch innere unterstützt werden, und dennoch ist die Krankheit in vielen Fällen unheilbar. Oft ist sie auch als eine Folge innerer Localleiden, namentlich innerer pathologischer Zustände und orga-
Erill, Holzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 14
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nischer Störungen in einzelnen Organen, wie namentlich in den Lun­gen etc. anzusehen, und dann ist sie in der Regel auch bösartig, chronisch oder acut, fieberlos oder fieberhaft und unheilbar.
e. Das scrop hulöse Nasen- und Hautgeschwür vereinigt.
sect;. 408. Diese beiden Krankheitszustände treten oft genug vereinigt auf, doch seltener gleichzeitig und höchstens nur in vereinzelten höchst acut verlaufenden Fällen ; weit häufiger gehen sie auseinander hervor oder gesellen sich zu einander, so dass im weiteren Verlauf zu dem Nasengeschwür sich das Hautgeschwür, oder umgekehrt, zu diesem jenes sich gesellt. Die Krankheit hat in allen diesen Fällen einen bösartigen Character, in der Regel einen acuten Verlauf und ist bis jetzt immer unheilbar. Wo beide Erscheinungen gleichzeitig auf­treten, lassen sie jederzeit ein tief liegendes Leiden, eine sehr allge­mein verbreitete Dyskrasie mit tieferen, ausgedehnteren organischen Störungen als ihre Grundlage erkennen, gegen welche jede thera­peutische Methode bis jetzt vergeblich versucht worden ist.
sect;. 409. Wir hätten noch eine Scrophelform, die beim Menschen, nament­lich im Jugendalter, jetzt leider nur zu häufig vorkommt und die ge-* waltigsten Zerstörungen und Verkrüppelungen hier zur Folge hat, zu betrachten, wissen indessen nicht mit Sicherheit, ob wir annehmen dürfen, dass sie wirklich auch beim Pferde auftritt; es ist dies die scrophulöse Rhachitis, eine von den traurigsten Folgen begleitete Krankheit des Knochensystems. Es scheint fast, als wenn sie auch hin und wieder in schwächern Andeutungen beim Pferde vorkommt, indem bei der Ozaena Caries und Xecrosis der cartilaginatösen Ge­bilde, ja selbst der lamellösen Knochen, und poröse Auftreibung der andern, die Nase bildenden Knochen, vorkommt, indem wir bei Scropheln selbst poröse Auftreibung und Caries in einzelnen Gelen­ken, namentlich den Sprunggelenken, vorkommen sehen, indess spricht sich hier der Character der Rhachitis nie so entschieden und bestimmt aus, als beim Menschen, daher wir denn auch nicht mit Sicherheit behaupten können, dass jene Krankheitszustände beim Pferde mit der Rhachitis des Menschen identisch sind.
sect;• 410. Dieses Heer von Scrophelformen, welches mehr oder weniger auf eine Grundkrankheit zurückzuführen ist, erhält noch die mannig­fachsten Modifikationen und Erweiterungen dadurch, dass die ver­schiedenen Formen sich mehr oder weniger mit einander compliciren, verbinden, in einander übergehen, oder dass die Scropheln, als eine
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Krankheit der Ernährung und des Lymphgetlisssystems, sympathisch mit Krankheitszuständen anderer Systeme sich compliciren. denn selten treten die einzelnen Formen rein für sich auf. Gewöhnlich und am häufigsten treten die Scropheln mit Krankheitszuständen des Schleimhautsystems verbunden auf, zu welchem das Lymphgefass-system im genauesten Consensus steht, daher es denn kaum eine Scrophelform giebt, die nicht wenigstens mit eatarrhalischen Zustän­den complicirt wäre. Aus diesen Verhältnissen folgert eine sehr grosse Vermehrung der Scrophelfoimen, weshalb die Verwechselung der Scropheln mit andern Krankheitszuständen so ausserordentlich leicht und häufig vorkommt, und giebt uns dies die Ursache zu den so mannigfachen Irrthümern, den vielen Widersprüchen und Ver­wirrungen bei dieser Krankheit.
7. Capitel.
Ursachen der Scropheln des Pferdes.
1. Die Verer bung. sect;. 411.
Die Scrophelkrankheit des Pferdes, sie mag vorkommen in wel­cher Form es sei, kann sich auf die Nachkommen, sowol vom Vater-thier, wie vom Mutterthier, als solche ausgebildet, vererben. In diesem Falle entwickelt sie sich bereits im Fötus und kommt in die­sem zur Ausbildung, so dass, wenn derselbe geboren wird, die Scro-phulosis vollständig ausgebildet vorhanden ist. Die Form der Scro­phelkrankheit ist hier weniger vonEinfluss, und es erscheint mit dem neugeborenen Individuum nicht immer dieselbe Form, an welcher das betreffende kranke Elternthier leidet und der sie ihren Ursprung verdankt. Häufiger als das Vaterthier, vererbt das Mutterthier die Krankheit und dies ist sehr natürlich, weil dies das Geschäft der Ernährung des Fötus vom Keim bis zur vollständigen Ausbildung desselben allein zu besorgen hat, also in dieser ganzen Zeit dem im Mutterleibe sich bildenden Nachkommen die kranken oder inficirten Säfte zuführt. Andererseits ist aber überhaupt die Zahl der Mutter-thiere, welche zur Zeugung verwendet werden , weit grosser als die der Hengste und es finden sich daher aus diesem Grunde schon unter jenen auch mehr scrophulöse Individuen, die ihren Zu­stand vererben können, als unter diesen. Das Füllen wird in sol­chen Fällen entweder mit der ausgebildeten Scrophulosis oder mit der Prädisposition zu dieser Krankheit geboren: im ersteren Falle sind es angeborene, vererbte Scropheln, im letztern ist es eine
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angeborene Prädisposition, die in der Regel bald nach der Geburt die vollständige Ausbildung der Scropheln zur Folge hat.
sect;. 412. Wenn das Vaterthier an den ausgebildeten Scropheln leidet, so vererben dieselben sich entweder als solche, oder als Prädisposition auf die Nachkommen, auch ohne dass die Mutterthiere angesteckt werden, denn nicht immer ist dies der Fall. Ist dagegen das Vater­thier bloss inficirt und die Krankheit noch nicht zum Ausbruch ge­kommen, so kann von jenem die Scrophelkrankheit in keinem Falle vererbt werden, wenigstens ist das Entgegengesetzte noch nie beob­achtet und erfahren worden; leidet dagegen das Vaterthier an einer Prädisposition zur Scrophelkrankheit, so vererbt sich jene in der Regel auf die Nachkommen. Mit dem Mutterthiere verhält es sich eben so, nur mit dem Unterschiede, dass, wenn dasselbe bloss inficirt ist, ohne dass die Krankheit sich bereits ausgebildet hat, diese Infection häufig schon auf das Füllen sich vererbt, so dass dieses die Krankheit ent­weder ausgebildet schon mit auf die Welt bringt, oder dass dieselbe bald nach der Geburt zum Ausbruch kommt. Oft bleibt dann das Mutterthier von der Krankheit ganz verschont, indem der Infectionsstoff aus-schliesslich auf den Fötus übergeht und der ganze Krankheitsprocess auf diesen sich wirft, indem der Fötus vollständig in die Stelle eines Abieiters der Krankheit tritt, und wird dann das säugende Mutter-' thier später von dem saugenden Füllen, nachdem die Krankheit bei difesem zum Ausbruch gekommen ist, wenn sie etwa nicht schon, voll­ständig ausgebildet, angeboren wurde, oft von Neuem inficirt; oder es bildet sich die Krankheit bei dem Mutterthier und dem Fötus gleichzeitig aus, oder endlich es bricht die Krankheit allein bei dem Mutterthiere während der Tragezeit aus, ohne dass der Fötus inficirt wurde, und erst während des Säugens wird dann das Füllen von der Mutter angesteckt. Es liegt hierin in Betreff der Vererbungsfahig-keit zwischen Vater- und Mutterthier der Unterschied, dass jenes nur ihm selbst angehörende, schon ausgebildete Zustände, dieses aber auch Krankheiten, die noch nicht ausgebildet, vielmehr in der Ausbildung begriffen sind, sowie auch blosse Infectionen, vererben kann.
2. Die Anlage (Disposition).
sect;.413. Die Anlage zur Scrophelkrankheit gehört zu den besonderen Eigenthümlichkeiten des Pferdes, sje ist in jedem Pferde mehr oder weniger vorhanden, und in Vergleich zu andern .Thierer ist das Pferd dasjenige, welches die ausgebildetste Disposition zu den Scropheln besitzt und daher auch am häufigsten an denselben leidet. Es kann hier natürlich nicht von dem wilden, seiner Natur gemäss lebenden,
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sondern nur von dem gezähmten, also naturwidrig gehaltenen, Pferde die Rede sein, sowie ja auch der wildlebende Mensch von Scropheln nichts weiss. Es giebt uns dies den Fingerzeig, dass wir das Pferd möglichst naturgemäss, auch in seinem gezähmten Zustande, verhalten müssen und es giebt wieder kein Hausthier, welches seiner Bestim­mung zum Dienste des Menschen gemäss, welches der Speculation und Ginnsucht wegen, welches aus Unwissenheit, Unverstand Bru­talität und Barbarismus, so vielfach seiner innersten Organisation und Natur zuwider behandelt, gezüchtet und verhalten wird, als das Pferd. Wenn wir nun die Anlage zu den Scropheln in der Organisation und Natur des Pferdes, als desjenigen der Hausthiere finden, welches von allen Pflanzenfressern die meiste Gefrässigkeit, daher auch die grösste Neigung zur Fettbildung und die Anlage, am schnell­sten fett zu werden, besitzt, wenn wir dies ferner als eine Natur anerkennen müssen, die zur Stoffbildung besonders geeignet und be­fähigt ist; wenn wir andererseits anerkennen müssen, dass diese Eigenthümlichkeit der Natur des Pferdes, mit seiner Kraft, seinem Temperament, seiner Schnelligkeit und Ausdauer auf eine zweite Natureigenschaft, die der Nothwendigkeit des schnellern, entspre­chenden Stoffwechsels, führt, die keins unserer pflanzenfressenden Hausthiere in dem Maasse besitzt, als das Pferd; wenn wir endlich die Scropheln als eine Krankheit der Ernährung ansehen müssen, die vorzugsweise in Ueberfiillung der Säfte, in Stockung und Ver-derbniss derselben, in Zuführung von neuen Stoffen, bevor die alten ausgeschieden sind, also in Mangel an entsprechendem Stoffwechsel etc., ihren Grund hat, so führt uns dies darauf hin, dass wir die im Pferde stattfindende naturgemässe Anlage zur Scrophelkrankheit nur durch eine naturgemässe Behandlung derselben nach jeder Richtung hin paraly-siren können, d. h. dass wir vor allen Dingen die Ernährung mit dem Stoffwechsel in ein richtiges, einander entsprechendes Verhält-niss setzen. Bei keinem unserer Hausthiere .wird indess diese Noth-wendigkeit und Bedingung mehr vernachlässigt und ihr entgegen­gewirkt, als gerade bei dem Pferde, und somit wird jene Naturanlage nicht nur nicht bekämpft, sondern vielmehr begünstigt und gefördert.
sect;• 414. Das Pferd im Dienste des Menschen, zum Luxus, zur Pracht, zur Parade, zur Arbeit bestimmt, soll und muss sich all' diesen Zwecken, all' diesen Erfordernissen der Zeit, der socialen Einrich­tungen und Ansprüche, der Ereignisse, allen Launen, jedem Ge­schmack und Bedürfniss, jeder Mode etc. accommodiren; es liegen hierin oft die naturwidrigsten Anforderungen, die von dem Momente seiner Zeugung bis zu seinem höchsten Alter an das Pferd gestellt werden, und die in der mannigfachsten und verwickeltsten Weise
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eine Menge von Ursachen in sich schliessen oder im Gefolge haben, welche jene scrophulöse Anlage fordern und ausbilden. Es würde offenbar zu weit führen, wollten wir uns auf specielle Erörterung aller dieser Verhältnisse und Momente einlassen, wozu überdem hier der Ort nicht ist.
sect;. 415.
Die angeborene Anlage zu den Scropheln, die wir in jedem Pferde mehr oder weniger finden, ist aber vielfach verschieden in ihrem Grade nach besondern Individualitäten. Es giebt eine soge­nannte lymphatische, wässrige Constitution, mit phlegmatischem Temperament, schlaffer Faser etc., die zur Aufschwemmung, Ueber-fiillung mit Säften, vorzugsweise neigt, in der die Anlage zu Scro­pheln vorherrschend liegt. Es giebt ferner gewisse Abstammungen und Racen von Pferden, die vorzugsweise zu Scropheln disponiren, es sind dies namentlich die durch vielfache Kreuzung erzeugten Pferde, die Niederungs- und Marschracen. Selbst nach Gegend und Localität richtet sich vielfach die Anlage zu Scropheln, in allen Nie­derungen und Marschgegenden findet sie sich ausgebildeter als in Höhen- und trockenen Gegenden, und da der Umgang mit den Pfer­den, die Behandlung derselben, ihre Verwendung und Benutzung sich nach den Sitten, Gebräuchen und Gewohnheiten des Menschen richtet, diese aber in den verschiedenen Gegenden, selbst Localitäten, sehr verschieden sind, so liegen auch hierin mannigfache Ursachen, dass die scrophulöse Anlage ihrem Grade und Umfange nach, sich nach Gegenden und Localitäten richtet. Selbst die Culturstufe des Menschen und der Grundcharacter der Nationen hat einen wesent­lichen Einfluss auf das Vorkommen und die Natur jener Anlage. Wir finden sie häufiger und ausgebildeter mit der Civilisation, weil viel zu viel Kunst und Cultur mit der Zucht und Behandlung des Pferdes getrieben wird, und weil man andererseits über das eigene Wohlleben, über die eigene Bequemlichkeit und das Behagen, über Bedürfniss und Habsucht das Wohl des Pferdes vergisst und ver­nachlässigt ; wir finden jene Anlage weniger ausgebildet bei den Pferden der rohen Naturvölker, weil, wie der Mensch, auch das Pferd naturgemässer gezüchtet wird, lebt und behandelt wird, Natio­nalitäten von dankbarem Grundcharacter, mit Liebe zur Natur und zu ihren Mitgeschöpfen etc., behandeln das Pferd, wo sie es sich zum Hausthier erkoren, liebevoller, vorsichtiger , regelmässiger , schonen­der, naturgemässer, als die entgegengesetzten, daher wTird die Scro-phelanlage bei den Pferden jener nie in dem Umfange ausgebildet werden und auftreten, als bei denen dieser Nationalitäten.
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sect;• 416. Die Verschiedenheit der ererbten Anlage richtet sich gewisser-nuiassen auch sehr nach dem Alter der Pferde, oder vielmehr in dem Alter liegt eine Ursache für die höhere oder niedere Potenz der Scrophelanlage im Pferde. Im jugendlichen Alter ist die Anlage unbedingt vorwaltend, nnd hat dies seinen Grand in dem TJeberge-wicht des vegetativen Lebens über das animalische, in dem Ueber-wiegen der lymphatischen, der Ernahrungsconstitution, in der Ein­richtung des Organismus zum grössern und schnellern Stoffwechsel, in der grössern und allgemeinem Laxität und Weichheit aller Ge­bilde, in dem geringern Widerstandsvermögen gegen täussere Einflüsse und der leichtern Aufnahmsfähigkeit und üeberfiihrung derselben in den allgemeinen Kreislauf der Säfte. Bei altern Pferden dagegen ist die Anlage ungleich geringer, sie vermindert sich in dem Maasse, als das Alter zunimmt, aus den entgegengesetzten Ursachen, die wir beim jugendlichen Alter als diejenigen hinstellten, welche das Vor­walten der Anlage bedingen.*)
sect;. 417.
Wir haben hier bereits mehrere Momente in Betracht gezogen, durch welche die native Anlage des Pferdes zu den Scropheln, theils vor der Geburt schon, theils nach derselben, gesteigert und zu einer
*) Auch Träger scheint in seinen Studien etc. die Scropheln lediglich als eine Krankheit des jugendliclien Alters bei Pferden anzusehen und dieselben in AfFectionen nnd Degenerationen der Gekrüsdrüsen zu suchen. Er sieht indess die Scropheln nicht als das Grundübel an, sondern findet dies vielmehr in an­derweiten organischen Functionen, wonach die Scropheln als das seeundäre Leiden derselben zu betrachten sind. Wir dagegen sind anderer Ansicht, und glauben diese durch die tägliche Erfahrung gerechtfertigt; wir finden, wie beim Menschen, so auch bei Pferden, und zwar bei diesen weit häufiger, als bei jenem, die Scropheln in jedem Alter und können sie daher durchaus nicht ausschliess-lich zu den Jugendkrankheiten zählen. Aus den schon entwickelten Gründen treten sie im jugendlichen Alter weit häufiger und reiner auf, als später, und je älter das Pferd ist, je seltener und je verwickelter erscheinen die Scropheln als spontan entstandene Krankheit. Wie vielfach sie durch Ansteckung im spä­tem Lebensalter herbeigeführt werden, das gehört nicht hierher. Was Träger als Füllenscropheln aufführt, kann nur als eine besondere Form der angebore­nen Scropheln, als eine besondere Species jener mannigfachen Scrophelmeta-morphosen gelten, die ihre Entstehung in fehlerhafter Ernährung des Fötus findet. Es ist überdem nicht einzusehen, warum Träger die Scropheln als eine seeundäre Krankheit, und nicht als das Grundübel selbst, ansehen will. Wir sind der entgegengesetzten Ansicht, und betrachten jene anderweiten organi­schen Functionsstorungen als Folge der Scropheln, und diese als die primäre Krankheit, weil sie eine Folge fehlerhafter Ernährung, also der Krankheit der ersten Lebenswege, sind. Eine naturgemässe gesunde Ernährung des Fötus ist die Grundbedingung aller gegenwärtigen und zukünftigen Gesundheit, während die entgegengesetzte die Scropheln erzeugt, und mit diesen jede andere Krank­heit zur Entwicklung kommen kann.
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Prädisposition werden kann. Solcher Momente giebt es indess noch mehrere, und zwar wird bei den herrschenden Principien der Pferde­zucht die Scrophelprädisposition schon im Mutterleibe durch eine fehlerhafte Behandlung und Ernährung, durch naturwidriges Verhal­ten etc. der Elternthiere hervorgerufen und als solche angeboren. Das Vaterthier wird entweder sehr gepflegt und verweichlicht, das ganze Jahr hindurch, bei steter Buhe oder gänzlich unzureichender Bewegung und Arbeit, die keinen genügenden Stoffwechsel, keine gesunde vollständige Chylification und Blutbildung , wegen unzurei­chenden Genusses der frischen, reinen Luft und zu geringer Bewe­gung, zulässt, mit stark nährenden, schwer verdaulichen Nahrungs­mitteln gefüttert, und demnächst, wenn die Säfte nun verdickt, in den Gefässen gestockt, roh und wässrig sind, wenn das animalische Leben geschwächt und die Organisation erschlafft ist, wird in der Deckzeit, in einem nicht entsprechenden Zeiträume, die Befruchtung einer verhältnissmässig zu grossen Stutenzahl von ihnen gefordert. Die Folge davon ist Impotenz, mindestens verringertes Befruchtungs­vermögen, aber vor allen Dingen die Erzeugung der scrophulösen Prädisposition in den Nachkommen.*) Oder das Vaterthier wird
•) Die Beschäler in den Kiinigl. Preuss. Landgestüten geben hierzu den vollständigsten Beleg. Es sind dies meistens Thiere von hoher Race, von vor­wiegend animalischer Lebenskraft. Dieselben stehen jedes Jahr 8 Monate in den Gestütslocalien, für den Zweck, in den übrigen 4 Monaten des Jahres 30 — 40, und wenn es sehr hoch kommt, 50 Stuten zu decken. Die Thiere werden während jener 8 Monate gut gepflegt, gefüttert und in warmen Ställen unter Decken verweichlicht; an eine Art von Abhärtung wird kaum gedacht, sie ist in den genannten Anstalten, nach ihrer derzeitigen Einrichtung, auch unaus­führbar. Eine ihrem Nahrungsgenuss, ihren physischen Kräften entsprechende Arbeit und Bewegung ist nicht möglich, denn je 4 Hengste haben einen Wärter, der sie zwar täglich bewegen, d. h. ausreiten soll; indess dies ist, nach Ver-hältniss ihres Nahrungsgenusses und ihrer physischen Kräfte bei weitem nicht zureichend, als dass es auch nur das notwendigste Minimum zu dem erforder­lichen Stoffwechsel der Thiere beitragen könnte, da ein Wärter kaum im Stande sein dürfte, neben seinen andern Verrichtungen, nur einem Hengste dieser Art durch Kelten täglich soviel Bewegung zu machen, als der ihm anderweitig an­gedeihenden Pflege, seiner Natur und dem nothwendigen Stoffwechsel entspre­chend ist, geschweige denn ist dies bei 4 Hengsten möglich. Die Hengste wer­den principmässig im mastigen Zustande erhalten , sie kommen mastig auf die Beschälstationen, werden auf diesen nur noch stärker gefüttert, und noch besser genährt verlassen sie jene Stationen und kehren in die Gestüte zurück. Solch mastiger Zustand ist nicht naturgeraäss, daher auch die Zeugung und das Pro­duct derselben nicht naturgemäss sein kann. Gewisse Einflüsse auf dieses Pro­duct werden daher um so sicherer die Disposition zu Krankheiten ausbilden. Die Säfte der Hengste circuliren träge, iu dem Blutgefässsystem sowol, wie in dem Lymphgefässsystem, es findet nicht der normale Stoffwechsel statt; Secre­tion und Resorption accommodiren sich der Circulation, und ihre Qualitäten entsprechen dem mangelhaften Stoffwechsel; die Organe erschlaffen wie die Ernährung mangelhaft wird, der Rückschritt ist gegenseitig. Ziehen wir hier­bei noch in Betracht, dass die sämmtlichen Stuten, welche die Hengste in den
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übermässig angestrengt, seine Kräfte werden vergeudet, ein verhält­massig zu grosser Stoffverbrauch findet statt, und die zur Ergänzung desselben zugeführten ausreichenden Nahrungsmittel sind dem Assi­milationsvermögen überlegen, die Verdauungsorgane können sie nicht bewältigen, sie werden beschwert, daher geschwächt, oder die zuge­führten Nahrungsmittel sind unzureichend, der Stoffverbrauch wird nicht ergänzt, und directe physische Schwäche ist die Folge. In dem einen wie in dem andern Falle werden die beregten Anomalieen ver­erblich und schwache Digestionsorgane mit laxer Digestion, sowie allgemeine physische Schwäche, begründen in sich Krankheitsanlagen und unzweifelhaft in vielen Fällen eine Prädisposition zu Scropheln.
sect;.418.
Was in letzterer Beziehung vom Vaterthier gesagt worden ist, gilt vollständig, und noch mehr, auch vom Mutterthiere, und bei die­sem tritt unzweifelhaft jener Missgriff in der Behandlung häufiger auf, als bei jenem, bei welchem der entgegengesetzte Fehler der Behand­lung in Verhalten und der Ernährung der bei weitem häufiger vor­kommende ist. Die Wirkungen und Folgen in Beziehung auf die von solchen Elternthieren erzeugte Frucht sind dieselben und müssen solche, vom Mutterthiere ausgehend, noch sicherer und in- und ex­tensiver eintreten, als wenn bloss das Vaterthier jenen Fehlgriffen in der Behandlung ausgesetzt war. Das Mutterthier bleibt mit der
4 Monaten, in denen sie auf den Beschälstationen stehen, zu decken haben, grösstentheils anf einen Zeitraum von 4 — 6 Wochen sich zusammendrängen, und vertheilen, da in der ersten Zeit nur wenige, in der letzten aber fast gar keine kommen, dass ferner, da bei der mangelhaften Befruohtungsfähigkeit der Hengste, die Stuten schwer bestehen, viele derselben 4—6—8 Mal gedeckt wer­den müssen, also in jener kurzen Zeit jeder Hengst täglich, ausserdem dass er 2—3 Stuten zu probiren hat, 2 Stuten mindestens decken muss, so ist dies für diese an Nichtsthnn gewöhnten Hengste offenbar zu viel, da die an Unthätigkeit und trägen Stoffwechsel gewöhnten und erschlafften Organe nicht vermögen, aus den mangelhaft qualificirten Säften den so überreich erfolgenden Saamen-erguss in entsprechender Quantität und Qualität zu ergänzen. Sobald dies stattfindet, dürfen wir immer nur auf ein Product mit mangelhafter Organisation, geneigt zur Krankheitsdisposition, oder auf Unfruchtbarkeit rechnen. Lehrt uns schon die Erfahrung, das anderweite örtliche Schwächen und Gebrechen, wie die der Knochen, Augen etc. z. B., vererblich sind, so wird Niemand in Abrede stellen dürfen, dass auch allgemeine Zustände, eine Constitution, z. B. ein plethorischer, seröser, lymphatischer, erschlaffter Zustand etc., sich vererbt. Ziehen wir nun noch weiter in Betracht, dass die Mutterthiere meistens aus einer anstrengenden Arbeit zu den ausgeruhten Hengsten geführt werden, dass sie oft unverhältnissmässig angegriffen, ja selbst abgetrieben sind , so tritt hier ein Missverhältniss zwischen Vater- und Mutterthier hervor, welches unter allen Umständen als ein sehr ungünstiges betrachtet werden muss, und sowol auf die Fruchtbarkeit, wie auf die zukünftige Gesundheit der Frucht seinen eminenten Einfluss nicht verfehlen wird.
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Frucht in ungleich liingerera Zusammenhange, und die Säfte der Mut­ter gehen unmittelbar und unverändert in die Frucht, die sich ganz aus ihnen bildet, über. Schroffe Unterschiede, Gegensätze und Miss­verhältnisse in Race, Abstammung, Constitution und Ernährung zwi­schen den Elternthieren, die Paarung eines zu heterogenen Materials, sind unzweifelhaft geeignet, in den Xachkommen Krankheitsanlagen zu begründen, und so dürfen wir auch hierin ein wesentliches Moment suchen, welches das Vorkommen der Scropheln fördert.
sect;. 419. In der Pflege, Ernährung und dem ganzen Verhalten des Mut-terthieres, während der Trächtigkeit sowol, wie während des Säugens, liegen die wichtigsten Momente für die weitern Ausbildungen der scrophulösen Anlage im Fötus sowol, wie im Säugling. Aber jene Momente influiren auch in der angegebenen quot;Weise im spätem Alter und vorzugsweise während des Wachsthums des jungen Thieres. Im Allgemeinen ist es das Missverhältniss zwischen Stoffaufnahme und Stoffverbrauch, also Ernährung und Arbeit, die Differenz im Stoff­wechsel, welche die scrophulöse Anlage des Pferdes steigert. Pferde, die bei zu viel Ruhe zu stark genährt werden, denen an Stärkemehl, Gummi, Zucker etc. reiche Nahrungsmittel in unverhältnissmässiger Menge zugeführt werden, die in engen , niedrigen , warmen , dunsti­gen, unreinen, finstern Localien leben und überhaupt unreinlich ge­halten werden, bilden die scrophulöse Anlage in höherm Maasse aus, weil gleichzeitig die Digestion beeinträchtigt und geschwächt wird. Weniger ist in dieser Beziehung das umgekehrte Verhältniss anzu­klagen, wo ein zu geringer Stoffersatz zu dem Stoffverbrauch zur Regel geworden ist.
3. Die veranlassenden und G e 1 e g e n h e i t s u r s a c h e n.
sect;• 420. Eine Menge Verhältnisse und Einflüsse sind es, die wir als ätiologische Momente der Scropheln anzusehen gewöhnt sind, doch sind dieselben in der That nicht so mannigfacher Art, wie es den Anschein hat, sie beschränken sich vielmehr, wie es der Erfahrung nach scheint, auf gewisse einzelne Einflüsse. Es ist vor allen die Ansteckung, welche die Scropheln erzeugt und verbreitet, und muss sie als eine der häufigsten Ursachen derselben angesehen werden. Schon in vielen Fällen bietet die Muttermilch, wenn das Mutterthier an Scropheln leidet, Veranlassung zur Erzeugung von Scropheln bei dem Füllen. Nicht alle Formen und Stadien der Scrophelkrankheit sind gleich sicher ansteckend, gewisse Formen und Stadien sind dies mehr, andere weniger (cf. sect;sect;. 316 sqq.) und nicht auf alle Indivi-
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duen ist das Contagium gleich leicht übertragbar. Aber auch die andern vielfachen Berührungen des scrophelkrankon Mutterthieres und seiner Effluvien mit dem Füllen sind geeignet, die Scropheln auf dieses zu übertragen.
sect;• 421. So lange die Scropheln als eine bloss innere Krankheit ^ich manifestiren, deren Wesen in Drüsenverhärtungen und Indigestionen besteht, die von dicken Bäuchen mit Abzehrung begleitet sind, ohr.e dass sie zu einer specifischen Dyskrasie übergehen, welche mit eigen-tliünilichen lymphatischen Effluvien verbunden ist, so lange ist ihr ansteckender Character nicht ausgesprochen, dieser scheint erst da zu beginnen, wo jene pathologischen Secrete erscheinen, da vorzugs­weise in diesen das Contagium seinen Bestand hat.
sect;• 422. Das Contagium ist unbestritten die häufigste Veranlassung zur Entstehung und Verbreitung der Scrophelkrankheit, wie dasselbe auch auf andere, gesunde Individuen übertragen werden mag, ob un­mittelbar ins Blut, auf die Schleimhäute, in die Lungen , in den Ma­gen, auf die äussere bedeckende Haut etc. (cf. sect;sect;. 328 und 329), im­mer wird es unter gewissen gegebenen Bedingungen im Stande sein, die eine oder andere Form der Scrophelkrankheit in denjenigen Indi­viduen hervorzurufen, auf die es übertragen wurde. Je nach der Individualität des inficirten Objects, jo nach der Beschaffenheit des inficirten Individuums und dem Einfluss begünstigender oder stören­der Momente, ja endlich nach dem Ort und der Art der Aufnahme des Infectionsstoffs , wird der Erfolg der Infection sich modifieiren, und werden daraus die eintretenden Modificationen abzuleiten und zu erklären sein.
sect;. 423.
Nächst dem Contagium sind es gewisse Krankheitszuständo des Pferdes, die in Scropheln übergehen, oder aus denen dieselben her­vorgehen können, daher wir sie zu den ursächlichen Momenten der Scropheln zählen müssen. Vor allen Dingen sind dies die chroni­schen purulenten, catarrhalischen Krankheiten aller Art, aus denen sich die Scropheln sehr häufig entwickeln. Vernachlässigung dieser Krankheiten, Anstrengungen, Erhitzungen und Erkältungen bei den­selben etc., haben in der Regel die Scropheln vom bösartigsten Cha­racter im Gefolge. Ferner erzeugen sie sich auch aus der chronischen Tuberculosis, sie entstehen nach lange eingeschlossenem Eiter und Jauche, nach starken, und namentlich plötzlichen, Eiter- oder Jauche-injectionen und Resorptionen, daher nach in Eiterung übergegangenen Fussentzündungen, nach stark und anhaltend suppurirenden, virulen-
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ten, besonders ausgedehnten Schäden und Geschwüren, nach plötz­lich unterdrückter chronischer Mauke und chronischen, sehr ausge­dehnten herpetischen Exanthemen.
sect;. 424.
Zu den weiteren veranlassenden Ursachen derScropheln müssen wir noch die Nahrungsmittel, welche schwer verdaulich sind, daher die Verdauungsorgane belästigen, schwächen und erschlaffen, die Schleim secretion hindern oder krankhaft umstimmen, daher die Darm­schleimhäute verkleben und verschmieren; also stark tnehlhaltige, sogenannte indifferente Nahrungsmittel, ohne belebende, erregende, aromatische Beimischungen, sind geeignet die Scropheln zu erzeugen, sobald sie im Uebermaass zugeführt werden, und nicht die entspre­chende , die Verdauung fördernde Bewegung gemacht wird, daher jene Nahrungsmittel nicht assimilirt werden können. Mehr noch und sicherer werden die scrophulösen Zustände durch solche Nah-runlt;j,smittel hervorgerufen, deren Beimischungen oder Beschaffenheit, die Digestion nicht nur, sondern auch die Assimilation in hohem Grade stören und beeinträchtigen und dem Nahrungssafte Beimisch­ungen zufügen, oder denselben in einer Weise zersetzen, dass daraus die scrophulösen Zustände sich bilden. Es ist dies vor allen Dingen der Schimmel, der sich leider nur zu häufig in den Nahrungsmitteln des Pferdes, bei unachtsamer Behandlung derselben, findet, und sich durch den dumpfigen Geruch zu erkennen giebt. Es ist auffallend, wie entschieden der Schimmel auf die Erzeugung der Scropheln hin­wirkt , da wir dieselben Erfolge auch nach dem Genuss dumpfigen Getränks und dumpfiger Luft eintreten sehen, und es ist wol unzwei­felhaft, dass mit dumpfigem Wasser und dumpfiger Luft derselbe krankmachende Stoff in den Organismus gelangt, als dies beim Ge­nuss dumpfigen Futters der Fall ist. Wir haben daher ausser den Nahrungsmitteln auch dumpfiges schimmeliges Wasser und dumpfige Luft als veranlassende Ursachen der Scropheln anzuklagen, daher wir denn auch die Krankheit eben so häufig nach dem Genuss stag-nirenden, fauligen Wassers, solchen, in welchem vegetabilische und animalische Stoffe in Fäulniss übergegangen sind, und in welchem Schimmelbildungen stattfinden, und in engen, niedrigen, schmutzigen Ställen mit stagnirender Luft, die ebenfalls mit Schimmelbildungen geschwängert ist, entstehen sehen, wie beim fortgesetzten Genuss dumpfigen, schimmeligen Futters.
sect;• 425.
Als fernere Ursachen der Scrophelkrankheiten haben wir anzu­klagen Unreinlichkeit in der Krippe, in den Trinkgefässen, wie im Stalle. Auch hier liegt die Ursache vorzugsweise in den Schimmel­bildungen, die aus der Unreinlichkeit hervorgehen. Ferner Unrein-
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lichkeit der Haut, so dass die Ausdünstung unterdrückt wird, die zur Ausscheidung bestimmten Stoffe bleiben im Blute zurück, und führen eine Entmischung desselben und anomale Processe herbei. Ferner haben wir noch als weitere Ursachen zu erwähnen des Man­gels der belebenden Naturkräfte des Lichtes und der Wärme oder des Ueberflusses der letzteren und der damit zusammenhängenden, häufiger eintretenden Erkältungen. Es sind daher finstere, kalte, wie zu warme Aufenthaltsörter für Pferde und häufige Erkältungen, eine oft anzuklagende Ursache der Scrophelkrankheiten dieser Thiere.
sect;. 426. Die hier angeführten Ursachen wirken oft einzeln , eben so oft aber auch in mannigfacher Verbindung mehrerer derselben, oft selbst aber auch alle gemeinschaftlich, auf unsere Pferde, mehr oder weniger, und häufig längere Zeit, ja sogar Jahr aus Jahr ein , und so ist es nicht zu verwundern, dass die Scropheln eine so häufige Krankheit bei diesen Thieren sind. Es liegt dies zum Theil in Localsitten und Gebräuchen, in Unwissenheit und Indolenz. Im Allgemeinen und in der Hauptsache sind es solche Ursachen, welche die Digestion und Assimilation in störender Weise beeinträchtigen, und welche die Lymphdrüsen mehr oder weniger in einen Entzündungszustand ver­setzen und verhärten, und damit Stockungen in den Lymphgefässen und Verderbniss der Lymphe hervorrufen. Eine specifische Wir­kung dieser Art, namentlich auf die Lymphdrüsen , scheint eben der Schimmel zu besitzen, nach dessen Einwirkungen wir jene Folgen entstehen sehen. Diese Affectionen des Lymphgefässsystems mit der Entmischung der Lymphe haben eine anomale Ernährung des Orga­nismus zur Folge, wie oft umgekehrt, eine anomale Ernährung, als primärer Zustand, pathologische Zustände im Lymphgefässsysteme hervorruft.
8. Capitel. Verlauf, Dauer und Prognose der Scropheln.
sect;• 427.
Die Scrophelkrankheiten haben je nach Verschiedenheit ihrer Form, ihrer Ursachen, ihres ursprünglichen Grundleidens, ihrer Com-plicationen und Verbindungen, ihres Grades, Sitzes und ihrer Aus­breitung etc. einen vielfach verschiedenen Verlauf. In den meisten Fällen ist die Krankheit chronisch, in seltenen Fällen nur ist sie acut, in jenen ist die Dauer von Monaten bis Jahre lang, ja es sind schon Fälle bekannt, wo die Krankheit in frühester Jugend entstand, und gleichmässig fortbestehend, ohne sichtliche Veränderung bis ins
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spätere Alter, bis zum 7. bis 8. Jahre, gedauert hat, wo dann solclur Thiere durch Verkehr und Handel der weiteren Beobachtung entzo­gen worden sind; in den acuten Fällen ist die Dauer oft nur wenige-Tage, wo sie in Genesung oder Tod übergeht.
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Die Wissenschaft kennt keine Krankheit, die in Beziehung auf die Erscheinungen ihrer Dauer und ihres Vorlaufs solche Variationen macht, wiedie Scrophelkrankheit; oft verläuft sie vom Augenblicke ihres Entstehens an, bis zum Ende gleichmässig fort, ohne dass sie in ihren Symptomen, ihrem Character und sonstigen Erscheinungen wechselt; oft wechselt sie häufig, so dass sie bald gutartiger, bald bösartiger erscheint; bald erscheint sie als einfache Drüsenkrankheit, bald als septische Krankheit, bald tritt sie als ein allgemeines, bald als ein örtliches Leiden auf; bald verlässt sie das lymphatische Sy­stem nicht, bald wirft sie sich auf andere Systeme oder localisirt sich auf gewisse einzelne zum Leben wichtige Organe, und wirkt zerstö­rend oder degenerirend auf die Substanz derselben ein.
sect;• 429. Da hiernach die Scrophelkrankheit einen so sehr verschieden­artigen Verlauf nehmen, aus so mannigfachen Veranlassungen herquot;-vorgehen, bei so verschiedenartigen Individualitäten auftreten und unter so vielfachen Verhältnissen sich ausbilden und bestehen kann, da die Krankheit mit so vielen andern Krankheiten sich compliciren. theils aus ihnen heraus sich bilden, theils in sie übergehen, da sie sowol als Metastasis, wie als Metaschematismus anderer Krankheiten auftreten kann, da die Krankheit von so sehr verschiedenartigem Cha­racter erscheint, einen so sehr verschiedenartigen Sitz haben kann und in ihrer Ausdehnung wie in ihrem Grade so sehr verschieden ist, da die Krankheit an und für sich in so sehr mannigfachen Formen und mit so vielen Complicationen auftritt, so folgt daraus von selbst, dass auch ihre Dauer eine sehr verschiedene sein muss, und ist sie es in der That in der Weise, dass sich darüber in den seltensten Fällen etwas Bestimmtes angeben lässt, sie richtet sich in der Regel nach den angedeuteten Verhältnissen.
sect;. 430.
Was die Prognose bei der Scrophelkrankheit anbetrifft, so rich­tet sich diese raehrentheils nach deii angegebenen Verhältnissen; im Allgemeinen kann dieselbe bei der Scrophelkrankheit nur ungünstig ausfallen, und es sind nur die seltenern Fälle, in denen eine günstige Prognose zu stellen ist. Bei spontan entstandenen, bei primären, einfachen, reinen Scropheln, bei Scrofeln des jugendlichen Alters,
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der Digestion, bei aeuten Seropheln mit chronischem Verlauf, und bei Seropheln, die durch Nahrungsmittel. Localeinfliisse, Miasmen, atmosphärische und Gebrauchsverhältnisse spontan erzeugt sind; lerner bei idiopathischen, einfachen fieberlosen Seropheln mit gerin­gen Aifectiongn, ist die Prognose in vielen Fällen günstig, voraus­gesetzt, dass in der entsprechenden quot;Weise diätetisch und medicinisch eingewirkt werden, und überhaupt alles geschehen kann, was'als zweckraässig und nothwendig erachtet werden muss.
Bei angeerbten, durch Ansteckung entstandenen, bei sympathi­schen und symptomatischen, bei eomplicirten und seeundären Sero­pheln ist die Prognose in der Regel ungünstiger, auch ist sie un­günstiger überhaupt bei allgemeinen, als bei localen Seropheln, d. h. wenn die letztern nicht auf zum Leben sehr wichtisce Organe, wie namentlich die Lungen, wenn sie nur auf Weichgebilde und nicht auf Knorpel und Knochen , wenn sie vielmehr auf mehr äussere, der directen Einwirkung und Behandlung zugängliche, Organe und Ge­bilde, wie auf die Cutis etc., als auf innere Organe und Gebilde localisirt sind. Bei allgemeinen Seropheln ist die Prognose günstiger, wenn das Lymphgefässsystem allein ergriffen ist, ungünstiger, wenn andere Weichgebilde, wie die Schleimhaute, die Lungensubstanz etc. in Mitleidenschaft getreten sind, am ungünstigsten aber, wenn fest­harte Theile, wie Knorpel, Knochen u. derg]., mit ergriffen werden. Dasselbe Verhältniss stellt sich bei den localen Seropheln heraus; ob aber die Seropheln eine oder gleichzeitig beide Hälften des Kör­pers , local oder allgemein, ergriffen haben , ist in Beziehung auf die Prognose ganz gleichgültig. Bei Seropheln des spätem Alters mit Affectionen derEespiration, ist die Prognose immer höchst ungünstig; bei Seropheln jeden Alters mit Anomalie in der Ernährung und Assimilation ist sie dann höchst ungünstig, wenn Abzehrung zugegen ist, günstiger, wenn dies nicht eintritt oder Neigung zur Fettbildnng sich zeigt.
sect;. 432.
Nach dem Verlauf und der Nosogenesis ist die Prognose bei aeuten Seropheln mit acutem und bei chronischen Seropheln mit acutem Verlauf unter Umständen günstig unter andern ungünstig; am günstigsten ist sie bei aeuten Seropheln mit chronischem Verlauf; am ungünstigsten dagegen bei chronischen Seropheln mit chronischem Verlauf. Sehr ungünstig ist die Prognose bei angeerbten und bei durch Ansteckung entstandenen Seropheln, weil diese in der Regel eine mehr oder weniger stattfindende Entmischung der Säfte zu ihrer Grundlage haben. Sehr ungünstig müssen wir aber die Sero­pheln für die Heilung und den Ausgang ansehen, wenn sie fieberlos.
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bösartig mit bedeutenden Affectionen auftreten, wenn sie mit Haut-gesehwüren, noch mehr, wenn sie mit Geschwüren auf den Schleim­häuten, und am ungünstigsten wenn sie mit beiden zugleich, mit Haut-und Nasengeschwüren vereinigt erscheinen.
sect;. 433. Es ist mit den Scropheln bei den Pferden eine eigenthümliche Sache in Beziehung auf die über sie zu stellende Prognose, die ge­diegenste Sachkenntniss und die reichste Erfahrung verfällt hier nicht selten in die überraschendsten Täuschungen und Irrthümer. Es kommt in Beziehung auf den Verlauf und Ausgang der Scropheln bei keiner andern Krankheit so wesentlich und entscheidend auf die Disposition an, wie bei dieser, und es ist die Disposition eines Indi­viduums andererseits nie so schwierig zu beurtheilen, als in Beziehung auf die Scropheln. Ueberdem ist der Verlauf und Ausgang der Scro-phelkrankheit in der Regel ein sehr langsamer und lange dauernder, die acuten Fälle sind nur sehr selten, und hängt der Verlauf sehr von allen möglichen Einflüssen und Vorgängen mit den erkrankten Individuen ab, die bei der langen Dauer, so mannigfacher, den regel-mässigen Verlauf störender, Art sein können, und die häufig für eine so lange Zeit, dem Krankheitszustande angemessen, und dauernd sich nicht regeln und consequent durchführen lassen, daher denn oft ein ganz anderer Ausweg erfolgt, als der behandelnde Arzt prognosticirte*. Aber auch insofern ist die Prognose bei den Scropheln schwierig, als dieselben in fast jedem einzelnen Falle, bei jedem Individuum unter andern Modificationen auftreten, und unsicher insofern, als ihr Verlauf und Ausgang, mehr wie bei jeder andern Krankheit, von der Individualität des Patienten abhängt und diese Individualität sehr schwierig zu beurthsilen ist. Es muss daher bei Stellung der Pro­gnose jeder einzelne Krankheitsfall und jedes Individuum für sich beurtheilt und danach dieselbe modificirt werden.
9. Capftel. Heilverfahren bei den Scropheln.
1. Allgemeine Betrachtungen.
sect;. 434. Die Scropheln des Pferdes bieten in Beziehung auf ihre Heilung die mannigfachsten und grössten Schwierigkeiten dar. Die Schwierigkeiten haben wiederum ihren Grund vor allen Din­gen in der Vielgestaltigkeit der Krankheit und der daraus her­vorgehenden unsichern Erkennung des Characters etc. derselben; ferner in dem in der Regel so ausserordentlich langsamen Verlauf
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und der zähen, so wenig zugänglichen Natur der Krankheit; ferner darin, dass die Krankheit häufig erst so sehr spät äusserlich in Er­scheinung tritt und erkannt werden kann, nachdem sie schon ver­altet ist und die ganze Säftemasse decomponirt hat; ferner dass die veranlassenden Ursachen oft schwierig aufzufinden und zu erkennen sind, und dennoch, selbst wenn solches geschehen, ihre Beseitigung oder die Verhinderung ihres fernem Einflusses, oder wenigstens doch die Milderung desselben, nicht möglieh ist; endlich weil bei dem laugsamen Verlauf der Krankheit das ganze Heilverfahren durch tiic lange Dauer desselben ein so mühsames nnd kostspieliges wird, dass dessen Gesammtkosten den Werth des Individuums nach dessen end­licher Genesung nicht selten übersteigen.
sect;. 435. Das Heilverfahren muss dahin gerichtet sein, den ganzen Ver-dauungsprocess umzustimmen, zu regeln und kräftig zu erregen ; zu diesem Zweck muss der Verdauungsapparat zunächst gereinigt werden, demnächst ist der Tonus desselben zu steigern, seine Thätigkeit zu beleben , zu stärken und zu erregen. Gleichzeitig muss die ganze Scrophelmasse des Scrophelpatienten umgestimmt und umgeändert und die Gefassthätigkeit in jeder Weise gesteigert und gekräftigt werden; ferner, und vor allen Dingen muss endlich in dem Patienten die animalische Vitalität, dem prävalirenden vegetativen Leben gegen­über, gehoben und gefördert werden.
2. Diätetisches Verfahren. sect;. 436.
Bei allen Scrophelformen des Pferdes steht in Beziehung auf deren Heilung das diätetische Verfahren oben an; therapeutische Mittel sind oft überflüssig und zwecklos, und in den meisten Fällen ist die geregelte und entsprechende Diät vollständig ausreichend. Dies findet namentlich immer statt bei den Scrophelformen Capitel 6, 3. a. und c, 4. d., 5. a. und c. Es ist nur in manchen dieser Fälle eine geringe Unterstützung durch passende Arzneien erforderlich. Nach dem in jedem vorliegenden Falle stattfindenden Zustande der gegebenen Krankheitsform, ist das diätetische Verfahren entsprechend zu regeln und zu leiten, daher auch demgemäss Modificationen in demselben eintreten müssen.
. sect;• 437.
Um die im sect;. 435 ausgesprochenen Zwecke zu erreichen, ist es zunächst nothwendig, dass man sich möglichst vollständig über die Form des vorliegenden Krankheitsfalles, den Character und die Ur­sachen desselben unterrichte. Hat man sich in dieser Beziehung die Erdl, Rolzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;15
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möglichst vollständigen Kenntnisse verschafft, dann gelten für Ein­richtung und Regelung der Diät folgende allgemeine Grundsätze:
a)nbsp; nbsp;Beseitigung des vorhandenen Missverhältnisses im Stoff­wechsel und Herstellung eines regelmässigen Verhältnisses.
b)nbsp; nbsp;Beseitigung des Missverhältnisses im vegetativen mit dem animalischen Leben nnd Hebung des letztern.
c)nbsp; nbsp;Förderung und Erleichterung der Verdauung, Regelung der Ernährung und damit bewirkte Verbesserung der Mischungs­verhältnisse der Säfte.
sect;. 438.
Diesem gemäss hat man zuerst dahin zu trachten, dass man die krank machenden, die veranlassenden, die Krankheit fördernden, unterhaltenden und begünstigenden Ursachen beseitigt, vermeidet, ihren fernem Einfluss aufhebt, oder doch, so weit es angeht, ab­schwächt. Es müssen dem Patienten durchaus unverdorbene Futter­stoffe , die keine Spur von Schimmel oder eines dumpfigen Geruchs besitzen, verabreicht werden. Das Wasser muss rein, nicht stagnirend, geruch- und meistens geschmacklos sein, es darf weder einen dumpfigen, fauligen, noch moorigen Geruch, es darf weder viel Bodensatz, noch viel Salze aufgelöst enthalten. Der Aufenthalt des Patienten muss luftig und geräumig, alle fremdartigen Beimischungen der einzu-athmenden Luft, alle Ausdünstungen, von ammoniak- und kohlenstoff­haltigen Miasmen, alle aus Gährnngsprocessen entstandenen Dünste müssen vermieden, eventuell durch fleissigen Luftwechsel entfernt oder gemässigt werden. Der Aufenthalt muss mit vollständigem Licht versehen sein und eine möglichst niedrige Temperatur, jedoch nicht unter dem Gefrierpunct, besitzen. Es muss endlich dem Patienten täglich eine den verabreichten Nahrungsmitteln entsprechende Be­wegung oder Arbeit im Freien gegeben werden.
sect;. 439.
In den ersten 3 bis 4 Wochen sei man bemüht den'Verdauungs­apparat , in allen Fällen wo dies angezeigt ist, wo Form, Character, Verlauf und Stadium etc. der Krankheit dies zulassen, zu reinigen, von allen Infarcten, Verschleimungen etc. zu befreien, indem man von 8 zu 8 Tagen eine gelinde Purganz von drastischen Mitteln giebt. Man entziehe dem Patienten alle an Mehl, Stärke, Zucker und Gummi reichen Futterstoffe, solche Nahrungsmittel, die vorzugsweise Wärme erzeugend sind, die Fettabsonderung fördern und schwer verdaulich sind und darum den Verdauungsapparat belästigen, schwächen, ver­kleben und verschleimen, man entziehe dem Patienten nur dasUeber-maass dieser Stoffe, wie es sich in unsern Cerealien darstellt. Man gebe in deren Stelle weniger nährende, leicht verdauliche, mehr an­regende , das animalische Leben begünstigende Nahrungsmittel, also
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statt des Kornes Stroh, und zwar seines Bitterstoffs und seiner leichten Verdaulichkeit wegen, Haferstroh; Heu und zwar, seines grössern Bitterstoffs und Aromas wegen kräftiges, wohlriechendes Wiesenheu. Man verabreiche, als das animalische Leben fördernde, den Stoff er­setzende Nahrungsmittel, solche, die reich an prote'i'nen Stoffen sind, also Kleien und thierische Stoffe , Milch , Blut etc.: Letzteres muss, da es jederzeit gleich in die faulige Gährung übergeht, stets ganz frisch, die Milch dagegen im Stadium ihrer ersten sauren Gährung, als säuerliche Milch, in zweckmässiger Weise und Verbindung ver­abreicht werden, weil bei dem üeberschnss der Säfte der Scrophel-patienten an alkalischen Basen die säuerlichen Nahrungsmittel die Umstimmung der Säfte bewirken*). —
sect;. 440. Weiter haben wir zu den Nahrungsmitteln das Wasser und die Luft zu rechnen. Das Erstere muss stets reines Quell-, Fluss - oder Regenwasser von reinem Geschmack und Geruch sein, die Luft da­gegen muss stets an Sauerstoff reich und frei von allen andern schäd­lichen Beimischungen und Ausdünstungen sein. Daher ist vor allen Dingen für einen zweckmässigen und passenden Aufenthalt des Scrophelpatienten zu sorgen. Der Stall muss daher geräumig und hoch sein, die Höhe von 12 bis 14 Fuss ist die zweekmässigste; der­selbe muss ferner mit Ventilatoren versehen sein, damit in ihm ein Abzug der schädlichen Dünste und ein steter Luftwechsel stattfindet, die Temperatur muss so geregelt werden können, dass sie im Sommer nie über 16 bis 20deg; und im Winter nie über 12 und nie unter 0deg; steigt oder fällt. Eine mehr kalte als warme Temperatur ist immer die zweekmässigste, weil kalte Luft stets reiner von Miasmen und Aus­dünstungen und reicher an Sauerstoff ist, als die Luft bei warmer Temperatur. Der Sauerstoff aber ist ein sehr wirksames Mittel gegen die Scropheln, indem er die Vitalität und das animalische Leben an­regt und steigert und damit den Stoffwechsel in zweckmässiger WTeise fördert. Aber auch das Licht ist ein erregendes, die Vitalität steisrern-
*) Wenn ich vielleicht im Verlaufe der Abhandlnngen in dieser Schrift dargethan habe, dass ich mich dem Waldingerschen System, d. h. dem System des Chemismus, in pathologischer wie therapeutischer Beziehung nicht an-schliessen mag, so habe ich mit dem hier Gesagten keineswegs das Gegcntheil bewiesen, so wie in der Abweisung jenes Systems kein Widerspruch mit dem hier Gesagten liegt. Die Säure wirkt hier allerdings chemisch; in so weit sie die freien alkalischen Stoffe erreicht, bindet sie dieselben und besehriinkt damit ihre Prävalenz , ohne die letztere in den Säften zu heben, oder die Krankheit zu heilen, welche jene Stoffe hervorrief. Dies letztere ist das Werk der Diätetik und Therapeutik überhaupt, womit dann selbstverständlich auch jene alkalische Prävalenz gehoben wird. Es ist sonach die Säure das Mittel, durch Welches die Krankheit nicht geheilt, sondern nur in ihren Fortschritten gemildert und ge­hemmt wird.
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des Agens, daher in einem zweokmässigen Local für Scrophelpatienten auch für den Zufluss von hinreichendem Sonnenlichte gesorgt wer­den muss.
sect;. 441.
Nicht immer ist es möglich, für Scrophelpatienten ein dergleichen zweckmässiges Local zu beschaffen. In solchen Fällen muss man von zwei Uebeln das kleinste wählen. Man darf den Scrophel­patienten nie in einem Pferdestalle lassen, in welchem mehrere Pferde stehen, auch darf man ihn nicht in einen Schafstall bringen, weil in beiden Arten von Ställen stets starke ammoniakalische Ausdünstungen sind, die die Luft derartig verunreinigen, dass sie nicht nur nach­theilig auf die Ernährung, sondern auch störend auf die Lungen-function und somit deprimirend auf die Vitalität und verringernd auf den Stoffwechsel wirken, auch die alkalische Prävalenz steigern.
Deshalb wählen wir den Rindviehstall, weil die in solchem statt­findenden Ausdünstungen nicht alkalischer Natur sind. Doch müssen wir auch in einem solchem nach Möglichkeit für Luftwechsel, Licht und die zweckmässige Temperatur sorgen. — In allen Localien aber, in die wir solche Patienten stellen, müssen wir für möglichste Trocken­heit sorgen, da die blosse Beimischung von Feuchtigkeit in der Luft ein schädliches Moment abgiebt, indem sie die Hautausdünstung stört, den Sauerstoff quantitativ vermindert und auf diese Weise nachtheilig* einwirkt.
sect;. 442.
Was nun noch den Stoffwechsel vor allen Dingen fördert, das ist eine den gegebenen Nahrungsmitteln entsprechende regelmässige und geregelte tägliche Bewegung oder Arbeit in freier Luft. Dieselbe muss keinen Kräfteaufwand mehr verlangen, als die aufgenommenen Nahrungsmittel zu ergänzen vermögen, eben so wenig wie sie einen geringern Kräfteverbrauch beanspruchen muss, als die verzehrten Nahrungsmittel ersetzen können, andernfalls würde im erstem Falle Erschöpfung die E^lge sein und mit dieser ein typhöser Zustand sich zu den Scropheln gesellen und dieser mit einer Säftezersetzung dem Leben ein Ende machen; im 2. Falle würde eine Säfteüberfüllung, Stockung, Fettbildung,' Verdauungsstörung etc. und schliesslich Steigerung der Scrophelkrankheit die Folge sein. Die Bewegung oder Arbeit darf ferner nicht bis zur Erhitzung und zum Echauffement gehen, und noch weniger darf auf solche eine schroffe Abkühlung folgen, die einer Erkältung gleichkommt.
Ein anderes wesentliches diätetisches Moment, ist die Reinlich­keit neben einer möglichst vollständigen Hautausdünstung, daher der Scrophelpatient in jeder Weise reinlich gehalten und viel geputzt und gestriegelt werden muss.
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sect;. 443. Wenn wir also den Verdauungsapparat des Scrophelpatienten reinigen und ihm demnächst nur leicht verdauliche, tonische, erregende, eiweissstoffige, möglichst animalische Nahrungsmittel und reines, ge­sundes , frisches Wasser verabreichen, für einen zweckmässigen Aufenthaltsort, für frische, reine sauerstoffreiche Luft, für Licht und eine entsprechende Temperatur, wenn wir für angemessene Bewegung oder Arbeit in freier Luft, für die erforderliche Reinlichkeit ecc. sorgen, so ist unsere diätetische Aufgabe bei den Scropheln erfüllt; es wird das Missverhältniss im Stoffwechsel gehoben, derselbe über­haupt gefördert und beschleunigt werden, es wird das vegetative Leben mehr zurückgedrängt, die animalische Vitalität dagegen ge­fördert und gesteigert, es wird die Verdauung damit gestärkt, ge­hoben, die Mischungsverhältnisse der Säfte werden gebessert, ihre Entmischung, und namentlich ihre alkalische Prävalenz, wird beseitigt, und somit wird die Ernährung geregelt werden.
3. Therapeutisches Verfahren.
sect;. 444.
Da wir das therapeutische Verfahren bei den Scropheln für Nebensache im Allgemeinen halten und es für die meisten Fälle nur als die Diät unterstützend ansehen, ausnahmsweise in gewissen Fällen eine besondere Wichtigkeit auf die Arzneimittel legen, so können wir hier, bei der allgemeinen Betrachtung, kurz über dieses Thema hinweggehen. Wir haben bei dem therapeutischen Verfahren die­selben Grundsätze festzuhalten und in Ausführung zu bringen, wie bei der Diät und haben demnach auch die Mittel zu wählen.
In Fällen wo die Verdauung sehr geschwächt und erschlafft ist, wo die Ernährung leidet, die physischen Kräfte sehr geschwunden sind, wo die Haut- und Nierenfunction sehr unterdrückt ist und das animalische Leben sehr darnieder liegt, also in gewissen Stadien der Krankheit, bei gewissem Character und Verlauf derselben, bei be­stimmten Complicafionen und in gewissen Formen, muss mehr oder weniger ein therapeutisches Verfahren, eine arzneiliche Unterstützung, eintreten. Alle diese Fälle lassen sich genau nicht angeben , da fast jeder einzelne Fall anders geartet ist und es muss daher dem Sach­verständigen für jeden derselben überlassen bleiben , zu beurtheilen, ob überhaupt ein therapeutisches Verfahren, und welches, einzu­leiten ist.
sect;. 445.
Die Mittel, welche man zur Hebung der Verdauung, der Assi­milation , zur Stärkung der Digestionsorgane, also zur bessern Er-
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nährung, zur Förderung der Hautausdünstung und der Harnsecretion etc., zur Erregung und Steigerung des animalischen Lebens, zur Verbesserung der Säfte, namentlich zur Herstellung der normalen Mischungsverhältnisse des Blutes und der Lymphe, zur Hebung und Kräftigung der Gefässthätigkeit, zur Förderung und Beschleunigung des Stoffwechsels etc. anwenden muss, sind tonische, bittere und erregende Mittel, als z. B. Eisen in seinen verschiedenen Verbin­dungen , Antimon , Manganhyperoxyd , Jod , Jodkalium , Jodeisen, Schwefel, Weiden-, Angustura-, Chinarinde, Entian, Wachholder-becren, Sabina, Harze, Terpentinöl, Glanzruss, Kohle u. dergl. m.
sect;. 446. Diese Mittel in den passenden, dem jedesmal vorliegenden Falle angemessenen, Verbindungen, Quantitäten, Zwischenräumen und in der entsprechenden Dauer angewendet, leisten als Unter­stützung der vorgeschriebenen Diät oft die vorzüglichsten Dienste. Bei den verschiedenen Complicationen und gewissen Formen der Krankheit, würden noch andere Mittel anzuwenden sein, welches der Artzt in jedem Falle zu beurtheilen hat; z. B. können bei besondern localen Aff'ectionen , örtliche äussere Mittel angezeigt sein , wie Ein­spritzungen, Waschungen, Einreibungen, Umschläge, Räucherungen u. dergl. Es gehört dies indess in die speeielle Abhandlung der^ Scropheln, welche nicht zu dem, unserm Zwecke vorgesteckten Ziele gehört, daher wir darüber hinweggehen müssen.
sect;. 447. Die Scropheln überhaupt sind eine der in das vegetative Leben des Organismus tief eindringende nnd eingreifende Krankheitsgruppe, die in der verstecktesten und vielgestaltetsten Weise auftritt und daher von allen andern dem Arzte fast die meisten Schwierigkeiten bietet und ihn im Dunkeln tappen lässt. Sie trotzt oft der rationell­sten, energischsten und andauerndsten Behandlung, und selbst wenn sie zu weichen scheint, wenn sie anscheinend ganz gehoben ist, so tritt sie oft plötzlich und unerwartet wieder hervor, und zwar in umfang­reicherer und gefahrlicherer Gestalt, als vorher, weil, wenn auch die Krankheit, doch die Anlage nicht gehoben war, die, einmal angeboren oder erworben, wie es scheint, nie radical gehoben werden kann. Die Scrophelkrankheit ist der Proteus der Krankheiten und, kaum bekämpft, tritt sie von Neuem in anderer Gestalt wieder auf. Es giebt gewisse Localaffectionen, Complicationen, Charactere und Formen dieser Krankheit die aller und jeder Behandlung beharrlich Trotz bieten, daher es unzweckmässig ist, bei solchen auf eine Behandlung sich noch einzulassen. Wir erwähnen hier nur die Tuberculose der Lungen; gewisse Degenerationen, Wucherungen, Destructionea der innern Kopfschleimhäute, cariöse Affectionen der innern Kopfknochen und
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Knorpel etc., Scropheln mit starken gastrischen Complicationen, mit Affectionen der Leber, mit Lungenentzündungen, mit Schwindsucht, Abzehrung, mit Arthritis, mit Arthrocacia etc., ferner Scropheln mit allgemeiner Säfteentmischung bei Anerbung, mit nervösem, typhö­sem , septischem und putridem Character; Scropheln von neuter Form u. dergl. m.
III. Abtlieilung.
Die Rotz- und Wurmkrankheit der Pferde.
Für Rotz: Griechisch : MdXig oder Mqh'g, Aristoteles. Lateinisch : Morbus oder Malleus humidus, Vegetius Renatus. Coryza virulenta, Sau vage. Phthisis nasalis, Pestel. Pyorhinorrhoea Rhinorrhoea Rhinocarcinoma, Am
Fach. Ozaena contagiosa equi, Hofacker. Ozaena maligna contagiosa, Veith. Cachexia lymphatica ozaenis malignis contagiosa, seu Ozaena maligna complicata et simul contagiosa, Dieterichs. Französich: La Morve. Englisch: Glanders.
Italienisch : Cianioro oder Mona. Im Toskanisehen : Cimurro. Spanisch: Ciamorro.
Für quot;Wurm : Lateinisch : Malleus seu Morbus farciminosus, Scrophula farcimen, Sau vage. Helcosis, Am Fach. Farciminium, Festel. Cachexia lymphatica farciminosa, Veith. Dermatocalodium lymphaticum, Bürger. Französisch: Farcin. Englisch: Farcy.
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Einleitung für diese Abtheilung. Eine besondere Einleitung für diese Abtheilung halten wir für nothwendig, um uns gegen Missverständnisse zu sichern. Aus der­selben Veranlassung auch behalten wir die Namen: „Rotz und Wurmquot; vorläufig bei, wenn sie ursprünglich auch von Schmieden, Hirten oder andern Pfuschern und Ignoranten den Krankheiten, die wir hier abhandeln wollen, gegeben und aus einzelnen Symptomen derselben entnommen worden sind; bei jenem von dem pathologischen Secrete, dem Rotze , welches aus der Nase fliesst; bei diesem , von den perlschnurartig an einem Strange (einem angeschwollenen Lymph-gefässe) aneinander gereihten Knoten (Beulen), die in wellenförmiger Linie, etwa wie die Windungen eines Wurmes, verlaufen. Eigentlich besagen diese Namen nichts, sie weisen weder auf die Natur, noch den Character, noch auf den nosologischen Standpunct der Krankheit hin; im Gegentheil führen sie oft zu Irrungen, Missdeutungen, falschen Schlüssen und Ansichten. Dennoch sind wir leider genöthigt, sie schon aus dem Grunde beizubehalten , weil sie einmal nicht eine bestimmte einzelne Krankheitsspecies oder Form, sondern eine ganze Gruppe verschiedener Krankheitsformen bezeichnen, die in einen wissenschaftlichen Namen bezeichnend sich nicht würde zusammen­fassen lassen, und weil sie andererseits viel zu sehr in der Wissen-i schaff, wie im Volksgebrauch Eingang und Stabilität gewonnen haben. Wir handeln unter diesem Namen gemeinschaftlieh eine Gruppe ans dem Bereiche der Pferdekrankheiten ab, von dem soviel geredet und geschrieben worden ist, wie kaum über ein anderes Thema der ganzen Thierheilkunde. Obwol jene Krankheitsgruppe, wie wir gezeigt haben, dem Menschen seit Jahrtausenden bekannt ist und im Laufe der Entwickelungsgeschichte des Völkerlebens vielfach eine Rolle ge­spielt hat, obwol sie die gefährlichsten und bedeutendsten Krankheits­formen des, nächst dem Menschen edelsten, vollendetsten und nütz­lichsten Geschöpfes dieser Erde, einschliesst, so befinden wir uns nicht nur heute noch in Bezug auf sie in einem wahren Chaos baby­lonischer Verwirrung, sondern wir wissen noch nicht einmal, ob jene Formen nur beim Pferde, oder ob sie auch bei andern verwandten Einhufern, beim Esel, Maulesel undMaulthier etc., spontan entstehen, oder ob sie nur dann in diesen Thieren zum Ausbruch kommen, wenn diese letzteren vom Pferde das Contaginm aufnehmen. In dem Be­reiche des Rotzes und Wurmes giebt es Formen, denen Krankheits-zustände des Menschen wesentlich analog sind, sie übertragen sich nicht nur durch AnsteckungsstofTe vom Pferde auf Menschen, sondern sie entwickeln sich bei Letzterem auch spontan und zwar häufiger, als wir dies bisher anerkennen wollen. Wir bezeichnen dieselben Krankheitszustände beim Menschen allerdings mit andern Namen.
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Weil wir mit der Benennung Rotz etc., einen ganzen Complex verschiedenartiger Krankheitsformen bezeichnen, worin andere Patho­logen immer nur eine Form erkennen wollen, indem sie einfach an­nehmen , Rotz sei stets dasselbe, darum herrscht auch über das, was wir darunter verstehen, so namenlos viel Verwirrung, Widerspruch und Unklarheit. Wir müssen aus denselben Gründen auch beklagen, dass die Diagnostik wie die Therapeutik des Rotzes und Wurmes noch so überaus im Argen liegt. Es kommen bei Pferden unzweifel­haft die meisten Formen des Rotzes und Wurmes vor, die wir bei Mensehen beobachten und würden wir die syphilitische und arthritische Form vielleicht auszunehmen haben. Die scrophulöse Form ist beim Pferde jedenfalls die häufigste, sie scheint es auch beim Menschen zu sein, sie ist die verkappteste und die in den mannigfachsten Gestal­tungen vorkommende. Tritt Rotz und Wurm beim Menschen spontan auf, so verläuft derselbe in der Regel unter ganz andern und mildern Symptomen, als wenn er im Wege der Uebertragung vom Pferde hervorgerufen worden ist, und, umgekehrt, erscheint die Rotz- und Wurmkrankheit beim Pferde in der Regel in viel milderer Form und unter geringern, bei weitem weniger in die Augen fallenden Symptomen, wenn sie aus Uebertragung des Ansteckungsstoffes von Menschen ent­standen ist, als wenn sie aus spontaner Entwickelung oder aus dem Contagium eines andern Pferdes hervorgeht.
Es gilt hier die Regel, dass alle Contagien, die sich in höher organisirten, lebensfähigem, complicirtern Organismen entwickeln, auf Individuen von niedrigerer Organisationsstufe übertragen, bei diesen allemal milder wirken und geringere Reactionen hervorrufen , wenn sie überhaupt zur Wirkung kommen, als dies in den entgegensetzten Fällen statt findet, in solchen wirken sie heftiger und rapider. Es erleidet diese Regel zwar mancherlei Ausnahmen, die sich nach der individuellen Organisation, dem Temperament, der Gesundheit etc., derjenigen Individuen richten, welche sich gegenseitig den In-fectionsstoff übertragen, indess ist hier nicht der Ort, solche Fälle zu specialisiren. Das Rotzcontagium kann z. B. von einem Menschen mit phlegmatischer Constitution und geringem Temperament, auf ein Pferd von sanguinischem Typus übertragen, von viel intensivem und rapidem Wiikungen sein, als es sich bei jenem Menschen zeigen würde, wenn umgekehrt, von diesem Pferde ein gleiches Contagium auf den­selben übertragen worden wäre. — Das Alter, die Anlage, die Race, Localität, Lebensweise, Nahrungsmittel, Klima, Jahreszeit, die Be­schaffenheit der Säfte etc., alles modificirt jene Regel, ändert die Form der Krankheit und die Wirkungen des Ansteckungsstoffes.
Wenn die Rotz- und Wurmkrankheit als eine contagiöse Krank­heit hingestellt wird, so will man damit einen specifischen Krankheits­zustand , eine besondere Species, bezeichnen, von der ein specifisches
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Contagiura prodneirt wird. Dies ist indess nicht richtig: wir müssen unter Rotz und Wurm eine Krankheitsgruppe des Pferdes verstehen, deren einzelne Species in ihrer Natur, in Symptomen, Ursuchen, Ver­lauf, Dauer, Ausgängen und Heilbarkeit von ausserordentlicher Ver­schiedenheit sind, die aber darin überein kommen, dass sie mit drü­sigen Aff'ectionen, mit pathologischen Effluvien aus der Nase und mit einem mehr oder weniger intensiven Contagium verbunden sind, welches, auf andere Pferde übertragen, zwar nicht immer dieselbe Form und Species, doch aber jederzeit wieder eine contagiöse Krank­heit mit analogen Symptomen hervorruft, und bei welcher in der Regel die ganze Säftemasse, alle Producte, Secrete, Effluvien etc. die con­tagiöse Natur annehmen.
Wir nehmen zwar an, dass bei Menschen gewisse Krankheiten, z. B. die Scropheln, nicht contagiös sind; daraus folgt aber keines­wegs, dass wir behaupten könnten, dieselben Krankheiten seien auch bei Thieren nicht contagiös, es folgt daraus nicht, dass solche Krank­heiten, von Thieren auf Menschen übertragen, nicht als Contagium wirken könnten. — Wir können nur nicht annehmen und verlangen, dass solche Contagien dann immer bei Menschen jene bestimmte specifische Krankheitsform, wieder hervorrufen sollen, deren Product sie sind; es genügt vollständig, und rechtfertigt unsere Annahme von der Contagiosität, wenn sie überhaupt allgemeine Krankheiteo hervorrufen, die wieder contagiös sind. Das Contagium einer Krank­heit ist. überhaupt nur ein Krankheitsstoff, der in andern Individuen derselben Art eine allgemeine, wieder contagiöse Krankheit hervor­ruft, wenn er auf solche übertragen wird, die Form und Species dieser Krankheit ist nicht immer abhängig von dem Contagium, vielmehr eben so häufig richtet sich dieselbe nach der Individualität und Natur des inficirten Individuums. Eine contagiöse Krankheit entwickelt aber auch nicht immer, und unter allen Verhältnissen, ein Contagium, und dennoch sind wir genöthigt und berechtigt, sie zu den contagiösen Krankheiten zu zählen. Es sind viele Umstände und Verhältnisse, die eben sowol im Individuum, wie in der Aussenwelt liegen können, welche verhindern, dass contagiöse Krankheiten unter allen Um­ständen ein Contagium entwickeln oder bis zur Höhe der Contagiosität ^gesteigert werden. Wir dürfen hier nur an die verschiedenen Formen des Milzbrandes denken, und wir werden hier in dieser Beziehung manche Analogieen mit den verschiedenen Formen des Rotzes und Wurmes anerkennen müssen. Eben so sind wir dennoch genöthigt und berechtigt, Krankheiten als contagiös zu bezeichnen, wenn sie auch nicht alle Individuen ein und'derselben Art, auf die sie über­tragen werden, anstecken. Die Ursache hiervon liegt oft in eigen-thümlichen Umständen und Verhältnissen, die in der Individualität des geimpften Individuums begründet sind, die wir freilich nur selten
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ermitteln und erkennen können. So wie das Saamenkorn seinen, seiner eigenthiunlichen Natur nach, qualificirten Boden haben muss, wenn es keimen und sich regeneriren soll; wie das Ferment in der Flüssigkeit des Zuckers, oder eines ähnlichen, in Zucker sich ver-quot;wandelnden Stoffs, bedarf, um Gährung zu erzeugen und sich selbst zu regeneriren, so bedarf das Contagium des geeigneten Organismus, mit allen denjenigen Zuständen seiner Säfte, seines Nervensystems etc., die nothwendig sind, um in demselben den entsprechenden Krank-heitsprocess entwickeln und aus diesem sich selbst regeneriren zu können. Wollten wir diese Grundsätze nicht adoptiren, dann müssten wir ewig im Unklaren über den Begriff eines Contagiums und in fortwährendem Zweifel darüber bleiben, welche Krankheiten wir zu den cöntagiösen zu zählen hätten, welche nicht. Adoptiren wir dagegen jene Grundsätze, dann bekommen wir freilich ein sehr grosses Heer von cöntagiösen Krankheiten. Ein solches ist aber in der That auch vorhanden. Eine jede Dyskrasie ist die Grundlage einer cön­tagiösen Krankheit, sie ist entweder an und für sieh schon contagiös, oder sie kann doch unter Umständen die contagiöse Potenz annehmen, während nie eine Kachexie contagiös ist, noch werden kann.
Wir müssen hier Dyskrasie von Kachexie bestimmt scheiden, und die Begrifie beider Zustände in prägnantester Weise trennen und feststellen; es ist dies zum nähern Verständniss des Nachfolgen­den durchaus nothwendig und es ist keineswegs so schwierig, wie es auf den ersten Blick erscheint. Bisher ist von allen medicinischen und thierärztlichen Autoren Dyskrasie und Kachexie beständig ver­wechselt und beide Begriffe sind als synon3rm angesehen worden, man hat jene bald Kachexie und diese bald Dyskrasie, und die eine wie die andere bald Dyskrasie bald Kachexie genannt. Wir könnten hierin eine gewisse Indolenz finden, die sich keine wissenschaftliche Behandlung eines Gegenstandes, welcher Art er auch sei, je zu Schulden kommen lassen darf, indem dadurch nur M^ssverständnisse und Irr-thümer herbeigeführt werden, man in der Sache selbst aber nie zum Verständniss gelangt, — was ihr natürlich stets zum unberechenbaren Schaden gereichen muss. — Wie die französischen und die Gelehrten und Schriftsteller anderer Nationen durch die nichts sagende Benen­nung: la Morve, Glanders, Rotz etc., dahin sich irreleiten liessen, jeden Zustand, bei welchem ein pathologisches Secret, also Kotz, aus der Nase floss, für Morve etc. zu halten, und nachdem sie fanden, dass nicht jeder Ausfluss aus der Nase des Pferdes eine contagiöse Natur hatte, glauben konnten, die contagiöse Natur des Rotzes über­haupt bestreiten zu müssen, und dadurch einen immensen Schaden blos aus dem Grunde, dass der Begriff jener mit Rotz etc. benannten Krankheit nirgend festgestellt war, verursachten, so kann und muss auch die Verwechselung und Vermischung der Begriffe Dyskrasie und
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Kachexre und der Mangel ihrer Fixirung unendliche Nachtheile her­beiführen.
Dyskrasie (Dyscrasia, q dv gxy aaia) ist eine schlechte Mischung, eigentlich Entmischung, ein unter einem bestimmten Nerveneinfluss einge­tretener und geleiteter, vender Digestion unab­hängiger, Chemismus der alle Bestandtheile ent­haltenden Säfte, mit Prävalenz des alkalischen Princips in denselben und ihren Producten und Ausscheidungen.Kachexie dagegen (Cachexia, q xaxs^tcc) ist ein übles, ungesundes Aussehen, eine mangelhafte Zusammensetzung der an gewissen basischen Bestandtheilen Mangel leidenden Säfte, verursacht durch fehlerhafte Nahrungsmittel uud dadurch herbeigeführte krankhafte Digestion, un­abhängig vom Nerveneinfluss, mitüeberschussan saurem Princip in den ersten Wegen, denSäften, ihren Producten und Ausscheidungen.
Wir finden also hier einen offenbaren, wesentlichen Gegensatz zwischen Dyskrasie und Kachexie, der unstreitig die höchste Beach­tung verdient und, richtig erkannt und ausgebeutet, zu den aller-wesentlichsten Ermittelungen und Resultaten führen muss. Sowie jede Dyskrasie nach dieser Auffassung ein Contagium bildet oder doch bilden kann, so kann eine Kachexie nie contagiös werden, sie ist nicht befähigt, ein Contagium zu bilden. Die Säuren oder Säure vertreten­den Stoffe, wie z. B. Chlor, sind Antidota der Contagien, sie ver­nichten, zerstören diese, und dies hat seinen Grund in der alkalischen Natur der Contagien, sie sind daher auch die ersten Heilmittel der Dyskrasien. Dass aberKachexien keine Contagien bilden können, hat seinen Grund in der sauren Natur derselben, die basischen Stoffe sind daher die ersten Heilmittel der Kachexien. Die Feststellung dieser Natur der Dyskrasie, Kachexie und des Contagium und ihrer Unterschiede hat nicht nur in Beziehung auf die Wissenschaft einen hohen Werth und ein grosses Interesse, sondern es liegt darin eine noch viel grössere Bedeutung für die Praxis. Wer wollte nicht erkennen, welcher bedeutende Fortschritt hierin für die Diagnose und Therapeulik, wie für die Prophylaxis und Diätetik zu finden ist, und wer kann ermessen, wie wichtig und werth voll Lehrsätze für die forensische und polizei­liche Veterinärkunde, wie für Viehzucht, Landwirthschaft und den Nationalwohlstand, ja wie bedeutungsvoll sie noch für Gesundheit und Leben des Menschen werden quot;können. Es sind vielleicht als Grundlage mancher Contagien so ätherische Basen vorhanden, wie sie bisher noch keine Chemie kennt, noch entdecken kann, weil es ihr dafür an Reagentien fehlt. Wir erinnern hier nur an die flüchtigen
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Contagien, sowie an das Contagium der Wuthkrankheit u. dergl. m. Indess ist es schon unendlich viel gewonnen, wenn wir nur die Natur der Contagien und ihre Grundlage erkannt haben.
Alle Verschiedenheiten, Modifleationen und Complicationen, denen wir bei Rotz- und Wurmkrankheit und ihrer Contagiosität, wie bei dem Contagium derselben begegnen, sind von den meisten Thierärzten und thierärztlichen Schriftstellern, ebenso wie von Men­schenärzten, in einen Topf geworfen worden, ja es hat die Gesetz­gebung selbst ein gutes Theil dazu beigetragen, und daraus ist ein Chaos von Ansichten , Missverständnissen , Begriffen, Belehrungen und Streitfragen entstanden, dass man der Welt als fertigen Brei zum Verspeisen vorgesetzt hat, — und die Welt? — Sie hat ihn ver­speist, Niemand aber hat ihn verdaut, Jeder verdaut noch fort und fort daran, und das bisherige Resultat war die chronische Indigestion, an welcher die Wissenschaft und ihre Organe leiden.
Die Wissenschaft (wir abstrahiren von der Medicin früherer Jahrhunderte, sowie auch den früheren Stallmeister- und Schmiede-Forschungen, Beobachtungen und Ansichten, und meinen hier ledig­lich die Thierarzneiwissenschaft) hat, seit ihrem 70- bis 80-jährigen Bestehen, der Rotz- und Wurmkrankheit, als einer der in jeder Be^ ziehung wichtigsten und bedeutendsten Krankheiten im ganzen Ge­biete der Thierheilkunde, die grösste Aufmerksamkeit und Thätigkeit zugewendet. Tausende und aber Tausende von Sachverständigen haben sich mit ihr theoretisch und practisch beschäftigt, in vielen Tausenden von Fällen ist sie beobachtet und behandelt worden, und eine Unmasse von Erfahrungen ist gemacht und gesammelt. — Fra­gen wir, zu welchen Resultaten hat dies Alles in der Wissenschaft und ihrer practischen Anwendung geführt ? so müssen wir antworten, dass damit der Wirrwarr keineswegs gelöst, dass er im Gegentheil in mancher Beziehung gefördert worden ist. Die Wissenschaft so wenig wie die Praxis haben bisher durch alle Erfahrungen und Be­obachtungen auf diesem Gebiete wesentliche und reelle Bereicherun­gen erhalten. Fragen wir nach den Ursachen dieser in der That trüben Erscheinung, so müssen wir einerseits zugestehen, dass der grösste Theil jener Beobachtungen und Erfahrungen allerdings von Männern gesammelt worden ist, die nicht zu den wissenschaftlichen Capacitäten gehörten, mithin ihre Beobachtungen auch nicht vom wis­senschaftlichen Standpuncte aus gemacht haben, daher deren Erfah­rungen kaum einen untergeordneten, practischen Werth haben kön-nen. Nun würde man allerdings glauben müssen, dass in dem angedeuteten Zeiträume dennoch eine genügende Zahl -Beobachtun­gen auch von Männern der Wissenschaft gemacht worden sei, mit der man ausreiche, jener, Rotz und Wurm genannten, Krankheit ihrer Natur nach den richtigen nosologischen Standpunct anzuwei-
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sen; aber auch hier würden wir irren, denn der grösste Theil dieser Männer hat seine Beobachtungen nicht für wissenschaftliche, sondern für practische Zwecke gemacht, und der Theil der technischen Män­ner, welcher die Rotz- und Wnrmkrankheit des Pferdes rein -wissen­schaftlich zu bearbeiten bezweckt hat, ist sehr geringe. Monogra­phisch ist die Krankheit eigentlich noch gar wenig bearbeitet; was uns die Litteratur darüber bringt, finden wir meist nur in aphoristi-sclien Abhandlungen niedergelegt. Dies Material aber ist ausser-ordentlich dürftig und keineswegs der Wissenschaft genügend, wie der Wichtigkeit des Gegenstandes angemessen. Das Wenige, und so sehr Unvollständige, was uns die Litteratur über Rotz und Wurm bisher gebracht hat, ist ohne Zusammenhang und Uebereinstimmung, und nur zu häufig finden sich in den Wahrnehmungen, Beobachtun­gen ui\d Erfahrungen die schroffsten, sieh gegenüberstehenden, und wol auch bekämpfenden Differenzen. Uns scheint dies natürlich, denn ein Jeder hat seine eigenen Beobachtungen und Erfahrungen niedergelegt, er hat sie aber an andern Formen der Krankheit, unter andern Verhältnissen, bei andern Pferden etc., als sein Vorgänger oder Nachfolger gemacht, und statt dies ins Auge zu fassen und ein­zugestehen, verwirft er ohne Weiteres die Thatsachen und Ansichtenraquo; welche von Andern mitgetheilt werden. — Daher kommt es, dass der Eine die Rotz- und Wurmkrankheit eine Dyskrasie nennt, wäh­rend der Andere behauptet, sie sei eine Kachexie, und wer beides für synonym hält, nennt sie bald Dyskrasie, bald Kachexie; nun be­hauptet Einer, sie sei lymphatisch, mit Drüsenleiden, der Andere, sie sei catarrhalisch, mit lymphatischer Complication, der Dritte aber be­hauptet, sie sei ein tuberculoses, der Vierte, sie sei ein scrophulöses Leiden, der Fünfte aber findet, dass sie ein putrides Fieber sei; während der Sechste sie für ein allgemeines, der Siebente sie für ein locales Leiden hält, behauptet der Achte, sie sei ein geschwüriges Leiden der Nasenschleimhaut (Ozaena), was der Neunte bestreitet, indem er sie für Lungentuberkeln hält u. s. w. Betrachten wir aber die Krankheitszustände, welche wir alle unter Rotz und Wurm be­greifen, als eine ganze Krankheitsformengruppe, dann wird darin jede der verschiedenen Beobachtungen und Ansichten ihren Platz und sich bestätigt und gerechtfertigt finden können. In einem nur kommen heute alle technischen Autoritäten überein, und das ist die Contagio-sität der Rotz- und Wnrmkrankheit, die noch in den ersten Decen-nien dieses Jahrhunderts eine im heftigsten Kampf verfolgte Streit­frage bildete. Die Missverständnisse über die Natur und den BegrifT der gedachten Krankheit, tragen wol unzweifelhaft die meiste Schuld jenes chaotischen Wirrwarrs der Ansichten. Die meisten dieser letztern sind aus geringen, einseitigen, zum Theil oberflächlichen Beobachtungen hervorgegangen, die dann von den Beobachtern sofort
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ohne Weiteres als wissenschaftliche Dogmen hingestellt worden sind. Man hütte berücksichtigen müssen, dass der Beobachter im Cavalle-riegarnisonsstall andere Resultate haben muss, als der im Bauern­stall etc., und dass die des erstem, mit denen des letztern keines­wegs im Widerspruch stehen, dass dies vielmehr nur scheinbar ist.
Uebrigens ist es in der That ein gewagtes Unternehmen und erfordert fast mehr Wissen und geistige Befähigung, als wir mit Recht uns zutrauen dürfen, wenn wir es unternehmen, gegen sin Heer so eingewurzelter Missverständnisse und Vorurtheile, zugleich auch gegen so veralteten, verbreiteten und festgewachsenen Aber-und Autoritätenglauben aufzutreten, wie wir es mit dieser Schrift beabsichtigen. — Auf die Gefahr hin, die Eitelkeit der bis dahin an­erkannten Autoritäten zu verletzen, und ihren ganzen Zorn auf uns herabzuziehen, unternehmen wir dennoch jenes Wagniss, denn es dünkt uns in der That hohe Zeit, dass in einer so ernsten, hochwich­tigen, immer noch unter einem gewissen Obscurantismus leidenden Sache, endlich einmal ernste Sehritte gethan werden, so dass wenig­stens Lichtblicke in jenes finstere Chaos fallen, sei es zum Wohle der Menschheit, der Wissenschaft, des Vaterlandes, oder auch nur des thierärztlichen Standes. Viel zu lange schon hat die Wissenschaft zu ihrer Schmach gezögert, diesen Gegenstand aufzunehmen, und in den Bereich ihrer technischen Untersuchungen und Reflexionen zu ziehen, sie hat sich hierin vielmehr von dem Laienthum überwuchern lassen. Man sollte es fortan nicht länger dulden, dass die technische Wissenschaft und ihre Organe ferner noch an veralteten , mit keiner neuern Forschung harmonirenden Ideen und Irrthümern klebend, von Stallmeistern, Cavalleristen, Landwirthen, Schmieden, Hirten etc. am Gängelbande des Obscurantismus und Aberglaubens früherer Jahrhunderte, einer Frucht der rohen Empirie, geführt werden; jetzt, in diesem Jahrhundert, wo ein frischer, belebender Frühlings-hanch alle Wissenschaften und Verhältnisse durchdringt, muss es endlich auch im Gebiete der Thierarzneiwissenschaft Tag werden.
Wir haben in einer länger als 30-jährigen, practischen Lauf­bahn für diesen Zweck in dem Stoffe, den diese Schrift abhandelt, gesammelt und Beobachtung auf Beobachtung, Erfahrung auf Erfah­rung gehäuft. Es ist ein volles Menschenleben, in welchem uns die mannigfachsten und häufigsten Gelegenheiten entgegengetreten sind, die Rotz- und Wurmkrankheit in allen ihren Modificationen und Va­rietäten zu stndiren. Jetzt ist es freilich damit vorbei, denn die Ge­legenheit, contagiöse Krankheiten zu studiren, ist den wissenschaft­lichen , namentlich aber den beamteten Thierärzten vollständig entzogen, und sie ist wieder vorzugsweise in die Hände der beliebten Routiniers und Pfuscher übergegangen, wie vor 1790, wo sie die alleinigen Sachverständigen bildeten. Wenn es danach Methode
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geworden ist, den Obäeurantisrnus in dem Thierheilwesen bleibend zu machen, so hätten wir vielleicht noch recht eindringend um Ver­zeihung zu bitten, dass wir den Versuch wagen, auf einem Gebiete desselben Licht verbreiten zu wollen.
Wir haben jene Krankheit in vielen hundert Fällen, fort und fort, in sehr verschiedenen Gegenden und Localitäten des Landes, unter den mannigfachsten Verhältnissen, zu allen Zeiten, unter den verschiedensten Pferderacen, und den entgegengesetztesten Einflüssen, in allen möglichen wechselnden Formen, beobachtet, mit ihr die mannigfachsten Versuche und über sie die weitläufigsten Unter­suchungen angestellt, wir haben eine grosse Zahl von Sectionen an rotzigen und wurmigen Pferdecadavem gemacht etc. Hieraus hat sich naturgemäss in jenem grossen Zeiträume eine grosse Zahl von Erfahrungen gebildet und eine Menge Stoff angehäuft, welcher der Bearbeitung wol werth zu sein scheint; es haben sich daraus Ansich­ten und Ueberzeugungen entwickelt, die der Beachtung vielleicht nicht unwerth sein dürften. Wenn wir nun aber nicht willens sind, diese mit Fleiss und Ausdauer gesammelten Saaraenkörner mit uns begraben zu lassen, so folgen wir darin dem Drange einer Gewissens­pflicht, und glauben eben so die Pflicht, wie das Recht zu haben, damit vor das Forum der Oeffentlichkeit zu trefen, ohne uns anmaas-sen zu wollen, als sei damit schon jene mehrgedachte chaotische Verwirrung vollständig gelöst, oder jener Gordische Knoten durch­hauen. Nachdem wir etwa 30 Jahre für diese Arbeit gesammelt hatten, schrieben wir die vorangehenden beiden Abtheilungen der­selben bereits vor länger, als 4 Jahren nieder. Doch so überwäl­tigend colossal schien uns die Fortsetzung dieser Arbeit, dass wir die Feder weglegten, und sie bis jetzt ruhen Hessen, in der Hoffnung, es werde sich eine gewandtere Feder, eine vollberechtigtere Kraft dieses Gegenstandes annehmen und denselben verarbeiten. Unsere Hoffnung ist wiederum getäuscht worden, und so wäre es Pflichtver­letzung, wenn wir jetzt, 1863 , die Beendigung dieser Arbeit noch länger hinausschieben wollten. — Wie sie nun aber auch ausfallen möge, wir sind sicher, dass Niemand unbefriedigter von ihr ist, als wir selbst, und darum nehmen wir die allgemeine Nachsicht, beson­ders die unserer Berufsgenossen , in Anspruch , überzeugt, dass wir dieselbe sehr nöthig haben, denn wir sind keineswegs blind für die grossen Mängel, welche diese Arbeit begleiten werden. und welche wir eben sowol in Stoff und Wesen derselben, wie in Anordnung und Form des Stoffs finden dürften. Die Idee, die wir mit dieser Arbeit zu verwirklichen trachten, erfüllt uns bereits seit 1834, und so ist es denn wol Zeit, dass wir unsere Furchtsamkeit endlich zurückdrängen, und die Resultate unserer Erfahrungen und deren Auffassung dem öffentlichen Urtheil unterbreiten.
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1. Capitel. Begriff, Sitz and Natur der Krankheit.
sect;. 448.
Die Rotz- und Wurmkrankheit, die wir als solche unter diesem Namen begreifen, ist eine -wirkliche und wahre Dyskrasie, die, soviel wir bis jetzt bestimmt wissen, nur beim Pferde einen spontanen Ur­sprung hat*), ob auch bei andern Thieren, bleibt für jetzt noch unausgemacht. Sie bildet eine ganze Clique von verschiedenen, mehr oder weniger bösartigen, mehr oder weniger allgemeinen oder localen, mehr oder weniger complicirten oder einfachen, mehr oder weniger heilbaren oder ganz unheilbaren, mehr oder weniger schnell oder ganz langsam verlaufenden, unter den verschiedenartigsten Symptomen auftretenden, die mannigfachsten Zerstörungen , organi­schen Veränderungen und pathologischen Producte hervorrufenden Krankheitsformen, die sämmtlich darin übereinkommen, dass sie ein Contagium bilden, welches in der Regel fixer Natur, unter Umstän­den möglicherweise aber auch eine flüchtige Beschaftenheit anneh­men kann und, auf gesunde Pferde übertragen, wieder, wenn auch nicht in derselben Form, Rotz und Wurm hervorruft, worin das Con­tagium sich regenerirt, — dass sie, als wahre Dyskrasie, zunächst in einer chemischen Veränderung der Säftemasse, einer Art Entmischung, liegt, deren Ursprung in einer, entweder localen, oder allgemeinen, Nervenumstimmung gesucht werden muss, — dass sie vorwaltend die Lymphe, deren Gefässe und Drüsen, im spätem Verlauf aber auch dieBlutmasse, betrifft, pathologische Effluvien, aber auch Geschwüre eigenthümlicher Art, bald auf den Schleimhäuten , die mit der atmo­sphärischen Luft in unmittelbarer Verbindung stehen, bald auf der äussern bedeckenden Haut, bald auf beiden zugleich, bildet, und dass sie endlich mit mehr oder weniger Anschwellung und Degeneration der lymphatischen Drüsen verbunden ist. Wir könnten noch hinzu­setzen, dass die Rotz- und Wurmformen eine vorwaltende Neigung zu eigenthümlichen Tuberkelbildungen in den Lungen, sowie zu scirrhösen, carcinomatösen, fungösen und fibroiden Wucherungen und Geschwüren in den Lungen, mehr aber noch auf den Schleim­häuten der Kopfhöhlen, haben.
*) Ob sie beim Menschen sich spontan entwickelt, was wir annehmen, das lassen wir auf Weiteres dahin gestellt, da es hier nicht-unsere Aufgabe sein kann, Beobachtungen und Ansichten darüber niederzulegen.
Erdl, Rolzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;16
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sect;. 449.
Die Gruppe der Krankheitsformen , die wir unter dem gemein­schaftlichen Namen: Rotz, Wurm, zusammenfassen, isteine so mannig­fache und verschiedene nach Sitz, Ursachen, Symptomen, Verlauf, Ausgängen, selbst nach Wesen und Natur, dass es unmöglich er­scheint, den Begriff anders zu generalisiren, als es in dem letzten sect; stattgefunden hat, die Schwierigkeit liegt schon in der Natur der Vielheit und der Verschiedenheit der Zustände, in denen sich die entschiedensten Differenzen ergeben, und die schroffsten Gegensätze oft sich gegenüberstehen. Die neuere Wissenschaft macht sich die Definition dieser Krankheit sehr leicht, indem sie mit einer gewissen Oberflächlichkeit darüber hinweggeht; sie nimmt an: Rotz sei eine Krankheit der Nasenschleimhaut mit chancrösen Geschwüren auf derselben, bei lymphatischer Affection und contagiöserNatur; Wurm dagegen sei eine Krankheit der bedeckenden Haut, mit derartigen Geschwüren auf dieser, bei lymphatischer Affection, und ebenfalls contagiös.
Eine solche Definition hat in der That nicht das geringste wis­senschaftliche Fundament, sie zeugt nicht von wissenschaftlicher Auf­fassung, noch weniger aber ist sie mit den Resultaten der practischen Untersuchungen, Beobachtungen und Erfahrungen in üebereinstita-mung zu bringen. Man giebt jene Definition, obgleich man erklärt, Rotz und Wurm sei nach Natur und Wesen identisch , nur nach dem Sitze verschieden. Niemand wird aber behaupten wollen, die Krankheit der Nasenschleimhaut sei identisch mit einer Krankheit der bedeckenden Haut.
sect;. 450.
Die geschwürigen Affectionen der Schleimhäute sowol, wie die der bedeckenden Haut, bei Rotz und Wurm, sind nichtraquo; als der äus-sere Reflex einer tiefer liegenden, primären, destructiven Pathoge-nesis. Die Dyskrasie ist die eigentliche Krankheit, dia oft längere, oft kürzere, oft sehr lange Zeit existirt, bevor sie sich durch ein an­deres äusseres Symptom, als etwas Ausfluss eines pathologischen Secrets aus der Nase, dem oft noch, mehr oder weniger wesentliche und bemerkbare, Anschwellungen lymphatischer Drüsen beigesellt sind, bemerklich macht. Wenn wir sie auch erkennen, so nennen wir sie noch nicht Rotz oder Wurm ; diese Bezeichnung erhält sie erst dann, wenn sie ein gewisses Stadium oder eine bestimmte Form, die sich in gewissen Erscheinungenäusserlich zu erkennen giebt, er­reicht hat, und sich durch besondere, äusserlich wahrnehmbare Zu­fälle, pathologische Producte und destructive Störungen, bemerklich macht. Diese sind z.B. copiöseAusflüsse, voneigenthümlicherpatho-
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logischer Beschaffenheit, aus der Nase und den Augenwinkeln , hec-tische Fieberzufälle, Drüsenanschwellungen und Verhärtungen, Schwellungen der Gliedmaassen, Schwellungen und Entzündungen äusserer Lymphgefasse, Auftreibungen an den Kopfknochen, patho­logische Veränderungen der Nasen - und Augenschleimhäute, starke Auflockerung und krankhafte Verfärbung derselben, Erosionen auf den Nasenschleimhäuten, Geschwüre von characterischer Beschaffen­heit, carcinomatöse und fungöse Wucherungen auf derselben, cariöse Zerstörungen am Kopfe etc., Blutungen aus den Lungen und aus der Nase, Geschwüre eigenthümlicher Art auf der Cutis etc.
sect;#9632;451.
Diese Symptome sind einzeln, oder auch mehrere derselben sind, mit einander verbunden, gleichzeitig vorhanden, in dem einen wie im andern Falle aber nennen wir die Krankheit Rotz oder Wurm. Wir halten sie dann für contagiös und unheilbar, obwol oft lange vor dem Eintritt jener Erscheinungen schon jene Dyskrasie vorhanden war, aus welcher dieselben später sich herausbildeten, obwol bereits oft lange vorher schon jene Dyskrasie unheilbar und contagiös war. Bilden sich jene geschwürigen Destructionen der Dyskrasie auf den Schleimhäuten, so nennen wir die Krankheit — „Rotzquot; — bil­den sie sich dagegen auf der bedeckenden Haut, soheisst sie — „Wurmquot;. —
sect;.452.
Das characteristische Geschwür in der Nase, ist nach bisherigen Begriffen und Aussprüchen thierärztlicher Autoritäten das eigentlich pathognomonischc Kennzeichen, das Criterium , des Rotzes, wie das characterische Geschwür auf der Haut das des Wurmes ist. Da man am lebenden Thiere aber immer nur einen sehr geringen Theil des Innern der Nase untersuchen kann, die Geschwüre in der Nase aber ihren Sitz in sehr verschiedenen Regionen derselben einnehmen, so können die Geschwüre selbst vorhanden sein, ohne dass deren Gegenwart zu ermitteln ist. Es müssen daher für die Erkennung des Rotzes, um so mehr, als die Geschwüre sehr lange existiren kön­nen, ohne dass sie zu entdecken sind, als sie in manchen Fällen nie in die untern, der Untersuchung zugänglichen, Regionen der Nasen­höhle herabsteigen, andere Criterien gefunden werden, solche, die unserer Sinneswahrnehmung in allen Fällen erreichbar sind. Da das Geschwür nicht der Rotz selbst, sondern nur ein Product und Symptom desselben ist, so werden auch unzweifelhaft solche Crite­rien vorhanden sein, und es muss selbst zugegeben werden, dass die Krankheit vollständig ausgebildet vorhanden sein kann, ohne dass ein derartiges Geschwür am lebenden Thiere, noch nach dem Tode des-
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selben, zu finden ist. Das Geschwür ist oft heilbar, aber die Krank­heit nicht, sie erzeugt neue Geschwüre an anderen Stellen, wenn die erstem geheilt sind, mithin kann das Geschwür nicht die Krankheit sein, da andernfalls mit der Heilung desselben auch diese geheilt sein müsste. Aber auch die Krankheit ist in manchen Fällen heil­bar, und dann heilen die Geschwüre oft von selbst, ohne besondere Behandlung. Also die Krankheit ist da, ohne das Geschwür, das Geschwür aber kann allerdings nicht da sein, ohne die Krankheit.
sect;. 453.
Nicht immer ist ein Geschwür, sei es auf den Schleimhäuten, oder der bedeckenden Haut, bei der wirklichen Existenz des Eotzes vorhanden, oft sind es Erosionen auf der Nasenschleimhaut, den Nasen-Knorpeln und Knochen, oft necrotischer Verfall dieser Knorpel oder Knochen, oft careinomatöse Destructionen und Zerstörungen derselben, oft sind es fungöse Wucherungen auf den Nasenschleim-häuten, -welche den Rotz begleiten, und seine characteristischen und entscheidenden Merkmale bilden ; oft aber auch sind beim wirklich vorhandenen Rotze keine dieser Erscheinungen vorhanden, sondern nur gewisse Degenerationen und destructive Wucherungen auf den Schleimhäuten, resp. den knorpeligen und knöchernen Gebilden der Kopf höhlen, die in seltenen Fällen in den unteren Regionen des Nase ihren Sitz haben und sichtbar sind ; in den meisten Fällen ha­ben dieselben ihren Sitz in den obern Regionen der Nasenhöhlen, den Stirn-, Keilbein - und Kieferhöhlen, an den Siebbeinen und deren Zellen etc., sie sind alsdann aber erst nach dem Tode bei der Section sieht- und erkennbar, sie gehören dann aber mit zu den characteristi­schen, diagnostischen Kennzeichen für die Bestimmung der Existenz des Rotzes etc.
sect;• 454. Der Sitz der Krankheit ist nicht in den Schleimhäuten, noch in der bedeckenden Haut, noch in den Lymphdrüsen; in diesen Orga­nen geben sich nur gewisse Producte und Symptome der Krankheit zu erkennen, die uns auf das Vorhandensein derselben führen, und uns ihre Natur, ihren Character, ihr Stadium etc. andeuten. Der eigentliche, primäre Sitz der Krankheit ist in den Säften, vorzugsweise in der Lymphe, zu suchen, zuweilen auch im Blute, zuweilen aber auch in beiden, im Blute, wie in der Lymphe, zugleich. *) In allen diesen Fällen kann dennoch die Rotz- und Wurmkrankheit eine locale
*) Ger lach in seinem Handbuch der gerichtlichen Thierheilkunde (p. 207 sect;. 3) sucht den Sitz der Krankheit irrthumlich neuerdings noch in den Schleimhäuten.
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oder allgemeine sein. In beiden Fällen kann sie durch Infection, aber auch durch originäre Selbstentwickelung entstanden sein. Dienbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;*'
locale Krankheit kann zur allgemeinen werden, die allgemeine da­gegen kann sich nie localisiren. Wenn diese auch ihre destructiven Processe etc. ausnahms- und vorzugsweise auf ein Organ oder ein Gebilde besonders wirft, so sind nur jene localisirt, die Krankheit selbst nicht, diese bleibt allgemein, denn sie hat ihren Sitz in den Säften und besteht in allgemeiner Dyskrasie derselben. Die locale Krankheit ist, je nach Umständen, mehr oder weniger beschränkt, sie hat ihren Sitz in den Säften einer Lymphdrüse und eines Lymph-gefässes, daher beschränkt sie sich auf eine einzelne Stelle deräusseren Haut oder auf eine einzelne Schleimhaut der Kopf höhlen ; sie kann sich weiter ausdehnen auf mehrere Drüsen und Gefasse, und dem entspre­chend eine grössere räumliche Ausdehnung einnehmen ; und sie kann daher die sämmtlichen äusseren oder inneren Drüsen oder Lymph-gefässe des Kopfes, bloss einer, oder auch beider Seiten, einnehmen, und wird sich in dem einen Falle als Wurm, in dem andern als Rotz documentiren, localisirt, in jenem Falle in den Drüsen und Lymph-gefässen auf der äussern Haut einer oder beider Seiten, in diesem
Falle, auf der Innern, der Schleimhaut einer oder beider Seiten des
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Kopfes. — Die Krankheit kann sich ferner localisiren auf eine oder beide Lungen, sie kann selbst in den Lungen noch beschränkte und begrenzte Räumlichkeiten einnehmen, und sie kann hier namentlich lange als Rotz existiren, ohne dass ihr Vorhandensein durch jene näher angegebenen, äusserlich in Erscheinung tretenden, destructiven Processe, ihre Producte und Symptome, verrathen und erkannt wird. Die Rotz- oder Wurmkrankheit kann sich endlich, wie dies sehr häufig vorkommt, auf eine ganze Seite des Körpers localisiren, und hier äusserlich als Wurm, oder innerlich als Rotz, oder auch beides gleichzeitig, aussprechen. Jeder locale Rotz oder Wurm wird in sei­nem naturgemässen, ungestörten Verlauf schliesslich zur allgemeinen, die ganze Säftemasse einnehmenden Krankheit und die damit verbun­dene, dyskratische, ätzende Schärfe, übt dann auch ihre destructiven Processe auf alle Organe und Gebilde des Organismus in entspre­chender Weise aus.
sect;. 455.
Der Rotz und Wurm wäre nach allem diesem in der Haupt­sache immer eine Lymph- oder Blutdyskrasie; welcher Art und Natur dieselbe jedesmal in jeder der verschiedenen Formen derKrankheit ist, das kann bis jetzt noch nicht bestimmt werden, so viel steht indess fest, dass alle dyskratischen Krankheiten, somit auch alle Formen des Rotzes und Wurmes, darin überein kommen, dass die Grundlage der Veränderung der Säfte, d. h. ihre chemische Entmischung, also
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das Wesen ihres Krankseins, sowie ihre krankmachende Potenz, ihr wirksames Contagium, in einem basischen, und wie es scheint, alka­lischen Princip besteht, welches in prävalirender Menge und Inten­sität in den erkrankten Säften gebildet, wird und enthalten ist. Dies basische Princip ist somit auch die Grundlage des Rotzes und Wur­mes ; indess ist es weder die Ursache noch der Uranfang der Krank­heit selbst, insofern es nicht selbstständig sich in den Säften ent­wickeln kann, es muss eine Vis compulsiva oder Causa proxima vor­handen sein, welche jene Veränderung in den Säften hervorruft, und diese liegt unstreitig in den Nerven. Diese müssen zunächst in einer anomalen Stimmung sein, local oder generell, je nachdem locale oder ge­nerelle Dyskrasie sich entwickeln soll. Dass hier eine Nervenstimmung nothwendig vorausgeht, und die dyskratische Veränderung der Säfte be­wirkt und auch leitet, beweist einfach der Umstand, dass die Rotz- und Wurmkrankheit, die doch in den Säften ihren Sitz hat, welche im ganzen Organismus circuliren, überhaupt als eine locale Krankheit auftreten und als solche längere Zeit bestehen kann, dass sie z.B. oft nur die eine ganze Hälfte des Körpers einnimmt, und in dieser, streng begrenzt, sich Jahr und Tag erhält, ohne die andere Körperhalfte zu afficiren.
sect;. 456.
Dass die Rotz- und Wurmdyskrasie ihre Geschwürsbildungen, Wucherungen, destructiven Processe und pathologischen Producte, d. h. die Ausscheidung krankhafter Secrete, in der Regel gern auf diejenigen Organe und Gebilde, welche mehr oder weniger direct mit der atmosphärischen Luft in Verbindung stehen , wirft, liegt einfach in der Natur der Dyskrasie, in der basischen Prävalenz derselben. Das alkalische Princip der entmischten Säfte wird durch die innige Verwandtschaft zu dem Oxygen derAtmosphäre mächtig hingezogen, wie es ein gleiches Bestreben hat, sich mit demselben zu vereinigen. Diese gegenseitige Verwandtschaft und Neigung der Stoffe führt die Säfte mehr an die betreffenden Stellen, wo jene sich begegnen, und hat der dyskratische Zustand seinen Sitz mehr in den Innern, oder von den Schleimhäuten der Kopfhöhlen ausgehenden Lymphgefässen oder im Blute, dann haben wir den in Geschwüren, Wucherungen, krankhaften Ausscheidungen etc. sich manifestirenden, äusserlich in Erscheinung tretenden Reflex in der Regel auf den Schleimmembra­nen der Kopfhöhlen und in den Respirationsorganen, wir haben den Rotz. — Hat dagogeh jener Zustand seinen Sitz mehr in vom Kopfe entfernten, aus der Haut entspringenden Lymphgefässen, dann tritt die Knoten- und Geschwürsbildung in der Regel auf der Cutis ein, und wir haben den Wurm.
sect;. 457.
Wir haben hiermit auf den genetischen Unterschied zwischen
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Rotz und Wurm hingewiesen, und es ist hier an der Stelle, zugleich auch der ursächlichen Momente desselben zu gedenken. Der Rotznbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; *'
zeigt sich ungleich häufiger, als der Wurm, dies hat seinen Grund da-
rin, dass die Schleimhäute viel geeigneter zu jener Geschwürsbildung
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und Ausscheidung des pathologischen Secrets sind, als die be­deckende Haut, und namentlich ist dies bei den Schleimhäuten der Kopfhöhlen der Fall. Der Rotz kann daher auch länger local blei­ben, als der Wurm, weil bei demselben die inficirte Lymphe leichter und mehr abfliesst, als bei diesem, bei dem sie mehr eingeschlossen ist. und zurückgehalten, mithin leichter resorbirt, lind in die allgemeine Säftemasse übergeführt wird. #9632; Die Schleimhäute stehen zunächst, wie die äussere Haut, in directer Verbindung mit der atmosphäri­schen Luft, sie hätten also hiernach eine gleiche Stellung mit jener, aber sie sind weit reicher an Lymphgefässen, wie die Cutis, und ist schon dies ein Argument, das für ihre lebendigere Thätigkeit spricht, wo also auch immer ein grösserer Reichthum an Lymphe an­getroffen wird. Die Schleimhäute sind saftiger, reicher an flüssigem Stoff, die Lymphe findet hier mehr Auflösung, also mehr Geschick, Verbindungen und Trennungen einzugehen ; die locker verbundenen und feuchten Schleimhäute lassen eine leichtere und grössere Aus­dehnung der Lymphgefässe zu, als die dichtere, mehr faserige Leder-liaut; das zarte, dünne, lockere und feuchte Epithelium lässt durch den Rückstau der Lymphe eine grössere Ausdehnung der Lymph-gefässanfänge zu, als die dickere, trockene mehr widerstehende Epi­dermis ; es findet aber auch in den solchergestalt ausgedehnteren Lymphgefässanfängen eine grössere Ansammlung der entmischten Lymphe statt. Hierin schon liegt zunächst eine Ursache des häufi­geren Vorkommens des Rotzes auf den Schleimhäuten.
sect;. 458.
Rotz und Wurm entsteht weit häufiger-durch Ansteckung, als auf originäre Weise. Die Uebertragung des Contagiums aber findet weit häufiger, sowol direct, wie indirect, auf die Schleimhäute der Kopfhöhlen, wie auf die Lederhaut statt, und zwar kommen Pferde, die zusammenstehen, oder sich treffen, am häufigsten mit ihren Köpfen in Berührung; indem sie sich gegenseitig beriechen, beschnüffeln, lecken, beissen etc., und da die Lymphgefässe, welche zu den Ga­naschendrüsen führen, zum grossen Theil ihren Anfang auf den Na­senschleimhäuten nehmen, so verpflanzt sich auch gewöhnlich, nach­dem, durch Aufnahme des Contagiums in die Lymphe, die nächstliegende Drüse (hier gewöhnlich die Ganaschendrüse) sich entzündet hat, und hart, geworden ist, durch den Rückstau der Lymphe nach den Ge-fässanföngen zu, der weitere Krankheitsprocess auf die Nasenschleim­häute und bildet hier den Rotz. (S. 1. Fall.)
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sect;. 459.
Das Rotzcontagium fliesst oft in grossen Massen unter das Futter in die Krippen, oder unter das Saufen in die Stalleimer ab. Pferde, die nun mit rotzigen an einer Krippe, oder auch nur in einem Local, stehen, finden Gelegenheit genug, mit dem Futter oder dem Getränk das Contagium, oft in grossen Mengen, aufzunehmen. In den Magen gelangt, geht es zunächst ins Blut über, und mit diesem in die Lun­gen, wo es in den Anfangen der Lymphgamp;fässe, mit denen namentlich die Lungenpleura reich besetzt ist, die Tuberkelbildung, und unter Umständen auch andere Krankheitsprocesse, auf die wir später zurück zu kommen haben, beginnt. Bei der ununterbrochenen, directen Verbindung der Nerven, der Lymph- und Blutgefasse der Lungen, mit denen der Nase und dem unmittelbaren Zusammenhange der Lungen- und Nasenschleimhäute, ist eine Verpflanzung des weitern Krankheitsprocesses auf diese letztern nur zu leicht möglich, und findet darum um so häufiger statt, als nach der bedeckenden Haut, um so mehr noch, als die Nasenschleimhaut, wie gezeigt worden ist, das geeigneteste Organ zu dergleichen Krankheitsprocessen abgiebt. — Hierin also liegt wiederum ein weiterer Grund des häufigem Auftretens der Rotzkrankheit.
sect;. 460.
Alle directen Infectionen des Blutes mit Rotzcontagium, die Aufnahme des letztern in quot;Wunden und selbst, bei unverletzter Haut, die Resorption durch die Venen, welche so häufig vorkommt, erzeu­gen aus den in sect;. 459 angegebenen Gründen in der Regel Rotz, und nicht Wurm. Bei Eiteransammlungen und eingeschlossener Jauche, erfolgt sehr leicht Resorption, es wird dadurch Eiter oder Jauche dem Blute zugeführt, geht mit diesem in die Lungen , und ruft hier Knoten, Geschwüre, Tuberkeln, scirrhöse und fungöse Wucherungen hervor, nach welchen der Rotz in optima forma entsteht. Also auch hierin liegen Veranlassungen für das häufigere Auftreten des Rotzes.
sect;• 461. Noch ein weiterer wesentlicher Grund des häufigem Ausbruchs des Rotzes durch Infection liegt darin, dass in vielen Fällen das Contagium eine flüchtige Natur anzunehmen scheint, als solches mit der Ausdünstung von Haut und Lungen entweicht, und nicht nur die Luft ganzer Localien, sondern diese selbst, das darin enthaltene Fut­ter, und die andern Gegenstände vollständig sättigt, namentlich das poröse Holz der Localien durchdringt und imprägnirt, oder es bildet sich aus den Excrementen und Effluvien der rotzkranken Thiere mit der Zeit ein flüchtiges Contagium im Fussboden solcher Localien. Dieses Contagium aber wird zunächst von den Lungen aufgenommen,
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und da die Entwickelung des Krankheitsprocesses von hier ausgeht, so haben wir auch in allen Fällen solcher wirksamen Infection Rotz. Diese Fälle kommen sehr häufig in grössern, mit zahlreichen Pferden besetzten und alten Ställen, also besonders in alten Garnisonställen, vor, wo bereits seit längerer Zeit die Rotz- und Wurmkrankheit sich zeigte und eine grössere Zahl der Pferde daran erkrankt war. (S. 2. und 3. Fall.) Die gewöhnlichen Verhältnisse in solchen Ställen sind der Art, dass sie ohnehin schon dyskratische Zustände hervorrufen undspeciell die Lungen der Pferde zur leichtern und siehern Infection disponiren, wie dies später gezeigt werden wird.
sect;. 462.
Aber auch die genuine Entwickelung der Rotz-, Wurmdyskrasie bringt häufiger den Rotz als den Wurm. Denn die meisten krank­haften Zustände, aus denen jene Dyskrasie sich entwickelt und die wir bereits Abtheilung II. sect;sect;. 277bisincl. 315 kennen gelernt, haben, sind innere, also sie wirken auch gewöhnlich, wenn sie Metasche-matismen bilden, auf innere Organe und Gebilde; viele jener Krank­heiten haben ihren Sitz im Blute und andern Säften, auch sie ver­folgen ihre weitern Processe in Innern Organen, wenn sie ihre Natur und ihren Character ändern, viele derselben aber sitzen bereits in den Lungen oder Sehleimhäuten selbst schon, wie die meisten Catarrhe in den Schleimmenbranen des Kopfes, und so entsteht aus diesen Gründen nach allen solchen Zuständen der Rotz, wenn jene Krank-heitszustände nicht geheilt werden, vielmehr metaschematisch in diese Dyskrasie übergehen.
sect;. 463.
Wurm dagegen entwickelt sich in der Regel nur dann, wenn eine Infection auf der äussern Haut, entweder an solchen Körper­stellen, die vom Kopfe entfernt sind, oder an solchen, deren Lymph-gefässe nicht direct von den Nasenschleimhäuten ausgehen, oder auch deren Lymphdrüsen nicht unmittelbar aus den Nasenschleimhäuten entspringendeLymphgefässe aufnehmen etc., statt finden. DieLymph-gefässe der Haut, welche den Infectionsstoff aufnehmen , führen ihn direct zu ihren nächsten Drüsen, diese entzünden sich sofort, schwellen auf und verhärten, nehmen also keine Lymphe mehr. auf. Die in den Gefössen zurückbleibende Lymphe entmischt sich weiter noch (oder wird in den kranken Drüsen entmischt?) sie erhält die dyskratische Beschaffenheit des Rotzes, Wurmes ; sie staut sich in den Lymphgefässen auf, die strangartig anschwellen, sich entzünden etc. (s. l.und 4. Fall) und erfüllt die Anfänge derselben unter der Epidermis, die sie aus denselben Gründen ausdehnt, wie beim Rotz das Epithelium, nämlich durch die Anziehung zwischen dem Sauerstoffquot; der Luft und dem alkali­schen Princip der dyskratischen Lymphe, wo der gleicheVorgang auf der
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Schleimhaut statt findet, nur mit dem Unterschiede, dass hier zunächst sich ganz kleine Bläschen bilden, die sehr bald platzen und zu offenen Geschwüren werden, während beim Wurm weit grössere Beulen (Knoten) entstehen. Dies liegt in den Strucfurverhältnissen der Häute. Die Cutis, und namentlich deren Epidermis, leistet dem Durchdringen der dyskratischen Lymphe und dem Platzen der Beulen einen längern und kräftigern Widerstand, als die Schleimhaut und das Epithelium jener Bläschen. Daher entstehen die Rotzgeschwüre leichter, schneller, früher, als die Wurmgeschwüre. Wir haben hier die Entwickelung der Stränge und Beulen des Wurmes, die wir ganz analog beim Rotze (s. 1. Fall) finden können; der Vorgang, die Natur der Krankheit etc. sind gleich, nur die Formen zeigen Differenzen, die von dem Sitze des Krankheitsprocesses und der Structur und den Functionen der Gebilde, in welchem derselbe vorgeht, abhängig sind. — Bricht aber endlich die Lymphe jener Beulen durch, was je nach der Intensität der Dyskrasie, nach Lage und Sitz jener, bald früher, bald später geschieht, so haben wir, wie heim Rotz in der Nase, die ganz analogen offenen Wurmgeschwüre auf der bedeckenden Haut.
sect;. 464. Wir werden uns also hiernach überzeugen, dass es nicht, wie die thierärztlichen Schriftsteller mehrentheils behaupten, die Klappen, der Lymphgefässe sind, welche die Entstehung der Beulen veranlassen und an denen sie sich bilden ; die Klappen sind dabei durchaus ganz einflusslos, denn die Lymphe fliesst beim Wurm so wenig wie beim Rotz rückwärts gegen die Klappen, sie fliesst vielmehr immer mit denselben und das Anfüllen der Gefösse ist die Wirkung der Stagna­tion der Lymphe in ihnen, in Folge entzündeter und hart gewordener Drüsen; das Austreten der Beulen oder Bläschen, hier wie dort, findet nur in den Anfängen der Gefösse statt und wird begünstigt, vielleicht vorzugsweise herbeigeführt, durch die gegenseitige An­ziehung zwischen dem alkalischen Frincip des dyskratischen Saftes und dem Oxygen der Luft. —
sect;. 465. Der Wurm erscheint deshalb schon seltener, weil die Cutis in jeder Weise besser geschützt ist, als die Schleimhaut, Haare und Epi­dermis üben diesen Schutz und halten in den meisten Fällen das Con-tagium ab. Wir nennen also jenen dyskratischen Zustand, der den Krankheitsprocess der Geschwürsbildung etc. auf den Schleimhäuten der Nase als Rotz uns vorführt, Wurm, wenn er entzündete Lymph­gefässe mit strangförmiger Anschwellung, Bildung von Beulen und Geschwüren im Verlaufe dieser Lymphgefässe, auf der äussern Haut uns zeigt. — Er entsteht als primärer Wurm, wie der Rotz, durch In­fection, wie wir gesehen haben, und es ist dann in den meisten Fällen
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der Infectionsstoff durch die Cutis in die Lymphgefässe, entfernt von den Schleimhäuten des Kopfes, oder solche Lymphdrüsen, in denen nicht Lymphgefässe, von diesen Schleimhäuten unmittelbar ausgehend, münden, eben so getrennt von Lymphgefässen, die auf den Kopf­schleimhäuten entspringen, aufgenommen worden. Er entsteht aber auch als primärer Wurm, wenn der Infectionsstoffquot; durch die Lymph­gefässe anderer Schleimhäute, als die der Kopfhöhlen, aufgenoihmen wurde und auf denselben wirklich jene characteristischen chancrosen Geschwüre entstehen, wie wir sie beim Rotz beobachten, denn wir haben nur für jenen Zustand die Benennung Rotz, bei welchem die iredachten Geschwüre entweder auf den Schleimhäuten der Kopf-höhlen, oder der Lungen entstehen, im letztern Falle nennen wir die Krankheit besonders noch Lungenrotz ; immer aber muss das patho­logische Secret, als entscheidendes Criterium, aus der Nase abfliessen. Jene erstgedachten Schleimhäute sind z. B. die der Schaamtheile, der Augen etc. (s. 4. und 5. Fall.)
sect;. 466.
Der Wurm entsteht aber auch, wie der Rotz, als primärer Krank-heitszustand, in Folge von Aufsaugung anderer Krankheitsstoffe, namentlich Eiter, Jauche etc. selbst wenn die Aufsaugung unter Um­ständen durch die Blutgefässe erfolgt. Namentlich beobachtet man dies bei Aufsaugungen der Jauche von Hufgeschwüren, Hufentzün­dungen, Elephantiasis u. dergl. an den Füssen, wo die Venengeflechte sehr dicht sind und das Blut gegen seine Eigenschwere ansteigen muss, wo es mithin länger verweilt, aber auch bei Aufsaugung der Jauche von Saamenstrangfisteln, Widerrüstschäden und Genickbeulen etc. Femer beobachtet man den primären Wurm, wiewol sehr selten, nach schlechten Nahrungsmitteln und nach andern Krank­heiten, wol aber häufiger nach Metaschematismen und Metastasen (s. 6. Fall) in ähnlicher Weise, wie den Rotz.
sect;. 467.
Secundär dagegen erscheint der Wurm öfter beim Rotz, während dieser aber beim Wurm in allen Fällen als secundärer Zustand auf­tritt. — Das primäre Auftreten des Wurmes oder Rotzes hängt von besonderen Umständen und Verhältnissen ab, und kann sich der Wurm secundär eben so gut zum Rotz, wie dieser zum Wurm gesellen. Nun tritt aber zuweilen Rotz und Wurm zu gleicher Zeit auf; in solchen Fällen hat allemal die Aufsaugung des Krankheitsstoffes von den Lymphgefässen und Venen gleichzeitig an dazu geeigneten Körper­stellen statt gefunden, und ist der Infectionsstoff' von den Venen so­gleich in die ganze Blutmasse, mithin auch in die Lungen, übergeführt worden. — Doch nicht immer entsteht in solchen Fällen der Auf-
raquo;'
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saugung, wie vorhin, gleichzeitig Rotz und Wurm, denn nicht jedes­mal führen die Venen den Infectionsstoff sogleich in die ganze Blut­masse über.
sect;. 468. Der Wurm hat auch seine Lieblingsstellen des Körpers, an denen man ihn am häufigsten erscheinen sieht. Dies sind namentlich die­jenigen Hautstellen, an denen die Säfte gegen ihre eigene Schwere fliessen müssen, wo sie langsamer zum Centrum gelangen , mithin an den Füssen und namentlich besonders an den Hinterfüssen, an denen die Krankheit am häufigsten vorkommt; ferner sind es die­jenigen Stellen, wo der grössere Gefässreichthum ist, wo die stärkeren Lymphgefässe und Drüsen mehr oberflächlich liegen, mithin an den Lippen, längs des Halses im Verlaufe der Jugularis, im Verlaufe der Sporader an den Seiten der Rippen und den untern Flanken, an den Füssen; ferner endlich dort, wo die meiste Wärme, die feinste Leder­haut und die dünnste Epidermis ist, mithin an der Brust zwischen den Vorderfiissen, am Schlauch und Scrotum an den innern obern Flächen der Schenkel.
sect;. 469. Da nach diesen Thatsachen der Hauptsitz des äusserlich in Er­scheinung'tretenden Krankheitsprocesses dreierlei Artist, so haben wir auch hiernach die wesentlichen Criterien der Krankheit aufzu* suchen, zu beurtheilen und zu bestimmen , so weit dies am lebenden Thiere möglich ist. Nach ihrem Sitz werden gewöhnlich 3 Formen unterschieden : 1) Der Sitz ist in den Lungen, dann nennt man die Krankheit Lungenrotz. Bei dieser Form ist das wesentlichste Cri-terium der Ausfluss eines eigenthümlichen pathologischen Secrets der Lungen durch die Nase. Die Nasenschleimhäute sind dabei nicht immer afficirt, und Drüsenanschwellungen im Kehlgange sind auch nicht immer vorhanden; wir können also Rotz haben bei gesund er­scheinenden Nasenschleimhäuten und ohne Anschwellung der Lymph­drüsen des Kehlganges. 2) Der Sitz ist indenKopfhöhlen, dann nennt man die Krankheit gewöhnlich Nasenrotz. Bei dieser Form sind die wesentlichsten Criterien gewisse krankhafte Veränderungen auf der Nasenschleimhaut, das ist Verdicknng, Auflockerung, Missfärbung derselben; Ausfluss, wie beim Lungenrotz, aus der Nase sowol, wie aus den innern Augenwinkeln. Der Ausfluss kann an einer, er kann aber auch an beiden Seiten des Kopfes stattfinden. Ferner Anschwel­lung der Lymphdrüsen des Kehlganges der Seite, an welcher der Aus­fluss statt findet. Anderweite pathische Veränderungen der Schleim­häute der Kopf höhlen und der Knorpel und Knochen derselben, wie Geschwüre, Corrosionen, fibroide und fungöse Wucherungen, cariöse Zerstörungen etc., sind keine nothwendigen Bedingungen des Vor­handenseins des soorenannten Nasenrotzes. Sie kommen zwar in der
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Regel vor und characterisiren die Natur, die Form, den Verlauf und das Stadium der Krankheit, indess ist ihre Anwesenheit durchaus keine absolute Nothwendigkeit, die Rotzkrankheit ist auch ohne sie ausgebildet da. Eine oder die andere jener destructiven Wuche­rungen, zuweilen auch wol mehrere vereinigt, sind in der Regel zwar vorhanden, indess sie sind selbst in solchen Fällen nicht immer sicht­bar, da sie zu hoch nach oben im Kopfe sitzen, daher nicht erkennbar werden. 3) Der Sitz ist endlich in der äussern bedeckenden Haut, dann nennt man die Krankheit Wurm. Sie hat ihr alleiniges und eigentliches Criterium nur in den nach der Oberfläche der Haut her­vortretenden fluctuirenden Lymphgefässen und Beulen, die zu charac-teristischen Geschwüren aufbrechen, aus denen die dyskratische stagnirte Lymphe der erkrankten Lymphgefässe abfliesst. Diese Beulen und Geschwüre können an den verschiedensten Körperstelien, sie können an einzelnen sehr beschränkten Stellen, sie können aber auch über den ganzen Körper verbreitet vorkommen. Strangförmige An­schwellungen von Lymphgefassen auf der Haut und reihenweises Auf­treten jener Beulen und Geschwüre im Verlaufe solcher Lymphge­fässe, ist kein nothwendiges Criterium des Wurmes. Es kommt diese Erscheinung besonders dann vor, wenn der Krankheitsproeess in sehr oberflächlich liegenden Lymphgefassen vorgeht, während sie bei tiefer liegenden in der Regel fehlt.
sect;• 470. Alle diese Unterschiede und Verschiedenheiten in den äussern Erscheinungen dieser Dyskrasie, haben einerseits ihren Grund in der Eigenschaft derselben, sich zu localisiren und sich für längere, oft lange Zeit local zu erhalten , andererseits in der Verschiedenheit des Sitzes derselben , weniger in der Verschiedenheit ihrer Natur und ihres Characters. Die verschiedenen Namen, die man aber danach diesen, nach ihrem Sitze bestimmten, Formen gegeben hat, haben wedereinen wissenschaftlichen Grund, noch eine practische Bedeutung, sie sind vielmehr irreführend und leiten nur zu leicht von der Natur und dem Character des eigentlichen Krankheitszustandes ab. Wir abstrahiren daher von allen andern namentlichen Bezeichnungen des letztern gänzlich und behalten einfach den Namen Rotz bei, den wir hinfort in dieser Schrift auf alle Formen und Modificationen der Dys­krasie anwenden und für sie benutzen wollen. Wir müssten andern­falls immer fragen und feststellen : Was ist Rotz, was ist Wurm, wo beginnt die Grenze des Einen und wo hört die des Andern auf? Ist die Dyskrasie, oder das Geschwür in der Nase der Rotz und welches Geschwür? Oder sind es die Tuberkeln in den Lungen, oder ist es der Ausfluss aus der Nase und den Augen ? Welche Tuberkeln aber und welcher Ausfluss ? — Oder sind es auch die Drüsenanschwel­lungen, und welche? — Ist Wurm die Dyskrasie, oder sind es die
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Knoten, Beulen, Strange, Geschwüre etc. in der Haut, und welche? — Oder sind es oedematös angeschwollene Extremitäten mit lympha­tischen Ergiessungen im Zellgewebe oder Verjauchungen derselben etc.? — Nach unsern heutigen wissenschaftlichen Begriffen und Fest­stellungen wissen wir in der That nicht immer diese Fragen zu be­antworten und darum wollen wir sämmtliche Krankheitsformen, die wir unter den Begriff, welchen wir Anfangs dieses Capitels zu präci-siren versucht haben, stellen können, mit dem einfachen Namen Rotz bezeichnen, ohne dass wir damit dem Formenreichthum dieser Krank­heit zu nahe zu treten gedenken, — und würden wir die Krankheit, ihrem nosologischen Standpuncte nach, Dyskrasia lymphatica compli-cata, s. helcomatica, s. contagiosa, nennen.
sect;. 471.
Der Ausfluss des pathisehen Secrets aus der Nase, ist eigentlich das constanteste und sicherste und darum auch entscheidendste Cri-terium der Kotzkrankheit. Seine genaue Prüfung und Kenntniss ist in diagnostischer Beziehung jedenfalls am wichtigsten; doch ver­schieben wir dies bis zu dem entsprechenden Theil dieser Schrift und beschäftigen wir uns hier vorläufig mit seiner Entstehung und Natur. Wenn in Lymphgefässen die in den Kopf höhlen ihren Anfang nehmen, gleichviel aus welcher Ursache, die Rotzdyskrasie entsteht, so reist die alkalische Schärfe der Lymphe die nächsten Lymphdrüsen, in welche sie eintritt, als ein fremdartiger Stoff', so dass sie sich entzün­den, anschwellen und hart degenerirt werden. Sie verschliessen da­durch sich der weitern Aufnahme der von den Schleimhäuten der Kopf höhlen ihnen zufliessenden Lymphe, diese stagnirt in den be­treffenden Gefässen, und die Anfänge derselben auf der Schleimhaut, welche unstreitig die geringste Widerstandsfähigkeit besitzen, füllen sich mit jener dyskratischen Lymphe, es bilden sich hier unter dem Epithelium Lymphstasen in Form kleiner Bläschen, die beim längern Bestände, wiewol sehr selten, zu kleinen Knötchen, Miliartuberkeln, verhärten. Sämmtliche Lymphe die mit der erkrankten Drüse in Be­rührung, oder mit einer Spur der entmischten Lymphe zusammentritt, erleidet in der Regel eine analoge Entmischung, indem das dyskra-tische, das alkalische Princip der entmischten Lymphe, wie ein Ferment wirkt. Durch die Anfüllung der Lymphgefässe, entsteht zunächst, soweit sie sich über die Fläche der Schleimhaut der Nase ausdehnt, eine Verdickung, sogenannte Auflockerung der Schleim­haut, und durch Endosmose sickert, vermöge jener Anziehung des alkalischen Princips der Lymphe und des Oxygens der Luft, jene durch die Gefässwände und bildet sich nach der Oxydation zu jenem eigenthümlichen lymphatischen Ausfluss. Dieses Secret reizt die Schleimhaut, die bis dahin noch unverändert und in normaler Function
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war, zur grössern Thätigkeit, der Blutandrang dahin wird stärker, die Schleimdrüsen schwellen an und sondern krankhaften und ver­mehrten Sohleiin ab, der sich mit der Lymphe vermischt und gemein­schaftlich mit derselben abfliesst. In dem Maasse, als jene Lymphe ausickernde Flache sich ausdehnt, die Schleimdrüsen mehr sich ver-grössern und zu immer weitern Schleimsecretionen gereizt werden, was sich zum Theil nach der zunehmenden Intensität der dyskratiSchen Schärfe der Lymphe richtet, vermehrt sich der Ausflugs.
sect;- 472. Dieser Ausfluss der dyskratischen Lymphe ist sonach eine noth-wendige und wesentliche Bedingung bei der Anwesenheit, der Rotz-dyskrasie, daher er auch ihr erstes und wichtigstes Kriterium ist, und sobald der Process der Durchsickerung sich über einen grossen Theil der Schleimhäute der Kopf höhlen ausdehnt, ergreift er auch consen-suell die Lymphgefässe der Conjunctiva, und wir haben denselben Ausfluss aus den Augenwinkeln. Man könnte dieses Durchsickern der dyskratischen Lymphe ein parenchymatöses nennen, weil es aus der ganzen Substanz der Schleimhäute erfolgt, im Gegensatz zu dem Abfliessen ans den in Geschwüren und corrodirten Stellen geöffneten Lymphgefässen. Jene Art des Durchsickerns der Lymphe verbreitet sich consensuell immer weiter über die Schleimhäute der Respirations­organe bis in die Bronchien hinein. Aber auch nicht alle entmischte Lymphe sickert aus, ein Theil derselben wird durch die Venen resor-birt und in die Blutmasse fibergeführt, kommt mit dieser in die Lun­gen- und Hautlymphgefasse und giebt in jenen einen Stofl'beitrag zur Erzeugung der Tuberkeln und in diesen das Agens zur Hautgeschwürs­bildung ab, bis nach und nach alle Säfte dyskratisch entmischt sind, womit die Ernährung aufhört und eine allgemeine Auflösung erfolgt, die endlich zum Tode führt. Dieser Process kann beim Rotz in wenigen Tagen beginnen und zu Ende gehen, er kann aber auch mehrere Jahre dauern.
sect;. 473. Wir haben also den Rotz in der einen oder andern Form , von diesem oder jenem Character, er kann local oder allgemein sein und diesen oder jenen Sitz haben, wir haben den characteristischen Aus­fluss aus der Nase, ohne jede destructive Veränderung in derselben, wir haben die vollständige Rotzdyskrasie, aber keine Geschwüre in den Kopfhöhlen, noch corrodirte Stellen auf den Schleimhäuten, und so kann diese Rotzdyskrasie Jahre lang bestehen, ohne dass ein anderes Symptom vorhanden ist, als jener Ausfluss und Anschwellung der äusserlieh fühlbaren Lymphdrüsen, besonders der im Kehlgange befindlichen, und selbst wenn wir ein solches Pferd tödten, so ergiebt die Section öfter nichts Anderes, als jenes Secret, bei aufgelockerten
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Schlcimmembranen und Anschwellung der lymphatischen Drüsen, nicht einmal Lungentuberkeln sind ein nothwendiges Attribut der Krankheit.
sect;. 474. Wir müssen demnach solchen Zustand mit demselben Rechte Rotz nennen, als wenn Geschwüre in der Nase, angefressene Stellen auf den Sehleimhäuten derselben, Tuberkeln in den Lungen u. dgl. m., vorhanden sind. Die Geschwüre selbst sind, wie ihr Sitz, etwas rein Zufalliges, daher nichts Wesentliches, Characterisches, noch Noth­wendiges. Ihr Vorhandensein hängt davon ab, ob der Rückstau der dyskratischen Lymphe in einigen Gelassen so vehement ist, dass er das Epithelium über den Anfängen derselben auf der Nasenschleim­haut zu Bläschen ausdehnt, sie zersprengt und daraus Geschwüre macht, oder ob die Menge der stagnirenden Lymphe so bedeutend ist, dass sie die Gefässe sprengt, oder ob das alkalische Princip der entmischten Lymphe von solcher Intensität und Schärfe ist, dass es die zarten Gefässanfänge und das Epithelium zernagt und auf diese Weise Geschwüre bildet. Es ist also das Vorhandensein der Ge­schwüre von diesen Verhältnissen abhängig, aber auch davon, ob überhaupt die dyskratische Lymphe in den Lymphgefässen zu den Schleimhäuten der Kopf höhlen gelangt, denn die Rotzdyskrasie kann lange bestehen, und die Nasenschleimhäute sind gar nicht afficirt. Sq wie in den Kopf höhlen, kann der ganze Krankheitsprocess in den Lungen oder auf der äussern Haut für längere Zeit localisirt sein, und es kommen in jenem Falle die Rotzeffluvien durch die Nase aus den Lungen, in diesem aus den auf der Haut sich ent­wickelnden Geschwüren. Aber auch der Sitz der Geschwüre ist eben so zufällig, wie unwesentlich, er ist überdem Nebensache. Die Ge­schwüre können in den obern Regionen der Nasenschleimhaut eben so gut wie unten, sie können an der Aussenwand auf und zwischen den Dutenbeinen, an dem Siebbein und dessen Zellen etc. ebenso gut, wie am Septum ihren Sitz haben, und so können sie Jahr und Tag bestehen, ohne dass sie mit dem Auge oder dem Finger erreichbar sind. Aber auch können die Geschwüre ihren Sitz, wie wir ge­zeigt haben, auf der äussern Haut nehmen, und dann sind nicht noth-wendig immer pathische Effluvien aus der Nase und äusserlich be­merkbare Lymphdrüsenanschwellungen vorhanden, doch können diese letztern Geschwüre nie so lange isolirt und als localer Krankheits­process bestehen, als dass nicht früher schon, durch Ueberführung der dyskratischen Lymphe ins Blut, die Krankheit zu einer allge­meinen werden sollte, mit weichet immer jene Effluvien aus der Nase und Drüsenanschwellungen im Kehlgange verbunden sind. — Indess, bevor dies letztere stattfindet, besteht der Rotz (welcher ge­wöhnlich Wurm genannt wird) vollständig, selbst ohne pathischen
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Ausfluss aus der Nase und ohne bemerkbare Drusenanschwellungen. Der Sitz der Geschwüre also richtet sich nach besondern zufälligen Umständen, denn es kommt allein darauf an, welche Lage und Ver­bindungen diejenigen Lymphgefässe haben, deren Inhalt zuerst mit Rotzcontagium inficirt wird oder in eine rotzige Dyskrasie übergeht; es kommt darauf an, ob eine allgemeine, oder örtliche Infection, ob sie im Blute, oder in der Lymphe stattfindet. — Entstehen für sich die Geschwüre auf der äussern Haut, so gesellen sich allemal in kürzerer oder längerer Zeit jene pathischen Ausflüsse aus der Nase, und demnächst auch die Drüsenanschwellungen im Kehlgange, eventuell aber auch die Geschwüre auf der Schleimhaut der Nase hinzu ; umgekehrt aber ist es nicht nothwendig, dass beim Rotz, welcher sich von Hause aus durch Anschwellung der Kehlgangs­drüsen und Ausfluss aus der Nase documentirt, bei welchem selbst Geschwüre in der Nase vorhanden sind, auch jene Geschwüre auf der Haut sich einstellen, imGegentheil bleiben diese weit häufiger aus.—
sect;• 475. Sind Geschwüre, entweder auf der Cutis oder in der Nase vor­handen , so ist der Ausfluss der dyskratischen Lymphe aus den Ge­schwüren nicht ein Durchsickern derselben durch die zarten und ausgedehnten Lymphgefässwände, also keine Endosmose, sondern ein directes Ausfliessen der Lymphe aus den geöffneten oder frei­liegenden Gefässanfängen, die sich in zwirnsfadendicken Streifen ergiesst und, sich verdickend , theils durch Oxydation, theils durch Austrocknung, und zusammenfliessend, zum Ausflusse bildet. Bei den Geschwüren auf der Cutis kann der Ausfluss nie so massenhaft werden, wie bei denen auf den Schleimhäuten, einmal weil dort nie ein solcher Reichthum an Lymphe und Lymphgefässen stattfindet, und weil andererseits dort die Schleimsecretion, die hier, ausserdem noch krankhaft, so sehr vermehrt wird, fehlt, und hier auf die Ver­mehrung des Ausflusses so auffallend hinwirkt.
sect;• 476. Hiernach zeigen die Geschwüre, sie mögen auf der Haut oder in der Nase vorkommen, nicht immer einmal ein höheres Stadium oder eine gesteigerte Intensität der Krankheit, noch weniger ein All­gemeinleiden, eine allgemeine Entmischung der Säfte etc., an. Anderer­seits ist nicht in Abrede zu stellen, dass in Fällen mit später ein­tretenden Geschwüren an dem einen oder andern Orte entweder eine allgemeine Verbreitung der Dyskrasie oder eine Steigerung der Intensität derselben, ein quot;Wachsen der Schärfe des alkalischen Prin-cips in der Lymphe, und somit auch ein höheres Stadium der Krank­heit, angezeigt wird, denn der destructive Krankheitsprocess di'r Geschwürsbildung, sowol in der Nase wie in der Cutis, welcher nach
Brdt, Rolzrtyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1'
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einer Infection oder bei spontaner Entwickelung nach einer andern Krankheit, oder nach den besonderen veranlassenden Ursachen zu­nächst mit Drüsenanschwellungen auftritt, dann zum Ausfluss ans der Nase kommt, Erscheinungen die unter Umständen schon voll­ständig die Existenz des Kotzes in ihrer Art manifestiren könnten, beginnt oft erst in späterer Zeit bei weiterer Entwickelung, Vervoll­ständigung und Ausbreitung, und sehr häufig ist dann die Ursache davon eine intensivere Säfteentmischung, eine quantitative Vermehrung des alkalischen Princips in denselben, welches die Lymphgeiässwände an den geeigneten Stellen mürbe macht, respective zerstört und die Gesehwnrsbildung bewirkt. Doch ist dies, wie wir gezeigt haben, nicht immer der Fall.
sect;. 477.
Noch ist zu bemerken, dass es zwar unzweifelhaft ist, dass das alkalische Princip in der dyskratischen Lymphe beim Rotz eine corrodirende Schärfe besitzt, dass dieselbe aber vor der Oxydation desselben in der Regel doch so milde ist, dass sie weder die zarte Membran der Lymphgefassanfänge, noch das schwache Epithelium der Schleimhaut zerstört. Dagegen ist es unzweifelhaft, dass durch die Oxydation jenes Princips die corrosivische Schärfe desselben so gesteigert wird, dass es im spätem Verlauf des Krankheitsprocesses in der Regel selbst bei dem parenehymatösen Durchsickern der Lymphe ohne jede vorhergehende Verletzung der Schleimhaut, nicht nur das Epithelium, sondern auch die Substanz der Scheimhaut zerstört und, indem diese Zerstörung nach allen Dimensionen um sich greift, be­trifft sie auch die unter der Schleimhaut befindlichen Knorpel und Knochengebilde, cariöse Uleerationen bildend. Bei der Geschwürs­bildung aber, wo die dyskratische Lymphe die Gefässwände und das Epithelium durchbrochen hat, stellt sich jene, durch die Oxydation gesteigerte, corrosivische Schärfe noch deutlicher heraus, weil sie hier irri offenen Geschwür allemal jene ätzenden Zerstörungen fort­setzt. —
sect;. 478.
Die beim Rotz vorkommenden Drüsenanschwellungen sind aber keineswegs zufallig und unwesentlich, auch sie sind, wie der Ausfluss, ein nothwendiges Attribut der Krankheit. Nur der Sitz dieser Drüsen­ahschwellung ist ein zufälliges Moment, er ist davon abhängig, ob eine allgemeine oder locale Infection und demnächst, an welcher Körperstelle diese letztere stattgefunden hat. Es werden also immer die Drüsen angeschwollen sein, zu denen zunächst die Lymphgeftisse des inficirten Körpertheils die inficirte Lymphe führen , und dies kön­nen oberflächlich liegende, also äusserlich bemerkbare, oder tiefer und versteckt liegende, daher äusserlich nicht bemerkbare Drüsen
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sein, während bei allgemeiner Infection aller Säfte, auch alle Drüsen mehr oder weniger afficirt sein müssen. Es kann daher der voll­ständig ausgebildete Rotz vorhanden sein, ohne dass Drüsenan­schwellung üusserlich bemerkbar ist, wie in der Regel beim localen Rotz mit dem Hautgeschwür etc. Aber auch die Grosse der Drüsenanschwellungen, der Umstand, ob sie schmerzhaft oder unschmerzhaft sind, ob sie lose sitzen, verschiebbar sind oder festsitzen, ist Alles nicht bestimmend für die Existenz des Rotzes, es sind dies Erscheinungen, die weniger mit der Natur der Krankheit, als mit andern Nebenumständen zusammenhängen, wir können sie daher auch nicht als wesentliche Momente der Krankheit betrachten. —
sect;• 479. Die Drüsenanschwellungen erscheinen in vorgedachter Weise nicht nur bei dem durch Infection erzeugten, sondern auch in Fällen beim spontan entwickelten Rotz. Sie sind ausserdem nicht immer Ursache der nachfolgenden, sondern eben so häufig Wirkung einer voraufgegange­nen dyskratischen Entmischung der Lymphe. Tritt z. B. eine, mit Rotzcontagium inficirte Lymphe in die Lymphdrüse, so schwillt die­selbe an , wirkt zurück auf die Schleimhaut, oder auf die bedeckende Haut, und erzeugt hier den Rotz; ist mithin die Ursache der Krank­heit, sie ist daher primitiv. Werden aber andere Krankheitsstoffe, Eiter, Jauche etc. von den Lymphgefässen aufgesogen, erleiden die Säfte eine fehlerhafte Mischung von, in gewisser Weise verdorbenen Futterstoffen, und jene Säfte treten , bevor noch andere Krankheits­erscheinungen eingetreten sind, in die Drüsen, so schwellen dieselben an, und es tritt derselbe Fall ein. Eben so ist es in vielen Fällen bei Metastasen, bei Metaschematismen und beim ungünstigen Verlauf mancher im 3. Capitel der Abtheilung II angegebener Krankheiten. Doch kann auch in diesen letztern Fällen , wie es häufig vorkommt, der umgekehrte Fall stattfinden. Aber in allen Fällen, wo der Rotz durch Aufsaugung von Krankheitsstoffen durch die Blutgefdsse ent­steht, wo eine Infection des Blutes durch Rotzcontagium stattfindet, so dass dielnfectionsstoffe zuerst in die ganze Blutmasse, und nament­lich auch in die Lungen, übergehen müssen, da entsteht jedesmal zuerst Rotz, und erst in Folge dessen Drüsenanschwellung ; hier ist letztere die Wirkung der Krankheit, mithin consecutiv. — Wir haben hiernach idiopathische Drüsenanschwellungen beim Rotze in solchen Fällen, wo die Krankheit sich spontan entwickelt, wo sie secundär aus andern Krankheiten entsteht; wir haben sie als consecutive Er­scheinung nach Infectionen, bei voraufgehenden Drüsen bei Metastasen und Metaschematismen. —
sect;. 480. Es kommen nun aber noch beim Rotze auf den Schleimhäuten gewisse Erosionen vor, von denen bereits gesprochen und nachge-
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wiesen ist, wie und aus welchen Veranlassungen sie sich entwickeln; sie sind ebenfalls zufallige und unwesentliche Erscheinungen und keineswegs entscheidende Criterien für die Krankheit; sie sind dies um so weniger, als sie auch bei andern Krankheitszuständen vor­kommen können, wie z. B. bei Nasencatarrhen, Polypen, cariösen Leiden, nach äusserlichen Verletzungen der aussern und Innern Nasenknochen, nach scharfen Einspritzungen, bei chronischer Bräune etc. — Dagegen erscheinen zuweilen, ohne jede gewaltsame Ver­anlassung, heftige, sich wiederholendeBlutstiirze ausderLunge durch die Nase, parenchymatöse Blutungen, Blutausschwitzungen auf der Nasenschleimhaut, ein eiterartiger oder jauchiger Ausfiuss mit Blut­streifen vermischt, ohne dass auffallende organische Destructionen auf den Nasenschleimhäuten bemerkbar und Drüsenanschwellungen vorhanden sind. Solche Erscheinungen sind aber allemal Zeichen eines sehr tiefen, intensiven Leidens in den Lungen, und sie deuten mit grosser Entschiedenheit auf die Anwesenheit des Rotzes hin (s. 7. und 8. Fall). Ferner erscheint auf der Nasenschleimhaut plötzlich der Fungus haematodes mit Rotzausfluss, vermischt mitBlut-theilen. Auch dies ist ein Zeichen eines tiefen und intensiven Leidens der Lungen, welches eine besondere Dyskrasie und eine bestimmte Form des Rotzes unzweifelhaft andeutet. Es können beide Lungen in dieser Weise rotzig afficirt sein, es kann der Zustand sich auch nur auf eine Lunge beschränken, in jenem Falle haben wir die ge­dachten pathologischen Erscheinungen in beiden, in diesem in einer Nasenhöhle, auf der Seite, auf welcher die Lunge erkrankt ist (s. 7., 9., 10., 11., 12. und 13. Fall). Ferner endlich haben wir noch fibroide Wucherungen mit ausserordentlicher Vergrösserung und Degeneration der Schleimdrüsen auf den völlig destruirten Schleimhäuten sämmtlicher Kopfhöhlen mit sehr copioser Absonde­rung einer schleimigen Jauche und daher massenhaften Ausflusses aus der Nase neben Anfüllung der Kopfhöhlen mit jenem jauchigen Secret. Die Knochenlamellen in den Kopfhöhlen sind dabei häufig aufgelockert und verdickt und innig mit jenen degenerirten Schleim­häuten verwachsen, so dass dieselben von den Knochen sich nicht trennen lassen (s. 19. und 20. Fall). Wir haben es in einem solchen Falle stets mit einem sehr chronisch verlaufenden, veralteten, localen Rotze in eigenthümlicher Form zu thun. Wir haben ferner Fälle, in denen die Schneidersche Haut des Septum in eine käsige, breiige Masse vollständig aufgelöst und der knorplige Theil desselben in einen brandigen Zustand übergegangen und theilweise vollständig verjaucht ist, mit welchem ZustandeDegeneration der andern Schleim­häute der Kopfhöhlen und neerotische Erscheinungen an den latnel-lösen Innern Kopfknochen in bedeutendem Umfange verbunden sind (s. 21. Fall).
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sect;. 481.
Die Tuberkeln in den Lungen werden von den meisten Autoren für eines der wesentlichsten Criterien des Rotzes angesehen. In der That sind sie eine, die Eotzkrankheit in der Regel begleitende Erscheinung, und namentlich sind dies vorzugsweise die sogenannten Miliartuberkeln. Findet man diese nach dem Tode bei der Section, so ist damit die Rotzkrankheit allerdings unzweifelhaft constatirt; findet man sie aber nicht, so beweist dies keineswegs, dass die Rotz­krankheit nicht vorhanden ist. Es sind mithin jene Tuberkeln nicht in allen Fällen ein nothwendiges Attribut, eine nothwendige Be­dingung der Anwesenheit des Rotzes. Die Rotzdyskrasie kann da sein ohne Miliartuberkeln, diese indess sind nie da, ohne eine vor­handene Rotzdyskrasie; ihr Vorhandensein ist daher aber immer eine wesentliche, mit der Krankheit zusammenhängende Erscheinung.
sect;• 482.
Wie die Rotzknoten und Geschwüre auf der Haut, wie die Bläschen und Rotzgeschwüre auf der Nasenschleimhaut, entstehen und erscheinen dieMiliar-, Lymph- oder Rotztuberkeln in den Lungen. Sie erzeugen sich niciit unmittelbar aus inticirtem Blut, nicht in und durch Blutgefässe, sondern sie entstehen lediglich aus der dyskra-tischen Lymphe in den Lymphgefässen der Lungen. In dem über­reichen dichten Lymphgefässnetz auf der Lungenoberfläche entstehen in den zahllosen Lymphgefässanfängen die Tuberkeln oft in zahlloser, oft in weniger zahlreich er Menge, die Zahl ist indess unwesentlich und zufällig. In den Gefässanfängen unter der Pleura stagnirt die dys-kratische Lymphe und bildet zunächst kleine Bläschen, wie auf der Schleimhaut, oder wie auf der Lederhaut jene Beulen. Da aber die Lungen nicht von atmosphärischer Luft, sondern von Wasserdunst umgeben sind, so findet auch hier keine nähere und innige Anziehung zwischen dem Stoff in den Lymphgefässen und dem der Lungen­umgebung, wie bei jenen Bläschen und Beulen, respective der Schleim­und Lederhaut, statt, weil zwischen dem alkalischen Princip der Lymphe und dem Wasserdunst der Brusthöhle ein Verwandtschafts-verhältniss nicht besteht. Es ist hier daher auch die Endosmose eine andere, indem die Lymphe nicht in Substanz durch die Gefäss-wände und Lungenpleura sickert, sondern nur ihr wässriger Bcstand-theil in Dunstform durch dieselben in die Brusthöhle dringt und den festen Bestandtheil zurücklässt, der sich verdichtet und nach und nach zu jenen Tuberkeln verhärtet. Es ist dies eine ganz analoge Erscheinung in den Lymphgefässen auf der Lungenoberfläche, wie in denen auf der Oberfläche der Haut, ungeachtet in jenen, die nur Haargefässe sind, keine Klappen vorkommen. Danach können dann
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analog, auch in den Hautlymphgefassen füglich jene Knoten ent­stehen, ohne dass dabei die Klappen von Einfluss sind. —
sect;. 483.
Die Anwesenheit der Tuberkeln ist keineswegs ein Argument für ein höheres Stadium der Krankheit, noch sind sie entscheidend für die Intensität, Ausdehnung, das Alter der Krankheit etc.; sie sind vielmehr in dieser Beziehung einflusslos und unwesentlich. Am be­stimmtesten zeigen sie an, dass die Rotzdyskrasie überhaupt vor­handen ist und dass sie speciell auch in den Lungen existirt. — Sie sind immer das Product der Rotzdyskrasie, wie die Geschwüre auf der Schleim- und Lederhaut, sie sind daher, wie diese, stets eine secundäre Erscheinung der Krankheit, denn der dyskratische Zustand der Lymphe, also die eigentliche Krankheit, muss voraufgehen. Sie erscheinen eben sowol beim localen, wie beim allgemeinen Rotz und sind namentlich bei jedem localen Lungenrotz vorhanden, sind mithin kein entscheidendes Zeichen für den allgemeinen Rotz. Es kann aber anderweitiger localer Rotz im Kopfe und auf der Haut etc. längere Zeit bestehen, ohne dass jene Tuberkeln vorhanden sind. Wir können somitRotz haben, ohne dass Tuberkeln in den Lungen bei der Section gefunden werden. —
sect;. 484.
Dagegen ist beim allgemeinen Rotz , nach dem Uebergange der rotzigen Dyskrasie in die ganze Säftemasse, die Tuberkelbildung in den Lungen eine noth wendige Bedingung, und fehlen sie unter solchen Umständen nie. Bei Infeetionen des Blutes durch Rotzcontagium, bei Resorptionen von Eiter, Jauche etc. durch die Blutgefästie, ent­steht zunächst, also primär, der Rotz irgt; den Lungen mit gleichzeitiger Tuberkelbildnng, nachdem die Dyskrasie ans dem Blute indieLymph-gefässe übertragen worden ist, und hier kann der Rotz längere Zeit local bleiben, bevor er sich auf den Schleimhäuten der Nase und auf der Cutis zeigt. Da aber die Lymphgefässe der Lungen, insofern das Rotzcontagium in der Regel fixer Natur ist, nicht direct inficirt werden können, dies vielmehr nur in jenen seltenen Fällen möglicher Weise stattfinden könnte, wo das Coutagium eine flüchtige Natur annimmt und durch Einathmen direct in die Lungen kommt, so kann der pri­märe Rotz der Lungen und die Tuberkelbildung in denselben immer nur durch das Blut erfolgen. Eben so kann aber auch bei Metastasen und Metaschematismen, wie bei Uebergängen anderer Krankheiten, die primäre Bildung der Tuberkeln stattfinden, lange vorher, bevor wir den Rotz äusserlich bemerken und^erkennen.
sect;. 485. Wir haben nach diesen Thatsachen die Lungentuberkeln beim Rotz nicht in allen Fällen als ein pathognomisches Kennzeichen , als
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ein entscheidendes Criterium der Krankheit zu betrachten, wir müssen sie demnach unter Umständen als primäre, unter andern als seeun-•däre Producte derselben ansehen. Es sind auch nicht immer beim Kotz der Lungen die characteristischen Miliartuberkeln unter der Lungenpleura vorhanden, oft sind diese zahllos, oft weniger zahlreich und in manchen Fällen fehlen sie ganz, dann liegen die Tuberkeln in der Grosse von Erbsen, steigend bis zur Grosse von Wallnüssen, in allen dazwischenliegenden Grössenverhältnissen, vertheilt und zer- • .streut in der Lungensubstanz, und in diesen Fällen sind die Tuber­keln dann oft in allen Bildungsstadien vorhanden.
sect;. 486. Wenn nach diesen hier angegebenen , auf Beobachtungen und Erfahrungen gestützten, Ansichten und Thatsachen noch neuere Schriftsteller behaupten, wie Koerber (s. sect;. 233), die Rotzkrank-lieit sei eine schleichende Kachexie, die sicli immer erst nach 1 bis 3 Monaten und länger, in Folge des örtlichen Leidens zur allgemeinen Kachexie zu entwickeln beginne, so müssen wir annehmen, es gehen dergleichen Ansichten nicht aus eigenen Wahrnehmungen hervor, und man habe selbst über das, was Andere niedergeschrieben, nicht nachgedacht. Wir haben nunmehr nachgewiesen, dass die Rotz­krankheit keine Kachexie ist, und werden später nachweisen, dass sie nicht in allen Fällen eine so schleichende Krankheit ist, wie hier angegeben. Wir haben auch nachgewiesen, dass die Rotzkrankheit nicht immer aus einem örtlichen Leiden entsteht oder selbst zunächst örtlich ist, sondern, dass sie auch in Fällen von Hause aus als allge-ineino Dyskrasie, mithin als ein Allgemeinleiden auftreten kann.
sect;. 487. Derselbe Verfasser nimmt mit vielen andern Schriftstellern an, dass die gutartige Druse in Rotz übergeht (s. sect;. 234). Eine Iden­tität, noch Verwandtschaft zwischen Druse und Rotz besteht nicht, es ist nicht eine Parallele zwischen beiden zu ziehen, da unter dem Begriff der Druse ein gewöhnliches catarrhalisches Leiden, unter Rotz aber eine ganze Gruppe verschiedener Krankheitsforraen zu verstehen ist. Bei Vernachlässigung , falscher Behandlung, Erkäl­tung und andern ungünstigen Einflüssen kann jener Catarrh (die gut­artige Druse) chronisch werden; der bis dahin krankhaft secernirte Schleim, besonders wenn der Sitz der Krankheit vorzugsweise in der Nasenhöhle ist, wird in einem andern Mischungsverhältniss secernirt, er wird bösartiger, und reizt die Schleimhaut zu oft umfangreichen und tief eindringenden Destructionen, Erosionen u. dergl. m. Wir haben es jetzt nicht mehr mit Druse zu thun, sondern die Erosionen und Wucherungen auf der Nasenschleimhaut bestimmen uns, die Krankheit Rotz zu nennen, obwol bis dahin noch keine lymphatische
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Complication vorhanden ist, und wir haben es hier mit einem rein catarrhalischen Rotze zu thun.
Aber auch von dem entmischten Sehleimhautsecret resorbiren die Lymphgefasse der Nase und führen solches den Kehlgangsdriisen zu, die dadurch entzündet, hart werden und anschwellen; dieLymphe wirkt dann durch die zuführenden Lymphgefasse auf die Nasen­schleimhaut zurück, und wir haben dann den Uebergaug der gut­artigen Druse in lymphatischen Rotz, den Metaschematismus eines catarrhalischen in ein lymphatisches Leiden. — Aber wir haben auch einen plötzlichen Uebertritt der gutartigen Druse in die Lymph­gefasse der Lungen oder der Haut, und es kann hieraus sich Rotz entwickeln, der dann als eine Metastase anzusehen ist.
2. Capitel. Formen des Rotzes der Pferde.
sect;. 488.
Die Zahl der Formen des Rotzes ist nicht unbedeutend, man könnte, wollte man zersplittern, eine grosse Menge derselben auffüh-* ren, doch vermeiden wir jede unpractische Eintheilung, und betrach­ten die Krankheit nur nach ihrer Natur, ihrem Ursprünge, ihrem Character und Sitz.
Wir könnten nun ferner noch die vorkommenden Formen der Krankheit eintheilen und betrachten nach den Symptomen, nach den Ursachen, nach dem Verlauf und den Ausgängen etc., indess hat eine so ausgedehnte Specification der Krankheitsformen einerseits keinen practischen Werth, andererseits sind dieselben alle in jener Einthei­lung mit aufgenommen, und werden die Variationen in den Sympto­men, Ursachen, dem Verlauf und den Ausgängen etc., bei den ge­dachten Formen, in sofern es für die richtige Diagnose der Krankheit nothwendig ist, jedesmal speciell angegeben, so weit die heutigen, wissenschaftlichen Kenntnisse, die Beobachtungen und Erfahrun­gen reichen.
sect;. 489.
Die organischen Destructionen in den Nasenhöhlen und deren Nebencavitäten, bilden zwar regelmässige Begleiter des Rotzes, und sind daher eharacteristisch für die ßeurtheilung der Fcrm und des Stadiums desselben, indess sind sie dem ausgebildeten Practiker keineswegs das alleinige bestimmende und entscheidende Criterium für die Existenz des Rotzes, ebenso wenig, wie sie an und für sich
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den Rotz darstellen. Nichtsdestoweniger sind sie wichtig, und for­dern uns bei Beurtheilung der Krankheit zur genauesten Beachtung ihrer Form, ihres Characters und Verlaufs auf, insofern sie überhaupt vorhanden sind, und da sie in der Regel nur der änssere Reflex eines innern Krankheitszustandes, das Product der Rotzdyskrasie, sind, so wird die vorgedachte Beachtung uns sehr bald auf die Natur und den Character, mithin auf die Form der Krankheit führen.
sect;. 490.
Jene Destructionen in den Nasenhöhlen sind daher nicht die Krankheit, der Rotz, mit welchem sie früher, und selbst heute noch hiiufig, indentificirt werden, eben so wenig sind es die Hautgeschwüre, beide sind, insofern sie vorhanden, eine consecutive Folge der innern Krankheitsformen. Deshalb können sie auch nie für sich, ihrer selbst wegen, in Betracht gezogen werden, und ihre Behandlung muss jederzeit erfolglos bleiben, wenn nicht auf eine Utnstimmnng, resp. Heilung, der innern Krankheitsform hingewirkt wird. — Sowie der Rotz nicht eine blosse Ozaena nasalis, oder eine Krankheit der äus-sern Haut sein kann, so ist er auch niemals ein blos catarrhalisches Leiden, eine einfache Krankheit der Nasenschleimhüute , wofür er vielfach angesehen wird; eben so wenig aber ist er auch eine Tuber­kelkrankheit der Lungen. In den meisten Fällen ist er vielmehr eine Krankheit der vegetativen Sphäre des animalischen Lebens, eine Dyskrasie der Lymphe, in den meisten Fällen in den Lymphgefässen, entweder primär oder secundär, in letzterer und seltenerer Weise ist sie im Blute vorhanden. Wo aber auch die Dyskrasie ihren Sitz hat, in den Lymph-, oder in den Blutgefässen, im Verlaufe der Krank­heit, geht sie jedesmal von den einen in die anderen über. Die patho-gnomonischen und bestimmenden Erscheinungen der Krankheit aber, nach welcher wir dieselbe festzustellen haben, finden sich weder in der Lymphe, noch im Blute selbst-, wir finden sie in den sinnlich wahrnehmbaren Symptomen, welche ihre Existenz in den Drüsen-affectionen, den Ausflüssen aus der Nase, den Geschwüren und Beu­len, und den Tuberkeln in den Lungen haben. Diese Symptome aber treten stets nur als eine Folge der dyskratisehen Entmischung der Lymphe in den Lymphgefässen hervor, und sobald sie daher vor­handen sind, sobald also der Rotz constatirt werden kann, ist auch schon vorher die lymphatische Dyskrasie vorhanden gewesen , und als eigentliche Krankheit noch vorhanden. Die andern Destructionen und Producte, welche wir so häufig finden, und aus denen sich Rotz entwickelt, oder zu denen er sich in der Regel hinzugesellt; als Ero­sionen, fibroide Wucherungen, carcinomatöse und cariöse Zerstörun­gen, Markschwamm etc. auf den Schleimhäuten der Nase, Anschwel­lungen und Geschwülste. Blutungen ans der Nase etc., sind wieder-
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um der Reflex anderer vorhandener, oder die Folge solcher vorhanden gewesener Krankheitszustände, die oft schnell in Rotz übergehen, oder zu denen er sich plötzlich hinzugesellt (s. 7ter, liter, 12ter, 13ter Fall), wie dies z. B. so oft nach Faulflebern und Influenza ge­sehen wird, oder es sind heue, unerwartete Erscheinungen, die als Folge des vorhandenen Rotzes theilweise plötzlich auftreten und be­obachtet werden (s. 8ter, 9ter und 15ter Fall). Wir werden hieraus erkennen müssen, dass wir nach der Natur, dem Ursprung, dem Ver­lauf und Sitz sehr verschiedenartige Formen des Rotzes haben; diese näher zu betrachten, ist die Aufgabe dieses Capitels.
1, Der scrophulöse Rotz.
sect;• 491.
Diese Form des Rotzes ist die beim Pferde unstreitig in weit überwiegendem Maasse vorkommende, daher die wichtigste und zu­gleich gefährlichste. Sie ist diejenige Form , der allein das volle Maass unserer Arbeitskraft und Wirksamkeit gewidmet sein müsste, daher wir auch bei dieser wenigstens immer am längsten verweilen werden, wo wir auch auf dieselbe zurückkommen; sie ist der eigent­liche Repräsentant des Rotzes und der Urtypus aller seiner Formen. Sie ist vollständig identisch mit der Scrophulosis des Menschen, und die Ozaena scrophulosa des letztern ist nichts Anderes, als das scro­phulöse Nasengeschwur des Pferdes. Dies einerseits, sowie dass die Scrophelkrankheit des Menschen für das Pferd ein Contagium bildet, ist durch meine, in der II. Abth. dieser Schrift niedergelegten Impf­versuche , so sehr man denselben in anderer Beziehung leider mit Recht die Unvollständigkeit und Unabgesehlossenheit auch zum Vor­wurfe machen könnte, bis zur Evidenz bewiesen. — Man hat lange und vielfach und überall die Identität der Scrophulosis des Menschen mit den Drüsenkrankheiten des Pferdes, namentlich mit dem Rotz überhaupt, mithin auch mit dieser Form, bestritten, weil, wie man behauptet, die Menschenscropheln kein Contagium für Menschen bil­den. Ob dies der Fall ist, oder nicht, das haben wir hier nicht zu untersuchen, fest steht indess jetzt und seit meinen Versuchen, dass sie ein Contagium für das Pferd erzeugen können, welches bei diesem wieder Scropheln und sogar den Scrophelrotz mit Nasengeschwüren, die Ozaena scrophulosa, erzeugen kann. Wir haben uns hierüber bereits im 4. Capitel der II, Abtheilung dieser Schrift ausführlicher aus­gesprochen und nachzuweisen versucht, dass, wenn genügende Ver­suche darthun sollten, dass die Sctophelkrankheit des Menschen für Menschen kein Contagium erzeugt, was unsererseits fürs erste noch bestritten wird, dies kein Beweis gegen die Identität der Menschen­scropheln mit den Drüsenkrankheiten des Pferdes und der Ozaena
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nasalis scrophulosa des Menschen mit dem scrophulosen Rotz des Pferdes ist (s. sect;. 329 1. c.)- Wenn aber, wie wir jetzt als ausge­macht annehmen können, die Identität dieser Krankheit des Menschen und desPferdes feststeht, so würde der Umstand, dass sie beim Menschen kein Contagium entwickelt, immer noch nicht die Voraussetzung begrün­den, dass sie dann auch kein Contagium beim Pferde erzeugen kann. So­wie die Krankheit des Menschen ein Contagium für das Pferd entwickölt, das, auf dieses Thier übertragen, dieselbe Krankheit hervorruft, die das Contagium reproducirt, welches nicht nur auf andere Pferde fort­pflanzungsfähig ist, sondern auch gleichzeitig ein Contagium wieder für den Menschen geworden ist, indem es, auf diesen übertragen, wie­der dieselbe Krankheit erzeugt, so ist fast nicht anzunehmen, dass die Scropheln des Menschen absolut unfähig sein sollten, ein Con­tagium zu bilden, welches wieder, auf gesunde Menschen übertragen, die Scrophelkrankheit hervorrufen kann.
sect;. 492. Man hat als weitern Grund, der gegen die Identität der scro­phulosen Ozaena des Menschen mit dem scrophulosen Rotz des Pfer­des spricht, den Umstand angeführt, dass jene Krankheit eine Kin­derkrankheit sei, also in der Regel nur im jugendlichen Alter des Menschen vorkomme, während diese Krankheit bei Pferden jeden Alters gleich häufig erscheint. Es ist dieser Einwand zwar schon irn4.Capitelder II. Abth., sect;. 331 widerlegt, indess ist es nothwemlig, darüber noch Folgendes zu sagen : Allerdings erscheint die scrophu-löse Ozaena beim Menschen in der Regel nur im Kindesalter, indess ausnahmsweise kommt sie auch noch in spätem Jahren vor, obwol die G-rundkrankheit, die Serophulosis, dann immer aus den früheren Jahren in die späteren übertragen worden ist. Es sind wenigstens keine sichern Beobachtungen bekannt, dass die Scropheln beim Men­schen, wenn wir die Ansteckung desselben vom scrophulosen Rotz des Pferdes ausnehmen, im spätem Lebensalter entstanden sind. Ueberdem will die Wissenschaft diejenige Krankheit, welche nach der Infection des Menschen von scrophulös-rotzigen Pferden entsteht, bisher noch nicht als Scrophelkrankheit anerkennen, ob sie darin Recht hat, oder nicht, müssen wir dahingestellt sein lassen.
sect;. 493. Wegen vorwaltender Receptivität, und des umfangreicheren und intensiveren Stoffwechsels, also des lebendigem Ernährungsprocesses, der dazu nothwendig grössern Thätigkeit des Lymphgefässsystems und aller drüsigen Organe, mithin wegen des überwiegenden vegeta­tiven Lebens im jugendlichen, mit dem Wachsthum verbundenen Alter, ist allerdings die scrophulöse Diathese auch beim Pferde vor­waltend. Indess, wenn sie beim Menschen mit einem gewissen Alter
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ganz vergeht, so folgt daraus nicht, dass sie auch beim Pferde im spätem Lebensalter gänzlich aufhören muss, wofür wir die Gründe schon in der II. Abth., 1. Cap. sect;. 255 und 256 theilweise angegeben haben. Im jugendlichen, im Füllenalter des Pferdes, findet die spon­tane Entwickelung der Scropheln, also auch die der scrophulösen Form des Rotzes, am häufigsten statt; aber auch durch Infection ent­wickelt sie sich häufig, wiewol verhältnissmässig nicht so oft, wie im spätem Lebensalter. Dies hat wol seinen hauptsächlichsten Grund darin, dass ältere Pferde, die schon in Gebrauch genommen sind, mehr Gelegenheit haben , den Infectionsstuff aufzunehmen, als Füllen, die mehr ein abgeschlossenes, isolirtes Leben führen, denn jene kommen beim Gebrauch und bei dem mannigfachen Verkehr, der mit Pferden stattfindet, häufiger mit fremden, mithin auch mit rotzigen, Pferden, mit inficirten Stallungen und Stallutensilien etc. in Berührung, als Fällen, und die noch immer nicht in vollen Gebrauch genommenen jungem Pferde. Wie der Infectionsstoff des Rotzes bei Jüngern Pferden leichter haftet, und die Krankheit regelmässiger entwickelt, als bei altern Pferden, so tritt sie bei jenen in der Regel auch in reinerer, einfacherer Form auf, verläuft unter mildern Er­scheinungen und geringeren Zufällen, und hat in dieser Form allemal einen bei weitem langsamem Verlauf, d. h. in solchen Fällen, wo das Contagium vom reinen und einfachen, scrophulösen Rotze ept-wickelt worden ist. Die Ursachen hiervon haben wir einerseits, neben der intensiveren Receptionsfähigkeit und Anlage zur Scrophel-dyskrasie des jugendlichen Alters, darin zu suchen, dass mit dem spätem Alter der Pferde die Säftigkeit, der lockere, poröse Zusam­menhang, die Empfindlichkeit der Organe, die lymphatische Consti­tution derselben, die reine Mischung der Säfte etc. abnimmt, dagegen schlechte Ernährung , fehlerhafte Beschaffenheit der Säfte, Neigung zu Dyskrasien und Typhen, organische Functionsstörungen, De-structionen und pathologische Diathesen und Krankheilen mancher­lei Art zunehmen (s. 2t,er Fall) ; daher wir denn auch bei altern Pferden die scrophulöse Form des Rotzes selten so rein und einfach antreffen, wie bei jungen, und hierin eine auffallende Analogie beim Menschen finden, bei dem in spätem Jahren selten Scropheln oder scrophulöse Ozaena ohne Complication angetroffen werden. Wir müssen die Scrophelkrankheit als ein vorzugsweises Leiden des vege­tativen Lebens betrachten, und finden sie deshalb beim Menschen, besonders im Kindesalter, weil in diesem das vegetative Leben vor­waltet, während im spätem Alter mehr das animalische und psychi­sche Leben jenes unterdrückt, reSp. beschränkt, in einer Weise und in dem Maasse, wie dies beim Pferde nicht geschieht. Darum kön­nen wir auch nicht präsumiren, dass, weil Scropheln beim Menschen meistens nur im Kindesalter auftreten, dies bei Pferden eben so sein
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müsse, und da der scrophulöse Rotz bei Pferden sehr häufig im spä­tem Lebensalter vorkommt, so könne er nicht identisch mit der scro-phulosen Ozaena des Menschen sein.
sect;. 494.
Wenn demnach bei älteren Pferden der scrophulöse Rotz häufig genug auftritt, und zwar sowol als spontan entwickelter, -wie aus In­fection hervorgegangener, so liegt dies ganz naturgemäss in den ge­wöhnlichen Umständen , unter denen die älteren Pferde leben. Für den Infectionsrotz haben wir dieselben bereits näher erörtert. Ver-hältnissmässig wirken aber alle veranlassenden Ursachen, aus denen der scrophulöse Rotz spontan sich entwickelt, auf ältere, im gewöhn­lichen Gebrauch sich befindende Pferde nicht nur in grösserer Aus­dehnung und Mannigfaltigkeit, sondern in der Regel auch in grösserer Intensität ein, als bei jungen Pferden. Zunächst wird in der Regel in allen Wirthschaften, wo Pferde gezüchtet werden, in Gestüten u. dergl., für eine möglichst gute Futterwerbung gesorgt, und von dem gewonnenen Futter jederzeit für die jungen Pferde, namentlich Fül­len, das Beste verwendet. Oft und vielfach erhalten dagegen die altern Pferde theilweise verdorbenes und schädliches Futter. Diese werden überdem viel mehr mit schwerverdaulichen, die Eingeweide verschleimenden und verklebenden, viel Stärkemehl enthaltenden Nahrungsmitteln, als Roggen, Erbsen, Bohnen, Kartoffeln etc. gefüt­tert und bekommen dazu Kleeheu, und würde hiemach die Scrophel-krankheit, oder doch die scrophulöse Diathese noch weit häufiger auftreten, wenn diese Thiere dabei nicht die angemessene Arbeit und Bewegung hätten. Ausserdem ist es, mit Ausnahme in den Caval-lerie- und Gestütsställen, eine leidige Sitte, dass die Pferde überall ihr Futter in den Krippen stark angenässt bekommen, wovon, da in der Regel auf Reinlichkeit überhaupt nicht, geschweige denn in den Krippen, genügend gesehen wird, sehr oft .eine Säfteverderbniss ab­geleitet werden muss. Die in den Winkeln der Krippen zurückblei­benden Partikeln verderben, werden schimmlicht, vermischen sich mit neu zugeschütteten Futtermassen, und werden von den Pferden auf­genommen. Die Füllen dagegen erhalten den Hafer oder das Kaff', welches ihnen zur Nahrung gereicht wird, in der Regel trocken in der Krippe, und dazu bekommen sie gesundes Wiesenheu. — Ferner werden die altern Pferde inCavallerie-, Gestüts- und landwirthschaft-lichen Ställen in der Regel in sehr grosser Zahl zusammengestellt, die Ställe oft nicht reinlich genug, dagegen aber viel zu warm gehalten, selten hinreichend gelüftet. Das Einathmen der Ausdünstungen und der, mit Schimmelpilzen und andern schädlichen Stoffen geschwänger­ten Luft wirkt auf die Pferde höchst nachtheilig, und alle diese ange­gebenen Umstände wirken dahin, dass auch bei altern Pferden die
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Scrophelformen so häufig durch spontane Entwickelung erzeugt werden.
sect;. 495. Bei älteren Pferden kommen die Scrophelformen des Rotzes im Allgemeinen häufiger durch Ansteckung, als durch spontane Ent­wickelung vor, daher finden wir die Erscheinungen der Krankheit so oft nur auf der einen Körperhälfte der Thiere, was in der Regel den Beweis liefert, dass die Krankheit durch eine Infection entstan­den ist, indem die Pferde, wenn sie in einem Stalle stehen, oder gemeinschaftlich zur Arbeit benutzt werden, in der Regel Gelegenheit finden, sich nur an einer Seite zu berühren. Im Allge­meinen zeigt sich der Rotz unter Bauerpferden nicht so häufig, wie unter andern, und in der Regel ist es die scrophulöse Form, die un­ter jenen vorkommt. Der erstere Umstand findet darin seinen Grund, dass Bauerpferde meistens mehr jsolirt leben , als andere , sie stehen nur in geringer Zahl in ihren Ställen, leben mithin immer in reinerer Luft, kommen seltener in fremde Ställe, weil Bauern überhaupt nicht viel reisen und in Gastställen seltener ausspannen; auch handeln und wechseln die Bauern nicht so häufig mit ihren Pferden. Es ist also bei Bauerpferden keine so häufige Gelegenheit zur Ansteckung gegeben, und überdem werden Bauerpferde in der Regel nie so an­gegriffen, wie andere, der Bauer arbeitet und fährt in den meistfen Fällen weniger und langsamer, und füttert seinen Pferden auch weniger Korn, wie andere Plerdebesitzer. Den andern Um­stand, dass der unter Bauerpferden vorkommende Rotz in der Regel die scrophulöse Form ist, finden wir darin begründet, dass diese Pferde, obwol nur wenig, doch meistentheils nur schweres Korn, wie Roggen, Erbsen, Bohnen etc., als Garben geschaitten, erhalten, und dass sie bei diesen schwer verdaulichen Stoffen zu viel Ruhe haben, dass diese Pferde ferner ihr Erkranken oft nach dem Genüsse verdorbenen Futters bekommen, da Bauern bei der Werbung dessel­ben nicht immer so vorsichtig und aufmerksam sind, wie Andere und wol öfter aus einer gewissen Indolenz ihr Futter nicht gehörig ge­trocknet einscheuern, und dass endlich eine gleiche Indolenz die Ver­anlassung ist, dass andere Krankheiten, namentlich die Jugendkrank­heiten des Pferdes, die Druse etc., in Rotz übergehen, weil sie ver­nachlässigt und schlecht behandelt werden.
sect;. 496. Es liegen hierin einerseits Gründe genug, für den einen , wie für den andern Fall, sie beweisen uns aber auch wieder, dass jene Ursachen, welche überhaupt als Scropheln erzeugend beim Men­schen bekannt sind, auch bei den Pferden die Scropheln und schliess-lich den scrophulösen Rotz in reiner Form hervorrufen , daher wir
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auch hierin einen weiteren Grund der Identität der Serophelkrank-heit des Mensehen mit der Drüsenkrankheit des Pferdes und der scro-phulosen Ozaena des Menschen mit dem gleichen Nasengeschwür des Pferdes, also dieser Form des Rotzes, finden müssen. Wie beim Menschen im gemeinschaftlichen Zusammenleben in grosser Zahl in volkreichen Städten und engen Strassen ; wie in niedrigen, dunsti­gen, engen, feuchten, des Luftwechsels ermangelnden Wohnungen, die Pflanzstätten und Herde der scrophulösen Dyskrasieen und a!ler ihrer Formen und Stadien gefunden werden, wie ans der Dyspepsie, die nach dem übermässigen Genuss starkemehlhaltiger Nährstoffe (Brod, Kartoffel etc.) bei den der Bewegung in freier Luft entbehren­den, von auf Arbeit oder Bettelei, oder andere Gewerbe ausgehen­den Eltern, in die Wohnung für gewöhnlich eingeschlossenen Kin­dern , entsteht, sich in den gedachten Localien in der Regel die Scropheln entwickeln und in allen scheusslichen Formen, einheimisch, habituell und schliesslich erblich werden , wie wir finden, class die Scropheln des Menschen an gewisse Localien, in denen gewisse Be­dingungen zu ihrer Erzeugung gegeben sind, sich gebundenerweisen, wenn wir an die volkreichen, dichtbewohnten Städte, an niedrige, sumpfige Gegenden etc. denken; wie wir erkennen müssen, dass jene Dyskrasie in gewissen Ländern, Gegenden, Landstrichen und Bezir­ken einheimisch wird, wo die Verhältnisse den Menschen zwingen, vorzugsweise von solchen Nahrungsmitteln zu loben, welche die scrophulöse Diathese hervorrufen, indem wir an Irland , Oberschle­sien u. dergl. Gegenden erinnern, so finden wir auch bei Pferden dieselben Verhältnisse und Umstände, dieselben Wirkungen als Fol­gen gleicher Ursachen, und erkennen hierin einen weitern schlagen­den Beweis der Identität der scrophulösen Ozaena des Menschen mit dem gleichnamigen Rotze des Pferdes.
sect;.497. Menschen sowol wie Pferde, die unter andern Verhältnissen leben, in andern Gegenden und Localitäten, die von andern, ihrer Natur mehr zusagenden Nahrungsmitteln loben, leiden nicht an Scropheln, und so giebt es ganze Länder und Landstriche, ja ganze Erdzonen, in denen die Scropheln und ihre Formen, also auch der scrophulöse Rotz, bei Menschen und Pferden, ganz unbekannt sind. Bei wilden Pferden, wild gezogenen und wild lobenden, ihren Natur­trieben ganz ungebunden überlassenen Pferden, ist der scrophulöse Rotz, wie überhaupt die Scropheln, eine ganz unbekannte Erscheinung, wie bei wilden und Naturvölkern. Es sind somit die scrophulösen Dyskrasieen, so eigentlich recht die Krankheiten der Zähmung und Civilisation. #9632;— Aus analogen Gründen sehen wir den scrophulösen Rotz auch in den beiden extremen Erdzonon, der heissen, so wie der kalten, nicht auftreten.
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sect;. 498.
Die primitiven und wesentlichen , den scrophulösen Rotz stets begleitenden Symptome sind entweder Drüsenanschwellungen im Kehlgange mit Ausfluss eines eigenthiimlichen Secrets aus der Nase, oder es sind Beulen und offene Geschwüre auf der Cutis im Verlaufe der Lymphgelässe, oder auch Beides zugleich: die secundären Be­gleiter des scrophulösen Rotzes sind Geschwüre auf den Nasenschleim­häuten, Auflockerung und pathogenetische Secretionen der letztern, bleiche atrophische Färbung aller sichtbaren Schleimhäute und endlich Tuberkeln in den Lungen.
sect;. 499.
Wenn wir uns ein Bild vom scrophulösen Rotz machen wollen, so stellen wir uns ein solches in der Regel unter der mehr oder weniger ausgeprägten Begleitung der vorgedachten Symtome vor. Doch erscheinen dieselben oft so schnell und plötzlich und nehmen eine solche Ausdehnung und Intensität an, dass wir, bei dem aner­kannt und gewöhnlich schleichenden und wechselnden Gange und dem langsamen Verlaufe der Scropholkrankheiten zweifelhaft werden müssen , ob wir es in der That mit einer Scrophulose zu thun haben. Es fehlen in solchen Fällen nicht selten characteristische Zeichen dieser Krankheit, wie Aufgedunsenheit, Atrophie, Mangel der rothen Blutkörperchen, daher Bleichsucht, und dennoch haben wir es mit einer Scrophulose, und zwar mit dem scrophulösen Rotze, zu thun; denn es kann diese acute Form das Ergebniss einer Infection von einer sehr schleichend verlaufenden , Jahre lang gleichmässig fortbe­stehenden scrophulösen Dyskrasie sein, die unter allen characteristi-schen Erscheinungen und Kennzeichen einer solchen existirt, und sie kann wiederum bei einem andern Individuum, durch Infection, diese letztere Form der Dyskrasie in ihrer vollständigen Eigenthümlichkeit hervorrufen.
sect;. 500.
Erzeugen wir von anerkannt reinen Scropheln des Menschen beim Pferde Rotz, so sind wir vollständig befugt und berechtigt, welche Form er auch annehme, welchen Verlauf er auch nehmen mag, ihn eine Scrophulose zu nennen, sobald er jedesmal, abgeseiien von Form und Verlauf, unter gemischten constanten, gleichartigen, die Scrophulose characterisirenden Symptomen auftritt, und in den Haupt­momenten seiner Erscheinung mit dem Krankheitszustande des Menschen übereinstimmt, welcher den InfectionsstofF producirte. Er­zeugen wir nun von diesem Rot^V auf andere gesunde Pferde über­tragen, wiederum eine Krankheit, die zwar gewisse characteristische Criterien des Rotzes an sich trägt und die wir deshalb Rotz nennen müssen, dürfen wir dann annehmen, es sei keine Scrophulose, wenn
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jener Rotz einen rapiden Verlauf nimmt und ihm gewisse allgemeine, von der Wissenschaft bisher immer adoptirte Criterien derscrophulösen Dyskrasie fehlen? — Dürfen wir diese Annahme selbst dann noch aufrecht erhalten, wenn, wie die Erfahrung und directe Versuche ge­lehrt haben, die letztere Form durch Infection bei andern Pferden wieder den primitiven Krankheitszustand mit allen seinen Erschei­nungen, wie er nach der ersten Infection auftrat, erzeugt? — Wir sehen hiernach, dass, wenn wir uns bei Bestimmung des nosologischen Standpunctes dieser Krankheit lediglich auf die Symptomatologie stützen und nach derselben richten wollen', wir in der Diagnose schwankend und zweifelhaft werden und mit der Natur, dem Wesen und der Therapeutik in Widerspruch gerathen müssen. Wir werden also den nosologischen Standpunct und die Diagnose der Krankheit nicht allein von ihren symptomatischen Erscheinungen abhängig machen dürfen, sondern wir werden hier die Genese der Krankheit, ihren Verlauf, die Natur und das Wesen derselben, unter Umständen selbst die ätiologischen Momente vorzugsweise befragen und als mit­bestimmend gelten lassen müssen.
sect;. 501.
Bei keiner Krankheit ist es so schwierig und zugleich so wichtig, den nosologischen Standpunct derselben, die Diagnose und Form festzustellen, als beim Eotz, weil die Symptome so unbestimmt, verschiedenartig und wechselnd sind, weil der Verlauf und die Dauer der Krankheit so weit auseinandergehen, so dass der Zeitraum der Entwickelung und Entscheidung zwischen Stunden und Jahren, bis zum halben Lebensalter, der betreffenden Thiere, schwankt, weil die verschiedenen Formen der Krankheit fast nie rein und selbständig auftreten, sondern vielmehr stets Complicationen eingehen und sich mit lymphatischen Affectionen verbinden ; wichtig ist es, weil davon die zu ergreifenden, entscheidenden sanitätspolizeilichen und therapeutischen Maassregeln abhängen. In der Regel aber bleibt uns bei Feststellung der Krankheit nur die Symptomengruppe und deren Verbindung und Verzweigung als alleiniges Hülfsmittel, da wir meistens weder die Genesis des concreten Falles, noch die ätiologischen Momente des­selben kennen, noch Gelegenheit hatten, seinen Verlauf und seine Dauer zu beobachten. Es wird in solchen Fällen unerlässlich, dass wir die genaueste Untersuchung und Beurtheilung der vorhandenen Symptome jenes Falles, mit Rücksicht auf die Natur und Lebensweise des betreffenden Individuums, unserm Urtheile vorangehen lassen und daraus einen Schluss ziehen auf die Natur, das Wesen, den Verlauf und die Dauer der Krankheit. Dass dies in vielen Fällen keine leichte Aufgabe ist, dass sie einen reichen Schatz an Praxis und Erfahnuiü' .supponirt, versteht sich von selbst, und da beides aber mit logischer
Erili, Rolzihskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 13
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Urtheilskraft und Contemplation selten verbunden angetroffen wird, so erleben wir es täglich, dass gerade bei dieser Krankheitsform die meisten, grössten und gefährlichsten Irrthiimer und Missgrifl'e von jeher vorgekommen sind und nachträglich vorkommen.
sect;. 502.
Die sich uns darbietenden Symptome lassen nach ihrem Sitz, ihrer Ausdehnung, Intensität und sonstigen Beschaffenheit, nach ihren Stadien , dem Zusammenhange etc., in den meisten Fällen auf eine gewisseReihenfolgeihrer'genetischeiiEntwickelungauf die ätiologischen Einflüsse, und somit auf die Dauer und den quot;Verlauf der Krankheit schliessen, woraus andererseits logische Folgerungen für die Natur und das Wesen der Krankheit hervorgehen, so dass damit die Form, der nosologische Standpunct und die Diagnose derselben sich fest­stellen lässt. — Wollten wir an den bloss änssern Erscheinungen dieser scrophulösen Form des Rotzes in allen Fällen festhalten und danach ur-theilen, dann müssten wir z. B. die Krankheit eines jungen Pferdes von torpidem Character, bei welcher wir eine kaum bemerkbare, aber kautsehukartige Verhärtung der Lymphdrüsen, die überdem noch getheilt und lose sind, mit etwas wässrig schleimigem, trübe durch­sichtigem Ausfluss aus den Nasenöffnungen, von kaum nennens-werther Quantität finden, mit welchem zuweilen eine geringe Masse zu einem platten Schorf von gelbbräunlicher Farbe und bernsteinartig durchschimmernd eingetrocknete, oder zu einem dunkelgelben undurch-seheinenden Klümpchen eingedickte Lymphe verbunden ist, von sehr klebriger Beschaffenheit, bei hellrother Färbung der nicht aufgelockerten gänzlich unverletzten Nasenschleimhäute, nachdem diese Symptome länger als 3 Jahre unverändert fortbestanden hatten, (s. 17. Fall) für eine dem Wesen und ihrer Natur nach ganz andere Krankheit halten, als der sub 4 mitgetheilte Fall ist, und dennocli war dies im Wesen ein und dieselbe Krankheit mit jener, die sich nur in der Form, der Dauer und dem Verlaufe von ihr unterschied, daher unter andern Symptomen verlief, denn der Fall sub 4 war durch Ansteckung mittelst des Ausflusses van dem sub 17 erwähnten Patienten hervor­gerufen. Die beiden Krankheitsfälle mussteu daher identisch sein, und waren sie nichts Anderes, als die Form des scrophulösen Rotzes, die in dem 17. Falle ganz unscheinbar und kaum beachtenswerth, mit einem Verlauf von unabsehbarer Zeitdauer, auftrat; während der andere Krankheitsfall sub 4, obwol er durch Ansteckung aus jenem hervorgegangen war, unter ganz andern, höchst auffallenden Symptomen einen sehr rapiden Verlauf nahm. Ueberdem war jener Fall heilbar, dieser nicht. Der Unterschied beider Zustände lag nicht in dem Wesen der Krankheit, sondern in der Verschiedenheit der Natur der Träger derselben. Hier müssen wir natürlich fragen: wie und woran erkennt
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man den scrophulösenRotz, welches sind die entscheidenden Criterien derjenigen Krankheit, die man so benennt, wo fängt die Grenze dieser Krankheit an. und wo hört sie auf?
sect;. 503.
Die abstraete und speculative Wissenschaft kann daher keine Krankheiten anerkennen, die man mit dem obscuren Namen ^„ver­dächtige oder bösartige Druse,quot; belegt, sie kann nur Scropheln als solche anerkennen, die heilbar und nicht heilbar,die nicht ansteckend, oder die contagiös sind, und so bald sie letzteres sind, hat sie es mit dem Rotz zu thun und kann die concrete Form nur scrophulösen Rotz nennen. Die Wissenschaft kann sich nicht auf zufällige und wechselnde Erscheinungen stützen, sie kann nicht nach Symptomen urtheilen, die zwar characteristisch sind, indess eben so oft fehlen, wie sie vorhanden sind, noch öfter aber vorhanden sind, und dennoch am lebenden Patienten nicht entdeckt werden können, sie darf daher mit ihrer Diagnose beim scrophulösen Rotze nicht auf die Ermittelung von sogenannten Rotzgeschwüren auf der Nasenschleimhaut oder auf der Cutis'warten. Alle Fälle scrophulöser Dyskrasie, die mit Affec­tion von Lymphdrüsen und Ausfluss aus der Nase eigenthümlicher Art verbunden sind, nennen wir mit Unrecht verdächtige oder bös­artige Druse, wissenschaftlich müssen wir sie als scrophulösen Rotz betrachten.
sect;. 504.
Der Streit, welcher in Frankreich über die Contagiosität der rotzigen Dyskrasie der Pferde entstund und eine Reihe von Jahren mit Erbitterung zum grossen Nachtheil des Landes von Gelehrten und Niehtgelehrten geführt wurde, entstand daraus, dass man anfangs nicht wusste, um was man stritt, dass man vor dem Beginn des Streites sich nicht über den Gegenstand desselben verständigt hatte und sich nicht klar geworden war, dass mgm den Begriff des Streit-objects nicht festgestellt hatte. So streitet man heute noch über die Natur und das Wesen der Krankheit, über ihren Sitz und ihre Genese. Dieser Streit wird geführt, ohne dass man sich vorher bestimmt und klar bewusst geworden ist, um was man streitet, ohne dass man die verschiedenen Formen der Krankheit gehörig gesichtet, getrennt und festgestellt und demnächst sich erklärt hat, welcher Form der Streit gilt. Wir finden neuerdings eine analoge Controverse, angeregt durch J. Rawitsch in St. Petersburg.*) Derselbe hat zwar bei seinen, auf wissenschaftlichen Untersuchungen und Beobachtungen gestützten An­sichten und Behauptungen lediglich die Scrophel- und Tuberkelkrank­heiten und, insofern er vom Rotze spricht, auch die scrophulöse Form
*) Magazin für die gesammteThierheilkunde, 27. Jahrgang. 3. und 4 Heft.
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desselben zum Gegenstande seiner Betrachtungen gemacht. Wir können aber selbst in diesem Falle weder über den primitiven Sitz der Krankheit, noch über ihre Genese, noch über das Wesen der Veränderung in den Säften und Organen, noch endlich über das Wesen ihrer Producte, wie Tuberkeln, Geschwüre etc. streiten, bevor es nicht festgestellt ist, ob wires mit einer secundären, oderprimären, mit einer spontan, oder mit einer durch Ansteckung entstandenen Scrophulose oder Tuberculose zu thun haben.
sect;. 505.
Giebt der Verfasser jener Controverse zu, dass es eine scrophulose Rotzdyskrasie giebt, so wird er auch zugeben, dass die Scrophel-krankheit ansteckend ist, was überhaupt nach meinen Impfversuchen nicht mehr geleugnet werden darf. Bei unsern Untersuchungen über die Krankheit werden wir jedenfalls in jedem einzelnen Falle der­selben andere Resultate in jeder Beziehung finden müssen, selbst wenn die Untersuchungen sich nur auf eine Form derselben beziehen; sie werden anderer Art sein müssen, nach der Individualität, Ernährung etc. des erkrankten Thieres; nach Localität, Nahrungsmitteln etc., sie werden anderer Art sein, wenn wir eine spontan oder eine durch Infection entstandene Krankheit vor uns haben; sie werden sich anders zeigen, wenn die Infection durch das Blut, als wenn sie durch die Lymphe erfolgte. Findet eine Infection der Lymphe statt, so ist nicht zu leugnen, dass der dyskratische Keim , das Ferment, zu­nächst in der Flüssigkeit seinen Sitz hat, der primitive Beginn der Krankheit also in der Lymphe, und nicht in den Drüsen, zu suchen ist, und dass die Letztern erst durch die Lymphe zum Krankheits-process erregt werden. Aehnlich verhält es sich bei der Infection des Blutes; dieses muss den Infectionsstoff entweder direct bei der Ernäh­rung, oder indirect durch die Lymphgefässe den Drüsen zuführen, dann erst entwickelt sich die Scrophulose und aus dieser die Form des Rotzes. Wollen wir aber weiter auf die spontane Entwickelung der Scropheln zurückgehen, so können wir selbst da nicht annehmen, dass die Krankheit primitiv ihren Sitz in den Mesenterialdrüsen hat, denn zunächst muss die Verdauung alterirt sein, dies hat zur Folge, dass die Nahrungssäfte in fehlerhafter Weise gemischt werden , und indem sie so in die Mesenterialdrüsen übergehen, diese reizen, ist es ihre fehlerhafte Mischung, also ihre Krankheit, durch welche die Drüsen krank gemacht werden. Die Drüsen kommen hier also erst in dritter Reihe heran, und mit ihrem Erkranken ist natürlich erst die Scrophulose ausgebildet, während doch die dyskratische Entmischung schon zuvor im Chylus ihren Anfang gemacht hatte. Ursprünglich haben wir es hierdurch immer mit einer Localaffection zu thun. Der weitere Krankheitsprocess zur Steigerung bis zum Rotze geht natür-
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lieh nun von den Drüsen ans, die Dyskrasie verpflanzt sich in das Blut, von diesem in die Lungen, demnächst in die Lymphe etc. fort, und indem sie so allgemein wird, zeigt sie sich schliesslieh als scro-phulöser Rotz. Verfolgen wir den genetischen Gang der Krankheit bei einer Eotzinfection der Lymphe, so finden wir den ganz umge­kehrten Weg der Entwickelung: von der inficirten Lymphe aus, die Affection der Lymphdrüsen, von diesen Lymphstasen in den mit jenen Drüsen zusammenhängenden Lymphgefässen, varicose Erweiterungen in den peripherischen Lymphgefassenden und Accumulation von Lymphe, daher Bläschen auf den Schleimhäuten, oder Beulen in den subeutanen Lymphgefässen ; Austreten der Lymphe auf den Schleim­häuten durch Endosmose, daher lymphatischen Ausfluss aus derNase und den Augenwinkeln, oder Bersten jener Bläschen und Beulet}, Bildung von Geschwüren und daher jenen Ausfluss aus derNase und den Hautgeschwüren. Wir haben also den vollständigen scrophulösen Rotz, bevor noch eine Affection der Mesenterialdrüsen und Ver­dauung statt findet, und wir haben es bis dahin immer nur noch mit einem örtlichen Leiden zu thun. — Geht nun aber die Infection weiter von der Lymphe ins Blut über, dann erst werden nachträglich auch die Mesenterialdrüsen einer krankhaften Metamorphose unter­liegen müssen, und diese wirkt schliesslieh auf die Verdauung zurück, so dass diese also nach der Infection zuletzt in den Kreis des Krank-heitsprocesses gezogen wird und damit erst die Allgemeinheit der Dyskrasie geschlossen zu sein seheint.
sect;. 506.
Bei einer primitiven Infection des Blutes dagegen, ist der gene­tische Gang der Krankheit noch ein anderer, in der Regel verwickel-terer, und wir haben die Affectionen, die wir in den vorher betrachteten Fällen in einer gewissen systematischen Reihenfolge auftreten sehen, sehr häufig gleichzeitig. Die Infection , die uns überhaupt ungleich häufiger den Rotz erzeugt, als die andern veranlassenden Ursachen, nach denen er sieh originär entwickelt, wird aber unstreitig in den meisten Fällen zunächst von den Blutgefässen aufgenommen, und darum finden wir den Rotz in den meisten Fällen so complicirt und verwickelt, wir finden ihn selten in reiner Form, wir erkennen ihn darum so selten als reine Scrophulosis und als örtliche Krankheit; wir finden darum mit ihm in den meisten Fällen Lungenaffectionen und Tuberkelbildung verbunden.
sect;. 507.
Die scrophulöse Form des Rotzes ist es vorzugsweise, die mit Tuberkelbildung verbunden ist, die andern Formen sind es weniger, während sie bei jener, wenn nicht eine nothwendige, so doch eine regelmässige Folge des Verlaufs und der Natur der Krankheit ist.
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Wir haben uns über ihr Vorkommen und ihren genetischen Entwicke-lungsgang etc. bereits sect;sect;. 480 bis 485 ausgesprochen und gezeigt, dass sie mit den Geschwüren auf der Nasenschleimhaut sowol, wie mit denen auf der Cutis bei dem scrophulösen Rotze gleichen gene­tischen Ursprungs sind. Dennoch ist der Gegenstand zu interessant, als dass wir auf denselben hier nicht noch einmal zurückkommen sollten. Ueber die Entstehung der Tuberkeln überhaupt, namentlich aber beim Rotze, sind die verschiedenartigsten Theorieen aufgestellt und die mannigfachsten Controversen noch heute im Gange. Im All­gemeinen weiss man sich darüber wol kaum Rechenschaft zu geben, und tappt dabei im Finstern. Man spricht namentlich von einer Tuberculose und sucht diese Diathese in einer eigenthümlichen Säfte­entmischung , aus welcher die Tuberkelbildung hervorgeht, und die, wie die Scrophulose ihren Sitz in der Lymphe, in einem sogenannten Status lymphaticus, den ihrigen im Blute hat. Gründe und Beweise führt man für diese Theorie nicht an, es möchten deren überdem aber auch schwer welche zu finden sein. Wir müssen offen gestehen, dass uns weder eine genügende, mit den thatsächlichen Erscheinungen in Einklang zu bringende Definition, noch mit entscheidenden diagno­stischen Merkmalen versehene Erläuterung über den Begriff einer Tuberculose bekannt ist, noch haben wir einen schlagenden Beweis für die Verschiedenheit der Scrophulose und Tuberculose irgend Ivo gefunden. Eine Tuberculose ist, wenn diese Diathese diejenige Dys-krasie bedeuten soll, aus welcher die Bildung der Tuberkeln hervor­geht, unsers Dafürhaltens ein Unding, da Tuberkeln nicht Krankheit, sondern Product derselben sind. Die Krankheit aber ist die Dyskrasie, und diese ist beim Rotze in der Regel die Scrophulose, eine besondere Tuberkeldyskrasie neben dieser giebt es nicht.*)
sect;. 508.
Die scrophulose Dyskrasie ist aber vorzugsweise zur Tuberkel­bildung geneigt, mehr, wie jede andere, dies sehen wir täglich an Menschen, wie an Pferden. Jene Dyskrasie kann, wie bereits nachge­wiesen, ihren Sitz entweder im Blute, oder in der Lymphe haben, denselben aber immer nur in einem dieser Säfte für sehr kurze Zeit isoliren, denn im Verlauf der Krankheit geht sie jederzeit aus einer Säftemasse in die andere über, und der Sitz derselben findet dann eben sowol im Blute, wie in der Lymphe statt. Wenn also die Scrophulose ihren Sitz bereits im Blute hat, warum will man da noch eine andere Dyskrasie im Blute supponiren, .welche die Tuberkeln bilden soll, wenn man die Tuberkelbildung überhaupt aus dem Blute hervor­gehen lassen will ? Reicht etwa die Scrophulose nicht dazu aus ? Es ist in
*) Man sehe meine Impfversuche 1, 2 und 3.
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der That kein Grund vorhanden, da noch eine besondere Blutdyskrasie annehmen zu wollen. Eine Blutdyskrasie haben wir allerdings, indess ist dies die Serophulose. Ist aber diese die Ursache der Tuberkel­entwickelung oder ist es die dyskratische Entmischung der Lymphe! Dies ist eine Frage die wir noch zu lösen haben.
sect;. 509.
Wir haben es beim Rotz, namentlich dessen scrophulöser Form, wie wir gesehen haben, in der Regel mit Tuberkeln in den Lungen, als eine die Krankheit fast constant begleitende Erscheinung zu thun. Die Tuberkeln aber, welche hier vorkommen, sind zweierlei Art und hiernach wesentlich von einander verschieden. Dies muss uns dahin führen, dass auch ihr genetischer Ursprung, wie der Process ihrer Bildung, wesentlich verschieden sei, und dies ist in der That so. Wir haben die Miliartuberkeln (Lyraphtuberkeln) und die andern gewöhn­lichen Tuberkeln (Bluttuberkeln). Bald finden wir beim Rotz, be­sonders der scrophulösenForm, jene, bald diese, bald beide zusammen ; um häufigsten finden wir nur jene, die fast ein constanter Begleiter dieser Krankheit sind, am seltensten diese allein, häufiger beide ver­einigt.
sect;. 510.
Die Miliartuberkeln sind kleine, selten über hanfkorngrosse, girau- oder milchweiss seheinende, harte Knötchen, die man mehren-theils auf der Oberfläche der Lungen, unter der Pleura derselben, findet und die sich sehr oft vollkommen hart und selbst scharf anfühlen. Seltener finden sie sich in der Lungensubstanz, aber auch in den Lymphgefassen des Adergeflechts und der Blutleiter werden sie bei vielen rotzigen Pferden angetroffen. Sie besetzen oft nur einen Theil der Lunge, dicht, oder zerstreut, zuweilen liegen sie dünn verstreut unter der ganzen Lungenpleura, zuweilen haben sie dieselbe dicht besetzt und sind in einer wahren Unzahl vorhanden, wodurch die Lunge beim Ueberstreichen mit der Hand sich wie ein Reibeisen an­fühlt. Beim Einschnitt knistern sie unter dem Messer. Sie stören die eigentliche Lungenfunction unmerklich, reizen selten zum Husten und sind in sich völlig abgeschlossene, eingekapselte, todte Körper­chen, die aus einem fest fibrösen Balge und einem mineralischen In­halte , ohne Beimischung eines organischen Stoffs, zu bestehen scheinen.
sect;#9632; 511.
Diese Tuberkeln entstehen nur in den Lymphgefassen bei der scroplmlösen Dyskrasie und durch dieselbe, durch Stagnation der Lymphe in den Lymphgefassen, als Folge einer Lymphstase in den varicös ausgedehnten peripherischen Enden (den Anfängen) der Ge-fässe. Indem die hier stagnirte Lymphe durch Endosmose sich verdickt,
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krystallisirt der mineralische Stoß' heraus, während der organische resorbirt wird. Gleichzeitig schnürt sich der varicös ausgedehnte Theil des Lymphgefässes ab, verengt sich und verdickt und verdichtet seine Wände in entsprechendem Maasse, welche schliesslich den kry-stallinischen Mineralstoff als Inhalt eng umschliessen und mit ihm ge­meinschaftlich den Miliartuberkel bilden (s. 18. und 19. Fall). Da diese Gebilde sehr klein sind, so kann ihr Entwickelungsprocess das Werk von wenigen Stunden sein. Sie verdichten und verhärten sich aber immer mehr, und je älter sie werden, desto härter werden sie, desto mehr aber schrumpfen sie auch zusammen. Die Callusmasse die sich während des Entwickelungsprocesses bildet, ist kein Product der dyskratischen Lymphe, sondern des ernährenden Blutes und sie gehört nicht zu dem kernigen Inhalte, sondern zu der Kapsel des Afterge­bildes. Die Miliar-oder Lymphtuberkeln haben kein Stadium in dem sie zerfallen, sie v er härten im Gegen-t,heil immer mehr, indem ihr Inneres sich verkalkt und ihre Kapsel vollständig ossificirt.
sect;• 512.
Die gewöhnlichen Bluttuberkeln sind zwar auch in der Regel ein Product der scrophulösen Dyskrasie, doch mögen sie auch noch bei andern dyskratischen Zuständen entstehen können ; hierüber walten noch mancherlei Zweifel und Controversen ob, und fehlen noch die ausreichenden Beobachtungen, Untersuchungen und Erfahrungen, welche die eigentliche Thatsache feststellen können. Sie gehen aber stets aus dem Blute hervor und sind Folge dyskratischer Entmischung desselben, sie finden sich oft beim scropliulösenRotze, aber nicht so oft wie die Miliartuberkeln ; jene nicht, aber diese können da sein, ohne Rotzdyskrasie, Rotz aber kann vorhanden sein, wie wir auch oben gezeigt haben, ohne Anwesenheit einer von diesen Tuberkel-arten. Miliartuberkeln sind stets das Product scrophulöser Dyskrasie. — Jene Tuberkeln sind wahrhafte Producte, erzeugt durch organische Action aus dem dyskratischen Blute, sie' sind wirkliche Gebilde, die Miliartuberkeln dagegen sind Reste, Rückstände aus der scrophulösen Lymphe, sie sind Bildungen, entstanden durch gezwungene Passivität der Lymphgefässe.
sect;. 513.
Die Bluttuberkeln sind Gebilde, welche alle Grade der Grosse von dem Umfange einer Linse, bis zu dem einer Wallnuss und mehr durchlaufen. Sie haben mehrentheils eine rundliche Form , die aber selten regelmässig ist, sind nicht hart aber fest, und zeigen beim Durchschnitt mehrentheils ein knisterndes Geräusch, je nachdem ihr Inhalt mehr trocken ist; ihre Farbe ist schmutzig gelblich oder bräun­lich , bald heller, bald dunkler. Ihr Inhalt ist eine ins schmutzig
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dunkel Orange übergehende amorphe Masse, die ein kerniges Gefüge hat und von einer teigigen , steif schmierigen , seifigen Substanz zu­sammengehalten wird. Woraus diese Masse besteht, das haben uns die chemischen Analysen noch näher nachzuweisen.*) Eine Form und Zellenbildung habe ich durch die genauesten mikroskopischen Untersuchungen nicht entdecken können. Der Balg besteht aus einer massig festen, faserigen Haut von verdicktem Zellgewebe. Diese Tuberkeln haben ihren Sitz in der Substanz der Lungen, im inter-lobularen Zellgewebe. Auch im Innern der verhärteten Lymphdrüsen findet man in der Regel solche Tuberkelsubstanz in kleinen Portionen niedergelegt; diesen fehlt aber immer der Balg, welcher die Lungen­tuberkeln umschliesst. Sie sind mitunter in sehr grosserZahl, in allen möglichen Grossen, vorhanden, zuweilen nur in einzelnen kleinen oder auch grössern Exemplaren, man fühlt sie in der Regel beim Unter­streichen der Lungen unter den Fingern. Je nach ihrer Zahl und Grosse, stören sie mehr oder weniger die Lungenfünction und reizen zum Husten, der trocken, heiser pfeifend ist. Sie wachsen bis zu einer gewissen Zeit oder Grosse, stehen dann still und verfallen schliesslieh allmählig, d. h. jene seifige organische Masse geht in Verflüssigung über. Wenn sie bis dahin kaum einen etwas süsslichen Geruch hatte, so wird sie nun von penetrant stechendem Gestank. In den Blutleitern und dem Adergeflecht kommen diese Tuberkeln nicht vor. — Die Bluttnberkeln haben alle ein Stadium, in welchem sie inErweichung, d. h. in Verfall,Au flösung, Verflüssigung übergehen, wodurch sie sich wesent­lich von den Lymphtuberkeln unterscheiden.
sect;. 514. Es giebt somit hiernach zwei Arten von Tuberkeln, die wesent­lich verschieden sind, wir könnten sie Lymph- und Bluttuberkeln nennen. Beide kommen bei dem scrophulösen Rotz als Folgen der serophulösen Dyskrasie, entweder in getrennten Fällen, oder gemein­schaftlich vor, ohne dass eine andere besondere Dyskrasie. die man Tuberculose zu nennen beliebt, vorhanden ist. Die Genesis der Miliartuberkeln finden wir analog mic der der scrophulösen Geschwüre, und was die Entwickelung dieser betrifft, so haben wir unsere Ansicht, die mit der von Loiset übereinstimmt, schon vor mehreren Jahren, nachdem wir den sub 1 mitgetheilten Krankheitsfall beobachtet hatten, und noch ehe wir die Loisetsche Ansicht kannten, berichtigt. Ueber die Entstehung der andern Tuberkeln enthalten wir uns vorläufig noch jedes Urtheils, und hat zur Aufklärung ihrer Natur zunächst die
*) Dessen Grundlage ist vielleicht, wie es scheint, basisch phosphorsaurer Kalk und die bindende Substanz ist ,eine durch das alkalische Pi'incip des dys-kratischen Blutes verseifte, organische Masse.
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Chemie ihre Pflicht zu thun. *) Gehen wir aber noch weiter auf den Sitz und die Bestandtheile der Tuberkeln und der Rotzgesehwiire ein, so drängt sich uns der Gedanke auf, dass auch die Temperatur bei ihrer Genese eine Rolle spielt; denn Lungen, Nasenschleimhaut und Cutis sind diejenigen Organe, welche am meisten mit der atmosphä­rischen Luft in Berührung kommen, und so ist es nicht unwahrschein­lich, dass die Kälte derselben Lymph- und Blutstasen und Nieder­schläge des Tuberkelstoffs auf denselben begünstigt.
sect;. 515.
Die Verschiedenheit der Erscheinungen, der Entwickelung, des Verlaufs, der Destructionen, der Dauer etc. ist, wie wir bereits wis­sen, bei der scrophulösen Dyskrasie ausserordentlich gross, und sie ist es auch in Beziehung auf die Art und Zahl der Tuberkeln. Da­rum wird diese Krankheit so häufig verkannt und verwechselt, darum hat man noch einen Unterschied zwischen Scrophulose und Tuber-culose machen zu müssen geglaubt. Diese unendlich vielen, und oft grossen Verschiedenheiten, liegen einerseits in dem Unterschied der Intensität und Ausdehnung der Dyskrasie, die sich wieder nach der Constitution und Ernährung, nach den quantitativen Verhältnissen und den Qualitäten der Säfte der erkrankten Individuen, aber auch nach den krankmachenden Ursachen und, bevor wir es mit einer-all-gemeinen Krankheit zu thun haben, nach dem Sitze derselben, d. h. an welcher Körperstelle, und ob er in der Lymphe oder im Blute oder in beiden Säften zu finden ist, richten; andererseits liegen sie auch in dem sonstigen Gesundheitszustande der mit Scropheln behaf­teten Individuen, in den Nahrungsmitteln, die ihnen verabreicht wer­den, und in den Localitäten, in denen sie leben. Jede Dyskrasie ist daher in jedem Individuum, wenn sie auch im Wesen sich gleich ist, doch in ihrem Verhalten und ihren äussern Erscheinungen eine an­dere und darum können wir scrophulose Zustände haben, die keine Tuberkeln, die deren wenig, die ihrer viele erzeugen, die nur die eine Form derselben, die aber auch beide Formen, und die sie in den ver­schiedensten Grossen erzeugen. Die Dyskrasie ist Entmischung der
*) Was eine Tuberculose sei, darüber sind wir unzweifelhaft weit mehr im Unklaren, als über die Natur der Scrophulose und des Rotzes. Darum muss die Definition Spinola's: „Der Rotz sei eine der Tuberculose ähnliche Krank-lieitquot; — uns zu der Frage veranlassen: was ist denn die Tuberculose? Wir hätten nach obiger Belehrung keine andere, als folgende Antwort: „Die Tuber­kulose ist eine dem Rotze ähnliche Krankheit.quot; — Wir bezweifeln, dass wir da­mit mehr wissen, als bisher. — Die Perlsucht beim Rindvieh könnte man für eine ächte Tuberculose halten, doch wissen wir darum immer noch nicht mehr, und die Natur dieser Krankheit ist uns bisher noch eine vollständige Terra in­cognita. Warum wollen wir die Perlsucht für eine Scrophulose halten? Mit welchem Recht und w eichen Gründen würden wir solche Annahme bestreiten ?
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Säfte, also Aenderung der Bestandtheile, und eben so wenig, wie es zwei Individuen von völliger Gleichheit giebt, und hiernach' schon ihre stofflichen Verhältnisse difFeriren müssen, so giebt es noch weni­ger bei ihnen eine Gleichheit in den qualitativen Mischungsverhält­nissen der Stoffe, bei nosologisch gleichen Dyskrasieen ihrer Säfte, da hiernach die Verhältnisse ihrer Entmischung, und die aus dieser hervorgehenden Bestandtheile, sowol quantitativ wie qualitativ ver­schieden sind, und danach naturgemäss die äussern Erscheinungen der Krankheit sich richten.
sect;. 516. Aus den soeben entwickelten Gründen finden wir bei dem scro-phulösen Rotze, in den meisten Fällen mehr oder weniger Hyper-albuminose undHyperfibrinose im Blute, zuweilen auch eine Plethora der Lymphe, doch häufig finden wir dies Alles nicht, zuweilen aber auch nur Eins oder das Andere. Dies liegt naturgemäss eben sowol in dem Alter, wie in dem Ernährungszustande und den Nahrungs­mitteln der erkrankten Individuen, und es muss jedenfalls in denPro-ducten, dem Character, demVerlauf und den Symptomen der Krankheit einen grossen Unterschied geben. Dagegen finden wir aber in die­ser Krankheit allemal ein Plus der weissen und ein Minus der rothen Blutkörperchen im Blute, daher kommt denn auch mehrentheils die Missfarbe der Schleimhäute und der Torpor, welche mit dieser Krank-lieit verbunden sind. Es scheint, als ob der durch das Athmen in die Lungen dringende Sauerstoff eine andere Verwendung, als zur Köthung des Blutes finde; vielleicht verliert er sich mehr in der Oxy­dation des alkalischen Princips, von welchem jede allgemeine Scro-phulose mehr oder weniger bedeutenden und intensiven Ueberschuss darbietet, und mit welchem nicht nur alle Säfte, sondern auch alle Secrete und Auswurfsstoffe, sowie alle Producte der Krankheit in prävalirender Weise imprägnirt sind*).
*) Es ist in der That eine eigenthümliche Erscheinung, dass bei dem facti-schen Vorhandensein der angegebenen, so einfach und leicht zu ermittelnden Prävalenz eines basischen Ueberschusses bei allen scrophulüsen Dyskrasieen, dennoch bei vielenSchriftstellern, und selbst den neuern, die Rede ist, von : „saurer Gährung, sauren Uebersehüssen, saurer Beschaffenheit etc.quot; der Verdauung, oder dieser oder jener Säfte. So finden wir noch von Spinola a. a. 0. diese wenig durchdachte, und practisch nicht bewährte Theorie aufgestellt. — Es wäre interessant, zu erfahren, wer den Chylus untersucht, und jene Eigenschaften gefunden hat, und wie sie ermittelt worden sind. Wir können in der That bezeugen, dass wir bei jeder Scrophulosis das Gegentheil von „sauerquot;, und in den meisten Fällen auch von „faserstoffarmquot; finden. Reizlos (wie Spinola sagt), d.h. nicht reizbar, aber ist jede Flüssigkeit im thierischen Organismus, da keine derselben Nerven hat, mithin auch der Chylus nicht. Dagegen kann er aber reizend oder indifferent sein, letzteres kann aber nicht sein, sobald er sauer ist, denn Säure reizt, mithin müsste auch der Chylus um so reizender sein, je saurer er wäre.
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sect;. 517.
Der scrophulöse Rotz ist eine Krankheit von ganz auffallenden Eigenschaften, die sich eben sowol in Beziehung auf ihre Entste­hungsweise, wie auf ihre Entwickelung, ihren Verlauf, Dauer, die Symptome, auf das Contaginm etc. beziehen. Sie entsteht durch fehlerhafte Diät, Uebernährung und schlechte Ernährung, durch den Genuss von Schimmelpilzen in Speisen, Luft und Wasser (s. 16ter Fall), sie entsteht aus Metastasen und MetaSchematismen, ebenso nach Resorption gewisser Krankheitsproducte und schlechter Stoffe; sie erzeugt sich durch Uebertragung des Ansteckungsstoffes von einem Individuum auf das andere, sie vererbt sich von den Eltern-thieren auf die Descendenten etc. Der scrophulöse Rotz entwickelt sich oft unmerklich unter den unscheinbarsten Zufällen, ebenso oft aber auch, umgekehrt, findet seine Entwickelung unter sehr auffallen­den Erscheinungen statt. In der Regel geht im erstem Falle die Entwickelung sehr langsam von statten, im letztern um so schneller, doch tritt zuweilen eine Metamorphose ein , indem beide Entwicke-lungsformen wol die Rolle in sofern wechseln, als die erstere plötz­lich einen rapiden Gang nimmt, und ihr höchstes Stadium, selbst bis zur Entmischung sämmtlicher Säfte und bis zum Tode, in kurzer Zeit erreicht (s. 8ter und 9ter Fall), während die letztere in einem gewissen mittlern Stadium der Krankheit plötzlich stille steht, und nun Monate und Jahre lang in diesem Stadium verharrt, scheinbar geheilt wird oder vergeht, wieder aber zum Vorschein kommt, und endlich, oft erst nach mehreren Jahren, falls nicht eine radicale Hei­lung inzwischen eingetreten ist, im langsamen AVege der dyskrati-schen Auflösung mit dem Tode in der einen oder andern Weise endet (s. 15ter und 17ter Fall). In gleicher Weise variirt dann auch der Verlauf und die Dauer der Krankheit, wie wir gesehen haben. Es ist einleuchtend, dass schon bei solchen Eigenschaften, auch eine Menge Verschiedenheiten in Rücksicht auf die Symptome bei dieser Krankheitsform sieh herausstellen müssen, wie sie denn in der That auch vorkommen, wie dies später bei der Diagnose sich herausstellen wird, und in Beziehung auf die Contagiosität selbst zeigen sich eine so grosse Menge von Variationen und Abstufungen in dieser Krank­heitsform, dass auch hiernach oft Zweifel auftauchen müssen, ob wir es mit der Rotzkrankheit zu thun haben, oder nicht. — Das Conta­ginm kann sicher ansteckend auf jede Weise sein, und die heftigsten Reactionen hervorrufen, gleichviel bei welcher Temperatur und auf welche Gebilde dasselbe übertragen wird, ob auf die Cutis oder die Schleimhaut, ob in den Magen oder die Lungen, ob direct ins Blut oder in die Lymphe etc., und es kann solche Tenacität besitzen, dass die damit imprägnirten Säfte und andern Stoffe, getrocknet oder nach
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Monaten, selbst nach Jahr und Tag, noch ihre volle Wirksamkeit be­sitzen (2ter Fall). Das Contagium kann aber auch sehr milde und nicht von so sicherer Ansteekungsfähigkeit sein, wie dies so mannig­fache Impfversuche erweisen, wo es dann immer prädisponirter Indi­viduen zur Ansteckung bedarf. Es verliert seine Wirksamkeit schon, nachdem es kurze Zeit der Luft exponirt, oder nachdem die damit imprägnirten Stoffe einfach an der Luft getrocknet worden sind. Es zeigt sich nur wirksam, wenn es direct ins Blut, oder gar nur in die Lymphe geimpft wird: in etwas weiter gehenden Fällen ist es wol noch wirksam, wenn es unmittelbar auf die Schleimhaut einwirkt, ist aber ohne Einfluss, auf die Cutis und in den Magen gebracht. Das Contagium erreicht selbst in der Beziehung eine Verschiedenheit, als es, obwol in der Regel fixer Natur, selbst unter Umständen eing flüchtige Beschaffenheit annimmt (s. 2ter und 3ter Fall).
sect;. 518.
Unter solchen Verhältnissen hat es natürlich seine grossen Schwierigkeiten, die scrophulöse Rotzkrankheit zu erkennen, und sie in allen Fällen diagnostisch richtig festzustellen, um demgemäss die erforderlichen Schritte gegen sie zu orgreifen. Diese Schwierigkeit ist denn auch die Ursache , weshalb sie von Thierärzten , wie von Laien so häufig verkannt wird, und einer Verwechselung unterliegt, wodurch sie zum Herde eines Contagiums omporwuchert, das in im­mer weiter gehenden Radien verheerend um sich greift, und den Wohlstand ganzer Kreise, Provinzen, ja Länder, gefährdet, resp. ruinirt. Denken wir hier nur an die Beispiele, welche uns Frank­reich, Belgien, Mecklenburg, Ungarn etc. gegeben haben, und man sieht den hier mitgetheilten 2ten, 3ten, 13ten und 23ten Fall.
sect;. 519.
Bevor wir daher an die Beurtheilung der Rotzkrankheit heran­treten, muss jeder sich über den Begriff der letztern recht klar zu werden suchen, und sich bewusst werden, was jener Begriff bedeutet, und welche Folgen damit verknüpft oder möglicher Weise davon ab­hängig sein können. In Beziehung auf die vorliegende Form hat jeder sich zunächst die Frage zu beantworten : Ist die Krankheit, welche durch Infection des erwiesen reinen Scropheleiters aus Scro-phelgeschwüren des Menschen bei Pferden erzeugt wird, die Rotz­krankheit oder nicht? — Und wenn, wie es nach den von mir ge­machten Impfversuchen nur geschehen kann, diese Frage bejaht werden muss, ist es dann noch gerechtfertigt, dass wir die Krank­heit, welche wir beim Menschen Scropheln nennen, beim Pferde einfach mit dem Namen Rotz bezeichnen, und müssen wir diese Form des Rotzes zum Unterschiede von andern, nicht wenigstens den scro-
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phulösen Rotz nennen? — Die Scrophelkrankheit des Mensehen, welehe beim Pferde den Rotz erzeugt, könnte man sie bei jenem nicht mit demselben Rechte Rotz nennen, wie bei diesem? Wir nennen die Scrophelkrankheit des Pferdes, sobald bei derselben Geschwüre auf der Nasenschleimhaut vorhanden sind, „Rotzquot;; fehlen die Ge­schwüre, so scheuen wir uns, sieRotz zu nennen, oder glauben, diese Benennung nicht rechtfertigen und begründen zu können. Warum ?
—nbsp; nbsp;weil wir für die wissenschaftliche Diagnose der Rotzkrankheit keine andern entscheidenden und bestimmenden Criterien zu besitzen und finden zu können glauben, als jene Geschwüre!quot; Armselige Wissenschaft, die sich an ein so zufällig vorhandenes, oder nicht vor­handenes Symptom klammern muss, um die Existenz oder Nicht-existenz einer Krankheit zu constatiren, ein Symptom, welches für jeden Laien eben so erkennbar ist, wie für den Sachverständigen , zu dessen Erkennung und Beurtheilung es eben so wenig besonderer, practischer Routine, wie wissenschaftlich technischer Kenntnisse be­darf; traurige Praxis und Gesetzgebung aber, die von solcher Wis­senschaft und Technik abhängig ist, und von ihrer Entscheidung die gerichtlichen und sanitätspolizeilichen Maassnahmen abhängig machen muss! —#9632; Scropheln des Menschen, die, auf Pferde geimpft, Rotz er­zeugen, könnte man Rotz nennen, wie man eine Form des Pferde­rotzes, Scropheln nennen könnte. Scropheln beim Pferde, die Jaljre lang unscheinbar und auf einem Stadium stehen bleiben, sollen sie blos darum nicht Rotz genannt werden , weil sie ohne Geschwüre bestehen, gleichwol aber auf andere Pferde übertragen, den florissan-ten Rotz mit Geschwüren erzeugen, wie dies im 17ten und 4ten Falle (s. diese) erzählt worden ist ? — Will man denn die Krankheit nicht Rotz nennen, deshalb, weil keine sogenannten Rotzgeschwüre auf der Nasenschleimhaut oder auf der Cutis vorhanden oder zu ermitteln sind, obgleich sie sich als unheilbar erweist und Jahre lang besteht, ohne sich zu ändern, obgleich sie, auf andere Pferde übertragen, so­fort mit Geschwüren der gedachten Art auftritt? — Dagegen soll die Krankheit, mit dergleichen Geschwüren, Rotz genannt werden, wenn sie auch plötzlich entstanden ist, oder doch in kurzer Zeit sich ent­wickelte, und selbst vollkommen heilbar ist, blos weil Geschwüre nachzuweisen sind, wie in dem sub 15 mitgetheilten Falle (s. diesen)?
—nbsp; Und sollen dann nach solchen technischen Ermittelungen und dia­gnostischen Festsetzungen die gerichtlichen Erkenntnisse abgefasst, und die sanitätspolizeilichen Maassregeln in Aus.führung gebracht werden ? — Wir müssen die Beantwortung dieser wichtigen Fragen, die oft tief in das Eigenthum undquot;quot;Recht des Einzelnen, wie der Ge­meinde etc. greifen, die oft in Mark und Bein der Betheiligten drin­gen, allen Technikern, Richtern und Verwaltungsbehörden überlas­sen ; wir müssen nach gewissenhafter Erwägung und Beantwortung
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derselben ihnen wiederum die Frage stellen: ob sie ferner noch damit einverstanden sein können, dass in technischer Beziehung Laien, blose Routiniers und junge unerfahrene, oft ganz unwissende Thier-iirzte etc. über diese Krankheit zu entscheiden haben ?
sect;. 520.
Der Rotz ist vorhanden, ob die Existenz von sogenannten Rotz­geschwüren in der Nase und von Tuberkeln nachzuweisen ist, oder nicht, wenn sich kalte, unschmerzhafte, mehr oder weniger grosse, elastisch verhärtete, sich wie Kautschuk anfühlende, in der Regel in sin rundliches Conglomerat gleichmässig verschmolzene Lymphdrüsen im Kehlgange oder an einem andern Körpertheile finden ; wenn aus der Nase ein Ausflnss eines copiösen, pathischen Secrets, zunächst einer dyskratischen Lymphe, im spätem Verlauf der Krankheit ver­bunden mit dem pathischen Secret krankhaft gereizter, resp. verän­derter Respirationsschleimhäute, vorhanden ist, welcher eine bräun­lich-gelbliche, zuweilen schmutzig-weissgelbliche, zuweilen ins Grün­liche schillernde Farbe besitzt, klar und durchsichtig, oder getrübt und nur durchscheinend, zuweilen aber auch von schmutziggrauer, erdiger Farbe und dann ganz getrübt und undurchsichtig ist, zuweilen ist er von röthlich-brauner Farbe, und mehr oder weniger mit Blutstreifen untermischt und undurchsichtig. Immer hat der Ausflnss eine con-sistente Beschafienheit und Neigung, sich einzudicken, und sowol äusserlich an den Nasenrändern, wie auf der Schneiderschen Haut zu elastischen, lederartigen Krusten einzutrocknen, diese sind dann ent­weder durchscheinend, klar, oder trübe, oder auch undurchsichtig, und haben eine den Tinten des flüssigen Secrets entsprechend nüancirte, aber etwas intensivere Färbung. In der Regel hat der Ausflnss eine homogene Beschaffenheit, zuweilen aber erscheint er auch getrennt, und zwar in einen gelblich-bräunlichen, und einen wasserhellen, dem flüssigen Eiweiss ähnlichen, consistenten', mehr oder weniger in einander übergehenden, und sich durchdringenden Bestandtheil; er ist dann von heterogener Consistenz, und in der Regel mehr oder weniger vollständig durchsichtig und klar; zuweilen ist er aber auch zusammengesetzt aus einem gelblichen , resp. bräunlichen , consisten­ten, mehr oder weniger durchscheinenden Stoff, in welchem milch-weissliche Streifen oder Klumpen, dem geronnenen Eiweiss ähnlich, sich befinden, und ist zuweilen jener, zuweilen dieser Stoff' in über­wiegender Menge vorhanden; zuweilen ist jener gelbliche, resp. bräunliche Stoff mit einem in Consistenz und Homogenität gleich­artigen, schmutziggrauon, erdfarbigen , zuweilen mit braunröthlichen und Blutstreifen untermischt. Dieses abfliessende Secret hat immer einen widerlich süsslichen Geruch, und nur in den Fällen, in welchen
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es jene schmntziggraue, erdfarbige Beschaffenheit hat, ist der Geruch zuweilen penetrant stinkend.
sect;. 5^1.
Der Rotz (Wurm genannt) ist ferner vorhanden , gleichviel ob die Existenz von sogenannten Rotzgesehwüren in der Nase, von Tu­berkeln irgend welcher Art, oder in irgend welchem Organe, oder verhärtete oder nicht verhärtete Schwellungen von Lymphdrüsen nachzuweisen ist, oder nicht, wenn unter, resp. in der Cutis sich strangförmige, harte oder fluetuirende Schwellungen der Lymphge-fässe finden, auf denen fluetuirende Beulen entstehen, welche auf­brechen, sich zu eigenthümlichen Scrophelgeschwiiren gestalten, aus denen ein lymphatisches Secret von consistent homogenerBeschaffen-heit und gelblich-bräunlicher, mehr oder weniger intensiver Färbung, klar und durchsichtig, seltener getrübt, hervorsickert, das sich zu bernsteiufarbigen Krusten verdickt, die umstehenden Haare verklebt, resp. sie und die Epidermis verätzt etc.
sect;. 522.
Der Rotz ist als soldier nur dann vorhanden, wenn jenes Secret, welches aus der Nase, wie das, welches aus den Hautgeschwüren hervortritt, eine scharf basische Beschaffenheit hat, d. h. dass es alkalisch rcagirt, indem es geröthetes Lacmuspapier blau, und Ctir-cumapapier braun färbt, und dass es die Eigenschaft der Contagien besitzt, d. h. dass es, auf andere Pferde übertragen, dem Wesen nach dieselbe Krankheit, von der es erzeugt wurde, wenn auch nicht immer in derselben Form, hervorruft.
sect;. 523.
Noch ist beim s er op hu 1 Öse n Rotz ein vom Verfasser ent­decktes, neues, aber wichtiges, und wie es scheint, nur bei dieser Form vorkommendes, und eben so characteristisches, wie bestimmen­des und entscheidendes Moment und Erkennungszeicnen in Betracht zu ziehen, daher wir demselben von jetzt ab unsere besondere Auf­merksamkeit werden zuwenden müssen; es ist die Anwesenheit von Schimmelpilzen in den pathischen Secreten und Effluvien der Krank­heit, welche uns das Microscop vorführt, daher es wichtig ist, in Beziehung auf die Ermittelung der Schimmelpilze bei Feststellung der Rotzkrankheit, in allen schwierigen und unzweifelhaften Fällen die mikroskopische Untersuchung eintreten zu lassen. Sobald wir diese Schimmelpilze, die auch noch, worauf wir später specieller wer­den zurückkommen müssen, in andern Producten und erkrankten Organen des erkrankten Organismus bei der Section aufzusuchen und zu finden sind, in den gedachten Effluvien entdecken, so dürfte
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dies nicht nur ein Criterium für die Existenz des Rotzes überhaupt sein, sondern es ist jedenfalls das entscheidendste Kennzeichen für die scrophulöse Natur der Krankheit.
sect;. 524.
Diese Schimmelpilze finden sich auch in derselben Weise, wie in jenem Ausfluss, in den Säften der erkrankten und degenerirten Lymphdrüsen, in der Lymphe selbst, in den Säften der vergrösserten Mesenterialdrüsen, in den Tuberkeln, falls solche vorhanden sind,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; '!
vor, und sie sind sicher in vielen, vielleicht in allen Fällen, als die wesentlichste Ursache der Krankheit zu betrachten. Wir sind zu diesem Schluss vollständig berechtigt, weil wir durch Schimmel be­liebig die Scrophelkrankheit hervorrufen, und sie zum höchsten Sta­dium steigern können. Die Schimmelpilze sind indess nicht in allen Scrophelföllen in gleichem Maasse und in gleicher Ausbreitung vor­handen, und es scheint dies gewissermaassen von dem Stadium der Krankheit und von der Natur derselben und der Individuen abhängig zu sein. Bei jungen, und namentlich vollsäftigen Thieren, also bei Plethora undPhlegma, erzeugen sich jene Schimmelpilze häufiger und wuchern leichter , als bei andern ; gleichwol finden sie sich auch bei ganz alten Thieren, setzen aber immer Vollsäf'tigkeit und Phlegma voraus. Die Schimmelpilze erzeugen sich im Organismus nicht spon­tan, sondern sie gelangen von Aussen in den Organismus, und dazu giebt es mehrfache Wlaquo;ge und Veranlassungen, die wir später nach­weisen werden. Dass sie , einmal in den Organismus gelangt, bei Disposition desselben sich in demselben selbstständig vermehren, und dass mit ihrer Vermehrung die Krankheit in entsprechender Weise an Umfang und Intensität gewinnt, ist sehr wahrscheinlich.
sect;• 525.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; .
Der scrophulöse Rotz ist immer ein höheres Stadium der Scro­phelkrankheit, daher ist die Scrophelkrankheit nicht immer Rotz, sie kann lange bestehen, ohne sich als Rotz zu manifestiren oder in den-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i
selben auszuarten, sie kann bestehen ohne je zum Rotze zu steigen, sie kann verschwinden, ohne Rotz gewesen zu sein. Sie wird aber dann zum Rotz, wenn jene eigenthümliche Lymphdrüsenverhärtung eintritt, und jener eigenthümliche Ausfluss aus der Nase sich zeigt, oder wenn auf der Cutis jene Lymphgefassentzündungen und Schwel­lungen mit den gedachten offenen, secernirenden Geschwüren ent­stehen und jener Ausfluss und dieses Geschwürssecret die angegebene, basische Beschaffenheit und alkalische Schärfe, zugleich aber auch die wesentliche Eigenschaft der Contagiosität annimmt. Das Vor­handensein der Schimmelpilze entscheidet keineswegs das Stadium der Krankheit, sondern nur die Natur derselben, es zeigt uns mithin
Erdt, Rolzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;19
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nicht an, dass die Krankheit zum Rotze ausgeartet ist, sondern nur, dass sie die scrophulöse Natur besitzt.
sect;. 526.
Die Dauer und der Verlauf der Krankheit bilden noch ein we­sentliches Moment bei Beurtheilung des scrophulösen Rotzes. Wenn schon an sich die Scrophelkrankheit immer von langer Dauer ist und stets einen langsamen, chronischen, schleichenden Verlauf nimmt, so finden wir dasselbe auch dann noch bei der Krankheit, wenn sie das Stadium des Rotzes erreicht hat. Der reine scrophulöse Rotz nimmt mithin immer einen langsamen, schleichenden Verlauf, und dieser wird nur in den Fällen rapid und acut, wenn die Krankheit aufhört, ihren rein scrophulösen Character zu bewahren, wenn sie in eine nervöse, septische, putride Form übergeht. Die Dauer und der Verlauf der Scrophelkrankheit ist somit bei Beurtheilung des Krank­heitszustandes immerhin von einer gewissen Wichtigkeit. Bei langer Dauer und langsamem Verlauf, unter den gedachten, die Rotzkrank­heit characterisirenden Symptomen, gewinnen wir an Sicherheit, dass wir es mit dem Stadium der Krankheit zu thun haben, welches wir Rotz nennen, wenn wir überhaupt nicht aus den vorhandenen, be­gleitenden Symptomen diejenigen Criterien erkennen zu können glau­ben, welche den Rotz characterisiren. Es ist mithin immer wich­tig , in zweifelhaften Fällen die Dauer und den Verlauf der Krank­heit zur Beurtheilung derselben zu Hülfe zu nehmen.
sect;. 527.
Da der scrophulöse Rotz nur als ein gewisses Stadium einer bestimmten Krankheit zu betrachten ist, einer Krankheit, die beim Pferdegeschlecht ausserordentlich häufig auftritt, so hat es in vielen Fällen seine grossen Schwierigkeiten , die Grenze der Krankheit fest­zustellen, wo jenes Stadium, das wir Rotz nennen, eintritt, es fehlen uns hier oft die bestimmten und entscheidenden Criterien. Dennoch ist es von nicht geringer Bedeutung, diese Grenze möglichst präcis festzustellen, weil beim Rotz in polizeilicher, wie gerichtlicher Be­ziehung ein ganz anderes Einschreiten stattfinden muss, ganz andere Gesetze Platz greifen, als bei einem früheren Stadium der Krankheit. Sind jene Symptome, deren wir gedacht haben, ohne Geschwüre auf der Nasenschleimhaut, oder auf derCutis, gemeinschaftlich und über­einstimmend vorhanden, dann halten wir die Krankheit gewöhnlich noch nicht für Rotz, weil es uns schwer wird, aus dem Complex jener Symptome und dem Character derselben, das Stadium Rotz zu constatiren, und es gehört in der That viel Praxis und Erfahrung dazu, in solchen Fällen in seinem Urtheil ganz sicher und bestimmt sein zu können. Täuscht man sich in seiner Diagnose, so liegt dies
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weniger in dem mangelhaften Ausdruck der Krankheit, als im Mangel an Praxis und Erfahrung.
sect;. 528. Bei derjenigen Varietät, bei welcher die Scrophelgeschwüre iiusserlich auf der Haut angetroffen werden, ist eine Täuschung nicht möglich, denn es genügen jene Geschwüre, ohne die Anw.esenheit jedes andern Symptoms, vollständig, um den Rotz zu erkennen und festzustellen. Wo aber blos jene Drüsenverhärtungen und jener Ausfluss aus der Nase vorhanden sind, da erwachen oft die gewich-tigsten Zweifel über dasjenige Stadium der Krankheit, welches man gerade vor sich hat, und um auch hier ein sicheres Kennzeichen für das Stadium der Krankheit, in welchem wir sie Rotz nennen, zu ha­ben, so verleugnet die quot;Wissenschaft ihren Standpunct, indem die Organe derselben fordern, dass die sogenannten Rotzgeschwüre auf der Nasenschleimhaut vorhanden sein müssen, bevor die Krankheit für Rotz erkannt werden kann. Da nun aber die Rotz - und Scro­phelgeschwüre in vielen Fällen des wirklich ausgebildeten Rotzsta­diums der Krankheit gänzlich fehlen, da sie nicht in allen Fällen, wo sie vorhanden sind, am lebenden Thiere ermittelt werden können, indem sie einen Sitz haben, welcher jeder Untersuchung unzugäng­lich ist, so kann man, insofern man an den Nachweis der Geschwüre gebunden ist, die Krankheit nicht constatiren, und den über sie er­wachenden Zweifeln und Täuschungen nicht entgehen, wenn man nicht zu einem anderweiten Criterium gelangt, durch welches man in den Stand gesetzt ist, das Rotzstadium der Krankheit festzustellen, ohne Nachweis der Geschwüre. Da man bisher über diesen Berg nicht hinwegkommen zu können glaubte, so hat man darin ein Aus­kunftsmittel zu finden geglaubt, dass man ein Zwischenstadium in dem Verlauf der Scrophelkrankheit schuf, welches man das der ver­dächtigen, der bösartigen Druse, der Rotzverdächtigkeit, nennt.
sect;. 529.
Die verdächtige Druse wird sonach als dasjenige Stadium der Krankheit angenommen, wobei sich Anschwellungen und Verhärtun­gen der Lymphdrüsen und Ausfluss aus der Nase, wie diese Erschei­nungen sect;. 520 bis 523 beschrieben sind, ohne Geschwüre vorfinden. Es ist dies eine durchaus unwissenschaftliche Aushülfe und Hinter-thür, die wir in keinem Falle, wie dies bereits sect;. 503 dargethan ist, gut heissen können. — Denn da sich in häufigen Fällen bei dieser Krankheit die Geschwüre gar nicht zeigen, in dem einen Falle, ihres Sitzes wegen, nicht entdeckt werden können, in dem anderen gar nicht vorhanden sind, die Krankheit Jahre lang, ja das ganze Leben hindurch, bestehen kann, ohne dass jene Geschwüre nachgewiesen
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werden können, so würde solche Verdächtigkeit immer fortbestehen können, ohne dass die Wissenschaft zu einem entscheidenden und bestimmten Resultat gelangen könnte, und ein gesetzliches Einschrei­ten, sowie eine sanitätspolizeiliche Sicherstellung statthaft wäre, wenn sie nicht andere sichere Criterien hätte, nach denen sie das Rotz-stadium der Krankheit sicher und bestimmt feststellen kann.
sect;. 530.
Neben der eigenthümlichen Lymphdrüsen - Anschwellung im Kehlgange, ist es also bei der S crop h elk rankheit vorzugsweise der eigenthümliehe, lymphatische Character des Ausflusses aus der Nase, mit seiner basisch-caustischen und contagiösen Eigenschaft und sei­nem Gehalt an Schimmelpilzen, wodurch das Stadium des Rotzes sich bestimmt und entschieden characterisirt, und lassen dessenunge­achtet jene Erscheinungen noch Zweifel an dem Vorhandensein dieses Stadiums aufkommen, oder sind jene Erscheinungen nicht bestimmt zu ermitteln, oder können sie aus Mangel an wissenschaftlicher Kenntniss und Routine nicht erkannt werden, dann eben giebt es noch ein Hülfsmittel in der Dauer und dem Verlauf der Krankheit, durch welches jenes Stadium sich bestimmt feststellen lässt. Wenn unter jenen Erscheinungen die Krankheit länger als sechs Wochen dauert, wenn in dieser Zeit, ungeachtet rationell-therapeutischer und diätetischer Behandlung die mehrgedachten Symptome nicht schwin­den oder an Intensität verlieren, wenn sie gar noch zunehmen, dann ist sicher und unzweifelhaft das Stadium des Rotzes vorhanden , in­dem zu jenen Kennzeichen desselben noch das der Unheilbarkeit der Krankheit tritt, die zwar nicht in allen Fällen angenommen werden kann, immer aber, wenn sie nachgewiesen wird, als ein entscheidendes Criterium angesehen werden muss. Also die lange Dauer, der chro­nische Verlauf und die Unheilbarkeit der Krankheit geben noch sichere Erkennungszeichen für das Vorhandensein des Rotzstadiums der Scrophelkrankheit., und mit ihrer Ermittelung kann der Uebel-stand des Ausspruchs einer blossen Verdächtigkeit der Krankheit und der grenzenlosen Verlängerung der Aufrechthaltung dieses Aus­spruchs , sowie die daraus erwachsenden mannigfachen Nachtheile und Gefahren vermieden werden .
sect;. 531.
Sind indess bei der Scrophelkrankheit die scrophulösen Ge­schwüre auf der Nasenscheimhaut vorhanden, dann können wir aller­dings nicht länger daran zweifeln, dass wir das Stadium des Rotzes vor uns haben, und somit sind sie immerhin ein sicheres Criterium zur Beurtheilung der Krankheit, indess zeigt die Anwesenheit jener Geschwüre keineswegs immer ein höheres Stadium der Krankheit an.
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als wenn sie nicht vorhanden sind, und oft ist in jenem Falle die Krankheit heilbar, im letztern nicht, wie der sub 15 mitgetheilte Fall nachweist. Oft entwickeln und zeigen sich die genannten Ge­schwüre sehr bald nach dem Eintritt der Krankheit, oft entstehen sie erst sehr spät, oft gar nicht, und somit sind sie durchaus kein nothwendiges Attribut des Rotzes, sie sind mithin nur zufällige Er­scheinungen, die von zufälligen Ursachen abhängen; sie charaoterisiren aber bei ihrem Auftreten die scrophulöse Natur der Krankheit, indem sie, als Scrophelgeschwüre, einen eigenthümlichen Character besitzen.
sect;. 532. Der Rotz ist demnach vorhanden, ob damit eine Geschvvärs-bildung auf der Nase verbunden ist, oder nicht; treten die Geschwüre ein, dann haben wir es noch mit einenvNebenzustande , mit einer chirurgischen Krankheit, zu thun und zwar mit der scrophulöseu Ozaena. Es komfnen die Nasengeschwüre aber nicht ausschliesslich bei der Scrophelkrankheit vor, sie treten auch noch in andern Zu-.ständen auf, doch unterscheiden sie sich immer in Form und Character von einander und wir müssen daher den bestimmten Typus der scro­phulöseu Ozaena angeben, der sich von andern Nasengeschwüren unterscheidet.
sect;. 533.
Die Scrophelgeschwüre entstehen auf der Nasenschleimhaut, indem die stagnirende Lymphe in dem peripherischen Ende des Lymphgefässes eine Stase bildet und hier das Epithelium zu einem Bläschen ausdehnt. Dieses letztere platzt, oder es verhärtet, wiewol selten, zu einem Knötchen, Miliartuberkel, der sich von Innen zu auflöst und dann platzt, das zerrissene Epithelium zieht sich in sich zurück, schlägt sich nach innen um und bildet so einen Wulst, welcher kranzförmig, wie ein Wall, das offene Geschwür umgiebt. Dieser Wulst last sich durch eine feine Sonde aufheben und setzt das offene Geschwür sich unter derselben fort, so dass danach das Geschwür um soviel, wie der Wulst beträgt, grosser ist, als dasselbe äusserlich erscheint. Solche Geschwüre entstehen einzeln, oder auch in Gruppen und grösserer Menge gleichzeitig (s. 1. und 26. Fall). Die scrophu­löse Ozaena entsteht nur bei scrophulösen Zuständen; sie ergreift allemal zuerst die Weichgebilde und geht nur successive auf die Knorpel und Knochen über. Es entsteht häufig nur ein Geschwür, von welchem ausgehend dann die Zerstörung weiter um sich greift, eben so oft entstehen mehrere Geschwüre nach einander, aber auch häufig entstehen mehrere Geschwüre gleichzeitig. Entzündung und Geschwulst ist mit den Geschwüren nicht verbunden. Die Ober­fläche des Geschwürs ist uneben , warzig granulös, von anfangs hell-rother Fleischfarbe, später weissgrau, und sickert eine consistente, kleb-
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rige, dunkelgelbliche, zuweilen ins Grünliche schillernde, klar durch­sichtige, im Falle der grünlichen Pigmentation, trübe, undurchsichtige, süsslich riechende, scharf ätzende, basische, Flüssigkeit (Lymphe) ans; welche nach den microscopischen Untersuchungen des Verfassers Schimmelpilze enthält, die, sobald sie in grosser Menge vorhanden sind, jene grünliche Färbung und Undurchsichtigkeit hervorrufen.
sect;. 534.
Das Geschwür kommt am häufigsten bei jungen Pferden, selten im spätesten Alter, in seinem reinen unverfälschten Character vor, bei alten Pferden nur dann, wenn sie ihr Leben hindurch sehr geschont, gut gepflegt worden sind und in gutem Ernährungszustande sich be­finden. Das Scrophelgeschwür entsteht nach und bei Scropheln spontan, aber auch ohne Scropheln, durch Infection ; ferner durch Metastasen und Metaschemacismen. Die Entwicklung eines Conta-giums ist in allen Fällen entschieden, das Secret des Geschwürs hat allemal die contagiöse Natur. Ein Leiden der Lymphdrüsen und Lymphgefässe ist mit der Ozaena scrophulosa jederzeit verbunden,' das Leiden ist in der Regel allgemein, es kann aber auch momentan local sein; es ist immer deutlich erkennbar, es ist der primäre, wäh­rend das Nasengeschwür der secundäre Zustand ist. Das GeschwTür entspringt und entsteht nie in der Tiefe, nie in den Nasenknochen oder Knorpeln; es entspringt und entsteht immer in den Weichge­bilden, also auf der Schleimhaut; es dringt daher nie von Innen nach Aussen, sondern umgekehrt. Es frisst daher in der Regel nach der Peripherie weiter und zerstört zunächst seinen wulstigen Rand, wo­durch dieser flach und zackig und die Fläche des Geschwürs grosser wird. Mit dieser Zerstörung der Schleimmembran wird das Secret trübe und undurchsichti;r und seine Farbe grauweiss. Dringt das Geschwür in die Tiefe, so ergreift die Zerstörung nach der Schleim­haut die spongiösen Knorpel - und Knochengebilde, nie die härtern Theile der Nasenknochen. Daher diese auch nie aufgetrieben er­scheinen können. Sind die Knorpel ergriffen , dann ist die Grund­fläche des Geschwürs schwarzbraun, und das Secret ist trübe und mit gleichfarbigen Streifen oder gleichfarbigen Rudimenten des zer­störten Knorpels vermischt. Sind Knochen ergriffen, dann ist die Grundfläche schmutzig grau, und das Secret hat eine schmutzig graue Erdfarbe und ist undurchsichtig; in beiden letztem Fällen hat es einen fauligen Geruch. Sobald das Scrophelgeschwür beginnt, um sich, oder in die Tiefe zu fressen, so hat es seinen ursprünglichen reinen Character verloren und- unterliegt leicht der Verwechselung mit Nasengeschwüren anderer Krankheitszustände. Der Verlauf der reinen scrophulösen Ozaena ist in der Regel chronisch, er wird acut wenn die Krankheit ihre rein scrophulöse Natur verloren hat. Das
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Mitleiden des Thränencanals, des Thränensackes und der Conjunctiva ist immer nur consecutiv oder secundär. Das Septum der Nase wird von solchen tief fressenden Geschwüren in vielen Fällen vollständig perforirt.
sect;. 535.
Der beim scrophulösen Rotz vorhandene albuminöseUebeischuss im Blute, ist keineswegs eine Folge reichlicherer Ernährung bei dieser Krankheit, oder chemischer Entmischung des Blutes, sondern Folge schlechterer Ernährung, geringeren Stoffwechsels; daher ein Zurück­bleiben des Albumins im Blute, Zunahme an Fett, und Schwinden der organischen Gebilde. Der Ueberschuss jenes Albumins ist die Ursache von Afterbildungen und pathischen Effluvien etc., wie sie bei dieser Krankheit vorkommen. Eine Plethora der Lymphe, wie sie bei dieser Krankheit häufig angenommen wird, findet in der Regei nicht statt.
sect;. 536.
Der scrophulöse Rotz ist unzweifelhaft weit häufiger durch sein Contaginm entstanden und verbreitet, als durch spontone Entwicke-lung bei allgemeinen und gleichartigen Ursachen. Er ist in dieser Beziehung jederzeit die gefährlichste und verderblichste Pferdekrank­heit. Die Eigenschaft der Contagiosität der Krankheit, bei ganz schuldlos scheinenden Symptomen, bei ausserordentlieh langsamem Verlauf, verlarvt und versteckt unter dem normalen Fortgange aller naturgemässen Lebensfunctionen, irreführend und täuschend durch ihren Formen- und Characterreichthum , durch den Wechsel ihrer begleitenden Symptome und entscheidenden Criterien, ist es, welche die Krankheit so verderblich und so verheerend macht. Das Conta­ginm selbst wirkt in der Regel so ungleichmässig, meistens so lang­sam und unsch'einbar, dass die danach entstehenden Krankheiten nur selten für solche gehalten werden , die durch Ansteckung entstanden sind, dass man sie oft erst sehr spät als das erkennt, was sie wirklich sind und dass man die Gefahr erst ahnt oder begreift, wenn die Krankheit schon weit verbreitet ist und grossen Schaden verursacht hat. So erscheint oft der scrophulöse Rotz als ein schleichender Feind in grossen Pferdebeständen und es hat sich nach und nach sein Contagium über solche verbreitet und sie krank gemacht, ohne dass die eigentliche Ursache ermittelt und erkannt wurde; ja die Krankheit verbreitet sich in solcher Weise wol über ganze Gegenden und Länder, bevor die eigentliche Ursache und der Herd derselben entdeckt wird. Freilich kann dies nicht ohne Leichtsinn, Indolenz und Unwissenheit geschehen, indess die Gefahr ist dennoch immer vorhanden und es ist daher wesentlich und nothwendig, dass die Natur der Krankheit und ihres Contagiums erkannt und richtig ge-
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würdigt werde. Oft freilich treten allgemeine und gleichartig wirkende Ursachen hervor, die über ganze Gegenden verbreitet sind, hier auf die Pferdebestände influiren und den scrophulösen Rotz in spontaner Weise gleichzeitig entwickeln.
sect;. 537. Der scrophulöse Rotz erzeugt sich in dieser Weise häufig in Jahren, in denen durch anhaltende Nässe und andere Witterungsein­flüsse Futterverderbniss eintritt, das Futter feucht eingefahren, dann dumpfig, schimmlicht ist und so den Pferden verfüttert wird. Auf diese Weise können ganze Pferdebestände in jene Krankheit verfallen (s. 16. und 24. Fall). Geschieht solches hin und wieder, und es werden nicht die energischsten und durchgreifendsten Maassregeln zur Tilgung der Krankheit in Ausführung gebracht, dann verbreitet sich dieselbe durch ihr Contagium auf dem Wege der Ansteckung in immer weiteren Radien und nimmt schliesslich ganze Gegenden ein, wie dies in vielen Fällen bereits erlebt und nachgewiesen ist, und wie Verf. selbst solches beobachtet hat (s. 3. und 25. Fall).
sect;. 538. Wenn die Krankheit in dieser Weise in einer Gegend verbreitet ist, so lässt sich nicht immer die Ursache derselben und ihrer Ver­breitung ermitteln, und oft beschuldigt man in solchen Fällen, wo allein das Contagium die Veranlassung war, ganz andere schuldlose Einflüsse. Nicht immer erkennt und ermittelt man die Ursache der Verbreitung und lässt sich solche nachweisen, wie in dem sub 3 mit-getheilten Falle. Oft ist ein krank angekauftes , dem Käufer gesund scheinendes Pferd, oder ein solches, dessen Krankheit entweder für ganz unerheblich gehalten wird, oder die in ihrem wahren Character sehr verlarvt ist und nur unter ganz unscheinbaren Symptomen äusserlich sich ausspricht, ein Pferd, welches Jahre lang in einem Stalle unter einem Pferdebestande steht und stets für gesund, oder doch gefahrlos gehalten wird , während es sämmtliche Pferde des Stalles angesteckt hat und sie alle unter den auffallendsten Symptomen des scrophulösen Rotzes erkranken , die ursprüngliche Ursache der Verbreitung dieser Krankheit über ganze Pferdebestände, respective einzelne Gehöfte oder ganze Gegenden. Wir berufen uns hier auf die sub 3, 27 und 28 mitgetheilten Fälle. Oft findet von einem solchen Pferde aus die Verbreitung der Krankheit über den ganzen übrigen Pferdebestand schneller, oft langsamer statt und nicht immer ist die Ursache dieser Erscheinung zu ermitteln, sie liegt wol häufig in dem Zustande der Pferde selbst, in ihrer grössern oder geringern Disposition, aber auch häufig liegt die schnellere Verbreitung in eigenthümlichen Zwischen­trägern , welche die Ansteckung in einen Stalle vermitteln; wie beispielsweise in den sub 3, 16, 27 und 29 mitgetheilten Fällen,
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tragen oft frei in den Ställen umherlaufende Füllen zur schnellem und allgemeinem Verbreitung des scrophulösen Rotzes in den be­treffenden Ställen unzweifelhaft viel bei.
sect;. 539. So nothwendig die Eigenschaft der Contagiosität des scrophulösen Rotzes und das Schwierige, sehr häufig das Unmögliche, seiter Hei­lung ins Auge gefasst und danach in sanitätspolizeilicher Beziehung strenge verfahren werden muss, um die unberechenbaren Gefahren und jedes grössere Unglück zu vermeiden, so hat der Sachverständige, namentlich der amtlich Einschreitende, dennoch die Pflicht, jeden concreten Fall in genaueste Beurtheilung und die Aussenverhältnisse zugleich mit in Betracht zu ziehen, bevor er sein Urtheil ausspricht und den Eintritt der Strenge des Gesetzes veranlasst, denn es kommen Fälle des ausgebildeten scrophulösen Rotzes vor, die heilbar sind, deren Heilung keineswegs so übergrosse Schwierigkeiten macht, in denen der Heil versuch ohne jede Gefahr der Uebertragung der Krank­heit auf andere Pferde wie auf Menschen ausgeführt werden kann, und in denen das Object auch so hohen Werth hat, dass es unter allen Umständen jenes Versuchs lohnt. Ob der concrete Fall ein heilbarer zu sein scheint, oder nicht, ob er den Heilversuch räthlich oder wünschenswerth erscheinen lässt, oder nicht, das wird allerdings jedesmal der Sachverständige zu beurtheilen haben, und wenn er auch in den meisten Fällen die Vergeblichkeit jedes Heilversuchs wird an­erkennen und daher in der Regel davon abrathen müssen, so werden andererseits ihm Fälle vorkommen, wo er die Möglichkeit, ja Wahr­scheinlichkeit der Heilung und die Gefahrlosigkeit des Versuchs durchaus nicht in Abrede stellen kann. Solche Fälle erscheinen in jedem Stadium der Krankheit und in jedem Alter derselben und wir verweisen hier auf die sub 30 und 31 mitgetheilten Fälle, welche auch beweisen , dass die Heilung ohne Arznei, auf blos diätetischem Wege unter Umständen stattfinden kann. (S. 1., 2., 3., 8., 13., 16., 17., 18., 19., 23., 24., 25,, 26., 27., 29., 30. und 31. Fall).
2. Der blennorrhöische Rotz.
sect;. 540.
Diese Form der Rotzkrankheit kommt nach der vorhergehenden am häufigsten vor. Sie tritt ursprünglich als reine Blennorrhöe auf, sie besteht als solche oft lange Zeit. In ihrem weitern Verlauf indesraquo; tritt eine grössere oder geringere anderweite Verderbniss (Ent­mischung) der Säfte ein, und sie wird damit zu einem complicirten Krankheitszustande, indem sie ihre einfache Form verliert und eine unbestimmte Gestalt annimmt. So complicirt sie sich vorzugsweise
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mit lymphatischen Affectionen und nimmt dann, neben dem catarrha-lischen, einen scrophulösen Character an; sie complicirt sich mit septischen Zustünden und nimmt dann einen putriden Character an etc. Die Krankheit quot;bleibt für die Dauer nie eine rein catarrhalische Form, aber auch schon als solche stört sie, je nach ihrer Ausdehnung, mehr oder weniger sehr wichtige Lebensfunctionen, indem sie durch krankhafte Affection und Degeneration der Schleimhäute des Re­spirationssystems den Athmungsprocess und damit die Blutbildung sehr beeinträchtigt, welche wieder, rückwirkend, die Verderbniss der Säfte verursacht. die andererseits auch noch durch Aufsaugung des pathischen Products der Schleimhäute verunreinigt und entmischt werden. Hierdurch werden vorzugsweise die Complicationen und üebergänge in andere Krankheitszustände hervorgerufen. Dieser Complicationen wegen, ist die ursprüngliche Grundform der Krank­heit, am lebenden Thiere namentlich, oft sehr schwierig zu erkennen, und es ist wiederum der Ausfluss aus der Nase, welcher uns hier das entscheidende Criterium liefert. Die Sachverständigen, die eigent­lich Sachverständige nicht sind, helfen sich einfach damit, indem sie constatiren, dass der Rotz vorhanden ist; auf die Bestimmung der Form, die gleichwol wesentlich ist, lassen dieselben sich weiter nicht ein. Die Form aber macht einen bedeutenden Unterschied in Betreff des Verlaufs, der Contagiosität und der Heilbarkeit der Krankheit, wie der anzuwendenden Therapeutik. Es ist daher nothwendig, dass wir in allen Fällen die Grundform - der Krankheit feststellen und es ist dies allein das Verfahren, welches uns der niedern Empirie enthebt und auf den rationellen Standpunct stellt.
sect;• 541.
Der blennorrhöische Rotz hat seinen Sitz vorzugsweise in den Schleimhäuten der Kopf höhlen, d. h. den Nasen - , den Stirn-, den Kiefer-, den Keilbeinhöhlen, den Siebbeinzellen, den Nasenmuscheln, den Luftsäcken, und er erstreckt sich nicht selten bis auf die Schleim­häute des Kehlkopfes, der Luftröhre und der Bronchien. Die Krank­heit entwickelt sich in der Regel aus den einfachsten catarrhalischen Zuständen. Es treten, während solcher, Erhitzungen und Erkältungen ein, sie werden vernachlässigt, fehlerhaft oder schlecht behandelt und der Catarrh wird chronisch. Die Schleimhäute lockern sich auf, die Schleimdrüsen schwellen an, degeneriren sich und sondern einen krankhaft veränderten Schleim in sehr grosser Menge ab, der theils durch die Nase abfliesst, theils aber auch in den genannten Höhlen sich ansammelt, dieselben anfüllt und überfliessend in die Nase tritt und hier abfliesst. Je weiter der Krankheitsprocess vorschreitet, je mehr und intensiver ändert sich die chronische Zusammensetzung, sowie die physische Beschaffenheit des Ausflusses, indem der homogene
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Zustand immer mehr in den heterogenen übergeht und seine alkalische Prävalenz und Schärfe mehr und mehr hervortritt. Durch diese werden die Schleimdrüsen immer mehr erregt und gereizt und zu immer grösserer Ausdehnung, weiterer callöser Verhärtung und ver­mehrter Absonderung veranlasst. Die Schleimhaut- und Epithel­zellen lockern sich immer mehr auf und in gleichem Verhältniss nimmt die Verdickung der Schleimhaut zu. Es bilden sich durch Aufsaugung des pathischen Secrets Drüsen verhärtungen im Kehigange und mit diesen erhält der Ausfluss eine Beimischung von Lymphe, die ihm eine kaustische Eigenschaft giebt. Durch diese alkalische Schärfe des abfliessenden Krankheitsproducts werden die aufgelocker­ten Epithelzellen schliesslich aufgelöst, und wir erhalten Erosionen, angeätzte Stellen auf der Schleimhaut der Nase.
Sobald durch diesen Process dem Ausfluss Epithelzellensubstanz zugefügt wird, so nimmt er auch mit der Zeit Knochenrudimente auf. Die zarten Schleimhäute, welche die innern Theile der Kopf höhlen, und vor Allem die feinen blätterigen porösen Knochentheile derselben, überziehen, lockern sich schwammig auf und verdicken sich ausser-ordentlich; sie saugen sich voll von dem pathischen Schleimdrüsen-secret und von Lymphe, welche Säfte durch sie hindurch in die Poren der Knochen dringen und auch diese anfüllen. Durch längeres Verweilen in denselben erhält jenes Secret eine immer mehr ätzende Schärfe, durch welche sie das Periost zerstört und die Knochentheile necrotisch macht, die sich dann in kleinen Partikeln abblättern und dem pathischen Fluidum beimischen.
In dieser Weise werden die zarten porösen Knochenlamellen und die spongiösen Knochentheile der festern Kopfknochen, wie z. B. die innere Fläche der Nasen - und Stirnbeine, theils zerstört, theils bilden sich auf ihnen, durch den fortwährenden Reiz, Knochen­wucherungen, (Osteophyten), welche die Nasengänge verengen und die Stirnhöhlen etc. anfüllen. Sie und die verdickten Schleimhäute verengen die Luftgänge und stören die Luftcirculation , sie erzeugen damit Athmungsbeschwerden, welche man an einem schnüffelnden, schnarrenden Geräusch in der Nase beim Athmen wahrnimmt.
sect;. 542.
Der blennorhöische Rotz zeigt sich bei Pferden am häufigsten in ihrem Jugendalter, er ist in diesem am ausgedehntesten, intensivsten und gefährlichsten. Bei älteren Pferden tritt die Krankheit bei weitem nicht so häufig auf, erreicht bei ihnen nie jene Ausdehnung und Intensität und ist daher hier auch in der Regel von milderer Form. Die Krankheit unterscheidet sich vom scrophulösen quot;Rotz wesentlich dadurch, dass sie für sich niemals das eigenthümliche Hautgeschwür, welches wir mit der Benennung „Wurmgeschwürquot; bezeichnen, bildet.
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Die Krankheit wird nur in ihren weiter fortgeschrittenen Stadien contagiös, und ist das von ihr erzeugte Contagium immer nur fixer Natur, ohne sich jemals zu einer ätherischen Form gestalten zu können.
sect;. 543.
Diese Krankheit bleibt indess nie rein, sie vergesellschaftet sich immer durch Aufsaugung des pathischen Schleimsecrets, dadurch be­wirkte Verunreinigung der Lymphe und danach entstehenden Reiz und Schwellung der Lymphdrüsen im Kehlgange, mit einer scrophu-lösen Dyskrasie. Sie bleibt mithin keine reine Blennorrhöe. Wir finden daher den blennorrhöisehen Rotz in seinen vorgeschrittenen Stadien nie ohne Schwellung und Verhärtung jener Lymphdrüsen und selten ohne Tuberkelbildungen. Sind diese Letztern nicht vor­handen , so sind wir in der Regel auch nicht geneigt, die Krankheit als Rotz anzuerkennen. Dennoch haben wir es mit einer Krankheits-form zu thun, die uns bestimmte Hauptsymptome der Rotzkrankheit zeigt, zu welchen wir jenen characteristischen Ausfluss aus der Nase, die Drüsengeschwülste, die häufige Unheilbarkeit der Krankheit und ihre oft sehr entschiedene Contagiosität zählen müssen. — Die Krank­heit ist demnach als Rotz ebenfalls ein gewisses Stadium der Blen-norrhinia, complicirt mit einem scrophulösen oder lymphatischen Zustande.
sect;. 544.
Zuweilen sind die Schleimhäute des Kehlkopfs, der Luftröhre und der Bronchien von Hause aus mehr oder weniger mit afficirt, zuweilen tritt eine Affection erst im spätem Verlauf der Krankheit, nachdem sie die höhern Stadien erreicht hat, ein, dadurch, dass die Luft, bei ihrem Durchgange durch die Nase, Partikeln jenes pathischen Secrets mit fortreisst, welche reizend und krankmachend auf jene Schleimhäute wirken. Während die Krankheit vorher ein locales Leiden war, wird sie mit dem weitern Fortschreiten auf jene Schleim­häute zu einem Allgemeinleiden. Je nach dem Umfange und der Intensität dieser Affection sind die Athmungsfunctionen mehr oder weniger gestört und erschwert, und so finden sich in solchen Fällen bald diese, tald jene Erscheinungen, wie asthmatische Zustände, Röcheln, Pfeifen u. dergl., beim Athmen. Diese Verhältnisse wirken naturgemäss auf die Blutbildung zurück und stören den normalen Process derselben.
sect;. 545.
Anschwellungen, Degenerationen der Lymphdrüsen finden sich auch bei dieser Krankheit, sobald sie die Natur des Rotzes annimmt. Sie sind aber jederzeit secundär und erzeugen sich erst dadurch, dass Partikeln des pathischen Schleimhantproducts resorbirt, d. h. von den
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Lymphgefassen aufgenommen, in die Lymphdrüsen übergeführt wer­den und dieselben zur Anschwellung reizen, wonach sie dann ver­härten. Hierdurch erhält die Blennorrhöe eine lymphatische Compli­cation und verliert ihren reinen Character. indem sie theilweise den der Scrophulosis annimmt, mit welchem sich auch die Beschaffenheit des Ausflusses ändert, indem derselbe nunmehr mit einem lympha­tischen Secret vermischt erscheint. Die lymphatischen Drüsenan­schwellungen bei dem blennorrhöischen Rotze, namentlich die des Kehlganges, haben darum in der Regel auch eine andere Form, als bei dem Scrophelrotz, denn sie sind selten so zusammenhängend, so in einander vereinigt und abgerundet, sie haben mehr die flache unregelmässige Form und sind mehr getheilt, treten also in der Regel nicht so hervor, wie beim scrophulösen Rotz.
sect;. 546.
Der Ausfluss bei der reinen Blennorrhöe hat zwar den Character eines rein catarrhalischen Secrets, welches ohne Beimischung von Lymphe ist, ist aber immer ein pathisches Schleimdrüsenproduct. Das­selbe ist von keiner homogenen Beschaffenheit, es ist in der Regel zusammengesetzt aus einem zähen, fadenziehenden, gelatinösen, durch­scheinenden , schmutzig gelbliehen Fluidum , welches periodisch in grösseren , zusammenhängenden Klumpen abiliesst, besonders dann, wenn der Kopf niedrig gehalten wird oder wenn der Patient heftig hustet und prustet. Hierin finden wir immer einen Beweis, dass die Kopfhöhlen, namentlich die Kiefer - und Stirnhöhlen, mit demselben angefüllt nnd daher die auskleidenden Schleimhäute derselben degene-rirt sind. Diese Substanz ist nur dann vorhanden, wenn die Schleim­häute der Kiefer -, Stirn - und Keilbeinhöhlen krankhaft afficirt und mit derselben angefüllt sind.
Dagegen fliesst continuirlich und gleichmässig eine wasserhelle, durchsichtige, wenig, oder etwas mehr milchig getrübte, dünnere, dennoch aber klebrige Flüssigkeit ab, welche mit einer grössern oder geringern Menge klümpriger, flockiger oder fadiger, dem halb ge­ronnenen Eiweiss ähnlicher Schleimpartikeln, von milchig weisser Farbe und undurchsichtig, vermischt ist. Dieser Ausfluss ist immer schon mit dyskratischer Lymphe vermischt und daher von geringer alkalischer Schärfe, er nimmt dann das krankhaft aufgelockerte Epithelium der Nasenschleimhaut stellenweise, besonders auf dem Septum, weg. Er verklebt immer die an den Nasenrändern sitzenden Haare und tröpfelt fast beständig von den Spitzen derselben als eine wasserhelle oder gelbliche Flüssigkeit, durch vermehrte Thränen-feuchtigkeit verdünnt, ab.
Dieser Ausfluss ist das heterogene Gemisch der krankhaft ver­mehrten, respective veränderten, Froducte der krankhaft afficirten, respective degenerirten, Schleimhäute der Nasenhöhlen, der Siebbein-
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zellen, des Siebbeins, der Rachenhöhlen und der Thränendrüsen, gemischt mit einem Antheil dyskratischer Lymphe. Jene milchig weissen, klumpigen Massen in diesem Ausfluss sind vorzugsweise das Product der degenerirten Schleimdrüsen in den gedachten Häuten.
sect;. 547.
Sobald die Lymphgefasse von diesem Secret resorbiren und in Folge dessen die Kehlgangsdrüsen schwellen und verhärten, dann erst vermischt sich mit jenem Ausfluss die Lymphe, die in derselben Weise, wie dies beim scrophulösen Rotze der Fall ist, auf die Ober­fläche der Nasenschleimhaut tritt. Der Ausfluss wird hierdurch nicht nur vermehrt, sondern auch in seiner Beschaffenheit insofern ge­ändert, als er zähflüssiger, klebriger, ätzender wird, eine intensivere alkalische Reaction zeigt und einen etwas gelblichem Farbenton an­nimmt. Diese lymphatische Beimischung ist es namentlich, welche die Schleimhaut anätzt und bei längerer Dauer an den Nasenrändern die Haare und das Epithelium wegnimmt. Erst nachdem diese Lymphe hinzugetreten ist, erhält der Ausfluss eine solche Consistenz, dass er gewöhnlich zu schmutzig grauen, undurchscheinenden Krusten an den Nasenrändern eintrocknet.
Nur zuweilen und in den höhern Stadien der Krankheit ist der Ausfluss mit Partikeln zerstörter Schleimhaut- und Knochensubstanz vermischt, noch seltener aber enthält derselbe blutige Beimischungen. Der Ausfluss hat meistens einen süsslichen Geruch.
sect;. 548.
Der Ausfluss ätzt in vielen Fällen, und in der Regel in den höhern Stadien der Krankheit, stellenweise das Epithelium weg und greift dann auch die unter demselben befindliche Schleimhaut an , so dass diese ein röthliches, blutrünstiges, granulirtes Ansehen annimmt und den deutlichsten Character einer angeätzten, zerfressenen Schleimhaut trägt. So findet man beim blennorrhöischen Rotze häufig auf dem Septum der Nase die Schleimhaut angefressen und in sofern dies ge­schehen ist, sehen wir in diesen angeätzten Stellen die sogenannten Rotzgeschwüre dieser Krankheitsform. Geschwüre sind dies eigent­lich nicht, sie unterscheiden sich von denen des scrophulösen Rotzes dadurch, dass sie nie eine regelmässige Form bilden, noch den soge­nannten Wall, den wulstigen Rand, besitzen. Ihr Rand ist vielmehr jederzeit flach und unregelmässig ausgezackt, sie sind mehr extensiv, als intensiv, wogegen Letzteres mehr die Scrophelgeschwüre zeigen. Ihre Oberfläche sondert zwar laquo;uch Lymphe ab, indess fliesst sie nie in Striemen hervor, wie aus einzelnen geöffneten Lymphgefassen, sondern es findet bei ihnen in der Regel nur ein parenchymatöses Durchsickern der Lymphe statt. Diese sogenannten Geschwüre haben
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ihren Sitz fast immer in der untern Nasenregion auf dem Septum, sodass sie vonAussen leicht zu erkennen sind; sie sind in den meisten Fällen durch äussere Mittel heilbar und hinterlassen nach der Heilung sternförmige Narben. Die blennorrhöischen Geschwüre dringen als solche nie in die Tiefe und greifen daher im reinen Znstande niemals die festharten und harten Gebilde, d. h. Knochen und Knorpel, an. Die blennorrhöischen Geschwüre finden sich zuweilen schon iai An­fange der Krankheit, mehrentheils aber doch erst in den höchsten Stadien derselben.
sect;. 549.
Die raicroscopischen Untersuchungen des Ausflusses beim blen­norrhöischen Rotze ergeben Folgendes: Der homogene durchsichtige, gelatinöse, periodisch in grössern Klumpen abfliessende, zähe, zu­sammenhängende Theil, zeigt sich auch unter dem Microscop wie eine homogene Masse, die aus dicht gedrängten gleichartigen Schleim-kügelchen besteht, welche durch ein zähflüssiges Plasma zusammen­gehalten werden; der übrige Theil des Ausflusses, welcher ununter­brochen und gleichmässig aus der Nase abfliesst und welcher sich in zwei verschiedene Bestandtheile, einen dünnflüssigen, wasserhellen und einen consistenteren, milchweissen, undurchsichtigen, zu spalten scheint, ergiebt unter dem Microscop , dass jener Theil zumeist aus einer wässerigen Flüssigkeit besteht in welcher die Schleimkügelchen vereinzelt oder in einzelnen getrennten Gruppen schwimmen ; der andere Theil dagegen, welcher in Klümpchen, Flöckchen oder Fäd-chen ebenfalls in jenem schwimmt, besteht aus einer amorphen Masse. Sobald aber der Ausfluss mit Lymphe vermischt ist, also im höhern Stadium der Krankheit und dann, wenn sie sich mit der scrophulösen Form complicirt, schwimmen in demselben die eigenthümlichen Lymph- und die weissen Blutkörperchen; sobald man aber auch rothe Blutkörperchen bemerkt, dann ist der Ausfluss immer schon mit Bluttheilen vermischt, und man erhält damit die Gewissheit, dass Geschwüre vorhanden sind, wenngleich sie äusserlich nicht wahr­genommen werden können. Sind bereits Theile der Schleimhaut und Knochen zerstört, so findet man in dem Ausfluss unter dem Microscop Epithel- , Schleimhaut - und Knochenzellen, sowie andere Rudimente der Knochenmasse als amorphe Partikelchen einzeln darin schwimmend.
sect;. 550.
Die Degeneration der Schleimhaut kann mit dem Eintritt der Krankheit und in der ersten Zeit ihres Verlaufs eine solche Gestalt annehmen, d. h. sich so verdicken und verhärten, dass sie für äussere Reize unempfindlich wird und daher keiner Zerstörung oder Auflösung unterliegt. In solchen'Fällen entstehen dann auch keine Geschwüre
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auf der Nasenschleimhaut, und der Ausfluss erhält keine lymphatische Beimischung. In dieser Weise kann der blennorrhöische Eotz Jahre lang gleichmässig fortbestehen, ohnedass eine Veränderung in seinem Verlauf, seinem Character und seinen äusserlich wahrnehmbaren Symptomen bemerkbar wird. (S. 14. Fall). Indess sind dabei immer die Lymphdrüsen des Kehlganges in bekannter Weise degenerirt.
sect;. 551.
Mehr noch, als die Erscheinungen am lebenden Thiere, characte-risiren die pathologischen Veränderungen, welche wir an den Leichen durch die Section ermitteln, diese Form der Krankheit, und wir wollen hier nur diejenigen Erscheinungen hervorheben, welche wir an den Schleimhäuten und den Knochen der Kopfhöhlen in der Regel zu beobachten G-elegenheit haben.
Die Kiefer-, Stirn-, Keilbeinhöhlen und Siebbeinzellen sind in der Regel mit der bereits beschriebenen Schleimmasse mehr oder weniger angefüllt. Dieses pathologische Secret ist indess nicht immer von der beschriebenen Beschaffenheit; es hat zuweilen mehr eine jauchige, wässrige, klumpige Consistenz, ist dann undurchsichtig, von schmutzig grauer Färbung, stinkendem Geruch und reagirt scharf alkalisch. Die sämmtlichen Schleimhäute der Kopfhöhlen, bis in die Luftsäcke, die Rachenhöhle und den Kehlkopf hinein, sind mit solchen oder einem ähnlichen, zähen, dicken, schmierigen, gelatinösen, schmutzig grauweissen Secret belegt. Die Schleimhäute selbst sind verdickt, aufgelockert, oder wie callös indurirt, während das Epithel auf ihnen schwammig aufgelockert ist. Die Schleimdrüsen sind in auffallender Weise vergrössert, sie ragen mit ihren geöffneten Mün­dungen wie warzige Erhabenheiten über die Oberfläche der Schleim­haut hinaus und geben derselben das Ansehen einer blumenkohlartigen Wucherung. Aus ihnen sickert beständig ein klarer, durchsichtiger Schleim hervor, wodurch sie einen glänzenden Schimmer erhalten.
Die Knochen der Kopf höhlen , namentlich deren innere poröse Flächen, sind in der Regel aufgetrieben, spongiös aufgelockert; selbst bedeutende Knochenwucherungen, Osteophytenbildungen, kommen in ihnen vor. Dies betrifft besonders die innere Fläche der Nasen­beine und der Stirnbeine, aber auch zeigt sich dies in vielen Fällen am Siebbein, den Siebbeinzellen , den Nasenmuscheln, dem Keilbein und den inneren Flächen der Vorderkieferknochen. Häufig ist an den bezeichneten Knochentheilen das Periost zerstört und sind Knochen-partieen necrortisch abgeblättert, häufig ist dies aber auch nicht der Fall. Immer aber sind die vorbandenen Knochenporen entweder mit jenem jauchigen Secret, oder mit einer bernsteinfarbigen, völlig durchsichtigen, dicklichen, zähflüssigen, gelatinösen Lymphe an­gefüllt.
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Alle diese Degenerationen und Destruetionen verengen die Luft­gänge und beschweren und beeinträchtigen dadurch den Athmungs-process, so dass sie in vielen Fällen die Ursache eines schnüffelnden, schnarchenden Athmens sind.
sect;. 552.
In den seltensten Fällen ist in diesem Stadium die Krankheit heilbar; die einzige Möglichkeit ihrer Heilung findet nur bei einer localen Behandlung und directen Einwirkung der anzuwendenden entsprechenden Arzneien, also bei Trepanation der erkrankten Knochenhöhlen statt.
Beim blennorrhöisehen Rotze ist die lymphatische Complication in der Regel nur eine locale und bleibt es auch bis ans Ende der Krankheit. Sie erfordert daher auch in den gewöhnlichen Fälleri nur eine örtliche Behandlung. Die Krankheit entwickelt und findet sich eben sowol nur auf einer Seite des Körpers, wie auf beiden zu­gleich. Nur mit seltenen Ausnahmen, und in der Regel erst nach langer Dauer der Krankheit, wird auch sie zuweilen zu einem All­gemeinleiden. — (S. 14., 20., 32. Fall).
3. Der septische Rotz.
sect;. 553.
Der septische Rotz ist eine Form der Krankheit, die niciit allzu selten auftritt. Sie ist ursprünglich eine Entmischung der Säftemassn und hat hauptsächlich ihren Sitz in den Säften der Ernährung , also im Blute und in der Lymphe. Sie ist in der Regel mit Fieber be­gleitet und nimmt in den meisten Fällen einen mehr oder weniger acuten Verlauf. Diese Krankheit hat in der Regel allgemein in-fluirende locale Ursachen, welche entweder im Futter, im Wasser, in den Stalliocalien oder in der Luftbeschaffenheit dieser Localitäten zu suchen sind; sie ist daher mehr, wie die andern Formen der Rotz­krankheit, an die Localität gebunden und erlischt in der Regel nur dann, wenn jene Verhältnisse radical geändert und die krankmachen­den Ursachen beseitigt werden. Es ist dies diejenige Form der Krankheit, welche am häufigsten als eine contagiöse Seuche auftritt, weil sie eben durch gleichartige, auf ganze Pferdestände allgemein influirende Ursachen hervorgerufen und unterhalten wird. Das Con-tagium, welche sie hervorbringt, ist sehr intensiv und scharf, und dasselbe ist eben sowohl als fixer Stoff an die verschiedenen Säfte der erkrankten Thiere gebunden, wie es unter Umständen, nament­lich bei längerem Fortgange der Krankheit unter einem Pferdestande und bei längerem Bestehen derselben in einer Localität, eine flüchtige Beschaffenheit annehmen kann. Diese Eigenschaft befähigt das Con-
Erdl, Rotzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;20
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tagium, die Localitäten, in denen mit der Krankheit behaftete Indivi­duen vorkommen, in jeder Weise zu durchdringen undzuimprägniren, welches dann von gesunden Thieren, die in solchen Localitiiten auf­gestellt werden, aufgenommen wird und sie krank macht.
sect;. 554.
Die Krankheit ergreift am häufigsten die Pferde des jugendlichen, lebenskräftigen Alters, die gutgenährten, vollsäftigen, gut gepflegten Pferde. Sie kommt am häufigsten und ausgebreitesten unter den­jenigen Pferden vor, die in grösserer Zahl vereinigt in geschlossenen Localien enge bei einander leben. Sie ist daher eigentlich die Rotz­krankheit in den Cavallerie- und Depotsställen, in den Gestiitsan-stalten etc., die Form des Rotzes, welche am häufigsten die jungen Remonten der Cavallerie und die jungen Pferde in den Remonte-Depots, die altern Füllen in den Gestüten ergreift. Sie ist daher, und weil sie zugleich ein so intensives, und zuweilen selbst flüchtiges. Contagium bildet, eine der gefährlichsten Pferdekrankheiten ; sie ist um so gefährlicher und bedeutungsvoller, da sie sich nicht nur aus localen, so häufig vorkommenden Ursachen primär und spontan, sondern auch aus andern typhösen und typhös nervösen Krankheiten, wie z. B. aus der Influenza, dem Faulfieber, der Beschälkrankheit etc. secundär entwickelt, da sie so oft einen sehr acuten Verlauf nimmt, durchaus unheilbar ist und sich am leichtesten und sichersten als tödtliche Krankheit auf den Menschen überträgt.
Auch diese Form des Rotzes ändert bei Uebertragungen ihres Contagiums auf Individuen, die unter andern Verhältnissen leben, sehr leicht ihren Character, indem sie in der Regel in den rein scrophulösen (lymphatischen) Rotz übergeht. Aber auch die beiden vorher beschriebenen Rotzformen können den septischen Character annehmen, sobald Ursachen und Verhältnisse einwirken, welche die Sepsis fördern.
sect;. 556.
Auch die septische Form des Rotzes, obwol sie eine Entmischung der Säfte, und namentlich des Blutes, zu ihrer Grundlage hat, concen-trirt ihren Krankheitsprocess, ihre organischen und destructiven Stö­rungen immer auf den Respirationsapparat, und wk finden daher den Sitz der Krankheit entweder im Kopfe, oder in den Lungen, oder in beiden. Sie ergreift die Nase, die verschiedenen Kopf höhlen, den Ra­chen, den Kehlkopf, die Luftröhre und die Lungen, mehr oder weniger einzeln oder auch gemeinschaftlich, und bringt hier ihre destructiven Processe hervor. Sie ergreift eben sowol die Knorpel und Knochen,
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wie die Weichgebilde, riamentlich die Schleimhäute. Sie erzeugt keine bildenden Processe, keine Wucherungen , sondern nur Zer­störungen; nur dann erst, wenn die von ihr zersetzten organischen Ge­bilde oder das durch sie erzeugte pathische Schleimhautsecret resorbirt werden und in die Lymphe übergehen, nimmt die Sepsis die scrophu-löse Complication an, ruft Drüsenanschwellungen und Verhärtungen, wie auch Tuberkelbildungen, hervor, und erst hiermit erscheint die Krankheit als Rotz. Unter sehr acutem Verlaufe und bei spontaner Entwickelung der Krankheit, zeigen sich die lymphatischen Zufälle oft erst mit dem tödtlichen Ausgange als Rotz ; nach Infectionen da­gegen erseheint die Sepsis in der Regel mit dem Beginn der Krank­heit schon unter scrophulöser Complication. Darum finden wir aucl? bei dieser Krankheitsform in der Regel Drüsenanschwellungen und Verhärtungen im Kehlgange und Tuberkeln in den Lungen.
sect;. 557.
Die Krankheit beginnt gewöhnlich mit kaum merklicher Appetitverringerung, wobei das Haar schlechter wird, sich sträubt und seinen Glanz verliert. Es stellen sich Oedeme ein, die in wässrigen oder lymphatischen Ergiessungen in das Zellgewebe be­stehen und vorzugsweise an den Hinterfüssen , am Schlauche oder am Bauche auftreten. Die sichtbaren Schleimhäute lockern sich auf, schwellen, werden feucht und bleich, oder intensiv dunkelroth (bräun­lich , bläulich violett). Zunächst tropft eine wässrige durchsichtige, zuweilen schmutzig grau getrübte , mit wenigem Schleim vermischte Flüssigkeit aus der Nase ab. Es treten periodische Frostschauer ein, der Puls wird klein, leer, weich, zuweilen beschleunigt, zuweilen auch nicht. Jene oedematösen Anschwellungen nehmen an Aus­dehnung zu , die Fieberbewegungen werden häufiger und heftiger, auf den Geschwülsten laufen sträng- oder beulenförmige Erhaben­heiten auf, diese brechen auf und bilden offene, um sich fressende Geschwüre, und wir haben den Rotz in der Gestalt der sogenannten Wurmkrankheit (Hautrotz).
sect;. 558.
Nicht immer entwickelt sich diese letztere Varietät, es werden vielmehr die in das Zellgewebe ausgetretenen Flüssigkeiten theilweise resorbirt und der Krankheitsprocess wirft sich vorzugsweise auf die Lungen. Die Fieberanfälle werden häufiger und heftiger; es stellt sich ein kurzer, trockner, im spätem Verlauf mehr lockerer, röcheln­der, periodisch heftiger Husten, neben Athmungsbeengung, bei auf­geschürztem Leibe und eingefallenen Flanken, ein, es bildet sich ein bösartiger Ausfluss aus der Nase, und sehr häufig, jedoch nicht immer, finden sich Drüsenanschwellungen im Kehlgange, die zuweilen als blose schmerzlose Auflockerungen, zuweilen als schmerzhafte Ent-
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Zündungsgeschwülste, zuweilen als kalte schmerzlose Verhärtungen sich manifestiren. Die Schleimhäute erhalten dahei ein gereiztes Ansehen, eine mehr intensiv dunkelrothe, oder eine bräunliche oder violette Färbung, die der Nase und der Augen lockern sich auf, und die erstem sind mit einem pathischen Secret belegt, während aus den Innern Augenwinkeln ein gleiches Secret abfliesst. Wir haben es in diesem Falle mit der Eotzkrankheit, und zwar mit dem soge­nannten Lungenrotze, zu thun. —
sect;. 559. Aber auch noch eine 3. Varietät dieser Krankheit haben wir in nähern Betracht zu ziehen, es ist dies diejenige, bei welcher sich der destructive Process vorzugsweise auf die Kopf höhlen wirft und con-centrirt. Die Fieberbewegungen sind weniger heftig und häufig, die Schleimhäute der Nase entzünden sich, nehmen entweder eine intensiv hochrothe oder dunkle, bräunliche oder schmutzige Orange-Färbung an, verdicken sich und sondern eine krankhafte, jauchige Flüssigkeit in grosser Menge ab, die aus der Nase fliesst. Mit der Conjunctiva verhält es sich eben so. Die Auflockerung und Verdickung der Nasenschleimhaut beengt den Durchgang der Luft und bewirkt da­durch ein eigenthümliches schnüffelndes Athmungsgeräusch. Mit der Drüsenanschwellung verhält es sich, wie sect;. 558 angegeben. Die Nasenschleimhaut wird angefressen und theilweise bis auf den Knor­pel zerstört, in der Regel findet dies auf dem Septum statt, und es tritt dann der blosse Knorpel, auf welchem sich eine üppige Granu­lation zeigt, hervor und erscheint hier in intensiv hochrother Farbe. Solche angefressene Stellen sind flach. an dem Rande zackig und von unregelmässiger Form und grösserer oder geringerer Ausdehnung. Sie stellen die sogenannten Rotzgeschwüre dar. In diesem Falle haben wir den septischen Nasenrotz vor uns.
sect;. 560. Diese letztern 3 Varietäten des septischen Rotzes kommen eben-sowol für sich, wie auch sehr häufig vereinigt bei ein und demselben Individuum vor. Im weitern Verlauf der Krankheit gehen folgende Veränderungen vor, welche sich theils am lebenden Thiere, theils bei der Section der Leichen finden, respective nachweisen, lassen. Der Patient lässt immer me.hr vom Fressen ab, die periodischen Fieber­schauer verschwinden, und es tritt ein permanentes hectisches Fieber ein, mit welchem schnell fortschreitende Abmagerung erfolgt. Das Athmen wird beengter und beschwerlicher. Jene Oedeme nehmen an Umfang zu, sie sind kalt.nnd hart, jedoch teigig, aber schmerzlos. Die lymphafischen Anschwellungen auf ihnen und die Beulen , so wie die offenen Geschwüre, vermehren und erweitern sich, aus den letztern fliesst die Jauche in verstärktem Maasse und in bösartigerer
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Beschaffenheit, von schärferer und ätzenderer Intensität, um sich fressend und die Haare verklebend, hervor. Die einzelnen Geschwüre laufen in einander und bilden sich zu grössern Geschwürsflächen aus, wobei grossere sphacelöse Hautstücke ausfallen. Auf der Geschwürs­fläche bilden sich Anfangs üppige Granulationen, die später wieder von der ätzenden Schärfe der abfliessenden Jauche zerstört werden, und frisst sich Letztere tiefer in das Zellgewebe ein, womit in der Substanz tiefere Löcher entstehen. Beim Einschneiden in die Ge­schwülste erkennt man, dass sie mehrentheils eine schwärzlich braune, wässrige Jauche enthalten.
sect;. 561. Die Mesenterial - und Bronchialdrüsen schwellen an und ver­härten , sie haben auf der Schnittfläche ein grauweisses, glänzendes Ansehen, ähnlich dem erwärmten Speck, dem sie auch in der Textur gleichen, sie sind saftreich und enthalten eine consistente, klare grau-weisse Lymphe. Unter dem Microscop scheint die Lymphe grössten-theils aus einer amorphen Masse und kleinen Kügelchen, wieSchleim-körperchen, zu bestehen, in welcher weisse Blutkörperchen, gruppen­weise und einzeln, vorhanden sind. Die Drüsensubstanz selbst zeigt nichts Faseriges und Zelliges, sondern erscheint wie eine feinkörnige Masse. Die Mesenterialdrüsen erscheinen grobkörniger, die Körner sind mehr getheilt, die Lymphe ist grauer und dunkler und enthält mehr weisse Blutkörperchen. Auch die Kehlgangsdrüsen, die Drüsen am Kehlkopf, die Schilddrüsen und Leistendrüsen, überhaupt sämmt-liche Lymphdrüsen des Körpers, schwellen an, verhärten und ver­halten sich ähnlich wie jene.
sect;. 562. Die Lungen, so weit sie von der Krankheit ergriffen sind, ver­härten , hepatisiren. Die nicht ergriffenen Theile sind in der Regel erschlafft und blutleer. Es zeigen sich in ihnen die Miliartuberkeln, auch die andern grössern Tuberkeln, welche theils einzeln , theils gruppenweise, theils in grossen Klumpen liegen. Die Miliartuberkeln kommen indess immer nur beim chronischen Verlauf der Krankheit vor, und wenn die Sepsis entweder primär oder secundär, immer aber vorherrschend, mit einer scrophulösen Dyskrasie vergesellschaftet ist. Die Lungensubstanz zwischen den Tuberkelhaufen ist hart, auf der Schnittfläche glasig und braun- oder violettschwarz, sphacelös. Diese sphacelöse hepatisirte Lungensubstanz geht in Verflüssigung, Verjau­chung über, und vermengt sich mit der ebenfalls verflüssigten Tuberkel­masse, die mit jener dunkelbraunen, schmutzig trüben Jauche ein Ge­raenge bildet, indem sie in derselben theils als eine schmutzig hellbraune körnige, festere, und theils als eine dickflüssige, streifige, schmutzig hellbraune Masse enthalten ist. Dieses Jauchegemisch, welches scharf ätzend ist, wirkt zerstörend und auflösend auf die übrige Lungen-
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In.
Substanz, wo es mit derselben in Berührung tritt, zerfrisst die Bron­chialhäute, tritt in die Luftröhrenäste, reizt die Bronchial- und Luftröhrejischleimhaute zur krankhaften Absonderung und, mit dem pathischen Secret dieser vermischt, fliesst es durch die Luftröhre und Nase ab. Zuweilen finden sich auch noch aufgelöste und zerplatzte Tomicae in der erkrankten Lungensubstanz, und ist dann jene Jauche auch noch mit deren Inhalt vermischt. Die Schleimhaut, welche jene Jauche auf dem Wege ihres Abflusses berührt, wird gereizt, in Folge dessen entzündlich geröthet und aufgelockert; theilweise, und namentlich in der Nase, wird sie zerstört, und es entstehen damit offene, mehr oder weniger ausgedehnte Geschwürsflächen, die vor­zugsweise auf dem Septum, und ebensowol in der oberen, wie unteren Region der Nase vorkommen. Da bei solcher Zerstörung der Lungen­substanz auch theilweise die Capillaren der Blutgefässe zerfressen werden, so ist jene abfliessende Jauche nicht selten auch mit mehr oder weniger Blutstriemen vermischt. Der Verlauf dieser Krankheit ist in der Regel mehr oder weniger chronisch, häufig aber ist er auch acut, und in solchen Fällen findet man die Lungen , soweit sie krankhaft ergriffen sind, gangränös, und dann ist der Ausfluss jeder­zeit mit bedeutendem Blutmengen vermischt.
sect;. 563.
Die Schleimhäute der Kopfhohlen , die Anfangs von entzünd­licher Reizung ergriffen werden und eine dunkel hochrothe, intensive Färbung annehmen, dadurch zu einer stärkern und krankhaften Ab­sonderung angereizt und damit immer weiter aufgelockert werden, verfallen ebenfalls in grösserer oder geringerer Ausdehnung in einen sphacelösen Zustand; sie sterben ab und verfallen der gänzlichen Auflösung:, indem sie sich in eine schmutzisr grelbliche, käseartige Masse verwandeln. Der Sphacelus dringt aber weiter in die Tiefe, indem er die tiefer liegenden spongiösen Knochengebilde und Knor­pel ergreift. Dieselben nehmen eine mehr oder weniger intensiv braunrothe, oder violettrothe, bis ins Schwärzliche steigende, brandige Färbung an und erweichen in dieser Gestalt zu einem gleich gefärbten Brei, der dort, wo die Schleimhaut bereits aufgelöst und zur Nase abgeflossen ist, frei liegt, wo dies nicht der Fall, bläulich durch­schimmert. Dies trifft namentlich die knorplige Scheidewand der Art, dass von ihr ganze Stücke ausfallen und dadurch vollständig durchgehende Löcher entstehen, wogegen, wenn die Krankheit vor­zugsweise nur eine Seite ergriffen hat, nicht nur das Periost dieser Seite total zerstört erscheint,.sondern auch die darunter befindliche Knorpelmasse zu einem homogenen Brei bis auf die Knorpelhaut der gegenüberstehenden Seite verwandelt ist. Man findet die Schleim­häute in dieser Weise nicht nur auf dem Septum, sondern auch auf
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den Siebbeinzellen, dem Siebbeine und in den Stirnhöhlen ergriffen, seltener an andern Orten, und sind diejenigen Schleimhäute , welche nicht sphacelös sind, wie die der äussern Naseaseiten, der Muscheln, der Kieferhöhlen, der Rachenhöhlen , der Luftaacke, des Kehlkopfs etc. sehr aufgelockert, verdickt und mit krankhafter Aussonderung stark belegt, mit welcher auch die Kiefer- und Stirnhöhlen, die Muscheln und Siebbeinzellen etc. häufig ganz angefüllt sind. Dieses Secret hat sich dann in eine übelriechende Jauche verwandelt. Die Nasenränder, an denen die Haare gewöhnlich weggeätzt sind, erscheinen ange­schwollen , hart und kalt, wie dies auch die ausgeathmete Luft ist. (S. 21. Fall).
sect;. 564.
Das Brandigwerden der Cutis, der Lungen, der Nasenschleim-liaut, Knochen oder Knorpel und das Ausfallen ganzer Stücke dieser Gebilde, ist in der Regel ein Zeichen des acuten Verlaufs der Krank­heit. In solchen Fällen finden auch immer mehr oder weniger be­deutende Blutungen statt. Der ganze Krankheitsprocess kann auf einer Seite des Körpers vor sich gehen und verlaufen, man findet aber auch zuweilen beide Seiten zugleich und in gleichmässiger Weise ergriffen, doch ist diese Krankheit niemals, wie die beiden vorher­gehenden Formen, local, sondern, weil sie ihren Grund in einer Blut-cntrnischung hat, so ist sie allemal eine allgemeine Krankheit. Die sogenannten Nasengeschwüre beim septischen Rotz erzeugen sich und dringen niemals, wie bei den vorher genannten beiden Formen, von Aussen nach Innen, sondern sie entstehen jederzeit von Innen, daher denn auch die Knorpel und Knochen primitiv ergriffen werden, wäh­rend die Zerstörung der Schleimhaut in der Regel erst eine conse­cutive Folge jener Erkrankung ist. Die einzige Ausnahme findet in dem Falle statt, wenn durch den scharfen A^usfluss die Schleimhaut primär angeätzt wird.
sect;. 565.
Nur im ersten Stadium der Krankheit finden wir dieselbe ohne Drüsenanschwellungen ; diese treten in allen Fällen der Krankheit, im Verlaufe derselben ein, sie sind aber jederzeit consecutiv und er­scheinen bald in grossem, bald in geringerem Umfange. Sie sind bei ihrem Eintritt in der Regel von bedeutendem Umfange, entzündet, gespannt, schmerzhaft, werden kalt, unschmerzhaft, ziehen sich etwas zusammen und verhärten. Häufig sind sie, wie beim scrophulösen Rotz, in einzelne grössere Knoten zusammengeballt, häufig aber auch sind sie mehr getheilt, körnig, vereinzelt. Mit der Anschwellung der Lytnphgefässe und Drüsen nimmt die Krankheit den eigentlichen Character des Rotzes an. Mit dem Eintritt der Drüsenaffectionen ändert sich auch der Ausfluss, indem derselbe noch eine Beimischung
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der krankhaft veränderten Lymphe erhält und dadurch seine Eigen­schaften wesentlich ändert.
sect;. 566. Der Aussfluss beim septischen Rotz ist jederzeit von eigenthüm-licher Beschaffenheit. Er findet ebensowol ans den Augenwinkeln, wie aus der Nase statt, an beiden Seiten, wenn beide Körperseiten gleichzeitig von der Krankheit ergriffen sind, an einer Seite nur, wenn sich die krankhaften Affectionen auf einer Seite concentriren. Der Ausfluss aus den Augenwinkeln ist in der Regel ein homogenes Ge­misch von krankhaft vermehrtem und verändertem Schleim der Con­junctiva und durchgesickerter Lymphe aus den Lymphcapillaren dieser Häute. Er trocknet, wie beim scrophulösen Rotz, in den innern Augenwinkeln zu bernsteinartigen oder grünlichen Krusten an, ver­klebt hier die Haare, und was nicht antrocknet, fliesst unter der Joch­leiste über das Gesicht ab und ätzt hier die Haare weg.
sect;. 567. Der Ansfluss aus der Nase dagegen ist ein sehr heterogenes Gemisch, er besteht zunächst aus dem krankhaft vermehrten und ver­änderten Secret der afficirten Schleimhäute, aus ecchymotischem oder endosmotischem Blute, aus jauchig aufgelöstem Zellgewebe, Lungen-undSchleimhautsubstanz, aus Thränenfeuchtigkeit, krankhafter Lymphe und ausder Jauche von aufgelösten Lungenknoten, in welcher Flüssigkeit Reste zerstörter Lungenpartieen, brandiger, zerstörter Knochen und Knorpel als blutige, schwarzbraune Klümpchen, Reste zerstörter Sehleimhäute als weisslich graue Flocken oder Klümpchen undTuberkelsubstanz als orangefarbene Kömchen oder formlose Massen schwimmen. Diese Jauche, von welcher zuweilen die Stirn- und Kieferhöhlen angefüllt sjnd, hat einen widerlich stinkenden Geruch, sie ist trübe, undurchsichtig und von lichtgrauer, erdiger, schmutziger Farbe, das in ihr enthaltene Blut zeigt sich in matt ziegelrothen ver­schwimmenden Striemen. Diese Flüssigkeit ist die specifisch schwerere, denn beim Abfliessen aus der Nase nimmt sie den Grund ein. Sie fliesst, oft mehr, oft weniger consistent, gleichmässig und langsam ab, trocknet an den Nasenrändern zu grünlich grauen, schmutzig un­durchscheinenden, auch wol bunten Krusten an, verklebt hier die Haare und ätzt sie und die Epidermis weg, und, was nicht antrocknet, fällt in Klumpen oder Flocken ab. Ueber dieses Secret hinweg fliesst noch eine zweite leichtere Flüssigkeit ab, es ist dies die aussickernde Lymphe, vermischt mit der Thränenfeuchtigkeit. Sie ist von gelb­licher, oft ins Bräunliche schillernder Farbe, bernsteinfarbig, klar und durchsichtig. Sie fliesst in gleichmässigem Quantum langsam ab, indem sie sich bis an die äussersten Spitzen der verklebten Haare hinzieht, sich zum Tropfen sammelt und hier in regelmässigem Tempo
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#9632;ibtropft. Der ganze Ausfluss besitzt eine scharf ätzende, basische Beschaffenheit, zuweilen aber, namentlich in acuten Fällen der Krank­heit, beim gangränösen Ausgange derselben, verhält sich der Ausfluss ganz anders , er ist dann mehr jauchiger und dünnflüssig wässriger Natur, und in dieser wässrigen Jauche finden sich öfter consistentere, dunkle und blutige Partieen faulig aufgelöster Substanzmassen, oder Klumpen, Rudimente, brandig abgestossener organischer Substanz aus den Lungen oder aus den Kopf'höhlen, oder es finden sich in ihr grössere Massen extravasirtes, schwarzes, theerflüssiges, bratdiges Blut. Die wässrige Jauche ist von dunkel schwarzbrauner, unreiner Farbe, zuweilen durchscheinend, zuweilen trübe und undurchsichtig.
sect;. 568.
Die Krankheit kommt in dieser acuten Form fast nur bei jungen, kräftig genährten und vollsäftigen Pferden vor, sie nimmt diesen Verlauf häufiger bei edeln Racepferden mit heftigem Temperament, wogegen sie bei alten, magern, kraftlosen, bei gemeinen Pferden von schlaffer Faser, tropidera Habitus und phlegmatischem Temperament mehr den langsamen Verlauf nimmt.
sect;. 569.
Die abfliessende Jauche bei dem septischen Rotze ist allemal ätzend und alkalisch reagirend, bei der acut verlaufenden Varietät ist sie dies aber in weit höherm Grade. Das in ihr vorhandene alka­lische Princip, scheint vorzugsweise die Basis, das Wesen des Con-tagiums zu sein, daher denn auch die Krankheit allemal sicher con-tagiös ist und der Sitz des Contagiums vorzugsweise in dem Ausfluss aus der Nase statt findet.
sect;. 570.
Die microscopischen Untersuchungen des Ausflusses beim sep­tischen Rotze geben, je nach seiner Beschaffenheit, die sich nach dem Character, nach dem Stadium, nach dem Sitze der Krankheit und nach den, durch sie ergriffenen und zerstörten Gebilden richtet, ein sehr verschiedenes Resultat. Beim chronischen Verlauf der Krankheit enthält der eine, schmutzig grau gefärbte Theil des Ausflusses, welcher vorzugsweise ein Product der krankhaft afficirten Schleimhäute ist, eine schleimig gelatinöse, homogene Grundlage, in welcher sich Schleimkügelchen in dicken Massen vorfinden, zwischen diesen findet sich eine graubräunliche, körnige Masse, Tuberkelstoff, welcher auf­gelöst aus den Lungen kommt. Diese Erscheinung beweist schon immer, dass die Krankheit mit einer scrophulösen Dyskrasie verbunden ist und dass sie einen raehrchronischen Verlauf hat. Ist die Krankheit vorzugsweise scrophulös und hat sie lange bestanden, war sie nament­lich primär auf eine scrophulöse Diathese entstanden, dann findet man
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in dem Ausfluss jederzeit mehr oder weniger Schimmelpilze; ausser-dem enthält derselbe noch, neben den farblosen Lymphkörperchen, 'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Zellenrudimente von zerfallenem Epithel, Zellgewebe und Schleim-
hautsubstanz, und zuweilen Rudimente necrotisch zerfallener Knochen und Knorpelsubstanz. Bei etwas mehr acutem Verlauf der Krankheit, wobei sieh röthliche Blutstriemen in jenem Ausfluss finden, sind in diesem die blassröthlichen und farblosen Blutkörperchen erkennbar, welche von einem dunkler rothfarbigen, formlosen Pigment umgeben sind. Findet sich Sphacelus in den Lungen oder in den Kopfhöhlen, so erscheinen die daraus hervorgehenden, unregelmässigen, violett braunen Klümpchen als eine formlose intensiv pigmentirte Masse, die aus zer­fallenem Lungengewebe, Knochen- oder Knorpelsubstanz besteht, in denen wenig zelliges Gewebe zu entdecken ist, die aber ganze Gruppen rother Blutkörperchen enthalten. Ausserdem findet sich dann die sphacelös zerfallene Schleimhaut in dem Ausfluss, welche darin in schmutzig gelblichen Klümpchen enthalten ist, die aus zerfallenen Schleim- und Epithelzellen bestehen, welche eine amorphe körnige Masse bilden, in der viele farblose Blut- oder Lymphkörperchen 1nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; enthalten sind.
Sind die Kehlgangsdrüsen angeschwollen und verhärtet, und es findet dann der gelbliche, durchsichtige Ausfluss noch neben jenem statt, so zeigt das Microscop in diesem den Character der Lymphe, die aus einer homogenen Flüssigkeit besteht, in welcher die Lymph­körperchen in grosser Menge schwimmen. Zuweilen beobachtet man auch Schimmelpilze darin. Aehnlich erscheint das Secret aus den Hautgeschwüren des septischen Rotzes, und, ist bei diesem Sphacelus eingetreten, dann findet man in demselben die Rudimente zerfallener Hautzellen und des Zellgewebes, neben Blutspuren etc.
Beim acutesten Verlaufe der Krankheit und beim gangränösen Ausgange derselben, findet man in jener braunen, wässrigen Brand­jauche keine Spuren zerfallenen Gewebes, noch findet man Lymph­oder Blutkörperchen darin, es zeigt sich nur in Menge ein intensiv dunkel schwarzbraunes, formloses Farbenpigment verschwimmend in jener braun gefärbten Flüssigkeit,
Die sphacelös breiig gewordene schwarzbraune Knorpelmasse enthält in einer Zellensubstanz, welche mit zerflossenem, schwarz­braunem Pigment angefüllt ist, in diesem viele rothe Blutkörperchen haufenweise abgelagert.
sect;. 571.
Die Ursachen des septischen Rotzes müssen wir zunächst in einer septischen Disposition suchen. Die Veranlassung zur Ent-wickelung und zum Ausbruch der Krankheit geben uns vorzugsweise abnorme Nahrungsmittel und Localverhältnisse. Die Disposition be-
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steht in zu grosser Vollsäf'tigkeit bei zu geringer Bewegung und daraus hervorgehenden Säftestockungen bei mangelhafter Ernährung. Sie wird besonders erzeugt durch andauernd auf die Schwächung der Verdauung und der Blutbildung einwirkende Verhältnisse, und so werden diese die Disposition erzeugenden Momente schliesslich auch die Veranlassungen des Ausbruchs der Krankheit. Es sind dies be-jiftnders der Verwesung unterlegene Futterstoffe, in vieler Nässe faulig gewordenes Heu oder sehr späte Grasfütterung im Herbst, der trenuss verdorbener Streu, schlechtes , sehr mineralhaltiges, besonders mit Kalksalzen, Salpeter und dergl. stark geschwängertes Wasses, enge, dunstige, an Luftwechsel Mangel leidende, niedrig gelegene, zu heisse und mit Sumpfluft oder Jauchedunst vielfach angefüllte Ställe und dergl. (S. 10., 11., 12. und 15. Fall).-
sect;. 572.
Die Krankheit ist in äusserst seltenen Fällen heilbar, möglich wäre die Heilung in einem noch nicht besonders vorgeschrittenen Stadium und beim chronischen Verlauf derselben. Bei Neigung zum Uebergange in Sphacelus oder Gangräna und bei acutem Verlauf der Krankheit muss ihre Heilung bisher noch für unmöglich gehalten werden. Sie ist für Menschen eine der gefährlichsten Formen, am gefährlichsten aber beim acuten Verlauf und wenn sie den gangränösen Character annimmt. Sie überträgt sich sehr leicht.
sect;. 573.
Das eigenthümliche dieser, wie der meisten Rotzformen, ist die Eigenschaft, dass, wenn sie sich durch ihr Contagium fortpflanzen , so erzeugen sie bei den inficirten Indididuen zwar jedesmal den Rotz, nicht aber diejenige Form , von der das Contagium producirt worden ist, sondern in der Regel den gewöhnlichen scrophulösen Rotz, wenn nicht die prävalirende Disposition zu der einen oder andern bestimm­ten Form vorhanden ist, oder die bestimmten, jene Formen hervor rufenden Veranlassungen fortdauernd einwirken. So ist auch z. B. der septische Rotz in seinem Fortgange auf dem Wege der Infection bei allen Individuen dieselbe Krankheil, sobald diese mit den zuerst erkrankten Thieren unter gleichen Verhältnissen fortleben, auf sie also gleiche veranlassende Ursachen einwirken, und er hört sehr bald auf, den septischen Character zu behaupten und geht in die scrophulöse Form ganz über, sobald jene Individuen, ohne dass sich bei ihnen eine Prädisposition entwickelt hat, den gedachten Einflüssen entzogen werden, sobald sie in andere Locale und Futterverhältnisse überge­führt werden, oder, auch, wenn das Contagium übertragen wird auf andere Pferde, die überhaupt unter günstigeren, gesunderen Lebens­verhältnissen existiren. Mit den andern Rotzformen verhält es sich
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analog. (S. 2., 7. und 13. Fall). Dies ist die gewöhnlichste und häufigste Art der Umwandlung der Krankheit, und der scrophulöse Rotz entwickelt sich in dieser Weise um so entschiedener und be­stimmter, je mehr Propagationen die Krankheit durchläuft und je entgegengesetzter die Verhältnisse sind, unter denen die später inficir-ten und erkrankten Individuen leben.
Es kann aber auch, obwol dies der bei weitem seltenere Fall ist, der ursprünglich rein scrophulöse Rotz unter Umständen und stetiger Einwirkung von veranlassenden Ursachen nach Infectionen des Scrophelcontagiuras den Metaschematismus in andern Formen machen, und so sehen wir aus dem rein scrophulösen Rotz zuweilen auch die earcinomatöse, wie die septische Form entstehen, welche dann wieder bei weiterer Fortpflanzung unter anderen Umständen in die scrophu­löse Form übergeht. (S. 9. und 15. Fall).
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4. Der earcinomatöse Rotz. sect;• 574.
Diese Form der Krankheit kommt weit seltener vor, als die bisher abgehandelten, sie erscheint immer nur in einzelnen Fällen in ihrer eigenthümlichen Gestalt und pflanzt sich, obwol sie ein sehr bestimm­tes und scharfes Contagium bildet, doch nie als Krebsrotz fortf son­dern wird, je nach Umständen, als septischer, in den meisten Fällen aber, und schliesslich immer, als scrophulöser Rotz übertragen und fortgepflanzt. Der Sitz der Krankheit ist bisher nur an zwei Orten, in den Lungen und in den Kopf höhlen beobachtet worden. Die Krank­heit erscheint plötzlich und vollständig unerwartet, aus ganz unge­nügend bekannten Ursachen, verläuft sehr schnell und allemal tödtlich. Da sie im Ganzen so selten erscheint, so ist ihre Natur, wie die Ur­sachen ihrer Entstehung, noch sehr unvollkommen beobachtet worden, daher über diese Krankheitsform immer noch ein grösseres Dunkel herrscht, wie über die andern Formen.
sect;. 575.
Auch diese Krankheit ergreift in der Regel die Pferde des jugend­lichen Alters, wie sect;. 554, doch erscheint sie eben so oft bei einzeln, wie bei in Gemeinschaft lebenden Pferden, kommt aber unter diesen immer nur in einzelnen Fällen vor und verbreitet sich dann weiter als septischer oder als Scrophelrotz. Sie ist nicht an bestimmte Localien gebunden nnd sie entsteht eben sowol spontan, wie sie sich während des Verlaufs der andern Rotzformen entwickeln kann. Nur mit dem blennorrhöischen Rotze verbunden ist sie bisher nicht beob­achtet worden.
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sect;. 576. Die Krankheit kommt mit, auch ohne Drüsenanschwellungen im Kehlgange vor, sind die Drüsenanschwellungen vorher da, dann geht auch eine lymphatische Dyskrasie vorauf; erscheint sie ohne Drüsen­anschwellungen, dann treten dieselben doch immer in sehr kurzer Zeit nach dem Erscheinen der Krankheit auf, und wir können die Krankheit eigentlich dann erst Rotz nennen, wenn die Drüsenan­schwellungen vorhanden sind. Tuberkeln in den Lungen finden sich in seltenen Fällen bei dieser Krankheit; sind sie vorhanden, so waren sie primär entstanden und der carcinomatöse Zustand erscheint als der consecutive Krankheitsprocess. Immer aber finden sich bei den Sectionen der an dieser Krankheitsform gefallenen Pferde bedeutende Ablagerungen von Tuberkelmasse in den destruirten und zerstörten Lungentheilen. Dass keine wirklichen Tuberkelbildungen vorhergehen, hindert der rapide Verlauf der Krankheit.
sect;. 577.
Die Krankheit beginnt in der Regel ohne jede Fieberaufregung, Athmungsbeschwerde, oder ein sonst äusserlich wahrnehmbares Symptom, ausser leichten , oft wiederkehrenden, trocknen Hustenan­fällen und intensiver Hochröthung der Nasenschleimhäute, wenn sie ihren Sitz in den Lungen hat; mit Auftreibung und intensiv schmutzig-bräunlicher Orangefärbung der Nasenschleimhäute, bei etwas schnüf­felndem Athmen durch die Nase und einem geringen trüben, wässrigen Ausflusse aus derselben, wenn sie ihren Sitz in den Nasen- und den Nebenhöhlen hat. Plötzlich entstehen mehr oder weniger starke venöse Blutungen durch Nase und Maul, die in solcher Bedeutung erscheinen, dass sie in wenigen Minuten mehrere Quart, ja bis zum Eimer voll, betragen und somit wirkliche Blutstürze sind, die sich dann von Zeit zu Zeit, in Zwischenräumen von 2 bis 8 Tagen wiederholen. Diese Blutungen bekunden, dass der Krankheitsprocess in den Lungen vorzugsweise vor sich geht. Finden sie auf- einer Seite statt, so leidet nur eine Lunge, diejenige, auf deren Seite die Blutung stattfindet; treten sie auf beiden Seiten ein, so sind auch beide Lungen afficirt.
Wenn dagegen das Blut in geringerer Menge und langsam, mehr gleichmässig, bald mehr, bald weniger, bald gar nicht abfliesst, und beständig mit jener wässrigen, trüben Jauche, die inzwischen eine bräunliche Farbe angenommen hat, vermischt ist, dann hat der Krank­heitsprocess seinen Sitz in der Nase oder deren Nebenhöhlen.
sect;. 578. Verläuft die Krankheit in den Lungen, dann zeigt sich bald nach dem ersten Blutsturz, oft schon innerhalb 24 Stunden, längstens aber in 5 bis 6 Tagen, ein eigenthümlich zäher, klebriger, scharf ätzender.
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völlig undurchsichtiger, erdfarbig schmutzig grauer, übelriechender Ausfluss, in welchem schmutzig hellbräunliche, auch dunkelschwarz­braune , Klümpchen (Körnchen) enthalten sind. Es ist dieser Aus­fluss das Product der krankhaft degenerirten Bronchialschleimhäute, in welches sich der Inhalt jauchig verflüssigter Lungensubstanz und Tuberkelmasse gemischt hat; die dunkelschwarzbrannen Partikeln sind nicht vollständig verflüssigte, gangränöse Lungensubstanz, welche bei dem Zerfall der Lungen sich losgerissen hat. Dieser Ausfluss reagirt scharf alkalisch. Die Blutungen treten aus zerfressenen grösseren Venenstämmen hervor. Bei den Sectionen findet man in einer, respective in beiden Lungen Krebsgeschwüre, welche oft von bedeutendem Umfange sind, und mitunter wol den vierten Theil der Lungen einnehmen. Diese Krebsgeschwüre sind hart scirrhös, wider­stehen dem Messer und zeigen sich auf der Schnittfläche von gran­bräunlicher Farbe, glänzend und von grobzelligem Bau. Theilweise sind sie in eine graubräunliche breiige Masse erweicht; theilweise in eine schmutzig erdfarbige, übelriechende Jauche, wie sie aus der Nase abfliesst, zerflossen, welche Jauche dann noch ihre Zellen erfüllt, theils aber auch in den Bronchien und Luftröhrenästen enthalten ist. Auch findet man in dem Krebsgeschwür oft grössere Massen des zer­fallenen orangefarbigen Tuberkelstoffs, selten in den Lungen wirkliche Tuberkeln. Auf den Schleimhäuten der Bronchien und Luftröhren­äste , soweit sie mit diesem Geschwür in unmittelbarer Verbindung stehen, findet man öfter leichtblutende spongiöse Wucherungen, (Markschwamm), welche jene Höhlen meistens ganz ausfüllen, zu­weilen dieselben aber auch weit über ihr natürliches Lumen hinaus ausgedehnt haben. Die Lungensubstanz, welche diese Geschwüre zunächst umgiebt, ist in der Regel mehr oder weniger und in grösseren oder geringeren Dimensionen hepatisirt, gangränös und theilweise zu einem schwarzbraunen Brei erweicht. Die Schleimhäute der Bronchien und Luftröhre sind von braungelber oder dunkelbrauner Farbe, sehr aufgelockert, und mit jener Krebsjauche, wie mit einem pathischen Schleimhautsecret, dick belegt.
sect;. 579. Wenn die Krankheit ihren Sitz in der Nase oder deren Neben­höhlen hat, dann findet sich ebenfalls dieser Ausfluss, indess ist der­selbe weniger consistent, mehr wässrig jauchig, nicht so schmutzig grau erdfarbig, nicht so klebrig und übelriechend, sondern mehr durchscheinend, von weisslicher oder bräunlicher Farbe, und in der Regel mit Blutstriemen vermischt, die von Blutungen aus zerfressenen Venen herrühren. Periodisch enthält er Rudimente zerfallener Schleim­haut, welche von weissgelber Farbe sind und als Flocken in der Flüssigkeit schwimmen; immer aber sind aufgelöste Epithel- und Schleimhautzellen darin enthalten , welche vorzugsweise den Ausfluss
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trübe machen. Die Farbe der Schleimhaut, soweit sie als solche sichtbar ist, wird intensiver und erscheint hoch inflammirt, wie sie etwa beim Uebergange in Brand erscheint, nur dass sie einen Schimmer ins Gelbliche zeigt. Das Schnüffeln und die Athmungsbeengung nimmt bedeutend zu, die Ursache davon ist Blut-oder Markschwamm, der auf der Nasenschleimhaut, gewöhnlich auf dem Septum, entstanden ist und so weit nach oben reicht, wie das Auge dringt. Seine Ent­stehung erfolgt fast plötzlich und unerwartet, und er wächst so schnell, dass er in 24 Stunden häufig den ganzen Nasengang verschliesst. Er ist von schmutzig dunkelgelber Farbe und erscheint saftig, daher glänzend, etwa wie frisch geronnenes Plasma des Blutes. Bei dem Vorhandensein des Markschwammes tröpfelt neben dem vorhin be­schriebenen Ausfluss ununterbrochen und in schneller Aufeinander­folge der Tropfen, eine wässrige, braune, häufig mit Blut untermischte Jauche, aus der Nase hervor, wie aus einem voll Wasser gesogenen Schwamm. Der ganze Ausfluss aus der Nase reagirt scharf alkalisch.
sect;. 580.
Bei der Section findet man den Markschwamm oft in grosser Ausdehnung; wenn man ihn beim lebenden Thiere nicht wahrnehmen kann, so sitzt er hoch oben. Gewöhnlich aber reicht er bis in die untere Nasenregion, und in der Regel dringt er bis in die Rachen­höhle an das Gaumensegel hinan und in die Kieferhöhlen hinein und verhindert so im Leben selbst das Schlingen. Er ist ein saftiges, zelliges, schwammiges Gewächs, das sieh vom Septum mit einem Messer leicht abschaben lässt. Es sitzt indess mit seiner Basis nicht auf der Schleimhaut, sondern auf dem Knorpel, dessen Schleimhaut bereits zerstört ist. Die Knorpelsubstanz unter ihm ist in der Regelauch bereits zerstört und breiig aufgelöst bis auf das Periost der entgegen­gesetzten Seite, oder ganz durchlöchert; sie ist von braunschwarzer Farbe. Ist der Markschwamm in beiden Nasenhöhlen, dann ist das Septum jederzeit durchlöchert, soweit der Schwamm reicht. Die Schleimhaut, soweit sie der Markschwamm.nicht bedeckt, ist schmutzig orangebraun, dunkel von dem durchscheinenden, schwarzbraunen Knorpel, sie ist meist sehr aufgelockert, ihres Epithels beraubt und zum Theil weggefressen. Aehnlich verhalten sich die Schleimhäute der übrigen Kopfhöhlen, und die spongiösen Knochenpartien haben theils die Farbe des Knorpels des Septums und sind ihres Periosts beraubt.
Die Krankheit kann, wie in den Lungen, so auch in der Nase, eben so wol auf beiden Seiten vorkommen, wie sie auf eine Seite beschränkt bleiben kann.
sect;. 581.
Mit dem Beginn des näher beschriebenen Ausflusses aus der Nase, treten auch eben so schnell und überraschend Anschwellungen
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der Lymphdrüsen im Kehlgange hinzu , die oft in wenigen Stunden die Grosse einer Mannsfaust erreichen und natürlich heiss, hart und sehr schmerzhaft sind. Mit dem Eintritt dieser Geschwulst verändert sich auch der Ausfluss aus der Nase durch den weitern Hinzutritt der Lymphe in der bei den andern Krankheitsformen mehrfach schon beschriebenen Weise. Auch die Conjunctiva und der Ausfluss aus den Augenwinkeln sind der Art, wie schon oben näher beschrieben.
sect;. 582. Die Entwickelung dieser Krankheitsform kann eben sowol in Folge von Ansteckung durch rotzige Pferde, welche nicht nothwen­diger Weise am carcinomatösen Rotz, sondern an jeder andern Form des Rotzes leiden, statt finden, wie sie sich auch in spontaner Weise erzeugt; so entsteht sie namentlich öfter bei Pferden, die von scro-phulös rotzkranken Patienten angesteckt wurden. Wie sie aber auch entsteht, jedesmal setzt sie eine specifische, allgemeine dyskratische Siifteentmischung, aber auch eine locale Disposition desjenigen Organs, in dem sie zur Entwickelung kommt, voraus.
sect;. 583. Die Krankheit ist ansteckungsfähig, sobald sich Ausfluss aus der Nase einstellt, ob früher schon, ist bisher nicht nachgewiesen. Bei dieser Krankheitsform erzeugt sich sehr leicht und häufig ein flüssiges Contagium, denn in der Regel wird die Lungenausdünstung zu einem solchen. Dasjenige gesunde Pferd , welches das Contagium von der carcinomatösen Rotzform aufnimmt, wird sicher angesteckt, nur er­krankt es allein an dieser Form in den seltenen Fällen, wo die speci­fische Disposition vorhanden ist; in allen andern Fällen entwickelt sich eine andere Rotzform nach der Ansteckung, und zwar gewöhnlich der chronisch verlaufende Scrophelrotz.
sect;. 584. Der ganze Verlauf des carinomatösen Rotzes ist sehr rapid, er findet von seiner Entstehung bis zur vollkommenen Ausbildung inner­halb 3 bis 8 Tagen statt, und der Tod erfolgt in der Regel innerhalb 8 bis 14 Tagen an Erstickung oder allgemeiner Säfteentmischung, und damit aufhörender Ernährung, oder auch an theilweiser Zer­störung der Lungen und Lähmung des nicht zerstörten Lungentheils.
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585.
Das sogenannte Geschwür
bei dieser Rotzform entwickelt sich
nie von Aussen nach Innen zu, sondern stets umgekehrt, es entsteht in der Substanz und frisst sich'durch nach Aussen, wie zugleich in die Tiefe und nach der Peripherie weiter. Es ist jederzeit von bedeuten­dem Substanzverlust begleitet, und wird alle zerstörte Substanz schnell
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in die entsprechende Krebsjauehe verwandelt. Eine inioi-oseopische Untersuchung des Ausflusses bei dieser Krankheit hat de;- Verfasser bisher noch nicht unternehmen können. (S. 7. und 9. Fall.)
5. Der sogenannte Beschälrotz.
sect;. 586.
Es ist nothwendig, dass wir dieser eigenthiimlichen Krankheit einen besondern Platz anweisen und dieselbe, ihrer besondern Eigen-schaften wegen, als eine besondere Form aufführen. Wir haben zwei Varietäten dieser Krankheitsform zu unterscheiden, und zwar diejenige, welche mit eigenthümlichen nervösen und catarrhalisclien Compli-cationen verbunden ist, und diejenige, die dies nicht ist, bei der diese Complicationen fehlen. Leider sind diese Krankheitsvarietäten noch zu wenig und oberflächlich beschrieben worden.
sect;. 587. Die bekannte Beschälkrankheit der Pferde ist jederzeit mit auffallenden nervösen Erscheinungen verbunden, und es entwickeln sich im Verlaufe derselben chronische Affectionen der Ernährung, sowie des Schleimhautsystems mit bösartigen catarrhalischen Aus­flüssen (Blennorrhöen). Diese letzteren werden in steigender Pro­gression bösartiger und entwickeln ein scharfes, alkalisches Princip, sie sind ansteckend und erzeugen, auf andere Pferde übertragen, die­selbe Krankheit, häufig aber auch den Rotz, und zwar die scrophulöse Form desselben. Die Krankheit hat immer einen chronischen Ver­lauf und, bei längerer Dauer derselben, geht jener catarrhalische Zu­stand in den lymphatischen über, und es entwickelt sich aus ihm auf diese Weise der scrophulöse Rotz, mit allen bereits bekannten Attri­buten desselben, abernochbegleitot von den eigenthümlichen nervösen Zufallen und den Affectionen des Sexualsystems und seiner Fnnctlonen, welche die Beschälkrankheit characterisiren. Diese Form delaquo; Rotzes, die immer nur ein fixes Contagium bildet, überträgt sich als solche durch Ansteckung auf andere Pferde. Häufig aber auch erzeugt sie auf diesem Wege nur den einfachen scrophulösen Rotz ohne diejenigen begleitenden Symptome, welche die Beschälkrankheit characterisiren.
sect;. 588. Die gewöhnliche scrophulöse Rotzform überträgt sich durch den Begattungsact auf die Individuen andern Geschlechts, und es werden dann vorzugsweise, und oft ausschliesslich, namentlich in den ersten Stadien der Krankheit, die inflcirten Geschlechtstheile von derselben ergriffen, an welchen sich die vollständige Rotzkrankheit ausbildet, die sich durch catarrhalisch lymphatischen Ausfluss aus den Geni-
Erdt, Rolzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 21
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talien, welcher dem des scrophulösen Rotzes aus der Nase ganz analog ist, und durch die eigenthümlichen scrophulösen Rotzgeschwüre an den Geschlechtstheilen und deren Umgebungen vollständig als scrophulöser Rotz manifestirt. Im Anfange ist diese Krankheit ganz local und lässt sich alsdann durch eine rationelle locale Behandlung leicht heilen; im weitem Verlauf aber wird sie zu einer allgemeinen lymphatischen Dyskrasie mit vorzugsweisem Ergriffensein der Geni­talien, indem die Lymphdrüsen des Kehlganges anschwellen und der vollständige Nasenrotz sich ausbildet, welcher dann in den meisten Fällen unheilbar ist. (S. 5. Fall).
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6. Andere Rotzformen.
sect;. 589.
Es Hessen, sich noch eine grössere Zahl von Rotzformen be­schreiben, indess wurde damit nur eine Wiederholung desjenigen stattfinden, was wir bei der Beschreibung und Darstellung der ver­schiedenen Rotzforraen bisher schon gesagt haben. Es sind daher alle andern Formen dieser Krankheit in die beschriebenen zu verweisen, da sie sämmtlich mehr oder weniger das Wesen dieser Formen haben, resp. annehmen. Es genügt daher, die weiteren Formen, die weniger mit dem Wechsel der Krankheit, als mit ihrer genetischen Entwicke-lung etc. zu thun haben, dem Namen nach aufzuführen. Nur zwei Formen noch dürfen eine besondere Erwähnung in so fern nöthig machen, als es noch nicht feststeht, ob dieselben in der That vor­kommen und wirklich wissenschaftlich beobachtet worden sind; es ist dies der scrobutische und der herpetische Rotz.
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sect;. 590. Wir können nun weiter die Rotzformen eintheilen;
1.nbsp; nbsp;Nach ihrem genetischen Ursprünge als:
a)nbsp; nbsp;metastatischer,
b)nbsp; metaschematischer,
c)nbsp; nbsp;deuteropathischer und
d)nbsp; protopathischer Rotz.
2.nbsp; nbsp;Nach ihren Ursachen als :
a)nbsp; nbsp;originär entstandener,
b)nbsp; nbsp;angeerbter und
c)nbsp; nbsp;durch Ansteckung entstandener Rotz.
3.nbsp; nbsp;Nach ihrem Sitz und ihrer Ausbildung als:
a) idiopathischer,
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b)nbsp; sympathischer,
c)nbsp; localer und
d)nbsp; constitutioneller Rotz.
4.nbsp; nbsp;Nach ihrem Verlauf als:
a)nbsp; nbsp;acuter und
b)nbsp; chronischer Rotz.
5.nbsp; nbsp;Nach den begleitenden Zufällen als:
a)nbsp; nbsp;fieberhafter,
b)nbsp; fieberloser Rotz,
c)nbsp; nbsp;Rotz mit und ohne Tuberkeln und
d)nbsp; Rotz mit und ohne Geschwüre.
Diese Eintheilung hat nur geringen wissenschaftlich theoretischen, keineswegs aber einen practischen Werth , daher wir jede nähere Be­leuchtung dieser Formen übergehen können.
3. Capitel.
Verschiedenheiten des Rotzes des Pferdes und der Syphilis des
Menschen und Anomalieen des scrophnlösen Rotzgeschwürs des
Pferdes und der syphilitischen Ozaena des Menschen.
sect;. 591.
Es ist fast zum allgemeinen Usus geworden, die Kotzkrankheit des Pferdes mit der Syphilis des Menschen nach Wesen und Charac­ter für identisch zu halten, und namentlich ist es das Geschwür des scrophulösen Rotzes, welches man mit dem syphitischen Geschwür des Menschen als synonym betrachtet und daher sehr häutig die Ge­schwüre beim Pferde als venerische Geschwüre bezeichnet. Freilich geschieht dies wol meistens nur von Laien; indess darf nicht in Ab­rede gestellt werden, dass auch sehr wissenschaftliche Autoritäten in diesen Irrthum verfallen sind und denselben als technisches Dogma hinstellen und lehren, dass noch heute viele Sachverständige diesem Irrthume huldigen. Es ist dies in wissenschaftlicher Beziehung jeden­falls ein sehr wesentlicher Irrthum, der in dieser Weise schon viel geschadet hat. Er hat namentlich zu der Ansicht verleitet, dass der Rotz der Pferde mit denselben Curmethoden und Heilmitteln zu be­handeln und zu heilen sei, wie die Syphilis des Menschen, und er hat dadurch nicht nur materielle und Zeitverluste bewirkt, sondern, was weit mehr bedeutet, er hat die Wissenschaft von weiteren Forschungen abgehalten und sie auf falsche Fährten und Irrwege geleitet. Es ist daher Pflicht, diesen Irrthum zu beseitigen.
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sect;. 592.
Beide Krankheiten, die Syphilis sowol, wie die Scrophelkrank-heit, erzeugen ein Contagium , beide Contagien aber sind in ihren Wirkungen und ihrem Verhalten sehr verschieden. Das syphilitische Contagium zeigt sich, von Menschen auf Menschen übertragen, jeder­zeit und bestimmt ansteckend, und bringt jedesmal wieder die be­stimmte syphilitische Krankheit hervor, ohne dass dasselbe eine be­sondere syphilitische Disposition voraussetzt. Es ist dieses Contagium in allen Stadien und Formen der Krankheit vorhanden, auf andere Menschen übertragbar, und erzeugt jederzeit syphilitische Zustände.
Das Contagium der Scrophelkrankheit, von Menschen auf Men­schen übertragen, zeigt sich nicht in allen Fällen ansteckend, ja es ist sogar noch zweifelhaft, ob es überhaupt beim Menschen ansteckend ist, wenigstens setzt es bestimmt jederzeit eine besondere Disposition beim Menschen voraus.
Das Contagium der Syphilis, auf Pferde übertragen, haftet ent­weder gar nicht, oder es erzeugt höchstens ein örtliches unreines Ge­schwür an der Impfstelle, wie jeder andere fremdartige Stoff, nie aber eine der Syphilis auch nur annähernd analoge Krankheit. Da­gegen erzeugt das Contagium der Scropheln des Menschen, auf Pferde tibertragen, selbst ohne dass eine specifische Disposition vorausgesetzt werden muss, jederzeit die Scrophelkrankheit, den scrophulösen Rotz (s. II. Abth. 5. Cap. meine Impfversuche).
Das Rotzcontagium der Pferde aber, auf Menschen tibertragen, ruft bei diesen nie die Syphilis noch dieser Krankheit ähnliche Zu­stände hervor; dagegen erzeugt es jederzeit, ohne dass eine scrophu-löse Disposition vorausgesetzt werden muss , Krankheitsverhältnisse, die unter allen Umständen in das Gebiet der Serophulose gestellt werden müssen.
sect;. 593.
Der serophulose Rotz, als der am meisten vorkommende, und daher Hauptrepräsentant aller Formen dieser Krankheit, in den aber auch die meisten andern Formen bei deren Weiterverbreitung durch Ansteckung übergehen, hat vorzugsweise seinen Sitz in dem Ernäh­rungssystem , in den Lymphgefässen und Lymphdrüsen. In der Lymphe selbst scheint die deletäre Materie, die Materia peccans, sich zu entwickeln, und von hier aus, im Verlaufe der Krankheit, in die andern Säfte überzugehen. Die spontane Entwickelung dieser Krank­heit hat vorzugsweise ihren Grund in anomalen Nahrungs- und Er­nährungsverhältnissen, in fehlerhaftem Stoffwechsel, während die Uebertragung der Krankheit auf andere Thiere vorzugsweise durch das Secret der Rotzgeschwüre, also den Ausfluss aus der Nase,
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vermittelt wird. Die Krankheit ist eine einheimische, nicht von Aussen eingeschleppte.
Der Sitz der Syphilis dagegen ist vorzugsweise in dem Sexual­system des Mensehen, und die Materia peccans scheint vorzugsweise im Blute ihre ursprüngliche Stelle zu finden and erst in weiterer Entwickelung der Krankheit in die andern Säfte überzugehen. Die spontane Entwickelung findet in den gemässigten und kalten Klima-ten wahrscheinlich nicht statt, sie ist daher keine einheimische, sondern eine vom Auslande eingeschleppte Krankheit. Die Fort­pflanzung der Krankheit findet vorzugsweise durch Ansteckung bei geschlechtlicher Vermischung statt.
Die Eotzkrankheit wirft sich vorzugsweise auf die Weichgebilde, und namentlich auf die drüsigen , zelligen und Schleimhautorgane, und beginnt ihre destructiven Processe in denselben vorzugsweise dort, wo sie mit der atmosphärischen Luft in directer Verbindung stehen. Die Syphilis dagegen wirft sich immer zunächst, sobald der deletäre Stoff in die allgemeine Säftemasse übergegangen ist, auf die festharten Gebilde, also auf die Knochen und Knorpel, und zwar auf die spongiösen und platten Knochen, vorzugsweise die des Kopfes, und beginnt ihre destructiven Processe zunächst in diesen.
sect;. 594.
Der Scrophelrotz ergreift in den meisten Fällen die Nase, die Stirn- und Highmorshöhlen, die Rachenhöhle etc., die Syphilis aber auch; jene Krankheit erzeugt Geschwüre mit starker Ulceration, diese auch. Auch die Syphilis erzeugt anderweit, als in den Kopf­höhlen, ulcerirende Geschwüre auf der Cutis, richtet sich dabei aber nicht nach dem Verlauf der Lymphgefässe, und es entstehen jene äussern Geschwüre am häufigsten auf der Haut. Sind dieselben aber in den Kopf höhlen, so erzeugen sie, wie der Rotz, Ausfluss ans der Nase. Der Rotz erzeugt jene äusserlichen Geschwüre, aber nur im Verlaufe der Lymphgefässe und auf diese.n , während die syphiliti­schen Geschwüre, auch äusserlich in der Regel nur in der Nähe von Knochen und Knorpel auftreten.
Die Lymphdrüsen im Kehlgange sind beim Scrophelrotz immer afficirt, bei der Syphilis in der Regel nicht, allenfalls nur in den höchsten Stadien. Das Ergriff'ensein ist aber ein anderes, denn wäh­rend die Syphilis die Drüsensubstanz jauchig zerstört, ihre Masse also vermindert, wird sie bei der Scrophulose durch ein krankhaftes Wach­sen vermehrt und verhärtet. Die Scrophulose ist überhaupt in mehr­facher Beziehung bildend, producirend, die Syphilis nie; diese greift nur zerstörend in jeder Weise in die organische Substanz ein, daher jene auch Tuberkeln erzeugt, die bei dieser nie vorkommen.
Die scrophulose Ozaena des Pferdes nimmt, unter Umständen
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und in einzelnen Fällen, einen sehr acuten Verlauf, die syphilitische niemals, ihr Verlauf ist immer ein langsamer, schleichender, und, während sie diesen Gang auch beim Beginne bewährt, tritt oft jene Ozaena urplötzlich auf. Der syphilitische Zerstörungsprocess ist bei der Ozaena jederzeit mit heftigen Schmerzen in den ergriffenen Ge­bilden verbunden, während bei dem scrophulösen die Schmerzen nur im höchsten Stadium der Krankheit eintreten.
sect;. 595.
Ein weiterer wesentlicher Unterschied beider Krankheiten er-giebt sich nun noch in der Natur und Beschaffenheit der durch sie erzeugten Geschwüre.
Das scrophulöse Geschwür entsteht nur bei scrophulösen Zu­ständen, daher dem scrophulösen Rotzgeschwür des Pferdes allemal eine scrophulöse Dyskrasie, die sich oft nur durch einfache, oft plötz­liche Schwellung und Härte der Lymphdrüsen des Kehlganges mani-festirt, voraufgeht. Das Geschwür ergreift allemal zuerst dieWeich-gebilde und geht nur successive und im weiteren Verlauf auf die Knorpel und Knochen über.
Das syphilitische Geschwür dagegen erscheint ohne jede Drü-senaffection nur nach allgemeiner Lues als secundäres Symptom; es ergreift ursprünglich häufiger die Knochen- und Knorpelgebilde, selte­ner die Weichgebilde zuerst.
sect;. 596.
Das auf der Nasenschleimhaut sowol, wie auf der Cutis ent­stehende Rotzgeschwür (ülcus scrophulosum) hatim frischen Zustande immer den entschieden scrophulösen Character, dieser manifestirt sich darin, dass das Geschwür mit einem wulstigen Rande, Wall, umgeben ist, unter welchem das Geschwür noch fortgeht, so dass man mit der Sonde unter diesen Rand gehen, und denselben von der weiter gehen­den Geschwürsfläche emporheben kann. Die Geschwürsfläche ist daher immer grosser, als sie äusserlich erscheint. Ferner ist der Grund des Geschwüres speckig, d. h. warzig.
Das syphilitische Geschwür (Ulcus syphiliticum) aber hat jeder­zeit den entschiedenen Character der Syphilis, es erscheint ohne jenen Wall, hat in der Regel einen flachen, zackigen Rand, keine grössere Grundfläche, als sie äusserlich sichtbar ist, und einen unebenen, un­reinen Grund, welcher von Snbstanzverlust zeugt.
sect;. 597.
Das Rotzgeschwür tritt nie mit Geschwulst, Entzündung, mit Röthe und Schmerz ein, es erscheint in der Regel plötzlich, ohne alle Vorboten, wogegen das syphilitische Geschwür in der Regel sich
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langsam entwickelt, indem es sehr schmerzhafter Geschwulst, Vorboten vorausschickt.
eine ausgebreitete Entzündung mit bei Rothe und Härte derselben, als
sect;. 598.
Das Eotzgeschwtir kann ohne jede vorhergegangene Infection, also spontan, wie die Scropheln selbst, entstehen; ein mehr oder we­niger allgemein ausgebreitetes Leiden der Lymphgefasse, und beson­ders der Lymphdrüsen, ist mit dem Geschwür jedesmal verbunden, und immer deutlich erkennbar. Dagegen entsteht das syphilitische Geschwür nur durch Infection, das Contagium der Syphilis musg auf das betreffende Individuum übertragen werden, es erzeugt sich in unsern Klimaten nie spontan. Das Voraufgehen eines AUgemein-leidens der Lymphgefasse und Drüsen, sowie der Eintritt eines sol­chen, oder die Begleitung durch dasselbe während des Verlaufes und der Dauer des Geschwürs ist nicht erforderlich, daher auch nicht im­mer, vielmehr nur selten, vorhanden.
sect;. 599.
Das scrophulöse Rotzgeschwür entspringt nie in der Tiefe und kommt aus dieser an die Oberfläche, es entsteht vielmehr immer an der Oberfläche und dringt erst von dieser nach und nach und im weitern Verlauf nach der Tiefe hinein, während es sich, aber in weit grösserem Maassstabe und schneller, nach der Peripherie hin verbrei­tet. Es entspringt daher auch nie aus den härtern Theilen, den Knorpeln und Knochen, und bei seinem Eindringen in die Tiefe be­schränkt es sich auf die Zerstörung der Knorpel und spongiösen Kno-chentheile, ohne die harten Theile der Knochen anzugreifen. Der destructive Process erstreckt sich daher vorzugsweise auf die Schleim­häute. Cariöse Zerstörungen sind mit dem Scrophelgeschwür selten verbunden, der necrotische Process ist hier vorwaltend.
Dagegen entspringt das syphilitische Geschwür fast immer in der Tiefe der Substanz, und frisst sich durch nach Aussen, nur selten findet der umgekehrte Fall, in welchem es auf der Oberfläche ent­steht, und in seinem weitern Verlauf in die Tiefe dringt, statt. Das Geschwür ergreift daher sehr häufig zuerst den festesten Theil der Nasenknochen an deren Wurzelenden. Es gehen eigenthümliche, heftige Schmerzen voran, es zeigen sich Auftreibungen der Knochen, mit der Zeit Fluctuationen, und schliesslich Jaucheergiessungen in Geschwüren, die zuweilen nach Aussen, mehrentheils aber nach In­nen, in die Nase münden. Mit solchen Geschwüren sind immer cariöse und necrotische Zerstörungen der betreffenden Knorpel oder Knochen verbunden. Es entstehen auch anderwärts am Schädel, an Stirn- und Scheitelbeinen, am Sieb-, Keil- und Gaumenbein, an den
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Kieferknochen, den Nasen- und Kehlkopfsknorpeln, und an noch an­dern Körpertheilen dergleichen Auftreibungen und cariöse Zerstörun­gen u. s. w.
sect;. 600.
Das Rotzgeschwür ist in der Regel fast geruchlos, es hat zu­weilen nur einen etwas widerlich-süssen Geruch, indess ist derselbe keineswegs specifisch. Der Verlauf des Geschwüres ist in der Regel chronisch, zuweilen aber auch acut, nie aber so langsam, wie beim syphilitischen Geschwür. Dieses dagegen ist immer von sehr widri­gem, specifischem Gestank, von Leichen- oder Wanzengeruch. Der Verlauf ist immer sehr langsam , in keinem Falle acut. Das Scro-plielgeschwür unterliegt zuweilen einer Naturheilung, das syphilitische nie. Gegen letzteres giebt es specifische Heilmittel, gegen erste-res nicht.
sect;. 601. Aber auch das Secret der Geschwüre, und sonach der Ausfluss aus der Nase, ist von sehr wesentlicher Verschiedenheit. Während aus dem frischen Geschwür des Scrophelrotzes die deletäre , fast ge­ruchlose Lymphe der in dem Geschwüre geöffneten Lymphgeffisse, hervorsickert, ein homogener, consistenter Stofiquot;, von klarer Durch­sichtigkeit und gelblicher Färbung, der seine Eigenschaften erst dann ändert, wenn das Geschwür weitere Fortschritte macht, d. b. orga­nische Stoffe, Schleimhaut, Knorpel und Knochen zerstört, indem es nach der Peripherie sowol, wie nach der Tiefe weiter um sich greift, und dann jene zerstörten Stoffe theils aufgeföst oder in Substanz als Rudimente mit sich führt, ist das Secret des syphilitischen Geschwürs von Hause aus mehr jauchiger Natur, von brauner oder schwärzlicher Farbe, trübe und undurchsichtig und sehr stinkend. So wie dieses Geschwür an Umfang und Tiefe gewinnt, nimmt das Secret an Menge zu, und mit der Jauche ist, wie beim Rotz, die Absonderung der übrigen Schleimhaut gemischt, und zwar um so reichlicher, da sie dor steten Irritation durch die abfliessenden Materien ausgesetzt ist. Dieses Gemisch ist der Ausfluss aus der Nase bei der syphilitischen Ozaena, welcher stets jenen widerlichen Geruch an sich trägt, dessen wir schon gedachten. Der Ausfluss beim scrophulösen Rotz verhält sieh indess so, wie wir denselben im 2. Capitel sub 1 beschrieben haben.
sect;. 602. Die Analogieen, welche zwischen dem scrophulösen Rotzge­schwür und dem Geschwür der-Lues des Menschen vorkommen, sind es besonders, welche eine Verwechselung der Natur beider Krankhei­ten, und damit ein Verkennen des Rotzes veranlassen. Wir können
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uns daher der speciellem Angaben dieser Analogieen füglich nicht entziehen.
Die Menge der Geschwüre, welche gleichzeitig entsteht, ist bei beiden Arten unbestimmt. Beide Arten der Geschwüre haben ihren Sitz eben sowol äusserlich im Gesicht, wie in der Nase, in den Kopf­höhlen, in der Rachenhöhle, im Kehlkopf und selbst in der Luftröhre. Die Geschwüre sind immer consecntiv oder secundär, die Eotzge-schwüre erfolgen nach einer scrophulösen, und die syphilitischen Ge­schwüre nach einer syphilitischen Dyskrasie. Werden von dem syphilitischen Geschwür, wie dies vom Rotzgeschwür immer ge­schieht, die Weichgebilde zuerst ergriäen, so dringt auch jenes, wie dieses, immer mehr in die Tiefe, und verbreitet sich zugleich nach der Peripherie zu. Das Rotzgeschwür ist immer mit lymphatischen Afi'ectionen, und namentlich Drüsenanschwellungen im Kehlgange, verbunden, beim syphilitischen können sie eintreten, und sind sie hier vorhanden, so ist die Analogie um so auffallender. Wie das syphi­litische Geschwür beim Menschen in der Lues in jedem Alter vor­kommt, so erscheint auch das Rotzgeschwür beim Pferde in der scro­phulösen Dyskrasie in jedem Alter. Das Secret, welches beide Ar­ten der Geschwüre secerniren, ist immer contagiös. Die das Geschwür umgebenden und mit demselben consensuell verbundenen Schleimhäute sind bei beiden Arten, entweder consecutiv oder con­sensuell, in Mitleidenschaft gezogen und mehr oder weniger afficirt und degenerirt; sie sind immer zu einer vermehrten und krankhaft veränderten Schleirasecretion gereizt, welche als ein pathisches Pro­duct der Krankheit, mit dem Geschwürssecret vermischt, zur Nase abfliesst.
4. Capitel. Vorkommen des Rotzes und seine geographische Verbreitung.
sect;. 603.
Der Rotz ist bisher für eine Krankheit gehalten worden, welche den Einhufern, und von diesen namentlich dem Pferde und Esel, eigenthflmlich ist. Dies ist offenbar eine falsche Annahme, die auf oberflächliche Beobachtungen gestützt ist. Wir können nur behaup­ten, dass der Rotz bei denjenigen Wesen in der Natur vorkommt, bei denen er sich spontan entwickelt, nicht bei denen, wo er durch Ansteckung hervorgerufen wird. Nach diesem Grundsatze müssen wir behaupten, dass unter den Thieren der Rotz ausschliesslich beim Pferde (Equus caballus) vorkommt, nicht aber beim Esel noch bei
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einer andern Species der Einhufer oder der übrigen Thierarten in der Natur. Ausser dem Pferde, scheint der Mensch das einzige Wesen dieser Schöpfung zu sein, bei welchem die spontane Entwickelung der Rotzkrankheit, in der scheusslichen Gestalt der Ozaena scrophu-losa stattfindet, die auf seinem Geschlechte als der Fluch der bösen That, als eine traurige Frucht der Civilisation, lastet.
Wollten wir annehmen, der Rotz sei allen denjenigen Wesen eigen, bei denen er durch Uebertragung des Contagiums sich hervor­rufen lässt, dann würden wir, ausser dem Esel, wahrscheinlich wol noch eine Reihe von Thierspecies dem Pferde zuzugesellen haben, Thiere, bei denen wir die Entwickelung des Rotzes nach Aufnahme seines Contagiums heute noch nicht ahnen, wir würden selbst das Rind in diese Reihe stellen müssen, da schon Beobachtungen*) vor­liegen, dass auch bei diesem Thiere durch das Contagium unter Um­ständen der Rotz hervorgerufen werden kann (s. 33. Fall). Die Versuche und Beobachtungen, welche diese Frage nur entscheiden und feststellen können, sind lange noch nicht abgeschlossen, sie haben leider noch nicht begonnen.
Der Rotz ist keine eigenthümliche Krankheit des Esels, denn es liegen keine unzweifelhaften Beweise dafür vor, dass er sich bei demselben spontan entwickelt.
sect;. 604.
Der Rotz ist somit eine Krankheit, welche nach dem heufigen Standpuncte unseres Wissens nur der Species Pferd (Equus caballus) und Mensch (Homo sapiens) eigenthümlich ist. Dieses ist ein Satz, der vielfach bezweifelt und bestritten worden ist. Man hat nament­lich nicht zugeben wollen, dass die Scropheln des Menschen mit den Drüsenkrankheiten des Pferdes identisch sind, und dass die scrophu-löse Ozaena des erstem der scrophulöse Rotz des letztern ist. Diese Controverse scheint uns geschlichtet, nachdem wir unsere Impfver­suche, in derAbth.II. Cap. 5 dieses Werkes, bekannt gemacht haben. Als Gründe gegen jene Identität führt man an, dass die Scropheln des Menschen nicht contagiös sind, während der Pferderotz immer ein Contagium entwickelt, und dass die Scropheln beim Menschen, namentlich aber die scrophulöse Ozaena, nur im Jugendalter, der Rotz bei Pferden aber in jedem Alter, vorkommt. Die Hinfälligkeit dieser Gründe ergiebt sich schon von selbst, wir haben sie aber nicht nur durch unsere Impfversuche (s. diese), sondern wir haben sie auch durch wissenschaftliche Gründe weiter noch in sect;. 330, 333, 361, 362, 363, 364, 365 u. a. a. O. widerlegt, denen wir nichts zuzu­setzen haben, und die wir hier'nur wiederholen könnten. Will man
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*) Vom Kreisthierarzt Müller in Stolp.
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indess dennoch behaupten, dass von der serophulosen Ozaena des Menschen andere Individuen derselben Art nicht angesteckt werden, so muss darauf entgegnet werden, dass, da das Contagiun; der sero­phulosen Ozaena des Menschen jedenfalls nur fixer Natur ist, mithin nur durch Contact übertragen werden kann, da die' Haut des Pfer­des viel reizbarer und empfindlicher, als die des Menschen ist, da­her auch leichter reeipirt, als diese, der Contact zwischen Menschen aber mehrentheils nur ein äusserer ist, mithin das Contagium hier in der Regel nur von der äussern Haut des Menschen aufgenommen werden kann, und so ist hierin schon ein wichtiges Hinderniss der An­steckung von Menschen auf Menschen gegeben, weshalb sich die Zahl der gegenseitigen Infectionen bedeutend vermindern, resp. erschwe­ren muss. Ausserdem aber erreicht die Krankheit beim Menschen nicht in so häufigen Fällen den hohen Grad, welcher sie zu einer ausgebildeten Ozaena stempelt, wie beim Pferde , weil bei jenem in der Regel früher ärztliche Hülfe nachgesucht wird, als bei diesem, und auch schon dieser Umstand könnte die Zahl der Infectionen beim Menschen vermindern. Dies wird aber noch mehr dadurch bewirkt, dass der gesunde Mensch einen natürlichen Widerwillen gegen solche Menschen und deren kranke Effluvien hat, die an der Ozaena leiden, und daher sich selbst vor der Berührung mit denselben hütet.
sect;. 605.
Zieht man dagegen in Betracht, in wie vielfache, und selbst in­nere Berührung, die Pferde gegenseitig und mit ihren Auswurfsstof-fen gerathen, bedenkt man, dass sie Tage lang aus einer Krippe fres­sen, aus einem Wasser saufen, in das sie die Nase tief hineinstecken, dass sie dabei ihre Nasenschleimhaut direct mit dem Ausfluss der rotzkranken Pferde in Contact bringen, dass sie denselben oft in gros-sen Mengen verschlucken, ja selbst mit Appetit auflecken; dass sie Tage lang auf den Excrementen der Patienten liegen , und nicht nur die von ihnen beschmutzte Streu fressen, sondern auch deren Aus­wurfsstoffe durch die Haut einsaugen und deren Ausdünstungen in die Lungen einathmen; dass sie sich vielfach beschnüffeln, belecken und mit dem Ausfluss aus der Nase beschmutzen, dann wird man zu­gestehen müssen, dass bei Pferden ungleich mehr Veranlassung zur Ansteckung gegeben ist, als beim Menschen.
sect;. 606.
Wir müssen aber bei der Scrophel-Ozaena des Menschen , wie beim serophulosen Rotz des Pferdes, allemal eine besondere Dispo­sition zur Krankheit voraussetzen, eben sowol in den Fällen, wo sie sich aus den veranlassenden Ursachen spontan, als wie dort, wo sie sich nach Infection aus dem Contagium entwickelt. Sobald aber eine
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solche nothwendig ist, dann werden wir zugeben müssen , dass die Krankheit dort sieh nicht entwickeln kann, wo sie fehlt. Nun ist es aber unzweifelhaft, dass es sehr viele Menschen giebt, die für die Scrophulosis ohne alle Disposition sind, und dass sich deren wol noch weit mehr finden, die in Verhältnissen leben, und eine Lebens­weise führen, bei der sich jene Disposition nicht entwickeln kann, ja wodurch derselben gerade entgegengewirkt wird. Es ist nur der ge­ringere Theil der Menschen, deren Lebensverhältnisse und Lebens­weise dahin wirken, dass jene Disposition sich ausbildet, und welcher daher überhaupt und allein nur von der scrophulösen Ozaena befallen werden kann, so dass mithin auch nur solche Menschen angesteckt wer­den können, es auch nur für diese ein Contagium der letztgenannten Krankheit giebt.
Es ist andererseits eben so unzweifelhaft, dass die Pferde meh-rentheils alle die Disposition zur scrophulösen Ozaena, mit sehr we­nigen Ausnahmen, in sich tragen, und dass die bei weitem grösste Zahl derselben in Verhältnissen lebt und auf eine Weise ernährt wird, durch welche jene Disposition vorwaltend entwickelt und ge­fördert wird. Nur ein unzweifelhaft sehr geringer Theil von Pfer­den existirt in den gemässigten Klimaten, in welchem jene Disposi­tion nicht vorhanden ist, und ein noch weit geringeres Minimum derselben lebt wol in solchen Verhältnissen und wird in der Weise ernährt, dass dadurch dieselbe nicht hervorgerufen, resp. begünstigt, würde. Es findet also bei den Pferden gerade in dieser Beziehung das umgekehrte Verhältniss, wie beim Menschen statt, und es bleibt sonach wahrscheinlich nur ein sehr geringer Theil von Pferden übrig, welcher mit der Disposition zur scrophulösen Ozaena nicht behaftet ist. Für diesen Theil existirt natürlich kein Contagium des scrophu­lösen Rotzes, und wenn derselbe auch noch so unbedeutend sein mag, so ist er immer da, und dass ein solcher Theil da ist, beweist der sub 24 mitgetheilte Fall.
sect;. 607.
Wie sich das Verhältniss der Menschen zu den Pferden stellt, welche keine Disposition zur scrophulösen Ozaena haben , ob dies gleich 99 Procent zu 1 Procent ist, da also für 99 Individuen kein Contagium existirt, während es hier nur für ein Thier nicht vorhan­den ist, darauf wird es bei Bestimmung der Existenz eines Conta-giums nicht ankommen können. Ueberdem ist die Ableugnung des Contagiums bei der scrophulösen Ozaena des Menschen nirgend aus­reichend motivirt worden; da der Gegenstand bisher viel zu wenig erörtert und geprüft worden ist, liegen nirgend directe Impfversuche vor, und da die Gelegenheit zur Ansteckung von Menschen auf Men­schen (sect;. 604) so selten gegeben ist, so dürften die Acten über diesen Gegenstand noch lange nicht geschlossen sein.
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sect;. 608.
Der Rotz, ist behauptet worden, soll am häufigsten bei Wal­lachen vorkommen. Ob dies gegründet ist, oder nicht, mögen wir weder bejahen noch verneinen, da wir aus eigenen Beobachtungen uns ein Urtheil darüber nicht bilden konnten. Ist indess diese An­nahme richtig, so möchten wir die Ursache dieser Erscheinung nicht etwa in besonderen Dispositionsverhältnissen der entmannten Thiere suchen, die eben, wie man annehmen zu wollen scheint, in ihrer Ge­schlechtslosigkeit liegen, da wir dazu keinen G-rund haben; andere Ursachen scheinen uns wesentlicher. Im Allgemeinen giebt es be­deutend mehr Wallachen, als Hengste, es muss also auch bei jenen der Rotz weit häufiger vorkommen; als bei diesen. Ein grosser Theil der vorhandenen Stuten wird zur Zucht verwendet, und daher mehr geschont, besser gepflegt und gewartet, während die Wallachen die eigentliche, ausschliessliche Bestimmung haben, zu allen technischen Zwecken des Mensehen verwendet zu werden, da wir in ihnen die eigentlich arbeitenden Pferde suchen, und sie es sind, die im Allge­meinen am wenigsten geschont, gepflegt und gewartet werden. Mög­lich, dass danach die Wallachen von der Rotzkrankheit am häufigsten betroffen werden.
sect;. 609.
Es unterliegt aber keinem Zweifel, dass die Rotzkrankheit bei jungen Pferden häufiger vorkommt, als bei alten. Vorzugsweise er­greift sie die Pferde mehr vor dem 8. Jahre, als nach diesem. Es hat dies seinen Grund nicht nur in besonderen Dispositionsverhält­nissen, sondern auch darin, dass die jungen und jugendlichen Pferde mehr in Gemeinschaft, in grössern Haufen, mit einander leben, wie die Füllen in allen Gestütsanstalten, in den Remontedepots, die Pferde in den Cavallerieställen, in den Marställen, Postställen, in den Ställen grosser Fuhrwerksanstalten und den Arbeitsställen grosser Landwirthschaften etc. In allen diesen Ställen sind in der Regel mehr jugendliehe Pferde vorhanden, weil' man die altern und ver­brauchten gewöhnlich rechtzeitig ausrangirt und junge dafür einstellt. Hier nun, in allen diesen Anstalten und Ställen, liegt nicht nur eine grössere Summe von Veranlassungen zur Entwickelung der Rotz­krankheit, welche eben in dem engern Beisammenleben der Thiere gegeben ist, sondern es ist auch bei ausbrechendem Rotze viel­mehr Gelegenheit zu Uebertragungen des Ansteckungsstoffes, durch die häufigen, nähern und innigem Berührungen der Pferde unter einander, die das enge Beisammensein mit sich bringt, gegeben. Wenn man dabei noch die grössere Disposition bei jungen Thieren zuScrophelkrankheiten, und somit also auch zum scrophulösen Rotze, in Betracht zieht, wenn man ferner berücksichtigt, dass junge Thiere
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grössere Receptions- und Reproductionsfahigkeit besitzen, diesel­ben mithin den Ansteckungsstoff leichter aufnehmen, und derselbe bei ihnen auch leichter haften und zur Wirkung kommen kann, so ist es wol erklärlich, dass bei jungen Pferden die Rotzkrankheit bei weitem häufiger vorkommen muss, als bei alten,quot;die im Allgemeinen weit mehr vereinzelt leben.
sect;. 610.
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Die Lebensverhältnisse spielen in Bezug auf das Vorkommen
der Rotzkrankheit eine nicht minder wichtige Rolle, als das Lebens­alter. Wir sehen den Rotz am häufigsten dort vorkommen, wo die Pferde in grössester Menge auf dem kleinsten Räume zusammenleben, wo also Excretionen und Excremente sich am meisten häufen, mit tnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;diesen die Räume angefüllt, und die Luft, welche die Thiere zum
Athmen und zur Säftebereitung verwenden, verunreinigt werden, wo aber auch die Pferde untereinander und mit ihren gegenseitigen Aus-
j.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; wurfsstoffen in die mannigfachste und häufigste Berührung kommen.
Wir sehen aber auch den Rotz häufig dort vorkommen, wo die Pferde anscheinend vorzüglich und sehr sorgsam gepflegt, wo diese Pflege aber eine übermässige, zu weit getriebene, eine naturwidrigeist, also, wo man sie in zu enge Räume sperrt, in diesen für zu wenig Luft­wechsel sorgt, die Thiere zu warm hält, sie zu viel putzt, ihnen zu reichliches , zu fettes, zu schweres Futter giebt und sie dabei zuviel ruhen lässt, ihnen keine, ihren Kräften , wie ihrem Ernährungszu­stande entsprechende Bewegung macht. Aber auch dort, wo die entgegengesetzten Verhältnisse stattfinden, wo man also die Pferde gänzlich vernachlässigt, sie bei unreinlicher Haltung, schlechter und
1*4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;zu geringer Nahrung übermässig anstrengt, sie also in dieser Be-
ziehung einem naturwidrigen Lebensverhältniss ausgesetzt werden, tritt die Krankheit häufig auf, die am seltensten dort vorkommt, wo die Lebensverhältnisse am naturgemässesten sind, und der Mensch am wenigsten künstelt und in die Natur der Thiere eingreift, wo er sich also um sie weniger kümmert.
sect;• 611.
In Beziehung auf die Localitäten sehen wir die Rotzkrankheit am häufigsten auftreten und sich ausbreiten : in Niederungen und Marschgegenden, in Flussthälern, Sumpfgegenden und in solchen, in denen wenig Graswuchs ist und wenig Heu gewonnen wird; femer aber auch in niedrig gelegenen, mehr eingeschlossenen, zu niedrig und zu enge gebauten Ställen, in welchen Abzüge für die Jauche, Luftwechsel, Licht etc. mangeln, dagegen viel Wärme, Feuchtigkeit und Ausdünstungen stagniren. Alle solche Localitäten tragen die vollständigen Bedingungen in sich , die Disposition zum Rotze zu
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entwickeln, und schliesslieh die Krankheit selbst hervorzurufen, denn sie sowol, wie jene übermässige Pflege, sind selbst geeignet, die ver­anlassenden Ursachen zu entwickeln, welche den Rotz erzeugen. Die Krankheit erscheint auch häufiger in den civilisirten, als in den un-civilisirten Ländern.
sect;. 612. Die Jahreszeiten haben in Rücksicht auf ihre Temperatur - und Witterungsverhältnisse wenig oder gar keinen Einfluss auf das mehr oder mindere Vorkommen der Rotzkrankheit, dennoch scheint sie im Allgemeinen im Winter und Frühjahr häufiger aufzutreten, als in den anderen Jahreszeiten, welches einestheils seinen Grund darin hat, dass die Pferde während des Winters mehr in die Ställe eingepfercht und weniger in freier Luft bewegt werden, und dass sie in den ge­dachten Jahreszeiten viel häufiger mit verdorbenen, schlechten Nah­rungsmitteln gefüttert werden.
sect;. 613. In Betreff der Race und Abstammung der Pferde haben wir zu bemerken, dass die Rotzkrankheit am häufigsten bei den Marsch- und Niederungspferden, und bei denjenigen Pferden, die aus vielfachen Kreuzungen des verschiedensten Blutes hervorgegangen sind, vor­kommt. Dagegen erscheint die Krankheit am seltensten bei den Pferden von reiner Race, bei den Urstämmen, bei den Steppen- und Wüstenpferden. Bei den Pferden, welche theils wild, theils halbwild leben, bei denen des hohen Südens, des tiefen Nordens und der Hoch­gebirge tritt die Krankheit zum Theil nie auf, oder doch nur in Fäl­len der Einschleppung und ist eine sehr seltene Erscheinung, während sie, namentlich bei ganz wilden Pferden, sich nie spontan entwickelt, denn der Rotz ist keine aus der Natur hervorgegangene, sondern er ist eine anerzogene, angebildete Krankheit, eine Krankheit der Zäh­mung, der Cultur des Pferdes.
sect;. 614. •
Was die geographische Verbreitung der Rotzkrankheit anbe­trifft , so gilt das, was wir in sect;. 274 in der II. Abtheilung dieser Schrift über die Scrophelkrankheit gesagt haben. Wir würden das dort Gesagte hier nur wiederholen können, was wir vermeiden wol­len, daher wir darauf hinweisen. Wenn am angegebenen Orte be­hauptet worden, dass die Scrophelkrankheit in heissenKlimaten nicht vorkommt, und dies auch auf die Rotzkrankheit Anwendung findet, so möchte das britische Indien in Betreff dieser letztern Krankheit eine Ausnahme machen, denn allerdings kommt diese hier häufig vor. Sie ist indess keineswegs hier einheimisch, sondern eine mit den eng­lischen Pferden eingeschleppte Krankheit, die noch immer mit neuen
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Pferdetransporten übertragen wird, denn die Rotzkrankheit erzeugt sich unter Pferden auf längern Seereisen sehr häufig.
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5. Capitel.
Analogieen und Verwechselungen des Rotzes mit andern Krank­heiten des Pferdes und Anomalieen derselben.
sect;. 615. Es kommen beim Pferde mancherlei Krankheitszustände, selbst örtliche Fehler vor, welche von Erscheinungen begleitet sind, die denen des Rotzes mehr oder weniger vollkommen gleichen, und da­her nur zu leicht Veranlassung werden können, dass jene Zustände mit der wahren Rotzkrankheit verwechselt werden. Die hieraus er­wachsende Gefahr erscheint allerdings nicht gross, wenn man anneh­men wollte, dass damit immer nur einzelne Individuen, diejenigen, die sachverständig für rotzkrank erkannt werden, ohne dass sie es sind, gefährdet, resp. unschädlich gemacht werden, obwol auch hier­durch schon mancher Pferdebesitzer, namentlich derjenige, welcher nur ein oder, zwei Pferde, die ihn ernähren, halten kann, oder auch derjenige, dessen Pferd sehr kostbar und schwer ersetzbar ist, .hart genug betroffen wird. Mit der blossen Unschädlichmachung des ein­zelnen Individuums aber ist es in der Regel nicht abgemacht, denn es kommen hinterher immer noch die oft schwierigen Desinfections-maassregeln und die Absperrung der andern Pferde des betreffenden Besitzers, aus denen diesem noch bei weitem mehr Kachtheile er­wachsen, wie aus dem Verlust des erkrankten Pferdes.
sect;. 616.
Die Gefahr solcher Verwechselungen tritt aber in der Regel in weit grösserem Maassstabe auf, wenn sie, wie die? häufig wol vor­kommt, in umgekehrter Weise stattfindet, wenn Pferde, die in der That rotzig sind, für nicht rotzkrank sachverständig erkannt werden. In solchen Fällen, wie sie oft bei der grossen Schwierigkeit, die Existenz des Rotzes festzustellen, bei der oft vorkommenden Ver­stecktheit der Krankheit, bei dem chamäleonischen Wechsel ihrer Er­scheinungen, Form und Natur, so häufig vorkommt, ist die Gefahr der Verschleppung und Weiterverbreitung der Krankheit auf andere Individuen, ja über ganze Pferdebestände und ganze Gegenden ge­geben, wie wir dies beispielsweise in den mitgethe'.lten Fällen sub 3, 17, 23, 27, 28, 29 aus eigener Praxis und Erfahrung nachgewiesen haben.
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sect;. 617.
In dem Umstände, dass die Krankheit sachverständig festgestellt werden muss, sollte man glauben, liege eine Garantie gegen derglei­chen Verwechselungen; doch eine solche hat sich bisher höchstens in der Theorie, keineswegs aber in der Praxis bewährt, und dies ist am Ende auch nicht anders möglich, wenn man erwägt, welche gros-sen Schwierigkeiten es hat, die Rotzkrankheit in allen Fällen als solche zu erkennen und festzustellen, welche Summe von Beobach­tungen und Erfahrungen neben den nöthigen theoretischen und wis­senschaftlichen Kenntnissen dazu gehört, und wer alles dem gegen­über als Sachverständiger gilt und gelten will. — Fast jeder Pferde­besitzer, jeder Hufschmied, jeder Cavallerist, ja fast jeder Pferde­knecht hält sich für einen Sachverständigen oder wird dafür gehalten, und so giebt es unter diesen und andern Ständen ein Heer von Pfu­schern, das sich gewerbsmässig mit Pferdekrankheiten und deren Be-urtheilung, unter dem Vorgeben oder der Anerkennung der Sachver­ständigkeit beschäftigt. Aber auch das thierärztliche Personal bietet eine grosse Zahl von Individuen, denen neben dem allernothwendig­sten wissenschaftlichen Fundament, die ausreichende Praxis und Er­fahrung fehlt, um die Rotzkrankheit in allen Fällen mit Sicherheit feststellen zu können, und von denen mancher in dieser Beziehung kaum mehr Gewicht haben und Glauben verdienen dürfte, wie jene Pfuscher, und dennoch gelten auch sie für vollständig qualificirte Sachverständige, so wie sie, ganz jung und jeder Erfahrung haar, die Bildungsanstalten verlassen. Was aber bei diesen die Sache noch schlimmer macht, ist, dass sie par excellence Sachverständige sind und öffentlichen Glauben haben.
Wie häufig aber unter diesen Umständen die Rotzkrankheit ver­kannt wird, wie mannigfach deren Verwechselung mit andern Krank­heiten vorkommt, das kann der nur beurtheilen, der Gelegenheit hatte, in dieser Krankheit speciell in einer mehr als dreissigjährigen Praxis einen reichen Schatz von Erfahrungen zu sammeln, und der zugleich dies Gebiet speciell zu seinem Studium gemacht hat. Wrie gross die Zahl dieser unwillkührlichen Verwechselungen ist, wie häufig Pferde für rotzig gelten müssen, die es nicht sind, und umge­kehrt, wie häufig der Rotz für eine andere Krankheit angesehen und ausgegeben wird, welche Interessen und Motive aber ausserdem noch oft absichtlich solche Verwechselungen herbeiführen, erscheint kaum glaublich, und das öffnet dem Schwindel Thor und Thür, worunter das Gebiet der polizeilichen Thierheilkunde eben so leidet, wie das der forensischen.
sect;. 618.
Wir können aus diesen Veranlassungen nur denjenigen als Sach­verständigen gelten lassen, welcher den wissenschaftlich-theoretischen
Erdt, Rolzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 22
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Theil der Thierheilkunde nicht nur vollständig beherrscht, sondern zugleich auch mit einem gewissen, ausreichenden Schatz von Beob­achtungen und Erfahrungen speciell über die vorliegende Krankheit ausgerüstet ist. Nur in einem solchen finden wir die nothwendigen Attribute, welche uns eine Garantie gegen Irrthümer und Verwech­selungen in Beziehung auf die Rotzkrankheit geben können.
sect;. 619.
Es gehört zur richtigen Erkennung und Feststellung der Rotz­krankheit nicht nur ein Kennen der Symptome und deren Modiflca-tionen und Varietäten, sondern es gehört dazu auch ein gründliches wissenschaftliches Verstehen derselben, ein Beurtheilen ihrer Natur, ihrer Zusammengehörigkeit, ihres Verhältnisses zu einander und ihrer genetischen Folge auf- und ans einander. Da wir diese Eigenschaf­ten in der That wahrlieh nicht bei dem grössten Theil der Thierärzte voraussetzen können, da wir sie bei Laien, welche der Wissenschaft nicht fachlich obliegen, und sich nie dem Studium derselben widme­ten, die mithin gar kein technisches Fundament haben, noch weniger voraussetzen dürfen, so finden wir denn auch Verwechselungen und Irrthümer so sehr häufig, und haben hierin fast immer die Ursache zu suchen, wenn die Rotzkrankheit sich seuchenartig weiter verbreitet, als es nach der Natur einer Krankheit, die mehrentheils nur ein fixes Contagium producirt, sein darf. — Es ist daher nie das einzelne Symptom, welches unsere derartige Beurtheilung'erfor­dert, sondern es ist vielmehr der ganze Symptomencomplex und seine Zusammengehörigkeit, dessen Natur wir unserer technisch-wissen­schaftlichen Beurtheilung zu unterbreiten haben. Doch das wissen­schaftliche Fundament allein reicht zu dieser Beurtheilung nicht aus, es ist dazu noch ein bedeutendes Maass von Praxis und Erfahrung nöthig, um die Symptome und ihre Verbindungen aufzufinden und zu erkennen.
sect;. 620.
Es ist aus den Motiven des vorhergehenden sect; sehr schwer, ja kaum möglich, eine rein objective Schilderung und Feststellung der Rotzkrankheit zu geben, der Art, dass sie nicht verwechselt werden könnte, dass wir in unserm Urtheil über sie nicht irren , weil eben hierzu so mancherlei subjective Eigenschaften bei dem Sachverstän­digen vorausgesetzt werden müssen. Wollen wir indess unser Er­kennen und Beurtheilen der Krankheit, wie dies leider fast allgemein geschieht, von einem Symptom derselben, von der Existenz der Ge­schwüre , die wir Rotzgeschwiire nennen, ja nicht einmal von der Existenz, sondern von dem derartigen Sitze derselben, dass sie am lebenden Thiere aufgefunden und erkannt werden können, abhängig
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machen, dann bedarf es freilich weder des wissenschaftlich - tech­nischen Fundaments, noch der Praxis und Erfahrung; damit verfallen wir, wie es bereits geschehen ist, in die reine Empirie. Da wir aber in der Regel nur das Scrophelgeschwür als ein Rotzgeschwiir anzuerkennen haben, und in der That auch anerkennen, weil nur dieses von allen Rotzgeschwüren einen specifischen Character zeigt, so giebt es danach keine andere Rotzform, als die scrophulöse, und kein Pferd, das ein anderes ansteckte, wonach der scrophulöse Rotz entstand, war, dieser Logik gemäss, rotzig, wenn es selbst nicht an der scro-phulösen Rotzform gelitten hat.
sect;. 621.
Aber auch kein Pferd ist nach dieser Praxis rotzig, bei dem nicht die scrophulösen Rotzgeschwüre, selbst wenn sie vorhanden sind, ermittelt werden können. Damit gerathen wir auf eine schiefe Ebene, auf der wir in eine Menge von Inconsequenzen und logischen und sachlichen Irrthümern hinabrollen. Mit welchem Krankheits­zustande haben wir es aber dann zu thun, wenn beim Vorhandensein aller übrigen Symptome des scrophulösen Rotzes, die örtliche Lage der scrophulösen Rotzgeschwüre der Art ist, dass sie am lebenden Thiere nicht aufgefunden werden können, wie dies so häufig vor­kommt, oder wenn jene Geschwüre, wie es seltener eintritt, gar nicht vorhanden sind, oder auch, wenn äusserlich sichtbar gewesene Ge­schwüre früher vorhanden gewesen sind, von denen sich dem unter­suchenden Techniker nur noch Narben {ds Ueberreste der verheilten Geschwüre am lebenden Thiere erkennen lassen, gleichwol aber jedes gesunde Pferd, welches mit einem solchen Patienten in nähere Be­rührung kommt, angesteckt und vom Rotze befallen wird, bei dem sich jene Geschwüre zeigen ? Soll dann blos das angesteckte Pferd rotzig sein, das ansteckende aber nicht? — Wir sind der Meinung, dass beide rotzig sind, und danach richten wir unsere Praxis. Im Allgemeinen gilt aber die Doctrin, dass jene ansteckenden Pferde nicht an Rotz, sondern an sogenannter- verdächtiger Druse leiden, eine für die Bequemlichkeit der Ignoranten geschaffene Krankheits­form, die nur zur Hinterthür dient, die weder wirklich existirt, noch irgend welche wissenschaftliche Begründung und Berechtigung hat, hinter der gleichwol eben so viel Unheil wie Unfug sich verbirgt. Man lese die sub 3, 4, 17, 26, 27 und 28 mitgetheilten Fälle.
sect;. 622.
Diese sogenannte verdächtige Druse ist es, mit welcher die Rotz­krankheit, von Thierärzten sowol, wie von Laien, so sehr häufig ver­wechselt wird, und blos aus dem Grunde, weil es der Natur nicht gefallen hat, die sogenannten Rotzgeschwüre dahin zu legen, wohin
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der untersuchende Sachverständige sie haben will, wo sie ihm in die Augen fallen, oder weil es ihr gar einfiel, Rotzgeschwüre überhaupt nicht zu schaffen. Wenn wir die Sache aber wissenschaftlich auf­fassen , indam wir uns von der verjährten Empirie ganz trennen, wenn wir den ganzen Complex der vorhandenen Symptome, die Drüsengeschwulst, den Ausfluss, die Beschaffenheit der sichtbaren Schleimhäute, den Verlauf der Krankheit etc. zusammenfassen, und die Gemeinschaftlichkeit ihres Auftretens in Berücksichtigung neh-';nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;men, dann werden wir sicher vor dergleichen Verwechselungen und
gefährlichen Irrthttmern, sowol nach der einen, wie nach der andern Seite hin, bewahrt bleiben.
g. 623.
Alle lymphatischen Drüsenkrankheiten sind darum noch nicht Kotz, wir zählen sie allerdings zu den Scropheln, aber auch alle Scropheln sind nicht Rotz; zum Rotze werden sie erst dann, wenn die Dyskrasie jene intensive Bösartigkeit, jene alkalische Schärfe an­nimmt, durch welche sie contagiös wird, und bei welcher die Sub-maxillardrüsen, der einen oder beider Seiten, der Art anschwellen und elastisch speckig, so ganz eigenthümlich verhärten, dass sie zu ihrer naturgemässen Function weiter unfähig sind, wodurch Stagna­tion der Lymphe eintritt, welche nun, zurücktretend an die Ober­fläche der Schleimhäute des Kopfes, dieselben auflockert und zur krankhaften Thätigkeit anreizt und in Gemeinschaft mit dem quali­tativ veränderten und krankhaft vermehrten Schleimhautsecret den eigenthiimlichen characteristischen Ausfluss aus der Nase bildet, den wir einen lymphatischen nennen müssen ; wenn sie weiter den Cha­racter des chronischen Verlaufs, ohne Fieber und jede andere Funo tionsstörung, oder entgegengesetzt, des sehr acuten Verlaufs, mit Fieberbewegungen und Athmungsstörungen, zu erkennen giebt; wenn sie endlich sich als unheilbar erweist, oder ihre Heilung zweifelhaft bleibt, indem sie den bei gewöhnlichen Drüsenkrankheiten bewährten Heilmitteln beharrlich trotzt, oder doch sehr leicht und bei jeder Ge­legenheit Rückfälle macht.
sect;. 624.
Wir haben es in allen solchen Fällen mit dem rein scrophulösen Rotze, den wir den Nasenrotz nennen müssen, zu thun, ob wir Ge-7nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;schwüre wahrnehmen oder nicht. Es ist dies die am häufigsten auf-
tretende Form des Rotzes, welche den meisten Verwechselungen, und zwar mit den anderweiten Drüsenkrankheiten und Scrophelfor-men, mit Blennorrhöen, mit Bräuneformen , mit Nasenpclypen, mit andern Formen der Ozaena , z. B. der traumatischen, mit der Ele­phantiasis, mit Maukezuständen, Salzflüssen, verschiedenen metatasti-
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sehen Ablagerungen auf die Haut, mit manchen herpetischen Zustän­den etc. unterliegt, daher auch die meiste Veranlassung zu allerlei Controversen giebt. Immer aber wird, bei gründlicher, semiotischer Beobachtung und Untersuchung, dennoch der wissenschaftliche und zugleich practische Sachverständige finden, dass allen diesen andern Krankheiten und Formen gewisse characteristische Kennzeichen jenes Rotzes fehlen, wofür wieder andere, die eine oder andere Function in der einen oder andern Weise störende Krankheitserscheinungen vor­handen sind. Sind dagegen jene characteristischen Scrophelgeschwüre vorhanden und äusserlich am lebenden Thiere erkennbar, gleichviel, ob sie auf der Cutis, oder Schleimhaut ihren Sitz haben, ob sie in ihrer ursprünglichen Form, oder nach längerm Verlauf und destrueti-ven Veränderungen in anderer Gestalt angetroffen werden, es genügt, dass sie vorhanden sind, der Rotz ist durch sie allein vollständig con-statirt, und eine Verwechselung ist nicht leicht möglich; die Erken­nung ist einfach und leicht, und erfordert keine grosse Sachkenntuiss.
sect;. 625.
Haben wir es dagegen mit einer complicirten scrophulösen Rotz­form oder mit dem scrophulösen Lungenrotze zu thun, ohne dass Ge­schwüre wahrnehmbar sind, dann wird die Erkennung der Krankheit zwar verwickelter, indem dann noch andere Erscheinungen hinzu­treten , der Ausfluss Beimischungen von zerfallenen, verschiedenen Gewebsbildungen , wie Tuberkel-, Lungen-, Zellgewebs-, Korpel-, Knochensubstanz etc. Blutbeimischungen u. dergl., enthält, keines­wegs aber schwieriger, und die Verwechselung mit wesentlich andern Krankheitszuständen kann nicht leichter vorkommen, denn bei längeren, aufmerksamen Beobachtungen wird es dem wissenschaftlichen und practischen Sachverständigen bald unzweifelhaft werden, mit welcher Krankheit er es zu thun hat, indem er dennoch die wahre lympha­tische Natur des Ausflusses nicht verkennen wird, da neben dem Vorhandensein desselben die characteristischen und eigenthümlichen Drüsenanschwellungen und Verhärtungen, bei sehr chronischer, oder acuter Genese, nie fehlen. Diese Erscheinungen, neben dem gene­tischen Ursprünge der Krankheit und dem primären Auftreten anderer originärer Krankheitszustände, sichern vor Verwechselungen mit chronischen Bronchial- und Luftröhren-Catarrhen, Vereiterungen der Lungen, mit zerfliessenden Lungenknoten, mit Bräunezuständen, Phthisis pulmonum und dergleichen mehr, mit denen sie am häufig­sten stattfinden können.
sect;. 626.
Aber auch die andern Rotzformen sind der Verwechselung mit einfachen, chronischen Blennorrhöen , mit polypösen Bildungen, mit
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traumatischer Ozaena, mit Bräunezuständen, mit Faulfiebern und septischen Zuständen etc. ausgesetzt. Indess auch gegen diese muss der genetische Ursprung , der Gang und der Verlauf der Krankheit, sowie auch das Eigenthümliehe des Ausflusses und der Drüsenan­schwellungen und Verhärtungen, die natürlich nie fehlen dürfen, es sei denn, dass zuvor, was freilich sehr selten vorkommt, Rotzge­schwüre oder andere Destructionen auf der Cutis oder der Nasen­schleimhaut und andern Gebilden des Kopfes vorkommen, und äus-serlich erkennbar sind , schützen. Wenn mithin auch ohne diese Geschwüre und Destructionen jene Eotzformen erkannt und festge­stellt werden können, so sind bei diesen namentlich jene Zerstörun­gen in den Kopfhöhlen mancherlei Art, und oft in sehr complicirter Weise, gewöhnlich vorhanden und an den lebenden Thieren in der Regel mehr oder weniger äusserlich sieht- und erkennbar, und daher die Natur der Krankheit nicht leicht zu verkennen, noch zu verwech­seln. Die wirklichen scrophulösen Rotzgeschwüre dagegen kommen bei diesen Formen der Krankheit nur ausnahmsweise, und dann in der Regel erst sehr spät und in den letzten Stadien, vor und sind selbst dann, ihrer örtlichen Lage wegen, nicht immer am lebenden Thiere äusserlich zu ermitteln.
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6. Capitel.
Contagiosität und Fortpflanzung des Rotzes; Eigenschaften des Contagiums.
sect;. 627. Dass der Rotz der Pferde eine contagiöse Krankheit ist, wird und kann jetzt Niemand mehr bestreiten. Vielfach und lange hat diese Frage, als wissenschaftliches Streitobject geschwebt, und wunderbar ist es, dass, obgleich das Bekanntsein der Krankheit von Jahrtausen­den her datirt, obgleich das Contagium, welches sie erzeugt, in der Regel von fixer Natur ist, dennoch der Streit über seine Existenz bis in die neueste Zeit, bis in die ersten Deceunien dieses Jahrhunderts •hinein, gedauert hat. Die Gründe, welche diesen Streit herbeiführ­ten und erhielten, haben wir a. a. O. angegeben. Jetzt ist, soweit der Rotz vorkommt, in keinem civilisirten Lande mehr ein Zweifel über die Beantwortung dieser Frage, jetzt würde man den Zweifel .geradezu lächerlich finden.
sect;. 628. Der Rotz erzeugt ein fixes und absolutes Contagium, welches nicht allein auf das Pferd tibertragbar ist. Es erzeugt sich spontan.
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soviel wir bis jetzt wissen, ausser beim Pferde, nur noch beim Men­schen, ist aber gleichwol nicht allein auf diese Wesen übertragbar, sondern es wird auch erwiesen vom Esel, und wahrscheinlich von allen andern Einhufern aufgenommen. Es ist sogar wahrscheinlich, dass auch noch andere Thiere vom Rotzcontagium inficirt werden können und dass es bei diesen, dem Rotze analoge Krankheitszustände hervorruft. Es ist wahrscheinlich , dass das Schwein und Rind vom Rotze der Pferde inficirt werden können (s. 33. Fall); es ist aber nicht wahrscheinlich, dass diese Thiere ein wirkliches Rotzcontagium nach solcher Infection produciren. Dies sind Dinge, welche die Wissenschaft in Zukunft noch festzustellen hat. *)
sect;. 629.
Was hier über das Rotzcontagium gesagt worden ist und noch gesagt wird, gilt, vor allen Dingen und hauptsächlich, nur von der scrophulösen Rotzform, als der Repräsentantin aller Rotzformen, es gilt hauptsächlich von ihr, weil im Pferde fast jede andere Rotzform nicht nur schliesslich sehr häufig in die scrophulöse Form übergeht, sondern auch durch ihr Contagium bei Uebertragung auf andere, ge­sunde Pferde in der Regel nur den scrophulösen Rotz erzeugt. Das scrophulöse Rotzgift des Pferdes ist es vorzugsweise, welches bei In-fectionen der Menschen und Esel die bekannten rapiden Wirkungen hervorbringt, und sei jenes Gift von jeder andern Rotzform , gleich­viel, es wird immer dann erst diese Wirkungen haben, wenn sie mit lymphatischer Affection complicirt, wenn sie also in die scrophulöse Form übergegangen ist. So hat z. B. das Contagium des blennor-rhöischen Rotzes, welches an den Schleimfluss der Nase gebunden ist, keine analoge Wirkung auf Menschen und Esel, wenn nicht zu­gleich Drüsenverhärtungen vorhanden sind, und jenem Ausfluss die deletäre Lymphe der Scrophulosis beigemischt ist.
quot; sect;. 630.
Das Rotzcontagium ist in der Regel nur'von fixer Natur, zu­weilen und unter Umständen wird es aber auch flüchtig. In letztern Fällen ist es aber nie der reine scrophulöse oder blerinorrhoische Rotz, sondern es sind immer nervöse, typhöse, septische Complica-tionen vorhanden, oder es sind überhaupt andere Formen des Rotzes. Das Contagium hat seinen Sitz in den organischen Säften, beim con-stitutionellen und allgemeinen Rotze in allen Säften, beim localen Rotze in den localen Säften. Es haftet vorzugsweise an dem aus der Nase fliessenden pathischen Secret, und besonders an der diesem bei-
•) Es bleibt hier der Wissenschaft durch comparative Impfungen noch eine ansehnliche Reihe der interessantesten Fragen zu lösen, deren practisches und materielles Interesse dem wissenschaftlichen nicht nachsteht.
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gemischten Lymphe, oder an dem Ausfluss aus den Rotzgeschwüren, wo solche vorhanden sind ; der Sitz ist mithin vorzugsweise in der Lymphe der Lymphgefässe zu suchen.
sect;. 631. Das Contagium wird demnach mit den Effiuvien und Excretionen ausgeschieden, und es kann unter Umständen auch im Urin, Koth, dem Schweiss, der Haut- und Lungenausdünstung enthalten sein. Immer ist es gebunden an eine Flüssigkeit, eine tropfbare oder elastische, es muss in einem Medium aufgelöst sein, gleich den chemischen Reagentien, wenn es zu einer wirksamen Fortpflanzung befähigt sein soll. Daher sind auch eingetrocknete Säfte, ausge­trockneter Tuberkelstoff etc., an sich unwirksam, sie sind eben nur dann ansteckend, wenn sie aufgelöst sind. Das Rotzcontagium muss, wenn es wirksam bleiben soll, in einem gewissen Temperatur­grade erhalten werden, es verliert seine Ansteckungskraft bereits bei -|- 45deg; R. *). Wahrscheinlich ist es, dass diese Kraft eben so schon unter dem Gefrierpunct verloren geht. — Das Rotzcontagium besitzt eine grosse Tenacität, im getrockneten Zustande, bei massiger Temperatur, kann es Jahre lang wirksam bleiben, zumal wenn es nicht der freien Einwirkung des Witterungswechsels ausgesetzt ist.
sect;. 632. Das Rotzcontagium hat eine scharf ätzende und reizende Wir­kung, es reizt, in Substanz ins Blut oder auflebende organische Ge­bilde, wie z, B. auf die Haut des Pferdes, gebracht, zu Entzündung und Auschwitzung, die Lymphdrüsen specifisch zur sofortigen An­schwellung; es ätzt und zerstört die thierischen Gebilde, wie die Schleimhäute, die Knorpel, Knochen etc. Dieses ätzende Princip ist stark basischer Natur. Was ist es? fragen wir heute noch vergebens; die Chemie ist uns die Antwort noch schuldig. Vielleicht ist es eine dem Ammoniak analoge Basis, eine modificirte Verbindung von Stick-und Wasserstoff; vielleicht ist es ein modificirtes oder erregtes Ammo­niak selbst, das sich etwa zum gewöhnlichen Ammoniak wie das Ozon zum Qxygen verhält. Vielleicht ist hierin die Natur aller Con-tagien gegeben, worauf schon ihre leichte und sichere Neutralisation durch Chlor hinzudeuten scheint, wie auch der Umstand, dass die Contagien bald flüchtig, bald fix, bald beides zugleich sind. Dieser basische Stofiquot; scheint aber jedenfalls das Wesen des Contagiums zu sein, denn, sobald er neutralisirt ist, hört die contagiöse Wirkung auf. Beim Erhitzen oder Gefrieren zersetzt oder verflüchtigt es sich, daher der Stoffquot;, an dem es sonst haftet, dadurch ebenfalls unwirk­sam wird.
*) Von Viborg, Hofacker und Andern nachgewiesen.
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sect;. 633.
Diese basische Grundlage vermittelt in dem Contagium, nach dem Gesetz chemischer Wahlverwandtschaft, das Bestreben, sich auf die, mit der atmosphärischen Luft im nächsten Connex stehenden Organe, also Lungen, Nasenschleimhaut, Cutis etc., abzulagern, an­gezogen von dem Oxygen der Luft, mit welchem es Verbindung sucht. Daher die Neigung zu offenen Geschwürsbildungen auf den Schleimhäuten und der Cutis und wiederum zu Tuberkelbildungen unter der Pleura der Lungen, wo kein Oxygen die Anziehung ausübt. Diese basische Grundlage des Rotzcontagiums ist zerstörbar durch alle Säuren, am leichtesten durch Chlor; mit dieser Zerstörung geht immer die contagiöse Eigenschaft verloren. Wo bei rotzähnlichen Krankheiten die krankhaften Effluvien nicht basisch reagiren, sondern neutral oder sauer sind, da haben sie keine contagiösen Eigen­schaften, da ist die Krankheit auch nie Eotz (cf. II. Abth. 5. Capitel sect;. 336, erster Versuch, Impfung mit Nr. 1).
sect;. 634.
Das Rotzcontagium wirkt, den Rotz erzeugend, beim Pferde, wenn es auf die äussere Haut, wenn es auf die Schleimhäute, wenn es ins Blut oder in die Lymphe übertragen wird, ja es scheint unter Umständen selbst den Rotz zu erzeugen, wenn es mit den Nahrungs­mitteln in die Verdauungseingeweide gelangt. Es wirkt, als Product der Rotzkrankheit, immer wieder contagiös. Es ist daher ein absolutes Contagium, welches jedes Pferd ansteckt und nur dieäusserst seltenen Fälle auszunehmen scheint, in denen Pferde keine Disposition zu dem Rotze zu haben scheinen, wie sub 24 ein Fall hier mitgetheilt wird. Jedes Rotzcontagium hat indess nicht gleiche Infectionskraft, das eine wirkt daher vehementer, schneller, das andere langsamer, gelinder, und wie nicht in jedem Pferde eine gleiche Receptivität für das Rotzcontagium gefunden wird, so hat auch nicht jedes Pferd eine gleiche Reproductivität für dasselbe.
sect;. 635.
Die Modiflcationen des Rotzcontagiums machen' in Beziehung auf ihre Wirksamkeit einen wesentlichen Unterschied und modificiren vielfach in ähnlicher Weise die durch sie hervorgerufene Krankheit. Die Natur der Rotzkrankheit ist sonach häufig und in mancher Be­ziehung abhängig von der Natur des sie erzeugenden Contagiums, wie umgekehrt die Natur des letztern in der Regel modiiicirt wird durch die Verschiedenheit der dasselbe erzeugenden Krankheit. Weitere Modiflcationen des Contagiums und seiner Wirksamkeit aber hängen auch ab von der Disposition und Constitution, von den Lebensverhältnissen etc., der inficirten Individuen und von den auf sie einwirkenden äussern Einflüssen. Die Wirksamkeit des Conta­giums und die Folgen derselben richten sich aber auch noch weiter
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nach der Art der Infection, denn der Erfolg ist verschieden, je nach­dem das Contagium in grosser oder geringer Quantität, in concentrir-tem oder verdünntem Zustande, übertragen und aufgenommen wird ; er ist verschieden, ob eine locale oder allgemeine, ob eine äusserliche oder innerliche Infection stattfindet. Der Erfolg ist ferner verschieden nach der Oertlichkeit der Infection, denn es macht einen Unterschied, ob diese stattfindet in der Ferne oder Nähe von blut- und nerven­reichen , sehr thätigen oder weniger lebensthätigen Organen; ob sie auf der äussern Haut, den Schleimhäuten, den Lungen, ob sie an der Nase oder den Geschlechtstheilen, ob sie im Blute direct, in den Lymphgefässen oder in den Verdauungseingeweiden stattfindet, ob das Contagium nur auf einer, oder auf beiden Seiten zugleich auf­genommen wird. Hiernach wird die Eotzkrankheit entweder als eine rapide, acute und fieberhafte, oder als eine chronisch fleberlose verlaufen ; sie wird als eine locale oder allgemeine Krankheit auf­treten ; sie wird sich als eine Krankheit zeigen, die nur eine Körper­hälfte, oder beide zugleich einnimmt, die in eben so vielen Fällen auf der rechten, wie auf der linken Seite ihren Sitz hat; wir werden hiernach den äussern oder innern Eotz, den Rotz der äussern Haut, der Nase, der Lungen, der Digestion oder der Geschlechtstheile haben etc. *)
sect;. 636. Die Dauer der Incubation nach stattgefundener Infection ist eine sehr verschiedene beim Rotzcontagium, es richtet sich dieselbe nach derNatur des Contagiums, ebenso, wie nach der Art der stattfindenden Infection; sie richtet sich ferner nach der Individualität des inficirten Thieres, nach seinen Lebensverhältnissen, seiner diätesischen Pflege und nach etwa mehr oder weniger einwirkenden Ursachen. Danach ist der Zeitpunct des Ausbruchs der Krankheit nach keiner Infection des Rotzcontagiums mit Bestimmtheit voraus zu sagen. Oft bleibt daher das Rotzcontagium im Organismus lange Zeit latent, denn es kommen Fälle vor, wo die Krankheit Monate lang**), ja es sind be­reits solche beobachtet, wo sie erst Jahr und Tag nach der Infection zum Ausbruche kam. In der Regel pflegt die Krankheit innerhalb 14 Tagen nach der Infection auszubrechen, und es sind schon Fälle beobachtet, wo dies innerhalb 2 bis 3 Tagen stattfand.
sect;. 637. Das Contagium ist die häufigste Veranlassung zur Fortpflanzung der Rotzkrankheit. Die Uebertragung desselben geschieht unzweifel-
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*) Analoge Beobachtungen bei den Schafpocken, der Rinderpest, der Lungenseuche etc. bestätigen dies.
•*) Magazin für die gesammte Thierheilkunde, 16. Jahrg., 3. und 4. Heft, pag. 311.
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haft am häufigsten von Pferd zu Pferd durch gegenseitige Berührung. Aber auch durch die verschiedensten Medien pflanzt sich der An­steckungsstoff fort, und so ist in den Fällen, wo derselbe eine flüchtige Natur annimmt, (s. den 2. Fall), die Luft in inficirten und geschlosse­nen Räumen eins der häufigsten und gefahrlichsten Medien für die Fortpflanzung und Verbreitung des Eotzcontagiums. Die Beobach­tung, dass das Contagium sich auch in freier Luft als flüchtiges Agens gerirt und hier durch dieselbe fortgepflanzt werden kann, ist, unsers Wissens, bisher nicht gemacht worden. Die darüber gemachten Be­obachtungen, dass die Stallluft den Ansteckungsstoftquot; aufnimmt und fortpflanzt, beziehen sich immer auf solche Fälle, wo in einem ge­schlossenen Baume die Rotzkrankheit lange fortbestanden und in der gegebenen Zeit eine grössere Zahl von Pferden befallen hat; in alten baufälligen, sehr porösen Localen, wo der fixe Ansteckungsstoff überall haftet und nie gründlich entfernt werden kann, in deren Poren und Löchern die Luft stagnirt und nie wechselt; in engen und niedrigen Localien, in denen eine grössere Zahl von Pferden beständig ihren Aufenthalt hat, in denen keine Ventilation, kein entsprechender Luftwechsel stattfindet, in denen beständig eine zu hohe Temperatur und eine zu starke Schwängerung der Luft mit der Ausdünstung der Pferde und den Exhalationen der Excremente stattfindet und welche (Temperatur und Ausdünstung) sich besonders die Nächte hindurch, bis zum übermässigen, fast unerträglichen Grade steigert; wo ferner die Natur der Krankheit sich zum typhösen, nervösen und putriden Character modiflcirt und die Receptivität der Individuen zu einem ungewöhnlich hohen Grade sich entwickelt, wo oft junge Pferde ihren Aufenthalt haben und wo alle sonstigen Verhältnisse, wie namentlich Wartung, Pflege, Alter, Abstammung, Ernährung etc. in den Thieren eine Prädisposition herausbilden. (S. 2. und 3. Fall).
sect;. 638. Die weiteren Medien, welche den fixen Ansteckungsstoff auf­nehmen und fortpflanzen, sind die mit dem Contagium beschmutzten und imprägnirten Finger und Kleidungsstücke der Stallleute und Wärter; ferner in den Ställen und Koppeln, auf Weiden etc. frei umherlaufende Füllen und Pferde, welche entweder selbst rotzig sind oder doch das Rotzgift von einem Individuum zum andern tragen. (S. 27. und 29. Fall). Ferner das Stallungeziefer, Ratten und Mäuse; ferner die Pferdegeschirre, Sattel-und Zaumzeug, Decken, Putzzeug, Halftern, Wassereimer, Wagendeichseln etc.; fern er Ställe und besonders die Gast- und Krugställe, und in diesen besonders wieder Krippen, Raufen und Fussböden; ferner der Dünger, die Streu und das Rauffutter etc. — Alle diese Gegenstände sind daher bei ausbrechendem Rotze sorgfältig zu hüten und bei derDeainfection scharf ins Ausre zu fassen.
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sect;. 639. Alle diese Medien nehmen den Ansteckungsstoff' des Rotzes in der einen und andern Weise auf, und durch sie findet die Verschleppung und Verbreitung der Krankheit auf die mannigfachste und oft unglaub-
fnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; lichste Weise statt, so dass dieselbe dadurch zu einer allgemeinen
•^nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; oft weit verbreiteten Seuche und zu einer der gefährlichsten und
schädlichsten Landescalamitäten werden kann , wie dies bereits viel­fach geschehen ist. Wenn in frühern Jahren das Misskennen der contagiösen Natur des Rotzes vorzugsweise die Ursache seiner Ver­breitung in manchen Ländern war, wie z. B. 1776, 1807 und 1808 in Frankreich und später in Belgien (cf. gsect;. 137, 138 und 139), 1810 — 1816 in Oesterreich, namentlich in Ungarn (cf. sect;sect;. 140—147) so haben doch auch andere Ursachen, wie Unwissenheit, Indolenz, Fahrlässigkeit, Gewinnsucht und Gwissenlosigkeit im Handel und
|' jnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Marktverkehr etc. nicht minder in vielen Fällen, nachdem man längst
schon über die contagiöse Natur der Krankheit einig war, dahin ge-Jnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; wirkt, dass der Rotz sich zur allgemeinen Seuche ausbreitete und
mehr oder weniger die Dimensionen einer allgemeinen Landes-calamität annahm, wie dies z. B. 1823 in den Gestüten Bessarabiens, l(nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1832 unter den Armeepferden Hollands, 1835 und 1836 in Mecklen-
burg, 1838 und 1839 in Sachsen und in häufigen Fällen in vcrschie-
'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; denen Provinzen unter Privatpferden und den Pferden der Armee
so wie der Remontedepots in Preussen vorgekommen ist. Solche und ähnliche Erscheinungen, solche Beschädigungen des Privat- und Staatseigenthums, solche Gefahren für Gesundheit und Leben der
iiij #9632;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Menschen, wie sie daraus hervorgehen, können und dürfen bei einer
genügend wissenschaftlichen und practisehen Kenntniss der Krankheit, bei Umsicht und Aufmerksamkeit, bei einer in dieser Beziehung ent­sprechend geregelten Gesetzgebung und bei richtiger und präciser Handhabung der Veterinärpolizei, nicht vorkommen, sie sind unter allen Umständen zu vermeiden, und wo dies nicht geschieht, liegt der Fehler nie in der Krankheit selbst.
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sect;. 640. Das Contagium der Rotzkrankheit ist somit ein sehr gefährlicher Stoff, der jede Nichtbeachtung schwer rächt und der selten unge­straft mit sich scherzen lässt. Das Contagium ist in sehr vielen Fällen schon vorhanden, bevor man die Existenz der ausgebildeten Rotz­krankheit vermuthet und als vorhanden zugestehen will; es hat sich bereits verbreitet und seine Opfer erfasst, bevor man seinen Herd, seine Quelle ahnt; es ist bereits bei Pferden in grösserer Zahl die vollständig ausgebildete Rotzkrankheit constatirt, und man ahnt noch nicht die Ursache derselben, welche das Contagium ist, das von einem ganz unscheinbar erkrankten Pferde ausgeht und verbreitet
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wird , einem Pferde, das man nicht für rotzkrank halten zu müssen glaubt, weil seiner Krankheit theilweise diejenigen Symptome fehlen, die man als die pathognomonischen Kennzeichen des Rotzes in allen Lehrbüchern etc. hinstellt und, bei denen die Rotzgeschwüre oben an stehen. Es kpmmen Fälle vor, in denen erkrankte Pferds unter stets sich gleichbleibenden Erscheinungen, ganz unscheinbare Kenn­zeichen eines einfachen lymphatischen Drüsenleidens an sich tragen, die in Monaten ja in Jahren eine kaum bemerkbare Veränderung eingehen. Man findet die Krankheit so unerheblich, dass man nicht absondert, nicht trennt. Es werden Pferde, die mit jenen in Be­rührung kommen, rotzig, diese werden abgestellt und neue, die mit ihnen in Berührung kommen, werden rotzig, und so fort. So kann die Krankheit Jahre fortschleichen, sich in stets weitern Progressionen radien weise ausbreiten und Dimensionen annehmen, in welchen ganze Gegenden inficirt und ganze Länder gefährdet sind, während der Herd, die eigentliche Quelle, unerkannt und unentdeckt ist, weil der krankhafte Zustand sich um nichts in seiner Unscheinbarkeit ge­ändert hat. Also das Contagium des Rotzes ist da, wo man dasselbe nicht sucht, nicht finden zu können glaubt, denn das Pferd, von welchem es ursprünglich ausgeht und noch fortentwickelt und immer weiter fortgepflanzt wird, gilt nicht für rotzig, weil es die vorge­schriebenen Symptome nicht zeigt, seine Krankheit ist unscheinbar, aber sie ist um nichts ungefährlicher; die Krankheit ist in der Heilung und wird schliesslich geheilt, indess das Contagium besteht, bevor nicht die Heilung vollständig gelungen ist, in ungeschwächter Kraft fort, und die von ihm inficirten Pferde werden in grosser Zahl für rotzkrank erkannt, und so kommt es sehr häufig, dass inficirte Pferde für rotzig erkannt und behandelt werden, während diejenigen, von denen sie inficirt wurden, noch lange nachher für nicht rotzig gelten. (S. den 3., 17., 27., 28. und 34. Fall).
sect;. 641.
Wenn wir aus diesen Verhältnissen den Beweis schöpfen müssen, wie unvollkommen unsere Wissenschaft in Beziehung auf die dia­gnostische Erkennung der Rotzkrankheit ist, so müssen wir anderer­seits auch eine Belehrung darin dafür finden, wie gefährlich das Contagium und wie schwierig und verwickelt die richtige Beurtheilung der Krankheit ist, und welche practisehen Erfahrungen sie in allen Fällen, neben den gründlichsten wissenschaftlichen Kenntnissen, erfordert. Andererseits aber erhalten wir hierin den Beweis, wie leicht es ist, dem Irrthum bei dieser Krankheit zu verfallen und wie nicht minder gefahrvoll und schädlich ein Verkennen derselben wer­den kann. Der Uebelstand und die Schwierigkeit liegt in der Eigen-thümlichkeit der Natur der Krankheit, in der Verhüllung und Maske
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unter der sie oft auftritt, in der Verstecktheit ihres Wesens, mit der sie uns oft entgegentritt, in der grossen Verschiedenheit ihrer Dauer und ihres Verlaufs, in der nicht minder grossen Verschiedenheit und Mannigfaltigkeit ihrer Symptome, Formen und Modiflcationen. Eins indess muss festgestellt und hier ausgesprochen werden, dass, sobald die Krankheit die contagiöse Natur angenommen hat, vermöge derer sie bei andern gesunden Pferden die Rotzkrankheit hervorruft, sie selber nichts Anderes sein kann und ist, als der Rotz, gleichviel unter welchen anderweiten Erscheinungen, Symptomen und Modiflcationen sie auftritt.
sect;. 642.
Es wird hiernach nicht zu verkennen sein, wie wichtig und wesentlich eine richtige Beurtheilung der Rotzkrankheit in allen Fällen ist, eben so wichtig in offlcieller, wie in privater, in polizei­licher, wie in gerichtlicher Beziehung, und wie nur sie allein den Staat vor einer der gefcährlichsten Calamitäten schützen kann, so verhilft sie andererseits allein dem Beschädigten zu seinem wahren Recht. Eins muss aber hier als unabweisliche Nothwendigkeit hin­gestellt werden. Da nicht Jeder, der für einen Sachverständigen gilt oder sich selbst dafür hält, die Befähigung besitzt, die Rotzkrank­heit richtig zu beurtheilen, noch weniger aber den Moment festzu­stellen , in welchem sie die contagiöse Natur annimmt, so muss um so mehr ein Jeder es als eine Pflicht gegen sich selbst und gegen Andere, wie auch gegen den Staat, erachten, dass er jedes erkrankende Pferd, dessen Krankheit nur einige der allgemein bekannten Symptome der Rotzkrankheit an sich trägt, die also mit dieser immerhin einige, wenn auch nur entfernte Analogieen zeigt, also den leisesten Verdacht erregt, dass es die Rotzkrankheit oder eine ähnliche sein oder werden könnte, sofort vollständig isolirt und ausser jeder Gemeinschaft mit andern Pferden setzt. —
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7. Capitel. Die Fathogenese und Diagnose des Rotzes.
sect;. 643.
Alle diejenigen Krankheitszustände des Pferdes, welche bei diesem Thiere schliesslich in Rotz übergehen und enden, bilden in ihrer Gesammtheit einen so verwickelten Complex von Krankheits­bildern, dass es in der That höchst schwierig, ja kaum möglich wird, darüber eine wissenschaftliche, überall stichhaltige und zutreffende, erschöpfende genetische und diagnostische Darstellung zu geben. Darum aber auch findet in Betreff der Krankheit, die wir unter Rotz
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begreifen, jene chaotische Verwirrung, jener vielfache technische Widerspruch um so mehr statt, als sie sowol nach ihrem Sitz, ihrer Form, ihrer Natur, ihrer Genesis, ihren diagnostischen Kennzeichen, Ursachen etc., die mannigfachsten Verschiedenheiten und Gegen­sätze darbietet. Es ist in der That ein nicht geringes Unternehmen, dieses Chaos von Verschiedenheiten und Gegensätzen dennoch in einem gewissen System wieder zu finden und damit den Begriff jener Krankheit in einer Einheit und an einem festen und sichern Halt immer wieder zu erkennen. Wir haben bisher für den Begriff der Rotzkrankheit kaum eine sichere und feste Grundlage, kaum einen bestimmten Anhalt; wir haben nichts, was uns bestimmt und sicher andeutet: - hier ist der Rotz, hier ist er nicht. — Das Einzige was die Wissenschaft in dieser Beziehung bisher gelehrt hat, ist die Er­kennung und Feststellung des Rotzes durch die Existenz gewisser chancröser Geschwüre, welche sich entweder auf der Schleimhaut der Nase, oder auf der Cutis bilden und nachweisen lassen. Wo sie vorhanden sind, ist Rotz, wo nicht, ist kein Rotz. Abgesehen davon, dass solche Lehre, ohne wissenschaftliches Fundament, jeder Wissen­schaft unwürdig, dass sie rein empirisch ist, so werden wir aus den in dieser Schrift bis hierher gelieferten Thatsachen schon erkennen müssen, dass solche Diagnose uns in den meisten Fällen arg im Stiche lässt und uns vielfach in ein gefahrliches Dilemma bringt, was sich in dem weitern Verfolg unserer Darstellung noch vollständiger herausstellen muss. Es ist nicht zu verkennen, dass, wenn wir jene Geschwüre als alleiniges bestimmendes diagnostisches Merkmal des Rotzes fallen lassen wollen, öftere Irrthümer eintreten müssen ; in­dem Pferde für rotzkrank erkannt werden, die es nicht sind. Doch, abgesehen davon, dass auch jene Geschwüre verkannt werden, und dadurch in dieser Art von Diagnose nicht selten Irrthümer auftreten, so würde bei jeder andern wissenschaftlich diagnostischen Feststellung der Rotzkrankheit der Irrthum damit auf sein Minimum beschränkt werden können, wenn jeder legale Sachverständige für seine Diagnose der Rotzkrankheit in allen Fällen einer gesetzlichen Verantwortung unterworfen würde, was eben so wenig gegen das allgemeine Natur-recht, wie gegen gewisse Analogieen des positiven Rechts streitet.
sect;. 644.
Wir wissen aber bereits, dass bei der vielgestaltigen Natur der Rotzkrankheit und aus anderen theils zufälligen, theils wesentlich Ver­hältnissen hervorgehenden Veranlassungen, jene sogenannten Rotz-geschwflre in sehr vielen Fällen, bei vollständig vorhandener Existenz der Rotzkrankheit, entweder gar nicht vorhanden,' oder doch, ihres örtlichen Sitzes wegen, am lebenden Thiere äusserlich nicht zu er-
mitteln sind. In allen solchen Fällen nun
ist die Verlegenheit und
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der Zweifel des urtheilenden Sachverständigen durch die Geschwiirs-theorie und Diagnose provocirt, und er begeht allemal einen Irrthum, wenn er die Rotzkrankheit nicht constatirt. Solehe Irrthümer müssen aber unter den gegebenen Umständen täglich vorkommen und kommen vor, und es ist keine Frage, dass in jedem einzelnen Falle der nega­tive Irrthum, wo bei der Existenz des Rotzes das Vorhandensein des­selben verneint und dafür ein anderer Krankheitsznstand substituirt
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wird, in jeder Beziehung weit mehr Gefahren und Nachtheile im Ge­folge hat, als der entgegengesetzte, wo ein anderer Krankheitszustand
für Rotz erkannt wird, was immer noch bei ausreichend technisch wissenschaftlicher Bildung und Erfahrung, bei Vermeidung jeder Uebereilung seitens des nrtheilenden Sachverständigen, verhütet werden kann. fc*f.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;. 645.
Von so vielen Seiten wir auch die Rotzkrankheit beurtheilen können und müssen, so weit auch die verschiedenartigen Ansichten und Auffassungen darüber auseinandergehen, an einem Punctemüssen sie übereinkommen, und dies ist die serophulöse Natur des Rotzes. Wir erkennen in jedem Krankheitszustande, dem eine lymphatische Diathese zum Grunde liegt, oder der sich mit einer solchen complieirt, also in jeder lymphatischen Dyskrasie, also auch in lymphatischen Effluvien und Lymphdrüsengeschwülsten, gleichviel ob sie idiopatisch, deuteropatisch oder symptomatisch, ob sie primitiv oder consecutiv ent - und bestehen, ob sie sich mit andern pathologischen Zuständen compliciren oder nicht, die serophulöse Natur, und finden diese jedes­mal in der einen oder andern Weise im Rotze vertreten. Wo wir also den Rotz zu constatiren haben, müssen wir vor allen Dingen serophulöse, d.h. lymphatische Erscheinungen vorfinden und erkennen, mögen dieselben nun in Geschwüren , Drüsengeschwülsten , Lymph-gefassanschwellungen, lymphatischen Ausflüssen, oder Tuberkeln be­stehen. Jede Form des Rotzes, jedes Stadium desselben muss von Erscheinungen dieser Art begleitet sein ; so lange dies nicht der Fall ist, haben wir es nicht mit Rotz, sondern immer noch mit einem andern Krankheitszustande zu thun. Wo wir also Rotz zu constatiren haben, müssen zunächst Ivmphatische AfFectionen nachgewiesen sein.
sect;. 646. Hier würde nun die Frage entstehen : Nennen wir denn jede Scrophulosis des Pferdes Rotz, und wo ist die Grenze zwischen der genuinen, indifferenten und einfachen Scrophulosis und dem delete-rischen Rotze, wo hört jene auf, und wo fängt sie an ? — Die Schwierigkeit der'Beantwortung dieser Frage muss einleuchten, doch dürfen wir uns von ihr um so weniger abschrecken lassen, als diese Festsetzung in wissenschaftlicher Hinsicht eben so lehrreich und in-
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teressant, wie sie in polizeilicher und forensischer Beziehung noth-wendig ist.
sect;. 647. Die Scrophulosis erscheint beim Pferde, wie wir in der II. Abth. dieser Schrift gesehen haben, in gar vielerlei Gestalten und Formen, die den verschiedensten Verlauf nehmen und sich unter den mannig­fachsten Symptomen zu erkennen geben. Nun ist aber nicht jede Scrophulosis Rotz, und wir haben Scrophelformen, die Jahre lang be­stehen , ohne dass sie die Natur und den Character des Rotzes an­nehmen. Es sind dies vorzugsweise die im jugendlichen Alter vor­kommenden Digestionsscropheln. Um nun aber über die Schwierig­keit jener Frage hinwegzukommen, müssen wir uns an die Natur und den Character des Rotzes halten. Beide liegen aber vorzugsweise In einer specifischen Dyskrasie, die ihren Grund wieder in einer speci-fischen chemischen Mischung der Lymphe hat, deren Wesen in einem specifischen basischen Princip zu bestehen scheint. Wir würden also nach dieser Definition diejenige lymphatische Dyskrasie als Rotz zu constatiren haben, welche ein specifisches basisches Princip erzeugt, resp. zur Grundlage hat, welches die Natur eines Contagiums besitzt, d. h., welches, sobald es in einen gesunden Organismus übertragen wird, sich vollständig regenerirt. Da aber wahrscheinlicherweise auch in andern Krankheiten die Säfte zuweilen eine basische Be­schaffenheit annehmen, so genügt bei der diagnostischen Frage des Rotzes der blose Nachweis ihrer basischen Natur nicht, es wird vielmehr erforderlich, dass zugleich die specifische Natur jenes Princips, welches allein der Rotzkrankheit eigen ist, nachgewiesen wird. Doch hat dies zuvörderst noch die Chemie festzustellen, und hat daher letztere zunächst jene Frage zu beantworten. (S. 361).
sect;. 648. Die Rotzdyskrasie giebt sich als solche zunächst zu erkennen in ihren Rückwirkungen auf gewisse Organe und deren Substanz, und damit zugleich auf die von solchen ausgehenden Lebensfunctionen. So interessant und wichtig aber das Erkennen des Wesens jener Dyskrasie an und für sich ist, und so vollständig dasselbe zur diagno­stischen Feststellung der Krankheit wissenschaftlich ausreichen mag, was übrigens hier keineswegs behauptet werden soll, so ist das Moment der richtigen Beurtheilung und Erkennung der Dyskrasie, beziehent­lich ihrer specifisch chemischen Qualität, für die practisehe Diagnose keineswegs ausreichend, insofern jene Erkennung nicht allein den mannigfachsten Täuschungen und Irrthümern unterliegen kann, sondern dieselbe auch immer mit vielfachen Schwierigkeiten und Weitläufigkeiten verknüpft ist, welche im gewöhnlichen practischen Leben nicht durchweg überwunden werden können, abgesehen davon,
Grdt, Rotzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 23
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dass die Frage chemisch noch nicht gelöst ist. Es wird mithin jenes
|nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Moment vorläufig nur seine wissenschaftliche Bedeutung behalten, und
* *nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;in practischer Beziehung wird es eben nur als unterstützend, unter
Umständen, und besonders in sehr zweifelhaften und streitigen Fällen,
anzusehen sein. —
1nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;. 649.
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Die Rotzkrankheit ist, wie wir wissen, contagiös, und somit giebt ihre eontagiöse Natur, also die Existenz des Kotzcontagiums, ein
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zweites Moment für ihre diagnostische Erkennung. Hier werfen sich
indess einige Fragen auf, und muss die Beantwortung derselben, nach Beurtheilung der Bedeutung und Wichtigkeit jenes Momentes für die practische Diagnose der Krankheit, voraufgehen.
1.nbsp; nbsp;Ist jede Rotzkrankheit, jede Form und jedes Stadium der­selben contagiös ?
,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Wir müssen diese Frage zwar bejahend beantworten, doch kann
dies nicht ganz bedingungslos geschehen. Abgesehen davon, dass das Contagium in seinen Eigenschaften sehr variirt, so setzt es bei Pferden, Menschen etc. immer eine gewisse Disposition voraus, wenn es, auf solche übertragen, wieder den Rotz erzeugen soll. Es existirt mithin ein Contagium des Rotzes nur für solche Individuen, die für die Krankheit disponirt sind, für diejenigen Jagegen , welche keine Dis­position zum Rotze haben, (s. 24. Fall) existirt ein solches nicht. — Das Contagium des Rotzes erzeugt aber nur dann dieselbe Form der Krankheit nach Infectionen, wenn es ein Product der scrophulösen
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Rotzform ist. Keine andete Rotzform regenerirt sich als solche durch ihr Contagium, sie wird nach Uebertragung desselben immer zur scrophulösen Form. Aber auch Character und Verlauf der Krank­heit pflanzen sich nur selten durch das Contagium fort, wir finden
gerade hier den grössten Wechsel der Erscheinungen, wie wir dies bereits im vorigen Capitel gesehen haben. Nicht minder wechseln und sind verschieden der Sitz, die Extensität und Intensität der äussern Symptome, namentlich der destructiven Processe der Krank­heit, zwischen dem Individuum , welches das Contagium producirte und dem, auf welches dasselbe übertragen wurde. (S. Cap. 6).
2.nbsp; In welcher Zeit nach der Infection zeigt das Contagium in j 4 dem inficirten Individuum sich wirksam ?
Diese Zeit ist in keiner Weise bestimmbar; in dem einen Indi­viduum kommt das Contagium sehr schnell und binnen kurzer Zeit zur Wirksamkeit, in dem andern bleibt es Wochen und Monate lang latent (s. sect;. 635). Dieser Umstand giebt zu den mannigfachsten Täuschungen über die Contagiosität des Rotzes Veranlassung.
3.nbsp; In welcher Form und Beschaffenheit, unter welchen Um­ständen, von welchen Organen, Gebilden oder Säften, in
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welcher Quantität und in welcher Ausdehnung muss das Contagium aufgenommen werden, wenn es wirksam sein soll ?
Auch für diese Frage giebt es eine bestimmte Antwort nicht, sie muss sich nach den Verhältnissen richten die in sect;sect;. 634 und 636. möglichst ausführlich angedeutet sind.
Es ist demnach die Contagiosität der Rotzkrankheit ein Criterium, welches zwar in wissenschaftlicher Beziehung eine hohe Wichtigkeit besitzt, aber in practischer Hinsicht für die Diagnose einen ungleich geringern Werth hat, indem seine Erkennung selbst oft sehr unsicher und eben so zweifelhaft ist, wie in manchen Fällen die Krankheit. Die Feststellung der Krankheit durch den Nachweis ihrer Coi:ta-giosität, würde überdem jederzeit zu grosse Opfer und Zeit erfordern, daher schon nicht immer practisch sich ausführen lassen. Es hat demnach dieses Criterium nur a posteriori einen practisch diagnostischen Werth , also in den Fällen, die absolut zweifelhaft sind, wo aber be­reits andere Individuen infieirt und offenbarer Weise rotzkrank ge­worden sind.
sect;. 650.
In practischer Hinsicht müssen wir daher bei der diagnostischen Feststellung der Krankheit immer wieder zu den Rückwirkungen der Rotzdyskrasie auf die organischen Substanzen, auf die Resultate ihrer Bildungs- und Zerstörungsprocesse, so wie auf die hieraus hervor­gehenden Störungen gewisser Lebensfunctionen, zurückgehen und schliesslich immer daraus wieder die Diagnose der Krankheit ableiten. Bevor wir indess hierauf specieller eingehen, müssen wir zunächst den genetischen Gang der Krankheit verfolgen.
sect;. 651. Der genuine Rotz entsteht aus besondern veranlassenden Ur­sachen, es können dies äussere oder innere sein ; der Infectionsrotz entsteht nach Aufnahme des specifischcn Rotzcontagiums in den Or­ganismus. Welcher Art die Ursachen auch sind, wo Rotz entsteht, da muss jederzeit eine specifische allgemeine, oder locale Säfteentmischung statt finden, die entweder die Lymphe selbst betrifft oder sich ihr doch mittheilt, die dann, mit der Lymphe zu den Drüsen gelangend, diese wiederum in specifischer Weise degenerirt, so dass ihre Functionen gänzlich aufgehoben werden. Wir sehen so den genuinen Rotz oft nach ganz einfachen Erkältungen, nach ganz einfachen, selbst localen, Krankheiten entstehen,immerabermüssen sie eine gewisse specifische Säfteentmischung bewirken. Dagegen sehen wir häufig bei allgemein, heftig und andauernd einwirkenden ähnlichen äussern Ursachen, eben so bei allgemeinen und bedeutenden Krankheitsznständen, bei um­fangreichen organischen und intensiven Störungen, selbst bei Destruc-tionen der die Säfte bereitenden Organe, wie der Lungen, Leber etc.
23*
.
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356
Hi
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bei Störungen jeder Art im Digestionsapparat, in der Ernährung, im Nervensystem, den Schleimhäuten der Cutis etc., ja selbst nach Krank­heitender Säfte, Sepsis und Kachexieeu etc., den Rotz nicht entstehen. Dieser Unterschied ist auffallend und eigenthümlich, und er zeigt uns mehr wie jeder andere Umstand, eigentlich so recht die specifische Natur der Rotzdyskrasie. Nun entwickelt sich aber unter allen diesen Verhältnissen der Rotz, er sei genuiner, oder lufectionsrotz, in sehr verschiedener Weise, bald sehr schnell, bald sehr langsam ; wir sehen inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;hier in der Entwickelung sowol, wie im Verlauf, eine Unzahl von
Abstufungen, bis zu den äussersten Extremen. Die Krankheit kann in 24 Stunden bis zum höchsten Stadium entwickelt sein, dahin aber auch erst nach Jahr und Tag gelangen. Im letztern Falle aber ist sie häufig schon lange vorher contagiös, bevor sie als Rotz erkannt wird.
:*:
sect;. 652.
i ; 'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die genuine Entwickelung des Rotzes erfolgt:
1.nbsp; aus den Einwirkungen gewisser veranlassender Ursachen laquo;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; auf die Venlauungsorgane, also auf dem Wege der Di-
'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;gestion, durch Erzeugung eines anomal zusammengesetzten
Chylus;
2.nbsp; aus den Einwirkungen der veranlassenden Ursachen auf 4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; die Respirationsorgane, also auf dem Wege der Respiration,
durch anomale Blutbildung;
3.nbsp; aus andern Krankheiten, wie aus chronischen Catarrhen, j: ,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; septischen und andern Dyskrasieen ; aus venös putriden und
typhösen Krankheiten überhaupt, aus exanthematischen
Zuständen , fauligen und jauchigen Geschwüren , aus Pu-
ianbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;trescenz gewisser Organe und Substanzen des Organismus,
aus stagnirenden Extravasaten und zurückbleibenden Säften u. s. w., indem die pathischen Produote solcher Krank-heitszustände und die chemisch zersetzten, anomalen Stoffe
m^
von den Capillaren aufgesogen und primär entweder dem Blute in den Venen, oder der Lymphe zugeführt werden,
also auf dem Wege der Resorption, durch Entmischung oder anomale Mischung der Säfte, d. h. des Blutes; oder sect;'#9632; jtnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; der Lymphe, oder beider zugleich.
Die Entwickelung des Infectionsrotzes erfolgt, nach Aufnahme des Rotzcontagiums in die Säfte, direct, oder durch Schleimhäute, durch die Lungen, die Verdauungseingeweide, die Cutis etc., und es wird das Contagium primitiv übergeführt, entweder
1.nbsp; nbsp;in die Blutmasse,
%c:
2.nbsp; nbsp;in die Lymphe, oder
3.nbsp; nbsp;in beide zugleich.
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357
quot;sect;. 653.
Die spontane Entwickelung der Rotzkrankheit sub 1 giebt sich in der Regel unter anfangs ganz unscheinbaren Functionsstörungen in der Digestion zu erkennen, indem bei eher gesteigertem , als ver­mindertem Appetit die Ernährung eine gewisse Anomalie in sofern zeigt, als der Stoffwechsel in Nerven, Muskeln, Knochen etc., leidet; eine gewisse Trägheit und Verminderung der Irritabilität, Energie und Ausdauer tritt ein, und es findet sich, bei eventuellem Fortbe­stehen des glattanliegenden und glänzenden Deckhaares eine ver­stärkte Fettablagerung. Die Schleimhäute des Darmkanals lockern sich auf und werden verdickt, sie sondern vermehrt eine krankhafte Schleimmasse ab, die sich, theils an den Kothballen haftend, sie über­ziehend, theils in gesonderten Flocken, Fäden und Lappen sich unter ihnen zeigt. Auch erweist sieh wol am Kothe die Verdauung als geschwächt, indem in demselben schlecht oder gar nicht verdaute Partikeln der aufgenommenen Nahrungsmittel zu finden sind. Die Mesenterialdrüsen schwellen und verhärten , indem sie ihr körniges Gefiige verlieren das in eine gleichförmige, speckartige Masse zu-sammenfliesst, in welcher sich hin und wieder Tuberkelmassen ab­lagern. Die in dieser Weise pathologisch veränderten Digestions­organe bereiten, bei eingetretener Atonie und träger peristaltischer Bewegung, einen Chylus, welcher in seinen physischen und chemi­schen Mischungsverhältnissen und Eigenschaften wesentlich verändert ist. Derselbe ist namentlich hyperalbuminös und enthält wahrschein­lich Antheile derjenigen Stoffe im rohen Zustande, welche, in den Nahrungsmitteln etc. vorhanden, den Krankheitsprocess hervorrufen, also in den meisten Fällen Schimmelpilze. Ausserdem aber ist es fast unzweifelhaft, dass der Chylus einen starken basischen üeberschuss enthält und hierin einestheils das Moment der Verhinderung regel-mässiger Zellenbildung, wie die Ursache der successive sich ausbilden­den Leukaemie und Leucocythosis liegt, welche später in der bleichen Farbe der Schleimhäute und der blässern' Beschaffenheit des Blutes sich ausspricht, wie sie überhaupt microscopisch nachzuweisen ist. Der Chylus erhält durch diese Verhältnisse aber eine stärkere Con-sistenz und somit eine trägere Bewegung, er tritt um so roher und unfertiger in die Blutmasse über, als die Chylusdriisen degenerirt sind und ihre Function an der Chylusbildung nicht mehr vollziehen können.
sect;. 654.
Dieser, in das venöse Blut übertretende, wesentlich normale Chylus verursacht nach und nach eine stärkere Consistenz jenes Blutes, welcher Umstand mit der eintretenden und successive sich steigernden Verminderung der Irritabilität der Faser, also auch des Herzens und der Gefässe zugleich, zunächst einen trägern und kraftloseren Umlauf
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des Blutes in der Sphäre des kleinen Kreislaufs verursacht. Da aber jene Ursachen mittelbar, aber sofort, in den grossen Kreislauf über­
gehen , so tritt auch hier die Schwächung und Verlangsamnng des Blutuinlaufes sehr bald ein, welche sich zwar nicht in einem retar-dirten, unregelmnssigen oder aussetzenden, wol aber in einem vollen, weichen, kriechenden, langhinziehenden Pulse manifestirt, dessen naturgemässe nächste Folge eine Beschränkung des Blutzutrittes zu den Ernährungscapillaren, mithin ein Mangel der Assimilation, also Inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;des Stoffersatzes, ist.
sect;. 655. Ernährung und Verwesung treten hiermit beim Beginn der Krank­heit in Disharmonie, während jene schon vermindert ist, besteht diese noch ungeschwächt fort, so lange bis das animalische Leben in seiner s,|nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Gesammtheit an Intensität überhaupt verliert. Indess nehmen die
venösen Capillaren bis dahin, wo Ernährung und Verwesung wieder successive sich ins Gleichgewicht setzen, eine verhältnissmässig grössere Menge zerfallener Körperstoffe auf, als aus dem arteriellen Blute an die verschiedenen organischen Gebilde abgesetzt werden. Unzweifelhaft erzeugt sich auf diese Weise sehr bald eine gewisse Ueberfülle an Nährstoffen , namentlich an Albumin und basischen, anorganischen, zur Ernährung, namentlich der Knochen, bestimmten, tnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;aber nicht verwendeten, Substanzen, in der ganzen Blutmasse, welche
nicht in gleichem Maasse durch die ausscheidenden Organe entfernt werden. Die hierdurch gesteigerte Consistenz des Blutes und die jnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;damit in Verbindung stehende Verlangsamung des Kreislaufes des-
selben , veranlassen Stasen des Blutes und damit Tuberkelbildungen. Diese sind vorzugsweise Depositionen der basischen, anorganischen #9632;)gt;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Ueberschüsse im Blute.
sect;. 656. Der albuminöse Ueberschuss des Blutes dagegen, welcher seine naturgemässe Verwendung zur Ernährung nicht findet, welcher eben so wenig mit den Excretionen ausgeschieden wird, scheint, so lange der Digestionsprocess noch in ungeschwäehter Weise von statten geht, theilweise zur Fettbildung verwendet zu werden, indem sein Stickstoff andere Verbindungen eingeht, in denen er als eine basische jnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Substanz, welche mit überschüssigem, nicht zersetztem Albumin aus
der arteriellen Gefässsphäre in das venöse Blut übergeht, geht mit dem basisch phosphorsauren Kalk, den dieses Blut aus der zerfallenen Knochensubstanz aufgenommen hat, eine bis dahin noch nicht fest­gestellte Verbindung ein, welche die Grundlage der, namentlich in -den Lungen, sich entwickelnden Bluttuberkeln bildet.
sect;. 657.
Wir haben also in diesem Falle, von einer primitiven Verstim­mung der Digestionsorgane ausgehend, die Präexistenz einer Dys-
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krasie des Chylus als den Beginn und das nächste ätiologische Moment der Weiterentwickelung der Krankheit anzusehen. Dieser Beginn der Krankheit ist die eigentlich reine, einfache scrophulöse Dyskrasie, die in ihrem weiteren Verlauf und in ihren höhern Stadien keine ein­fache Diathese bleibt, sondern sich zu einer complicirten Krankheit mit dem Momente gestaltet, wo die Bluttuberkelbildung beginnt. Mit dem Beginn dieser Tuberkelbildung treten weitere Complicationen ein, die Blutbildung in den Lungen wird anomal, der kleine Kreis­laufwird gehemmt, träge, es entstehen Blutstasen, die Bronchialschleim­häute werden gereizt, sie lockern sich auf, verdicken und secerniren, selber krankhaft afficirt, aus dem dyskratischen Blute ein qualitativ pathisches Product, welches durch die Nase ausgeworfen wird. Theils durch den Reiz dieses Secrets, theils durch Consensus, geht die krank­hafte Affection der Bronchialschleimhaut in der Regel langsam weiter in die Schleimhäute der Luftröhre, des Kehlkopfes der Rachen-, Nasen- und Kopf höhlen über, und auch hier sondern diese ein pathisches Product ab, welches jenen von den Bronchien herkommenden Aus­wurf vermehrt. Verhältnisse, wie besondere Disposition, fortwirkende veranlassende Ursachen , eine besondere alkalische Schärfe, zufällig hinzutret.ende Blennorrhöe etc., oder typhöse Zustände, bewirken schon jetzt in einzelnen Fällen destructive Processe in den Schleimhäuten der Nasen- und andern Kopf höhlen, aus welchem Grunde man viel­fach versucht ist, jetzt schon die Krankheit für Rotz zu erkennen. Jene destructiven Processe, die vorzugsweise in Erosionen der be­treffenden Schleimhäute bestehen und von Aussen kommen und nach Innen gehen, sind keineswegs pathognomonische Kennzeichen der Rotzkrankheit und dürfen nicht mit den eigentlichen Eotzgeschwüren, welche ursprünglich von Innen nach Aussen dringen, -verwechselt werden. Jene Zerstörungen verheilen sehr oft, zuweilen ohne Hin-zuthun jeder Kunst, und hinterlassen dann sternförmige Narben auf den betreffenden Schleimhäuten. Die Krankheit scheint in solchen Fällen zurückzutreten, in Genesung überzugehen; in der That aber macht sie nur einen scheinbaren Stillstand , welcher Monate, ja zu­weilen Jahre, dauert, während welcher Zeit aber ihre Entwickelung ihren zwar sehr langsamen, aber stätigen Fortgang nimmt.
sect;. 658.
Sind bei jenen Erosionen aber zugleich Lymphgefässe zerstört, resp. angefressen , dann fliesst, mit jenem pathischen Schleimhaut-secret gemischt, gleichzeitig Lymphe ab, und, ist auch diese schon in dyskratischer Weise zusammengesetzt, resp. entmischt, was sich aus eigenthümlich geschwollenen und verhärteten Lymphdrüsen im Kehl­gange ergiebt, dann freilich hat der Krankheitszustand schon den entschiedenen Character des Rotzes, und das Verheilen derartiger
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Erosionen dürfte kaum jemals beobachtet worden sein. War dagegen die Lymphe in den gegebenen Fällen bisher noch nicht der dyskrati-schen Entartung unterworfen, so finden sich auch jene speciflschen Drüsenanschwellungen im Kehlgange nicht, und wir haben es noch keineswegs mit dem Kotze zu thun. Dieser kann indess unter den gegebenen Verhältnissen zu einer beschleunigten Entwickelung auf die Weise gelangen, dass die erodirten Lymphgefässe von dem pathi-schen Abfluss aufsaugen, diesen jenen Lymphdrüsen zuführen, wodurch diese gereizt werden, anschwellen und verhärten. Die Lymphe nimmt hierdurch eine scharf dyskratische Beschaffenheit an, staut sich in den Gefässen auf und fliesst durch die zerfressenen Lymphgefässe, mit dem pathischen Ausfluss der Nase vermischt, ab. In solchen Fällen haben wir allerdings ebenfalls die Rotzkrankheit vor uns. Im erstem Falle haben wir den Rotz bei einer Präexistenz der Miliar-tuberkeln; im letztern Falle erscheinen diese conseeutiv, wir haben mithin hier den Rotz, bevor noch Miliartuberkeln vorhanden sind.
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sect;. 659.
Der regelmässige und häufigste Entwickelungsgang des Rotzes ist indess der Art, dass mit der Entstehung der Bluttuberkeln in den
f. *nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Lungen, gleichzeitig Stoffe des dyskratischen Blutes in die Lymph-
gefässe der Lungen übertreten, und sich nach und nach im ganzen Lymphgefässsystem verbreiten. Mit dem Eintritt derselben ifl jene Lymphgefässe, schwellen und verhärten zunächst die Lymphdrüsen der Lungen, es entstehen in Folge dessen Stasen in den peripheri-
1nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sehen Enden der Lymphgefässe, aus denen sich, wie dies a. a. O.
bereits entwickelt ist, die Lymph- (Miliar-) Tuberkeln bilden. Wir
haben es jetzt schon mit dem Rotze zu thun, doch da wir denselben
i*.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;äusserlich nichf erkennen können, so haben wir ihn als inneren Rotz
ijnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;zu bezeichnen, über dessen Existenz uns die Section zunächst Auf-
schluss giebt. Mit der Weiterverbreitung der Dyskrasie im Lymph­gefässsystem, treten zugleich die Anschwellungen und Verhärtungen der Lymphdrüsen in den entsprechenden Körperregionen ein, und wir haben hier die Lymphstasen in den Gefässen des Gesichts, wo sich statt der Lymphtuberkeln die Geschwüre, welches die eigent­
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lichen sogenannten Rotzgeschwüre sind, auf den Schleimhäuten der
Kopfhöhlen, oder auf der Cutis des Gesichts bilden, aus denen die stagnirte Lymphe abfliesst, oder der Abfluss derselben findet statt durch das Parenchym der Schleimhäute, oder die Stagnation der Lymphe findet in den Hautlymphgefässen an andern Körperstellen statt, und wir haben hier die .Stasen der Lymphe in den peripheri-schen Gefässenden, aus denen, statt Lymphtuberkeln, Geschwüre auf
#9658;!(
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; der Cutis entstehen. Wir haben hier in allen Fällen den ausgebilde-
ten Rotz, sobald jene speciflschen Lymphdrüsendegenerationen mit
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jenem lymphatischen Abfluss vorhanden sind, gleichviel, ob die ge­dachten Geschwüre sich gebildet haben, oder nicht.
sect;. 660.
Bei der spontanen Entwickelung der Rotzkrankheit sub 2, wo eine primitive Infection des Blutes stattfindet, ist der genetische Pro­cess der Rotzkrankheit in der Regel ein anderer und kürzerer, als im Falle sub 1. Die Krankheit beginnt in solchen Fällen da, wo sie im letztgenannten bei der secundären Blutinfection und dem Beginn der Bluttuberkelbildung angelangt ist (sect;. 657) und entwickelt sich in der Regel weiter, wie in sect;. 658; sie hat mithin nicht die Stadien zu durchlaufen, wie im Falle sub 1. Der Krankheitsprocess im Falle primitiver Blutinfection vollzieht sich in vielen Fällen, ohne den L'i-gestionsapparat und seine Functionen in besonders wahrnehmbare Mitleidenschaft zu ziehen. Wo indess das Gegentheil stattfindet, da sind die Affectionen der Digestion secundär, sie sind eine Folge der Rückwirkung des Blutes auf den Digestionsapparat, bei in der Regel langsamerer Entwickelung der Krankheit, sie sind aber in diesen Fällen ohne Einfluss und Bedeutung für die Entwickelung des Sta­diums der Krankheit, in welchem wir den Rotz erkennen, sie haben nur in sofern einen Werth , als durch sie die Form der Krankheit einen prägnantem und bestimmteren Ausdruck erhält.
sect;. 661.
In Fällen sub 3, wo der Rotz sich aus andern Krankheitszu-ständen entwickelt, geschieht dies auf dreierlei Art: entweder durch Aufsaugung der Krankheitsproducte durch die Venen, also durch pri­märe Blutinfection; oder Aufsaugung durch Lymphgefässe, also durch primäre Lymphinfection; oder drittens durch Aufsaugung von beiden zugleich mit gleichzeitiger Infection des Blutes und der Lymphe. Bei der ersteren Art haben wir die genetische Entwickelung des sect;. 659, also die primären Bluttuberkeln,- und es kann der Rotz zur vollkommenen Ausbildung gelangen, bevor noch die Entwickelung der Lymph- (Miliar-) Tuberkeln stattgefunden hat, weil bei der un­geschwächten Fortdauer der Einwirkung der veranlassenden Ursache, und bei der schnelleren Infection der ganzen Blutmasse, die Ent­wickelung des Rotzes so schnell vor sich geht, dass zur Erzeugung der Miliartuberkeln die nöthige Zeit nicht vorhanden ist. Bei der zweiten Art haben wir die directe, die primäre Erzeugung der Lymph­tuberkeln, und insofern hiermit der Rotz ausgebildet ist, existirt der­selbe als innerer Krankheitszustand, bevor er sich äusserlich als sol­cher mit besonderer Affection der sichtbaren Schleimhäute oder der Cutis, durch Geschwüre oder den character!stischen lymphatischen Ausfluss zu erkennen giebt, ausgenommen, dass die äusserlich fühl-
I
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baren Lymphdrüsen angeschwollen und verhärtet sind. Während wir in diesem Falle die Lymphtuberkeln in der Regel finden, sind Blut-i 'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; tuberkeln nur ausnahmsweise vorhanden, und zwar immer nur in den
Fällen, wo die Rotzentwickelung eine langsamere ist, sowie bei der 3. Art, wo Lymph- und Blutinfecfion gleichzeitig stattgefunden hatte.
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662.
Die genetische Entwickelung des Rotzes durch Uebertragung \nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; des Rotzcontagiums findet, je nach der Infection und Disposition der
Individuen, in derselben Weise statt, wie die Genesis der spontanen Erzeugung des Rotzes in allen vorhin erörterten Fällen. Nur in dem
gt;laquo;'
Falle ad 1 dürfte der genetische Verlauf etwas abweichender Art
sein, weil bei der Aufnahme des Contagiums in den Verdauungs­apparat eine primitive Verstimmung der Digestionsorgane, und eine daraus hervorgehende anomale Chylusbildung nicht erforderlich zu sein scheint, indem das Rotzcontagium wahrscheinlich in Substanz dem Chylus zugeführt wird, und sich zunächst in diesem, dann weiter im Blute, und schliesslich in der Lymphe, regenerirt. In den mei­
,* ; y
sten Fällen ist daher die Entwickelung des Rotzes durch das Conta-
#9830;
gium auf diese Weise schneller, bestimmter und sicherer. In allen andern Fällen der Infection durch Contagium, iinterscheidet sich die Genesis von der Entwickelung des spontanen Rotzes dadurch, dass
nach jener der Rotz primitiv immer örtlich auftritt, und erst m wei­terer Entwickelnns zu einem Allgemeinleiden sich ausbildet. Er er-scheint in der Regel zunächst in der Sphäre, oder an dem Orte, wo die Infection ursprünglich stattfand. Aus dieser Veranlassung haben wir den Lungen-, den Schleimhaut-, den Hautrotz etc., da er seinen primären Sitz an den verschiedensten Körperstellen haben kann.
knbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sect;-663-
In den Fällen sub 2 und 3 müssen der eigentlichen Entwicke­lung des Rotzes gewisse Destructionen in dem Respirations- oder
|14|j,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Lymphdrüsensystera, wie z. B. typhöse Entzündungen der Lungen,
partielle Entartungen, wie Hepatisationen, geschwärige Zerstörungen und Knotenbildungen in denselben, oder Entzündung und Anschwel­lung der Lymphdrüsen, und in diesen Fällen also immer ein gewisses
'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Allgemeinleiden mit einem Fieberprocess, voraufgehen, wobei eine
fehlerhafte Blutbereitung und Ernährung, also Disharmonie in Stoff­verwesung und Stoffersatz, eintritt, aus welcher seeundär eineDyskrasie, die wir Rotz nennen, hervorgeht, und die sich inBildungvon Blut- und Lymphtuberkeln, jenen speeifischen Lymphdrüsendegenerationen, in Affectionen der Schleimhäute oder der Cutis, in Bildung von Ge­
iM
schwüren auf der Schleimhaut oder der Cutis, oder auf beiden zu-
gleich, und in jenem characteristischen, lymphatischen Ausfluss etc.
fii.
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manifestirt. Wir haben also hier immer eine indirecte Rotzer­zeugung. Durch Uebertragung des Rotzcontagiums entsteht der Rotz dagegen in der Regel in director Weise, indem das Rotz-contagium die nächsten Lymphdrüsen, mit denen der Safteantheil, welcher den Infectionsstoff aufnahm, in Berührung kommt, sofort in der Weise degenerirt, dass in den von ihnen nunmehr zurückkehren­den , oder durch sie hindurchfliessenden Säften, jenes Contaginm regenerirt ist. Darum erzeugt sich der Rotz aus dieser Ursache in der Regel in kürzester Zeit und in einer bestimmten Periode. Diese Periode, das Incubationsstadium, weicht nur ausnahmsweise in ihrer Dauer ab, selten verkürzt sie sich, häufiger aber verlängert sie sich, und diese Verlängerung dehnt sich zuweilen auf Monate aus. Wie der Vorgang der Regeneration des Contagiums in der gedachten Weise ist, darüber finden sich Andeutungen in sect;. 471, wie aber die ausserordentliche Verlängerung der Incubation stattfindet und mög­lich wird, ist heute noch undurchdringliches Geheimniss der Natur, dessen Entschleierung wir für jetzt noch für unzulässig halten. Wir möchten sie in einer den Wirkungen des alkalischen Ferments, als welches wir das Contagium ansehen müssen, entgegentretenden, oder neutralisirenden Säureneigung der Säfte, deren Ursache gewisse Nah­rungsqualitäten sind, suchen, deren Gegenwirkung so lange fortdauert, wie jene Ernährung stattfindet. Oder sollte das Contagium unter Umständen, wie oft ein fremder Körper, zeitweise eine ArtEinkapse-lung, und dadurch stattfindende Unschädlichmachung erleiden, bis es endlich seinen Weg in die Säftemasse findet ?
sect;. 664.
Bei der Entwickelung des Rotzes in den Fällen sub 2 und 3 und nach Uebertragung des Contagiums sind noch gewisse Verschie­denheiten ins Auge zu fassen, welche aus dem Unterschied des gene­tischen Processes des nach sub 1 sieh entwickelnden Rotzes hervor­gehen. Wir beobachten nämlich in jenen Fällen des Rotzes in der Regel nicht die pathischen Veränderungen im Verdauungsapparat, nicht die Vergrösserungen und Indurationen der Mesenterialdrüsen, nicht die Hyperalbuminose des Blutes und der Lymphe, keine lym­phatische Plethora und keine vorwaltende Neigung zur Fettbildung im Beginn der Krankheit.
sect;. 665.
' Wir gehen jetzt zu der diagnostischen Feststellung der Rotz­krankheit über, wie sie für uns vorzugsweise practischen Werth und, sect;. 650 gemäss, statt zu finden hat. Die Krankheit tritt, ihren Symp­tomen und Criterien nach, in vielen Fällen, vor allen Dingen aber bei ihrem Anfange und in den Fällen ihres chronischen Verlaufs,
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wie bei gewissen Formen, so unscheinbar und versteckt auf, dass sie Inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nur zu leicht einer Verwechselung und einem Verkennen unterliegt,
* 'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;daher sie denn auch diejenige Krankheit ist, welche zu den meisten
#9632;wissenschaftlichen und practischen Streitfragen Veranlassung giebt. Die Krankheit hat in vielen Fällen schon die bedeutendsten Fort­schritte gemacht, und man ahnt oder erkennt kaum das Vorhanden­sein derselben, der Feind steht bereits völlig gerüstet vor uns, und wir bezweifeln und bestreiten noch beharrlich seine Existenz. Dies Inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;verschuldet mehrentheils nicht nur die mangelhafte Diagnostik der
Krankheit, und die immer noch existirenden wissenschaftlichen Con-troversen über die Natur derselben, sondern mehr noch die Mannig­faltigkeit der Formen und Varietäten der Krankheit, der vielfache
;#9632;*#9632;
Wechsel der Erscheinungen und Symptome, unter denen sie auftritt,
#9632;r
und die versteckte Lage derjenigen Organe und Gebilde, an denen
die charaeteristischen Criterien und Symptome der Krankheit hervor-
r-
4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; treten. Gleichwol ist ein Verkennen srerade dieser Krankheit mit
den grössten und mannigfachsten Gefahren verbunden. und es hat sich daher der Diagnostiker bei keiner Krankheit mehr vorzusehen, dass er sich nicht irre, als bei dieser.
,, „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sect;. 666.
Wenn die Krankheit, welche uns den Rotz vermuthen lässt, specifische lymphalische Affectionen und Erscheinungen zeigt; 'wenn neben diesen besondere pathische Zustände der äusserlich sichtbaren Schleimhäute stattfinden, bei denen die Letztern ein specifisches, copiöses, mit Lymphe mehr oder weniger gemischtes, scharf alkalisch reagirendes, klebriges Secret ausscheiden , oder bei jener lymphati­schen Affection strangförmige Anschwellungen von Lymphgefässen unter der Cutis entstehen, an denen fluetuirende Beulen auflaufen, die zu scrophulösen Geschwüren aufbrechen, aus denen eine pathi­sche Lymphe, welche klebrig ist, und scharf alkalisch reagirt, hervor­sickert; wenn ein solcher Krankheitszustand fieberlos ist und sehr lange
fill
dauert, oder, mit einem hectischen Fieber verbunden, sehr acut ver-
läuft; wenn die Krankheit in der Regel als unheilbar erscheint, und dabei gewisse Lungenaffectionen sich zu erkennen geben, dann haben wir es mit dem Rotze zu thun, wenn alle pathischen Zustände der Art auftreten, wie sie in den nächstfolgenden sect;sect; beschrieben werden sollen. Wollen wir nach diesen Erscheinungen am lebenden Pferde den Rotz noch nicht erkennen, dann wird solches immerhin gesche­hen müssen, wenn die Krankheit als entschieden contagiös sich er­wiesen hat, wenn andere gesunde Pferde davon angesteckt und aner­kannt rotzig wurden, oder wenn nach dem Tode bei der Section Tuberkeln in den Lungen, dem Adergeflecht und den Blutleitern, oder in den degenerirten Lymphdrüsen, gefunden werden, besonders
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wenn diese Lymphtuberkeln sind, und dieselben in grösserer Menge in den Lungen vorkommen.
sect;. 667.
Wir erkennen schon den Rotz (den Hautrotz, Wurm genannt) bei blossen Lymphgefässaffectionen, welche der Art sind: bei zu­weilen gestörter, eben so oft aber auch vollständig unbeeinträchtigter Verdauung, bei zuweilen krankhaft afficirter Respiration, eben so oft aber vollständig gesunder Lunge , zuweilen bei rauhem, struppigem, glanzlosem, sogenanntem schlechtem, eben so oft aber auch bei schö­nem, glatt anliegendem, glänzendem Haar, zuweilen bei Fieber, eben so oft aber auch ohne jede Alteration des Blutumlaufs, zuweilen bei schnell oder langsam erfolgender Abmagerung, eben so oft aber auoh bei anfanglich gleichbleibender Ernährung, oder selbst bei anfäng­licher Fettzunahme, tritt eine scheinbar ödematöse Fussanschwellung ein. Sie erscheint häufiger an den Hinter- als an den Vorderfüssen, sie befällt eben so oft einen, wie beide Hinterfüsse, einen, wie beide Vorderfüsse, sie befällt zuweilen zwei Füsse einer Seite, und kann selbst zwei Füsse über Kreuz, und selbst alle 4 Füsse zugleich, be­fallen.
sect;. 668.
Diese Fussanschwellung ist oft bedeutend, oft von geringem Umfange, sie ist zuweilen heiss, schmerzhaft, hart, elastisch span­nend, zuweilen kalt, unschmerzhaft und weich, insofern sie teigig erscheint und Fingereindrücke annimmt. An diesen Geschwülsten bilden sich kleine strangförmige Erhabenheiten, und auf diesen ent­stehen einzelne hervorragende, fluctuirende Beulen, oder es entstehen einzelne solcher Beulen, ohne jene strangförmigen Erhabenheiten. Diese Beulen brechen bald auf, und es fliesst aus ihnen eine gelb­liche, durchsichtige, consistente, homogene, klebrige Lymphe ab, welche scharf basisch reagirt und die zunächst umstehenden Haare verklebt. Indem die Lymphe abfliesst, verschwinden jene strangför­migen Erhabenheiten, falls solche vorhanden sind, und die spannende Geschwulst des betreffenden Fusses überhaupt fällt nach und nach etwas zusammen und verliert ihre elastische Spannung.
sect;. 669.
Die aufgebrochenen Beulen sind nun die eigentlichen Rotzge­schwüre (vulgo: Wurmgeschwüre), welche den specifischen und cha-racteristischen Typus der Scrophelgeschwüre zeigen, und mit dem Erscheinen dieser haben wir den ausgebildeten Rotz (Hautrotz, vulgo: Wurm) vor uns. Diese Geschwüre bilden sich, indem bei dem Aufplatzen der betr. Beulen der Rand der geöffneten Epidermis sich nach innen umschlägt und um die Oeffnung herum einen Wulst,
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einen sogenannten Wall bildet, unter dem die Geschwürsfläche sich noch so weit fortsetzt, wie die in jener Beule enthaltene Flüssigkeit die Epidermis von dem Corium getrennt hatte. Soweit das Geschwür offen vorliegt, tritt das von der Epidermis entblösste Corium hervor, welches den Grund des Geschwüres bildet, und-, von den in ihm ent­haltenen Talgdrüschen etc., ein warziges Ansehen , gleich einer fri­schen Granulation, hat. So lange dieser Geschwürsgrund noch von dem Malpighischen Netze bedeckt wird, hat er auch die Farbe des­selben, und sieht daher bei farbigen und schwarzen Pferden in der Regel schmutzig aus, während er bei weissgeborenen Pferden, oder doch an weissen Hautstellen, immer eine reine rosenrothe Farbe hat, die er auch bei farbigen Pferden annimmt, sobald das Malpighische Netz in der ätzenden Lymphe aufgelöst und mit dieser abgeflossen ist. Die Geschwüre haben von Hans aus immer eine regelmässige, kreis­runde Form, welche daraus abgeleitet werden muss, dass die nach allen Seiten gleichmässig sich erhebende Beule, jedesmal an ihrem höchsten Puncte, welches immer der Mittelpunct ihrer Peripherie ist, platzt, und dann die gelöste Epidermis gleichmässig sich umlegt.
sect;. 670.
Die aus diesen Geschwüren abfliessende Lymphe nimmt in vie­len Fällen eine so intensiv ätzende Schärfe an, dass sie nicht nur den wallförmigen Rand des Geschwüres, sondern auch den Grund dessel­ben, also das Corium, auflöst und mit abführt, wodurch das Geschwür sich nicht allein nach der Peripherie, sondern auch nach der Tiefe hin, in welcher die Lymphe auch das subcutane Zellgewebe theils zerstört, successive erweitert, wodurch dasselbe seine Form wesent­lich ändert, indem es an Grosse zunimmt, einen flachen, zackigen Rand erhält und seinen rothen, warzigen Grund verliert.
Durch die Partikeln aufgelöster, organischer Substanz erhält auch der lymphatische Abfluss eine andere Beschaffenheit, er wird trübe milchig, undurchsichtig, consistenter und schmutzig graugelb­lich oder graugrünlich, zuweilen intensiv braun.
Bei dem Verkleben der Haare in der Geschwürsumgebung, setzen sich zuweilen auch Schorfe der abfliessenden und eintrocknen­den Lymphe an den Rändern des Geschwüres fest, welche dieses letz­tere zuweilen ganz bedecken. Wenn diese Schorfe, insofern sie rein sind, bald nach dem Entstehen des Geschwüres, gelb bernsteinfarbig durchscheinend sein würden, so haben sie immer mehr ein getrübtes, schmutziges Ansehen, von dem Schmutze der Haare und der Haut, wie von dem Staube, der sich darin mischt und festsetzt; sie werden aber im spätem Verlauf der Geschwüre, wo sie aufgelöste Hautpar­tikeln etc. enthalten, dunkler, mehr braun und völlig undurchsichtig. Die intensiv braune Färbung, welche sie annehmen, rührt von venö-
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6en Bluttheilchen her, welche die Lymphe bei Auflösung des Coriums aufnimmt. Hat-die abfliessende Lymphe einen grünlichen Schimmer, welcher sieh immer auch auf jene Schorfe überträgt, so rührt dieser in der Regel von Schimmelpilzen her, die in der Lymphe wuchern, und es ist dies ein untrügliches Zeichen, dass die Krankheit aus feh­lerhaften Nahrungsmitteln spontan entstanden ist, und dass sie mit Digestionsstörungen in Verbindung steht, aus denen sie ihren Ur­sprung genommen hat.
sect;• 671.
Jene Anschwellungen, die wir an den Füssen beobachtet haben, kommen aber auch an den verschiedensten andern Körperstellen vor, gewöhnlich an solchen, in deren Nähe Lymphdrüsen oberflächlich liegen, und wo sich bedeutendere Lymphgefässcomplexe finden — und jene strangformigen Geschwülste erzeugen sich immer an ober­flächlich verlaufenden Hautlyraphgefässen, an deren Anfängen die Beulen, resp. Geschwüre, entstehen. Wo keine strangformigen Ge­schwülste, und dennoch Geschwüre vorkommen, da liegen die betref­fenden Lymphgefässe mehr in der Tiefe, und es entstehen die Ge­schwüre einzeln in den in der Haut entspringenden Lymphgefäss-zweigen. Wir finden daher jene Gesehwülste etc. häufig im Gesicht, im Kehlgange und an den Wangen, wo die Lymphgefässe, welche am Gesicht verlaufen, strangförmig angeschwollen sind, und die Ge­schwüre entstehen an den Lippen , der Nase, unter den Augen etc. Die Geschwülste und Geschwüre entstehen am Halse im Verlaufe der Carotis; vor der Brust zwischen den Vorderbeinen, am Buggelenk, im Verlaufe der Sporader, auf dem Rücken in der Nähe des Wider-rüstes, am Bauche, am Geschröte, an der Innern Fläche der Hinter­schenkel, in der Umgebung des Afters und der Vulva etc.
sect;. 672.
Diese Geschwülste und Geschwüre sind immer der Reflex der innern Rotzdyskrasie der Lymphe. Sie kann unter Umständen ganz local sein, und wir finden alsdann am lebenden Thiere nichts weiter als jene beschriebenen Erscheinungen, sowie bei der Autopsie nur solche pathische Zustände gefunden werden, welche mit jenen äus-sern localen Erscheinungen in Verbindung stehen. Es sind dies zu­nächst die Schwellung und Verhärtung der nächstgelegenen Lymph­drüsen, von denen die Stagnation der Lymphe in den zu ihnen füh­renden Lymphgefössen ausgeht. Diese werden dann ausgedehnt und füllen sich strotzend an, sie bilden jene sträng-, resp. wurmförmigen, Geschwülste, die nach der Lage der Gefässe, unter der Epidermis, unter der Cutis, oder auch noch mehr in der Tiefe, im intermuscu-laren Zellgewebe, verlaufen, und an denen sich jene Beulen, die so-
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genannten Wurmbeulen, erzeugen. Liegen jene Lymphgefässe ober­flächlich, dann sind jene Beulen wahre Pusteln, und sie bilden die Geschwüre sect;. 669; liegen sie dagegen tiefer, unter der Cutis, so entstehen die Stasen mehrentheils in den peripherischen Enden, welche im Corium ihren Anfang nehmen, wirken hier als mechani­scher Reiz, erregen Entzündung und Eiterung. Man findet daher hier Beulen, deren Inhalt Gemisch aus Eiter und Lymphe ist; man findet im Corium einen mehr oder weniger stark injicirten, callösen, aufgelockerten, wulstigen Entzündungshof ,in späteren Stadien Ecchy-mosen, und in der Regel ein rundes, durchgehendes Loch mit Sub­stanzverlust ; liegen sie dagegen noch tiefer, dann entleeren sie sich in der Regel nicht nach Aussen, sondern in das intermusculare Binde­gewebe. Man findet hier oft jene klare, durchsichtige, bernsteinfar­bige Lymphe in grosser Menge ergossen, es finden sich in späteren Stadien hier, aus denselben Ursachen wie oben, Eiterdepots von ver­schiedener Grosse, die eben solchen Stoff, wie die obigen, von homo­gener, consistenter, sahnenartiger Beschaffenheit, -enthalten. Solche Beulen finden sich oft viele, oft nur einzelne in den verschiedensten Muskelpartieen, am häufigsten aber dort, wo Drüsen oder Lymph-gefässcomplexe sind. Hat die Krankheit länger bestanden, so finden sich selbst fibroide Wucherungen und Indurationen, im subcutanen sowol, wie im intermuscularen Zellgewebe.
Solche Ergiessungen und Producte bilden Geschwülste,'welche in den ersten Stadien der Krankheit häufig entzündet, heiss und sehr schmerzhaft, zuweilen aber auch kalt, ödematös und unsohmerzhaft sind; in jenen Fällen verschwinden sie oft plötzlich und kommen ebenso an andern Stellen wieder zum Vorschein. Am schmerzhaf­testen sind die Geschwülste, wenn jene Depots innerhalb der einzel­nen Muskeln, an den Gelenken, unter den Schulterblättern oder an ähnlichen Orten liegen. Wir haben hier also dpn vollständig ausge­bildeten Rotz, bei rein lymphatischer Affection, die häufig blos local ist.
sect;. 673.
Wenn dagegen der Rotz sich nicht auf der Cutis, sondern auf der Schleimhaut zu erkennen giebt, dann sind die physiologischen Vorgänge, und die pathischen Zustände wesentlich zwar dieselben, indess die Erscheinungen sind gewöhnlich anderer Art, insofern sie sich nach der Natur der Oertlichkeit und des Organs, wie nach ihrem eigenen Sitze in dieser, modificiren. Es treten überdem auch noch an­dere, aus diesen Verhältnissen hervorgehende Symptome hinzu, welche die Einfachheit der Krankheit aufheben, und damit ihre Dia­gnose bedeutend erschweren. Bilden sich jene scrophulösen Rotz­geschwüre auf der Schleimhaut, entstehen sie an solchen Orten, die
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am lebenden Thiere sichtbar sind, dann ist die Diagnose der Krank­heit einfach und leicht; entstehen dagegen keine Geschwüre, wie dies häufig vorkommt, oder nehmen sie ihren Sitz an solchen Orten, die beim lebenden Thiere der sinnlichen Wahrnehmung des Diagno­stikers nicht zugänglich sind, dann wird die Diagnose coraplicirter und schwieriger. Das Vorhandensein wie der Sitz der Geschwüre ist etwas Zufalliges, daher schon darf die Wissenschaft die Diagnose von ihrem Nachweise nie abhängig machen.
sect;. 674.
Das einfache Rotzgeschwür auf den Schleimhäuten ist, was seine Genesis, seine Natur und seinen Verlauf betrifft, ganz dasselbe, -^as das Rotzgeschwür auf der Cutis ist, und haben wir jenes vor uns, so ist damit der Rotz ebenfalls constatirt. Indess haben wir hier noch andere Momente in Betracht zu ziehen, welche diesen abweichenden Sitz der Krankheit von dem Hautrotz unterscheiden. Die Geschwüre auf der Schleimhaut sind von Hause aus immer kleiner, als die auf der Cutis, weil das Epithelium nicht die Widerstandskraft besitzt, wie die Epidermis, daher die Bläschen, welche sich durch diestagnirende Lymphe in dem Epithel bilden, nie den Umfang erreichen, den jene, aus gleichen Ursachen entstehenden Beulen in der Epidermis einneh­men, und daher platzen jene früher, als diese und verwandeln sich in die bekannten Geschwüre. Es fehlen auf den Schleimhäuten jene strangförmigen Anschwellungen, welche auf der Cutis vorkom­men, aus gleichen Ursachen, nach denen die Bläschen kleiner sind, und der Grund der Geschwüre ist immer, so lange sie nicht tiefer, als bis in die Schleimhaut gehen, warzig und rosenroth, oder bleich livid. Die Schleimhautgeschwüre ändern früher ihre ursprüngliche Form, indem die ätzende Lymphe die Schleimhaut leichter zersetzt, wie das festere, mehr Widerstand leistende Corium. Indem sie in die Tiefe dringen, finden sie aber kein Zellgewebe, wie unter der Haut, und daher können bei ihnen in der Umgebung auch nicht jene callösenIndurationen des Zellgewebes stattfinden, wie bei den Haut­geschwüren. Dagegen, wo die betreffenden Schleimhäute auf Kno­chen oder Knorpel liegen, werden diese angegriffen, zerstört, d. h. die Geschwüre werden cariös, und sie erhalten von dem in den Kno­chen oder Knorpeln ausgetretenen venösen Blute einen schwarzbrau­nen Grund. Die Knochen und Knorpel lösen sich in eine amorphe Masse auf, welche dem Ausfluss der Lymphe mechanisch beigemischt ist. Verheilen diese Geschwüre, was nur in seltenen Fällen statt­findet, so hinterlassen sie, gleich wie die Hautgeschwüre, sternför­mige, erhabene, weisse Narben.
Erdl, Rolzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 24
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sect;. 675.
Mit diesen Geschwüren auf den Schleimhäuten sind aber immer Lymphdrüsenanschwellungen und Verhcärtungen eigenthümlicher Art verbunden. Sie gehen den Geschwüren vorauf, diese sind consecutiv, und jene sind immer als die Ursache dieser anzusehen. Finden sich die Geschwüre auf den Schleimhäuten der Geschlechtstheile, dann werden hier nicht immer Drüsengeschwülste äusserlich beobachtet, weil die Lymphdrüsen der Geschlechtstheile zu versteckt liegen, sind
sie jedoch in der Nase vorhanden, dann finden sich immer die Lymph-
drüsen der Seite des Kopfes afficirt, an welcher die Geschwüre vor­handen sind. Diese Drüsenaffection besteht in einer mehr oder weniger starken, von der Grosse einer Wallnuss bis zu der einer Mannesfaust steigenden Geschwulst, in welcher alle die einzelnen Drüsenkörnchen der einen Seite des Kehlganges vereinigt sind. Die Gesehwulst hat in der Kegel eine rundliche, längliche, also Eiform
' #9632;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; und sie ist in diesem Falle lose und immer etwas verschiebbar, oder
sie hat eine etwas plattgedrückte Gestalt, und sie liegt alsdann mit raquo;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; einer Fläche fest am Kiefer an und ist nicht verschiebbar. Die erstere
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Form spricht in der Regel für eine schnellere, die letztere für eine langsamere EntWickelung der Krankheit; jene erscheint in der Regel nach Infectionen durch Rotzcontagium oder andere Krankheitsstoffe, also nach primären Infectionen des Blutes oder der Lymphe; nach Metastasen und Metaschematismen ; die letztere Form , welche Immer auf einen primitiv gastrisch scrophulösen Ursprung der Krankheit schliessen lässtund einen sehr chronischen Verlauf derselben andeutet, zeigt jedesmal gastrische Affectionen an und rechtfertigt den Schluss,
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dass die Krankheit nach schlechten Nahrungsmitteln und dadurch herbeigeführten voraufgehenden gastrischen Fehlern entstand. Die erstere Form entsteht oft plötzlich und sie ist dann hart, sehr ge-
inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; spannt, heiss und sehr empfindlich, und die Entwickelung der Krank-
heit erfolgt dann so schnell, dass noch während dieses Entzündungs­stadiums plötzlich die Geschwüre in der Nase entstehen. Nach diesen verliert dann die Geschwulst ihre Spannung, Hitze und Schmerzhaftig-keit, und die Krankheit geht dann in der Regel mehr in eine chronische Form über. Die andere Form entsteht nie so plötzlich, sie entwickelt
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sich vielmehr langsamer, sie ist zwar während ihrer Entwickelung
ebenfalls schmerzhaft, heiss hart und gespannt, indess die Geschwüre in der Nase entstehen regelmässig erst im spätem Verlauf der Krank­heit, erst dann, wenn das Entzündungsstadium der Drüsengeschwulst vorüber ist.
•sect;. 676.
Die Drüsengeschwulst, welcher Art sie auch ist, muss jederzeit diesen speeifischen Scrophel- oder Rotzgeschwüren in der Nase, wenn
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solche überhaupt vorhanden und äusserlich am lebenderaquo; Thiere sicht­bar sind, voraufgehen und erkannt werden. Wenn nun solche Ge­schwüre in der Nase ermittelt werden, dann finden wir die Sub-maxillardrüsen in der Regel schon kalt und schmerzlos, die entzündliche Spannung hat aufgehört, und es ist an ihre Stelle eine eigecthümliche Verhärtung getreten, sie sind elastich, indem sie leichte Eindrücke zulassen, die nicht bleibend sind, sie geben unter dem Fingerdruck das Gefühl wie erweichtes Kautschuk*). Diese Drüsenverhärtung ist characteristisch und sie giebt ein Zeugniss dafür, dass die Krank­heit in der Regel schon unheilbar ist, und dass sich das Contagium schon entwickelt hat; dass die Dyskrasie bereits einen höhern Grad und einen weitern Umfang erreicht hat, und damit auch schon ander­weite Productionen, Destructionen und Functionsstörungen einge­treten sind; dass, wenn auch Rotzgeschwüre äusserlich nicht sichtbar sind, sie mehr in der Tiefe und versteckt, wenn nicht in der Nasen-, so doch in der Rachenhöhle, in andern Kopf höhlen, im Kehlkopf, der Luftröhre oder den Bronchien etc. vorhanden sind ; dass in den Lungen entweder bereits ausgebildete Tuberkeln vorhanden sind oder dass solche im Begriffe stehen, sich zu bilden.
sect;. 677. Wir würden hiernach mit diesen Drüsenanschwellungen die bereits ausgebildete Rotzkrankheit constatiren können, wenn nicht dieses Symptom sehr leicht zu Täuschungen und Irrthümern führte, und wir nennen daher die Krankheit in diesem Falle , wenn nament­lich nicht noch andere, den Rotz characterisirende Symptome vor­handen sind, wenn sich besonders kein, oder doch nur ein ganz unzweideutiger Ausfluss aus der Nase vorfindet, mit einer gewissen Berechtigung — „verdächtige oder bösartige Drusequot; —, ein Krank­heitszustand , der ein gewöhnliches Uebergangsstadium in den wirk­lichen Rotz bildet, immer einen chronischen Verlauf nimmt und in der Regel unheilbar ist, den uns die Section als den ausgebildeten Rotz aufdeckt. Aber die meisten Autoren und sogenannten Sach­verständigen dehnen diesen Begriff der verdächtigen Druse bis dahin aus, wo sie Geschwüre in der Nase wahrnehmen, constatiren erst in diesem Falle den Rotz, und übersehen, dass die Krankheit lange contagiös ist, von ihr bereits viel Pferde angesteckt und alle solche
') Betrachten wir die Lymphdrüsen als ein Conglomeratin sich verschlunge­ner Lymphgefasse, so ist bei Rotz eine Verschliessung dieser Gefässe vorhanden, daher der Durchgang der Lymphe nicht möglich , daher Stagmation derselben, Stasen, Geschwüre, Tuberkeln. Bei andern Drüsenverhärtungen findet nur Verdichtung der verbindenden Cellularsubstanz statt, und bleiben die Gefässe geöffnet, oder die Lymphe hat sich einen andern Weg ins Blut gesucht, oder die Venen vieariren den Lymphgefässen, daher hier nicht jene Stasen und ihre Folgen.
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rotzig wurden (S. 3. und 27. Fall). Da das Rotzgeschwür in der Nase überhaupt etwas Zufalliges und nichts Constantes ist; da sein Sitz noch viel unbeständiger und zufälliger ist, daher dasselbe, selbst bei seinein Vorhandensein in vielen Fällen äusserlich nicht entdeckt werden kann, so ist, obwol die nachgewiesene Existenz der Rotz­geschwüre das entscheidendste und unzweideutigste- Criteriura der Rotzkrankheit ist, die Abhängigkeit der Diagnose des Rotzes von der nachgewiesenen Existenz jener Geschwüre sehr prekär und un­wissenschaftlich, denn die Ausdehnung jenes Begriffs der verdächtigen Druse hat dann, wenn äusserlich keine Geschwüre sich zeigen, in der Zeit keine Grenze, und überdem muss die Wissenschaft sich auf andere Fundamente stützen können, als auf blos zufällige Momente. Wir müssen daher, sowol aus practischen, wie aus wissenschaftlichen Motiven, nach andern Erscheinungen forschen, welche, neben jenen specifischen Drüsenverhärtungen, die Rotzkrankheit in den gedachten, rein lymphatischen Fällen sicher und bestimmt constatiren lassen, und wir glauben dieses Criterinm in dem pathischen Ausfluss aus der Nase finden zu können.
sect;. 678.
Es ist ganz natürlich, dass die lymphatische Dyskrasie, ob sie nun eine reine Scrophulose bildet, oder nicht, auf die Beschaffenheit der Schleimhäute und deren Functionen von wesentlichem Einfluss ist, und da die Dyskrasie ein basisches Princip zur Grundlage hat, welches seine chemische Verwandtschaft zum Oxygen der Atmosphäre nicht verleugnen kann, so sind es um so mehr die Schleimhäute der Respirationsorgane, und besonders der Kopfhöhlen , auf welche jene Dyskrasie ihren pathischen Process der Zersetzung und Zerstörung wirft und zuerkennen giebt, da diese Schleimhäute vorzugsweise reich mitLyniphgefässen und Lymphdrüsen versehen sind. Zunächst wird die Schleimhaut krankhaft erregt und erscheint intensiver, ziegelfarbig, geröthet, dabei wird sie zu einer grössern Thätigkeit angeregt und erscheint in Folge dessen angeschwollen, sehr feucht und mit Schleim bedeckt, der als ein wässeriges durchsichtiges Secret aus der Nase und den Augenwinkeln abfliesst. Die Röthung verliert sich sehr bald, doch die Schleimhaut lockert sieh mehr und mehr auf, verdickt sich, wird bleich und der Ausfluss vermehrt sich nicht nur, sondern er wird auch nach und nach consistenter und undurchsichtiger, die Schleimhaut belegt sich mehr und mehr damit und erhält, wieder Ausfluss, eine schmutzig grauweisse Farbe.
Bei primitiver Infection der Lymphgefässe des Kopfes sind jene Drüsengeschwülste die primären, und die pathischen Erscheinun­gen an den Schleimhäuten mit den Ausflüssen siid die consecutiven Erfolge. Bei primitiver Infection des Blutes dagegen oder der Lungen , welches im Ganzen wol häufiger vorkommt, findet der um-
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gekehrte Fall statt, es sind hier die pathischen Zustände der Schleim­häute mit ihren Absonderungen als primäre Erscheinungen vorhanden, und ihnen folgen erst consecutiv dieDrüsenaff'ectionen. Diese häufige Beobachtung hat wol zu der irrigen Ansicht geführt, die auch Gerlach noch in seinem neuesten Werk über gerichtliche Thierheilkunde auf­recht erhält, dass der Sitz der Rotzkrankheit in den Schleimhäuten zu suchen sei. *)
sect;. 679. Bis dahin haben wir es noch mit einem einfachen, obwol pathischen, Secret der krankhaft afficirten Schleimhaut zu f.hun, welches sich aber mit dem Erscheinen der Drüsengeschwulst wesent­lich ändert und complicirt, ob gleichzeitig oder im spätem Verlauf der Krankheit die Rotzgeschwüre sich zeigen, oder nicht. Diese Veränderung des Ausflusses ergiebt sich aus der Beimischung der pathischen, durch die Drüsengeschwulst und deren Verhärtung zur Stagnation gebrachten, Lymphe, gleichviel, ob dieselbe aus specifischen Rotzgeschwüren, aus den zerfressenen Lymphgefässanfangen in erodir-ten Schleimhautpartieen hervorriesselt, oder ob sie aus dem unverletzten Parenchym der Schleimhaut ausschwitzt. Im letztern Falle ist immer die Schleimhaut in eigenthümlicher Weise, und bedeutender als sonst, aufgelockert, was sie bei vorhandenen Geschwüren , namentlich im Anfange der Krankheit, nicht ist. Jene erodirten Schleimhautpartieen erscheinen aber, falls Geschwüre nicht vorhanden sind, immer erst als eine Folge dieser Ausschwitzung der Lymphe, daher denn auch jene Schleim hautauf lockerung vorangehen muss, sie deuten aber immer, da sie nicht allemal bei Abwesenheit der Geschwüre entstehen, auf eine speeiflsch caustische Schärfe, mithin eine intensiv alkalische Be­schaffenheit der pathischen Lymphe, hin.
sect;. 680. Sobald jene pathische Lymphe auf die Oberfläche der Schleim­haut zurücktritt, vermischt sie sich mehr oder weniger mit dem pathischen Secret der krankhaft afficirten, und selbst degenerirten Schleimdrüsen. Dadurch wird der Ausfluss quantitativ vermehrt und erscheint zuweilen in seiner Zusammensetzung heterogen, indem er aus einer grauweisslichen milchigen , mehr undurchsichtigen, mit­unter klumpigen, und aus einer, bernsteingelben, zuweilen ins Grün­liche schillernden, ganz homogenen, zähflüssigen, vollständig klar durchsichtigen und sehr klebrigen Flüssigkeit zusammengesetzt ist. Ueberhaupt aber hat der Ausfluss nach dem Hinzutritt der pathischen
*) Wenn man den Sitz des Rotzes in den Schleimhäuten suchen will, wie kann man dann mit dieser Ansicht bei der sogenannten Wnrmkrankheit durch­kommen, die auch Rotz ist, ohne dass dabei eine Schleimhaut afficirt zu sein braucht? —
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Lymphe seine Farbe in sofern geändert, als sie entweder einen mehr gelblichen, oder grünlichen Ton angenommen hat, sie ist klebriger, zähflüssiger, ätzend geworden und reagirt scharf alkalisch. Sobald sich dieser Ausfluss aus der Nase und den Innern Augenwinkeln, ob derselbe nur an einer oder an beiden Seiten stattfindet, in Verbindung mit jenen verhärteten Drüsengeschwülsten, zeigt, sobald sich in dem­selben bei mieroscopischer Untersuchung Schimmelpilze finden, haben wir es jedenfalls mit der Rotzkrankheit zu thun.
sect;. 681.
Wir haben nach diesen Erscheinungen allerdings den reinen lymphatischen Schleimhaut- oder Nasenrotz vor uns, der ohne eine mehr oder weniger vorgeschrittene catarrhalische Affection nicht existiren kann; aber ob wir nach denselben schon die Diagnose desselben feststellen, den Rotz als solchen für polizeiliche oder ge­richtliche Fälle constatiren können, — das ist eine andere Frage, die wir unter allen Umständen verneinen müssen. Wir können, sobald nicht andere Criterien und Indicien vorliegen , den Zustand officiell nur als Rotzverdächtigkeit bezeichnen, obgleich es unzweifelhaft ist, dass derselbe schon die contagiöse Natur angenommen hat, dass der Ausfluss der Träger eines entschieden specifischen Contagiums ist, welches, auf gesunde Pferde übertragen, den bestimmt ausge­prägten Rotz erzeugt. Wenn sich bei jener Rotzverdächtigkeit, wie dies sehr häufig vorkommt, äusserlich keine Geschwüre ermitteln lassen, oder überhaupt sieh keine erzeugen, so kann nur ein Sach­verständiger, dem viele Beobachtungen und Erfahrungen zur Seite stehen, bei abstracter Beobachtung und Untersuchung des concreten Falles, denselben als Rotz constatiren, wenn er die vorhandenen Symptome comparativ gegeneinander zu stellen weiss. Andernfalls aber hat er nicht etwa die Erscheinung der Rotzgeschwüre abzu­warten , da er sonst oft nicht nur sehr lange würde warten müssen, sondern selbst in den Fällen, wo niemals sich Geschwüre erzeugen, auch niemals zum entscheidenden Resultate gelangen könnte, vielmehr wird er ohne diese Geschwüre den Rotz constatiren können, wenn er neben den bereits angegebenen Symptomen noch wahrnimmt, was bei längerer Dauer und Beobachtung der Krankheit immer der Fall ist, dass sieh gewisse Lungenaffectionen und Respirationsbeschwer­den hinzugesellen , die auf die Entwickelung von Lungentuberkeln schliessen lassen, dass sich eine schlechte Ernährung mit Abzehrung und schlechtem Haar einstellt, dass sich jeder Curversuch erfolglos erweist und die Krankheit b6i längerer Dauer stets gleich bleibt, oder doch bald besser, bald schlimmer, ohne weiter einwirkende Ver­anlassungen, wird, oder wenn sie gar nachweislich durch Infection von rotzigen Pferden entstanden ist.
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sect;. 682.
Jener mit dyskratischer Lymphe verbundene Ausfluss ist weiter kenntlich an seiner Klebrigkeit; vermöge dieser setzt er sich an den Nasenrändern fest, verklebt hier die Haare und trocknet in der Regel, von dem Schmutz der Haare und Epidermis, sowie von hinzutreten­dem Staube schmutzig geworden, zu schwarzbraunen, andurch­sichtigen Krusten ein, welche, wenn kein derartiger Schmutz hin­zugetreten ist, in der Regel von gelblicher Bernsteinfarbe und durch­scheinend sind, oder die Farbe schillert auch ins Grünliehe. Zu ähnlichen Krusten trocknet auch dieser Ausfluss oft auf der Schleim­haut der Nase ein, namentlich wenn hier Geschwüre oder erodirte Schleimhautpartieen vorhanden sind, die sich dann oft mit jenen Krusten ganz bedecken ; diese Krusten auf der Schleimhaut enthalten nie jenen Schmutz, sie sind daher auch immer von mehr reiner Farbe und durchscheinend. Der grüne Schiller des Ausflusses und der Krusten ist immer ein Zeichen, dass diese rein lymphatische Rotz­form mit gastrischen Aff'ectionen und Digestionsstörungen verbunden ist und dass sie sich spontan aus ihren veranlassenden Ursachen , die vorzugsweise in Schimmelpilzen bestehen, mithin nicht durch An­steckung , entwickelt hat. — Die eigenthümliche caustische Schärfe dieses Ausflusses ift bald stärker, bald schwächer, und sie nimmt mit­unter solche Höhe an, dass sie an den Nasenrändem die Haare und die Epidermis wegätzt. Auf der Nasenschleimhaut ätzt sie das Epithelium fort, zerstört die Schleimhaut und zuletzt die unter der­selben befindlichen Knorpel- und Knochenpartieen. Es sind dies dann die erodirten Stellen. Bilden sich aber die Geschwüre, dann findet ein gleicher Zerstörungsprocess durch die ätzende Lymphe, von diesen aus auf ihre Ränder und in ihre Tiefe hinein, statt. Durch die eben gedachten Destructionen der organischen Substanz erhält der Ausfluss Beimischungen von zerstörten Schleimhaut-, Knorpel-und Knochenzellen und je hiernach ändert er auch seine Beschaffen­heit. Er wird in der Regel consistent.er, trüber, völlig undurch-seheinend, klumpig, oft sehr stinkend, mit Blut-, Knorpel- und Knochenrudimenten vermischt, und nimmt wol eine graue, grau­bräunliche, sehr schmutzige, oder röthliche Farbe an. Den Vorgang, den wir an den Nasenrändern beobachten, sehen wir auch bei dem Aussfluss aus den innern Augenwinkeln, oft zieht sich dieser, die Haare verklebend, respective wegätzend, längs der ganzen Jochleiste herab. *)
*) Auch Waldinger begeht noch den Irrthum, diesen Ausfluss aus den Augenwinkeln für krankhaft verdichtete Thränenfeuchtigkeit zuhalten, da er doch nichts Anderes ist als ein pathisches Secret der Conjunctiva, zusammengesetzt aus krankhaftem Schleim und dyskratischer Lymphe
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sect;. 683.
Diese Symptome, welche sich auf die Drüsenanschwellungen und den Ausfluss aus der Nase und den Augenwinkeln beziehen, kommen eben sowol auf einer Körperseite, wie auf beiden vor, sie werden eben so oft auf der rechten, wie auf der linken Seite ange­troffen. Was in dieser Beziehung beobachtet wird, liegt weder in der Natur des Organismus, noch deutet es einen besondern Character oder Typus der Krankheit an; es liegt dies vorzugsweise in der Eigen­schaft der letztern, dass sie sich local entwickeln und bis zu einem gewissen Stadium local verlaufen kann, der Ort, wo sie zum Vorschein kommt und die Oertlichkeit, in der sie sich erhält, ist rein zufällig. Dass die Krankheit sich häufiger an einer, als an beiden Seiten zeigt, liegt darin, dass sie häufiger durch Ansteckung, als spontan ensteht, dass die Uebertragung des Contagiums mehrentheils von Pferd zu Pferd, unmittelbar durch gegenseitige Berührung, erfolgt und, dass diese Berührung mehrentheils nur an einer Seite stattfindet. Darum ist aber auch beim Rotz, welcher nur die eine Seite des Körpers ergriffen hat, in den meisten Fällen vorauszusetzen, dass er durch Ansteckung entstanden ist, und darin allein liegt auch das Bedenk­lichere der Krankheit, wenn sie sich nur an einer Seite zeigt. Es ist aber die einseitige Form der Krankheit keineswegs ein besonderes Criterurn des Rotzes, noch haben die Drüsengeschwülste und die krankhaften Ausflüsse aus Nase und Augen, wenn sie blos an eiher Seite vorhanden sind, etwas Bedenklicheres oder Bösartigeres, als dann, wenn sie auf beiden Seiten zugleich vorkommen; es kommt bei Beurtheilung der Krankheit in dieser Beziehung, sowie bei ihrer diagnostischen Feststellung nicht sowol auf die Oertlichkeit der vor­handenen Symptome, als auf die Natur und den Character derselben an. Für die Diagnose der Rotzkrankheit ist mithin das Vorkommen ihrer Symptome auf einer oder beiden Seiten des Pferdes ganz gleich­gültig, Eben so indifferent ist es, ob die Krankheit auf der linken, oder rechten Körperseite erscheint. Dass sie zuweilen häufiger auf jener Körperseite sich zeigt, mag vorkommen, es ist aber auch darauf, wie noch Gerlach in seinem Handbuch der gerichtlichen Thierheil-kunde zu wollen scheint, nicht das mindeste Gewicht zu legen; es ist dies jedenfalls etwas rein Zufälliges und gleicht sich im Allgemeinen unzweifelhaft aus. *)
sect;. 684.
Das häufigere Vorkommen der Rotzkrankheit auf nur einer Körperseite gehört keineswegs zu den wesentlichen Kennzeichen derselben und hat nichts mit ihrer Natur oder ihrem Character zu
*) Verf. hat die Krankheit eben so oft auf der rechten, als auf der linken Seite gesehen.
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thun, es deutet vielmehr in vielen Fällen nur die Ursache ihrer Ent­stehung an, und zwar, dass entweder das Rotzcontagiurn nur von einer Körperseite aufgenommen ist, oder dass andere Krankheits-producte, wie Eiter, Gesehwürsjauche, Maukestoff etc. von den resorbirenden Venen oder Lymphgefässen einer Körperseite aufge-i.ommen und zu der Lunge der entsprechenden Seite geführt worden sind und diese in der Weise krank gemacht haben, dass danach der Rotz zunächst auf derselben Seite erfolgte, oder es sind Krankheiten, die nur auf einer Seite des Körpers ihren Sitz haben, wie dies so häufig ist, und die dann an derselben Seite Metastasen oder Meta-schematismen machen etc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;^
%. 685.
Wenn wir nun bei einem solchen einfachen Fall von primär entwickeltem, reinem lymphatischen oder Scrophelrotz der Schleim­häute der Kopl'höhlen, verbunden mit jenen DrüSenaffectionen im Kehlgange und dem Ausfluss jenes pathischen Secrets aus der Nase, die Section machen, so finden wir die Rotzgeschwüre auf der Schleim­haut der Nase in den verschiedensten Regionen derselben, in den meisten Fällen zwar auf dem Septum derselben, bald mehr nach unten, bald mehr nach oben, wir finden sie aber aber auch an den äussern Seiten der Nase, auf den Nasenmuscheln, auf dem Siebbeine und dessen Zellen, selbst in den Stirnhöhlen, bald viele, bald wenige, bald nur einzelne , bald einzeln stehend, bald in grössern Gruppen vereinigt. Sie finden sich zuweilen, statt in der Nasenhöhle, in der Rachenhöhle, ja selbst im Kehlkopfe vor. Je nach dem Verlauf der Krankheit und je nachdem sie längere Zeit gedauert hat und nach dem Maasse der caustischen Schärfe der dyskratischen abfliessenden Lymphe etc., finden wir die Ränder der Geschwüre und ihren Grund, mitunter selbst die darunter befindlichen Knorpel oder Knochen, er­griffen und zerstört, die Ränder zackig ausgefressen und erweitert, mehrere Geschwüre in einander laufend und grössere offene Geschwürs­flächen bildend; oder wir finden nichts von dergleichen Geschwüren, und es erscheinen statt ihrer, namentlich auf dem Septum der Nase, grössere oder kleinere erodirte Stellen, bei denen das Epithel, oder die ganze Schleimhaut bis auf den Knorpel, und selbst dieser theilweise mit, zerstört ist. Es bilden solche Stellen alsdann offene Geschwürs­flächen und gleichen den in einander gelaufenen Geschwüren, welche bereits um sich gefressen haben. Aber auch diese sind nicht immer da, und wir finden nichts in den Kopfhöhlen, als die degenerirte Schleimhaut, welche immer vorhanden ist. Diese ist von bleicher, schmutziger, in der Regel etwas ins Gelbliche schillernder Farbe, aufgelockert, verdickt und dick und gleichmässig mit jenem Secret belegt, welches aus der Nase bis dahin abfloss. Diese Beschaffenheit
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der Schleimhaut findet sich in der Regel in der ganzen Nasenhöhle; sehr oft setzt sie sich fort in die Rachenhöhle und den Kehlkopf und auf die Schleimhäute der Siebbeine und deren Zellen, zuweilen aber dringt sie noch weiter in die Schleimhäute der Stirn- und Kiefer­höhlen. In den letztern Fällen finden sich dann auch Depots von grössern oder geringern Massen jenes pathischen Secrets in den letzt­genannten Höhlen.
sect;. 686.
Eben so finden sich immer jene verhärteten Lymphdrüsenge-schvvülste im Kehlgange, welche in ihrer Grosse von einer Wallnuss bis zu der einer Mannsfaust variiren; sie sind in der Regel von rund­licher Form , selten flach, wie platt gedrückt. Die Verhärtung ist kautsehukartig, auf der Schnittfläche erscheinen sie speckig, saftig, ihre Textur formlos, und in der Mitte finden sieh zuweilen, aber nicht immer, dunkelorangefarbige Bluttuberkeln, welche in der Grosse von Hanfkörnern bis zu der von Erbsen variiren. Es sind deren nur wenige vorhanden. Das die Drüse umgebende Zellgewebe ist nicht alterirt.
sect;. 687.
In den Lungen und im Hirn, namentlich in den Lymphgefässen der Blutleiter und des Adergeflechts, finden sich jene Lymph-, die sogenannten Miliartuberkeln. Sie sind in diesen Rotzfallen consecutiv, und man findet sie erst ausgebildet, wenn die Krankheit einige Wochen bestanden hat, andernfalls findet man sie im Anfange der Krankheit im Entstehen, im Bildungsstadium. Im Hirn finden sie sich in der Regel einzeln, in den Lungen in der Regel in grösserer Zahl, und nur ausnahmsweise einzeln auf der Oberfläche zerstreut; sie sitzen hier mehrentheils auf der Oberfläche unter der Pleura in den Lymphge­fässen, zuweilen aber auch durchdringen sie die ganze Lungensubstanz. Sie sind rundliche Körperchen, in der Grosse von Hirse- bis Hanf­körnchen. Sie sind hart und fühlen sich scharf an, sie knistern beim Durchschneiden mit dem Messer und haben eine grauweisse Schnitt­fläche ; sie sind in einen festen, faserigen Balg eingeschlossen. Zu­weilen sind sie in grosser Menge vorhanden, und ist dann die Ober­fläche der Lunge damit dicht besetzt, so dass sich dieselbe wie eine Raspel anfühlt, wenn man mit den Fingern darüber hinstreicht, oder, was indess viel seltener ist, sie stehen in dichten Gruppen, zu Hunder­ten in Knoten vereinigt, zusammen, die wie Haselnüsse, selbst mit­unter wie Wallnüsse gross und noch grosser sind; *) oder es sind nur einzelne wenige vorhanden, dann sind sie zerstreut, einzeln unter der
*) Der Krcisthierarzt Müller in Stolp beobachtete dergleichen Conglomerate von der Grosse einer Mannsfaust, die aus Miliaren zusammengesetzt waren.
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Lungenpleura zu entdecken. Es kommt weder auf die Menge, noch auf den Sitz und die Vertheilung dieser Tuberkeln an; sind sie vor­handen, so ist der Rotz damit als unzweifelhaft constatirt. Indessen kann der Rotz, namentlich in seinen ersten Stadien, vorhanden sein, ohne dass dergleichen Tuberkeln da sind, und da sie mit den Rotzge­schwüren gleichen Ursprung haben, so können sie zwar eben so gut fehlen, wie die Geschwüre, wenn auch der Rotz schon ausgebildet ist, indess sie erzeugen sich unter allen Umständen und allenia) beim chronischen Rotz, wenn nur davon leidende Pferde nicht zu früh ge-tödtet werden. Beim acuten, und namentlich beim Infeetionsrotz von rein scrophulöser Form, finden wir oft die Geschwüre in grosser Menge und in optima forma, ohne dass jene Tuberkeln vorhanden sind. Die Conjunctiva verhält sich ähnlich, wie die Schleimhaut der Nase, nur sind auf ihr Rotzgeschwüre bisher nicht beobachtet worden.
sect;. 688.
Alle diese pathischen Zustände und Erscheinungen, wie sie sowol an lebenden Thieren, wie an den Leichen bei den Sectionen vor­kommen , finden sich eben sowol nur auf einer Körperseite, wie sie oft auf beiden vorkommen , doch ist Letzteres im Ganzen seltener der Fall.
Die beiden hier beschriebenen Rotzformen, der Rotz auf der Cutis und der auf den Schleimhäuten, kommen eben sowol getrennt, wie vereinigt, gemeinschaftlich, an einem Thiere vor. Ersteres ist zwar häufiger der Fall, indess wird auch Letzteres nicht ganz selten beobachtet. Der Hautrotz geht gewöhnlich in den Nasenrotz über; nicht so umgekehrt, dies findet weit seltener statt, überhaupt erscheint der letzere weit häufiger als der erstere.
sect;. 689.
Entwickelt sich der Rotz, originär, oder durch Infection, ursprüng­lich von den Verdauungsorganen aus, so haben wir ebenfalls den scrophulösen Rotz, indess nicht mehr in seiner rein ausschliesslich lymphatischen Gestalt. Es nimmt die Entwickelung der Lymphdys-krasie einen andern Gang, und sie erscheint nicht primitiv, sondern consecutiv, als eine Folge voraufgegangener dyskratischer Chylus-und Blutirifection. Zunächst erleiden die Nahrungssäfte in den Di-gestionsorgannn eine fehlerhafte Mischung, respective Infection, und so treten sie in die Mesenterialdrüsen, welche sie afficiren und degeneriren. Dadurch erhält der Chylus die dyskratische Mischung, welche sich von diesem dem Blute mittheilt und mit diesem in den Ernährungsprocess übergeht, bei welchem dann erst die Lymphgefässe den dyskratischen Stoff aufnehmen , wodurch die Lymphe selbst die dyskratische Natur des Rotzes annimmt. Es ist dies mithin eine tertiäre Infection, nach welcher dann erst äusserlich
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diejenigen Erscheinungen des Rotzes zum Vorschein kommen, welche in den vorhergehenden sect;sect; beschrieben sind.
sect;. 690.
Da indess vor der Lymphe das Blut inficirt ist, so haben wir hier ebenso, wie bei directen, primären Blutinfectionen durch Rotz-contagium oder durch andere Krankheitsstoffe, durch Metastasen und Metaschematismen etc., zunächst die Rotzdyskrasie im Blute und die aus ihr hervorgehenden naturgemässen consecutiven Wirkungen und Folgen, die sich vorzugsweise in eigenthümlichen primitiven Krank-heitsprocessen in den Lungen manifestiren. Es kann sich hier die Rotz­dyskrasie, mit all ihren Producten und Destructionen, als sogenannter innerer, occulter, als Lungenrotz, vollständig ausbilden, ohne dass die Natur der Krankheit als solche durch die eigenthümlichen caracte-ristischen Criterien des Rotzes, als äussere Reflexe der Innern Dys-krasie, erkannt werden kann.
sect;. 691.
Nicht nur schon aus diesem Grunde ist die diagnostische Fest­stellung der Rotzkrankheit schwieriger, sondern auch deshalb, weil wir es hier nicht mit einer einfachen primären Lymphinfection zu thun haben, die sich alsobald durch lymphatische Krankheitsprocesse äusserlich zu erkennen giebt; sondern weil dies ein mehr tief innerer Krankheitsprecess ist, der seinen Grund in einer Blutinfection hat, welche ihre blutigen Krankheitsprocesse in innern Organen beginnt, bevor noch Lymphinfectionen stattgefunden haben, welche letztere erst in tertiärer Reihe auftreten, und erst dann, wenn schon lange der Rotz ausgebildet ist, im höchsten Stadium der Krankheit etwa , giebt sieh der Rotz in diesen Fällen durch äusserlich erscheinende Symptome schliesslich zu erkennen.
sect;. 692.
Ein äusserliches Symptom ist indess auch bei diesem Lungenrotz constant und characteristisch, dies ist der Ausfluss aus der Nase, welcher immer mit diesem Rotze gleichzeitig eintritt und von der­selben speciflschen Beschaffenheit ist, wie wir ihn bei den andern Rotzvarietäten schon beschrieben haben. Dieser Ausfluss findet be­reits statt, bevor sich noch Drüsenanschwellungen und andere Sym­ptome zeigen, die in manchen Fällen erst sehr spät, und in andern selbst gar nicht eintreten. Mit der Bildung der Blnttuberkeln in den Lungen aus dem dyskratisch inficirten Blute, beginnt gleichzeitig eine Aufsaugung des dyskratischeraquo;. Stoffs durch die Lymphgefässe der Lungen, welche denselben den Bronchialdrüsen zuführen und die nach dem Reiz dieses Stoffes in derselben Weise degenerirt werden, wie bei Infection der Gesichtslymphgefässe die Ganaschendrüsen.
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Durch die hieraus hervorgehende Stagnation der Lymphe in den Lungengefässen erzeugen sieh, wie auch schon oben nachgewiesen wurde, die Lymph- oder Miliartuberkeln. Schon während der Blut­tuberkelbildung werden die Bronchialschleimhäute in eine krankhafte Thätigkeit versetzt, indem sie, in Mitleidenschaft tretend, einen quan­titativ und qualitativ veränderten Schleim absondern, welcher durch die Luftröhre und Nase abfliesst. Mit der Entstehung der Lymph­tuberkeln dagegen dringt, wie beim Nasenrotz auf der Nasenschleim­haut, hier dis dyskratische Lymphe durch die Bronchialschleimhaut hervor, entweder schwitzt sie durch das Parenchym derselben, oder sie fliesst durch Rotzgeschwüre, die sie sich bildet, oder durch Ero­sionen , die sie verursacht, mit dem Bronchialschleim sich ver­mischend, ab.
sect;. 693. Wenn dieser Ausfluss vorhanden ist, haben wir es unzweifel­haft bereits mit dem vollendeten Innern, oeculten Rotze, mit dem Lungenrotze, zu thun, den wir als solchen constatiren können, sobald wir im Stande sind, uns Ueberzeugung zu verschaffen, dass der vor­beschriebene Krankheitsprocess in den Lungen stattgefunden hat. Diese Ueberzeugung gewinnen wir durch eine genaue Beobachtung der genetischen Entwickelung der Krankheit und die damit in Err scheinung tretenden äussern Symptome und durch die Gewissheit, dass nicht andere Krankheitszustände vom Ursprünge der Krankheit an vorhanden gewesen sind, auf welche jene Erscheinung des betr. Ausflusses zurückgeführt werden muss. Wo dies nicht statt findet, da ist es mit der diagnostischen Feststellung des Rotzes in solchen Fällen immerhin misslich und zweifelhaft. Dieser sogenannte innere oder Lungenrotz beginnt entweder mit einem eigenthümlichen, kurzen trocknen, heisem, schmerzhaften, oft, und zwar bei jeder körperlichen Thätigkeit, so auch beim Fressen , wiederkehrenden Hüsteln, bei welchem, oft erst nach langer Dauer, plötzlich, und scheinbar ohne jede äussere Veranlassung, Fieberschauer., wechselnd in Frost und Hitze, eintreten : oder es treten diese Fieberschauer ein, ohne dass jenes Hüsteln vorher statt fand, das indess dann bald darauf folgt. Es verliert sich der Appetit, der Patient wird aufgeschürzt, die untere Flankengegend wird stark eingezogen, das Athmen ist beschleunigt, klein und voll, das Haar sträubt sich, die sichtbaren Schleimhäute röfhen sich ziegelfarbig. Die Röthe und die Fieberschauer verlieren sich bald, indess das beschleunigte und anomale Athmen bleibt bei, das Hüsteln tritt ein, oder dauert fort, die sichtbaren Schleimhäute nehmen eine bleiche und livide Färbung an, sie lockern sich auf und bedecken sich mit milchig trübem, zähem, klebrigem Sehleim. Obwol der Appetit sich wieder einstellt, so beginnt der Patient dennoch ab­zumagern und verliert den Glanz seines Haares. Stellt sich nun jener
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specifische pathische Ausfluss aus der Nase ein, dann ist der Rotz vollständig ausgebildet.
sect;. 694. Hat der Sachverständige nun aber nicht Gelegenheit, diesen genetischen Entwickelungsgang zu beobachten, so muss er bei vor­handenen Erscheinungen, welche die Existenz des Rotzes verrauthen lassen, indem sie den Verdacht des Vorhandenseins von Tuberkeln in den Lungen, von Degeneration der Bronchialdriisen etc. durch das abnorme Athmen und Hüsteln, durch Abmagerung und schlechtes Haar etc., begründen, wenn ferner jener specifische Ausfluss vorhanden ist, mit seinem diagnostischen Urtheil zurückhalten, den Patienten in die Rubrik der Rotzverdächtigkeit aufnehmen und ihn so lange weiter beobachten, bis anderweite äussere Symptome hinzutreten, die den Rotz ausser Zweifel setzen, oder wenn dies, wie es oft geschieht, nicht statt findet, muss er seine Diagnose bei den vorhandenen Symptomen , nach dem weitern Verlauf und der Dauer der Krank­heit stellen.
sect;. 695.
Wir haben also auch in diesem Falle den vollständig ausge­bildeten Rotz, ohne dass wir äusserlich eine Drüsenanschwellung und eine wesentliche Veränderung an den sichtbaren Sehleimhäuten wahr­nehmen; indess die letztern werden im Verlaufe der Krankheit immer mehr und mehr in Mitleidenschaft gezogen, indem schon die Schärfe des ausfliessenden Secrets die Schleimhaut der Nase reizt, so dass sie sich auflockert, verdickt und ein, quantitativ wie qualitativ, abnormes Schleimhautsecret absondert. Dies betrifft aber ebenso die Schleimhäute der Luftröhre, des Kehlkopfs und der Rachenhöhle, und selbst die der Augen werden consensuell ergriffen. In vielen Fällen aber auch, obwol mehrentheils erst in den höhern Stadien der Krank­heit , findet auch seitens der zum Bereiche der Ganaschendrüsen ge­hörigen Lymphgefässe Resorption der deletären Lymphe , und somit Anschwellung und Verhärtung jener Drüsen statt. Sobald dies aber eintritt, erfolgt auch der weitere Abfluss jener Lymphe durch die Schleimhäute der Nase und der Augen, und in vielen Fällen ent­wickeln sich auch die Rotzgeschwüre auf der Nasenschleimhaut, so wie die Miliartuberkeln im Gehirn. Auch dieser Lungenrotz erscheint häufiger auf einer, wie auf der andern Seite des Körpers.
sect;. 696.
Bei der Section derartiger Patienten findet man im niedern Grade dieser Rotzvarietät in den Lungen nicht nur jene Bluttuberkeln in verschiedenen Stadien ihrer Entwickelung und in der Grosse von Erbsen bis zu kleinen Wallnüssen, oft in grösserer oft in geringerer
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Menge, zuweilen die ganze Lunge damit angefüllt und in faustgrossen Conglomeraten, oft blos in einzelnen Exemplaren, sondern man findet auch die Lymphtuberkeln in eben so verschiedener Menge. Die Bronchialdrüsen sind oft bedeutend vergrössert, speckig hart, und enthalten in ihrem Innern zuweilen ebenfalls Bluttuberkein. Die Bronchialschleimhäute sind aufgelockert, verdickt und mit einem schmutzig grauweissen, ins Gelbliche schimmernden, consistenten, kleb­rigen Secret dick belegt. Dieses Secret sammelt sich in den Luft­röhrenästen immer mehr und mehr, füllt dieselben theilweise an und fliesst schliesslich durch Luftröhre und Nase ab. Mit diesen Sections-ergebnissen ist die vollständig ausgebildete Rotzkrankheit festgestellt. Aber es finden sich zuweilen auch auf der Bronchialschleimhaut und auf der Schleimhaut der Luftröhrenäste, wie in der Luftröhre selbsi, jene bekannten Rotzgeschwüre. Hatte sich die Krankheit in origi­närer Weise, von den Digestionsorganen aus, entwickelt, dann findet man die Mesenterialdrüsen in ähnlicher Weise wie jene Lymph­drüsen degenerirt und auch in ihnen hin und wieder Bluttuberkeln ausgebildet; man findet die Gedärme verschleimt und zuweilen Lymph­tuberkeln in der Leber, der Milz und den Nieren.
sect;. 697.
In weiter vorgeschrittenen Stadien der Krankheit aber findet man die Bluttuberkeln theilweise schon im Verfall, erweicht, und sogar aufgelöst und ihre Substanz dem Ausflusse beigemischt, wo­durch dieser eine schmutzig bräunliche, röthliche oder Orangefarbe erhält. Es finden sich Partieen der Bronchialschleimhäute, und selbst der Knorpel der Luftröhrenäsfe, ja ganze Partien der Lungen, ge­schwürig zerstört, und so finden sich diese Stoffe dem Ausflüsse als Geschwürsjauche beigemengt, welcher häufig noch unaufgelöste Par­tikeln jener zerstörten organischen Substanzen enthält. Consistenz, Färbung , caustische Schärfe und Geruch dieses Ausflusses sind je nach diesen Beimischungen sehr verschieden modificirt. Zuweilen ist dem Ausflusse, wenn in den Lungen Blutgefässe mit zerfressen sind, Blut beigemengt, welches demselben eine röthliche Farbe giebt, zuweilen ist der Antheil des Blutes sehr bedeutend, und er fliesst mit dem Ausflusse in gesonderten Striemen ab.
Weiter finden wir bei dieser Roizvarietat Degenerationen und Destructionen in der Schleimhaut der Luftröhre, des Kehlkopfs, der Rachen-, Nasen-, Kiefer- und Stirnhöhlen, wir finden die Ganaschen­drüsen degenerirt, Lymphtuberkeln im Gehirn, Depots von Jauche in den Kopf höhlen und überhaupt alle Erscheinungen, wie sie bei der Varietät des lymphatischen Nasenrotzes beschrieben worden sind. Die sogenannten Rotzgeschwüre können auf allen diesen Schleim-häuten in grösserer oder geringerer Menge vorkommen, sie können
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aber auch ganz fehlen. Alle diese Erscheinungen zeigen sich ent­weder auf einer, oder auf beiden Körperhälften, je nachdem die Krank­heit von eineroder von beiden Lungen ausgeht, am häufigsten kommen sie nur auf einer Seite vor, und genau immer auf der, deren Lunge ergriffen ist.
sect;. 698. Zuweilen finden sich auch noch Vomicae in den Lungen, welche oft in den verschiedensten Stadien ihrer Entwickelung, ihres Verfalls und ihrer Auflösung existiren, selbst sind leere Bälge vorhanden, die ihren Inhalt schon durch die Nase ergossen haben. Sie sind voll­ständig selbstständig und stehen in keinem Natural- und Causalconnex zu dem Eotz. Sind sie vor diesem vorhanden, so mögen sie bei eintretender Rotzdyskrasie die Entwickelung des Krankheitsprocesses wol vorzugsweise nach den Lungen leiten und beschleunigen, in allen Fällen aber, und selbst wenn sie auch erst später entstehen, beeilen sie den Verlauf der ganzen Krankheit. Die aufgelösten und sich in die Bronchien ergiessenden Vomicae ändern unter allen Umständen aber die Beschaflenheit des Ausflusses aus der Nase, indem sich der zerflossene Inhalt der Vomicae mit dem lymphatisch mukösen Secret der Schleimhäute vermischt. Derselbe wird dadurch nicht nur quan­titativ sehr vermehrt, sondern er erhält auch eine mehr schmierige, theerärtige , klebrige Consistenz, eine schmutzig erdgrane , öfter ins Bräunliche oder Röthliche schimmernde Farbe, ist völlig undurch­scheinend und verräth einen intensiv penetranten, etwas stechenden, Schwefel- und phosphorwasserstoffigen Geruch.
sect;. 699. Weil eben die Eotzgeschwüre so eigenthümliche, characteristische und in die Augen fallende Erscheinungen sind, und weil alle andern Symptome der Krankheit so viel Analoges mit den vSymptomen anderer Krankheitszustände haben, daher so leicht mit ihnen verwechselt werden können und zu Irrthümern führen, darum klammert man sich bei der Diagnose des Rotzes so fest an die Geschwüre und sucht sich schliess-lich allein an ihnen zu halten. Abgesehen davon, dass dies durchaus nicht wissenschaftlich ist, indem die Wissenschaft ihre Diagnose an constante, aus dem Wesen und der Natur der Krankheit nothwendig immer hervorgehende, und nicht an zufällige, von der Natur der Krank­heit nicht als nothwendig bedingte, Erscheinungen, zu welchen letztern die Rotzgeschwüre gehören, zu binden hat, so werden auch die Ge­schwüre des Rotzes gar häufig mit andern Verletzungen der Nasen­schleimhaut, wie mit Erosionen durch innere scharfe Krankheitsstoffe, durch äusserlich angewendete scharfe Mittel, mit durch mechanische Mittel verursachten Verletzungen etc.. verwechselt, und jene für diese, wie diese für jene erkannt. Es lässt aber jene diagnostische Methode
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eine um so grössere Lücke in der Wissenschaft und ihrer practischen Anwendung, als, wie wir bereits gezeigt haben, die Geschwüre beim wirklichen Vorhandensein, ihres örtlichen Sitzes wegen, häufig nicht wahrgenommen werden können, und dieselben auch in vielen Fällen des Rotzes, und namentlich in manchen Formen, wie z.B. beim blen-norrhöischen Rotze, gar nicht, oder doch nur äusserst selten vorkommen.
sect;. 700.
Das eigentliche specifische Rotzgeschwür erscheint überdem nur vorzugsweise bei der lymphatischen Rotzdyskrasie, gleich den Miliar-tuberkeln, entweder wo jene sich originär, oder aus dem Contagium entwickelt, oder wo eine andere Form und Krankheit entschieden in die lymphatische Form übergeht und deren Natur vollständig annimmt. Das Geschwür hat überdem nur im Anfange seinen characteristischen Typus, indem die aus ihm hervorsickernde deletäre Lymphe die Sub­stanz, in der es sitzt, zerstört und damit seine Form ändert und sie blossen Erosionen ähnlich macht. Eine Erkennung der specifischen Rotzgeschwiire erfordert zwei Momente, welche der Zufall begünstigen muss; der Process der Geschwürsbildung auf der Nasenschleimhaut muss eine Oertlichkeit haben, welche das Auge des Beobachters über­sehen kann , und der Beobachter muss in dem Moment herantreten, wenn die Geschwüre soeben oder doch unlängst entstanden sind.
sect;. 701.
Die Rotzgeschwüre entstehen nie ohne diejenige Degeneration der Lymphdrüsen, wie sie eben dieRotzdyskrasiederLymphe erzeugt, sie erscheinen mithin zu jenen Drüsendegenerationen consecutiv, während diese wieder eine consecutive Folge der Dyskrasie der Lymphe sind. Ganz so, wie mit den Geschwüren, verhält es sich mit den Miliar-tnberkeln. Die Geschwüre, wie diese Tuberkeln, entstehen aber immer nur in demjenigen Lymphgefässcomplex, welcher zu den de-generirten Lymphdrüsen gehört und im gesunden Zustande diesen seine Lymphe zuführt.
sect;. 702.
Bei jungen, kräftig genährten und vollsäf'tigen Pferden, wo es uns bei der Diagnose des originär entstandenen scrophulösen Rotzes, wie dies wol sehr häufig vorkommt, an den entscheidenden Criterien des Rotzes fehlt, könnnen wir, neben der basischen Prävalenz der Lymphe und der contagiösen Natur der Krankheit, neben den ander­weiten Symptomen des Rotzes, noch die Hyperalbuminose und die lymphatische Plethora der Säfte, wie sie in diesen Fällen gewöhnlich vorkommen, als Hülfsmittel zur diagnostischen Feststellung der Krank­heit benutzen.
Eidl, Rolzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 25
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sect;. 703. In ähnlichen Fällen des Rotzes, in denen Rotzgeschwüre vor­kommen , findet zuweilen eine Naturheilung dieser Geschwüre statt. Die dyskratische Lymphe reizt die umgebenden Nerven und Capillar-gefasse, und durch Proliferation der Zellen bildet sich Granulation und Eiterung, daher zuweilen Eiterkügelchen im Ausfluss vorkommen und die Rotzgeschwüre verheilen und vernarben. Allerdings findet dies nur in solchen Fällen statt, in denen die Dyskrasie noch keine allgemeine geworden, in der sie noch nicht weit vorgeschritten ist. Nach Verheilung der Geschwüre findet man sternförmige, erhabene Narben auf der Schleimhaut. Sehr oft entstehen dann an andern Stellen neue Geschwüre, zuweilen aber auch nicht. Je länger indess jene Lymphe eingeschlossen ist, je anhaltender ist der Reiz und je intensiver findet jene Zellenproliferation statt, daher bei den Ge­schwüren auf der Cutis noch verhältnissmässig häufiger eine Vernar­bung stattfindet, als bei den Schleimhautgeschwiiren.
sect;. 704. Es kommt auch vor, dass bei der localen Infection des Lymph-gelasscomplexes in dem Bereiche der Lymphdrüsen des Kehlganges und bei der Degeneration dieser Drüsen, wie sie dem Rotze eigen ist, die ulcerirenden Rotzgeschwüre sich, statt auf der Nasenschleim haut, auf der Cutis des Gesichts, und zwar an den Nasenöffnungen, an den Lippen und Maulwinkeln erzeugen , während die Nasenschleimhaut gar nicht alterirt ist. Es ist dies ein schlagender Beweis von der Oertlichkeit der Dyskrasie, wie solcher auch darin zu finden ist, dass zuweilen Stuten, mit vollständig ausgebildetem Rotz, gesunde Füllen gebähren und sie Monate lang säugen, ohne dass dieselben angesteckt werden (s. 35. Fall). Es ist dies selbst ein Beweis dafür, dass die Dyskrasie lange Zeit sich auf ihrer Oertlichkeit erhalten kann. Der Rotz beginnt aber auch als eine allgemeine Dyskrasie, und tritt in Fällen auch als constitutionelle Krankheit auf.
sect;. 705.
Wir haben von einem occulten Rotz gesprochen, es ist dies ein solcher, der, obwol er als ausgebildete Rotzdyskrasie vorhanden ist, dennoch äusserlich sich nicht durch die gewöhnlichen Criterien der Krankheit, und namentlich nicht durch Rotzgeschwüre und Affection der Lymphdrüsen im Kehlgange, oder der subcutanen Lymphgefasse zu erkennen giebt. Dieser Rotz vollzieht seine destructiven Krank-heitsprocesse in Innern Organen, und vorzugsweise in den Mesente-rialdrüsen, denLungen und deren Lymphgefässen und Drüsen. Wenn nun auch Lymphdrüsengeschwülste und Verhärtungen derselben beim Rotze immer vorhanden sind, so sind sie nicht in allen Fällen äusser-
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lieh wahrnehmbar. Dagegen sind nicht in allen Fällen des ausgebil­deten Rotzes Geschwüre vorhanden, dann aber finden sich dieMiliar-tuberkeln; in andern Fällen dagegen fehlen wieder diese, und dann sind gewöhnlich die Geschwüre vorhanden; in den meisten Fällen aber trifft man Geschwüre und Tuberkeln zugleich an. Diesem nach kann ein sehr hoher und intensiver Grad des Rotzes bestehen, ohne dass Geschwüre vorhanden sind ; es kann ein eben solcher Grad des Rotzes bestehen, ohne dass Miliartuberkeln vorhanden sind.quot;
sect;. 706.
Die Rotzdyskrasie ist eine Krankheit, die unter den verschieden­sten Modificationen ihres Characters, Verlaufs, ihrer Natur und ihrer Stadien auftritt und in dieser Beziehung oft die merkwürdigsten Me­tamorphosen macht. Es zeigt sich dies schon bei dem originär ent­standenen, mehr abernoch bei dem Infectionsrotz, Der acute fieber­hafte Character geht sehr bald in den chronischen fieberlosen und, umgekehrt, dieser in jenen über. Zum Hautrotz gesellt sich der Nasenrotz, zu diesem der Lungenrotz und schliesslich der gastrische Rotz ; dieser letztere wird zum Lungenrotz, und es gesellt sich zu ihm wol noch der Nasen - oder Hautrotz oder beide Varietäten zu­gleich. Jede Form des Rotzes nimmt die lymphatische Natur an, und mit diesem Uebergange erst ist die Krankheit eigentlich Rotz. Die Symptome des einfachen scrophulösen Rotzes, seine Functions-störungen und weiteren Einwirkungen auf die Organe, seine destruc-tiven Processe, und die durch ihn hervorgerufenen Heteroplasien und Neoplasien sind in vielen Fällen ganz unscheinbar, kaum vorhanden und kaum merklich, zuweilen ändert er in demselben Individuum, mehr aber noch, auf andere Individuen übertragen, seinen Character darin, dass er unter den ex- und intensivsten Symptomen zur rapide­sten Krankheit wird, und die exorbitantesten Störungen in den Le-bensfunetionen, sowie die tief eingreifendsten Destructionen in gewis­sen Organen hervorruft. Es entstehen %. B. plötzlich, unter Fieber­zufällen, an den verschiedensten Körperstellen entzündete Geschwülste, an denen die Lymphgefässe schmerzhaft strangförmig auflaufen , auf denen fluetuirende Beulen entstehen, die zu offenen, stark suppuriren-den Geschwüren aufbrechen; es entstehen eben so plötzlich im Kehlgange umfangreiche, harte und schmerzhafte Drüsenanschwel­lungen, denen sofort auf der Nasenschleimhaut eine grosse Zahl stark suppurirender, um sich fressender, Schleimhaut, Knorpel und Knochen zerstörender Geschwüre folgen, oder auf denen sich blutende Wuche­rungen, Markschwamm, zeigen, welche das Äthmen hindern; es ent­steht gleichzeitig, oder sie fand schon vorher statt, allgemeine Tu­berkelbildung in den Lungen, bei sehr erschwertem Athmen mit, sich bis zur sphacelösen Zerstörung der Lungensubstanz steigernder Ent-
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zündnng. Dagegen haben wir wieder bei Uebertragung des Conta-giums von so rapider Krankheit auf ein anderes Individuum, die langsamste Entwickelung der Krankheit unter den gelindesten und unscheinbarsten Symptomen.
Der einfache scrophulöse Rotz complicirt sich mit andern Krank-heitszuständen, und er ändert damit seine Natur und seinen Verlauf. Es gesellen sich Entzündungsprocesse, nervöse, septische und blen-norrhöische Zustände hinzu, und damit werden die Symptome ver­wickelter und mannigfaltiger.
sect;. 707.
Es wird nun noch Pflicht, die ganze Symptomengruppe vorzu­führen , nach welcher .wir die vorhandene Dyskrasie in allen ihren Stadien, Formen und Varietäten als Rotz zu erkennen und zu beur-theilen haben. Da diese aber ausserordentlich mannigfaltig sind, so müssen wir nach den Verhältnissen, die uns der vorhergehende sect; vor­führt, es jedem Leser überlassen , sich selber ein Bild von der Rotz­krankheit zu entwerfen und solches als Contrefait mit jedem concreten Originalfalle in Vergleich zu bringen, denn es ist uns nicht möglich ein Portrait dieser Krankheit zu geben, welches allen Gestalten und Stadien derselben entspricht, und in dem sie alle wiedergegeben sind. Wir haben bereits im Verlauf dieser Schrift gesehen, welche Sym­ptome und Erscheinungen nothwendig vorhanden sein müssen, bavor wir den Rotz diagnostisch feststellen können, indess ist es zugleich Pflicht, zu zeigen, von welchem Heere anderer Zufälle und Erschei­nungen jene Dyskrasie begleitet wird, resp. begleitet werden kann, und in welchen Gestalten dieselbe damit zum Vorschein kommt.
Die meisten, die entscheidendsten, die characteristischsten Sym­ptome dieser Dyskrasie sind äusserlich am Kopfe und innerlich an den Lungen zu beobachten, und fragen wir nach den Ursachen dieser Thatsache, so finden wir sie einerseits in der Natur der Krankheit selbst, andererseits in den anatomisch-physiologischen Verhältnissen der gedachten Körpertheile.
sect;. 708.
Dass die Dyskrasie ihren Sitz vorzugsweise in der Lymphe hat, und dass die Erscheinungen, welche den Rotz manifestiren, vorzugs­weise auf Vorgänge im Lymphgefässsystem zurückgeführt werden müssen, dass die dyskratische Lymphe, als solche, eine chemische Veränderung erlitten hat, bei welcher sich eine alkalisch-basische Prävalenz herausstellt, die eine caustische Schärfe bedingt etc., wissen wir bereits. Diesem gemäss, müssen vorzugsweise Körpertheile und Organe ergriffen werden, welche reich an Lymphgefässen und aus­nahmsweise thätig im Stoffwechsel, dabei locker im Zellenbau und
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schlaff in der Faser sind, also, wo leicht Ausdehnung des Gewebes, mithin Stagnation und Stockung der Lymphe, stattfindet. daher auch in solchen Körpertheilen, in denen die Säfte gegen ihre eigene Schwere fliessen müssen. Die chemische Verwandtschaft des basi­schen Princips in der dyskratischen Lymphe mit Oxygen, erzeugt die Connexität solcher Lymphe mit der atmosphärischen Luft und be­wirkt eine Anziehung derselben in denjenigen Organen und Gebilden, welche am meisten und unmittelbarsten mit jener Luft in Berührung kommen oder in Verbindung stehen. Sie erzeugt mithin jene Lymph-stasen, welche die nächste Veranlassung zu den bekannten, den Rotz characterisirenden, destrnetiven Processen und Heteroplasmen sind.
sect;. 709.
Wir werden in diesen Momenten sehr leicht die Erklärung fin­den, warum sich der Krankheitsprocess der Rotzdyskrasie vorzugs­weise auf gewisse Theile des Kopfes, ganz besonders aber auf die Schleimhäute desselben, auf die Lungen und auf die Cutis wirft, wenn wir noch die Thatsache in Betracht ziehen, dass die genannten Ge­bilde diejenigen sind, durch welche die häufigsten, sowol unmittelbaren wie mittelbaren Berührungen mit andern Pferden, also auch mit dem Contagium der Krankheit, stattfinden, daher auch auf sie die häufig­sten Uebertragungen derselben erfolgen, da selbst die von Pferden in den Ställen einzuathmende Luft zuweilen der Träger des Conta-giums ist und zur Ursache des Entstehens des Rotzes in den Lungen wird. Wir haben hierin ferner die Erklärung dafür, dass der Krank­heitsprocess sich so häufig vorzugsweise auf die untern Regionen der Nasenschleimhaut und auf die Füsse wirft, und dass er beim Men­schen seinen Sitz nicht selten in den Gelenken aufschlägt.
sect;. 710.
Wenn wir die Basis der Tuberkeln für einen anorganischen Stoff ansehen müssen, wenn wir ihn für einen Ueberschuss basisch-phosphorigen Kalks, für einen zur Ernährung bestimmten, bildenden, oder aus der Verwesung organisirter Substanzen hervorgegangenen, rückgebildeten, zur Ausscheidung bestimmten Stoff im Blute und in der Lymphe ansehen, dann werden wir noch zu einem Momente ge­führt, welches uns die vorzugsweise Entstehung der Rofzgeschwüre auf der Cutis, auf den Schleimhäuten des Kopfes und der Tuberkeln in den Lungen*) erklärt. Dies ist die niedrige Temperatur und die häufige Abkühlung, welche sowol auf der Cutis, wie auf den gedach­ten Schleimhäuten und in der Lunge erfolgt und die Bildung von
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*) Beim Menschen häufig in den Gelenken, daher mit heftigen Schmerzen in diesen.
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Stasen, sowie den Niederschlag des Tuberkolstofts, also die Entsteh­ung von Geschwüren und Tuberkeln in den gedachten Organen, vor­zugsweise begünstigt. Wir könnten darin eine wichtige Mitursache suchen, dass in ganz heissen, wie in ganz kalten Zonen weder die Tuberculosis, die Scrophulosis, noch die Rotzkrankheit vorkommt.
sect;. 711. Wenn wir nun alle Formen, Varietäten und Stadien des Rotzes zusammennehmen , dann werden wir einen Symptomencomplex vor­zuführen haben, aus dem Gruppen einzelner Symptome immer die Form, die Varietät, den Sitz oder das Stadium der Krankheit speciell characterisiren. Generell, specifisch und constant beim Rotz ist, welche Form, welche Varietät, welchen Sitz und welches Stadium wir auch nehmen, die eigenthümliche lymphatische, bereits näher be­schriebene Dyskrasie, wie specifische Lymphdrüsen-Degenerationen, und die geschwürigen oder parenchymatösen Ausscheidungen jener dyskratischen Lymphe*); keineswegs generell und weniger constant, aber nicht minder specifisch, sind die vorkommenden Rotzgeschwüre, Lymphtuberkeln**), die in den Säften, Bluttuberkeln und drüsigen Organen vorkommenden Schimmelpilze und die caustisch - basische Beschaffenheit des Ausflusses aus der Nase ; die andern Symptome gehören dem Krankheitszustande, welchen wir als Rotz kennen, im Allgemeinen an, und sie zeigen uns entweder die Form, die Varietät, den Sitz oder das Stadium der Krankheit an.
sect;• 712.
Diese Rotzkrankheit erscheint unter beschleunigten Blutbewe­gungen', welche eintreten, bevor noch andere Symptome zu ermitteln sind; diese stellen sich nach und nach ein, und jenes Fieber dauert fort, es begleitet den ganzen Verlauf der Krankheit. Es ist ein hec-tisches Fieber mit kleinem, weichem, zuweilen zitterndem Pulse, seine Beschleunigung variirt zwischen etwa 60 und 120 Schlägen in
*) Auf die quantitativen Verhältnisse dieser Erscheinnngen kann es nicht ankommen, diese richten sich ebenso nach dem Alter, dem Ernährungszustände, der Race etc., also nach der Individualität, wie nach den Ursachen, den Nah­rungsmitteln und den sonstigen Lebensverhältnissen und äussern Einflüssen.
**) Wir mochten bei dieser Gelegenheit zugleich die Frage unsers Gerlach, in seinem Handbuch der gerichtlichen Thierheilkunde, p. 212: „ob auch ohne Rotz Miliartuberkeln vorkommen ?quot; — dahin beantworten: — dass ohne Rotz Miliartuberkeln nicht vorkommen können, weil diese ausschliessiich dos Pro­duct der Rotzdyskrasie sind; dass wol aber Rotz ohne Miliartuberkeln vorkom­men kann, weil derselbe, besonders iiach contagiösen Infectionen, zuweilen sich schneller entwickelt, als jene Tuberkeln, und weil der Roquot;z, als locale Krank­heit, häufig an solchen Oertlichkeitcn auftritt, wo eine Miliartuberkelbildung nicht angänglich ist. — Wir wünschen, dass hiermit jene Frage als erledigt an­gesehen werde.
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der Minute. Die Beschleunigung ist steigend mit dem Fortschreiten der Krankheit und dem schnellen Wachsthum der andern Symptome. Die Krankheit verläuft und endet rapid, der Tod erfolgt durch Ab­zehrung, allgemeine Erschöpfung. Jenes Fieber wird begleitet von Appetitlosigkeit, schlechtem, struppigem , glanzlosem Haar, Ath-mungsbeschwerden, einem häufigen, kurzen, trocknen, heiseren, mat­ten, zuweilen pfeifenden Husten, von schneller Abmagerung und den andern, den Rotz in dieser oder jener Form, Varietät etc. äusserlich und innerlich characterisirenden Symptomen, welche entweder in einer gewissen Reihenfolge nach einander sich entwickeln und an Umfang und Intensität zunehmen, oder welche auch plötzlich, wie durch Zauber, in Gemeinschaft hervortreten und in kürzester Frist den höchsten Grad erreichen.
sect;. 713.
Die Krankheit beginnt mit beschleunigten Blutbewegungen, wie vorhin angegeben, unter diesen entwickeln sich gewisse Symptome, wie Tuberkeln , Geschwüre , Drüsengeschwülste , Ausfluss etc. Mit dem Eintritt dieser nimmt die Beschleunigung des Pulses ab, das Fieber verschwindet ganz, und die Rotzdyskrasie schreitet langsam vorwärts. Der Appetit, welcher anfangs fehlte, stellt sich wieder ein, das Haar wird wieder glatt und glänzend; Athmungsbeschwer-den und Husten verlieren sich, die Abmagerung steht still, und es tritt zuweilen wol wieder Fettbildung ein, während die andern Sym­ptome des Rotzes sich langsam weiter entwickeln.
Jene Fieberbewegungen treten aber zuweilen auch dann erst ein, wenn die Rotzdyskrasie einen gewissen Grad erreicht hat und Symptome hervorgetreten sind, welche das Vorhandensein der Krank­heit anzeigen, wo also der Rotz sich bereits ausgebildet hat. Mit jenem Fieber treten auch die andern genannten, dasselbe begleiten­den Erscheinungen ein, und wir haben nun, nachdem die Krankheit bis dahin nur langsame Fortschritte machte, plötzlich einen rapiden Verlauf derselben, bei dem die bis dahin unscheinbaren Symptome des Rotzes eine auffallend schnelle Steigerung in ihrer Ausdehnung und Intensität nehmen. In manchen Fällen finden sich auch bedeu­tende nervöse Affectiouen, die sich in auffallender Abmattung und Abspannung, in einer allgemeinen nervösen Schwäche, zu erken­nen geben.
Endlich aber auch bleiben jene Fieberbewegungen gänzlich weg, während der ganzen Dauer und des ganzen Verlaufs der Krankheit, die Symptome des Rotzes entwickeln sich mehr oder weniger un­scheinbar und langsam, und es bedarf mitunter selbst Jahre, bevor sie als solche erkannt werden können. In diesem Entwickelungs-gange machen die pathischen Processe oft in mehreren Monaten, ja
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in Jahren, gar keine Fortschritte, in andern, wo diese Fortschritte stattfinden, sind sie langsam, unmerklich, und dann treten wieder Momente ein, wo die Entwickelung stille steht, und wo selbst in wenigen Tagen jene Symptome so weit zurückschreiten, wie sie in Monaten oder Jahren vorgeschritten sind, wo die Krankheit also einen Heilungsprocess einzugehen scheint, bis schliesslich die Dys-krasie dennoch alle Säfte inficirt, den Ernährungsprocess stört und den Tod durch Abzehrung und Entkräftung herbeiführt. Bevor aber dieser letzte Act der Krankheit eintritt, sehen wir oft, bei vollständig glattem und glänzendem Haar und unter regelmässigem Fortgange aller gesunden Lebensfunctionen, eine Fettzunahme stattfinden, oder wir sehen Jahre lang eine sich gleich bleibende Stoff- und Kräftefülle fortbestehen. In vielen Fällen lässt sich dann eine Hyperalbuminose des Blutes und eine Plethora der Lymphe nachweisen, bis die Krank­heit zu Ende geht, wo dann schliesslich mit eintretender Abmagerung auch jene Erscheinungen schwinden.
sect;. 714.
Wir finden und beobachten nun während des Lebens des Thie-res äusserlich eine ganze Reihe und einen ganzen Complex von Er­scheinungen, welche der Rotz als solcher mit sich bringt und die ihn characterisiren, die entweder einzeln oder in Gemeinschaft erschei­nen, und in letzterem Falle nach und nach in einer gewissen Reihen­folge, oder auch wol gleichzeitig, auftreten.
Es erscheinen jene Schwellungen unter der Cutis an den Bei­nen, dem Schlauche, unter dem Bauche, vor der Brust, am Halse, am Widerrüst mit subcutanen Lymphinfiltrationen; jene strangför-migen , subcutanen Lymphgefässanschwellungen ; es erscheinen jene fluctuirenden Beulen, die an jenen und diesen Geschwülsten auflaufen, die aufbrechen und jene suppurirenden, chancrösen Scrophelge-schwüre bilden. Wir haben diese Erscheinungen bereits sect;. 521, 533 und 667 bis 672 genauer beschrieben. Mit diesen Anschwellun­gen treten oft brandige Verjauchungen, brandiges Ausfallen ganzer grösserer Hautstücke, ein, welche dann grosse, offene Geschwürs­flächen bilden. Zuweilen gesellt sich eine bedeutende typhoide Ge­schwulst des ganzen Kopfes dazu.
sect;• 715.
Mit diesen pathischen Zuständen, aber noch häufiger ohne sie, finden sich die Lymphdrüsen im Kehlgange angeschwollen und ver­härtet, wie sie sect;. 478, 479, 520, 545, 565, 675, 576 und 677 spe-ciell beschrieben sind. Es findet sich beim Rotz ferner, und in der Regel mit diesen Drüsendegenerationen verbunden, jener eigenthüm-liche, vielfach verschieden zusammengesetzte Ausfluss aus der Nase,
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aus den Augenwinkeln und den etwa vorhandenen Rotzgeschwüren, wie er sect;.471, 520, 522, 530, 541, 546, 547, 549, 566.' 567, 570, 579,673, 681 und 682 näher beschrieben worden ist. Jene Drüsenan­schwellungen sind zuweilen früher da, als der Ausfluss, eben so oft
lnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; aber auch ist es umgekehrt, so dass der Ausfluss lange Zeit vor den
Drüsenanschwellungen existirt. Mit dem Ausfluss aus der Nase zeigt
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sich aber bei der Rotzkrankheit jzagleich jener pathische Zustand der Nasenschleimhaut und der Conjunctiva, wie wir denselben 8. 541, 563, 564, 678 und 679 beschrieben finden. Dieser Zustand der Schleimhaut ist consecutiv, also eine Wirkung jenes Ausflusses, er ist aber auch in eben so häufigen Fällen primitiv. Immer ist er eine Ursache der Vermehrung des Ausflusses und seines qualitativen Ver­haltens. Hiernach kann nun auch jener pathische Zustand der Schleimhaut der Nase mit dem Ausfluss früher da sein , als die Drü­senanschwellung im Kehlgange, und, umgekehrt, diese ist oft früher da, als die Affection der Nasenschleimhaut, immer aber ändert die Drüsenanschwellung den Ausfluss, eben sowol qualitativ wie quan­titativ.
sect;. 716. In vielen Fällen sind nun auch jene Rotzgeschwüre auf der Na­senschleimhaut vorhanden und äusserlich sichtbar, oder doch mit dem Finger zu erreichen und fühlbar*), welche bereits in sect;. 533, 534, 548, 564, 673 bis 675 beschrieben sind. Sie sitzen in den meisten Fällen auf dem Septum, aber in manchen so hoch oben, dass sie am lebenden Pferde nicht gesehen werden können. Die Geschwüre sind zuweilen in grösserer Menge, zuweilen nur einzeln vorhanden, sie stehen öfter in dichten Gruppen. Man findet diese Geschwürsgrup-pen in einander geflossen, man findet die Form der einzelnen Ge­schwüre zerstört, man findet jene grössern oder kleinern Geschwürs­flächen mit zackigen Rändern. Die Schleimhaut auf der Grundfläche dieser Geschwüre ist gänzlich zerstört und der darunter befindliche Knorpel angefressen, und erscheint derselbe rauh und in dunkel braiinschwärzlieher Farbe, oder der Knorpel ist bereits ganz durch-gefressen, so dass man von der einen Nasenhöhle in die andere sehen kann. Die vorhandenen Geschwürsflächen bluten zuweilen von selbst, zuweilen bei nur leiser Berührung. Zuweilen erzeugen sich auf die-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;{
sen Geschwürsflächen in sehr kurzerZeit üppige, sehr leicht blutende Granulationen, die wieder weggeätzt werden, nachdem sie einen ge­wissen Umfang erreicht haben, oder fast plötzlich entsteht auf ihnen ein fungöses, bei leisester Berührung stark blutendes Gebilde, der sogenannte Mark- oder Blutschwamm (Fungus haematodes), welches
*) Das Gefühl giebt keinen sichern Anhalt, da dasselbe leicht Täuschun­gen unterliegt.
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in kurzer Zeit die ganze Nasenhöhle erfüllt und dasAthmen erschwert (vergl. sect;. 580). Das Gebilde hat eine mattgelbliche Farbe und sieht der frisch coagulirten plastischen Lymphe nicht unähnlich. Oder es ist ferner die Schleimhaut der Nase , am häufigsten auf dem Sep­tum , gänzlich degenerirt und in eine schmutzig - graue, gelblich schillernde, weiche, amorphe, dem faulen Käse nicht unähnliche Masse verwandelt, die löse auf dem Knorpel sitzt, und mit dem Stiel des Scalpells sich leicht abschaben lässt. Grössere Partieen des Knorpels liegen bereits frei und sind dann von schwarzbrauner Farbe , brandig zerstört und in eine fast breiig-körnige Masse verwandelt. Der ganze Knorpel erscheint auch, soweit er mit jener zersetzten Schleimhaut noch bedeckt ist, vollständig schwarzbraun, brandig, oder es finden sich auch blos jene Erosionen auf der Nasenschleimhaut, wie sie sect;. 541 und 548 angegeben sind und die ebenfalls am häufigsten auf dem Septum vorkommen.
Jene Rotzgeschwüre erscheinen aber nicht allein auf der Cutis, sect;. 714, und auf der Nasenschleimhaut, sondern sie werden auch an den Schleimhäuten der Geschlechtstheile beobachtet, wiewol dies äusserst selten, und nur in solchen Fällen, stattfindet, wo beim Begat-tungsact eine directe Infection an den Geschlechtstheilen stattgefun­den hat.
sect;. 717.
Wir finden weiter als Erscheinungen des Rotzes ebensowofpa-renchymatöse, wie Gefässblutungen der Nase. Im erstem Falle ist das Blut immer inniger mit dem Ausfluss gemischt, im andern fliesst es in mehr gesonderten Striemen ab- Wir finden aber auch bedeu­tende Lungenblutungen durch die Nase, die mitunter als heftige Blut­stürze vorkommen, und selbst plötzlich tödtlich sind. Weiter zeigt sich zuweilen ein sehr beengtes, schnüffelndes und selbst schnar­chendes Athmen durch die Nase. Die Nasenränder sind häufig kalt, callös angeschwollen und hart, die an ihnen befindlichen Haare und die Epidermis sind weggeätzt, es kleben an ihnen und an den in der Nähe befindlichen verklebten Haaren gelbliche oder braungelbliche, bemsteinfarbige Krusten, zuweilen haben diese ein grünliches Pig­ment, zuweilen sind sie schmutzig dunkelbraun, zuweilen erdfarbig und undurchscheinend. Aehnliche Krusten haben sich an den ver­klebten Haaren der Innern Augenwinkel festgesetzt, und auch hier sind mitunter Haare und Epidermis weggeätzt.
sect;. 718.
Wir haben hiermit zwar..die äusserlichen Erscheinungen des Rotzes, welche die Krankheit als Rotz manifestiren, in der Haupt­sache angeben, indess sind es noch gewisse bestimmte Eigenschaften, welche an jenen Erscheinungen wahrzunehmen sind, die als diagno-
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stische Momente von nicht geringer Bedeutung erscheinen. Es ist dies die Contagiosität der Krankheit. Das Contagium haftet als fixer Stoff vorzugsweise an dem Ausfluss aus der Nase und aus den Rotzgeschwüren, wo diese auch vorkommen mögen, als flüchtiger Stoff scheint es vorzugsweise an der Haut- und Lungenausdünstung .zu haften; ferner ist es die caustische alkalische Schärfe, welche jene Ausflüsse besitzen und die das Wesen des Contagiums darzustellen scheinen. Ferner sind es die Schimmelpilze, die sich, in gewissen Kotzformen und Varietäten, unter Umständen in dem Ausfluss micro-scopisch entdecken lassen; ferner ist es die dem Ausfluss beitretende deletäreLymphe, welche theilweise mit unbewaffnetem Auge, theilweise aus den beigemischten Lymph- oder weissen Blutkörperchen micro-scopisch zu erkennen ist; ferner sind es die Blutbeimischungen und die mitunter vorhandenen Knorpel- und Knochenreste, welche in dem Ausfluss gefunden werden und die den Rotz, als solchen, diagno­stisch feststellen lassen.
sect;. 719. Wenn wir bis dahin immer noch Zweifel über die wahre Exi­stenz und Identität der Rotzkrankheit zulassen müssten , so werden dieselben bestimmt und sicher gehoben durch die Section und die­jenigen pathischen Veränderungen, welche dieselbe uns darbietet. Als unwesentlich erscheint zunächst der Ernährungszustand, indem wir denselben ebenso häufig gut, wie schlecht finden ; wir finden öfter bedeutende Fettablagerungen im Zellgewebe, öfter sind dieselben nur gering, und eben so oft sind gar keine Spuren von Fett vorhanden. In dieser Beziehung erscheint der Zustand oft vollständig normal, zuweilen aber findet die vorhandene Fettmasse sich etwas gelb pig-mentirt und erweicht, zuweilen finden sich ganze Partieen in eine gelbe sulzige Masse aufgelöst. Oft ist eine volle Blutmasse vorhan­den und dann ist in ihr in der Regel, als ein schon wesentlicheres Kennzeichen der Krankheit, eine Hyperalbuminose und Hyperfibrinose bemerkbar, mit welcher gewöhnlich eine lymphatische Plethora ver­bunden ist; oft aber auch findet sich nur ein dünnes, wässeriges und quantitativ geringes Blut. Das Blut ist mitunter aber auch von schwärzlich dunklerer Färbung, es hat nicht seine normale Röthung, die rothen Blutkörperchen sind zum Theil zerflossen, nnd das Blut hat einen Theil seiner Gerinnbarkeit verloren. Zuweilen aber auch ist das Blut heller gefärbt, es enthält eine grössere Summe weisser Blutkörperchen, und wir haben eine Leukämie vor uns. Aus diesen Angaben ist schon ersichtlich, wie wenig bestimmend diese Verhält­nisse der Säfte für die Diagnose des Rotzes sind.
sect;. 720. Im subcutanen und intermuscularen Zellgewebe finden wir dort.
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wo sich ödematöse Geschwülste zeigten, wässerige Ergiessungen, dort aber, wo jene Geschwülste entzündlich und schmerzhaft waren, finden wir in jenem Zellgewebe Ergiessungen von gelber, klarer, völlig durchsichtiger Lymphe, zuweilen callös verdichtetes und ver­härtetes Zellgewebe. An den Stellen, wo jene Beulen zu Geschwü­ren sich gestalteten, finden wir das Corium aufgelockert, von ecchy— motischem Blute braun gefärbt; wir finden das Corium mitunter vollständig durchlöchert, das darunterliegende Zellgewebe theils zer­stört, theils callös verdichtet und durch eben solches Blut braunroth gefärbt. Jene Lymphergiessungen sind mitunter sehr bedeutend, sie nehmen zuweilen ganze Gliedmaassen oder andere grosse Körperstel­len ein. Die Submaxillardrüsen finden sich in der Regel in dem Zu­stande, wie sie sect;. 686 beschrieben sind, oder sie sind auch unter Umständen nicht in eine gemeinschaftliche Geschwulst zusammen­gelaufen, sondern sie bestehen, wie dies beim blennorrhöischen und septischen Rotze häufig vorkommt, aus einzelnen, getrennten, klei­nern, verhärteten, platten Drüsengeschwülsten, und es fehlen dann in ihnen gewöhnlich die Tuberkeln. In gleicher Weise findet man die Leisten- und Unterschulterdrüsen degenerirt.
sect;. 721.
Die Degeneration der Nasenschleimhaut, wie sie sect;. 715 ange­geben ist, ihre Auflockerung und Verdickung, die Anschwellting'und Vergrösserung ihrer Schleimdrüsen mit bedeutenden Absonderungen eines pathischen Secrets, wodurch sie ein warziges, blumenkohlarti­ges Ansehen erhält, geht nicht nur bis in die höchsten Regionen der Nasenhöhlen hinein, sondern pflanzt sich auf die Schleimhautbeklei­dungen der Siebbeine und Siebbeinzellen, auf die Schleimhäute der Keilbein-, Stirn- und Kieferhöhlen fort. In diesen Fällen sind jene Höhlen immer mehr oder weniger mit einem eigemhümlichen pathi­schen Secret angefüllt, dasselbe ist entweder von homogener, dicklich zäher, fadenziehender, gelatinöser Beschaffenheit, klar, durchsichtig, milchig trübe und geruchlos. Es zeigt sich dann unter dem Micro-scop in homogener Form aus Schleimkügelchen zusammengesetzt, oder es besteht aus einer dicklichen, völlig undurchsichtigen, eiter­artigen Masse, von gelblich-weisser Farbe, wirkliche Eiterkörperchen enthaltend, saurer Sahne nicht unähnlich, oder es besteht aus einer mehr heterogenen, der geronnenen Milch nicht unähnlichen Masse von schmutzig-weisser Färbung, bestehend aus einem wässerig­schleimigen , durchscheinenden Stoff, und einem milchweissen un­durchsichtigen, klümprigen, in jenem schwimmenden Gerinnsel (in letztern beiden Fällen hat das Secret einen süsslichen Geruch), oder endlich besteht es aus einer zwar consistenten, nicht aber schleimi­gen und zähflüssigen, sondern schmntzig-grauen, erdfarbigen, völlig
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undurchsichtigen Jauche , welche einen (ibeln, oft scharf stechenden Geruch hat, und in welcher Rudimente zerstörter Schleimhautzellen und Knochensubstanz, zuweilen auch Blutklümpchen, schwimmen. Aehnliche Secrete füllen zuvyeilen die Luftsäcke, und sind dann auch deren Schleimhäute in oben gedachter Weise degenerirt. Während die Kieferhöhlen und Luftsäcke mit dem einen oder andern dieser Secrete mehr oder weniger angefüllt sind, kommt es wol vor, dass die Keilbein- und Stirnhöhlen und die Siebbeinzellen ein ähriüches Secret nicht enthalten, sondern mit einer extravagirten, bernstein­farbigen, völlig durchsichtigen, zähflüssigen Lymphe angefüllt sind, welche hier alle Knochenporen durchdringt und erfüllt.
Jene Schleimhautdegeneration setzt sich nun weiter fort bis ;n die Eachenhöhle, den Kehlkopf, selbst die Luftröhre, bis in die Lun­gen, die Bronchialschleimhäute hinein. Soweit diese Schleimhaut-degeneration reicht, ist sie auch belegt mit jenem krankhaften Sehleimhautsecret, welches zur Nase abfliesst.
Aehnlich wie die Schleimhäute in den Respirationswegen, ist auch die Conjunctiva der Augen degenerirt und auch sie secernirt ein analoges Secret wie jene.
sect;. 722.
Nun finden sich aber an den gedachten Schleimhäuten jene de-structiven Vorgänge und Resultate, wie sie in sect;.716 angegeben sind, bis in die obersten Regionen der Nase, bis in die Siebbeine hinein­gehend, und erstrecken sich auch hierhin jene Zerstörungen an den Knorpeln und porösen und lamellösen Knochengebilden. Jene fun-gösen Wucherungen aber gehen zuweilen bis in die Rachenhöhle hinein und verschliessen dieselbe theilweise. An den Knochen aber' finden sich auch noch jene Wucherungen und necrotischen Zerstörun­gen, die bereits sect;. 551 angegeben sind. Jene Rotzgeschwüre und ihre Zerstörungen aber findet man nicht nur in allen Regionen der Nasenhöhlen, sondern sie sitzen auch in den Nebenhöhlen, in der Rachenhöhle, im Kehlkopf, und sie finden sich mitunter wol auf den Schleimhäuten der Luftröhre und deren Theilungsästen, ja selbst in den Bronchien. Mitunter sitzen sie nur an dem einen oder andern Orte, und wenn sie ihren gewöhnlichen Platz auch in der Nase ha­ben, so finden sie sich dennoch zuweilen in dieser nicht, dagegen aber an mehreren, oder einem einzelnen der andern genannten Orte.
sect;. 723.
Die interessantesten Bildungen und Destructionen finden sich in der Regel in den Lungen, die constantesten derselben sind unstrei­tig jene Lymphtuberkeln, die in sect;. 481 bis 485, 510, 511 und 514 abgehandelt sind, und die man bei den Rotzdyskrasieen bestimmter
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und häufiger antrifft, als die sogenannten Rotzgeschwüre. Diese Tuberkeln kommen bei ausgebildeter Rotzdyskrasie fast eben so con­stant in einzelnen Exemplaren in den Lymphgefässen der Blutleiter und des Adergeflechts des Gehirns, wie in den Lungen, vor. Seltener und nicht so constant erscheinen sie unter dem serösen Ueberzuge der Leber, Milz und der Nieren; noch seltener, wiewol sie aber doch vorkommen, findet man sie am Bauch- und Brustfell, an den Schleim­häuten der Respirationsorgane, am Periost, namentlich der Gelenke, im Corium etc.
Die zweite Art, die der Bluttuberkeln , erscheint bei den Rotz-dyskrasieen nicht so constant und häufig, wie jene. Wir haben sie sect;. 509, 512 bis 514 näher abgehandelt. Wir finden sie ausser in den Lungen, welches ihr gewöhnlicher Sitz ist, und wo sie auch in grösster Zahl und Form vorkommen, in der Regel in den degene-rirten Lymphdrüsen, in den Mesenterialdrösen, in der Substanz der Leber, der Milz, der Nieren, in den Speichel- und den Schilddrüsen etc. Auch sie zeigen uns unter dem Microscop in den meisten Fäl­len bestimmt Schimmelpilze.
Diese beiden Tuberkelarten sind oft gemeinschaftlich in den Lungen vorhanden, man findet, dass sie zuweilen die ganze Lungen­substanz durchsetzen und in faustgrossen Gruppen nebeneinander liegen. Die Bluttuberkeln bilden an der Stelle, wo sie entstehen, einen begrenzten Entzündungsprocess in der Lungensubstanz,, ver­dichten durch diesen um sich herum das Zellgewebe, in welches Spu­ren extravasirten Blutes treten, wovon diese zu mehr oder weniger grossen Knoten sich gestaltenden Gebilde hart werden und eine braunrothe Farbe annehmen. In dem Mittelpunct dieses Knotens lagert sich die in der Regel schmutzig und dunkelorangefarbigeTuberkel-masse ab, welche Anfangs weich ist und mit der Zeit immer härter und dichter wird. Dies findet bis zu einem gewissen Punkte statt, dann tritt ein Stillstand ein, nach welchem der Tuberkel, von seinem Mittelpuncte beginnend, in Erweichung, Auflösung, übergeht. Die aufgelöste Tuberkelmasse sucht sich in der Regel einen Weg in die Bronchien und zum Abfluss durch die Nase. Diese Tuberkeln findet man, wenn sie überhaupt vorhanden sind, in den meisten Fällen in allen Stadien ihrer Bildung und Bückbildung. Die Lymphtuberkeln dagegen scheinen jenen Rückbildungsprocess nicht machen zu können, man findet sie daher nie in Auflösung, ob ihre Auflösung aber (siehe den 18. Fall) durch gewisse Arzneien möglich gemacht werden kann, ist noch problematisch.
quot;sect;. 724.
Durch den Reiz und Druck, welchen jene Bluttnberkeln auf die sie zunächst umgebende Lungensubstanz ausüben, wird diese oft in
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weiterem Umfange in Entzündung versetzt, welche dann in diesen verschiedenen Lungenpartieen ihre gewöhnliehen, aber auch ganz ungewöhnliche, Ausgänge macht, deren Resultate uns die Section vorführt. Wir finden zunächst in vielen, oder einzelnen, in mehr oder weniger kleinen, oder grossen Lungenpartieen, selbst in dem grössten Theil eines Lungenflügels, ja sogar wol in beiden Lungen gleichzeitig, den Entzündungsprocess mit der demselben eigenthürn-lichen Verhärtung und Färbung dejr Lungensubstanz; wir finden solche Lungenpartieen durch Ausschwitzung plastischer Lymphe he-patisirt, wir finden sie vereitert, weit häufiger aber finden wir sia in einer jauchigen, marmorirt chocoladenfarbigen Auflösung begriffen ; aber wir finden sie auch vollständig sphacelös oder gangränös zer­stört und mit Brandjauehe durch und durch gesättigt; zuweilen fin­den wir jene Lungenpartieen scirrhös entartet, und in carcinomatöser Verjauchung begriffen, welche Jauche die Lungenzellen und die Ge-fässgeflechte zerfressen hat, aus welchen letztern dann jene Blut­stürze statt hatten. Mit diesem letztern Zustande verbunden , findet sich zuweilen der Blutschwamm in einzelnen Bronchien und in den Aesten der Luftröhre.
Sind keine Blut-, sondern blosse Lymphtuberkeln vorhanden, dann finden sich jene destructiven Zerstörungen in den Lungen eben so wenig in der Form, wie in dem Grade und der Ausdehnung. Diese letztern Tuberkeln scheinen mithin den Einfluss auf die Lun­gensubstanz nicht zu haben, wie die Bluttuberkeln.
sect;. 725.
Eine gleiche Degeneration, wie in den Submaxillardrüsen, findet man in den Bronchial- und in den Mesenterialdrüsen, wie dies sect;.561 angegeben ist; diese letztern haben gewöhnlich eine ganz platte Form, und sie sowol, wie jene, enthalten häufig Tuberkelmasse. Die Schleimhäute des Darmcanals sind in der Regel aufgelockert, ver­dickt und mit einem zähen, schmierigen, schmutzig-weissgrauen Schleime dick belegt.
Die microscopischen Untersuchungen ergeben, eben sowol in den Bluttuberkeln der Lungen, wie in denen der Lymph - und Me­senterialdrüsen, hin und wieder Schimmelpilze, solche finden sich aber auch in dem lymphatischen Safte der verhärteten Lymphdrü­sen , am häufigsten aber wurden sie angetroffen in dem Safte, wel­cher aus den Mesenterialdrüsen entnommen wurde.
sect;. 726.
Entwickelt sich der Rotz als solcher originär, dann ist derselbe in der Regel als eine allgemeine Dyskrasie anzusehen, und wir finden die dyskratischen Destructionsprocesse in der Regel auch mehr oder
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weniger gleichmässig im ganzen Körper verbreitet. #9632; Aber je nach individueller Anlage und nach hinzutretenden Wirkungen besonderer Veranlassungen, wirft sich der zerstörende Krankheitsprocess vor­zugsweise auf ein System, ein Organ oder einen Theil des Körpers, und wir finden dann hier die am meisten fortgeschrittenen, ausge­dehntesten und zahlreichsten Symptome der Krankheit. Ein glei­ches findet statt bei den Metaschematismen *) und häufig bei Meta­stasen, aber auch häufig beim Rotz, der nach Aufsaugung von gewis­sen Krankheitsstoffen, und der nach primitiven Blntinfectionen durch ßotzcoutagium entsteht. Bei solchem Rotz dagegen, der nach ört­lichen und primitiven Lymphinfectionen entsteht, welches unstreitig der am häufigsten vorkommende ist, ist der locale Sitz die Regel, und kann derselbe als solcher alle Phasen durchlaufen und sich Jahre lang in seiner Begrenzung erhalten, bis er schliesslich, wenn er nicht etwa zum Leben nothwendige Organe, wie die Lungen, zerstört, zu einer allgemeinen dyskratischen Zersetzung der Säfte übergeht, die dann zum Tode führt.
sect;. 727.
Die Symptome, welche in den vorhergehenden sect;sect; angegeben sind, können sich, je nach der Form, der Varietät und dem Stadium des Rotzes eben sowol in kürzester, wie in längster Zeit, sie können sich in mehr oder weniger Mannigfaltigkeit, in grösserer oder gerin­gerer Ausdehnung und Intensität etc., eben sowol beim localen, wie beim allgemeinen Rotze, entwickeln, und der Unterschied besteht nur darin, dass bei jenem die Symptome anfangs mehr local, bei diesem dagegen gleich mehr allgemein auftreten. Das schnellere oder lang­samere Umsichgreifen der Symptome aber, ihre Intensität und Na­tur richtet sich nicht sowol allein nach Form und Character der Krankheit, sondern auch nach der Individualität des Patienten, nach seinem Alter, seiner Race, dem Ernährungszustande und den Nah­rungsmitteln vor und während der Krankheit, nach dem Temperament, nach den veranlassenden und fortwirkenden Ursachen u. s. w. (vgl. sect;. 502).
sect;. 728. -
Die diagnostische Feststellung der Rotzkrankheit ist, wie Jeder einsehen muss, selbst nach unsern bis hier aufgestellten diagnosti­schen Principien und Krankheitssymptomen immerhin noch in vielen
*) Gerlach bestreitet zwar den MetaSchematismus, indess, wenn wir sol­chen auch nicht stricte nachweisen können, so müssen wir logisch schon den­noch bei unserer Annahme verbleiben. Wir sehen Influenza, Faulßeber etc. in Rotz übergehen, und leiten dies von Aufsaugung kranker Stoffe her. Indess, womit beweisen wir, dass Metaschematismus überhaupt etwas Anderes ist?
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Fällen eine recht schwierige Aufgabe, die dem Gewissen eines jun­gen , unerfahrenen und peinlichen Sachverständigen, um so öfter grosse Scrupel machen muss, als nach den Gesetzen der meisten Län­der mit dem Verdict des Sachverständigen — „die concrete Krank­heit sei der Rotzquot; — auch die sofortige Tödtung des Patienten er­kannt wird, und die dem Tode folgende Section zum argen Verräther diagnostischen Irrthums wird, der dem für sein Urtheil verantwort­lichen und haftbaren Sachverständigen um so gefährlicher werden muss, als jener Irrthum immer einen tiefen Eingriff in Privat-und Staatseigenthum, und nicht selten sehr bedeutende Vermögensbeschä­digungen, nach sich zieht. Darum können wir, wo es auf diagnosti­sche Feststellung des Rotzes ankommt, nicht genug zur Vorsicht und gründlichen Prüfung der mit der Krankheit verbundenen Symptome ermahnen, um so mehr, als wir bei den mannigfachen Formen und Varietäten, unter denen der Rotz auftritt, bei den vielfachen und ver­schiedenen, so sehr wechselnden Symptomen, die ihn begleiten , bei den Analogieen, die er mit andern weniger bedeutenden Krankheits-zuständen zeigt, die Schwierigkeiten einer richtigen Diagnose in die­ser Beziehung nicht verkennen. Andererseits müssen wir nochmals darauf zurückkommen und verweisen, dass wir, sobald wir die cha-racteristischen Rotzgeschwüre auf der Cutis, oder den Schleimhäuten der Nase, oder der Geschlechtstheile, oder an allen drei Orten zu­gleich, am lebenden, — oder auf den Innern Schleimhäuten , oder die ebenfalls characteristischen Lymph - (Miliar-) Tuberkeln am todten Thiere, entdecken, so ist damit, ohne Rücksicht auf den Sitz, auf die Zahl, die Intensität und das Stadium dieser Producte, unbedingt jene eigenthümliche lymphatische Dyskrasie, der Rotz, constatirt und wir dürfen ungescheut diesen Ausspruch wagen.
Da aber in sehr vielen Fällen , wie bereits bekannt, Rotzge­schwüre am lebenden Pferde äusserlich, aus den ebenfalls bekannten Veranlassungen, nicht zu ermitteln sind; da selbst, wie nicht weni­ger bekannt, in manchen Fällen wirklich -vorhandener Rotzdyskrasie, Rotzgeschwüre überhaupt nicht vorhanden sind, so bliebe hiernach nur übrig, die Diagnose des Rotzes und den Nachweis seiner Existenz durch das Vorhandensein seiner etwa verborgenen Geschwüre und der Lymphtnberkeln festzustellen. Da dies aber immer nur durch die Section geschehen kann, diese aber nur in sehr seltenen Fällen ohne vorhergehende Feststellung des Rotzes gestattet sein dürfte, so müssen wir schon in den allermeisten Fällen die Diagnose am leben­den Thiere festzustellen wissen (vergl. sect;. 520, 521 und 522). Wir müssen also im Interesse der Wissenschaft, der Praxis und der Sache die Rotzkrankheit am lebenden Thiere ohne Nachweis derGeschwüre und bei den Leichen selbst ohne das Vorhandensein der Lymph­tuberkeln (vergl. sect;. 472), feststellen können, denn auch die letztern
ErdI, Rotzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 26
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sind nicht in allen Rotzfällen constant vorhanden. Sie fehlen zwar in äusserst seltenen Fällen, doch finden wir sie bestimmt nur in allen solchen Fällen, die bereits eine etwas längere Zeit bestanden haben. Dagegen finden wir sie beim blennorrhöischen, septischen, carcino-matösen, beim Beschäl- und solchem localen Infectionsrotze, der einigermaassen schnell entsteht und verläuft, häufig nicht, sie sind hier in der Regel erst nach längerer Dauer der Krankheit vorhanden, also in ihrem spätem Verlauf. Bei letztgenanntem Rotze sind in der Regel die Geschwüre weit früher da, als die Tuberkeln.
sect;. 729.
Wollen wir daher den Rotz als solchen nur nach dem Vorhan­densein von Geschwüren beim lebenden Pferde constatiren, dann tritt der grosse Uebelstand ein, welcher zur Ehre der Wissenschaft und zum Nutzen der Praxis nicht vorkommen darf, dass viele rotzige Pferde als solche Jahre lang, ja zeitlebens, unerkannt bleiben und als eine nicht unerhebliche Gefährdung des Nationalwohlstandes fortbe­stehen und fortwirken (vergl. sect;. 473). Haben wir dagegen den Rotz als solchen ohne Geschwüre constatirt, und wir misstrauen selbst unserer Diagnose, dann gehen wir sicher, wenn wir den Patien­ten noch einige Wochen (welchen Zeitraum wir auf 6 Wochen fest­stellen möchten) als blos rotzverdächtig unter Beobachtung nehmen. Bessert und ändert sieh der Zustand in dieser Zeit nicht, und erken­nen wir ihn jetzt noch für Rotz ohne Geschwüre, dann können wir sicher sein, dass, wenn wir bei der Section auch im Innern keine Ge­schwüre finden, wir jedenfalls doch Lymphtuberkeln antreffen, und sobald dies geschieht, ist der Rotz so vollständig nachgewiesen, wie durch Geschwüre, wenn keine Tuberkeln vorhanden sind, oder wenn wir beides zugleich, Geschwüre und Tuberkeln, antreffen. Es kann sich also bei jenem einfachen Befunde das diagnostische Ge­wissen vollständig beruhigen, und es muss ihm eine Genugthuung sein, dass mit Beseitigung eines solchen Patienten grösserem Unheil vorgebeugt ist.
sect;. 730.
Wir haben gesehen, dass der Ausfluss aus der Nase das wesent­lichste Criterium der Rotzkrankheit ist, dass er die Existenz des Rotzes, bei vorhandener characteristischer Geschwulst und Verhärtung der Submaxillardrüsen, dann anzeigt, wenn jenem pathischen Secret die dyskratische Lymphe, welche aus Lymphgefassen entspringt, und die eine caustische, basisch reagirende Eigenschaft hat, beigemischt ist. Wir werden daher an die Untersuchung rotziger Pferde nie, ohne mit Curcumapapier versehen zu sein, treten dürfen. Gewöhn­lich ergiesst sich diese Lymphe in compacteren Massen aus den Rotz-
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geschwüren, und, wo diese vorhanden und äusserlich sichtbar sind, sieht man, bei reiner und noch nicht zu weit degenerirter Nasen-jchleimhaut, die Lymphe in zwirnsfädendicken Striemen mit dem pathischen Schleimhautsecret herabrieseln. Ist die Schleimhaut schon zu weit degenerirt, verdickt, und damit stark belegt, oder liegen die Geschwüre weiter zurück , dann vermischt sich die Lymphe mit jenem Schleimhautproduet, unter welchem sie hervorquillt, und man sieht ihr Herabrieseln nicht. Es findet jedoch auch neben dfen Ge­schwüren, wo solche aber nicht vorhanden sind, überhaupt nur ein parenchymatöses Durchsickern jener Lymphe statt (s. sect;. 471), und wir sehen in diesem Falle die Lymphe in dem Ausflusse nicht. Insofern nun die basische Reaction zur diagnostischen Feststellung der Rotz-dyskrasie nicht ausreicht ist aber die anderweite Ueberzeugung von dem thatsächlichen Vorhandensein der Lymphe in dem Ausfluss ein wesentliches Hülfsmoment zur Erkennung des Rotzes. Bei frisch entstandenem Rotze und bei noch wenig legenerirter und belegter Schleimhaut können wirdies dui oh ein gewöKnlichesVergrösserungsglas, erkennen, wenn nur der Patient die Godulj besitzt, dass er solche Unter­suchung zulässt. Indem wir durch dasselbe die Nasenschleimhaut be­sehen, erscheinen neben weissröthlichen warzigen Pünctchen, Schleim­drüsen , kleine gelbliche Pustelchen oder Gefässchen (die krankhaft erweiterten Lymphgeftisse), und wir können bei diesem Anblick über­zeugt sein, dass der Ausfluss endosmotisch ausgeschwitzte Lymphe enthält: ein wesentliches Zeichen des Rotzes. Ist dagegen die Schleim­haut schon sehr verdickt und stark belegt, dann gewährt uns der gelbliche Schimmer jenes Belegs einen ähnlichen, wie wol weniger sichern, Anhalt.
sect;• 731.
Die Rotzgeschwüre , welche so häufig auf der Schleimhaut vor­kommen, heilen mitunter von Natur, mitunter durch Arzneien, eben so wie dies bei den Rotzgeschwüren auf der Cutis der Fall ist. Die radicale Heilung des Rotzes aber scheint nur in einigen solchen Fällen stattzufinden, wo noch der Rotz eine locale Krankheit ist, wo nament­lich die Lungen noch nicht afficirt und in Mitleidenschaft gezogen worden sind. In solchen Fällen allein scheint die radicale Heilung möglich zu sein, in allen andern Fällen ist sie nur palliativ, nur schein­bar, aber doch scheinbar unter Umständen für viele Jahre, fürs ganze Leben hin. Die Verheilung der Geschwüre hinteriasst, namentlich auf der Schleimhaut, weisse , sternförmige , harte, und wenn das Ge­schwür noch nicht in die Tiefe ging, etwas erhabene Narben; ging es dagegen in die Tiefe, dann sind auch die Narben entsprechend vertieft.
Diese Narben sind aber keineswegs iminer der Beweis von ver­heilten Rotzgeschwüren, denn diese veiheil n im Ganzen nur in sehr
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seltenen Fällen, und danach müssten auch sehr selten solche Narben vorkommen; indess werden Pferde mit dergleichen Narben auf der Nasenschleimhaut gar häufig angetroffen, sie müssen daher noch einen andern Ursprung haben, denn sie finden sich sogar in manchen Gegen­den häufiger, als in andern. Sie entstehen namentlich nach dem Ver­heilen jeder Erosion, welche durch scharfe krankhafte Auswürfe, wie sie bei heftigen und chronischen Catarrh en, bei Faulfiebern, In­fluenza, bei Druse, Bräune etc. vorkommen, bewirkt wird; oder nach solchen , die von scharfen , ätzenden Einspritzungen , von zu heissen Bähungen etc. herbeigeführt werden; oder nach oberflächlichen Ver­wundungen etc. Da diese letztern in manchen Gegenden von Quack­salbern und Abergläubigen als Päservativ-Aderlass fast bei allen jungen Pferden und als Heilmittel bei Coliken, Verfuttern, Rehe etc. angewendet werden, so kommen jene Narben in manchen Gegenden besonders häufig vor.
sect;. 732. Wo nun solche Narben von vollständig verheilten Rotzge­schwüren herrühren, da müssen auch die andern Symptome des Rotzes, der eigenthümliche Ausfluss aus der Nase und die characte-ristischen Drüsenanschwellungen, vorhanden gewesen sein. Wo diese nach der Heilung der Geschwüre noch fortbestehen, besteht auch der Rotz fort, ist dieser nicht geheilt, und wenn selbst nur eins dieser Symptome nur noch fortbesteht. Es kommt dabei nicht darauf an, ob die Drüsengeschwulst in ihrer ursprünglichen Grosse von einer Mannesfaust, wenn sie so gross war, fortbesteht, oder ob sie zur Haselnussgrösse zusammengeschrumpft ist; es kommt darauf vielmehr an, ob sie noch ihre speckige oder kautschukartin:e Verhärtung und Texturveränderung beibehalten hat. Es kommt nicht darauf an , ob der Ausfluss aus der Nase in grossen oder kleinen Massen erfolgt, ob er immerwährend, oder nur zuweilen, in längern Perioden erfolgt, ob er diese, oder jene Form angenommen hat etc.; es kommt vielmehr darauf an, dass der Ausfluss immer noch einen Bestandtheil jener dyskratischen Lymphe enthält (s. den 3., 17. und 27. Fall). Solche Pferde sind immer noch rotzig und Träger des Contagiums, sie ver­breiten die Krankheit, durch ihren geringen Ausfluss aus der Nase, vollkommen so, wie andere rotzige Pferde und sie sind um so ge­fährlicher, als ihre Krankheit sehr unbedeutend erscheint, oft über­sehen und schwer erkannt wird. *) Die Schleimhaut der Nase erscheint
*) Der Verf. hat noch keinen Fall gesehen, in welchem der Rote bei voll­ständig verheilten Geschwüren zu sternförmigen Narben, als ansteckende Dys-krasie, bei nur sehr geringem, zeitweiligem Ausfluss ans der Nase, ohne jede fortbestehende Degeneration der Submaxillardrüsen, fortexistirt hätte und er würde auch feiner daran zweifeln, wenn nicht Haubner, der ein zu guter und gewissenhafter Beobachter ist, einen solchen Fall (Magazin für die gesammte
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in solchen Fällen bis auf die Narben, vollständig restanrirt, sie ist nicht mehr verdickt, nicht belegt, sie ist rosenroth und feucht. Die
Thierheilkunde, 25. Jahrgang Seite 289) mittheilte. Bei dieser Veranlassung muss ich noch bemerken, dass die Bemerkung Haubners (1. c. pag. 290) über die Rotzgeschwüre im Wesen derselben und in ihrem genetischen Ursprünge nichts ändert, denn da sie aus den Lymphgefassen entspringen, so rühren die craterartig vertieften Geschwüre, wie diese bei dem Hautrotz (den wir immer noch Wurm nennen hören), so häufig angetroffen werden, von etwas tiefer liegenden Lymph-gefässen her, die flacheren Geschwüre dagegen gehören oberflächlich liegenden Lymphgefässen an.
Was Haubner in seinem, sonst so vortreffliclien und belehrenden Aufsatze (1. c.) über Kieferhöhlenentzündung, verdächtige Druse und Eotz sagt, ist, ich muss es gestehen, in mancher Beziehung mir nicht recht klar geworden, nament­lich finde ich mich darin nicht zurecht, wie er den Unterschied zwischen jenen drei Krankheitszuständen feststellt, wo er die Grenzen zwischen denselben sucht und findet und welche Erscheinungen er zu den bestimmten und entscheidenden Criterien des Rotzes zählt; noch weniger, welchen nosologischen Standpunct er dieser Krankheit anweist. Er sagt z. B. (1. c. pag. 273): ,,In allen Fällen, wo ein an sogenannter verdächtiget Druse leidendes Pferd trepanirt wurde, wel­ches aber zur Zeit schon an dem Rotze litt, wie sieh im weitern Verlaufe, oder durch Impferfolg, oder durch die Section herausstellte, obschon am lebenden Thiere weder Rotzgeschwüre noch Narben zu sehen waren.quot; — H. scheint hier­nach, wie auch nach seiner Anmerkung pag. 274 seq., anzunehmen, dass durch die Impfung die Existenz des Rotzes bei dem Thiere, von welchem der Impfstoff entnommen wurde, nachgewiesen sei, wenn nach derselben bei den geimpften Thieren Rotz sich entwickelte. Indess wir wissen hiermit noch nicht, was ge­impft worden ist und unter welchen Erscheinungen bei den geimpften Thieren der Rotz auftrat. WTir wissen alle, dass ganz gewöhnliche Catarrhe anstecken und bei andern Individuen sehr bösartige Blennorhöen hervorrufen, dass diese aber, geimpft, in manchen Fällen den scrophulösen Rotz erzeugen. Warum sollte nicht die verdächtige Druse, oder das, was H. Kieferhöhlenentzündung nennt, mit welcher immer schon eine, wenn auch locale, lymphatische Affection und Lymphdyskrasie verbunden , weil Drüsenanschwellung und Verhärtung und ein eigenthümlicher (verdächtiger?) Ausfluss aus der Nase vorhanden, zuweilen aber auch, wie H. selbst angiebt. Caries in der Nase eingetreten ist, auf andere Indi­viduen übertragen, den Rotz erzeugen, wenn wir doch nach Metastasen (Mauke z.B.), nach septischen Krankheiten und andern, die nichts als eine Uebertragung gewisser Krankheitsstoffe in das Blut, mithin auch nur eine Infection, sind, den Rotz in optima forma entstehen sehen? — Deshalb aber wird Niemand jene Mauke oder jene septischen Krankheitszustände schon Rotz nennen.
Was H. unter „tuberculöser Infiltration der Schleimhautquot; welchen Aus­druck er selber (pag. 291) beanstanden zu wollen scheint, verstanden wissen will, begreifen wir nicht. Eben so wenig verstehen wir, was er mit ,,tuberculöser Entartungquot; — des die Trepanationswunde bedeckenden Hautlappens (pag. 274 1. c.) sagen will. Abgesehen von dem mysteriösen Nimbus, den diese mystische Ausdrucksweise um die Sache selbst zu legen scheint, für die wir Licht und Klarheit vergebens suchen, bestreiten wir, nach der uns vorschwebenden Natur und Genesis der Tuberkeln und der sie erzeugenden Dyskrasie, die Existenz einer solchen Infiltration, wie Entartung eines Hautlappens, mehr aber noch ihre dia­gnostische Erkennung, wir geben sie überhaupt in keiner Weise zu. Auch H. deutet noch an, dass das Erscheinen von Rotzgeschwüren ein Fortschreiten der Krankheit andeutet. Auch dieser Ansicht müssen wir noch besonders entgegen­treten, um endlich einmal dielrrthümer über solche Erscheinungen zu beseitigen.
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vollständige Heilung des Rotzes dagegen lässt nichts, weder Drüsen­degenerationen , noch Ausfluss, Husten oder dergleichen zurück, und
denn es ist des unvermeidlichen Irrthums in der Thierarznehvissenschaft ohne­hin genug.
Was H. nun aber mit Kieferhöhlenentzündung bezeichnet, müssen wir für eine chronische Blennorrhoe der Schleimhäute halten, die wir, sobald sich An­schwellung der Submaxillardrüscn mit kautschukartiger Verhärtung, Kälte und Schmerzlosigkeit, hiuzugesellt. und der Ausfluss sich mit di.'skratischer,eaustischer, alkalisch reagirender Lymphe mischt, also sobald ein dyskratisches Lymphleiden hinzutritt, als bleimonhoischen Rotz betrachten und abgehandelt haben. H. be­schreibt die Degeneration der Schleimhaut der Kopfhöhlen in dieser Krankheit nicht nach einer Ocularanschauung. sondern nach dem Gefühl mit dem Finger, und diese Beschreibung passt ganz zu dem Zustande der Schleimhäute, den ich sect;sect;. 541 und 551 angegeben habe, also zum blennorrhöischen Rotze. Wenn nun H. jene chronische ßlennorhöe, selbst mit jener lymphatischen Aft'ection, wo wir sie schon Rotz nennen, und, selbst bei schon vorhandener Caries, in den meisten Fällen heilt, indem er zunächst die Trepanation anwendet, so ist dies eben so wenig etwas Wunderbares oder Unglaubliches, wenn wir die Krankheit für Rotz halten , als wenn dies nicht geschieht, denn auch der Rotz wird häufig und sicher geheilt, so lange er örtlich ist, wenn seine destruetiven Processe nicht bereits zu weit vorgeschritten sind und die anzuwendende Heilmethode örtlich, direct angebracht werden kann ; denn wir sehen solche Heilungen ja sehr leicht und häufig beim Hautrotz von Statten gehen. Alle solche Heilungen, wie sie H. gelungen sind, waren, wie wir überzeugt sind und aus H.'s eigenen Mittheilungen sehliessen müssen, Fälle von blennorrhöischem Rotze, da nur dieser unter jenen Erscheinungen auftritt, die H. uns vorführt. Der blennorrhüische Rotz* aber, welcher immer als örtliches Leiden der Kopfschleimhäute beginnt, und bei seinem in der Regel sehr chronischen Verlauf dies oft sehr lange bleibt, ist eben darum um so sicherer und häufiger heilbar. H. hat daher die Heilung der Krankheit immer noch in solchen Stadien bewirkt, wo die mit der Krankheit verbundene lymphatische Dyskrasie eine örtlich beschränkte, wo sie noch nicht in die all­gemeine Säftemasse übergegangen war. Hierauf weist schon Gerlach in seinem Handbuch der gerichtlichen Thierheilkunde hin, indem er sagt: „junge Pferde sind geheilt ohne Kunst, im Entwiekelungsstadium und bei örtlichem Uebel.quot; Er deutet damit wenigstens das Stadium und die Oeitüchkeit der Krankheit an, bei welcher Heilung stattfindet Sind aber die destruetiven Processe weit vor­geschritten , sind die Schleimhäute und Drüsen sehr degenerirt und Knorpel und Knochen sehr destruirt, haben die Schleimdrüsen in jenen die wulstige, callöse Auflockerung bereits erlitten, so dass die Oberfläche der Sehleimhäute ein blumenkohlartiges Ansehen erhält, wodurch sich dem fühlenden Finger eine unebene und ungleichmässige Oberfläche darbietet, und hat dieselbe, wie H. wört­lich sich ausdrückt, ein ungleichmässiges Gefüge; haben sich jene Osteophyten gebildet, und sind unter den Schleimhäuten Ergiessungen der dyskratischenLymphe vorhanden, welche die Knochenporen anfüllen, wodurch jenes Gefühl allerdings noch gesteigert werden muss, dann ist auch H. die Heilung nicht gelungen, dann hat er die Destruction der Schleimhaut für eine tuberculöse Entartung und die Krankheit für Rotz angesehen, obwol sie dem Wesen nach nichts Anderes war, als die von ihm geheilten Krankheitsfälle, sie unterschied sich nur durch ein weiter vorgeschrittenes Stadimri'und vielleicht noch dadurch, dass die Dys­krasie bereits mehr in die allgemeine Säftemasse gedrungen war. Durch die Trepanation aber hat sich H. den Zugang zu dem Sitz des Uebels eröffnet und hiermit die örtliche directe Anwendung seiner Heilmethode ermöglicht.
In Betreff' der Trepanation habe ich noch zu bemerken, dass Ich keineswegs
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dass auch sie erfolgt, beweist der sub 15 verzeichnete Fall. Indess findet solche Heilung, wie ich aus bestimmten Motiven annehmen
ein Gegner dieser Operation, eben so wenig für diagnostische, wie für Heil­zwecke , bin, finde sie aber für erstere Zwecke doch nur in sehr vereinzelten Eallen nüthig, und sie lässt sich' iiberdem in praxi dafür auch nur in seltenen Fällen anwenden, weil nicht immer die Besitzer ihre Pferde zu dergleichen Operationen, ausser für Heilzwecke, hergeben.
Schliesslich bitte ich noch meinen alten Freund und Studiengenosstn, dass er mir verzeihen wolle, wenn ich durch diese Bemerkungen mit ihm in eine Controverse gevathen bin, ich wünsche nur, dass er mich weder missverstehe, noch diese Bemerkungen missdeute, vielmehr überzeugt sein wolle, dass ich ihn aufrichtig hochachte, sein Streben anerkenne, seine Verdienste, sowol seine wissenschaftlichen, wie seine organisatorischen, schätze und nichts mehr wünsche, als dass er seine Wirksamkeit an derselben Stelle, wo er sie in einem fremden Staate entfaltet, zum Segen seines engern Vaterlandes in diesem verwenden könne. Mein Freund wird es aber auch wissen und mir glauben, dass der Gegen­stand, den ich liier behandle, einer der schwierigsten ist, den die ganze Heil­kunde aufzuweisen hat, er wird daher wissen, dass ein Menschenleben nicht aus­reicht, denselben, nach allen Kichtungen hin, sowol wissenschaftlich, wie prac-tisch, zu prüfen und kennen zu lernen, er wird mir zugestehen, dass dazu neben mannigfachen Versuchen ein sehr ernstes und angestrengtes Studium und eine unendlich grosse Zahl von Beobachtungen und Erfahrungen gehört, zu denen nicht Jeder gelangen kann, dass dazu vielmehr ganz besonders günstige Gelegen­heiten gehören ; er wird nicht in Abrede stellen wollen, dass diese Gelegenheiten sich mir in der mannigfachsten Weise in dem Zeiträume meines 32jährigen, viel bewegten practischen Lebens dargeboten haben, und er wird schon daraus, dass ich im Jahre 1834 meine Impfversuche anstellte, ermessen können, wie ange­legen ich mir die Rotzkrankheit sein Hess und von welcherSeite ich sie von jeher wissenschaftlich aufgefasst habe. Wie aber weiter jene Gelegenheiten von mir benutzt und verwendet worden sind, das unterstelle ich getrost dem Richterstuhle dieses Freundes und aller Fachgenossen.
Den Haubnerschen Ausführungen schliessen sich nun zwei spätere Aufsätze in dem gedachten Magazin an: 1) von Boettger, 27. Jahrgang 1. u. 4. Heft, pag. 105 und 2) von Dominick, 28. Jahrgang, 2. u. 4. Heft, pag. 222. Zur Aufklärung der Sache und Vermeidung weiteren Irrthums, welcher die Ver­wirrung über Rotz und mit demselben analoge Zustände, die ohnehin schon viel zu weite Dimensionen angenommen und viel zu tiefe Wurzeln gesehlagen hat, immernoch erweitern muss, halteich es für Pflicht, über jene Aufsätze noch einige Worte zu sagen. Was den ersteren Aufsatz betrifft, so führt er uns das sprechende Bild einer Blennorrhinia vor, mit weicher, wie die Trepanation ergab, Entartung der betreffenden Schleimhäute und Caries (Necrose?) verbunden war, wie wir solche Zustände unter sect;sect;. 540—552 beschrieben haben. Warum nennen wir diesen Zustand nicht Rotz? Weil ihm die zum Rotze nothwendige lympha­tische Complication, die Dyscrasia lymphatica, fehlt, denn es ist keine Lymph-drüsenentartung, mithin auch keine dyskratische Lymphe und deren Ausfiuss vorhanden, andernfalls hätten wir den blennorrhöischen Rotz vor uns. Warum nennt Boettger den Zustand nicht Rotz? Das mag er selber beantworten. Es war in dem vorliegenden Falle der Lymphe bis dahin von dem vorgefundenen pathischen Secret noch nichts mitgetheilt, andernfalls würde Drüsenentartung und lymphatischer Ausfiuss zu constatiren gewesen sein, und wir hätten es nicht mit einfacher Blennorrhinia, sondern mit Rotz zu thun gehabt. Hier aber war die Krankheit noch im gering vorgeschrittenen Stadium, anscheinend noch nicht alt, sie war einfach und örtlich, also eine Heilung bei directer, örtlicher Ein-
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muss, nicht ohne entsprechende örtliche und allgemeine Einwirkung von Arzneien statt, selbst wenn der Rotz, wie überhaupt wol in allen solchen Fällen, nur local war.
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Wirkung und Entfernung der Ursachen, wie sie durch die Trepanation möglich wurde, nicht schwer.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;*
quot;Was den Aufsatz sub 2 betrifft, so ergeht sich derselbe über mehrere Fälle, die säramtlich anders liegen. Würde Dominick diese meine Schrift lesen , dann würde er bei ruhigem, ernstem Nachdenken sich alle seine Beobachtungen er­klären können und sie würden ihm als die natürliche Folge der vorliegenden Thatsachen erscheinen müssen, während er so in ihnen etwas Unbegreifliches, etwas Wunderbares zu finden scheint. Uebrigens freue ich mich, dass Dominick auch einen Fall vom ausgebildeten Rotz anführt, bei dem er keine Miliar- (Lymph-) Tuberkeln gefunden hat. Es mag auch dies für Dr. Jacobi u. A. eine Lehre sein. Dass aber keine solche Tuberkeln vorhanden waren, ist nur ein Beweis von der Jugend der Krankheit; dass aber trotzdem Rotzgeschwüre, oder gar schon eine Geschwürsfläche, herrührend von zerfressenen, einzelnen und in ein­ander gelaufenen, Geschwüren, vorhanden war, beweist nicht nur wirkliche An­steckung durch Rotzcontagium, sondern auch die primitive Aufnahme dieses Contagiums durch die Lymphgefiisse im Bereiche der Submaxillardrüsen.
Mehr noch freue ich mich über die Offenheit des Verf. gen. Aufsatzes, mit welcher er die Deductionen Haubners über Rotz und seine Ansichten, was die Heilung und Nichtheilung der Trepanationswunden beiNichtrotz und bei Rote, und die Entartung derselben im letztern Fall, betrifft, sich bona fide hingiebt und dann, wie in einem Athem, in seinem Nachtrage (pag. 235 1. c.) gesteht, dass, trotz der Heilung der Trepanationswunden, das gen. Pferd am Rotze gelitten habe. — Wo äusserlieh am Kopfe Knochenauftreibungen, namentlich abor der Stirnbeine, vorkommen, ist auch in der Regel der blennorrhöische Rotz vor­handen , denn jene Auftreibung deutet immer auf Veraltung der Krankheit hin, wie ja auch hier das gen. Pferd schon seit 2 Jahren an verdächtiger Druse ge­litten hatte, und dann ist immer anzunehmen, dass das pathische Secret bereits nicht nur, wie die Drüsendegeneration beweist, in die Lymphe, sondern auch ins Blut übergegangen ist, und sämmtliche Säfte an der dyskratischen Ent­mischung Theil nehmen, womit eine Heilung der Krankheit nicht mehr statt­findet. D. wird hieraus sieher die Lehre schöpfen, dass wenige Beobach­tungen in dieser Krankheit kein entscheidendes Resultat geben, und dass er, wenn er die Erfahrungen Anderer nicht anerkennen will, noch viele eigene Erfahrungen sammeln muss, bevor er mit Urtheilen und Ansichten sicher auf­treten kann.
Wenn ich mir nun über die von Dominick mitgetheilten anderweiten Fälle ein ürtheil gestatten darf, so geht dies dahin :
In dem erstem Falle erkennen wir im December 1839 eine einfache Blen-norrhinia, die sieh im Frühjahr 1860 zum blennorrhöischen Rotze gesteigert hatte. DieMittheilungderdyskratischenLymphewar aber bereits zu weit gegangen, denn wir haben es hier nicht mehr mit einer Localkrankheit zu thun, darum war die Heilung des Rotzes nur scheinbar, die der Schleimhautdegeneration aber nicht, sondern radical. Im Spätherbst dieses Jahres kam die Krankheit zum erneuten Ausbruch , aber nicht als blennorrhöischer, sondern als scrophulöser Rotz, der wieder scheinbar, und nur local, geheilt wurde. Nach etwa 3 Monaten aber, am 7. November, brach derselbe Rotz, aber auf der andern, der linken Körperseite, ans. Diesmal aber entsprangen die äusserlieh wahrnehmbaren Rotzerscheinungen ans der Lunge, denn es war bereits der Lungenrotz ausgebildet. Die vier Pferde welche D. in einer andern Schwadron im Frühjahr 1860 beobachtete, litten sämmtlich am scrophulösen Rotz, auch das 4. Pferd war von Rotzcontagium
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8. Capitel. Die Ursachen der Rotzkrankheit.
sect;. 733.
Wir kommen hiermit zu einem der wichtigsten, aber auch inte­ressantesten Capitel, behandeln damit einen Gegenstand, der in seinen nebensächlichamp;cen Dingen, wie in seinen wesentlichsten Momenten der genauesten und gründlichsten Forschung und Beachtung bedarf, denn es sind die Ursachen, welche die Rotzkrankheiten erzeugen, die wir hier in Betracht zu ziehen haben; und vermeiden, respective be­seitigen wir die Ursachen, dann vermeiden, respective beseitigen wir ihre Wirkungen. Also schon diese eine Andeutung führt uns die ganze und grosse Wichtigkeit dieses Capitels vor, und es ist daher vor allen Dingen nöthig, dass wir die Ursachen kennen lernen.
sect;. 734.
Nicht die practischen Erfahrungen, nicht Beobachtungen und Versuche allein können uns die Ursachen der Eotzkrankheit a poste­riori kennen lehren ; wir müssen vielmehr dieselben auch wissenschaft­lich durch logische Schlüsse nach Analogieen und nach der Natur und dem Wesen der Krankheit selbst a priori abzuleiten wissen, denn wir scheinen noch lange nicht dahin gelangt zu sein, das Heer der Ur­sachen dieser wichtigen und gefährlichen Krankheit a posteriori kennen gelernt zu haben, und wie es scheint, werden wir dieses Ziel kaum je erreichen, da ja, mit den Fortschritten der Civilisation und Cultur, zu den alten auch noch neue Ursachen sich gesellen.
Die Ursachen des Rotzes müssen, der bessern Uebersicht, des wissenschaftlichen Interesses und des bessern Verständnisses wegen, eingetheilt werden in:
1.nbsp; nbsp;Vererbung,
2.nbsp; nbsp;Anlage (Disposition) und
3.nbsp; nbsp;Veranlassungen.
inficirt, nur war dieDyskrasie bei diesemnoch nicht vorgeschritten, sondern noch local, daher seine Heilung so leicht möglich wurde. Die beiden Blauschimme], welche D. bei einem Besitzer behandelte, litten unzweifelhaft am scrophu-lösen Rotz, und die Erscheinungen, welche derselbe bei der Trepanation des 4jiihrigen Schimmels an der Schleimhaut und bei der Heilung der Trepanations­wunde beobachtete, beweisen nur, dass die Krankheit bereits inveterirt, und nicht mehr local war, sondern dass die Dyskrasie hier schon die ganze Säftemasse, also auch das Blut mit ergriffen hatte, daher die schlechte Heilung.
Durch die Aufrichtigkeit seiner Mittheilung klagt der Verf. jenes Aufsatzes gewisseimaassen sich selbst einer fahrlässigen Uebereilung an, die darin besteht, dass er das erstere Pferd, welches er beobachtete, zu früh und unvorsichtig als geheilt betrachtete und zu andern Pferden stellte, welches durch den Verlust des 2. Pferdes bestraft wurde. Wol die meisten Thierärzte werden in den ersten Jahren ihrer Praxis ähnliche Versehen sich vorzuwerfen haben, von denen auch der Verf. sich nicht freisprechen darf. —
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sect;. 735.
1. Die Vererbung der Rotzkrankheit ist im Gänzen keine ungewöhnliche Erscheinung. Sie findet statt, wenn ein oder beide Elternthiere während des Zeugungsactes rotzig sind, oder wenn das Mutterthier während des Trächtigseins rotzig ist, oder wird. Es ist die Uebertragung des Rotzes auf die Frucht in mehrfacher Weise möglich, immer aber muss sie eine materielle sein, sie bestehe nun in einem fixen, oder in einem flüchtigen Stoffe. Das männliche Individuum vermag die Rotzkrankheit auf zweierlei Wegen zu vererben, entweder direct,*) indem es den mit Rotzcontagium einprägnirten Saamen zur Zeugung des Foetus hergiebt, und jenes sich in den Säften des letztern regenerirt, so dass derselbe noch vor der Geburt vollständig rotzig wird; oder indirect, indem das rotzige Vaterthier die Mutter durch die Begattung ansteckt, und diese den Ansteckungsstoff' nun mit den von ihr ausgehenden Ernährungssäften auf den Foetus über­trägt. Es scheint die letztere Art der Vererbung der Krankheit vom Vaterthier unstreitig die häufigere zu sein, weil sie schon die sicherere ist. — Das weibliche Individuum dagegen kann die Krankheit immer nur in directer Weise vererben. Entweder es war bereits vor dem Zengungsacte rotzig, und dann war schon der Zeugungskeira, das Ovulum, mit Rotzcontagium inprägnirt, oder das Mutterthier wird erst während der Trächtigkeit rotzig und inficirt dann den Foetus mit den, demselben zuströmenden und von ihm ausgehenden Ernähruugs-säften.
sect;. 736.
unstreitig findet die Vererbung des Rotzes weit- häufiger vom Mutter-, als vom Vaterthiere statt, denn einmal werden bei weitem mehr Stuten als Hengste zur Zeugung zugelassen, mithin kommen auch bei weitem mehr rotzige Stuten als Hengste zur Begattung; andererseits aber bleibt die Stute mit dem Foetus 11 Monate im innigsten Verbände, während welcherZeit sie sehr leichtrotzig werden kann und wo sie dann den, während der Trächtigkeit erworbenen Rotz noch auf den Foetus überträgt, dies ist ein Fall, der bei tragen­den Stuten häufig eintritt, der dagegen bei Hengsten von selbst weg­fällt , indem diese allemal in dem Momente der Zeugung rotzig sein müssen, wenn sie die Krankheit vererben sollen.
Ist der Rotz wirklich vererbt, dann wird er als ausgebildete Krankheit mit geboren, andernfalls ist es nur die Anlage, die ange­boren ist, und die Krankheit wird durch Rotzcontagium, welches
#9830;) Es liegen zwar keine directen und positiven Beweise der directen Ver­erbung des Rotzes vom Vaterthier auf die Frucht vor, indess dürfen wir solche nur mit Unrecht bezweifeln. Dass sie in derThat statt finden, zeigt uns die Ana­logie beim Menschen und die directe Vererbung der Syphilis, der Scropheln und anderer ansteckender Krankheiten vom Vater auf seine Nachkommen etc.
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möglicherweise in der Muttermilch enthalten ist, oder aus andern Veranlassungen erzeugt.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;-
sect;. 737.
2. Die Anlage oder Disposition ist überhaupt im Pferde vor­handen , sie liegt in der Natur, in der Organisation dieses Thieres, in der vorwaltenden Thätigkeit und Reizempfänglichkeit seines lym­phatischen , seines Drüsensystems, also in seiner Anlage zur Scro-phulosis, die wiederum zum Rotze Veranlassung giebt, weil die Scro-phulosis in einem lymphatischen Leiden, in einer eigenthämlich chemischen Mischung (Zersetzung oder Zusammensetzung) der Lymphe besteht (s. sect;. 252), welche die Drüsen zu Schwellungen und Verhärtung reizen und damit den Zustand zu einer Dys-krasie steigern, die wir als Rotz ansehen. Diese Anlage verschuldet es ebenfalls beim Pferde, dass andere Krankheitszustände in jene Dys-krasie übergehen, dass Metastasen und die verschiedenartigsten Krank-heitsstoffe, sobald sie durch Aufsaugung mit den Lymphdrüsen in Be­rührung kommen, diese dergestalt in ihrer Organisation destruiren, dass sie die Befähigung ihrer Function verlieren und damit schliess-lich jene Dyskrasie hervorrufen, die wir Rotz nennen. Diese Anlage liegt somit schon in dem ganzen Pferdegeschlecht, sie ist indess, nach den Individualitäten desselben, bald mehr, bald weniger ausgebildet und nimmt hiernach die mannigfachsten und verschiedenartigsten Ab­stufungen ein, und es wird danach schon die Rotzkrankheit bei ge­wissen Individualitäten sich leichter entwickeln und häufiger vor­kommen, als bei andern.
sect;. 738.
Da die Scrophelkrankheit an und für sich eine Prädisposition zur Rotzkrankheit ist, indem eine Steigerung jener Dyskrasie bis zu einem gewissen Grade, oder besser gesagt, bis zu einer gewissen In­tensität, Rotzkrankheit ist, da die Rotzkrankheit sich nur entwickeln kann bei vorhandener Disposition zur Scrophulosis , und da jede Ur­sache, auf deren Einwirkung die Rotzkrankheit entsteht, zunächst eine Alteration und Affection im Lymphgefässsystem, also einen scrophulösen Zustand, hervorrufen muss, so gelten alle Ursachen, welche die Scrophelkrankheit hervorrufen und die wir sect;sect;. 411 bis 426, im 7. Cap. II. Abth. angegeben haben, bei der Rotzkrankheit, und wir hätten hier zur Vermeidung von Wiederholungen nur das noch anzugeben, was sich auf die Rotzkrankheit speciell und ausschliess-lich bezieht. Ausdrücklich muss hier aber hervorgehoben werden, dass hiermit nicht gesagt ist, dass alle Ursachen , welche Scropheln erzeugen, auch ausreichen, den Rotz zu entwickeln oder ihn entwickeln müssen, wenn sie Rotz erzeugen, denn nicht jede Scrophulosis erreicht die Intensität des Rotzes, das Gegentheil findet immer nur unter noch weiter begünstiprenden Momenten statt.
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sect;. 739.
Die Anlage (Disposition) zum Rotz kann eine angeborne, oder erworbene sein. Was die angeborne Anlage betrifft, so möchten wir diese in eine entferntere, indireete, eine nähere, directe und eine be­sondere eintheilen. Die entfernte Anlage müssen wir in dem Um­stände erblicken, dass das Pferd vermöge der Eigenthümlichkeiten seiner Organisation überhaupt die Neigung zur Bildung der Scrophel-krankheiten in sich trägt, dass durch Lebensverhältnisse des Pferdes und hinzutretende Veranlassungen sehr leicht die Scrophelkrankheit zur Entwickelung kommen, und dass dann diese bei weiteren Veran­lassungen sehr leicht bis zur Rotzdyskrasie gesteigert werden kann. Als die nähere Anlage müssen wir solche betrachten, bei der das Pferd schon mit ausgebildeter Scrophulosis geboren wird. Solche Fälle kommen vor, und in diesen bedarf es dann der einfachsten und unbedeutendsten Veranlassungen, dass jene Scrophulosis bis zur Rotz­dyskrasie sich entwickelt. Unter besondern Anlagen aber begreifen wir solche Organisation , die vorzugsweise geneigt Tind geeignet ist Scropheln, und aus diesen Rotz, oder letztern direct auszubilden, bei denen die meisten Krankheiten Neigungen zeigen, in Rotz überzu­gehen, oder damit zu enden, und die gewöhnlichsten Veranlassungen, wie Aufsaugung von Krankheitsstoffen indirect, oder direct den Rotz erzeugen. In Beziehung auf die beiden ersten Varietäten der Ablage können wir auf sect;sect;. 413 bis 415 verweisen, was aber die dritte Art der Anlage betrifft, so bedarf dieselbe noch einer besondern Be­sprechung.
sect;. 740.
Die angeborne, besondere Anlage zum Rotz kann eben sowol eine dynamische, wie stoffliche sein, jene hat ihren Grund, ihre Dis­harmonie im Nervensystem , diese im Zellenbau, in Missverhältnissen der verschiedenen Systeme zu einander und in der Qualität der Säfte. Jene finden wir vorzugsweise bei Pferden, die aus vielfachen Kreu­zungen verschiedener Racen hervorgegangen sind. Sie besteht in einer eigenthümlichen Reizbarkeit und Erregungsfähigkeit der Nerven gewisser Systeme oder Organe, wie z. B. des Lymphgefässsystems, der Lungen, der Schleimhäute, der Cutis etc., so dass die aus ge­wissen Veranlassungen sich entwickelnden Krankheitsprocesse in der Regel auf diese Gebilde sich werfen, oder concentriren und dann die etwa sich erzeugenden Krankheiten, wie z. B. ursprünglich einfache Lungenentzündungen, Catarrhe, Fussentzündungen, Elephan­tiasis etc., leicht und schnell quot;einen bösartigen typhösen oder lym­phatisch dyskratischen Character annehmen und in Rotz übergehen, resp. ausarten.
Der Zellenbau mancher Pferde ist besonders schlaff und locker,
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es ist dies der sogenannte schlaffe lockere Faserbau, die torpide Structur mit dem phlegmatischen Temperament und dem lympha­tischen Character. Hierin ist eine besondere anseborne Anlage be-gründet, welche vorzugsweise nach Einwirkung der geeigneten Ver­anlassungen geneigt ist, die Entwickelung des Eotzes zuzulassen. Es kann sich diese Anlage auf die Organisation des ganzen Organismus ausdehnen, und dann stammen solche Individuen in der Regel von Eltern , die ähnlich organisirt sind, wie man solche in ganzen Bacen und Sehlägen, namentlich in Niederungen und Marschen findet, wie man häufig unter Bauerpferden, in fetten fruchtbaren Gegenden, solche Exemplare, ja ganze Schläge antrifft, wo man consequent seit ge­raumer Zeit gekreuzt und nur auf Erreichung von Grosse und Körper­masse, ohne Eücksicht auf andere Eigenschaften, gezüchtet hat. Aber jene Anlage beschränkt sich auch auf einzelne Systeme, Gebilde oder Organe, und dann haben wir den Zustand der örtlichen Schwäche. Es kann dieser eben sowol in der Organisation, wie in dem Verhält-niss der Entwickelung überkaupt liegen, dann sind dies Missverhält­nisse des Baues, in Folge deren sich der Rotz leicht und häufiger entwickelt, weil alle krankmachenden Ursachen und Krankheiten ihre Wirkungen in der Regel auf den schwächsten Theil des Organismus ausüben , und hier eine Anlage , Säftestockungen , organische Fehler etc. erzeugen, denen sehr häufig die Rotzdyskrasie folgt. Solche An­lage findet man am meisten unter Pferden, die aus Kreuzungen, welche ohne Sachkenntniss und System betrieben sind, hervorgehen. Aber auch fehlerhafte Säftemischungen können als angeborne Anlage in solchen Fällen auftreten, wo Pferde gezüchtet werden von Eltern, die entweder häufig krank gewesen sind, oder an einer Krankheit gelitten haben, welche schlechte Säfte, oder auch Organi­sationsstörungen , in Folgt* deren fehlerhafte Säfte bereitet werden, zurücklässt; die ferner selbst an Hyperalbuminose, lymphatischer Plethora oder an Leucocythosis leiden ; die an übermässiger Fettbil­dung, Stockungen der .Säfte, schlechter-Ernährung und Mangel an Stoffwechsel leiden. Auch diese Zustände erben sich fort und be­gründen in den Nachkommen eine Anlage, die zur Rotzdyskrasie neigt und nach Einwirkung der geeigneten Veranlassungen sehr leicht in solche übergeht. (S. sect;. 252).
sect;. 741.
Was hier für ganze Gegenden, Racen und Schläge gilt, das trifft man zuweilen auch bei einzelnen Individuen als besondere An­lage. Es sind dies Bückschläge, Naturspiele, Folgen schlechter Paarung oder fehlerhafter Behandlung des Mutterthieres während der Trächtigkeit. Beim Vorwalten des vegetativen Lebens, bei viel Ruhe, viel und schwerer, fetter Nahrung der Eltern vererbt sich Vorzugs-
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weise die Anlage zum scrophulösen Eotz? bei mangelhafter Pflege und fehlerhaften schlechten Nahrungsmitteln der Eltern, bei über-raässiger Anstrengung derselben und schlechtem Verhalten, bei viel­fachen Erkältungen derselben etc., vererbt sich mehr eine Disposition zur Sepsis, zu Catarrhen und Blennorrhöen, die dann Veranlassung zu septischen und blennorrhöischen Rotzdyskrasieen werden.
sect;. 742.
Die erworbene Anlage erzeugt sich erst nach der Geburt des Pferdes, nachdem dasselbe ein selbständiges Leben begonnen hat; sie kann sich im fruhesten Lebensalter, aber auch in allen späteren Jahren beim Pferde entwickeln, in der Jugend indess weit leichter und häu­figer, als im spätem Lebensalter. Alle jene Verhältnisse, welche die Anlage zu Scropheln, Catarrhen, Blennorrhöen, Faulfiebern etc., oder diese Krankheiten selbst, erzeugen, entwickeln damit zugleich die An­lage zum Rotz, und so richtet sich diese ebenfalls nach der Gegend und Locaütät, nach den Nahrungs-, Verpflegungs-, Gebrauchs-, und selbst nach Wittr.runajsverhältnissen. In Gegenden, die tief liegen, wo das Futter häufiger verdirbt, wo nur schlechtes Wasser ange­troffen wird, in engen, niedrigen, tief liegenden, zu warmen Ställen, bei schwer verdaulicher überreifer Ernährung, durch verdorbene un­passende Nahrungsmittel, z.B. Schlampe, fauliges Wasser etc., selbst durch die Muttermilch, wenn sie schwer verdaulich und zu laquo;stark nährend ist; durch zu reichliches Putzen und Stehen unter Decken in zu warmen Ställen, also wenn damit die Haut zu reizbar und empfind­lich gemacht wird; ferner durch zu wenig Bewegung und Gebrauch, sowie auch in nasser und nasskalter Witterung, daher auch in der Regel im Frühling und Herbst, durch Erkältungen etc., entwickelt sich sehr leicht, häufig, ja gewöhnlich, die Anlage zum Rotz. Es sind dies eine grosse Menge von Verhältnissen und Umständen, die sich nicht namentlich alle anführen lassen, es sind aber jederzeit solche, die nicht naturgemäss sind, die dem natürlichen Bedürfniss des Pferdes, seiner Organisation und seinen Naturkräften zuwider sind. Darum kann Alles, was einer naturgemässen Lebensweise, einem regelraässigen normalen Verhalten des Pferdes entgegensteht und widerstreitet, die Anlage zum Rotze ausbilden.
sect;. 743.
Darum sehen wir im Allgemeinen in den Bauerpferden sehr häufig die Anlage zum Rotze sich entwickeln, weil diese sehr oft in zu engen, niedrigen, dunstige.n, finstern , unreinen und zu warmen Ställen stehen, weil sie häufig, bei zu viel Ruhe, mit zu schwer ver­daulichem , zu nahrhaftem Futter ernährt und daher zu vollsäftig werden, weil bei ihnen, namentlich aber in Ställen, Krippen etc. zu
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wenig auf Reinlichkeit gesehen wird. Wir sehen jene Anlage aber auch sich entwickeln unter den grössern Pferdebeständen grösserer Güter, weil hier oft eine grössere Zahl von Pferden in zu engen, ganz unzweckmässig angelegten und eingerichteten Ställen vereinigt ist, in welchen, bei Mangel an Eeinlichkeit, Luftwechsel und Licht, wie dies sehr häufig vorkommt, Ueberfüllung und Stagnation von Dünsten eintritt, die eben sowol auf die Respirationsorgane erregend und er­schlaffend wirken, wie sie die Säfte verderben, und daraus eine An­lage für den Rotz entwickeln. Ganz besonders aber geschieht dies des Nachts, wo die Ställe gegen jeden Zutritt frischer Luft und das Entweichen der den Ställen sich im Uebermaasse entwickelnden Dünste abgesperrt werden, während durch die oft bis zur Unerträglichkeit steigende Temperatur die Luft nicht nur überraässig verdumpft wird, sondern die Dunste sich auch in entsprechend steigendem Maasse ent­wickeln und den Stallraum erfüllen. Je enger und niedriger die Ställe sind, je schlechter ihre Anlage und Lage ist, je weniger die Stallluft und Jauche Abzug hat, je unreinlicher die Ställe gehalten werden, je mehr Pferde auf einem gegebenen Räume vereinigt stehen, je älter, baufälliger und poröser die Ställe werden, desto mehr greifen jene üebel-stände Platz, und desto sicherer und bestimmter entwickelt sieh aus ihnen die Anlage zum Rotz. Aber auch in der allgemein eingeführten Methode, die Pferde nass zu füttern, oder der häufigen Mode und Be­quemlichkeit, sie aus den Krippen zu tränken, liegt, namentlich dort, wo hölzerne Krippen im Gebrauche sind, ein wesentliches Moment zur Erzeugung für die Rotzanlage. Selten wird bei den gewöhnlichen Pferdeständen auf eine regelmässige Reinlichkeit in den Krippen ge­sehen, und so sammeln sich in den Winkeln, schadhaften Stellen und Poren derselben Futterreste und Wassertheile, welche schimmeln und faulen, und die Nahrungsmittel verunreinigen. Dies findet um so mehr statt, je älter und schlechter die Krippen sind, und bei solchen Futterstoffen, die mehr klebrig sind und leichter in Fäulniss tiber­gehen, also bei Fütterung von Schrot, gedämpften Kartoffeln und dgl. Hierdurch werden die Verdauungsorgane angegriffen, die Digestion gestört, die Säfte verdorben und in dieser Weise die Anlage zum Rotze entwickelt.
sect;• 744. In dieser Weise, wenn auch nicht durch ünreinlichkeit und fehlerhafte Fütterung, entwickelt sich auch die Rotzanlage unter den Pferden der Armeen und der Remontedepots. Die in Beziehung auf die Ställe gerügten Mängel und Uebelstände, nicht nur solche, welche die Localität mit sich bringt, und die unvermeidlich sind, sondern auch solche, welche durch eine ungerechtfertigte, schlecht angebrachte, die Natur des Pferdes vollständig verkennende Aengstlichkeit und Sorge herbeigeführt werden, finden wir auch hier noch vielfach ver-
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treten. Einer der grössten und häufigsten Uebelstände ist der, dass zu viele Pferde in einzelnen Ställen vereinigt stehen, und dass man diese Ställe, in welchen es in der Regel ohnehin zu warm ist. Nachts enge verschliesst, dass in ihnen zu wenig für Luftwechsel gesorgt ist etc. Die Pferde werden ausserdem viel geputzt, gut gepflegt und stehen häufig des Tages unter wollenen Decken. Diese Verhältnisse erzeugen eine eigenthümlich erhöhte Reizbarkeit und Receptivität der Lungen und der Haut, aufweiche schliesslich Erschlaffung folgt. Die Armeepferde aber, gewöhnt zuletzt an diese Temperatur, Pflege und Regelmässigkeit, höchst reizbar und empfindlich, werden plötzlich aus diesen Verhältnissen gerissen und in andere gebracht, wenn es zum Exerciren oder zu Manöuvren geht. Hier müssen sie oft jeder Pflege und Vorsicht entbehren, jede Art von Witterung ertragen, und während sie den vehementesten, oft erschöpfendsten Anstrengungen ausgesetzt 'sind, erhitzt und gleich darauf erkältet werden, müssen sie häufig mit schlechtem Futter fürlieb nehmen, und wenn sie nicht bei Sturm und Regen im Freien campiren, dann müssen sie in den schlechtesten, unreinlichsten und zugigen Ställen wohnen. Dass hiernach sich die Anlage zum Rotze entwickelt, dass danach alle möglichen Krankheiten entstehen , welche jene Anlage zurücklassen, ist nicht mehr, nicht weniger als natürlich.
Bei Post-, Reise- und Fuhrmannspferden, die vielfachen Er­hitzungen und Erkältungen, die dem Einflüsse aller Witterungsver­hältnisse beständig ausgesetzt sind, entwickeln sich wol mancherlei Krankheiten, welche dann die Anlage zum Rotze zurücklassen.
sect;. 745. 3. Die veranlassenden Ursachen zerfallen :
a)nbsp; nbsp;in die der originären Entvvickelung des Rotzes und
b)nbsp; nbsp;in die der Entwickelung des Rotzes durch Infection des Rotzcontagiums.
a) Veranlassungen der originären Entwickelung des Rotzes giebt es mancher Art und es sind oft, sobald eine Prädisposition zurKrank-heit vorhanden ist, die einfachsten und unscheinbarsten Momente, welche den Ausbruch der Krankheit veranlassen. Wir rechnen hierher alle jene Veranlassungen, welche die Anlage zur Krankheit entwickeln, denn sie sind auch im Stande, den Ausbruch derselben herbeizuführen. Dazu gehören z. B. Diätfehler, schwer verdauliche, fehlerhafte und verdorbene Nahrungsmittel; es gehört dahin unreines, stagnirendes, fauliges Wasser; unreine, stagnirte , verdorbene Luft, bei zu hoher Temperatur in geschlossenen Räumen ; Erhitzung und darauf folgende plötzliche Erkältung; Einfluss nasskalter Witterung bei gewissen Krankheiten ; gewisse Krankheiten selbst, wie Scropheln, Beschäl­krankheit , Elephantiasis, chronische Catarrhe und Blennorrhöen,
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typhöse Fieber, namentlich solche Catarrhalfieber und Lungenent­zündungen , wie Uebergänge von innern Entzündungskrankheiten in Typhus, nach, oder bei deren Ausgang in Eiterung, innere carcino-matose Zustände, wie krebsartige Entartungen und Verjauchungen in den Lungen, der Leber und andern Organen ; ferner Vernachlässigung, falsche Behandlung und Fehler in dem diätetischen Verhalten bei Druse, Strengel, Bräune und verschiedenen anderen Catarrhen ; heftige und plötzliche Erhitzungen oder Erkältungen bei gewissen Maukezu­ständen, bei herpetischen Ausschlägen, grossen purulenten Geschwürs­und Eiterflächen, und dadurch bewirkte plötzliche Unterdrückunu; und metastatische Ablagerung derselben auf Blut, Lymphe, Lungen oder drüsige Gebilde, oder falsche Behandlung dieser Zustände, welche analoge Wirkungen hervorrufen; ferner endlichMetaschematismusbei Druse, Strengel. Influenza, Faulfieber u. dergl.
sect;. 746.
Eine der sichersten und allgemeinsten Ursachen des Rotzes ist der Genuss der Schimmelpilze. So wiesle die Scrophelkrankheit erzeugen, so erzeugen sie auch den Rotz, der durch fortgesetzte Aufnahme der-selbenin den meistenFällen sicherundbestimmtentsteht. ObSchimmel-pilze, wenn sie einmal in die Säfte des Organismus fibergegangen und in gewissen Afterproductionen niedergelegt sind, während des thieri-schen Lebensprocesses in jenen oder diesen sich reproduciren und fortwuchern, oder ob nur die von Aussen in den Organismus gelang­ten Pilze wiedergefunden werden, ob es zur Erzeugung jener Crypto-gamen einer Veranlassung von Aussen bedarf, ist eine Frage, deren sichere Lösung wir der Zukunft überlassen müssen , über die wir nur Vermuthungen aufstellen könnten, die jedes practischen Werthes entbehren würden. Constatiren müssen wir aber, dass bei continuir-licher Aufnahme der Schimmelpilze der Rotz sicher und bestimmt ent­steht, und dass wir ihn auf diese Weise jederzeit beliebig hervorrufen können. (S.sect;sect;.423 und 523).
sect;• 747.
Die Schimmelpilze finden ihren Weg in den Organismus durch die Aufnahme der Nahrungsmittel, also bei der Ernährung, und der Luft, also bei der Blutbildung. In jenem Falle geht der Weg zunächst durch die Digestionsorgane in den Chylus, in. diesem durch die Lungen in das Blut über, und es liegt hierin ein Moment, nach welchem der Rotz aus schimmelhaltigen Futterstoffen sich langsamer entwickeln muss, als nach mit Schimmelsporen gesättigter Luft. Es ist diese Rotzerzeugung einer Vergiftung analog: im ersteren Falle gelangt das Gift zunächst in den Magen, und die Verdauung sucht dasselbe noch zu bewältigen und schwächt oder verzögert seine Wirkung: im zweiten gelangt es zunächst in die Lungen und wird hier mehr oder weniger
Enll, RolzilyskrGsie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 27
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vom Blute unmittelbar aufgenommen. Niemals aber, es sei denn bei Anwesenheit, oder beim Hinzutritt einer andern aeuten Krankheit,, oderljei einem ganz besonders prädisponirten Organismus, wird der nach Schimmelpilzen sich erzeugende Rotz eine schnelle Entwickeinng und einen rapiden Verlauf nehmen, er gehört immer in den gedachten. Fällen zu derjenigen Form, die sich am langsamsten entwickelt, und es scheint fast, als ob die in den Chylus oder in das Blut und seeundär von diesem in die Lymphe übergetretenen Schimmelpilze zunächst von den Chylus-, resp. Lymphdrüsen, wie von einem Filter zurück­gehalten würden, welche als fremder Stoff die Drüsen chronisch: reizen und sie successive zu jener, an Umfang und Intensität zu­nehmenden Degeneration bringen, bei welcher dann ein Durchgehen der qu. Flüssigkeiten mit der Zeit ganz unmöglich wird. Nach den Lymphdrüsenanschwellungen aber, welche auf unmittelbare Infection des Blutes durch Schimmelpilze erfolgen, geht dann die Entwickeinng: des Rotzes sehr bald in der bekannten gewöhnlichen Weise von statten. Nach den Degenerationen der Mesenterialdrüsen dagegen findet noch ein anderer Gang der Krankheit statt. Es muss der Chylus, sobald ihm der Durchgang durch jene Drüsen versagt wird, sich Nebenwege suchen, auf denen er ins Blut gelangt, und bevor dies in entsprechendem Maasse geschieht, was oft lange, oft Jahre dauert, zuweilen nie zu Stande kommt, haben wir es mit jenem schleichenden Zustande zu thun, den man gewöhnlich und aussehliess-lich die Scrophelkrankheit nennt, mit jenem Zustande, der sich bei Thieren, in ihrer Jugend namentlich, durch dicke Bäuche, wegen der Rückwirkung auf den Digestionsapparat, dünne Beine, Schwinden der Muskeln, Stillstand des Wachsthums, Verkümmerung, bei voll­ständiger Dyskrasie etc., kenntlich macht. Bei jungen, noch im Wachsthum begriffenen Thieren , die zu ihrer Ernährung nicht allein. Stoffwechsel, sondern auch Stoffansatz bedürfer , erfolgt die Ab­magerung und das Schwinden der Muskeln etc., um so schneller und auffallender, und wenn, trotz des gefüllten Bauches, stets ein lebendiger Hunger existirt, der zur immer neuen Aufnahme von Nahrungsmitteln antreibt und mit der Befriedigung dieses Triebes den Bauch zu unge­wöhnlichen Dimensionen ausdehnt, so ist dies nur ein Beweis dafür, dass der Hunger seine Quelle nicht in der Leere der Verdauungs­organe, sondern im Mangel an Ersatzstoffquot; in den peripherischen Enden der Ernährungsgefässe, den Capillaren, hat. Nun könnte man aber fragen: wo bleibt der Chylus beim Beginn der Krankheit, bevor er sich einen Weg neben den Mesenterialdrüsen ins Blut gesucht hat ?' — Bei unausgewachsenen Thieren, wo der Verdauungsapparat von allen Systemen am thätigsten und wirksamsten, mithin auch am aus­gebildetsten ist, müssen wir es für wahrscheinlich halten, dass der Chylus in den peripherischen Enden der Chylusgefässe, von den
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Mesenterialdrüsen ans, sich grossentheils aufstaut, durch die Darm­zotten zun'ickfliesst, oder doch von ihnen nicht aufgenommen wird, und mit den Excrementen abgeht, während nur ein geringerer Theil, obgleich bei im Wachsthum befindlichen Thieren ein verhältnissmäs-sig grösseres Quantum des Ernährungssaftes erfordert wird, als bei erwachsenen Thieren, den Weg durch andere Lymphgeiasse ins Blut findet. Ist aber später die Digestion erst in der Weise gestört, wie dies jene dicken Bäuche andeuten, dann vermag sie weder dienöthige Quantität; noch Qualität des Chylus auszuscheiden, und die Abzeh­rung nimmt um so mehr zu. Dieser Zustand kann einen beschleu­nigteren und langsameren Gang nehmen, immer aber wird seine Ent-wickelung sich lange hinziehen, bevor der Krankheitsprocess derart in das Lymphgefässsystem übergeht, dass dessen Drüsen einer .sol­chen Degeneration unterliegen, in deren Folge Rotz sich ausbildet. Nehmen wir nun an, die Ursache dieses Zustandes seien Schimmel­pilze, so müssen auch mit dem geringern Quantum des Chylus immer­hin Schimmelpilze ins Blut und schliesslich in die Lymphe übergehen, und wenn hier bei unausgewachsenen Thieren die Lymphdrüsen nicht so schnell und bedeutend degenerirt werden, wenn sich nicht so leicht Rotzgeschwüre und Lymphtuberkeln wie bei erwachsenen Pferden bilden, so liegt dies in dem verhiiltnissmässig niedern Grad der Thä-tigkeit, Ausbildung und Reizbarkeit des Lymphgefässsystems bei jenen. Dieses Verhältniss dürfte nun auch die Ursache sein, weshalb bei erwachsenen Thieren der Chylus im degenerirten Zustande der Mesenterialdrüsen den Weg zum Blute durch andere Lymphgefässe leichter und in grösserem Maassstabe findet, und dass nun dieser Chylus, in soweit er nicht die angemessene Umänderung in den Me­senterialdrüsen erlitten hat, wieder die Ursache der Ueberhand-nahme der weissen Blutkörperchen, der Leukämie etc., wird, diese aber, wegen ihrer klebrigen Eigenschaft, nicht nur die Stockungen der Säfte, mithin die Tuberkelbildungen, sondern auch die Verdich­tung in der Substanz der Lymphdrüsen veranlassen, wie sie wahr­scheinlich die Ursache der zuweilen im Beginn solcher Krankheit stattfindenden Fettbildung sind.
sect;#9632; 748.
Der Schimmel aber findet sich in jedem Futter, das einige Zeit feucht-warmer Temperatur ausgesetzt ist; mit dem Beginn der Ver­wesung in solcher Temperatur entwickeln sich sofort Schimmelpilze, und Ruhe des Stoffs beschleunigt ihre Bildung. Sie erzeugen sich in jedem ruhenden Wasser bei einer gewissen Temperatur, über 9deg; R., in welchem organische Stoffe verwesen; sie erzeugen sich ferner in jeder feucht-warmen , eingeschlossenen , also ruhenden Luft. Es
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ist mithin zur Erzeugung des Schimmels verwesender organischer Stoffe feuchte Wärme und Ruhe erforderlich , Bedingungen, die in den kalten und heissen Erdzonen nicht vorhanden sind, und es liegt hierin, wenn auch nicht die alleinige, so doch eine negativ mitwir­kende Veranlassung, dass in jenen Zonen Scropheln und Rotz un­bekannte Erscheinungen sind. Der Schimmel giebt sich zu erkennen durch einen eigenthümlich dumpfigen Geruch. Dieser Geruch schon zeigt die Einathmung der in der Luft schwebenden Schimmelbestand-theile, namentlich ihrer Sporen, an. Alle Nahrungsmittel die daher einen sogenannten dumpfigen Geruch haben, enthalten Schimmel­pilze, und somit ein ursächliches Moment für Rotz. Es wird daher jedes Futter, sei es Korn, Stroh oder Heu, welches bei der Werbung viel Nässe bekommen hat, und deshalb längere Zeit im Freien, namentlich in Haufen, Garben etc. liegen musste, stocken, d. h. mehr oder weniger verwesen und Schimmel erzeugen. Dies wird aber noch in weit grösserem Maassstabe stattfinden, wenn dergleichen Futter feucht eingebracht wird, wo es dann in geschlossenen Räu­men bei Selbsterhitzung um so mehr der Verwesung und Schim­melbildung unterliegt. Wir sehen, schon durch diese Veranlassun­gen nach nassen Jahren, sowie bei Nachlässigkeit in der Futter Wer­bung, den Rotz häufiger ausbrechen.
sect;• 749.
Aber auch andere Futterarten , wie gedämpfte Kartoffeln, rohe Hackfrüchte mit Häcksel vermischt und aufgehäuft, schimmeln bei nachlässiger Behandlung, und werden bei unvorsichtiger Verwen­dung zur Ursache des Rotzes. In den Krippen, namentlich hölzer­nen, in denen nass gefuttert wird, sammeln sich in den Winkeln und schadhaften Stellen Futterreste, welche sehr bald schimmeln, es saugen sich die Poren voll Wasser, in welchem sich Schimmel bildet, und werden nun, wie dies meistens geschieht, die Pferde aus solchen Krippen fortdauernd gefüttert und getränkt, ohne dass sie gereinigt werden, so ist hierin eine nicht seltene und nicht unerhebliche Veran­lassung zum Rotze gegeben. Ein Gleiches geschieht bei der Streu, welche in Ställen feucht aufbewahrt und von Pferden häufig gefres­sen wird *).
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sect;. 750.
Das Wasser ist eine der häufigsten und wichtigsten Ursachen des Rotzes, es ist nicht nur geeignet, die schädlichen Stoffe aus der
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*) Wir sind nicht abgeneigt, den Schimmel auch als eine häufige Ursache der Perlsuoht beim Rindvieh anzusehen.
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Lnft, der Erde und allen andern Gegenständen, sogar die flüchtigen und fijcen Contagien, anzuziehen, aufzulösen und in sich zu conser-viren, sondern es nimmt auch alle in der Luft und Erde vorhandenen organischen Stoffe und Keime auf, bringt sie, namentlich in seinem stagnirenden Zustande zur Verwesung, resp. Keimung, und schwän­gert sich auf diese Weise nicht nur mit Schimmelpilzen, die sich sehr häufig durch einen dumpfigen Geruch des Wassers zu erkennen ge­ben, sondern auch mit andern verwesenden und faulenden Stoffen. Ausserdem aber löst das Wasser die verschiedensten Mineralstoffe des Erdbodens , Metall -, Erd - und Alkalisalze , selbst gewisse Ele­mente, wie Bor, Jod, Brom u. decgL, und Elementarverbindungen, wie Phosphor- und Schwefelwasserstoff auf, und conservirt solche in sich. Es sind die schädlichen, die Gesundheit der Thiere gefährden­den Stoffe, welche das stagnirende und Brunnenwasser zuweilen ent­hält, zahllos, und es ist das quantitative Verhältniss derselben oft sehr bedeutend, so dass die Thiere mit der grossen Menge des Wassers, welches sie zu ihrem täglichen Lebensunterhalt brauchen, oft sehr grosse Quantitäten jener schädlichen Stoffe aufnehmen müssen, welchen die gesunde Organisation und Natur auf die Dauer nicht widerstehen kann (s. den 11., 12. und 13. Fall). Wenn nun jene Schimmelpilze oder Pilzsporen des Wassers zur Ursache der Scro-phulosis, und schliesslieh des Rotzes, werden, so erzeugen jene aufge­lösten verwesten und fauligen , wie jene Mineralstoffe, namentlich aber die Erd- und Alkalisalze, durch ihre fortgesetzte, erschöpfende Wirkung Torpor, Auflockerung und Auflösung der Gewebe, schlechte Ernährung, Wasseransammlungen und Typhoiden. Diese letzteren gestalten sich zu septischen Krankheiten, welche schliesslieh in Rotz übergehen, und durch das Contagium dieses Rotzes demnächst als scrophulöser Rotz fortwuchern (vergl. Cap. 2, sub 3).
sect;• 751.
Alle diese Ursachen, welche im Futter und Wasser gegeben sind, gelangen auf dem Wege der Digestion in die Säftemasse, und ihre Wirkung ist zum Theil abhängig von dem Alter, der Constitution, der Ernährung, dem Maasse der Verdauungskraft, aber auch von der Quantität der schädlichen Stoffe und der Continuität ihres Zuflusses und ihrer Einwirkung, vor allen Dingen aber von dem Maasse der vorhandenen Anlage. Immer aber wird die Entwickelung der Krank­heit, da zunächst eine gänzliche Umstimmung der Verdauung vorauf­gehen muss, eine langsame sein, und es dauert jedenfalls längere Zeit, bis die Säfte jene dyskratische Umstimmung erreichen, welche die Krankheit als Rotz manifestirt. Da aber diese Ursachen theil-weise von Witterungsverhältnissen und Einflüssen, von der Localität und Beschaffenheit des Wassers, die in ganzen Gegenden eine gleich-
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artig schädliche sein kann, da sie selbst von Gewohnheiten, Sitten und Gebräuchen, ja vom Culturzustande des Menschen abhängt, so kann die Rotzkrankheit aus diesen Veranlassungen nicht nur häutig eine allgemeine Calaraität, die sich über ganze Pferdebestände, und selbst über ganze Gegenden, verbreitet, werden, sondern sie kann auch in manchen Jahren, namentlich in nassen, weit häufiger vor­kommen, als in andern (vgl. sect;. 537), wie wir dies so vielfach erfah­ren müssen. Wir müssen aber hier leider in den meisten Fällen eine gewisse Indolenz, böse Gewohnheit und Unreinlichkeit beschuldigen, ohne solche kann der Rotz wol niemals solche Ausbreitung ge-
sect;. 752.
Eben so wesentlich, wie die Nahrungsmittel und das Wasser, ist die Luft und deren Reinheit, denn sie ist eins der wichtigsten und unentbehrlichsten Unterhaltungsmittel des thierischen, wie jedes an­dern Lebens, ohne sie ist jede Ernährung unmöglich. Dies ist ein Gegenstand, der leider im practischen Leben, namentlich von Laien, selbst aber auch von Aerzten, so wenig bei Menschen wie bei Thie-ren die verdiente Beachtung geniesst, und statt die Sauerstoff bedürf­tigen, athmenden Wesen an den freien Aether der Natur zu lassen, oder den geschlossenen Räumen , in die man sie willkürlich sperrt, den Antheil des unsern ganzen Erdball umgebenden Luftmeeres zu­kommen zu lassen, auf den die Natur sie angewiesen, und in welchem allein der Lebensprocess in normaler Weise von statten gehen kann, sperrt man sie in geschlossene Räume, deren stagnirender Luftinhalt mit allen möglichen andern Stoffen, nur nicht mit dem erforderlichen Sauerstoff geschwängert, und daher eben zum Athmen vollständig untauglich ist. Diese Luft, gesättigt mit Kohlen-, Phosphor- und Schwefelhydraten, mit Ammoiiiakdünsten, mit einem stagnirenden, warmen Wasserdnnst und angefüllt mit Schimmelsporen, so recht ge­eignet den Wucher des Schimmels zu fördern, müssen Tausende und aber Tausende lebender Geschöpfe athmen und aus ihm die Bestand-theile nehmen, deren sie zur Blutbildung bedürfen. Viele sind nur verdammt, sie zeitweise, besonders Nachts, zu athmen, andere aber sind für beständig darin eingeschlossen, und dies sind die Unglück­lichsten, denn jene Luft schafft ihnen in allen möglichen Krankheits-zuständen und Leiden das beklagenswertheste Dasein. Neben der frischen Luft fehlt solchen Localien in der Regel dann auch noch das noth wendige Licht, und hierin liegt dann noch eine wesentliche För­derung jener Leiden. Doch wir abstrahiren von dieser allgemeinen Betrachtung und wenden uns speciell zu den Momenten, welche- in jenen Verhältnissen als Ursachen der Rotzkrankheit zu betrach­ten sind.
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sect;. 753.
AuchPferde werden in grosser Zahl in solcheLocalien gesperrt, #9632;and die dunstige, sauerstoffarme, zu warme Luft in Gemeinschaft mit dem stattfindendenLichtmangel, der in jenen, oft so engen, niedrigen, halbverfallenen Ställen, mit schlechtem Fussboden , bei nicht statt­findendem Abzug der Jauche und bei sonstiger obligater, allgemeiner Unreinlichkeit, welche täglich, Jahr aus Jahr ein, die Lungen erfüllt, und sich dem Blute mittheilt, hindert die Bildung der rothen Blut­körperchen, wie sie die Ueberwucherung der weissen, die Leukämie, steigert. Schon hierdurch entwickelt sich mit der Zeit nicht nur die Anlage, sondern der Rotz selbst. Ist aber die Luft noch , wie dies gewöhnlich der Fall ist, mit Schimmelpilzen angefüllt, was immer durch ihren dumpfigen Geruch verrathen wird, dann ist die Entste­hung des Rotzes um so sicherer und erfolgt um so schneller, indem die giftige Wirkung des Schimmels, insofern sie hier direct und un­mittelbar auf das Blut erfolgt, die Krankheit primitiv in den Lungen hervorruft, von denen sie sogleich in das Lymphgefasssystem über­geht. Es sind diese Verhältnisse eine gar häufige Ursache des Rotzes, häufiger, als wir es vermuthen, und wenn auch die Krankheit immer noch sich langsam entwickelt und verläuft, so geschieht dies doch in allen Fällen weit schneller, als dies bei der Aufnahme der Schimmel­pilze durch die Verdauungsorgane stattfindet. Zu diesen Ursachen tritt nun noch häufig Mangel an Bewegung und damit verbundener angenügender Stoffwechsel.
sect;• 754.
Diese soeben aufgestellten ursächlichen Momente sind es vor­zugsweise, welche den Rotz in den Ställen der kleinern Landwirthe und Eigenthümer in denjenigen Gegenden so häufig originär ent­wickeln, in welchen zu dieser Krankheit besonders disponirte Pferde existiren, wo Armuth herrscht, und wo man in der Entwickelung der landwirthschaftlichen Verhältnisse und Ordnung noch zurück ist. Aber wir sehen den Rotz sich auch in grösseren Ställen aus densel­ben Ursachen entwickeln, wo die letztberegten Verhältnisse nicht stattfinden, namentlich in solchen Ställen, die eine ungünstige, tiefe Lage haben, die mit Thieren überfüllt sind, für deren ausreichende Bewegung nicht gesorgt wird, und wo man die Ställe nicht genng lüftet und zugleich zu warm hält. Daher auch aus diesen Ursachen der Rotz in den Ställen grösserer Grundbesitzer, in Cavallerie-, Depot-und Gestütsställen, in letzteren namentlich unter den Füllen, sich laquo;ntwickelt.
sect;. 755.
Da der aus den Einwirkungen des Schimmels, namentlich wenn
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nicht noch andere Ursachen hinzutreten, sieh entwickelnde scrophu-lose Rotz oft erst lange Zeit nach Einwirkung der Ursachen mit sei­nen ersten Symptomen zum Vorschein kommt, da diese Symptome in der Regel sehr mild und unscheinbar auftreten, so dass man sie über­sieht, verkennt, am wenigsten aber sie für Criterien des Rotzes halt, obgleich die Krankheit schon durch Ansteckung sich weiter verbrei­tet, so wundert man sich, wenn man plötzlich davon überzeugt wird, dass der Rotz unter den Pferden existirt, und zwar schon ziemlich weit unter ihnen verbreitet ist. Man findet die Ursache nicht, denn man geht nicht auf mehrere Monate zurück, man sucht sie am wenig­sten da, wo sie liegt, vor Allem aber nicht in der Stallluft, da man solche durchaus nicht für eine so gefahrliche Ursache halten zu kön­nen glaubt. Man sucht daher die Ursache näher, und hält die Ein­schleppung des Contagiums dafür. Dies hat jedenfalls den wesent­lichen Nachtheil, dass man die wirkliche Ursache entweder nicht be­seitigt, oder doch in künftigen Fällen nicht vermeidet. Manche Thiere bewältigen diese Ursachen ganz, andere lange und noch andere gar nicht. Fragen wir nun, was wir aus der Kenntniss dieser Ursachen gelernt haben, — so dient zur Antwort: — dass wir beim Pferde, als einem sehr reinlichen Thiere, die grösste Sorgfalt in Beziehung auf Reinlichkeit anwenden müssen, dass wir nur reines und gesundes., schimmelfreies Futter, reines frisches, gesundes Wasser verwjenden-und für ausreichende Bewegung und stets für reine, frische Lxift, massige Wärme und Licht in den Aufenthaltsörtern der Thiere zu sorgen, dass wir also in jeder Weise den Schimmel, sowol dort wie hier, zu vermeiden haben.
sect;. 756.
Die Entwickelung des Rotzes durch Infection des Rotzconta-giums ist unstreitig eine der bei weitem häufigsten, und wir glauben in der That nicht zu viel zu sagen, wenn wir annehmen, dass unter den Rotzfallen, welche auftreten, 90 Procent solche sind, die sich aus der Uebertragung des Contagiums erzeugt haben. Also das Con-tagium wäre hiernach die häufigste Ursache der vorkommenden Rotz­krankheit. Am verheerendsten und gefährlichsten zeigt sich da? Contagium immer dort, wo eine grössere Zahl von Pferden beisam­men lebt, also unter den Armeepferden, in den Depots, in den Ge­stüten, hier namentlich unter den Füllen, weil dieselben frei umher­laufen, unter den Pferdebeständen grösserer Grundbesitzer, der Post-haltereien und grösserer Fuhrwerksanstalten. Der Gefahr der An­steckung aber sind am meiste'n ausgesetzt diejenigen Pferde, welche viel auf Reisen benutzt werden und in fremde Ställe kommen, also Post-, Reise- und Fuhrmannspferde, die Armeepferde auf Märschen und Transporten ; ferner diejenigen Pferde, unter denen ein häufiger
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Wechsel durch Kauf und Verkauf stattfindet, also die Pferde der Händler, der grössern Grundbesitzer, welche nicht selbst Pferdezucht treiben, die Pferde der Posthaltereien und der grössern Fuhrwerks­anstalten. Bei den kleinern Ackerwirthen und Eigenthümern ist jene Gefahr nicht in dem Maasse vorhanden, weil sie verhältniss-mässig weniger auf Reisen sind, seltener in fremden Ställen ausspan­nen, und weil sie seltener mit Pferden wechseln, da die meisten ihren Pferdebedarf sich selber aufziehen.
sect;• 757.
Die sicherste Fortpflanzung des Rotzes durch das Contagium, also somit auch die häufigste Ursache der Krankheit, ist die, welche durch gegenseitige Berührung von rotzigen und gesunden Pferden stattfindet, also von Pferd zu Pferd ohne Zwischenträger. Da die Pferde in den meisten Fällen sich nur an einer Seite berühren, so findet die Infection und der Ausbruch der Krankheit eben so oft auch nur auf einer Seite statt, üeberträgt sich der Rotz in Ställen, wo die Pferde nebeneinander stehen; oder in Gespannen, von Pferd zu Pferd, dann findet immer die Infection der ungleichnamigen Seite statt, weil die Pferde sich nur mit diesen Seiten berühren ; wo indess die Pferde mit den Köpfen sich gegenüberstehen, und wo sie sich im Freien auf Strassen und Weiden etc. begegnen, da berühren sie sich meistens mit den gleichnamigen Seiten, an denen dann auch in der Regel die Infection stattfindet. In allen Fällen aber, wo das Con­tagium durch Zwischenträger oder Medien verbreitet, wo es im aus­geschiedenen Zustande in anderer Weise, als durch gegenseitige Be­rührung aufgenommen wird, da ist die Infection eine sehr verschie­dene, da kann sie eben sowol eine allgemeine, wie örtliche sein, und sie kann im letzteren Falle an den verschiedensten Körperstellen und Organen stattfinden. Solche Zwischenträger sind z. B. in den Ställen frei umherlaufende einzelne Füll.en, es sind die Wärter und Stallleute, selbst Ratten und Mäuse etc. Solche Medien sind alle diejenigen Gegenstände, von denen das Contagium aufgenommen wird, an denen es resp. haftet. Es ist dies, wiewol nur in seltenen Fällen, die Stallluft, welche das Contagium, namentlich bei höheren Temperaturgraden, aufnimmt, und dasselbe auf gewisse, immerhin nur beschränkte Distancen verbreitet. Das Wasser nimmt das Con­tagium ebenfalls auf, löst dasselbe, und so kann es mit demselben auf mannigfache Weise zur Ursache der Krankheit werden. Das Con­tagium haftet ferner an den Krippen, Raufen, Stallwänden, Kasten­ständen, den Ständern , Latirbäumen, Fussböden, Halftern, Ketten, Zäumen, Geschirren, Sattelzeug, Decken, Gurten, Putzzeug, Stall­eimern, Schaufeln, Besen, Streugabeln; es haftet an den Wagen- und Schlittendeichseln, auf der Weide am Boden, an den Futterpflanzen,
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den Barrieren und allen andern Gegenständen. mit denen rotzige Pferde in mehr oder weniger nähere und innige Berührung kommen. Durch alle diese Medien kann also auch das ConJaglum verschleppt und die Krankheit bei gesunden Pferden hervorgerufen werden.
Die Stoffe aber, mit denen das Contagium von rotzkranken Pfer­den ausgeschieden wird, an denen es besonders haftet, die mithin auch zur Ursache der Krankheit bei gesunden Pferden werden können, sind vor allen Dingen der pathische Ausfluss aus der Nase, den innern Augenwinkeln und aus den Rotzgeschwiiren der Haut; ferner der Speichel und Schleim des Maulos, die Ausdünstung der Lungen, der Schweiss, der Koth und Urin, der Schleim des Afters und der Geni­talien, die Milch, der männliche Saame, die Auswurf'sstoffe der Haut. Von den Leichen der rotzigen Pferde sind alle Theile und Abgänge Träger des Contagiums, welche mit den Säften des Pferdes entweder gesättigt oder beschmutzt worden sind.
sect;. 758.
Das Contagium wird leider immer noch sehr häufig die Ursache zu einer weiten und vielfachen Verbreitung der Rotzkrankheit. Es versciiuldet dies in der That weit weniger die Krankheit selbst, als die Menschen, welche mit ihr zu thun haben (vergl. sect;. 639). Am gefährlichsten aber bleibt immer das Verkennen und Verwechseln der Krankheit und ihrer Eigenschaften, das Misskennen ihres Conta­giums etc. Denn tritt sie unter anscheinend ganz gutartiger Form mit sehr chronischem Verlaufe auf, ist sie von ganz einfachen, milde scheinenden , wenig in die Augen fallenden Symptomen begleitet, dann ist sie in der Regel der im Versteck lauernde, gefährlichste Feind, der oft zu spät, erst dann erkannt wird , wenn seine Gewalt schon begründet ist, wenn er seine Herrschaft schon ausgedehnt hat, über weitere Districte und viele Individuen (vergl. sect;. 538).
sect;. 759.
Die Aufnahme des Contagiums findet statt:
1.nbsp; nbsp;Durch den Magen, mit den Nahrungsmitteln;
2.nbsp; nbsp;durch die Cutis, indem das Contagium mit ihr in Berüh­rung gebracht wird;
3.nbsp; nbsp;durch die Schleimhäute, wie vorhin, und
4.nbsp; nbsp;durch die Lungen, indem mit Contagium geschwängerte Ausdünstungen oder Luft eingeathmet werden.
Das Contagium, welches mit den Nahrungsmitteln aufgenommen wird, und in den Magen gela'ngt, erleidet, durch die Magen- und Darmsäfte etc. während des Digestionsprocesses, unstreitig eine Zer­setzung, und wird, wenn es nicht schon die Schleimhäute desMaules und der Schlingwerkzeuge auf dem Durchgänge durch dieselben in-
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ficirt, jedenfalls in den meisten Fallen unwirksam sein. Ausnahmen hiervon werden natürlich nur die wenigen Fälle machen, in denen grosse Quantitäten des Rotcontagiums continuirlich aufgenommen werden, von denen dann kleinere Portionen unzersetzt in den Chylus übergehen, und, indem sie hier als ein Ferment wirken, den Kotz in der einen oder andern Weise entwickeln. Solche Fälle kommen wol vor, in denen sehr rotzige Pferde mit sehr copiösern Ausfluss Wochen lang und länger mit gesunden an einer Krippe stehen, und das Futter mit denselben in enormer Weise verunreinigen, das übrigens von manchen Pferden, des dem Ausfluss anhaftenden salzigen Geschmacks wegen um so lieber genossen wird; manche belecken sogar begierig alle Gegenstände, die mit solchem Ausfluss beschmutzt sind. Weitere Ausnahmen dürften vielleicht in solchen Fällen vorkommen, wo das Contagium in obiger Weise von Pferden aufgenommen wird , die in einem gewissen Grade an Dyspepsie leiden etc.
sect;. 760.
Die Ansteckung, welche durch die Muttermilch erfolgt, findet auch auf dem Wege durch den Magen statt. Ist die säugende Stute rotzig, dann ist auch in der Regel deren Milch mit Kotzcontagium geschwängert, und es wird dann, wenn dies nicht schon auf andere Weise geschehen ist, der Säugling durch die Aufnahme der Milch in-ficirt. Wenn auch die Verdauungsorgane mit dem Rotzcontagium, auf die eine oder andere Weise unstreitig am häufigsten in Berührung kommen, so wird aus den angegebenen Gründen jedenfalls auf diesem Wege der Ansteckung nicht am häufigsten der Rotz erzeugt. Aber auch durch Uebertragung des Contagiums auf die Cutis, die doch ge-wiss auch sehr häufig stattfindet, wird nicht in allen Fällen der Rotz laquo;rzeugt. Oft ist die Haut nicht disponirt, das Contagium aufzusau­gen; oft ist dieses letztere nicht so scharf, dass es die Epidermis an­ätzt, resp. auflockert, um aufgesogen zu werden, oft verschwindet es wol wirkungslos in den Haaren. Dennoch ist die Infection durch die Haut keineswegs selten, weil die letztere auf gar mannigfache Weise mit dem Ansteckungsstoff in Berührung kommen kann. Jedes gegenseitige Berühren zwischen einem rotzigen und gesunden Pferde, jede Berührung des letztern mit Gegenständen, an denen das Con­tagium haftet, kann Veranlassung zur Rotzinfection djrch die Haut sein. Sowie das gesunde Füllen durch den Genuss inficirter Mutter­milch angesteckt werden kann, so wird zuweilen die gesunde Mutter durch das Saugen des Füllens angesteckt, wenn dieses rotzig ist.
Alle diese Infectionen durch die Cutis erzeugen nicht notwen­dig den primitiven Hautrotz, dies findet nur in allen solchen Fällen statt, wo das Contagium von solchen Hautlymphgefässen aufgesogen wird, die zu dem Bereiche solcher Drüsen gehören, welche die
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Lymphe aus der Haut aufnehmen, daher auch nach derselben zurück-stauen. Alle solche Infectionen durch die Haut dagegen, bei denen das Contagium von Blutgefässen aufgenommen wird, erzeugen nie den primitiven Hautrotz, selbst in vielen Fällen nicht den consecuti-ven; in der Regel erzeugen sie den Kotz früher schon in den Lungen und auf den Schleimhäuten, also den Nasenrotz.
Weit sicherer, als durch die unverletzte Cutis findet die Infection ihren Eingang durch die Schleimhäute, und wenn diese auch bei wei­tem nicht so häufig, wie jene, Gelegenheit haben mit dem Ansteckungs­stoff, in Berührung zu kommen, so wird dennoch durch Infection der Schleimhäute ungleich viel mehr Rotz verbreitet, als durch die der Cutis, weil eben jene für das Contagium viel receptionsfähiger sind, als diese. Auch wenn das Contagium direct auf die Schleimhäute einwirkt, kann es entweder in die Lymphgefässe unmittelbar, oder in die Blutgefässe, oder in beide zugleich aufgenommen werden. Wir haben daher auch bei dieser Infection primitiv den sogenannten Na­sen- oder Schleimhautrotz, den Rotz der Lungen, oder beide Arten zugleich. Da aber in den meisten Fällen das Contagium bei der Schleimhautinfection zunächst in die Lymphgefässe des Bereichs der zu­nächst liegenden Lymphdrüsen übergeht, so haben wir denn auch in den bei weitem meisten Fällen den primitiven Schleimhautrotz und zwar in der Regel auf der Nasenschleimhaut, weil sie nicht nur am häufigsten mit dem Contagium in Berührung kommt, sondern weil auch alle andern Lymphgefässinfectionen am Kopfe, also im Bereiche der Submaxillardrüsen, sich in der Regel zunächst auf den Nasen­schleimhäuten als Rotz manifestiren, die meisten Infectionen aber un­bedingt am Kopfe stattfinden. Der Nasenrotz ist daher schon aus diesen Gründen der häufigste, und haben wir ausserdera noch in Be­tracht zu ziehen, dass die Schleimhäute der Kopf höhlen unbedingt für die Entwickelung der Rotzsymptome prädisponirt sind, dass aber auch der blennorrhöische Rotz, eine recht häufig vorkommende B'orm, seinen Sitz in der Regel primitiv in den Schleimhäuten der Kopf­höhlen nimmt, in allen Fällen aber schliesslich sich in den Kopf höhlei\ festsetzt, und sich hier vorzugsweise auf den Schleimhäuten als Rotz manifestirt.
sect;. 762.
Die Schleimhäute, welche der Rotzinfection von Aussen direct am meisten ausgesetzt sind, sind die der Nase, der Augen und der Geschlechtstheile. Eine Berührung derselben mit dem Contagium haftet in der Regel sicher, und entwickelt den Rotz mehrentheils unzweifelhaft. Die Nasenschleimhaut aber kommt mit dem Rotz-
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contagium sehr leicht und häufig auf die Weise in Berührung, dass gesunde Pferde mit rotzigen sich beriechen und beschnüffeln, und Partikelchen des Rotzcontagiums bei dieser Gelegenheit dem gesun­den Pferde an die Nasenschleimhaut fliegen, was auch dann geschieht, wenn solche Pferde andere Gegenstände beriechen, an denen das Contagium haftet. Da sich Pferde gegenseitig sehr häufig beschnüf­feln und belecken, so kommt es nicht selten vor, das rotzige Pferde den Kopf gesunder mit ihrem Ausfluss aus der Nase oft sehr be­schmutzen und davon auch Theile auf die Conjunctiva gelangen. Wenn nun auch jene Infection äusserlich am Kopfe nicht immer haftet, so ist doch die der Conjunctiva jedesmal von Übeln Folgen, und bringt in der Regel den primitiven Nasenrotz hervor. Die Schleimhäute der Geschlechtstheile werden mehrentheils durch den Begattungsact veranlasst, es steckt der Hengst, wenn er rotzig ist, die Stute an, es steckt diese, wenn sie rotzig ist, den Hengst an, und so kann eine gegenseitige Fortpflanzung des Rotzes stattfinden, ohne dass an den Geschlechtstheilen selbst Rotzgeschwüre zu entdecken sind, die sich bei angesteckten Individuen am angegebenen Orte, allerdings in der Regel finden. Dieser Rotz zeigt sich primitiv in der Regel auf den Schläumhäuten der Geschlechtstheile und hält sich auf denselben lange Zeit local.
sect;. 763.
Die Infectionen des Rotzes in Wunden, sie mögen vorkommen, wo sie wollen, die Verletzungen mögen so unbedeutend sein, wie sie wollen, haften allemal sicher, sobald schon die Epidermis oder das Epithelium verletzt ist. Es sind schon deshalb die Infectionen der Wunden, und weil sie jedesmal eine Blutinfection sind, daher nie eine locale Krankheit bleiben, vielmehr in der Regel primitiv den Lungenrotz im Gefolge haben, die gefahrlichsten. Diese Infectionen können an jeder Stelle des Körpers, eben so gut und sicher auf der Cutis, wie auf der Schleimhaut, vorkommen.
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9. Capitel. Verlauf, Dauer und Prognose der Rotzkrankheit.
sect;• 764. Wenn die Rotzkrankheit in Beziehung auf ihren Verlauf und ihre Dauer einer Beurtheilung unterworfen werden soll, dann muss zunächst in den concreten Fällen allemal in Erwägung gezogen wer­den , ob wir es mit einem spontan, oder einem durch contagiöse
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Infection entwickelten Botze zu thun haben; ob ein-allgemeiner, oder localet, ein innerer, oder äusserer Rotz uns vorliegt; ob eine Prädis­position vorhanden gewesen ist, oder prädisponirende Ursachen vor und während der Rotzentwickelung eingewirkt haben, resp. fort­dauernd einwirken, ob jene Ursachen alle nur örtlich, oder ob sie allgemein inflniren ; ob daher auch die contagiöse Infection eine ört­liche, oder allgemeine, ob sie eine innere, oder äussere war. Ferner müssen wir die Form des Rotzes unserer genauesten Erwägung unter­werfen, und in gleicher Weise das Stadium und die Symptome der Krankheit, sowie die sie etwa begleitenden andern Krankheitszustände in Betracht ziehen. Mit Berücksichtigung aller dieser Verhältnisse ist es uns in den meisten Fällen möglich, den Verlauf, die Dauer, auch die Prognose der Krankheit annähernd anzugeben, vorausge­setzt, dass uns die Erforschung der Ursachen möglich ist, resp. mög­lich gemacht wird.
sect;. 765.
Bei einer Krankheit, die ihren Verlauf und ihre Dauer, wie der Rotz, auf Differenzen von Jahren ausdehnt, die den Verlauf aller ihrer Stadien eben sowol auf Stunden concentrirt, wie sie ihn auf Jahre hin verlängert; bei einer Krankheit, die ihren Character und ihre Symptome so oft und leicht wechselt, wie der Rotz, ist der Verlauf und die Dauer nur in seltenen Fällen annähernd voi-aus zu bestimmen. Es ist dies um so weniger möglich, insofern die Krank­heit Verlauf und Dauer so sehr von zufälligen Umständen, von der Individualität des Objects, der Disposition zur Krankheit, ihrer Form, von andern hinzutretenden Krankheiten und Complicationen, von allen möglichen äussern Einflüssen etc. abhängig macht. Bestimmter schon lässt sich die Prognose stellen, indem die Krankheit in sehr seltenen Fällen einen günstigen Ausgang nimmt, eine Naturheilung derselben sehr selten, eine therapeutische Heilung aber nur unter ganz besondern, bestimmten Umständen stattfindet. Da die Krank­heitssymptome bei gewissen Formen und Characteren des Rotzes täuschen und nicht ausreichen die Krankheit zu constatiren, so ist es nothwendig, dass wir uns namentlich in den Fällen, wo der Rotz als ein Stadium des vorhandenen Krankheitszustandes, wie bei Scro-phulosis und Blennorrhöen, anzusehen ist, über den Verlauf und die Dauer der Krankheit unterrichten, damit wir sie als diagnostische Kennzeichen zur Constatirung derselben verwenden können (vergl. sect;. 526, 527 und 528). Dies kann natürlich dann nur erst gesche­hen, nachdem die ursprüngliche Form des jedesmal vorliegenden Krankheitszustandes festgestellt worden ist.
sect;. 766. Die eigentliche Bedeutung gewinnt die Feststellung des Verlaufs
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und der Daner des Rotzes für polizeiliche und gerichtliche Zwecke, namentlich aber als contagiöse Krankheit. Die schnellere oder lang­samere Entwickelung, der rapidere oder schleichendere Verlauf der Krankheit lassen, je nach der Form derselben, nicht nur auf ihre specifische Natur, sondern mehrentheils auch auf die Ursache und dienbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i
Dauer zurückschliessen; beides aber ist in sanitätspolizeilicher Be­ziehung insofern von Bedeutung, als davon nicht nur die Tilgung und Verhütung der Weiterverbreitung, sondern auch die Erkenntniss der bereits statt gehabten Verschleppung und Ausbreitung der Krankheit abhängt. Nach dem Verlauf, der Dauer und der Ausbreitung der Contagion aber, werden sich immer die einzuleitenden sanitätspolizei­lichen Maassregeln, namentlich die Absperrung und deren Dauer gewissermassen zu richten haben. In gerichtlicher Beziehung aber, wird es in Fällen, wo es sich um das Verschulden oder den Zeitpunci der Entstehung der Krankheit in üntersuchungs- oder Processsachen über die Rotzkrankheit handelt, jederzeit die richtige Erkenntniss des Verlaufs und der Dauer derselben, und des darauf gegriindctsn Ur-theils des Sachverständigen ankommen, die richterliche Entscheidung aber, in der Hauptsache, hiernach erfolgen müssen.
sect;-767-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;#9632;
Die Rotzkrankheit aber bietet uns in dieser Beziehung die
grössten Schwierigkeiten und Hindernisse, denn sie ist in vielen Fällen, ja in den meisten ihrer genuinen Entwickelung, nicht nur keine selbst­ständige Krankheit, sondern sie ist dann nur das höhere oder gewisse Stadium gewisser Krankheitszustände. Wann und wo aber dieses Stadium eintritt, unter welchen bestimmten Erscheinungen und Sym­ptomen sich dies zu erkennen giebt, das bleibt oft sehr zweifelhaft und streitig, und in solchen Fällen ist weder der Verlauf, noch die Dauer der Krankheit mit Sicherheit festzustellen. Diese Zweifel werden jedenfalls in den meisten Fällen der genuinen Entwickelung des scrophulösen und des blennorrhöischen Rotzes eintreten müssen, weil einerseits diese Formen in der Regel sich sehr langsam ent-wickeln, Drüsenanschwellungen undAusfluss aus der Nase mit andern Symptomen eintreten , welche die Krankheit des Rotzes zwar ver­dächtig erscheinen, indess den Rotz selbst in manchen Fällen nicht bestimmt feststellen lassen, daher denn auch in solchen der Verlaufnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; *
und die Dauer der Krankheit als Rotz nicht bestimmt anzugeben ist. Wenn wir schliesslich auch die Krankheit als Rotz erkennen, so werden wir doch auf die Dauer desselben nicht mit Sicherheit zurück­schliessen und über den Verlauf nicht bestimmt urtheilen können. Da aber die Krankheit als Rotz in solchen Fällen oft schon länger existirt, als dies bestimmt werden kann, und andere Pferde hiervon bereits an­gesteckt worden sind, so wird dies in sanitätspolizeilicher Beziehung
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in sofern von Bedeutung, als nicht immer die angemessenen Tilgungs­und Sehutzmassregeln ergriffen werden können, da das Maass der Verbreitung des Rotzcontagiums sich damit der Beurtheilung entzieht, und eben sowol zu weit gehende, wie unzureichende Maassregeln er-griflen werden können. In gerichtlicher Beziehung dagegen wird in solchen concreten Fällen das Unheil des Sachverständigen mehren-theils schwankend und unsicher bleiben müssen, so dass daraus weder das richtige Maass der Verschuldung in Untersuchungssachen, noch das des Rechts in Parteisachen hervorgehen kann, weil a priori nicht festgestellt und bewiesen werden kann, dass eine Verschleppung, und wie weit sie in gegebenen Fällen stattgefunden hat, noch wie weit die Veranlassung und Entstehung des Rotzes zurück zu datiren ist. Dies kann allenfalls in solchen Ausnahmsfällen statt finden, wo der Sachverständige a posteriori urtheilen kann, (s. den 4. und 17. Fall) wo er dann aber zugleich als Zeuge auftritt, denn die Wissenschaft giebt keinen positiven Anhalt, nach welchem der Verlauf und die Dauer des Rotzes in allen Fällen a priori zu bestimmen wäre, noch weniger, nach welchem die Veranlassung und Entstehung der Krankheit aut Jahre sich zurück datiren Hesse. Es wäre in gewissen concreten Fällen aus den stattfindenden Symptomen ein solches Zurückdatiren a priori höchstens auf 1 bis 2 Monate wissenschaftlich zu deduciren.
sect;. 768. In allen Fällen dagegen, wo der genuine Rotz jener Fownen unter rapiden Erscheinungen sich entwickelt und verläuft, ist ausnahms­weise der Verlauf und die Dauer wissenschaftlich zu deduciren und festzustellen und sind daher sichere, polizeiliche sowol, wie richter­liche Urtheile zu gründen. Leichter, als bei den vorhergehenden, lassen sich Verlauf und Dauer der Krankheit bei den andern Rotz-formen bestimmen, indem bei diesen der Rotz v.'enigor für ein ge­wisses Stadium der Krankheit, als vielmehr für einen Metaschematis-mus gehalten werden muss. Der Rotz hat hier seine bestimmte Grenze, und tritt derselbe mit dem Beginne der lymphatischen Affectionen ein, mit welchen gleichzeitig die andern entscheidenden Criterien der Rotzdyskrasie sich heraus stellen; überdem ist der Verlauf dieser Formen in der Regel rapid, die Dauer daher kurz. Der Rotz, welcher sich nach Aufsaugung gewisser Krankheitsproducte, wie Eiter, Jauche etc., welcher sich nach Metastasen nach und während dem Verlauf an­derer Krankheiten, wie nach Druse, Strengel, Bräune, Influenza, Faul­fieber etc., bildet, dann der aus Ansteckung hervorgegangene Rotz, nimmt in der Regel bei seinem Eintritt den bestimmten Typus der Rotzdyskrasie an und verläuft in den meisten Fällen regelmässig und in kürzerer Zeit, daher auch hier der Verlauf und die Dauer der Krankheit in der Regel genauer bestimmt werden können. In gewissen einzelnen Fällen des chronischen , sowol des genuinen, wie des aus
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Ansteckung hervorgegangenen Rotzes, wo namentlich Natur- oder Kunstheilungen stattgefunden haben (s. 17. und 27. Fall), ist jede Bestimmung über Verlauf und Dauer, wie jede Prognose unmöglich.
sect;.769.
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Selbst in den Fällen des erweislichen Infectionsrotzes und des nachzuweisenden Zeitpunctes der Infection ist nicht immer auf den Verlauf und die Dauer der Krankheit, mit specieller. Angabe der Zeitverhältnisse etc., zurück zu schliessen eben so wenig sind in solchen concreten Fällen des Rotzes Verlauf und Dauer speciell und sicher voraus zu bestimmen. Das Incubationsstadium der Infection ist von sehr verschiedener Dauer. Es kann daher in keinem Falle nach stattgehabter Infection der Zeitpunct des Ausbruchs der Krank­heit sieher bestimmt werden. Das inficirte Rotzgift bleibt in sehr verschiedenem Maasse latent, es kommt entweder nach sehr langer, nach kürzerer Zeit, oder auch unmittelbar nach der Infection zur Wirkung. Es richtet sich dies eben sowol nach der Intensität des Impfstoffs, wie nach dem Maasse der Anlage des inficirten Individuums zum Rotz. Aber auch nach dem Ausbruch der Krankheit richtet sich Verlauf und Dauer derselben nach diesen Verhältnissen, also Vorzugs-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;j
weise nach der Individualität; sie richten sich nach den Verhältnissen, unter denen das erkrankte Individuum lebt, und danach, wie dasselbe während der Krankheit behandelt wird, welche veranlassenden Ur­sachen fortdauernd einwirken, und wie und in welchem Umfange sie wirken. Es kann hiernach die Krankheit unter rapiden Erscheinungen sich schnell entwickeln und demnächst in einen sehr langsamen Ver­lauf übergehen, und daher immer noch von langer Dauer sein; es kann die Krankheit aber auch sich unter ganz unscheinbaren Sym­ptomen sehr langsam entwickeln und dann plötzlich in einen sehr rapiden Verlauf übergehen, mithin nur von kurzer Dauer sein; es kann aber auch die Krankheit eben so in kürzester Zeit zur voll­ständigen Entwickelung gelangen und in gleicher Zeit rapid ver­laufen, und sie wird somit von kürzester'Dauer sein, eben so, wie sie sich sehr langsam entwickeln, und sehr langsam demnächst verlaufen kann, wo sie alsdann jedenfalls von längster Dauer ist. Es gilt also in dieser Beziehung von dem Infectionsrotz dasselbe, was wir bei dem genuinen Rotz beobachten, wir haben nur bei dem ersteren, wo die Infection nachgewiesen ist, einen bestimmteren Anhalt für den Anfang und die Verschuldung der Krankheit, was bei dem letzeren nicht immer der Fall ist, indem bei dem Infectionsrotz die Verschul­dung immer bestimmt in der Infection liegt, und der Anfang der Krankheit als Rotz jederzeit von dem Moment datirt, wo sich die
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ersten Symptome der Krankheit zeigen.
sect;. 770.
Der Verlauf und die Dauer des Rotzes richten sich also nach
• Erdl, Rolzdjskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 28
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der Form und Varietät der Krankheit eben so, wie nach seinen Ur­sachen und deren Einfluss; sie richten sich ferner nach den Dimen­sionen der Krankheitsprocesse, nach dem Maasse der dyskratischen Entmischung der Säfte und den Säften, welche dieser Entmischung unterliegen; sie richten sich endlich nach der Individualität der Träger der Krankheit. Nach diesen Verhältnissen erscheint der Rotz unter rapiden Symptomen, er entwickelt sich schnell und verläuft in acutester Weise, ist also von kürzester Dauer; aber auch der Rotz entwickelt sich unter rapiden Symptomen, in sehr acuter Weise, und nimmt, einmal entwickelt, einen chronischen Verlauf an, dann ist die Krankheit jedenfalls immer von längerer Dauer, die in manchen Fällen sehr lang sein kann. Die Entwickelung des Rotzes findet aber in den bei weitem häufigem Fällen unter ganz unscheinbaren, kaum auffallenden und bemerkbaren Symptomen statt, ist alsdann sehr langsam, und der Verlauf der Krankheit ist ebenfalls chronisch , die Dauer derselben daher oft lange, oft sehr lange nicht, und in Fällen nicht einmal annähernd zu bestimmen. Die Krankheit entwickelt sich zuweilen auch in der vorhin angegebenen Weise und nimmt dann einen acuten Verlauf an, sie ist in solchen Fällen immer von kürzerer Dauer. Nun tritt der Rotz zuweilen noch in sofern in eigenthümlicher Weise auf, als er, nachdem er vollständig ausgebildet war, einen Stillstand in seiner weiteren Entwickelung macht, es tritt demnach eine Rückbildung in der Krankheit ein, indem die Drüsengeschwülste sich zusammenziehen, immer kleiner werden, zuletzt fast ganz verschwinden. Die Rotzgeschwüre werden trocken, das Hervorsickern der dyskratischen Lymphe aus ihnen wird geringer und hört endlich ganz auf; es bildet sich von ihrem Grunde aus eine gesunde Granulation, und sie verheilen, gleichviel auf der Nasen­schleimhaut, oder auf der Cutis, zu sternförmigen Narben.*) Gleich-
*) Wenn es richtig ist, dass mit dem Erscheinen der Rotzgeschwüre die Rotzdyskrasie als vollständig ausgebildet angesehen und die Existenz des Rotzes anerkannt werden rauss, dem, wie ich glaube. Niemand widersprechen darf, diese Rotzgesehwüre unter Umständen aber, selbst ohne Kunsthülfe, verheilen können, wie unzählige Beispiele beweisen, wie wollen dann Haubner und Dominik mit der von ihnen 1. c. ausgesprochenen Ansicht: „dass bei Trepanation der Kopf höhlen, wenn nicht Rotz vorhanden ist, die Trepanationswunden der Haut leicht und schnell verheilen; wenn aber Rotz vorhanden ist, eine Verheilungjener Wunden nicht statt findet, der Hautlappen der Wunden in solchen Fällen vielmehr einer tuberculösen Entartung unterliegt,quot; — bestehen, wie wollen sie dieselbe vertreten und motiviren? — Dass also ihre Behauptung; _ Heilung der Trepanationswunde beweise die Ni chtexi s tenz des Rotzes, Nichtheilung derselben dagegen,quot;tnberculöse Entartung des qu. Hautlappens, beweise die Existenz des Rotzes, und es liege hierin ein bestimmtes nnd ent­scheidendes Criterinm für die Diagnose des Rotzes,quot; — vollständig in der Luft schwebt, daher kaum noch einer Widerlegung bedarf, dürfte hiermit wol ent­schieden sein. —
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zeitig verliert sieh hiermit successiv die Auflockerung und weitere Degeneration der die Geschwüre umgebenden und weiterhin in Mit­leidenschaft gezogeneu Schleimhäute, sie nehmen nach und nach ihre ursprüngliche Textur und Farbe wieder an. Mit diesen Vorgängennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,,
wird der Ausfluss geringer, er verliert an seiner Consiamp;tenz und Klebrigkeit, er wird wässriger, bekommt eine reinere Farbe, erscheint überhaupt gutartiger, und verliert seine ätzende Beschaffenheit. Nach und nach verschwindet der Ausfluss ganz, oder er bleibt doch nur in sehr geringem Maasse zurück. Der Patient seheint dabei sich ganz wohl zu befinden, er hat gesunden Appetit, nährt sieh gut und ver­richtet jede Arbeit, ohne Störung irgend welcher Lebensfunction (S. den 17. Fall). Der Diagnostiker glaubt sieh geirrt zu haben, er kann, namentlich wenn der Ausfluss ganz verschwunden ist, den Patienten für geheilt ansehen, er stellt ihn unter andere Pferde und be­nutzt ihn. Aber die Täuschung wird oft bitter, die Gefahr ist gross und die Strafe jedernoch so geringen Uebereilung und Unachtsamkeit oder Unkenntniss oft entsetzlich, denn das Pferd ist rotzig und es steckt ganze Pferdebestände, ganze Cavallerie-und Artillerieregimenter an, es kann unter Umständen zur Ursache einer Eotzcalamität des ganzen Landes werden. Man lasse sieh warnen und genügen an den Bei­spielen, die ich sub 3,4, in Verbindung mit 17, 27 und 28 mitgetheilt habe, wie an tausend andern vorgekommenen Beispielen, die zum Theil noch weit grösseres Unheil im Gefolge gehabt haben. Solche Fälle aber sind zu vermeiden durch eine recht gewissenhafte und präcaute Untersuchung der Patienten durch wirklich Sachverständige, denn immer werden diese dann noch einen Rest jener rückgebildeten, in sich- zusammengezogenen, eigenthümlich verhärteten Drüsenge­schwulst im Kehlgange finden, der sich alsdann in der Regel ganz flach und fest an die innere Fläche des betreffenden Unterkiefers gelegt hat; sie werden einen Rest jenes Ausflusses aus der Nase, wenn auch kaum bemerkbar, finden, und wenn derselbe auch noch so unbedeutend ist und wässrig und gutartig erscheint, so wird er dennoch immer eine gewisse Klebrigkeit und basische Prävalenz bewahrt haben, er wird zu Zeiten mit kleinen Klümpchen , dem geronnenen Eiweiss ähnlieh, aber von gelblicher Farbe, die besonders beim Aushusten hervortreten, vermischt sein, einem Ausfluss, der seine Quelle nicht in der Nase , sondern in der Lunge hat. Diese Erscheinungen sind in solchen Fällen höchst beachtenswerth und entscheidend; der er­regte Husten, welcher dann kurz, trocken und heiser pfeifend er­scheint, ein sogenannter Tuberkelhusten, der das Vorhandensein von Tuberkeln in den Lungen andeutet, bestätigt die Existenz des Rotzes, und finden sieh dabei gar noch sternförmige Narben von verheilten Rotzgeschwüren auf der Nasenschleimhaut und oedematöse Ge­sehwülste an den Füssen, dem Schlauch, Euter etc., dann ist die Dia-
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gnose auf Rotz unzweifelhaft. Solche Rückbildungen, oder schein­bare Heilungen des Rotzes, finden nur unter gewissen Verhältnissen bei der rein scrophulösen chronischen Form, entweder mit, oder ohne Kur.sthülfe statt. Es sind dies Intervallen der Krankheit, die von der verschiedendsten Dauer sind. DerAusfluss hört zuweilen, wenn auch nur auf kurze Zeit, ganz auf, tritt dann aber momentan wieder in ver­stärktem Maasse und scheinbar böserer Form auf, um wieder in dem oben angedeuteten geringen Verhältniss, auf vielleicht Jahre hin, ab-zufliessen. In concreten Fällen dieser Art ist der Verlauf und die Dauer der Krankheit am schwierigsten und unsichersten festzustellen, jedenfalls aber steht es fest, dass sie immer bereits lange gedauert hat und auf mindestens Monate zu datiren ist, und dass ihr fernerer Ver­lauf langsam und schleichend, und ihre Dauer noch lange sein wird.
sect;• 771. Die ursprünglich rein scrophulösen und blennorrhöischen Rotz-f'ormen und Varietäten haben im Allgemeinen den unregelmässigsten Verlauf und die längste Dauer; von jenen ist es diejenige Varietät vorzugsweise, welche sich auf dem Wege sect;. 652 sub 1 entwickelt hat. Der im Wege sub 2 entwickelte Rotz nimmt schon mehrentheils einen regelmässigern Verlauf und ist in der Regel von kürzerer Dauer; am regelmässigsten aber verläuft in der Regel der auf dem Wege sub 3 erzeugte Rotz, und ist derselbe auch gewöhnlich von kürzester Dauer. Ist der Rotz primitiv scrophulös oder blennorrhöisch, und erhält sich der Character rein, treten nicht andere Krankheiten hinzu und wirken die veranlassenden, oder andere schädliche Ursachen nicht weiter nach­theilig ein, dann kann die Dauer des Rotzes auf mindestens Monate angenommen werden und kann sich auf Jahre hin ausdehnen, während sie in ihrem Verlauf die verschiedenartigsten Metamorphosen macht.
sect;. 772.
Der Verlauf und die Dauer des Rotzes sind femer abhängig von den Ursachen und deren Einfluss. Je weiter und vollkommener die Disposition zu der Krankheit ausgebildet ist, je regelmässiger und schneller wird sie verlaufen, sie wird also von um so kürzerer Dauer sein. Ein Gleiches findet statt, je allgemeiner und übereinstimmender die veranlassenden Ursachen, je mehr derselben und je anhaltender und fortgesetzter sie selbst noch nach dem Ausbruch der Krankheit einwirken. Der Rotz wird sich um so unregelmässiger und langsamer entwickeln und verlaufen , wenn die veranlassenden Ursachen ledig lieh auf die Digestionsorgane einwirken; er entwickelt sich und ver­läuft regelmässiger und schneller, wenn sie direct und unmittelbar auf die Respirationsorgane einwirken; noch rapiderund regelmässiger ist seine Entwickelung, am rapidesten aber sein Verlauf in der Regel
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dann, wenn die veranlassenden Ursachen direct ins Blut treten ; die Entwickelung der Krankheit aber erfolgt am schnellsten und regel-mässigsten , der Verlauf dagegen ist langsamer, wenn sie direct in die Lymphe treten. Es ist hier natürlich immer nur von der Regel die Rede und die Ausnahmen von derselben richten sich nach der Art der Anlage, dem Grade und dem Maasse der Ausdehnung der­selben, sie richten sich nach der Art der Veranlassungen, sowie nach dem Maasse, dem Umfange und der Dauer ihres Einflusses.
Eben so wird der Rotz in der Regel aus denjenigen Ursachen, welche in den Futterstoffen und im quot;Wasser liegen, langsamer zur Ent­wickelung gelangen und verlaufen, als wenn sie in der Luft enthalten sind, denn jene Ursachen wirken zunächst durch die Verdauungs­organe, diese aber wirken nicht nur durch die Respirationsorgane, sondern gleichzeitig auf das ganze Blut- und Lymphgefasssystem. Er wird schneller verlaufen, wenn er aus Erkältung und Erhitzung, oder aus übermässigen Anstrengungen entstanden ist. Der Rotz wird ferner immer einen rapideren und regelmässigeren Verlauf nehmen und von kürzerer Dauer sein, wenn er durch Aufsaugung von Krankheits-producten, wie Eiter, Jauche etc., wenn er durch Metastasen und Aletaschematismen, und wenn er durch Rotzcontagium selbst ver­ursacht wird, er wird seinen Verlauf beschleunigen und damit seine Dauer verkürzen , wenn jene Krankheitsstoffe, wenn das Contagium in grössern Massen aufgenommen wird. Wie das Quantum der In-fectionsstoffe, so wirkt auch der Grad der Intensität derselben, in Be­ziehung auf Verlauf und Dauer der Rotzkrankheit.
sect;. 773.
Ist die Rotzkrankheit eine allgemeine dyskratische Entmischung sämmtlicher Säfte des Organismus, dann wird der Verlauf vmd die Dauer derselben in der Regel rapider sein, als wenn dieselbe in einem blos örtlichen Leiden besteht. Nach dem Maasse und der Intensität der Säfteentmischung richtet sich der Verlauf und die Dauer der Krankheit ebenfalls. Unterliegt vorzugsweise nur die Lymphe jener Entmischung, dann ist der Verlauf unregelmässiger und die Dauer der Krankheit länger, als wenn das Blut in solcher Weise dyskratisch entmischt ist; unterliegen dagegen beide Säfte gleichzeitig einer gleichen Entmischung, dann verläuft die Krankheit unbedingt am regelmässig-sten, und ihre Dauer ist am kürzesten. Wenn der Sitz der Krankheits-processe des Rotzes vorzugsweise in den Lungen ist, und noch andere wichtige Organe, wie die Leber, das Gehirn etc., oder sonst das Nervensystem mit afficirt sind, dann wird der Verlauf rapider und regelmässiger sein, als wenn er sich vorzugsweise auf die Kopf höhlen, oder auf die Cutis beschränkt. Rapider wird der Verlauf sein, wenn jene Krankheitsprocesse sich in der Substanz der Lungen .entwickeln,
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als wenn dies in den Schleimhäuten geschieht, im letztern Falle aber wird der Verlauf schneller sein, als wenn sie die Cutis ergreifen, am langsamsten und unregelmässigsten aber ist der Verlauf, wenn jene Krankheitsprocesse vorzugsweise auf das Lymph - und Chylusdrüsen-system sich beschränken.
sect;. 774.
Vor allen Dingen aber wird der Verlauf und die Dauer der Krankheit modificirt durch die Natur der Träger derselben, also durch die Individualität der Thiere; nach dieser sehen wir die auf­fallendsten Verschiedenheiten. Je jünger und je älter die Pferde sind, also bei den jüngsten und bei den ältesten Pferden, geht die Ent-wiekelung der Krankheit und ihr Verlauf am langsamsten und un­regelmässigsten von Statten, und ist die Dauer daher am längsten, im jugendlichen Alter nach vollendetem Wachsthume dagegen verläuft sie am regelmässigsten und schnellsten. Bei reizbaren Pferden von heftigem Temperament, also bei nervösen Thieren, bei Thieren von edlem Blut, verläuft die Krankheil in der Regel schneller und regel-mässiger und ist von kürzerer Dauer, als bei Niederungs - und Marschracen. Bei Pferden von schlaffer Faser, phlegmatischem Temperament mit Torpidität, verläuft sie unregelmässig und ist in der Regel von längerer Dauer. Bei gut und kräftig genährten Pferden ist der Verlauf regelmässiger und schneller, also die Dauer des Rotzes kürzer, als bei aufgeschwemmten, ^fetten und bei abgetriebenen, mageren Pferden.
sect;. 775. .
Diese Unterschiede in dem Verlauf und der Dauer des Rotzes nach der Individualität finden in allen Fällen statt, ob wir es mit dem genuinen oder mit dem Infectionsrotze zu thun haben , ob er durch Metastase oder Metaschematismus, oder aus f.ndern, gleich viel welchen, Ursachen entstanden ist. Der langsamere, oder schnellere, der regelmässige, oder unregelmässige Verlauf, so wie die kürzere, oder längere Dauer des Rotzes modificirt und bestimmt sich im All­gemeinen in den Individualitäten, je nachdem der Stoffwechsel, das ist Bildung und Rückbildung, Ernährung und Verwesung, mehr oder weniger im Gleichgewichte stehen, oder früher oder später sich in solches setzen, je nachdem die Digestion mehr oder weniger, oder gar nicht gestört ist, je nachdem die naturgemässe Ausscheidung der überschüssigen, fremdartigen, krankmachenden Potenzen und zer­fallenen organischen Massen mehr oder weniger regelmässig und voll­ständig stattfindet; je nachdem endlich die krankmachenden Ursachen mehr oder weniger fortwirken, oder ganz aufhören. Weil eben diese Lebensverrichtungen und Verhältnisse bei jungen sowol, wie bei alten Thieren mehr ausser dem Gleichgewichte stehen, als bei ausge-
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wachsenen, im mittleren Lebensalter befindlichen, so nimmt bei jenen der Rotz auch einen unregelmässigern Verlauf und ist immer von längerer Dauer.
sect;. 776.
Die Form des Rotzes und ihr Character, sowie der Sitz desselben und die Natur der Individualität des Trägers der Krankheit werdennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;'
in den meisten concreten Fällen ohne Schwierigkeit zu erkennen sein, und es wird sich demgemäss über den Verlauf und die Dauer der Krankheit auch in den meisten Fällen ein annähernd richtiges oder genügendes Urtheil aussprechen lassen. Dagegen sind die Ursachen des Rotzes und ihr Einfluss, die Verhältnisse der Verbreitung der Dyskrasie im Organismus und ihre Intensität, sowie das Maass der Säfteentmischung, nicht so leicht zu erkennen, und darum werden wir in unserm Urtheil über die Dauer und den Verlauf des Rotzes sehr häufig zweifelhaft bleiben und mit unserm Urtheil in Irrthum ver­fallen. Um diesen, aber möglichst zu vermeiden, müssen wir, bei Berücksichtigung oben angegebener Verhältnisse, die sämmtlichen Symptome des Rotzes der concreten Fälle ins Auge fassen und nachnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;j
dem Verhältniss, in welchem diese zu einander stehen, nach dem Maasse ihrer Ausbildung etc., wird sich in den unstreitig meisten Fällen, indem die Symptome stets in einer gewissen Reihenfolge auf­treten und , beim chronischen Rotze namentlich, jedes Symptom zu seiner Ausbildung bis zu der vorgefundenen Höhe, nach Maassgabe der Individualität der Thiere etc. eine gewisse Zeit bedarf, der Ver­lauf und die Dauer der Krankheit, wo sie sonst zweifelhaft sind, wo es aber auf eine gewisse Festsetzung derselben dennoch ankommt, dem Erforderniss entsprechend, annähernd bestimmen lassen. In Fällen des Infectionsrotzes, in denen bereits mehrere Thiere von der Krankheit ergriffen sind, kann das Urtheil des Sachverständigen über den Verlauf und die Dauer der Krankheit, sowol für polizeiliche wie gerichtliche Zwecke, wichtig und nothwendig werden, um danach die ursprüngliche Quelle und Veranlassung der Infection und den Gang derselben zu ermitteln und festzustellen, womit zugleich das eventuelle Verschulden und die Ursache der Krankheit, worauf es häufig an­kommt, einer Beurtheilung, respective Begegnung, unterworfen werden kann. Jenes Urtheil aber kann auf dem zuletzt angeführten Wege in den meisten Fällen mit Sicherheit und Zuverlässigkeit erreicht und ausgesprochen werden. *)
') In den beiden sub 29 und 34 mitgetheilten Fällen -wurde mein derartiges Urtheil erforderlich und ich bildete dasselbe auf die oben angegebene Weise, mit Hülfe der an Ort und Stelle gemachten sonstigen Ermittelungen, und basirte, auf jenes Urtheil die von mir in beiden Sachen abgegebenen Gutachten.
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sect;. 777.
Die Prognose der Rotzkrankheit ist in den meisten Fällen un­günstig , denn die Krankheit nimmt in denselben in der Regel einen ungünstigen Ausgang, ist unheilbar und endet schliesslich mit dem Tode. Wenn auch die Polizeigesetze die Tödtung jedes rotzigen Pferdes gebieten, und manche wissenschaftliche Männer beim Rotze unbedingt und immer die Kugel oder das Messer empfehlen, so kann damit die Wissenschaft nichts zu schaffen haben, sie darf sich auf einer solchen, ihrer unwürdigen Bahn nicht betreten lassen, sie muss vielmehr ihren ruhigen Weg der Prüfung, Forschung und Erwägung gehen und kann die Fragen, die sich an die Rotzkrankheit knüpfen, keineswegs als abgeschlossen betrachten, sie muss daher die concreten Fälle wol unterscheiden, danach ihre Pflicht thun und somit auch die Prognose modificiren.
sect;. 778.
Im Allgemeinen ist die Prognose bei dem chronischen fieber­losen Rotze günstiger, als bei dem acut verlaufenden fieberhaften; sie ist günstiger bei dem blennorrhöischen Rotze, als bei den andern Formen, sie kann zuweilen und unter Umständen günstig sein bei dem scrophulösen, nie aber bei dem septischen, dem carcinomatösen und Beschälrotz. Ferner ist die Prognose günstiger beim Rotze, wenn seine Ursachen bekannt und zu entfernen und wenn sie local sind, als in allen umgekehrten Fällen; ob der Rotz originär, oder durch Infection entstanden ist, macht keinen Unterschied ; sie ist günstiger in solchen Fällen, wenn die Ursachen nur momentan, örtlich und in geringerem Maasse eingewirkt haben; haben die Ursachen dagegen an­dauernd, allgemein und in grösserer Menge und Intensität eingewirkt, dann wird auch die Prognose sich ungünstiger stellen. Nur allein beim localen Rotze kann die Prognose unter Umständen günstig sein, beim allgemeinen niemals. Erstreckt die Rotzdyskrasie sich nur auf die Lymphe, ohne dass auch die Blutmasse jener dyskratischen Ent­mischung unterworfen ist, dann stellt sich die Prognose günstiger, als in den Fällen, wo beide Säfte entmischt sind. So lange sich der Rotz noch als eine, auf gewisse Localitäten beschränkte Krankheit zeigt, ist die Prognose günstiger, je allgemeiner dieselbe wird, je ungünstiger wird diese. Sie ist ferner um so ungünstiger, je mehr sich der destructive Krankheitsprocess auf innere Organe geworfen hat; je mehr er nachAussen hin auftritt, desto besser ist die Prognose zu stellen. Sie wird daher beim sogenannten Lungenrotz in der Regel schlechter sein, als beim sogenaftnten Nasenrotz, sie wird bei diesem schlechter sein, als beim Hautrotz; es wird daher der Rotz mit vor­zugsweisem Ergriffensein der Schleimhäute immer eine schlechtere Prognose gewähren, als derjenige, welcher sich nur auf der Cutis
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zeigt. Die Prognose ist bei jungen, noch in der Entwickelung be­griff enen Thieren am ungünstigsten, je älter sie werden, je ungünstiger ist sie, bei ganz alten Thieren wird sie dagegen wieder günstiger. Bei kräftig und gut genährten Thieren ist sie am günstigsten, je magerer, je schlechter genährt und je abgetriebener sie sind, desto ungünstiger wird sie, sie ist aber auch wieder ungünstig bei sehr vollsäftigen, zu stark geruhten und fetten, bei gemästeten Thieren. Bei Thieren von edler Race, von heftigem Temperament, von nervöser Reizbar­keit und straffem Faserbau ist die Prognose immer ungünstiger.. als bei Thieren von gemeiner Race, trägem, phlegmatischem Temperament, als bei torpiden Thieren mit schlaffem Faserbau.
10. Capitel. Pracautions-, diätetisches und therapeutisches Verfahren beim Rotze.
sect;. 779.
Ein Präcautions-Verfahren gegen die Rotzkrankheit giebt es nur insofern, als man die Ursachen, welche den Rotz erzeugen, fern zu halten, respective zu beseitigen, sucht. Man muss daher den Pferden gesunde, reine, in jeder Weise von Schimmel und Fäulniss freie Nahrungsmittel, man muss, namentlich den jungen Pferden, nicht schwer verdauliche, nicht zu stark nährende Futterstoffe geben; man gebe Pferden überhaupt nicht zu fettes Futter und passe die Nahr­haftigkeit und Reichhaltigkeit der Futterstoffe den Leistungen und Bewegungen der Pferde, besonders in freier Luft an; man vermeide jedes frisch geerntete Futter, namentlich solches, welches noch nicht ausgeschwitzt hat. Ein sehr wesentliches Moment ist, dass die Pferde gesundes, reines, ungetrübtes Quell- oder Flusswasser als Getränk erhalten, welches nicht zu reichlich Mineral - oder organische Stoffe aufgelöst enthält. Man gebe den Pferden regelmässig Kochsalz, am besten ist Steinsalz in die Raufe gelegt, woran sie beliebig lecken können. Eben so wesentlich ist es aber auch , dass stets für frische und reine Luft und eine angemessene Temperatur in ihren Aufenthalts-örtern gesorgt wird, es muss daher in den Pferdeställen ebensowol für einen entsprechenden Luftwechsel, wie für die grösste Reinlich­keit, für gehörigen Abzug der Jauche und für eine gewisse Trockenheit in Fussboden und Wänden gesorgt werden; in gleicher Weise ist auf die Temperatur zu achten und diese stets dahin in den Ställen zu regeln, dass sie nie hoch steigt, denn zu hohe Temperatur hat schon zu häufig den Ausbruch des Rotzes gefördert, zu niedere Temperatur nie, es sei denn dadurch eine Erkältung herbeigeführt worden, mithin eine Erhitzung voraufgegangen. Die Regelung der Temperaturver-
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hältnisse wird am häufigsten des Nachts unbeachtet gelassen und versäumt, wo sie bei Verschlossenheit der mit Pferden stark ange­füllten Localien oft einen übermässig hoheji Grad erreicht, man achte daher darauf, dass die Temperatur in den Pferdeställen, je nachdem es nach der Jahreszeit angänglich ist, nie über -j- 15deg; E. steige. In gleicher Weise sorge man für hinreichendes Licht in den Pferdeställen und lege diese stets etwas erhöht in Beziehung auf ihre nächste Um­gebung an und nehme die Innern Dimensionen mehr hoch und ge­räumig, als niedrig und enge.
sect;. 780. Man hat ferner bei vorkommenden äussern und Innern Krank­heiten dafür zu sorgen, dass keine Resorption der etwa entstehenden Krankheitsproducte stattfindet. Man sorge daher bei stark eiternden Wunden und Flächen, bei in Eiterung übergehenden Entzündungen, bei jauchenden Geschwüren, bei Mauke u. dergl. für einen recht­zeitigen und hinreichenden Abflnss des Eiters, respective der Jauche, und entferne diese Stofie jederzeit möglichst schnell und gründlich. Man schütze die Thiere vor jeder Metastase, erhalte daher die Exan-theme auf der äussern Haut, leite die Innern Krankheitsprocesse durch derivative Mittel nach Aussen und führe die etwa sich bildenden Krankheitsstoffe durch die Haut, den Darm, oder die Harnwege ab. In gleicher Weise verhindere man den Metaschematismus und die Meta-ptosis in Eotz bei Krankheiten, welche dazu neigen, indem man ihre Processe nicht nur nach Aussen leitet, sondern auch ihren Verlauf möglichst regelt, ihre Crise rechtzeitig herbeiführt und diese zur günstigen Entscheidung leitet, man muss also alle Ursachen solcher Krankheiten sorgsam fern halten und auch diejenigen Ursachen be­seitigen, respective vermeiden, welche jene critische Entscheidung stören, oder hindern könnten. Bei Krankheiten aber, welchen während oder nach der Reconvalescenz sehr leicht der Rotz folgt, suche man in jeder Weise eine vollständige critische Entscheidung herbeizu-iühren, jede organische Störung und Veränderung nach Aussen abzuleiten und jeder Säfteentmischung und Verunreinigung durch antiseptische Behandlung und Ableitung auf den natürlichen Aus­scheidungswegen zu begegnen, vor allen Dingen aber warte man die vollständige Reconvalescenz ab und vermeide bis dahin jeden möglichen Einfluss schädlicher oder störender Momente.
sect;. 781. Wenn wir hiermit dem Entstehen des Rotzes in originärer Weise für die meisten Fälle vollständig vorbauen können, so haben wir nun noch der Infection durch Rotzcontagium und dem Infectionsrotze selbst vorzubauen. Es muss, so weit es angänglich und zu ermög­lichen ist, allgemeiner Grundsatz sein, jedes erkrankende Pferd,
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gleichviel, woran es erkrankt, allein zu stellen und möglichst von andern Pferden abzusondern; es geschieht dies nicht nur der möglichen üebertragung der Krankheit auf andere gesunde Pferde, sondern auch der leichtern und sichern Heilung des erkrankten Pferdes selbst wegen. Dagegen aber darf es nie umgangen werden, Pferde welche Drüsen­anschwellungen im Kehlgange, welche Lymphgefässgeschwülste, Beu­len oder Geschwüre auf der Haut, welche Ausfluss aus der Nase, geschwollene Fasse etc. haben, allein zu stellen und vollständig zu isoliren. Welcher Art diese Erscheinungen auch sind, der Laie muss, um sich und Andere vor grossen Verlusten zu schützen, solche Pferde stets isoliren, bis die Ungefährlichkeit ihrer Krankheit durch genügend qualificirte Sachverständige nachgewiesen ist.
Pferde, welche der Infection verdächtig sind, müssen sofort, noch ehe Spuren einer Krankheit zum Vorschein kommen, von andern Pferden isolirt und von einem besondern Menschen gewartet und gepflegt werden ; selbstverständlich findet dies mit solchen Pferden um so mehr statt, bei denen Spuren der Infection sich bemerklich machen. Bei jenen Pferden suche man das Contagiura zu entfernen, seine Wirkungsfähigkeit aufzuheben, respective es selbst zu vernichten. Man wasche daher solche Pferde mit Chlorkalklösungen , lasse sie Chlor athmen, gebe ihnen abführende und harntreibende Mittel. Bei Pferden indess, bei denen sich Spuren der Infection äusserlich bereits zu erkennen geben, suche man auf jede Weise die weitere Ent Wicke­lung der Krankheit zu hemmen, ihre Processe zu fixiren und zu localisiren und sie möglichst nach Aussen zu leiten. Hier suche man das Contagium unschädlich zu machen, respective zu zerstören, durch Waschungen oder Umschläge von Chlorkalklösungen, durch Cauteri-sationen der betreffenden erkrankten, äusserlich zugänglichen Stellen mittels Glüheisen, ätzenden und scharfen Einreibungen von Arsenik, Sublimat, Canthariden etc.; durch Einspritzungen von Tannin, Chlor­wasser, Creosot und Myrrhen. Man suche endlich die Regeneration des Contaginms, seine weitere Entwickelung und Ausbreitung, zu hemmen, mit Rücksicht auf seine basische Beschaffenheit, durch Ein-athmungen reiner, sauerstoffreicher Luft, Chlordämpfen etc., und wende innerlich Chlorwasserstoff-, Salpeter-, oder andere, namentlich Pflanzensäuren an. In Betreff der Diät entziehe man der weitern Entwickelung und Regeneration des Contagiums jede Nahrung, daher vermeide man alle sogenannten fetten, stark nährenden, schwer ver­daulichen, an Stärke und Kleber reichen Futterstoffe, man beobachte überhaupt eine ganz magere Diät und gewähre dabei die entsprechende Bewegung.
Immer bleibt aber das Hauptmittel gegen jede Regeneration und Weiterverbreitung des Contagiums die vollständige Isolirung der betreffenden Thiere, und es dürfen weder zwei der blossen Infection,
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noch des Rotzes verdächtige, noch am wirklich ausgebildeten Eotze leidende Pferde zusammenstehen und eben so wenig in mittelbare, wie in unmittelbare Berührung kommen. Sind die letzteren Pferde für unheilbar erkannt, dann tritt das wohlberechtigte Gesetz mit seiner Vorschrift der Tödtung ein j sind sie nicht unheilbar, dann ist jede gegenseitige Berührung schädlich.
sect;. 782.
Was die Heilung des wirklich ausgebildeten Rotzes betrifft, so ist sie in der Veterinärheilkunde, nach dem heutigen Standpuncte der­selben, immer noch eine der wichtigsten und den meisten Controversen unterliegende Frage. Diese ist aber immerhin von grosser Wichtig­keit , und sie harrt bisher noch vergebens auf vollständige Beant­wortung. Viele der altern und neuern Schriftsteller behaupten die Möglichkeit der Heilung des Rotzes in vielen Fällen, und empfehlen deshalb den Versuch derselben in vorkommenden Fällen. Andere leugnen die Heilung absolut und behaupten, dass, wo sie anscheinend gelungen, dies eben nur scheinbar gewesen sei, und dass in allen Fällen solcher palliativen Heilungen, die Rotzkrankheit früher oder später zum Ausbruch gekommen sei; sie empfehlen daher die Töd­tung jedes rotzkranken Pferdes unbedingt, indem sie in den immer langwierigen Heilversuchen nur eine Gefahr der Weiterverbreitung der Krankheit auf Menschen und gesunde Thiere, sowie eine erfolg­lose, kein Aequivalent bietende, Zeit- und Mittel-Verschwendung sehen. Noch andere geben zwar die Heilung zu, finden aber, dass sie nur in so äusserst seltenen Fällen statt findet, dass sie zu denen, in welchen sie gar nicht, oder nur palliativ gelingt, in gar keinem Ver-hältniss steht, dass also die Heilversuohe mit Rotz im Ganzen zu unterlassen, weil das seltene Gelingen derselben nicht die dazu er­forderliche Zeit und Mittel, noch weniger aber die Gefahr der Weiter­verbreitung der Krankheit, aufwiegt; sie empfehlen aus diesen Grün­den die Tödtung rotziger Pferde in allen Fällen.
sect;. 783.
Unbedingt haben alle diese Ansichten bei der Rotzkrankheit, wenn wir von der rein wissenschaftlichen Auffassung abstrahiren, ihre volle Berechtigung, und sie verdienen in sanitätspolizeilicher und ge­meinrechtlicher (wovon später), wie in volkswirthschaftlicher Be­ziehung unsere ernsteste Erwägung. Im Allgemeinen zieht sich die Wahrheit und das Rechte, wie ein rother Faden durch diese Ansichten, und es muss uns jedenfalls darauf ankommen, auch hier die Wahrheit zu finden und zu fixiren, sowie dem Rechte Geltung zu verschaffen. Dies ist vorzugsweise Sache der Wissenschaft, daher sie sich eben so wenig von sanitätspolizeilichen, wie von volkswirthschaftlichen Rück-
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richten leiten lassen darf. Die Wissenschaft findet jedenfalls die Wahrheit und das Richtige jener Ansichten in der Mitte einer jeden, und nach ihren Grundsätzen und Erfahrungen müssen wir behaupten, dass der Kotz in vielen Fällen radical heilbar ist, und dieTödtungder von ihm befallenen Pferde daher nicht in allen Fällen ausgeführt werden darf, (s. den 15. Fall) dass allerdings der Rotz in vielen Fällen nur palliativ geheilt wird, dass solche palliativ geheilte Fälle entweder ansteckend, und damit eine Gefahr für gesunde Thiere und Menschen stetig bleiben (s. den 17. Fall), oder dass sie doch zu Zeiten und unter Umständen mit so entschiedenen Rotzsymptomen wieder her­vortreten , dass sie zu einer solchen Gefahr werden, dass femer der Rotz in manchen Fällen sehr schwierig und langsam heilt, so dass das Resultat in den meisten solcher Fälle um so weniger Mühe und Kosten deckt, als es oft unsicher ist, oder auch werthlose Thiere be­trifft, — dass aber auch in andern Fällen der Rotz leicht und in kürzerer Zeit heilt, das Resultat vollkommen sicher ist und die Opfer, welche die Heilung erfordert, vollkommen deckt. Die Wissenschaft aber hat die Aufgabe, alle diese Fälle zu fixiren, zu specificiren und zu scheiden, und vermag sie dies ihrem heutigen Staudpuncte nach noch nicht, so darf sie dabei nicht ruhig stehen bleiben, sie muss vielmehr rastlos jenes Ziel zu erreichen suchen, und sie wird es erreichen. — Die Gesetzgebung aber muss der Wissenschaft Sehritt für Schritt folgen und danach die sanitätspolizeilichen Verordnungen, wie die Rechtsbestiramungen regeln. —
sect;. 784.
Jede allgemeine Rotzdyskrasie, mit welcher immer Störungen in den Structurverhältnissen und Lebensfunctionen innerer Organe, mit welcher pathische Productionen in diesen verbunden sind; jeden Innern Rotz, d. h. solchen, dessen destructive und productive Pro-cesse sich vorzugsweise auf innere Organe, wie auf Lungen , Leber, die Chylusdrüsen, die Innern Schleimhäute etc. werfen, auch wenn er nur eine örtliche Krankheit ist; jeden inveterirten und chronisch ver­laufenden, wie jeden unter Fiebersymptomen acut eintretenden und verlaufenden Rotz, jeden septischen, carcinomatösen und Beschälrotz, wie jeden metaschematischen, und jeden als Nachkrankheit nach an­dern allgemeinen Krankheiten entstehenden Rotz, sowie auch jeden Rotz, bei welchem das Blut in gleicher Weise, wie die Lymphe, dys-kratisch inficirt ist, sowie auch solchen, bei dem die weitere Einwir­kung der ursächlichen Momente nicht entfernt, resp. unschädlich ge­macht werden kann, müssen wir als unheilbaren Rotz erkennen, und stimmen wir in allen solchen Fällen gegen jeden Heilversuch, wol aber für die unbedingte Tödtung der mit solchem Rotz befallenen Pferde. Dagegen für sicher und radical heilbar halten wir den Rotz nur
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in solchen Fällen, wo wir es mit einer chronisch und fieberlos verlaufen­den Krankheit von bestimmter, localer Begrenzung zu thun haben, bei welcher die Blutmasse noch nicht dyskratisch entmischt, resp. zersetzt ist, und bei welcher noch keine destructiven und productiven Processe in innern Organe und Gebilde existiren, wenn es die serophulöse oder blennorrhöische Kotzform ist, gleichviel, ob die Krankheit spon­tan, oder durch Ansteckung entstanden ist; wir halten ihn ferner nur dann für heilbar, wenn er noch nicht veraltet ist und ohne jede innere, allgemeine Nebenkrankheit existirt, selbst in den Fällen, wenn er metastatischen Ursprungs ist, ferner, wenn die ursächlichen Momente sich beseitigen, resp. unschädlich machen lassen ; und endlich ist er dann nur radical heilbar, wenn seine destructiven und productiven Processe eine Oertlichkeit nach Aussen einnehmen, auf welche direct und unmittelbar therapeutisch eingewirkt werden kann. In allen andern Fällen wird der Rotz unheilbar oder ausnahmsweise höchstens palliativ zu heilen sein. Schneller, sicherer und leichter wird der Rotz zuheilen sein im jugendlichen, unausgewachsenen Alter, bei kräftig genährten und sanguinischen Individuen. Bei phlegmatischen, aufgeschwemmten Thieren, mit Ueberfüllung der Säfte, oder bei ganz schlecht genährten, abgetriebenen und ganz alten Thieren wird die Heilung um so grössere Schwierigkeiten haben, und in allen Fällen um so länger dauern.
Es ist keine Frage, dass unter solchen Verhältnissen der Rotz in den bei weitem wenigsten Fällen als heilbar anzusehen ist, indess wird die Zahl der heilbaren Fälle dennoch immer, schon nach dem heutigen Standpuncte der Wissenschaft, und nach den hier specificirt angegebenen Grundsätzen, gross genug sein, als dass die letztere nicht ein wesentliches practisches Verdienst von weitgreifenden und loh­nenden Erfolgen in der Heilung der Rotzkrankheit sich beimessen dürfte. Da aber die quot;Wissenschaft nicht stehen bleiben darf noch wird, so zweifeln wir keineswegs daran, dass mit immer richtigerer Erkenntniss der Natur des Rotzes die Zeit kommen muss, wo die vollständige Heilung der meisten Fälle dieser Krankheit stattfinden wird*).
sect;. 785.
Wir haben bereits gesehen, dass die Heilung des Rotzes in vie­len Fällen stattgefunden hat, und sind dies nicht immer, wie man wol anzunehhien geneigt ist, nur Palliativ-, sondern es sind auch eben so häufig Radicalheilungen gewesen (15. Fall). Verf. selbst hat mit der Heilung dieser Krankheit viele Jahre hindurch, vom ersten Jahre
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•) Es ist dazu indess eine ununterbrochene Reihe von Versuchen, und zu diesen wieder sind die nöthigen Mittel und Gelegenheiten erforderlich, die sich freilich nur an öffentlichen Anstalten aufbieten lassen.
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seiner practischen Laufbahn an, bis in die neueste Zeit hinein, soweit sich die Gelegenheit darbot, und seine Mittel und Zeit es gestatteten, oft die schwierigsten und kostbarsten Versuche gemacht, von denen auch manche vollkommen gelungen sind, andere nur palliative, und noch andere gar keine Resultate hatten. Verf. hat nach speciflschen Mitteln sowol, wie nach speciflschen Heilmethoden gesucht, und zu diesem Zweck einen bedeutenden Theil des Arzneischatzes geprüft und die verschiedenen therapeutischen Systeme aufgeboten, er hat in-dess nicht gefunden, was er suchte *). Er ist in andern Fällen rein diätetisch verfahren und hat dann, namentlich beim scrophulösen Rotz, nach seiner originären Entwickelung in dem verschiedensten Alter der Pferde, und selbst bei effectiv angesteckten, jungen Pferden, ohne besondere Kunsthülfe, natürlich immer nur in den ersten Ent-wickelungsstadien der Krankheit und bei örtlichen Leiden, vollstän­dige und dauernde Heilung gesehen **). Verf. hat ferner die meisten und leichtesten Heilungen beim äussern , dem Hautrotze, herbeige­führt und gesehen ; eben so leicht heilte der örtliche Infectionsrotz auf den Schleimhäuten der Geschlechtstheile, schwieriger und seltener heilte der örtliche Rotz, wenn er seinen Sitz in den Kopfhöhlen hatte, der sogenannte Nasenrotz; er heilte nur dann, wenn die vorhandenen Destructionen auf den Schleimhäuten und andern Gebilden örtlich und unmittelbar direct behandelt werden konnten , und wenn , wo dies nicht anders möglich war, man sich den Zugang zu ihnen durch die Trepanation verschaffon konnte***). So wurde auch in den meisten Fällen der örtliche, blennorrhöische Rotz geheilt. Rotz mit vorzugs­weisem Sitz in den Lungen (Lungenrotz), mit vorhandenen Tuber­keln , hat Verf. nie radical heilen können, noch heilen gesehen, zweifelt indess auch nicht an der Möglichkeit der Heilung dieses Rotzes. —
sect;. 786.
Da die Heilung des Rotzes bisher immer noch etwas Prekäres hat und überhaupt nur in den seltenern Fällen möglich ist, da
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*) Veith meint pag. 686, dass gegen ein so specifisches Uebel auch eine specifische Heilmethode sich finden lassen müsste, was indess nicht geschehen; er hält den Zinnober innerlich für das wirksamste Heilmittel. Waldingev (Pathologie p. 118) meint: Rotz, bei welchem wirkliche Rotzgeschwüre vor­handen sind, hat die Kunst noch nicht geheilt, und wo dies scheinbar gesche­hen, sei das Uebel später mit desto grösserer Gewalt zum Vorschein gekommen, und, sei Heilung erfolgt, so sei nur verdächtige öder bösartige Druse vorhanden gewesen.
**) Verf. stimmt in dieser Beziehung mit dem, was Gerlach, Handb. der ger. Th.-H.-K. p. 206 — 7 sagt, überein.
***) S. Haubner's Heilungen der sogenannten Kieferhöhlenentzündungen mit Hülfe der Trepanation 1. c.
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es bisher weniger auf das therapeutische Verfahren und die Methode, als vielmehr auf die Feststellung derjenigen Fälle ankommt, welche
heilbar sind, da sieh ein therapeutisches Verfahren und eine Heil­methode beim Rotze noch nicht ausgebildet hat und feststellen lässt, so bedarf es hier auch keiner speciellen Angabe der in Anwendung gebrachten Heilmethoden und des ganzen therapeutischen Verfahrens, sondern nur einer einfachen Andeutung derjenigen Mittel, welche sich gegen die Rotzkrankheit am wirksamsten und bewährtesten er­wiesen haben*).
sect;. 787.
Bei allen Pferden, welche man vom Rotze heilen will, ist das diätetische Verfahren eine Hauptsache, dasselbe richtet sich nur da­nach, ob das zu behandelnde Thier kräftig und wohlgenährt, oder ob es mager und abgetrieben ist. Im ersteren Falle gebe man kein Korn, sondern nur natürliches Wiesenheu und Haferstroh, allenfalls Waizenkaff, als Nahrung, im letzteren Falle, kann man- diesem Futter tätlich 1 Metze Hafer zusetzen. Als Getränk verabreiche man reines, gesundes Wasser, welchem man bei jedesmaligem Tränken ein wenig Waizenkleie und etwa einen gehäuften Theelöffel voll Kochsalz zu-|1nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; setzt. Man sorge dafür, dass solche Patienten aus jeder Gemein-
schaft mit andern Pferden kommen , man bringe sie daher in beson­dere, geräumige, luftige und reinliche Ställe, und sorge dafür, dass in denselben eine angemessene, milde Temperatur ist. Haben die Pa­tienten Ausfluss aus der Nase, dann muss man darauf achten, dass sie von demselben so wenig als möglich fressen, resp. lecken, man muss daher jedes mit dem Ausfluss verunreinigte, resp. beschmutzte Futter entfernen, und die mit demselben beschmutzten Gegenstände, wie Krippen, Raufen etc., reinigen , so oft sie beschmutzt sind. Es ist daher nicht nur therapeutisch, sondern auch diätetisch zweckmäs-sig, wenn man die Patienten täglich 1 — 2 Mal etwas Theerdärapfe einathmen lässt, denn dieselben erregen nicht nur die Respirations­schleimhäute zu einer gesundern, frischern Thätigkeit, zum leben­digem Stoffwechsel, sondern sie reizen auch zum Prusten und Husten, lösen und entfernen damit die in den Bronchien, den Kopfhöhlen etc. angesammelten pathischen Secrete, reinigen somit die Schleimhäute, und begegnen damit der Aufsaugung jener Secrete. Am zweckmäs-sigsten scheint es zu sein, dass namentlich dort, wo man eine beson­dere Pflege und Aufmerksamkeit den betr. Patienten nicht widmen, wo man solche nicht voraussetzen kann, wo die Patienten geringen
*) Es würde offenbar zu grossen , ganz überflüssigen Weitläufigkeiten füh­ren, wollte ich speciell alle die Mittel und Methoden aufführen, welche ich zur Heilung des Rotzes theils mit geringem, theils ohne Erfolg angewendet, resp. versucht habe.
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Werth haben, wo die Heilung voraussichtli und zweifelhaft ist, die kranken Thiere in hier vom Kuhfutterer mit verpflegt werden einer wohlthnenden, gleichmässigen Temp Ausdünstung der Kühe ausgesetzt, welche Pferdelunge günstig einzuwirken scheint, tienten sich selber und kümmert sich erst
ch sehr lange dauern wird den Kuhstall gestellt, und *). Die Patienten sind hier eratur, der Fütterung und letztere namentlich auf die Man überlässt solche Pa-darum, wenn man sie für
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genesen hält.
sect;. 788.
In therapeutischer Hinsicht haben wir bei der Rotzkrankheit vorzugsweise die Dyskrasie als solche ins Auge zu fassen, bei wel­cher die Säfte, und zwar Lymphe und Blut, eine derartige chemische Umwandlung erlitten haben, und fortdauernd erleiden, dass sie aus ihrem normal neutralen Zustande in den prävalirend basischen über­gegangen sind. Diesen Znstand zu beseitigen , und seine Fortbil­dung zu hindern, muss die Aufgabe der in Anwendung zu bringen­den therapeutischen Mittel und Methode, in Verbindung mit der ent­sprechenden Diät, wie sie bereits im vorhergehenden sect; abgehandelt worden ist. sein, daher sind dieselben danach einzurichten und in An­wendung zu bringen. Da das prävalirende, basische Princip in den gedachten Säften auch die unzweifelhafte Ursache der bei dem Rotze vorkommenden destructive!! Processe, sowie der Degenerationen und der pathischen Producte ist, so werden wir mit Beseitigung, resp. Verhütung desselben naturgemäss auch die weiteren Bildungen von Rotzgeschwüren, die Zerstörungen der Cutis, der Schleimhäute, der Knorpel und Knochen, die weiteren Degenerationen der drüsigen Gebilde, sowie die weitere Entwickelung der Tuberkeln verhüten, und es wird dann nur noch unsere Sache sein, die bereits vorhande­nen pathischen Zustände zu beseitigen. Es werden daher die Mittel und Curmethoden, welche beim Rotze anzuwenden sind, zweierlei
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*) Ich habe bei derartigen Patienten die Luft in den Kuhställen immer sehr wohlthnend gefunden, und öfter, wo es am zweckmässigsten erschien, wurden die Thiere ganz dem Kuhfutterer übergeben und , ohne jede weitere Pflege und therapeutische Behandlung, überlassen. Es kümmerte sich Niemand um die Patienten, und nach 9 oder 12 Monaten wurden sie gesund unter andere Pferde gestellt und mit diesen benutzt. Nachdem sie mehrere Jahre gebraucht worden waren, zeigten sie sich immer noch gesund (s. 30. und 31. Fall). Es waren dies in der Regel alte, aber noch gut erhaltene Pferde, welche am genui­nen und inveterirten Scrophelrotz litten, und sie hatten unzweifelhaft Miliar-tuberkeln in den Lungen und verhärtete, degenerirte Chylusdrüsen. Dass sie radical geheilt waren, bezweifle ich, weil ich bis jetzt noch die radicale Heilung solcher Krankheit für unerwiesen halte. Ueberdem war bei den Patienten ein bleibender, trockner, pfeifender, kurzer Husten mit etwas Athmungsbeengung zurückgeblieben.
Epdt, Rotzdvskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;29
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Art sein, oder wenigstens werden sie eine zweifache Wirkung haben müssen: einmal müssen es solche sein, welche der weiteren Ent-wickelung des basischen Princips in den Säften entgegenwirken, und das vorhandene beseitigen , d. h. neutralisiren oder abführen ; ande­rerseits müssen es solche sein, welche die Zerstörungen und Degene­rationen, die der Kotz schon herbeigeführt hat, beseitigen, resp. heilen.
sect;. 789.
Es ist einleuchtend, class, wenn wir diese Principien ins Auge fassen und festhalten, wenn wir consequent danach verfahren, und wenn wir die richtigen Mittel und Methoden finden und wählen, wir in sehr vielen Fällen den Rotz heilen müssen. Haben wir aber be­reits die entsprechenden Mittel und Methoden gefunden? Diese Frage verneint sich von selbst, und es ist dies naturgemäss, denn wir haben bisher die Natur selbst, den Sitz des Rotzes, nicht nur nicht erkannt, sondern direct verkannt, und bevor wir nicht über die Natur einer Krankheit im Klaren sind, können wir auch die Mittel und Methoden zu ihrer Verhütung, resp. Beseitigung, nicht finden. Was bisher über solche Mittel etc. bekannt geworden ist, beruht einerseits auf Versuchen, die sowol ohne, wie mit Princip angestellt worden, die aber in weit überwiegender Zahl misslungen, und nur in Ausnahme­fällen zufällig gelungen sind; was nun aber die Theorie über diesel* ben lehrt, beruht ebensowol auf einseitigen , wie irrthümlichen, und darum falschen, Ansichten über die Natur der Rotzkrankheit. Darum die geringen und schlechten Erfolge in der therapeutischen und diä­tetischen Behandlung dieser Krankheit, darum die noch so allgemein verbreitete Ansicht von ihrer Unheilbarkeit, darum immer noch die rücksichtsloseste, gesetzliche Bestimmung der Tödtung der mit ihr behafteten Pferde, darum nur die Empfehlung der Kugel, des Messers, oder der Keule als Mittel zu ihrer Beseitigung seitens der Wissen­schaft. Wenn wir an und für sich in dieser Art der Behandlung einer Krankheit, wie die vorliegende, aus polizeilichen, und, bei dem bisherigen Standpuncte unsers Wissens darüber, in einer Beziehung auch aus volkswirthschaftlichen Gründen, eine gewisse Berechtigung nicht verkennen, so müssen wir doch unter allen Umständen der Wissenschaft eine solche entschieden absprechen, da die Aufgabe die­ser eine ganz andere ist, und wenn sie noch nicht die Mittel und Me­thoden gefunden hat, die Krankheit zu heilen, so muss sie zuvörderst bedenken, dass sie lange noch nicht die Natur derselben erkannt hat; eine Wissenschaft aber, die da annehmen wollte, sie sei in dieser Be­ziehung über den Berg, sie habe bereits auch schon alle Mittel und Methoden, und zwar vergeblich, versucht, die sich dabei beruhigen, und aus diesen Motiven jene obigen Mittel empfehlen, und.damit den Weg jedes Versuchs, Studiums und Forschens abschneiden wollte.
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wäre keine Wissenschaft, denn sie steigt damit von der Höhe des Lichts und Erkennens in das tiefe Dunkel der sumpfigen Empirie hinab, sie giebt sich damit selber auf und kann nur das tiefste Be­dauern erregen.
sect;. 790.
Wenn nun auch ich Heil-Mittel und Methoden empfehle, die auf Versuchen beruhen, welche nicht immer von günstigen Erfolgen be­gleitet waren, so sind dies eben nur Versuche gewesen; indess aber solche, die nicht nur auf bestimmte Prineipien gegründet waren, son­dern auch solche, die der Natur der Krankheit, welcher ich etwas näher getreten zu sein glaube, als dies bisher geschehen ist, entspra­chen und besonders gegen sie gerichtet waren. Wenn man aber er­wägt, dass diese Versuche immer nur noch vereinzelt dastehen, dass sie zum Theil wegen Mangels an Gelegenheit, Mitteln, Zeit etc. oft gar nicht durchgeführt, geschweige denn wiederholt werden, dass sie den Umständen nach oft nur sehr unvollständig unternommen, dass selbst viele wesentlichen Versuche gar nicht angefangen werden konn­ten, dass mir von keiner Seite eine Unterstützung geworden ist, dann wird man allerdings begreifen müssen, dass jene Versuche lange noch nicht abgeschlossen, dass sie vielmehr kaum der Anfang der Heilver­suche sind, und dass die Mittel und Methoden, die ich empfehle, kei­neswegs eine Garantie gewähren, sondern nur ein Fingerzeig sein sollen, der den anscheinend richtigen Weg andeutet; daher ich denn auch die Darlegung eines specifischen und speciellen Curverfahrens unterlassen muss, und jene Mittel undMethoden nur andeutungsweise anführen kann.
sect;. 791.
Die wichtigsten und wirksamsten Heilmittel bei der Rotzkrank­heit sind unstreitig die Säuren und die ihre Stelle einnehmenden, resp. vertretenden, Elemente und Verbindungen ; es sind mithin vor­zugsweise die electrischen Stoffe, solche die dem Sauerstoff am näch­sten stehen und von analoger Wirkung sind, es ist der Sauerstoff selbst in seinen Verbindungen zu Säuren. Wir führen hier als die wirksamsten Säuren solche an, deren Verbindungen leichte Trennun­gen eingehen, daher die Stickstoff-, die Chlorwasserstoff-, die orga­nischen, namentlich Milch-, Essig-, Obstsäuren u. dergl. mehr; dem­nächst die Tanninsäure, das Chlor, Creosot, Jod etc. Jene würden alslnterna, diese als Interna und Externa anzuwenden sein. Wie durch die Diät der Hyperalbuminose und Hyperfibrinose entgegengewirkt, dieselbe zum Stillstande gebracht, resp. beseitigt werden soll, so soll durch jene Säuren der Weiterentwickelung des alkalischen Princips im Blute und in der Lymphe entgegengewirkt, und das schon vor­handene zerstört, d. i. neutralisirt werden. Dies geschieht unter
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Umständen, in denen der Organismus nicht geeignet ist, jene Arznei­stoffe in normaler Weise aufzunehmen und zu verwenden. Wo die Verdauung leidet, und wo die serophulöse Dyskrasie in genuiner Weise aus anomaler Digestion und Nutrition hervorgegangen ist, da ist die Chlorwasserstoff- und arsenige Säure angezeigt, welche mit bitlern, aromatischen, roborirenden und antiseptischen Mitteln zu verbinden sind. Ist jenes alkalische Prineip in der That neutra-lisirt und der Stoffwechsel geregelt, was der Stillstand der Krankheit andeutet, dann beginnt eigentlich erst die Heilung derselben. Ist aber der Stoffwechsel noch nicht geregelt, findet noch ein Missver-hältniss zwischen Ernährung und Verwesung statt, d. h. ist letztere überwiegend, und werden somit immer noch die Säfte mit zerfallenen organischen Stoffen, Albumin, Kalkphosphaten etc., überladen, dann ist es nothwendig, dass zunächst hier ein Gleichgewicht hergestellt, und hiermit zugleich die vorhandenen, und die sich fortentwickeln­den, dem Blute und der Lymphe fremdartigen Stoffe, entfernt werden. Letzteros geschieht am zweckmässigsten durch Nieren, Haut und Lungen, also durch Harn- und schweisstreibende Mittel, denen von Zeit zu Zeit leichte Abführmittel substituirt werden kön­nen. Das| Creosot, welches den organischen Stoff vor Verwesung schützt, scheint in Verbindung mit Salzsäure, welche die Verdauung und Assimilation fördert, ein vorzügliches Mittel zur Eegulirung de.s Stoffwechsels bei dieser Krankheit und unter Zusatz von Bitterstoff, harzigen Substanzen, Terpenthinöl, besonders aber Sabina, welche letztere Stoffe ebensowol auf Förderung der Harnsecretion, wie der Haut- undLungenansdünstung wirken, diejenige Verbindung zu sein, von welcher wir die obengedachte Wirkung erwarten dürften.
Die angegebenen Mittel müssen natürlich in den angemessenen Formen, Quantitäten und mit der entsprechend nöthigen Consequenz und Beharrlichkeit angewendet werden, und während dies noch ge­schieht , fallen uns bei der Heilung zwei Aufgaben zu , welches un­streitig die schwierigsten in dem ganzen Heilungsprocesse, und darum auch wol diejenigen sind, welche am seltensten gelingen, es ist dies einerseits die Auflösung der Tuberkeln in den Lungen, wo solche vor­handen sind, und sie sind in den meisten Fällen des Rotzes, jeden­falls aber in allen solchen vorhanden, die länger, als einige Wochen gedauert haben, und die Entfernung des Stoffs aus den Lungen, aus dem sie gebildet waren, es ist dies andererseits die Auflösung der Lymphdrüsendegenerationen. Gelingt uns Beides, oder das Eine oder das Andere nicht, dann heilen wir den Rotz nur palliativ, gelingt uns die Auflösung der Tuberkeln allein , und die der Drüsen nicht, dann bleibt die entmischte Lymphe in den Gefässen, welche zu dem Be-
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reich der degenerirten Drüsen gehören, wol häufig sfagnirend zurück und giebt die nächste Veranlassung zum neuen Ausbruch der Krank­heit; gelingt uns dagegen die Auflösung der Drüsen, und die der Tuberkeln nicht, so bleibt in diesen nicht nur ein pathischer Lungen-zustand zurück, welcher eine fehlerhafteBlutbildung bedingt, sondern es bleibt auch in den Tuberkeln selbst ein Ansteckungsgift zurück, welches bei der geringsten Aufsaugung die Säftemasse wieder ver­giftet und zum erneuten Ausbruche der Krankheit führt, welches im­mer aber auf die Bronehialschleimhäute zurückwirkt, und diese zu krankhaften Secretionen erregt, welches Secret als ein Ansteckungs-stoffquot; für andere Individuen gilt. Es erscheint daher nothwen-dig, dass eben sowol die Lymphdrüsen, wie die Lungentuberkeln aufgelöst, und die durch diese Auflösung flüssig gewordenen Krank­heitsstoffe aus dem Organismus entfernt werden. Dies zu erreichen wenden wir eine geeignete Verbindung jener harzig-öligen und erre­genden Mittel, die wir oben nannten , mit Jod und Creosot, in mög­lichst grossen, steigenden, in Schleim gehüllten Gaben, continuirlich an; wie das Jod die Drüsen auflöst, so scheint das Creosot ein spe-cifisches Auflösungsmittel für die Lungentuberkeln , namentlich die Lymphtuberkeln zu sein, — während jene harzig-öligen Mittel den Stoffwechsel beleben, und die pathischen Stoffe zur Ausscheidung bringen. Neben diesen Arzneistoffen empfehlen sich alternirende Einathmungen von Chlor- und Theerdämpfen. Ich verweise hier besonders auf den sub 18 mitgetheilten Fall.
sect;. 793.
Soweit die destructiven Processe des Rotzes nun aber äusserlich vorkommen, müssen sie auch , neben innerlicher Einwirkung auf die Säftemasse und die innern Destructionen und Degenerationen, äusser­lich, und möglichst unmittelbar behandelt werden. Zunächst sind die degenerirten Submaxillardrüsen sehr warm zu halten und fleissig mit Jod einzureiben. Wo eine Auflösung der Drüsen nicht zu erzielen ist, kann man zur Zerstörung derselben durch Cauterisiren mittels Glüheisens schreiten , und ist man dazu genöthigt, so empfiehlt es sich, wenn man gleichzeitig die Function der mit jenen Drüsen in Verbindung stehenden, von der Nase und den Augen zu ihnen füh­renden Lymphgefässe durch Brennen mit Glüheisen zerstört, wo dann die Venen, soweit dies angeht, die Lymphgefössfunction vicarirend übernehmen. Die auf den Schleimhäuten der Kopfhöhlen vorkom­menden Geschwüre und anderweiten Degenerationen, die Destruc­tionen und necrotischen Zerstörungen an den Knochen und Knorpeln, behandle man, soweit sie zu erreichen sind, und soweit dies nicht der Fall, verschaffe man sich den Zugang durch Trepanation mit lauwar­men Einspritzungen von dünner Tanninsäure (Eichen- oder Weiden-
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rindenabkochung) mit Zusatz von Myrrhen und Creosot, und lasse dabei Chlorgas, Theerdämpfe und, je nach Umständen, auch frisch geglühten Holzkohlenstaub einathmen. Sind irgendwo cariöse Kno-chentheile vorhanden, so entferne man dieselben durch Operation. Wo sich Drüsenverhärtungen noch anderweit unter der Haut finden, die jedem Versuch , sie aufzulösen , trotzen , da kann man sie durch Exstirpation entfernen. Lymphgefassanschwellungen und Geschwüre auf der Cutis canterisire man mit Glüheisen, letztere kann man auch mit Arseniksalbe behandeln ; Beulen öffne man, und nach Entleerung ihres Inhalts brenne man sie, wie die Geschwüre. Andere Ge­sehwülste behandle man lege artis nach ihrer Natur und ihrem Cha­racter. Die Geschwüre auf der Schleimhaut der Genitalien kann man mit Spiessglanzbutter ein- bis zweimal betupfen und demnächst mit Myrrhenessenz oder Creosotverdünnung behandeln.
Den septischen, carcinomatösen und Beschälrotz habe ich nie einem Heilversuche unterworfen.
sect;. 794.
Noch eine Curmethode muss ich anführen, die mir als die ein­fachste und doch zugleich wirksamste erscheint, die ich indess wegen Mangel an Gelegenheit, leider bei weitem nicht genügend versuchen konnte. Es ist dies die Behandlung des Rotzes mit saurer, soge­nannter dicker Milch anf rein diätetischem Wege. Die Milch darf natürlich nicht zu alt und zu sauer geworden sein, sie muss verwen­det werden, sobald sie geronnen, d. h. dick geworden ist. Man ver­mischt sie mit Haferstrohhäcksel, und giebt sie als Nahrung. Die Pferde, welche sie in der Regel anfangs nicht fressen wollen, müssen successive daran gewöhnt werden, zuletzt wird sie immer gern ge­fressen. Alle Pferde vertragen die saure Milch nicht, manche be­kommen nach jedem Genuss Colikschmerzen, solchen gebe man ent­weder weniger, oder wenn sie auch dies nicht vertragen, lasse man die Milch ganz fort. Das Verfüttern der Milch geschieht auf die Weise, dass man sie mit einem Holzspatel etwas kurz schlägt, sie über das Häckselfutter in der Krippe giesst und mit diesem vermengt. Man fange mit einem Quart Milch täglich an und steige gradatim bis auf 20 bis 25 Quart täglich ; wie man das Milchquantum ver­mehrt, verringere man die andern Futtergaben an Korn und Heu. und steige in entsprechender Weise mit dem Häckselquantum. Nach vier bis sechs Wochen wird man einen Erfolg sehen, oder nicht. Im ersteren Falle setze man die dir 2 bis 3 Monate fort, im letzteren Falle gebe man sie auf. Man breche indess nie plötzlich ab, sondern hebe sie allmälig auf, wie sie eingeleitet wurde (s. 22. Fall).
sect;. 795. Während der Cur werden andere innere Mittel nicht angewen-
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det; man hat indess sein ganzes Augenmerk auf möglichste Zerstö­rung des Contagiums und auf Erhaltung der Reinlichkeit zu richten. Für ersteren Zweck lasse man fleissig Chlorgas athmen und befeuchte die gereinigte Nase, sowie, wenn der Rotz äusserlich sitzt, so weit er reicht, die Haut mit Chlorwasser, räuchere wenigstens täglich einmal mit Theer, damit die Patienten gehörig ausprusten. Nach jedem Futter binde man die Pferde um, d. h. man stelle sie mit dem Schweif nach der Krippe, reinige diese währenddessen, indem man jeden Futter­rest und jede Beschmutzung entfernt, und sie mit einem in Kalkmilch getauchten Lappen auswischt. Sind mehrere Patienten gleichzeitig vorhanden, und man ist genöthigt, sie alle in ein Local zu stellen, so muss jedes Pferd nicht nur seine besondere Krippe, sondern auch seinen, nach den Seiten vollständig abgeschlossenen Kastenstand ha­ben, so dass eine unmittelbare gegenseitige Berührung der Pferde dadurch vermieden wird*).
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11. Capitel.
Was in polizeilicher und rechtlicher Beziehung bei der Rotzkrank­heit zu gelten hat.
sect;. 796.
Wegen ihres so sehr häufigen und allgemeinen Vorkommens, wegen ihrer bestimmten und entschiedenen Contagiosität, wegen der Bedeutung und Wichtigkeit des Objects, das sie gefährdet, und wegen der Leichtigkeit, mit der sie sich auf Menschen überträgt, und deren Gesundheit und Leben zerstört, ist die Rotzkrankheit einer der wich­tigsten Gegenstände der polizeilichen und forensischen Veterinär­kunde. Von allen Hausthieren ist das Pferd dasjenige, welches den höchsten absoluten Werth hat, und welche^ bisher der menschlichen Gesellschaft am unentbehrlichsten zu sein scheint, daher diese die moralische Pflicht hat, in sich Institutionen zu begründen, durch welche das Pferd in jeder Weise ihr erhalten wird. Diese Institu­tionen sind eben die polizeiliche und forensische Veterinärkunde. — Jene hat daher die Aufgabe, das Vorkommen der Rotzkrankheit in jeder Weise zu verhüten, beim Auftreten derselben aber, sie zu tilgen, ihre Weiterverbreitung unter Pferden zu hindern, und Menschen, wie
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*) Ich erachte diese Curmethode, versteht sich lediglich beim Scrophel-rotz, für eine ausserordentlich zweckraassige, und rathe Jedem, besonders aber den öffentlichen Anstalten, denen Fonds und Gelegenheit zu Gebote stehen, Heilversuche nach wissenschaftlichen Kegeln damit anzustellen. Es ist keine Frage, dass nach einer solchen Cur die ganze Säftemasse der Patienten eine vollständige Umwandlung erleiden müsse.
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andere Thiere, gegen Infeetionen zu schützen. Demgemäss müssen in jedem geordneten Staatswesen solche Gesetze bestehen, welche es der Veterincärpolizei einerseits vollständig ermöglichen, dass sie jene Aufgabe erfüllen kann, welche sie andererseits aber auch hindern, zu weit zu gehen, und in das Recht des Eigenthums mit verletzender Gewalt in ungerechtfertigter Weise zerstörend hinüberzugreifen. Es ist in der That nicht leicht, solche Gesetze zu finden , welche hier nach beiden Seiten hin nicht nur der Sache dienen, sondern auch Gewähr geben, dass das Recht und Eigenthum des Einzelnen ebenso gewahrt und geschützt ist, wie das des Allgemeinen, und dennoch ist es Pflicht, solche Gesetze zu suchen, in denen das Gemein- und Na­turrecht in der Weise zur vollen Geltung und Anwendung kommt, dass eben so wenig das Eigenthum des Einzelnen im Interesse des Allgemeinen, wie das Eigenthum dieses im Interesse des Einzelnen verletzt, resp. gefährdet werde. Die Aufgabe der forensischen Vete­rinärkunde ist dagegen in dieser Beziehung die Ermittelung und Fest­stellung der Art und des Maasses, die stattgehabten Verletzungen des Gesetzes, resp. Ueberschreitungen der gesetzlichen Grenzen und daraus hervorgehenden Beschädigungen, resp. Verletzungen der Interessen am Eigenthum , wie an Gesundheit und Leben des Einzelnen oder des Allgemeinen, um damit dem Strafrichter eine Grundlage zu geben, auf welcher er das Vorhandensein einer strafbaren Handlung, oder Unterlassung aus bösem Willen, Fahrlässigkeit, oder aus Unwissen­heit, sowie das Strafmaass und event, das Maass der Entschädigung des etwa beschädigten Theiles feststellen kann.
sect;. 797.
Das Pferd ist aber auch von allen Hausthieren dasjenige, wel­ches jeder Zeit und unter allen Verhältnissen am wenigsten isolirt und abgeschlossen lebt und gehalten werden kann ; durch seine Be­stimmung und naturgemässe Benutzung ist es dasjenige Thier, wel­ches überall und in die entferntesten Gegenden hinkommt, resp. ver­pflanzt wird, und somit den Ansteckungsstoffquot;, den es an sich trägt, dort­hin vertragen kann, welches mit den meisten und entferntesten Thieren seines Gleichen in Berührung kommt, und somit auch die grösste Verbreitung einer ihm eigenthümlichen Contagion bewirken kann, denn mit Pferden wird im Allgemeinen auch der grösste Handel, Wechsel im Besitz. Tausch und Verkehr überhaupt getrieben. Wenn nun einerseits diese Verhältnisse in der Veterinärpolizeigesetzgebung die ernstete Beachtung, und bei Anordnung der sanitätspolizeilichen Maassregeln gegen die Rotzkrankheit die ausgedehnteste Berüeksich-sichtigung verdienen, so gehen andererseits aus diesen Verhältnissen wiederum eine grosse Menge von Rechtsfragen und Rechtsstreitig­keiten hervor, zu deren Entscheidung die forensische Veterinärkunde
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die naturgemässe Grundlage geben muss. Diese Rechtsfragen han­deln sich eben sowol einerseits um Bestrafung der Betheiligten, we­gen Verletzung allgemeiner und specieller gesetzlicher Bestimmungen oder obrigkeitlicher Anordnungen, wie andererseits um Entschädigung der beschädigten Partei. Diese Fragen kommen aber bei dem leb­haften und allgemeinen Verkehr mit Pferden in ausserordentlich häu­figer Zahl vor und bieten namentlich bei der Rotzkrankheit der foren­sischen Veterinärkunde ein weites Feld der Wirksamkeit.
sect;. 798.
Die Veterinärpolizei hat, ihrer Aufgabe gemäss, gegen den Rotz einzuschreiten :
1.nbsp; nbsp;Wenn er wirklich ausgebrochen, d. h. erwiesen ausgebil­det vorhanden ist.
2.nbsp; nbsp;Wenn zwar eine dem Rotze analoge Krankheit vorhanden ist, sich aber mit Bestimmtheit nicht erweisen lässt, dass sie Rotz ist, daher in Fällen der Rotzverdächtigkeit.
3.nbsp; nbsp;Wenn Pferde mit Rotzcontagium inficirt, resp. der Infec­tion verdächtig sind, ohne dass danach schon Krankheits­erscheinungen eingetreten sind.
sect;. 799.
Im Falle ad 1 bestimmen die bezüglichen Gesetze der meisten Länder, dass wirklich rotzkranke Pferde, wo sie angetroffen werden, sofort zu tödten, und die Localien, in denen sie sich aufgehalten, so­wie alle mit ihnen in Berührung gekommenen Gegenstände ,#9632; einer vorgeschriebenen Desinfection zu unterwerfen sind. Was mit den Cadavern zu geschehen hat, darin stimmen die gesetzlichen Vorschrif­ten nicht überein; im preussischen Staate können sie abgeledert wer­den, und darf der Abdecker nicht nur die Haut, sondern auch andere Gegenstände des Cadavers, wie Fett und dergl., mitnehmen, und wenn Letzteres auch nicht direct erlaubt ist, so ist es doch auch nir­gends verboten.
Die unbedingte Tödtung der rotzigen Pferde wird dadurch mo-tivirt, dass die Krankheit in der Regel unheilbar ist, dass in Fällen, wo eine Heilung scheinbar erzielt wird, dies eben nur scheinbar ist, und die Krankheit früher oder später wieder zum Vorschein kommt, und dass sie dann, in Fällen selbst, wo sie geheilt zu sein scheint, mehr aber noch, wenn sie wieder zum Ausbruch kommt, ihres Contagiums wegen, andere gesunde Pferde gefährdet; dass die Heilversnche nicht nur jederzeit zweifelhaft, sondern auch langwierig und kostspielig sind, so dass die Kosten häufig den reellen Werth des geheilten Pferdes übersteigen, besonders dann, wenn, wie dies gewöhnlich ist,
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nur eine palliative Heilung erzielt wurde, und dass während der Heil­versuche nicht nur andere Pferde, sondern auch Menschen , der Ge­fahr der Ansteckung durch Rotzcontagium ausgesetzt sind.
Wenn wir auch die Berechtigung dieser Motive in der Hauptsache zugestehen müssen und uns für die Tödtung wirklich rotzkranker Pferde in den meisten Eällen bestimmen, so dürfen wir andererseits auch nicht verkennen, dass die unbedingte Tödtung aller rotzkranken Pferde, namentlich der Art, wie sie in praxi ausgeübt wird, ein ge­waltsamer und tief entscheidender Eingriff in das Eigenthum Anderer ist, gegen den wir nicht nur aus Nützlichkeits-und Zweekmässigkeits-, sondern auch aus moralischen und Rechtsgründen protestiren müssen.
sect;. 800.
Der Rotz ist in vielen Fällen heilbar, es könnten mithin immer nur die Pferde gesetzlich zur Tödtung bestimmt werden , welche von Sachverständigen als unbedingt unheilbar anerkannt werden, und es wäre daher jedem sachverständigen Urtheil über jeden einzelnen vorkommenden Rotzfall, zugleich ein zweites Urtheil darüber zuzu­fügen, ob das betreffende Pferd heilbar ist, oder nicht. Im Falle das Pferd für heilbar erkannt wird , oder die Unheilbarkeit im sachver­ständigen Urtheil auch nur bezweifelt wird , hat die Sanitätspolizei moralisch kein Reciit, das betreffende Pferd tödten zu lassen, es kann dies nur mit freiwilliger Zustimmung des Eigenthümers geschehen. Wo diese indess nicht erfolgt, da muss es dem Eigenthümer über­lassen sein, die Wiederherstellung der Gesundheit des betreffenden Pferdes zu versuchen, und die Tödtung kann nur dann erst später er­folgen, wenn sachverständig nachgewiesen wird, dass der Heilversuch erfolglos ist. Die Sanitätspolizei hat aber immer die Aufgabe, während des Heilversuchs dafür durch geeignete Vorkehrungen zu sorgen, respective darüber zu wachen, dass eine Verschleppung des Con-tagiums auf andere Pferde und Ansteckung von Menschen nicht statt finde, wofür überdem der Eigenthümer auch verantwortlich ist. Weiter darf dag Gesetz die Befugniss der Sanitätspolizei nicht ausdehnen, andernfalls greift es in das Recht des Eigenthümers über und macht den Besitz -illusorisch. Es verstösst gegen die Bestimmungen der Verfassungen der meisten Staaten.*) Wo dennoch aus Gründen des öffentlichen Wohls eine Tödtung solcher Pferde geboten ist, da muss eine vorherige sachverständige Abschätzung solcher Pferde, und eine Entschädigung der Eigenthümer aus öffentlichen Fonds**) erfolgen.
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*) Preussische Verfassungen sect;. 9. **)'Wo Assecuranzen bestehen, erfolgt die Entschädigung durch diese ; wo diebetreffenden Communen das Hauptinteresse an solchen Töd;ungen haben, oder dieselben solche sogar fordern, ist die Entschädigung aus Communalfonds zu leisten. —
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In allen Fällen aber, wo dergleichen Pferde Gegenstand eines bereits schwebenden Rechtsstreites sind, darf die Tödtung derselben nur mit Genehmigung des betreffenden Richters, oder unter Zustimmung beider streitenden Parteien statt finden, jedenfalls aber, selbst wenn die dringendsten Veranlassungen zur Tödtung vorliegen, doch immer dann erst, wenn beide Parteien über den Zustand der Pferde sich vollkom­men unterrichtet erklären. Bei allen gekauften Pferden aber, über die ein Rechtsstreit bevorsteht, muss die Polizeibehörde die gebotene Tödtung der Pferde unter allen Umständen so lange sistiren, bis beide Parteien, der Verkäufer, wie der Käufer, jeder in seiner Weise, über den Zustand der betreffenden Pferde sich unterrichtet haben, bis sie über denselben entweder einig sind, oder doch jeder sich in seiner Weise die Beweismittel für seine Rechtsansicht hat beschaffen können, wozu ein Termin festzusetzen ist, der beiden Parteien rechtzeitig bekannt gemacht werden muss. Andererseits wird der einen oder andern Partei durch eine vorschnelle Tödtung des Objects, ebensowol der Weg zur eigenen Information über den Zustand desselben abgeschnit­ten, wie ihrdamit die Möglichkeit genommen wird, sich die juridischen Beweise für ihre Rechtsanschauung zu beschaffen, und sie sich daher verurtheilen lassen muss, aus Gründen polizeilicher Gewalt. Die ge­wöhnliche Praxis der Polizeibehörden ist daher aus diesen Gründen schon verwerflich und jedenfalls durch die Gesetzgebung auf eine be­stimmte Rechtsbahn zu bringen. —
sect;. 801.
Ob die Heilung eines rotzigen Pferdes nur scheinbar, oder wirk­lich erfolgt ist, das haben Sachverständige zu beurtheilen, und sie müssen dies beurtheilen können, andernfalls sie nicht Sachverständige sind. Ist aber nach dem Urtheil jener die Heilung keine radicale, sondern nur eine scheinbare, und jene nicht möglich, so ist die Töd­tung dennoch polizeilich zu bewirken;' wo aber die vollständige Heilung zweifelhaft bleibt, ist es dem Eigenthümer zu überlassen, ob laquo;r sie weiter versuchen will, oder nicht; im letztern Falle ist das Pferd zu tödten, im erstem steht der Polizei nur das Recht der wei­teren Beaufsichtigung und Controle zu. Unter solchen Umständen kann und muss Wiederausbruch des Rotzes und die weitere Ver­schleppung seines Contagiums polizeilich vermieden werden. Was die Langwierigkeit und Kostspieligkeit der Heilversuche anbetrifft, so ist dies lediglich Sache des Eigenthümers.
sect;. 802.
Wenn, wie es nachgewiesen ist, wirklich rotzige Pferde (oft sogar ganz leicht) radical geheilt werden können, sogenannte rofzverdächfige Pferde aber, wie dies die Praxis lehrt, in den meisten Fällen unheilbar
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sind, dieselben gleichwol jedes gesunde Pferd anstecken und bei ihm den Rotz erzeugen, mithin auch den Menschen mit Rotzcontagium inflciren können ; wenn das Gesetz aber bestimmt: „wirklich rotz-oder wurmkranke Pferde sind sogleich zu tödten, des Rotzes oder Wurmes nur verdächtige Pferde aber sind abzusondern und unter polizeiliche Observation zu stellenquot;, wenn die Heilversuche der letztern aber in keiner Weise beschränkt werden , so verletzt dasselbe nicht nur die ganz gewöhnliehen Rechtsprincipien, sondern es tritt auch mit sich selber und seinen eigenen Motiven in directen Widerstreit und der Zweck jenes Gesetzes: durch die Tödtung den Rotz zu tilgen und die Ver­schleppung des Contagiums auf gesunde Thiere und auf Menschen zu verhüten, geht damit verloren. — Um wenigstens die Consequenz und den Zweck eines so wichtigen Gesetzes aufrecht zu erhalten, müssten auch diejenigen sogenannten rotzverdächtigen Pferde als rotzige getödtet werden , von denen sich durch directe Impfversuche nachweisen lässt, dass ihre pathischen Effluvien aus der Nase bei andern Pferden Rotz hervorrufen, so lange die Wissenschaft aussei* den Rotzgeschwüren nicht diejenigen Erscheinungen als entscheidende Criterien der Existenz des Rotzes zur allgemeinen Anerkennung brin­gen will, die wir im vorliegenden Werke als solche hingestellt haben.
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Wir würden aber bei so tief in das Eigenthumsrecht eingreifen­der , das Rechtsbewusstsein verletzender Polizeigewalt, wie es die rücksichtslose Tödtung jedes rotzigen Pferdes ist, immer zunächst zu fragen haben: Durch wen und wodurch wird erwiesen, dass ein Pferd rotzig ist? — Das Gesetz sagt, oder präsumirt: „Wenn durch Sach­verständige er%viesen wird, dass ein Pferd rotzig ist, sosoll es ge­tödtet werdenquot;. Wer aber sind die Sachverständigen? Im Allge­meinen sind es die Thierärzte (welche im Preussischen ausschliesslich die approbirten heissen) und im preussischen Staate sind es gesetzlich noch die Kreisphysiker, welche sogar noch über die Gutachten aller jener Thierärzte zu arbitriren das Recht haben. Diese also entschei­den in der Frage: ob Rotz oder nicht? nicht nur in Fällen über das Eigentluim des Staats , sondern auch über das jedes einzelnen Privatmannes, \vie unter Umständen über das der Communen und Corporationen. Wenn nun im Gesetz noch in gerechterer Weisraquo; von Sachverständigen, also dem Plural, .die Rede ist, so verfährt die Praxis grausamer, ungerechter, indem die Polizei immer schon mit der vollen Wucht ihrer ganzen Gewalt auf das blosse Urtheil eines einzelnen sogenannten Sachverständigen einschreitet und fremdes Eigenthum ohne Weiteres angreift, eventuell zerstört. Wenn wir nun aber jene Sachverständigen beleuchten, dann müssen wir die Kreis­physiker, die meistens nicht Thierarzneiwissenschaft studirt haben.
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ganz verwerfen , da sie nicht einmal den gesunden, geschweige denn den kranken anatomischen Bau des Pferdes kennen. In gleicher Weise müssen wir den bei weitem grössten Theil der jungen an­gehenden Thierärzte verwerfen, weil zur Beurtheilung des Rotzes nicht nur theoretische Kenntnisse oder ein gewisses schablonenartiges Wissen und Untersuchen ausreichen , sondern immer ein Schatz von practischer Routine und Erfahrung, neben gründlichen technischen Kenntnissen, nothwendig ist. Wie bei allen ansteckenden Krank­heiten und Seuchen überhaupt, so sind besonders in Beziehung auf den Rotz diese Attribute der Sachverständigen wol überall, aberaueh im preussischen Staate anerkannt und dies in letzterem namentlich damit documentirt. dass Thierärzte, bevor sie zum kreisthierärztlichen Examen, respective zur Anstellung, zugelassen werden, eine Reihe von Jahren practiciren müssen, um sich zunächst jene Routine und Erfah­rung zu verschaffen. Diese sind denn den betreffenden Polizeibehör­den als sachverständige Organe beigegeben.*) Sehen wir uns nun
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*) Diese ganze kreisthierärtzliche Frocedur und Institution hätte keinen Sinn, wenn im Voraufgange jener Erkenntniss der Staat das Bedürfniss solcher Kreisthierärzte nicht erkannt und durch deren Anstellung nicht hätte eigene, zu­verlässige technische Organe, vorzugsweise für die Veterinärpolizei und die foren-siche Thieiheilkunde, schaffen wollen, die in ihrer gereifteren Erfahrung und ihrer wissenschaftlichen Bildung, wie durch das Bestehen einer hesondern Prü­fung und durch ihren geleisteten Amtseid ihm selbst, wie dem Publikum, dem Richter, wie den Parteien, bei ansteckenden Krankheiten und Seuchen, sowie in Kechtsfragen eine gewisse Garantie für die Richtigkeit ihrer Urtheile geben sollten. Dass ein solches ürtheil vor allen Dingen beim Rotz erforderlich ist, wo die Erkenntniss der Krankheit oft so überaus schwierig und zweifelhaft ist, und gleichwol das Gesetz die härteste Maassregel, die es giebt, d.i. Vernichtung des Eigenthums, gebietet, darf wol nicht erst erwähnt werden. Der ursprüng­liche Zweck der amtlich angestellten Thierärzte dürfte wol nicht zu verkennen sein ; inPreusscn aber ist derselbe ganz aufgegeben und nach und nach verlassen worden, und wenn auch der Richterstand immer noch angewiesen ist, in strei­tigen Fällen sich mindestens doch eines Thierarztes I. Classe zu bedienen, so sind auf Anweisung von entscheidender Stelle die executionirenden Polizeiorgane ermächtigt, sich zu den sanitätspolizeilichen Functionen jedes beliebigen thier-ärztlichen Organs zu bedienen und auf dessen ürtheil die sanitätspolizeilichen Gesetze in Ausführung zu bringen, was denn auch in der Weise geschieht, dass gegenwärtig in den meisten Regierungsbezirken Preussens die veterinärpolizei­lichen Functionen von Thie.iärzten II. Classe (sehr häufig Ignoranten in der Veterinärkunde), vorzugsweise ausgeübt werden, und dass es Kreisthierärzte giebt, die von diesen Functionen fast ganz ausgeschlossen sind. Ja man geht noch weiter: da nach einer ministeriellen Verfassung (31. März 1847) Jeder sich beliebig „Thierarztquot; nennen darf, und viele Pfuscher demgemäss sich den Titel „practischer Thierarztquot; beilegen, nach einerweiteren Verfügung aber (4. Juni 1857) es sogar den executirenden Behörden überlassen ist: — ..sich eines Kreisthierarztes oder eines andern zuverlässigen Thierarztes zu bedienen, so kommt es oft genug vor, dass die Polizeiorgane sich eines ge­wöhnlichen Pfuschers für simitätspolizeiliche Zwecke bedienen und auf deren gutachtliches ürtheil hin die Gesetze vollziehen, wozu sie nach Lage der Sache volle Berechtigung haben.
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weiter aber das ganze Thierheilpersonal an, so finden wir darin un­zweifelhaft eine sehr grosse Zahl solcher, die nicht den wissenschaft­liehen Standpunct einnehmen, welcher sie zu Urtheilen in einer tech­nischen Wissenschaft befähigt, auf Grund derer die Sanitätspolizei so tief in das Eigenthumsrecht eingreifende Gesetzesbestimmungen in Ausführung bringen kann, wie es die gegen die Rotzkrankheit er­lassenen sind, und eben so wenig der Richter Strafurtheile erlassen und Rechtsentscheidungen treffen kann. Wir müssen also auch von diesen Thierärzten einen grossen Theil als vollständig unqualifioirt ansehen.*)
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*) Nach den Mittheilungen und der in der Anmerkung erörterten Praxis zufolge hat bei dem üblichen polizeilichen Verfahren bei ansteckenden Krank­heiten und Seuchen überhaupt, also auch bei dem Rotz, der Staat so wenig, wie jeder Privatmann eine Rechtsgarantie; Ersterer nicht für sein Eigenthum und nicht für seine Aufgabe des Rechtsschutzes und des Schutzes des Eigenthums, der Gewerbe und des freien Verkehrs seiner Bürger, er hat keine Garantie dafür, dass das, was er ausführt, Recht ist; Letzterer nicht für die Sicherheit und Unver­letzlichkeit seines Eigenthums und für den wohlberechtigten freien Verkehr mit demselben noch für die ungehinderte Ausübung seines Gewerbes etc. Denn wie die Praxis (wenigstens in Preussen) ist, so wird auf das Urtheil eines soge­nannten Sachverständigen hin, den die betreffenden Polizeiorgane beliebig dafür halten, über Rotz, den bestehenden Polizeigesetzen gem'ass verfahren. Lautet das Urtheil für Rotz, so werden die betreffenden Pferde ohne Weiteres getödtet, die Desinfection wird für Kosten des Eigenthümers ausgeführt und die der In­fection verdächtigen Pferde, d. h. solche, die mit den getödteten Pferden in Be­rührung gekommen sein können, werden unter polizeiliche Aufsicht gestellt, d. h. der freie Verkehr mit ihnen untersagt. Wenn man nun erwägt, dass schon der einzelne Mensch, selbst im Besitze aller an ihn zu stellenden moralischen und technischen Erfordernisse eines Sachverständigen, Irrthum und Täu­schungen unterworfen ist, so werden wir zugeben müssen, dass schon aus dieser Veranlassung, namentlich beim Rotz, zuweilen falsche ürtheile abgegeben werden, und der einzelne als Sachverständiger somit nie eine sichere Garantie für die Richtigkeit seines Urtheils bietet; erwägt man dagegen aber, wie häufig selbst jene Individuen, auf deren gutachtlichen Ausspruch die Polizeiorgane entweder die sanitätspolizeilichen Gesetze ohne Weiteres anwenden, oder sie unterlassen, respective aufheben, moralisch sowol, wie technisch wissenschaftlich unqualificirt, wie häufig sie so ganz abhängig und unsclbstständig sind und von Interessen der verschiedensten Art berührt werden, so wird es nicht in Abrede zu stellen sein, dass ein grosser Theil jener sogenannten sachverständigen Gutachten über Rotz, nach denen die (preussischen) Polizeiorgane verfahren, falsch sein muss, da jene Individuen oft nicht die mindeste Garantie für ein richtiges Urtheil bieten können; und der Staat begeht moralisch jedesmal ein Unrecht, wenn er nach solchen Gutachten gesetzlich eingreift. Dem Fuhrmann, dem kleinen Ackers­mann wird sein einziges Pferd weggenommen und getödtet, es war das Mittel, durch das er seine und seiner Familie Existenz fristete und dem Staate steuer­fähig blieb, er hat nicht sogleich die Mittel zur Beschaffung eines andern Pferdes, sein Gewebe steht still und er wird zum unsteuerfähigen Bettler, der mit seiner Familie dem Staate oder der Commune zur Last fällt. Hat aber der Fuhrmann mehr Pferde, dann ist er offenbar noch schlimmer daran, wenn ihm eins oder mehrere wegen angeblichen Rotzes getödtet werden, denn dann werden die andern Pferde als inticirt betrachtet und unter Contumaz gesetzt, er muss sie
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sect;. 804. Ein strenges sanitätspolizeiliches Einschreiten gegen die Rotzkrank­heit ist wegen der Gefährlichkeit derselben fürEigenthum, wie für Ge­sundheit und Leben des Menschen nothwendig. Eben so nothwendig ist es aber auch, dass die dafür maassgebenden gesetzlichen Bestim­mungen und die practische Anwendung derselben jedem Betheiligten die möglichst vollständigste Gewähr geben, dass er in seinen Privat­rechten eben so wenig durch das Gesetz wie durch die Art seiner Ausführung beeinträchtig wird, daher die letztere eben so speciell festgestellt werden muss, wie das Gesetz selbst. Wir würden diesem nach in sanitätspolizeilicher Beziehung folgende Bestimmungen beim wirklich ausgebildeten Rotze festsetzen :
1.nbsp; nbsp;„Zu sanitätspolizeilichen Untersuchungen, eventuell Abgabe von Gutachten, in Angelegenheiten der Rotzkrankheit sind nur voll­ständig wissenschaftliche Thierärzte (also Thierärzte I. Classe) als Sachverständige qualificirt.quot;
2.nbsp; nbsp;„Zur Constatirung des Vorhandenseins wirklich ausgebildeter Rotzkrankheit ist das übereinstimmende Unheil mindestens zweier Sachverständigen erforderlich, und ist in diesem Urtheil jedesmal genau anzugeben, ob der vorliegende Rotzfall heilbar ist, oder nicht; bei mehreren, welche heilbar sind, und welche nicht.quot;
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erhalten, ohne sie nützen zn können, sein Gewerbe wird damit unterbrochen, oft vernichtet, da die Contumaz bei wiederkehrender Krankheit, oder in Fällen, wo sich sogenannte rotzverdächtige Pferde finden, von unbestimmbarer Daner sein kann. Wie beim Fuhrmann , wird beim Landwirth das Gewerbe gestört, wenn seine Pferde in Contumaz verfallen und er seine Producte weder verfahren noch seine Bedürfnisse einholen, oder mit den Pferden den notwendigen Wechsel vornehmen kann. — Wie solche irrthümlichen oder geradezu falschen tech­nischen ürtheile über Rotz dem Einzelnen oft gefährlich werden und seinen Ruin herbeiführen, so können, aus Unwissenheit oder entgegengesetzten moralischen Motiven abgegebene Gutachten , welche das wirkliche Verhandensein des Rotzes negiren, oder eine zu frühe Aufhebung der Contumaz bewirken und damit den freien Verkehr mit entweder rotzigen, rotzverdächtigen, oder inficirten Pferden veranlassen, noch weit mehr Unheil stiften, indem damit nicht nur das Eigenthum, sondern auch Gesundheit und Leben des Einzelnen, wie die Existenz der Pferde im Allgemeinen gefährdet wird. Wie viel Unheil auf die eine oder andere Weise mit dem Rotze in dieser Beziehung angerichtet wird , dafür sind die sub 2, 3, 13 und 23 mitgetheilten Fälle als vollgültige Belege anzusehen, denen wir noch so manche andere hinzufügen könnten. Der Staat macht unter den geschilderten Verhältnissen sein Einschreiten und seine Wirksamkeit bei der Rotzkrankheit nicht nur von dem jedesmaligen problematischen Standpuncte der Wissenschaft­lichkeit und practischen Erfahrung sogenannter Sachverständiger, sondern auch von denUrtheilen solcher Individuen abhängig, die für ein moralisches Fundament und eine sittliche Pflicht nicht die mindeste Garantie geben und ausaer jeder Verantwortlichkeit stehen. Dies ist der Grund, weshalb die Staatsbürger sich in ihren Rechten, die anderweite gesetzliche Bestimmungen ihnen gewährleisten, wie namentlich in ihrem Eigenthumsrecht, nicht entsprechend geschützt ansehen können.
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3.nbsp; nbsp;„Entstehen über den einen oder andern Punot Differenzen zwischen den beiden Sachverständigen, oder zwischen diesen und den Betheiligten, oder auch der Behörde, so entscheidet, insofern jene tech-nisclier Natur sind, derKreisthierarzt, zähltjedoch dieser bereits zu jenen beiden Sachverständigen, so entscheidet der Departementsthierarzt.''
4.nbsp; nbsp;„Der Eigenthümer der betreffenden Pferde kann, bevor noch die Polizeiorgane eine Tödtung der angeblich rotzigen Pferde veran­lassen, auf die Untersuchung und das Urtheil des Kreis-, respective Departementsthierarztes provociren. In diesem Falle, und wo überhaupt die Differenzen durch Einwendungen des Eigenthümers der Pferde herbeigeführt sind, trägt die Kosten der Untersuchung durch den Kreis-, respective Departementsthierarzt der Eigenthümer, wenn jener in seinem Urtheil mit den ersten beiden Sachverständigen überein­stimmt , im entgegengesetzten Falle hat die Kosten der Staat zu tragen.quot; —
5.nbsp; nbsp;„Ist die Rotzkrankheit in dieser Weise durch Sachverständige constatirt, und das Urtheil lautet auf „unbedingt unheilbarquot;, dann lässt die Polizeibehörde solche Pferde sofort tödten, und das Desinfections-verfahren ausführen. Lautet das Urtheil dagegen auf Heilbarkeit, oder auch nur zweifelhaft, dann muss es dem Eigenthümer überlassen werden, ob er es vorziehen will, die betreffenden Pferde tödten zu lassen, oder mit ihnen den Heilversuch zu machen. Geschiebt Letzteres, dann übernimmt der Eigenthümer damit zugleich die Ver­pflichtung , die betreffenden Pferde vollständig zu isoliren, sie nicht zu benutzen, zu verkaufen, zu vertauschen oder an Andere weg zu geben ; ihre Pflege und Behandlung von einem besondern Menschen vollziehen zu lassen, der mit den Eigenschaften und Gefahren der Rotzkrankheit vertraut ist; die Heilung der Krankheit von einem approbirten Thierarzte leiten zu lassen, und schliesslioh die Gesund­heit der betreffenden Pferde durch ein kreisthierärztliches Attest nach­zuweisen, sowie die aus Allem entstehenden Kosten zu tragen. Während des Heilversuchs stehen die Pferde unter strenger polizei­licher Observanz.quot; —
6.nbsp; nbsp; „Bietet der Eigenthümer für diese Verpflichtung keine Garantie, z. B. bei Personen ohne eigenen festen Wohnsitz, also bei Reisenden und solchen, die weit von ihrer Heimat auf Reisen befind­lich sind, und es findet sich Niemand, der solche Pferde ohne Gefahr tür andere in Pflege und Behandlung nehmen will, so sind dieselben sofort zu tödten, und ist die Desinfection auszuführen.quot;
7.nbsp; nbsp;,,Ein gleiches findet statt, wenn der Eigenthümer jene Ga-rantieen nicht übernehmen will und es vorzieht, die Pferde tödten zu lassen.quot;
8.nbsp; nbsp;„Auch findet dasselbe statt, wenn nicht innerhalb 3 Monaten von dem behandelnden Thierarzte eine Bescheinigung eingereicht
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werden kann, dass die Pferde geheilt sind, oder doch in fortschreiten­der Heilung sich befinden, und wenn nicht in 6 Monaten spätestens •das Attest, des Kreisthierarztes präsentirt wird, dass die betreffenden Pferde vollständig geheilt sind. In solchen Fällen wird angenommen, die Krankheit sei unheilbar, und die Tödtuug der Pferde erfolgt. Geht indess das kreisthierärztliche Attest ein, dann werden die Pferde der Polizeiaufsicht entlassen.quot;
9. ,,Die Kreis- und Departementsthierärzte sind für alle ihre gutachtlichen Urtheile und sonstigen Handlungen bei der Rotzkrankheit verantwortlich.quot;
sect;. 805.
Im Falle ad 2, wo die Pferde nur rotzverdächtig sind, kann seitens der Sanitätspolizei eine Tödtung derselben niemals stattfinden. Alle Pferde sind als rotzverdächtig anzusehen, bei welchen nicht nur gewisse Symptome der Rotzkrankheit vorhanden sind, aus denen aber der eigentliche Rotz nicht mit Sicherheit constatirt werden kann ; ferner alle solche Pferde, die mit rotzkranken entweder in unmittel­bare oder mittelbare Berührung gekommen sind . oder die auch nur mit solchen Pferden in einem Stalle gestanden haben, wenn bei ihnen Krankheitserscheinungen auftreten, die auf den Beginn des Rotzes hindeuten, wie Drüsenanschwellungen im Kehlgange, Ausfluss aus der Nase, Athmungsbeschwerden mit kurzem, trocknem Husten, An­schwellungen, besonders der Hinterfüsse mit Auftreibung vonLymph-gefässen u. dergl.m. Die Säfte, und besonders die pathischen Effluvien solcher Pferde sind in der Regel contagiös, wie die des Rotzes, und erzeugen, auf gesunde Pferde übertragen, in den meisten Fällen den Rotz. Es ist natürlich, dass es dem freien Ermessen derEigenthümer solcher Pferde überlassen werden muss, ob sie dieselben tödten lassen wollen, oder nicht, und im letztern Falle, ob sie dieselben ärztlich behandeln lassen wollen, oder nicht. Im erstem Falle, wenn die Eigenthümer sie nicht selber behandeln wollen, dürfen sie nur von approbirten Thierärzten behandelt werden , von Pfuschern nicht; im letztern Falle können sie ohne Behandlung so beobachtet werden, bis sie sachverständig für rotzig, eventuell gesund, erklärt werden können.
sect;. 806.
In sanitätspolizeilicher Hinsicht ist bei rotzverdächtigen Pferden Folgendes erforderlich :
1) „Sie werden sofort von allen gesunden Pferden abgesondert und abgesperrt und möglichst einzeln isolirt. Die Ställe, in denen sie gestanden, die Stallutensilien und andern Gegenstände, mit denen sie und ihre Auswurfsstoffe in Berührung gekommen sind, werden einer gründlichen Desinfection unterworfen.quot; —
Erdt, Rolzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 30
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2.nbsp; nbsp;„Die Pferde bleiben, so lange sie krank sind, unter strenger polizeilicher Aufsicht; sobald sie rotzig sind, wird mit ihnen wie sect;. 805 verfahren; ist dagegen ihre vollständige Heilung durch ein kreisthierärztliches Attest nachgewiesen, dann werden sie der Polizei­aufsicht entlassen.quot; —
3.nbsp; nbsp;„Wenn rotzverdächtige Pferde sechs Monate unter Polizei­aufsicht gestanden haben, und sie sind noch rotzverdächtig, dann wird mit ihnen, wie mit wirklich rotzigen Pferden, sect;. 805, verfahren.quot; —
4.nbsp; nbsp;„Während die Pferde unter Polizeiaufsicht stehen, dürfen sie in keiner Weise mit andern gesunden Pferden in Berührung oder Gemeinschaft gebracht werden, und wenn der Eigenthümer sie be­nutzen will, darf er mit ihnen nicht überStrassen, die gesunde Pferde passiren, oder nach andern Orten ziehen. Die Pferde dürfen nicht vertauscht, verkauft oder weggegeben werden.quot;
5.nbsp; nbsp;„Die Leute, denen die Pflege und Behandlung der rotzver­dächtigen Pferde übertragen wird, müssen mit den Eigenschaften des Rotzes und der Gefahr, welche derselbe in Beziehung auf ihre Gesund­heit, hat, bekannt gemacht sein.quot;
sect;. 807.
Im Falle ad 3, bei blosser Infection, werden alle Pferde, ohne dass sich Spuren einer wirklich stattgefundenen Ansteckung, die sich bereits durch ihre Wirkung in den ersten Krankheitssymptomen zu erkennen giebt, auflinden lassen, für inficirt, respective der Infection verdächtig erklärt, bei denen eine Beschmutzung irgend welcher Art mit den Auswurfsstofien der rotzigen, respective rotzverdächtigen Pferde stattgefunden hat, oder auch die mit diesen Pferden in einem Stalle unmittelbar nebeneinander gestanden, die mit ihnen aus einer Krippe gefressen oder aus einem Eimer getrunken haben, die mit ihnen, nebeneinander gehend, arbeiteten oder zogen.
sect;. 808.
In sanitätspolizeilicher Beziehung wird mit diesen Pferden aber so verfahren , wie mit den rotzverdächtigen Pferden sect;. 806, indess finden folgende besondere Anordnungen statt:
1.nbsp; nbsp;„Die Pferde müssen täglich revidirt werden. Sobald an einem Pferde sich die ersten Spüren wirklich stattfindender Infection in ge­wissen Krankheitssymptomen, wie namentlich Drüsenanschwellungen im Kehlgange, Ausflussaus der Nase etc., einstellen, so wird dasselbe als rotzverdächtig angesehen , von den übrigen abgesondert und nun, wie sect;. 806 vorgeschrieben, weiter behandelt.quot;
2.nbsp; nbsp;„Die Pferde, welche innerhalb 2 Monaten noch keine Spur der beginnenden Rotzkrankheit zeigen, sind als der Infection unver-
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dächtig, der Contumaz und Absonderung zu entlassen. Es kann dies nur auf ein kreisthierärztliches Attest stattfinden.quot;*)
sect;. 809. Die Anzeige von dem Vorhandensein der Eotzkrankheit, oder auch von der Rotz verdächtigkeit, oder auch dem Verdacht der Infection mit Eotzgift, ist Jeder, der darum vveiss, der ressortmässigen Polizei­behörde zu leisten verpflichtet. Wie die Civilbehörde verpflichtet ist, der nächsten Militärautorität Anzeige von dem Vorhandensein der Rotzkrankheit zu machen, so miisste auf diese verpflichtet sein, der nächsten zuständigen Civilbehörde Anzeige davon zu machen, wenn unter den ihrem Commando untergebenen Pferden die Rotzkrankheit zum Ausbruch kommt, und es muss alsdann der Civilbehörde jederzeit gestattet sein, wie solches die Militärbehörde mit Recht, in Beziehung auf die Civilpferde in Ansprucli nimmt, sich amtlich durch ihre Or­gane Ueberzeugung von dem Standpuncte der Krankheit unter den Militärpferden zu verschaffen , um ihrerseits in Stand gesetzt zu sein, in ihrem Ressort den nöthigen Schutz gegen die Rotzkrankheit ein­treten lassen zu können.**) Die Entschuldigung: „den Rotz, oder
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*) Verordnungen dieser Art müssen, wenn sie einmal erlassen sind, überall und in allen Verhältnissen mit gleicher Strenge und Pünetlichkeit zur Anwen­dung kommen , und vor allen Dingen müsste hier der Staat, wenn sich unter fis-calischem Eigenthum die Rotzkrankheit, oder Rotzverdiichtigkeit zeigt, mit dem besten Beispiel vorleuchten. Dies geschieht indess in vielen Fällen nicht, wie die unter dem 2., 13. und 23. Fall mitgetheiltenThatsachen hinlänglich beweisen. Diesem schliesst sich noch eine mir bekannt gewordene Thatsache an, deren Mittheilung nicht ohne Interesse sein dürfte : „Ein mecklenburger Gutsbesitzer kaufte sieh in Westpreusstfn an und siedelte dahin mit einem ausgezeichneten Pferdebestand über. Eines Jahres kam ein Remontetransport zu ihm ins Quar­tier und hielt Ruhetag, und es hatten sich, wie er später ermittelte, unter den jungen Remonten, rotzige, respective rotzverdächtige Pferde befunden. Die Pferde des Gutsbesitzers waren angesteckt, und er verlor nach und nach in kürzerer Zeit 27 Pferde und mehrere Füllen am Rotz. Bald nach dem Ausbruche der Krankheit, bevor dieselbe als Rotz festgestellt war, besuchte ihn sein Schwieger­sohn, ein Gutsbesitzer aus Pommern. Dieser steckte sich seine Wagenpferde an und trug durch diese das Contagium auf seine Ackerpferde über, so dass auch dieser 16 Pferde am Rotz einbüsste.
Wenn es straffällig ist, dass Civilbehürden auf dem Transporte oder Marsche befindlichen königlichen Pferden vom Rotze inficirte Quartiere anweisen, so müsste es andererseits auch eben so straffällig sein, wenn königliche Beamte, welche Pferde zu transportiren haben, oder mit ihnen marschiren, unter denen der Rotz existirt, oder die auch nur des Rotzes oder der Infection verdächtig sind, Quartiere bezieben , wo Pferde sind , und gar noch abziehen, ohne von dem Zustande ihrer Pferde dem betreffenden Quartiergeber Anzeige zu machen.
**) Das System der Verheimlichung der Rotzkrankheit, wie dies so mehren-theils usuell geworden ist, ist die häufigste Ursache ihrer Verbreitung, es müsste daher jede Verheimlichung am unnachsichtlichsten gestraft werden. Aber auch der Umstand, dass jetzt in Preussen, gegen Rotz eingeleitete Sperren, auf ein blosses Gesundheitsattest jedes beliebigen Thierarztes, aufgehoben werden, und
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die verdächtige Krankheit nicht erkannt zu habenquot;, — darf so wenig bei unterlassenen Anzeigen, wie für andere Fälle gelten , weil jeder, der Pferde besitzt und mit Pferden handelt und verkehrt, verpflichtet ist, sich mit den in die Augen fallenden Kennzeichen der anstecken­den Krankheiten der Pferde bekannt zu machen, wofür überall Ge­legenheit zu den ausreichendsten Belehrungen gegeben ist, und ist er sich über gewisse Erscheinungen und in vorkommenden Fällen nicht sicher und klar, so ist es seine Sache, die überall abzureichenden Sach­verständigen deshalb zu befragen.
sect;. 810.
Der Rotz wird durch seine Eigenschaften, d. h. durch die Con-tagiosität, durch dieFähigkeit, sich auf Menschen zu übertragen, und hier eine tödtliche Krankheit zu erzeugen, ferner dadurch, dass er oft nur unter sehr scheinbaren Symptomen, oft in sehr versteckter Weise auftritt, und dass das am meisten in die Augen fallende, und zu seiner Erkennung führende Symptom, der Ausfluss aus der Nase, sehr leicht für einige Stunden zu unterdrücken ist, der Rotz als sol­cher daher in vielen Fällen nur von Sachverständigen nach längerer Beobachtung und gründlicher Untersuchung erkannt werden kann, endlich dadurch, dass er mehrentheils eine unheilbare, mithin tödt-lich verlaufende, Krankheit ist, sehr häufig Veranlassung und Gegen­stand gerichtlicher Proceduren, in denen Thierärzte als Sachverstän­dige zu fungiren haben. Der Rotz kann sowol Veranlassung zu Uebertretungen bestehender, gesetzlicher Bestimmungen und Vor­schriften, wie zu Vergehen und Verbrechen gegen Andere werden, welche das Einschreiten der Polizei- oder Staatsanwaltschaft und ein richterliches Verfahren herbeiführen. Durch ihn finden ferner im Handel sehr häufig Uebervortheilungen und Beschädigungen Anderer statt, und er wird dadurch Veranlassung zu mannigfachen Privatstrei­tigkeiten , die nur im Wege richterlicher Entscheidung geschlichtet werden können. In allen solchen Fällen, wo eine richterliche Ent­scheidung über die Rotzkrankheit und die durch sie herbeigeführten Streitfragen erforderlich wird, muss die Thierarzneiwissensehaft mit
damit der Verkehr mit rotzverdächtigen Pferden freigegeben wird, ist, wie uns nur zu viele Beispiele bestätigen, eine der häutigsten Ursachen der Rotzverbrei­tung. Ein jeder Eigenthiimer, dem rotz-, oder infeclionsverdächtige Pferde un­ter Contumaz gestellt werden, sucht, so früh wie möglich, sich dieser zu entledi­gen. Die Beschaffung eines thierärztlichen Gesundheitsattestes, wie es beliebt wird, ist ihm sehr leicht, denn der Aussteller hat weder eine Verantwortlichkeit, noch Controle zu besorgen. Der Landrath hebt, dem Attesie gemäss, die Con­tumaz auf. Der Eigenthiimer sucht die contnmazirten Pferde sobald als mög­lieh loszuwerden, überlässt sie daher einem Händler, der dann einen entlegenen Käufer damit beglückt, welcher nach einigen Wochen gewahr wird, dass er den Rotz sich auf den Hals gekauft hat.
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ihrem technischen ürtheile der richterlichen Autorität zur Seite tre­ten , um die rechtskräftige Entscheidung derselben in die richtige Bahn zu lenken. Es erfordert somit jenes Urtheil eben so vol die gründlichste wissenschaftliche Kenntniss des Gegenstandes, eben sowol die ausgedehnteste Erfahrung über denselben, wie ein gereif­tes, klares, überzeugendes Urtheil überhaupt.
sect;. 811.
In den concreten Fällen, wo es sich um die Frage handelt: oigt; eine Uebertretung, ein Vergehen oder Verbrechen in Beziehung auf die Rotzkrankheit wirklich stattgefunden hat, wird zunächst immer erst festgestellt werden müssen, ob die Rotzkrankheit wirklich vor­liegt, oder nicht. Dies kann natürlich nur durch ein sachverständiges Urtheil entschieden werden. Welcher Art, und in welchem Maasse, ob durch Handlungen oder Unterlassungen, die Uebertretung, das Vergehen oder Verbrechen stattgefunden habe, das ist Sache rich­terlicher Entscheidung. Kommt es dabei aber darauf an, die Wir­kungen und Folgen jener Uebertretungen etc. festzustellen, um danach das Maass der Strafbarkeit und der Entschädigung des Beschädigten zu bemessen, so muss hier der Richter auf das sachverständige, thier-ärztliche Gutachten recurriren.
Die Fälle, in denen ein richterliches Untersuchungsverfahren einzutreten hat, und in denen in der Regel ein sachverständiges Ur­theil erfordert wird, sind etwa folgende : Handlungen gegen die sani­tätspolizeilichen Vorschriften und Anordnungen, welche eben sowol aus Fahrlässigkeit, wie aus bösem Willen stattfinden können, z. B. Verletzung der über rotzkranke oder der Infection verdächtige Pferde verhängten Sperrmaassregeln; ebenso Unterlassungen in Beziehung auf die gedachten Vorschriften, wie z. B. die Unterlassung der recht­zeitigen Anzeige vom Vorhandensein des Rotzes, die Unterlassung der Ausführung der Desinfection etc. Ferner fahrlässige oder vor­sätzliche, böswillige Handlungen, durch welche andere in ihren Rech­ten gekränkt, und in ihrem Eigenthum beschädigt werden. Es kön­nen diese Vergehen sowol gegen den Staat, gegen ganze Gemeinden, wie gegen einzelne Personen stattfinden, z. B. wenn das Rotzconta-gium auf Pferde übertragen wird, welche dem Staate gehören; wenn durch rotzige Pferde Gemeinde weiden oder Tränken vergiftet werden, so dass deren Benutzung ausgesetzt werden muss; wenn das Rotz-contagium in Orten so verbreitet wird, dass beschränkende Verkehrs­maassregeln über die sämmtlichen Pferde verhängt werden müssen ; wenn Privatweiden oder Tränken, oder Pferde einzelner Besitzer, wenn selbst Menschen durch Rotzcontagium inficirt, resp. vergiftet werden ; rotzige, rotzverdächtige, oder nur der Infection verdächtige
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Pferde in doloser Absicht an Andere verhandelt und überlassen werden u. s. w.
sect;. 812.
Das ürthcil des Sachverständigen kann in allen im vorhergehen­den sect; aufgeführten Fällen nicht nur maassgebend werden für die richterliche Entscheidung insofern, als die Frage zunächst beantwortet werden muss: ob das Verschulden in der That vorliegt; sondern auch insofern, in welcher Weise das Verschulden begangen worden ist, und in welchem Maasse der Verschulder für die Folgen verant­wortlich gemacht werden kann. Für den ersteren Fall hat der Sach­verständige in seinem desfallsigen Gutachten nachzuweisen, und dies wissenschaftlich eben sowol, wie durch die Grundsätze der Erfahrung zu motiviren, dass in der That die Rotzkrankheit oder das Contagium derselben zur Zeit der Handlung, resp. Ueberlassung des Verschul­ders vorhanden, und in seinem Besitze gewesen ist. Für den andern Fall aber muss in dem Gutachten nachgewiesen und wissenschaftlich motivirt werden, dass, und in welcher Weise das Verschulden mit dem Contagium stattgefunden hat, und welche Folgen dieses Verschul­den, naturgemäss sowol, wie nach wissenschaftlich-technischen Prin-cipien und nach feststehenden Erfahrungsgrundsätzen, in Beziehung auf die thatsächlich zur Anklage gekommenen Momente haben musste. Diesen letztem Nachweis hat der Sachverständige einfach und leicht aus der Natur des Contagiums herzuleiten und thatsächlich dadurch zu führen, dass er das Vorhandensein des Rotzes auch bei dem Beschädigten nachweist. Da aber zwischen dem Verschulden und den daraus hervorgehenden Folgen in den meisten Fällen eine gewisse unbestimmte Zeit, von sehr verschiedener Dauer, die wieder von verschiedenen Ursachen abhängig ist, verstreicht, so hat der Sachverständige, dessen Gutachten darüber erfordert wird: ob diese Folgen durch jenes Verschulden mit Berücksichtung des inzwischen verflossenen Zeitraums verursacht worden sind, — unter genauer Beachtung jener Ursachen, zunächst den Thatbestand über jene Frage festzustellen, und demnächst hieraus die Beantwortung derselben wis­senschaftlich abzuleiten und zu motiviren. Diese Frage wird in den meisten Fällen am schwierigsten zu beantworten sein, und es ist, je nach dem Thatbestande eine vierfache Beantwortung möglich : l.Jene Folgen sind durch das nachgewiesene Verschulden thatsächlich und bestimmt verursacht. 2. Es greift nur die Vermuthung Platz, dass solches statt hat. 3. Es ist aus dem vorliegenden Thatbestande we­der wissenschaftlich, noch erfahrungsmässig nachzuweisen, noch die Vermuthung zu schöpfen, dass das Verschulden, selbst wenn dies nachgewiesen ist, jene Folgen verursacht hat. quot;4. Es ist thatsächlich und bestimmt nachzuweisen, dass selbst bei nachgewiesenem Ver-
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schulden, jene Folgen nicht aus diesem hervorgegangen sind. Die Art der Beantwortung dieser Frage ist daher in Beziehung auf die Haftbarkeit des Verschuiders von grosser Wichtigkeit. Ihre wissen­schaftliche Beantwortung wird abgeleitet aus der Natur des Conta-giums der Rotzkrankheit, besonders aus dem Maasse seiner Tenacität und Schärfe ; aus der Art und Weise, wie das Contagium verbreitet worden ist, resp. die Infection, stattgefunden hat; aus der Verschie­denheit der Dauer des Incubationsstadiums, aas der Pathogenesis der Krankheit, ihrer Form und ihrem Character, und endlich aus dem Verlauf und der Dauer der Krankheit selbst.
sect;. 813.
Im ersteren Falle wäre der Verschulder nicht allein für das Ver­schulden selbst zu bestrafen, sondern er wäre auch für den ganzen und vollen, aus dem Verschulden hervorgegangenen Schaden verant­wortlich zu machen. Im zweiten Falle dagegen wäre zwar auch, wie in allen andern Fällen, das Verschulden selbst zu bestrafen, in-dess wäre der Verschulder immer nur dann zum Schadenersatz für die Folgen zu verurtheilen, wenn er nicht anderweitig nachweisen kann, dass jene Folgen aus andern Ursachen, als aus seinem Ver­schulden, entstanden sind*). Liefert er indess Beweise, welche die Vermuthung in gleicher Stärke begründen, dass der Schaden beim Beschädigten durch dessen Schuld entstanden ist, so würde immer nur eine vorläufige Freisprechung von der zu leistenden Entschädi­gung stattfinden können. Im dritten Falle dagegen ist der Verschul­der von der Entschädigung ganz frei zu sprechen, wenn der Beschä­digte nicht anderweit nachweisen kann, dass derselbe den Schaden verursacht hat**). Liefert er indess aber den Beweis, welcher die Vermuthung begründet, dass letzterer den Schaden verursacht hat, so würde dieser von der zu leistenden Entschädigung immer nur vor­läufig frei zu sprechen sein. Im vierten Falle endlich wäre der Ver-schnlder unter allen Umständen freizusprechen.
Die weitern, hier beregten Beweise für oder gegen die Schuld des Angeklagten, für und gegen die Vermuthung der Ursachen des
*) Analog dem Gesetze: „erkrankt oder stirbt ein verkauftes Stück Vieh innerhalb 24 Standen nach geschehener Uebergabe, so gilt die Vermuthung, dass die Krankheit schon vor der Uebergabe, also beim Verkäufer, vorhanden war, und ist derselbe zum Schadenersatz verpflichtet, wenn er nicht nachweisen kann, dass die Krankheit erst nach der Uebergabe entstanden istquot;.
**) Analog dem Gesetze: „erkrankt oder stirbt ein verkauftes Stück Vieh nach 24 Stunden nach der Uebergabe, so gilt die Vermuthung, dass die Krank­heit erst nach der Uebergabe, also beim Käufer, entstanden ist, und ist derselbe zur Tragung des Schadens verpflichtet, wenn er nicht nachweisen kann , dass die Krankheit schon vor der Uebergabe vorhanden warquot;.
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entstandenen Schadens, begründen gewisse positive Thatsachen, die nach zeugeneidlichen Nachweisen festzustellen sind. Im zweiten Falle zur Entlastung des Angeklagten: wenn nachgewiesen wird, dass der Beschädigte zur Zeit, in welche das Verschulden fällt, oder vorher, selbst rotzige, oder rotzverdächtige Pferde besessen, oder dass er zu jener Zeit, oder auch nach derselben, mit solchen zu thun gehabt oder im Verkehr gestanden hat; wenn nachgewiesen wird, dass derselbe mit Pferden in solchen Ställen verkehrt hat, wo rotzige Pferde standen oder gestanden hatten. oder dass er durch fehlerhafte Nahrungsmittel und schlechte oder fehlerhafte Pflege und Behand­lung etc. die Eotzkrankheit spontan erzeugt hat, dass andere Krank­heiten vorhanden gewesen sind, die bei fehlerhafter Behandlung leicht und häufig in Rotz übergehen, und dass eine solche Behandlung in der That stattgefunden hat. Im dritten Falle zur Belastung des An­geschuldigten: wenn nachgewiesen wird, dass derselbe zur Zeit des Verschuldens, oder vor derselben, rotzige oder rotzverdächtige Pferde besessen oder mit denselben vorkehrt hat, und Umstände vorhanden sind, aus denen hervorgeht, dass er den Rotz oder sein Contagium habe aufnehmen müssen oder können, und dass das letztere von ihm übertragen, resp. verpflanzt worden sei. In solchen Fällen kann es kommen, dass der Sachverständige die Zeugendepositionen zu prüfen, und danach, wenn keine anderweiten, positiven Thatsachen und tech­nisch-wissenschaftlichen Beweise vorliegen, sein Gutachten abzuge­ben, resp. zu modificiren hat.
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sect;• 814.
Die Praxis der Gerichte ist mehrentheils nach der Art, dass sie Uebertretungen, Vergehen und Verbrechen in Beziehung auf die Ver­schleppung des Contaginms, der dadurch bewirkten Verbreitung an­steckender Krankheiten , und der damit verbundenen Beschädigung fremden Eigenthnms, nur in dem einzigen Falle als solche ansehen, wenn die Krankheit vorher von Sachverständigen als eine ansteckende ausdrücklich constatirt, dies dem betreffenden Eigenthumer bekannt gemacht, und auf Grund des sachverständigen Urtheils speciell gegen die Krankheit seitens der Obrigkeit mit Sperrmaassregeln eingeschrit­ten wurde. In allen andern Fällen lassen sie in der Regel den Ein­wand passiren, dass der betreffende Verschulder, von dem die Ver­breitung der Krankheit veranlasst wurde, nicht Sachverständiger sei, daher die Krankheit und ihr Gift, mithin die damit verbundene Wir­kung und Gefahr nicht gekannt habe, und damit bleibt das Verschul­den dieser Art mehrentheils straflos. In Betreffquot; der Entschädigung des mit diesem Verschulden angerichteten Schadens, gilt in der Regel der Grundsatz, dass eine directe und unmittelbare Uebertragung des
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Contagiurns, und ebenso die directe Entwickelung der Krankheit nach derselben, nachgewiesen werden muss, andernfalls fehlt der juridische Beweis für die stattgefandene Infection, und der Beschädiger wird von der Entschädigungsverpflichtung freigesprochen. Auf diese Weise wird nur in äusserst seltenen Ausnahmefällen das Verschulden auch in Betreff der Verbreitung dos Rotzes straffällig, so häufig dasselbe auch vorkommt, und noch in weit selteneren Fällen gelangt der Be­schädigte zu seinem Recht und zu seiner Entschädigung. Die Wis­senschaft fasst die Sache von anderer Seite auf, und geräth hier offen­bar mit dem Richter in Conflict. Sie ist der Ansicht, dass der Ein­wand : die Krankheit nicht erkannt zu haben , beim Rotze nicht gel­ten dürfe, weil eben der Rotz eine durch äusscre Symptome (Aus-fluss, Drüsenanschwellung) in der Regel in die Augen fallende Krankheit ist, die fast täglich und überall vorkommt, daher sehr be­kannt ist, und von der namentlich aber Jeder, der Pferde besitzt oder damit umgeht, weiss, resp. wissen muss, dass sie ansteckend ist. — Weist nun die Wissenschaft gutachtlich nach, dass, sei es durch Handlung oder Unterlassung, sei es wissentlich und mit Absicht, oder aus Versehen und Fahrlässigkeit, das Rotzcontagium verschleppt und auf die eine oder andere Weise auf andere gesunde Pferde oder auf Menschen übertragen worden ist, was durch jede Berührung mit dem Contagium stattfindet, so liegt immer ein Verschulden vor , das nach Maassgabe seiner Höhe straffällig ist, selbst wenn der Verschulder nachweisen könnte, dass er in der That die Krankheit als Rotz nicht erkannt habe, denn es ist in solchem Falle seine Sache, sich über die wahre Natur der beim Rotze in die Augen fallenden Symptome un­terrichten zu lassen, wenn er sie selber nicht erkennt, wozu er überall Gelegenheit hat, und thut er dies nicht, bevor er das Contagium ver­schleppt, so begeht er damit eine Unterlassung, aus der ein strafbares Verschulden hervorgeht, für dessenFolgen er verantwortlich gemacht werden muss. Nur der einzige Fall, wo die Synjptome des Rotzes nicht in die Augen fallen, bei dem occulten Rotze, der selbst für den Sachverständigen, als solcher, nicht immer erkennbar ist, ein Fall, der indess sehr selten eintritt, würde die Entschuldigung, die Krank­heit nicht erkannt zu haben, gelten dürfen, und es würde aus der Verschleppung des Contagiurns in solchem Falle ein strafbares Ver­schulden nicht zu deduciren sein. Dennoch würde aber auch in sol­chem Falle immer der Besitzer eines der Art am Rotze leidenden Pferdes für jeden Schaden, der dadurch Andern zugefügt wird, gleich­viel durch welche Handlung oder Unterlassung solcher herbeigeführt wird, verantwortlich sein, analog dem Rechtsgrundsatze, dass Jeder für den Schaden haften müsse, den das in seinem Besitze oder unter seiner Leitung befindliche Vieh anrichtet, und es würde mit dem Ent­schädigungsanspruch immer auf denjenigen zu regressiren sein, wel-
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eher nachweislich zuerst im Besitze des rotzigen Pferdes, als solches, gewesen ist.
Der Nachweis, dass eine Uebertragung des Contagiums von rotzigen Pferden auf gesunde und auf Menschen stattgefunden hat, ist wissenschaftlich vollständig geführt, wenn nachgewiesen ist:
1.nbsp; nbsp;Dass jene Pferde wirklich rotzig, resp. rotzverdächtig waren;
2.nbsp; nbsp;dass sie zur Zeit, wie sie dies waren, mit andern Pferden, resp. Menschen, in solche unmittelbare oder mittelbare Berührung oder Verbindung traten, in welcher die Ueber­tragung des Contagiums Regel ist und nachweislich er­fahrungsmassig gewöhnlich erfolgt;
3.nbsp; nbsp;dass zur Zeit, als diese Pferde, resp. Menschen, der An­steckung durch Rotzconfagium ausgesetzt wurden , sie ge­sund waren, und keine Spuren einer Infection von Rotz an sich trugen, auch nicht nachgewiesen noch anzuneh­men ist, dass sie schon vorher vom Rotze inficirt waren;
4.nbsp; nbsp;dass keine andern Veranlassungen, weder vorher, noch während, noch nachher, als die Verbindung mit dem Con-tagium jener rotzigen, resp. rotzverdächtigen Pferde, auf die gedachten gesunden Pferde, resp. Menschen, einge­wirkt haben, welche sowol den genuinen, wie den Infec-tionsrotz erzeugen konnten ;
5.nbsp; nbsp;dass, da die ersten Symptome des Rotzes bei den bis da­hin gesund gewesenen Pferden und Menschen in der Regel an denjenigen Körperstellen zum Vorschein kommen, resp. sich zu erkennen geben , wo das Contagium einge­wirkt, also die Infection stattgefunden hat, die Rotzkrank­heit dort zuerst sich gezeigt, resp. ihren Anfang genom­men hat, wo nach Lage der Sache die nächste Berührung mit dem Contagium stattfinden muss(e, resp. konnte. Dies wird bei Pferden in der Regel am Kopfe oder am Halse, und zwar immer an der einen Seite desselben, stattfinden, welche der Einwirkung des Contagiums zunächst und am meisten ausgesetzt wurde; bei Menschen aber wird sich die erste Wirkung der Infection immer an solchen Stellen zeigen, von denen der Infectionsstoff aufgenommen wer­den konnte, also wenn nicht an der Schleimhaut der Au­gen , Lippen oder Nase, dann an Hautverletzungen, die zur Zeit der Berührung mit dem Contagium vorhanden waren;
6.nbsp; nbsp;endlich, dass die Krankheit in einer entsprechenden Incu-bationsperiode, die allerdings längstens auf 4 Wochen fest-
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zusetzen sein würde*), nach angenommenerlnfection, zun: Ausbruch gekommen ist, d. h. sich in ihren ersten Sym­ptomen zu erkennen gegeben hat. Weiter geht der wissenschaftliche Beweis allerdings nicht, und ist derselbe juridisch nicht vollgültig für die Schuld des Angeklagten, so wird er immer die Vermuthung derselben juridisch begründen, und diesen in die rechtliche Nothwendigkeit bringen, das Gegentheil sei­ner Schuld zu beweisen.
sect;. 815.
Die häufigsten Rechtsstreitigkeiten , in Beziehung auf die Rotz­krankheit gehen aus dem Handel mit Pferden hervor, durch diesen finden die meisten Verschleppungen und Verbreitungen des Conta-giums, und damit die meisten Beschädigungen am fremden Eigenthum statt. Sobald durch den Handel mit rotzigen, resp. rotz- oder infec-tionsverdächligen Pferden, sanitätspolizeiliche oder andere strafge­setzliche Bestimmungen übertreten worden sind, tritt, wie oben, das Untersuch ungs- und Strafverfahren ein; im Betreff der Entschädigung für den angerichteten Schaden am fremden Eigenthum aber findet die Civilklage im ordentlichen Processverfahren statt. 'Dies sind nun die häufigsten Fälle, in denen eine richterliche Entscheidung in Anspruch genommen wird und für welche sachverständige Gutachten erfordert werden.
sect;. 816.
Ist in dem Untersuchungsverfahren die Uebertretung, oder ein grobes Versehen, oder gar die böse Absicht, der Dolus, seitens des Verkäufers nachgewiesen, so tritt damit die Verpflichtung des letztern zum Ersatz für allen und jeden, aus seinem Handel hervorgegangenen und noch hervorgehenden, unvermeidlichen , directen wie indirecten Schaden von selbst hervor, und es kommt dann nur noch darauf an, die Art und Ausdehnung des Schadens zu erraiftehi. Eine Ueber­tretung findet aber statt, wenn der Besitzer rotziger, des Rotzes oder der Infection verdächtiger Pferde solche verkauft, ungeachtet ihm obrig­keitlich der Verkauf untersagt war, selbst dann schon , wenn er auf die mit dem Verkauf verbundene Gefahr von andern Personen auf­merksam gemacht wurde, und er es unterlassen hatte, sich Ueberzeu-gung von dem Zustande seiner Pferde und der Gefahr ihres Verkaufs zu verschaffen. Ein grobes Versehen findet dagegen statt, wenn er rotzige oder rotzverdächtige Pferde verkauft, weil die Symptome die­ser Krankheitszustände theils in die Augen fallen, und es seine Sache
*) Eine längere Incubationsperiode, die allerdings nach Infectionen des Rotzes vorkommt, gehört immer schon zu den Ausnahmen, in Fällen, wo solche eintreten, müssen wir allerdings auf diesen Beweis verzichten.
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ist, vor dem Verkauf über die Bedeutung jener Symptome sich zu unterrichten; es findet statt, wenn er Pferde verkauft, von denen er vermuthen mnss, dass sie infieirt sein können, weil er annehmen kann, dass sie das Rotzcontagium aufgenommen haben, indem er weiss, dass sie neben rotzigen oder rotzverdächtigen Pferden , oder dass sie in inficirten Ställen gestanden haben, oder dass sie mit durch Rotzcontagium inficirten andern Gegenständen in Berührung gekom­men sind, dass sie von Rotzcontagium inficirtes Futter oder Getränk aufgenommen haben etc. Die wissentliche, dolose Absiciit ist abtr beim Verkauf von rotzigen oder rotzverdächtigen Pferden in vielen Fällen schon aus dem Grunde vorauszusetzen , weil sich die Krank­heit durch auffällige Symptome nach Aussen zu erkennen giebt, weil sie zu häufig und alltäglich vorkommt, und daher sehr allgemein be­kannt ist, und weil fast Jedermann ihre Ansteckungsfähigkeit kennt. Sie ist nun besonders noch in den Fällen anzunehmen, wenn bei dem Verkäufer schon gleiche Erkrankungen anderer Pferde stattgefunden haben, von denen derselbe nachweislich gewusst hat, dass sie rotzig waren; wenn dem Verkäufer von Andern, namentlich aber von Sach­verständigen, gesagt worden ist, dass die Pferde, welche er verkaufen will, rotzig oder rotzverdächtig sind ; wenn die verkauften Thiere in einem inficirten Stalle, oder neben rotzigen Pferden gestanden, ge­zogen etc. haben, oder in anderer Weise mit rotzigen Pferden in Be­rührung gewesen sind, was nachweislich der Verkäufer wissen musste und gewusst hat, und solche Pferde vor dem Verkauf schon rotzig oder rotzverdächtig werden ; wenn bei dem Verkäufer die Rotzkrank­heit bei den zu verkaufenden Thieren schon längere Zeit existirt hat, und derselbe nachweislich schon Curen mit den Pferden vorgenom­men und sich überzeugt hat, dass die Krankheit unheilbar ist, oder wenn er selbst über die Krankheit gegen Andere sich geäussert hat, so dass daraus hervorgeht, er habe die Krankheit gekannt; wenn er Pferde verkauft, von denen er nachweislich gewusst hat, dass sie vom Rotze inficirt waren, wenn die Krankheit beim Verkauf auch noch nicht ausgebrochen war; wenn er den Verkäufer absichtlich zu täu­schen sucht, indem er eine genauere Untersuchung der Pferde geflis­sentlich hintertreibt, dahin mit besonderem Raffinement strebt, dass der Handel im Finstern abgemacht wird, oder dadurch , dass er auf­fällige Symptome, wie den Ausfluss aus der Nase, für die Zeit des Handels beseitigt, resp. unterdrückt; wenn er endlich beim Handel die Erscheinungen der Rotzkrankheit hinter einer andern, künstlich erzeugten Krankheit zu verstecken gesucht, oder wenn er durch Be­hauptung unwahrer Thatsachen den Käufer zu täuschen, seine Auf­merksamkeit von der Krankheit abzulenken . und auf andere Gegen­stände zu leiten gewusst, und durch falsche Vorspiegelungen über die wahre Natur der vorhandenen Krankheit zu täuschen gesucht hat.
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Dies sind alles Verhältnisse, die der Arbiter bei Abgabe seines Gutachtens genau zu berücksichtigen und in Erwägung zu ziehen hat; es liegen darin die Motive für den eigentlichen, wesentlichen Tenor des Gutachtens.
sect;• 817.
Die Motive zu den meisten Handlungen der vorgedachten Art liegen in gemeiner Gewinnsucht, wie sie sich beim Verkauf und Kauf von Pferden ergiebt, seltener ist Unwissenheit oder Fahrlässigkeit die Veranlassung. Die Neigung, rotzige Pferde noch zu verwerthen, um den Verlust zu vermindern, mehr aber noch solche Pferde, die rotzverdächtig sind, oder von denen man weiss, dass sie angesteckt sind, noch um angemessene Preise an den Mann zu bringen, bevor sie rotzig werden, ist ein ganz gewöhnliches Motiv zu jenen dolosen Handlungen. Um die Folgen ist man dann unbekümmert, und so zerstört man auf diese Weise oft die Subsistenz und den Wohlstand ganzer Familien, tödtet ganze grosse Pferdobestände, und vernichtet damit einen grössern Theil des Nationalwohlstandes. Es wäre in der That traurig, wenn solche Handlungen stets straflos verübt wer­den dürften, und wenn nicht jeder einzelne in dieser Weise oft hart Getroffene einen Entschädigungsanspruch für den ohne seine Schuld ihn ruinirenden Schaden an den Beschädiger erheben dürfte.
sect;. 818.
Wie den Verkäufer, so treibt, aber auch in vielen Fällen den Käufer die Gewinnsucht zu dolosen Handlungen gegen jenen, und es ist Pflicht der Rechtspflege, dass sie jenen eben sowol gegen Kcchts-verletzungen und Beschädigungen in seinem Eigenthum schütze, wie diesen. Wenn auch in der Regel die Verschuldungen dieser Art sei­tens des Käufers nicht die Gefahren im Gefolge haben, wie die des Verkäufers, indem jene immer eine bestimmte Grenze inne halten, und sich nur auf die Beschädigung am Eigenthum des Verkäufers beschränken, während die des Verkäufers unabsehbare Dimen­sionen annehmen und sich bis auf die Gesundheit und das Leben der Menschen erstrecken können, so hat dies auf die Rechts­pflege , deren Aufgabe lediglich Aufrechthaltung des Rechts ist, unbekümmert um die Grosse des Unrechts, keinen Einfluss. Der Sachverständige, dessen Urtheil auch hier, von Privaten sowol, wie richterlicherseits, in sehr vielen Fällen in Anspruch genommen wird, muss hier mit gleicher gewissenhafter Prüfung des Thatbestandes, und einem gleich sachkundigen Urtheil vorgehen, um mittels dessel­ben den Richter zur Selbsterkenntniss der Sache und zur richtigen Entscheidung zu leiten.
sect;. 819.
Der Käufer erhebt in vielen Fällen einen wissentlich ungerech-
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ten Entschädigungsanspruch an seinen Verkäufer, und er wird dazu, wenn nicht durch unmittelbare Gewinnsucht, so doch durch den Um­stand verleitet, dass er aus den gekauften Pferden nicht denjenigen Vortheil erzielen kann, den er beim Kauf davon sich versprochen hat, oder dass er nach dem Kauf sich übervortheilt glaubt, oder in der That auch übervortheilt worden ist. Aber auch erhebt er wol diesen Anspruch, wenn die Pferde, während er sie besitzt, sich die Rotzkrankheit erwerben , er mag dies wissen oder nicht, veranlasst haben oder nicht, und wenn er diesen Anspruch nicht- rechtlich be­gründen kann, so wendet er oft betrügerischer Weise die unerlaubte­sten Mittel an, um denselben gesetzlich aufrecht erhalten zu können. Es kommt daher vor, dass Käufer rotzige Pferde besitzen , und die gekauften daneben stellen, dass sie diese in Ställe und Krippen bringen, wo rotzige Pferde gestanden haben, dass sie auf diese und auf mannigfache andere Weise die Pferde entweder in doloser Ab­sicht, aus grober Fahrlässigkeit oder aus Unwissenheit, inficiren, und sobald die ersten Spuren der Krankheit sich zeigen, auf ein thierärzt-liches Gutachten provociron, welches den Eotz constatirt und die Entstehung desselben vor der Uebergabe, also bei dem Verkäufer, nachweist, den sie demnach wegen Schadenersatz in gerichtlichen An­spruch nehmen. Es kommt vor, dass sie hierbei alle Mittel der Ueberredung, Täuschung und Bestechung anwenden, um ein derar­tiges Gutachten zu erreichen, und dass sie, sobald dies geschehen, die Pferde, den betr. polizeilichen Gesetzen gemäss, tödten lassen. Eine solche Tödtung gekaufter Pferde seitens des Käufers sowol, wie durch Polizeiorgane, isc daher, bevor die Gegenpartei in ihrer Weise sich Ueberzeugung von dem Zustande des Objects verschafft hat, aus den Gründen, die sect;. 801 entwickelt sind, vollständig unstatthaft, und sie giebt sowol die meiste Veranlassung zu Betrügereien, wie sie eine Art Gewährleistung für das Gelingen derselben ist. Es müsste daher der Käufer, event. Kläger, in solchen Fällen immer als beweisfällig erachtet werden, selbst wenn er seinen Rechtsanspruch durch ein thierärztliches Gutachten beweisen kann, denn der einzelne Thierarzt kann, wie dies erfahrungsmässig häufig geschieht, irren , er kann so­gar bestochen sein u. s. w.
sect;. 820.
Wie der Verkäufer, so muss auch der Käufer für die Folgen seiner Handlungen oder Unterlassungen aus Unwissenheit und Fahr­lässigkeit verantwortlich sein, und den daraus erwachsenden Schaden selber tragen. Für Handlungen oder Unterlassungan in doloser Ab­sicht aber, verfällt er nicht nur dem Strafrecht, sondern er verliert auch den Anspruch auf jede Entschädigung für gehabten Schaden. Dass die gekauften Pferde sich bei dem Käufer angesteckt haben.
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resp. dass bei diesem der Rotz entstanden ist, ist in den Fällen anzu­nehmen, wenn derselbe, vom Tage derUebernahtne an, einen längern Zeitraum als 14 Tage verstreichen lässt, bevor er den Rotz anzeigt, oder denselben durch einen Sachverständigen feststellen lässt, oder die Absicht zu erkennen giebt, dass er den Verkäufer regresspflichtig machen will, und dabei nicht nachweisen kann, dass er früher die Krankheit nicht entdecken konnte, oder dass dieselbe wirklich beim Verkäufer, resp. durch dessen Schuld entstanden ist, oder endlich, dass sie bei ihm (Käufer) nicht entstehen konnte; wenn beim Käufer die Krankheit als chronischer Rotz erst 14 Tage nach der Uebergabe ausbricht, und derselbe nachweislich noch andere rotzige Pferde hat, resp. innerhalb der letzten 6 Monate gehabt hat, oder bei ihm die Pferde auf andere Weise mit Rotzcontagium in Verbindung gekom­men sind; aber auch dann, wenn der Rotz bei ihm innerhalb 14 Tagen in acuter Form ausbricht, und dabei zugleich dieser letztere Nachweis geführt wird.
Die dolose Absicht des Käufers aber liegt vor, ist resp. zu ver-muthen, wenn er das Strcitobject in unerlaubter oder übereilter Weise beseitigt, bevor noch seine Gegenpartei sich Üeberzeugung vom Zu­stande desselben verschaffen konnte, wenn er geflissentlich den That-bestand verdeckt, verdunkelt, oder der Art zu entstellen sucht, dass der Gegenpartei, dem Sachverständigen oder dem Richter damit eine klare Einsicht in die Sache, oder die Beweiserhebung vom Gegen-theil seiner Behauptung unmöglich gemacht wird ; wenn er für seine Angaben falsche Zeugen stellt, und erweislich falsche Thatsachen aufführt; wenn er Zeugen durch Ueberredung, Täuschung und Be­stechung zu gewinnen sucht, indem er künstlich, den Rotz characteri-sirende Symptome und Krankheitszustände, wie z.B. Rotzgeschwüre, zu erzeugen sucht; wenn er die Bestechung des Sachverständigen versucht oder ausführt.
Es kommt vor, dass der Sachverständige in allen solchen und ähnlichen Fällen sein Gutachten abgeben muss, und es ist hierbei nothwendig , dass er sich vor Täuschungen, wie vor Versuchungen jeder Art schützt und, rein objectiv, gestützt auf die Grundsätze der Wissenschaft und Erfahrung, nach dem stattfindenden Thatbestande sein Urtheil dem Richter klar vorlegt, wobei er alles Dasjenige in Be­rücksichtigung zu ziehen hat, was etwa mit dem Streitobject in der Zeit, in welcher es im Besitze des Käufers sich befindet, vorgegangen ist; da er nicht allein die Existenz des Rotzes, sondern auch den Zeitpunct ihres Entstehens, und in Fällen auch ihre Ursachen gut­achtlich festzustellen hat. Kann der Käufer die Identität der Pferde nicht nachweisen, dann bleibt er immer beweisfällig.
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sect;. 821. Das Gesetz gewährt in allen Ländern beim Pferdehandel einen gewissen Schutz gegen die directe Beschädigung durch die Rotzkrank­heit, es ist dies das Währschaftsgesetz, welches darauf bedacht sein muss, in gleicher Weise den Verkäufer, wie den Käufer zu schützen. Es ist daher ein Zeitraum von 14 Tagen, vom Tage der Uebergabe an, vollständig angemessen, diesen Schutz zu gewähren, so dass, wenn nichts Anderes nachgewiesen wird, beim Ausbruch der Rotz-krankhcit innerhalb dieses Zeitraums nach der Uebergabe die Ver-muthung gilt, dass die Krankheit schon vor der Uebergabe vorhan­den war. Da die Erfahrung lehrt, dass die Rotzkrankheit sich einer­seits in einem weit kürzeren Zeitraum, als in 14 Tagen, entwickeln kann, andererseits aber auch wieder Fälle genug eintreten, wo die Rotzkrankheit nach stattgefundener Infection oder Einwirkung ande­rer veranlassender Ursachen erst weit später zum Ausbruch kommt, so nimmt das Gesetz in Preussen im richtigen Erkennen des Gegen­standes, einen angemessen mittleren Zeitraum an, und spricht dabei nur die Vermuthung aus, welche noch anderweite Beweise zurück-lässt, und nur wenn solche nicht vorhanden, maassgebend ist. Es lässt daher dem Sachverständigen für jeden concreten Fall den ange­messenen Raum für die Anwendung der Grundsätze seiner Wissen­schaft und Erfahrung, welche sich auf die ermittelten Thatbestände zu stützen haben. Weist daher der Verkäufer durch ein begründetes Urtheil des Sachverständigen nach , dass der Rotz sich innerhalb der gegebenen 14 Tage beim Käufer entwickelt hat, was immer der Fall sein wird, wenn die Krankheit in acuterForm auftritt, wenn sie noch local ist, und hinreichende Thatsachen vorliegen, nach denen die Krankheit beim Käufer veranlasst sein kann, so wird dieser seinen Regressanspruch an den Verkäufer um so bestimmter verlieren, wenn er keine Thatsachen nachweisen kann, welche das Entstehen der Krankheit bei dem letztern begründen, resp. beweisen. AVenn da­gegen der Rotz nach 14 Tagen erst ermittelt wird, und der Käufer kann durch ein begründetes, wissenschaftliches Gutachten, welches den vorgefundenen Krankheitszustand, gestützt auf die vorliegenden Thatsachen, als einen in seinem Verlauf sehr chronischen, in seinem Stadium bereits vorgeschrittenen und allgemeinen , mit vorgeschritte­nen organischen Störungen und Destructionen verbundenen, aner­kennt, nachweisen, dass die Krankheit schon vor der Uebergabe vor­handen war, so ist der Verkäufer auch in solchen Fallen immer regresspflichtig, und zum vollen Schadenersatz verbunden. Der Zeit­raum, in welchem solche Nachweise zu führen sind, ist nicht zu be­grenzen , er hängt lediglich von Umständen und dem vorliegenden Thatbestände ab. Die Regresspflicht des Verkäufers ist um so un­zweifelhafter, wenn bestimmte Thatsachen vorliegen, die beweisen,
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dass die Ursachen zur Erzeugung des Rotzes beim Verkäufer voll­ständig vorhand en waren, dieser aber nicht den Beweis fuhren kann, dass solche Ursachen auch bei dem Käufer vorliegen. So kann die Regresspflicht des Verkäufers noch nach Monate langer Dauer, und selbst länger aufrecht erhalten werden , und der Käufer seinen Ent­schädigungsanspruch begründen, wenn er nachweist, dass zur Zeit der Uebergabe, und kurz zuvor, der Verkäufer rotzige Pferde beses­sen, resp. mit solchen zu thun gehabt hat, und dass die gekauften Pferde bei der Uebergabe schon Krankheitssymptome an sich trugen, welche sie der Infection verdächtig machten, und die in langsamer Ent wickelung der Krankheit in entschiedene Symptome des Rotzes später übergingen. Das Gesetz der Verjährung kann den Verkäufer in solchen Fällen nicht schützen, in denen der Käufer nachweist, dass es ihm den Umständen nach nicht möglich war, die Rotzkrankheit als solche früher zu erkennen, resp. nachzuweisen.
sect;. 822.
In sehr vielen Fällen tritt der Umstand ein, dass auf den Antrag einer Partei im bereits schwebenden Processe, in welchem ein oder auch mehrere übereinstimmende sachverständige Gutachten über den Rotz vorliegen, der Thierarzt zur Abgabe eines gerichtlichen Gut­achtens veranlasst wird, oder es kann dies auch ohne Antrag seitens des Richters in solchen Fällen stattfinden, wo derselbe aus den Acten, und namentlich aus den technischen Gutachten, in der Sache keine Klarheit und Ueberzeugung gewinnen kann, wo er in den Gutachten Unvollständigkeiten, Unrichtigkeiten oder Widersprüche entdeckt. In solchen Fällen wird entweder ein Gegengutachten, oder es wird die Beantwortung gewisser bestimmter Fragen verlangt. Das Streit-object ist entweder noch vorhanden, oder es ist bereits beseitigt. Im erstem Falle wird der Sachverständige, indem es sich meistens um die Hauptfrage handelt: — ist, resp. war der Rotz hier vorhanden? war derselbe bereits vor der Uebergabe, also bei dem Verkäufer vor­handen , oder kann er sich auch nach den ermittelten und in den Acten niedergelegten Thatsachen nach der Uebergabe, also bei dem Käufer, entwickelt haben? — das Streitobject selbst einer genauen Untersuchung unterwerfen und nach dem Befunde und dem Stand-puncte der Wissenschaft mit Zuhülfenahrae des Acteninhalts, d. h. der vorhandenen technischen Gutachten und der stattgehabten Zeugen­aussagen jene Gutachten widerlegen, respective verwerfen, corrigiren, respective vervollständigen oder einfach bestätigen. Im andern Falle rnuss solches geschehen, ohne vorherige Untersuchung des Streit-objects, lediglich nach dem Inhalte der Acten und den Grundsätzen und dem Standpuncle der Wissenschaft und Erfahrung.
' Legt dagegen der Richter bestimmte Fragen zur Beantwortung
Enlt, Rotzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;31
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vor, so ist der Sachverständige nicht befugt, mit seiner Antwort über die Grenzen der gestellten Fragen hinauszugehen, er hat dieselben vielmehr dem vorliegenden Thatbestande, den -wissenschaftlichen Principien und den bekannten Erfahrungen gemäss, einfach und be­stimmt zu beantworten. In Fällen, wo der Sachverständige sein Ur-theil auf den Acteninhalt vorzugsweise stützen muss , kann er , falls ihm die Acten nicht vollständig erscheinen, auf Vervollständigung derselben antragen und bis dahin, wann dies geschehen, sein Gutachten zurückhalten. Er kann dasselbe ganz verweigern, wenn die Sache so unvollständig vorliegt, oder so dunkel und verwirrt ist, dass keine klare Einsicht in dieselbe möglich wird, oder wenn die an ihn ge­stellten Fragen technisch nicht beantwortet werden können, er muss indess solche Verweigerung gehörig motiviren. In Fragen über die Dauer und den Zeitpunct der Entstehung der Krankheit, kann der Sachverständige, was häufig nothwendig wird, sich auf die Er­fahrungen Anderer und den Ausspruch anerkannter Autoritäten be­rufen. —
sect;. 823.
In allen Fällen, wo in ein und derselben Sache zwei verschiedene sich gegenüberstehende oder widersprechende Gutachten vorhanden sind, welche gleiche Legalität haben, kann die Entscheidung der Sache nur durch ein obmännisches oder Obergutachfen herbeigeführt werden. Im Falle ungleicher Legalität erfolgt die Entscheidung mehrentheils in der Weise, wie im vorhergehenden sect;. In jenem Falle aber können beide Gutachten auf Grund der Autopsie des Streitobjects abgegeben sein, es kann aber auch das eine Gutachten nicht auf Autopsie be­ruhen , sondern blos eine technisch wissenschaftliche Bemängelung, eine Widerlegung und Verwerfung des erstem, auf Autopsie beruhen­den Gutachtens, sein. In allen derartigen Streitfällen über Rotz hätten die Parteien, und selbst die Gerichte, dafür zu sorgen, dass das Streit-object vor entschiedener Sache, soweit dies möglich , nicht beseitigt würde, damit es eventuell dem Superabiter ermöglicht wird , auch seine Ansicht auf Atopsie zu stützen. In solchen Fällen aber, wo dies stattfindet, dürfte das Object nicht in Händen des Klägers bleiben, weil dieser ein wesentliches Interesse daran hat, eine ihm günstige Entscheidung zu erzielen, daher er dasselbe durch Handlungen sowol, wie durch Unterlassungen in kurzer Zeit rotzig machen kann, wenn er will und sich dazu gedrängt sieht, es müsste daher, wenn es nicht in die Hände des Verklagten übergehen darf, bis zur entschiedenen Sache am neutralen Orte unter AufsicRt eines Unparteiischen auf­gestellt werden. In Fällen, wo der Kläger das Object geflissentlich, übereilt und ohne dazu genügend veranlasst worden zu sein, beseitigt und damit weiteren Untersuchungen entzogen hat, dürfte eo ipso die
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Vermuthung entstehen, dass er mit seinen Ansprüchen an Verklagten, nicht im Rechte sich befindet.
Ist nun das Streitobject nicht mehr vorhanden, so hat der Ob­mann , respective Superarbiter die ermittelten, in den Acten nieder­gelegten Thatsachen, d. i. die technischen Gutachten und deren Gründe dafür und dawider, die Zeugenaussagen und die mit der Sache verbundenen Nebenumstände genau zu prüfen und sich für diejenige Seite zu entscheiden, für welche die meisten und triftig­sten thatsächlichen positiven theoretischen und practischen Gründe sprechen, was er speciflcirt in seinem Gutachten nieder zu legen und zu motiviren hat. Sprechen die Gründe für beide Parteien gleich, dann bleibt die Sache unerwiesen und der Kläger immer beweisfällig. Gutachten, die unbestimmt sind, die sich nicht auf positiv erwiesene Thatsachen stützen, die kein technisch wissenschaftliches Fundament haben, die allen wissenschaftlichen Principien und Erfahrungen wider­streiten, die überhaupt gar nicht, oder ungenügend motivirt sind, ver­dienen keinen Glauben und sind daher zu verwerfen; —#9632; danach muss eo ipso die Entscheidung des Obmanns, respective Superarbiters für die Gegenpartei erfolgen, welche ihre Sache mit bessern Gutachten begründet hat. —
12. Capitel. Uebertragung des Rotzcontagiums auf Menschen.
sect;. 824.
Das Rotzcontagium ist für den Menschen eins der gefährlichsten Gifte; wenn es auf dem Menschen haftet und zur Wirkung gelangt, so ist es in der Regel tödtlich, wenn nicht rechtzeitig die zweck-mässigten Heilmittel angewendet werden, und selbst dann auch, wenn dies geschieht, ist die Wirkung in vielen Fällen todbringend. Ab­gesehen aber auch von der allerschlimmsten, der tödtlichen, Folge einer Rotzinfection , so ist schon die Erankkeit, welche sie im Men­schen entwickelt, eine der bedeutendsten und unangenehmsten, von welcher der Mensch heimgesucht werden kann, insofern sie mit den heftigsten Schmerzen und mit den widerlichsten Symptomen ver­bunden ist, und insofern sie den Menschen immer längere Zeit, oft recht lange quält, da sie fast nie einen so rapid tödtlichen Verlauf nimmt, wie andere ähnliche, contagiöse Erankheiten.
Die Aufnahme des Infectionsstoffes findet am häufigsten und gewöhnlich durch die unbedeckten Eörpertheile des Menschen statt, also durch Hände und Gesicht. An den Händen dringt es gewöhnlich durch Wunden oder von der Epidermis entblösste Stellen in die
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Lymphe oder in das Blut; im Gesicht dagegen wird es nicht nur durch verletzte, von der Oberhaut entblösste Stellen aufgenommen, sondern es dringt auch durch die zarte unverletzte Epidermis, mit der einzelne Theile des Gesichts , wie die Lippen , Nasenränder etc. be­kleidet sind, ins Blut oder in die Lymphe, sobald jene Theile mit dem Contagium in Contact kommen. Die gereizte, oder selbst nicht bemerkbar verletzte Haut, wie dies wol durch das Rasiren geschieht, nimmt ebenfalls das Contagium leicht auf, daher es immer sehr ge­fährlich ist, unmittelbar nachdem man rasirt worden ist, rotzige Pferde zu untersuchen. Die Schleimhäute der Nase und Augen, sie mögen verletzt sein, oder nicht, nehmen das Rotzeontagium jederzeit auf, sobald sie damit in Contact kommen; sind die Schleimhäute verletzt, so ist die Infection um so leichter und sicherer. Aber auch durch die Lungen und durch die unverletzte Haut im Ganzen und Allge­meinen kann unter Umständen das Contagium des Rotzes aufge­nommen werden, und somit Infection stattfinden.
sect;. 825.
Die Infectionen des Menschen können stattfinden bei jeder Be­schäftigung und Berührung mit rotzigen, lebenden oder todten, Pferden und den Säften, Aus wurfsstoffen oder Excrementen derselben, sie finden statt, wenn auch jene Berührung nicht unmittelbar erfolgt, sie können auch schon mittelbar gefährlich werden. Die Infection erfolgt gewöhnlich , wenn rotzige Pferde untersucht, oder überhaupt angefasst werden mit verletzten Fingern oder wunden Händen, und in die Verletzungen von dem Ausfluss aus der Nase, aus der Hautge­schwüren oder selbst etwas des Speichels, oder des Blutes des Pferdes hinein kommt; sie erfolgt bei chirurgischen Operationen an rotzigen Pferden, wenn man sie mit verletzten Händen vollzieht, oder während der Operation dieselben sich verletzt; sie erfolgt ferner beim Ein­geben von Arzneien etc., indem man sich an den Zähnen des Pferdes die Hände verletzt etc., oder wenn, wie dies häufig vorkommt, rotzige Pferde den Menschen anschnauben, respective anprusten, was sehr oft bei Untersuchungen rotziger Pferde stattfindet, während ihnen in die Nase gesehen wird, wo dann leicht von dem Ausfluss der Nase etwas in die Augen, die Nasenlöcher, oder auf die Lippen des Men­schen spritzt. Ferner kann die Infection dadurch erfolgen, dass man mit Fingern, die mit Contagium beschmutzt sind, ins Gesicht oder wol gar in die Nase kommt, dass man mit Tüchern, die mit Contagium irgend wie verunreinigt sind, sich das Gesicht abwischt, dass man sich mit Wasser, von welchem ein rotziges'Pferd gesoffen, und welches dadurch in der Regel mit Contagium verunreinigt ist, verletzte Hände oder das Gesicht wäscht etc. — Die Art und Weise wie die Infection erfolgen kann, ist ausserordentlich mannigfach, und sie erfolgt ebenso
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häufig, wie durch lebende Pferde, durch rotzige Cadaver, bei den Sectionen derselben, wie beim Abledern und anatomischen Präpariren, wenn man mit verletzten Händen an diese Operationen geht, oder während derselben sich Verletzungen beibringt. Die Infectionen dieser letztern Art erfolgen immer um so leichter und sicherer, wenn die rotzigen Cadaver noch warm sind. Es ist daher wesentlich, dass Sectionen, resp. das Abledern etc. solcher Cadaver immer erst nach vollständiger Abkühlung derselben stattfinden.
Sehr häufig findet aber auch die Infection des Menschen durch blosses Anhäufen seitens der rotzigen Pferde statt, wie dies im Um­gange mit rotzigen Pferden, und namentlich bei technischen Unter­suchungen derselben, so sehr gewöhnlich vorkommt. Die Gefahr einer solchen Infection liegt ganz besonders dann sehr nahe, wenn das Gesicht des Menschen frisch rasirt, oder irgend wie verletzt ist, wenn besonders eine Verletzung der Nasenschleimhaut stattfindet. Das Rotzcontagium nimmt aber in manchen Fällen, wie schon be­kannt , nicht nur eine ganz ausserordentliche Schärfe und Intensität, sondern auch eine flüchtige Beschaffenheit an, und in diesen Fällen wird es dann immer gefährlicher, und es kann ein blosses Anhauchen des unverletzten Gesichtes, ein blosser Contact des frischen, warmen Hauches mit der unverletzten Nasenschleimhaut oder Conjunctiva, ein Einathmen jenes Hauches, oder des frischen, warmen Dunstes von Cadavern, bei Sectionen wie beim Abledern, eine Infection des Gesichts, oder der Lungen zur Folge haben. Es kann aber auch in solchen Fällen die Rotzkrankheit selbst par distance auf Menschen übertragen werden, wenn Menschen in Localien, die mit Rotzgift der Art sehr imprägnirt sind, oder in denen derartig kranke Pferde stehen, sich vielfach und längere Zeit aufhalten, besonders aber, wenn sie in solchen Localien schlafen. Selbst durch wollene Decken, die längere Zeit auf solchen Pferden gelegen haben, und mit der Ausdünstung derselben gesättigt sind, können Menschen inficirt werden, wenn sie in solche sich einhüllen.
sect;. 826.
Auf allen diesen Wegen und unter den hier erörterten Umständen können Rotzinfectionen des Menschen stattfinden, und die Beweise dafür liegen bereits in den mannigfachsten Beispielen vor. Wenn nun dennoch nicht so häufig Rotzinfectionen bei Menschen vorzu­kommen scheinen, wie man nach dem häufigen Auftreten des Rotzes unter Pferden und der vielfachen Infectionen wegen anzunehmen be­rechtigt ist, so ist dies einerseits wol nur scheinbar, andererseits aber auch ist ein selteneres Vorkommen der Infectionen wirklich der Fall. Scheinbar ist es nur, weil viele Infectionen nicht bekannt werden, denn meistens inficiren sich niedrige und mittellose Menschen, Knechte,
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Tagelöhner u. dergl., die am häufigsten und innigsten mit rotzigen Pferden umgehen und in Berührung kommen, und die, wenn sie er­kranken, keinen Arzt zu Rathe ziehen, und über deren Todesursache, wenn sie sterben, selten nähere Ermittelungen angestellt werden. Wirklich ist es der Fall, weil die Infectionskraft des Rotzcontagiums einerseits sehr verschiedene Stufen einnimmt, und die häufigsten Rotz­fälle von rein scrophulöser Natur sind, der rein scrophulöse Rotz aber immer nur ein mildes, wenig intensives Contagium entwickelt, welches nur bei directen Impfungen ins Blut oder in die Lymphe wirksam wird; andererseits aber beim Menschen eine so verschiedene Dis­position in der Empfänglichkeit für das Rotzcontagium vorhanden ist, dass namentlich niedrige Personen , wie Knechte, Tagelöhner, Ab­decker u. dergl. in der Regel nur geringere Receptivität fürContagien überhaupt besitzen. Männer werden ungleich häufiger von Rotz inficirt als weibliche Personen, weil jene mit Pferden überhaupt mehr um­gehen, als diese ; am häufigsten aber inficiren sich solche Personen, die mit rotzigen Pferden am häufigsten in Berührung kommen, also Pferde - Wärter und Pfleger, Gestütsbeamte, Thierärzte, Abdecker u. dergl. Häufig trifft es die Zöglinge an den Thierarzneischule beim anatomiren rotziger Cadaver etc.
sect;. 827.
Der Ausbruch der Rotzkrankheit beim Menschen erfolgt nach stattgefundenen Infectionen nicht immer in einem gleichen und be­stimmten Zeitraum und nicht immer unter gleichartigen Symptomen, er variirt in dieser Beziehung beim Menschen wie beim Pferde, und zwar aus denselben Ursachen. Er nimmt aber auch beim Menschen dieselben Formen und Charactermodificationen an, wie beim Pferde, und ist daher, wenn die Krankheitssymptome nicht bald nach der Infection hervortreten und wenn sie nicht in unmittelbarer Verbindung mit der Infectionsstelle sind, bei in der Regel unrichtiger und unvoll­ständiger Anamnese, oft schwierig zu erkennen und eben so oft mit andern Krankheiten zu verwechseln. Die Hauteruptionen und die Entstehung von Eiterdepots unter der Cutis und im intermuscularen Zellgewebe sind beim Menschen im Allgemeinen ungleich häufiger, als beim Pferde, welches sehr leicht Veranlassung zur Verwechselung mit andern Krankheiten werden kann.
Je nachdem der InfectionsstofF direct in die Lymphe, oder ins Blut, oder in beide Säfte zugleich getreten ist; je nachdem eine ört­liche, oder allgemeine, eine äussere, oder innere Infection, eine Infection der Lungen unmittelbar stattgefunden hat, je nach der Infectionsstelle, und selbst nach der Qualität des Impfstoffs, nach der Natur und Disposition des inficirten Menschen etc., erscheint die Krankheit ent­weder mehr einfach, oder complicirt, sie tritt als ein mehr locales,
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oder allgemeines, als ein mehr rapid, oder langsam verlaufendes Leiden auf. Es kann hier natürlich nicht Zweck sein, alle diese Krankheitszustände und Modificationen speciell zu beschreiben, daher wir uns darauf beschränken, die Folgen der Rotzinfection in ihren gewöhnlichen einfachen und allgemeinen Erscheinungen darzustellen.
sect;. 828. fl;
Bei innern und allgemeinen, also den seltenern Infectionen, treten die ersten Krankheitserscheinungen gewöhnlich erst am dritten oder fünften Tage, zuweilen aber auch erst später, und zwar mehrere Wochen nach der Infection, ein. Es ist dies das Stadium incubationis. Nach diesem treten allgemeine, oft heftige, zuweilen gelindere, Fieber­erscheinungen ein. Jene, in den mehr aeuten Fällen, sind heftiger Schüttelfrost, dem grosse Hitze folgt, mit Empfindlichkeit, Einge­nommenheit und Druck im Kopfe, Speiseekel, TJebelkeit und grosser Hinfälligkeit; in den mehr chronischen Fällen zeigen sie sich öftere Fieberschauer mit zunehmender Mattigkeit, Abgeschlagenheit und Unlust, zu denen dann gastrische und cephalische Störungen treten. In beiden Fällen stellt sich bald eigenthümlicher Muskelschmerz ein, welcher dem aeuten oder chronischen ßheumatismus ähnlich ist. Ge­wöhnlich sitzen die Schmerzen in den untern Extremitäten, finden sich aber auch im Kreuz, in der Brust, im Halse, sie ziehen herum, von einer Stelle zur andern etc. Gewöhnlich findet man an den schmerz­haften Stellen Geschwulst. Die Haut ist heiss und trockan, das Ge­sicht geröthet, der Harn kommt spärlich und saturirt, die Zunge ist belegt, es ist viel Durst vorhanden, abmattende Schweisse treten ein, die Nächte sind unruhig und schlaflos. Es ist dies das Stadium in-vasionis.
Jetzt treten eine Reihe Localaffectionen ein, welche ohne Regel-mässigkeit und critische Bedeutung sind. Bei der aeuten Form er­scheinen sie schon während der Fortdauer des Fiebers mit dem fünften bis achten Tage, bei der chronischen dagegen treten oft zwischen dem Invasionsfieber und dem Erscheinen dieser Localaffectionen lange Remissionen ein, welche eine Reihe Wochen, selbst Monate anhalten. Während dieser Zeit stellt sich gewöhnlich ein kurzes, trocknes Hüsteln, bei etwas Brustbeklemmung, ein, das immer häufiger und lästiger wird. Bei der aeuten Form steigert sich das Fieber unter Zunahme der Localaffectionen, und es nimmt sehr bald einen typhösen oder faulen Character an, der dann mit heftigen Delirien und Visionen verbunden ist. Unter den Localaffectionen erscheinen die der Nase, der Haut und der Lungen als die hervorragendsten, die mehrentheils ganz in der­selben Weise auftreten, wie bei Pferden und wie bei diesen beschrieben sind. Es weichen diese Erscheinungen mehrentheils nur nach der Localität und ihren Gruppirungen etwas ab, so finden sie sich beim
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Menschen häufiger im Bachen, in den Muskeln und auf der Haut, bei Pferden dagegen häufiger in der Nase und in den Lungen. Sie zeigen sich nun vorzugsweise als Affectionen der Lymphdrüsen, derLymph-gefasse und der Schleimhäute, und haben ihren Sitz ganz besonders in der Nase, dem Bachen, den Lungen, der Haut, aber auch in mehr untergeordneter Weise noch an andern Orten; sie manifestiren sich hier als mit Entzündungsprocessen begleitende Destructionen und Degenerationen, in Gestalt von zerstörenden, um sich fressenden Ge­schwüren , Zerfall der organischen Gebilde, mit oder ohne pathischen Wucherungen, und als pathische Productionen in Ausflüssen, bald mehr teigig diffusen, bald mehr entzündlich circumscripten Ge­schwülsten, in Eiter enthaltenden Knoten und Beulen, in Tuberkeln etc., wie beim Pferde, nur mit dem Unterschied, dass beim Menschen die Diathese zur Eiterbildung und die Eruptionen auf der Haut mehr vorwalten. Es ist dies das Stadium eruptionis. Es haben jene Aus­flüsse beim Menschen noch die lästige und widerliche Unannehmlich­keit, dass sie bei seiner häufigen Bückenlage in den Schlund und die Luftröhre zurückfliessen, im letztern Falle zum Husten reizen und häufig durch den Bachen auch in den Mund kommen und von hier ausgeworfen werden müssen. —
sect;. 829. Bei directen und speeiellen Infectionen der Lungen, die eben sowol die acute, wie die chronische Form zur Folge haben können, tritt unter jenen Fieberanfallen in der Begel zunächst eine rotzige Pneumonie ein, welche eine grosse Zahl von Entzündungsherden zeigt. Es bilden sich in dieser grosse Massen von Blut- und Lymph­tuberkeln und Geschwüren auf den Schleimhäuten der Bronchien, der Luftröhre, des Kehlkopfs, der Bachenhöhle und Nase. Bei diesem Lungenrotze treten dann schon früh Erscheinungen der Lungen-affectionen ein, die sich durch Husten, Brustbeklemmung, Basseige­räusch etc. manifestiren.
sect;. 830. Die häufigsten Botzinfectionen sind nun aber äussere und örtliche, und finden an Händen und Gesicht statt. Sie werden nur zu bald zu generellen Infectionen, sobald das Botzgift vom Blute, oder von diesem und der Lymphe zugleich, aufgenommen und in die allgemeine Säfte­masse übergeführt wurde. Bei alleiniger Infection der Lymphe bleibt die Krankheit längere Zeit local, und sie wird erst in ihrer spätem Entwickelung zum Allgemeinleiden. Sobald die Infection in der einen oder andern Weise zu einer allgemeinen Erkrankung fuhrt, treten jene Erscheinungen ein, die wir sect;. 829 angegeben haben. Die ersten Symptome, welche bei einer örtlichen Infection eintreten, er­geben sich in Folgendem: 12 bis 36 Stunden, selten etwas später.
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nach Aufnahme des Rotzgiftes, zeigt sich an der Impfstelle Entzündung mit dunkler, bräunlicher, zuweilen blaulicher Böthung, bei starker und weitgreifender Geschwulst mit wenig Schmerz und geringer Wärme. Es bilden sieh sehr bald, von der Impfstelle ausgehend, im Verlauf der Lymphgeiasse bis zu den nächsten Lymphdrüsen hinan­gehend, strangförmige, rothe, oft bläulich schimmernde, sehr schmerz­hafte, spannende Geschwülste, welche das ganze inflcirte Glied in Mitleidenschaft ziehen und in demselben eigenthümliche, ziehende Schmerzen verursachen. Die Lymphdrüsen schwellen schmerzhaft an. War die Impfstelle eine Wunde, so heilt dieselbe ungestört zu, während die Geschwulst hartnäckig fortbesteht, selbst wenn die zweckmässig-sten Mittel zu ihrer Beseitigung angewendet werden. Im spätem Verlauf der Krankheit entsteht in der Wunde in der Regel heftiges Jucken, und dann bricht dieselbe gewöhnlich wieder auf. Fand die Infection an den Händen statt, so sind es die Achseldrüsen, fand sie im Gesicht statt, so sind es die Submaxillardrüsen, welche anschwel­len. An jenen strangformigen Geschwülsten laufen, wie sect;. 829, Beu­len auf, in deren Umgebung die Patienten einen brennenden Schmerz empfinden. Jene Beulen zeigen zuweilen einen blauen Fleck, wienbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;\
überhaupt immer nur in der acuten Krankheitsform. Diese Beulen unterliegen oft schnell einer brandigen Zerstörung, wobei dann eine stinckende Brandjauche abfliesst. Während dieser Geschwülste schon, und während die Infection noch local ist, tritt, gewöhnlich schon mit dem dritten bis vierten Tage, ein vorübergehendes Entzündungs­fieber ein.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,
Alle diese Zufälle werden oft beseitigt, oder verschwinden zu­weilen ohne Kunsthülfe, und die Patienten scheinen geheilt, indess sind dies blose Remissionen , und nach einer Reihe von Wochen oder Monaten brechen die Krankheitserscheinungen der allgemeinen In­fection hervor, nachdem lange vorher schon jenes eigenthümliche Hüsteln eingetreten war, oder auch geht das Localleiden ohne jene Remission unmittelbar in die generelle Krankheit über.
sect;. 831.
Nimmt die Krankheit einen ungünstigen Ausgang, was bei all­gemeinen Infectionen und bei etwas vorgeschrittenem Krankheitszu­stande gewöhnlich der Fall ist, dann steigern sich die Fieberzufalle mehr und mehr, die Herzbewegungen werden stürmisch und kraftloser, der Puls wird klein vibrirend, steigt auf 120 Schläge und darüber, die Haut wird heiss und trocken, zuweilen klebrig, entsetzliche herum­ziehende und Gelenkschmerzen foltern den Patienten, Delirien und Irrreden nehmen zu ; der Kopf ist auch in den ruhigen Perioden sehr eingenommen; das Auge ist stier, unsicher, zuweilen verklebt;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i
Nase und Mund sind fuliginös belegt; die Respiration ist mühsam, beschwerlich, keuchend. Es stellen sich colliqnative, stinkende Durch-
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lalle und Schweisse ein, die ersteren gehen unwillkürlich und be-wusstlos ab, und der Tod erfolgt, indem der Organismus theils in ichoröser Auflösung begriffen ist.
Bisweilen zieht sich die Krankheit langsam und schleichend hin, Remissionen wechseln mit Recidiven, und der Kranke erliegt mehr einer hectischen Ulceration.
sect;. 832.
Die Behandlung der Krankheit zerfällt in die Prophylaxis und Therapeutik. In ersterer Beziehung hat man sich vor der Infection zu schützen, d. h. man darf bei Verwundungen, wo sie auch sind, nie sich mit rotzigen Pferden, deren Cadavern, ihren Excretionsstoffen und Secreten, noch mit von denselben beschmutzten Gegenständen zu schaffen machen; man gehe mit äusserster Vorsicht, und nie mit frisch rasirtem Gesicht, an die Untersuchung rotziger Pferde heran und stelle sich jederzeit so, dass das rotzige Pferd den Untersuchenden nicht anschnaufen kann, daher es gut ist, wenn man jedem rotzigen Pferde vor der Untersuchung des Innern der Nase, diese gehörig reinigt, und es gehörig ausschnaufen lässt; man secire die Cadaver nie im warmen Zustande; hülle sich nie in Decken, die auf rotzigen Pferden gelegen haben, vor deren Reinigung; schlafe nie in Localien in denen rotzige Pferde sich aufhalten, oder aufgehalten haben, bevor sie desinficirt sind, und bei jeder Beschäftigung mit rotzigen Pferden und ihren Cadavern, öle man sich vorher die Hände gut ein.
sect;. 833.
Sobald die nach jeder Infection entstehende Rotzkrankheit eine örtliche und äusserliche nicht mehr ist, sobald sie zu einer allge­meinen und innerlichen geworden ist, dann rufe man unter allen Um­ständen den Arzt, wo er bis dahin den Patienten noch nicht be­handelte. Bevor aber der Arzt kommt, und die Infection ist örtlich, und sie zeigt nur äussere Wirkungen , oder sie ist noch gar nicht zur Wirkung gelangt, dann kann man therapeutisch in folgender Weise verfahren. Je früher, desto besser, daher unmittelbar nach geschehener Infection, stecke man das inficirte Glied stundenlang in Wasser von -[- 50—60deg; R., oder man nehme statt dessen Aschenlauge, Chlor­wasser, mit Salzsäure angesäuertes Wasser. Ist ein Auge inficirt, dann lege man mit Chlorwasser angefeuchtete Läppchen darauf, das Gesicht wasche man mit Chlorwasser, ist die Nase inficirt, dann ziehe man fleissig Chlorwasser ein. Ist schon Entzündung und Geschwulst eingetreten, dann setze man die warmen Kali-, respective Aschenbäder, fleissig fort, mache inzwischen Clorwasserumschläge und auf die Drüsengeschwülste Mercurial- und Jodeinreibungen. Innerlich nehme man kleine Dosen Calomel bis zum Abführen, verhalte sich sehr ruhig, warm, vermeide viel Essen und alle Spirituosa.
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IV. Anhang.
Fünfunddreissig Rotzkrankheitsfälle nach practischen
Beobachtungen und Untersuchungen, als Belege für die
aufgestellten Theorieen.
Erster Fall.
Der Verfasser wurde commissarisch beauftragt, in Gemeinschaft mit dem landräthlichen Stellvertreter sich an den Abnahmeort der vom Kreise gestellten Landwehrcavalleriepferde, welche so eben von einem sechswöchentlichen Manoeuvre zurückgekehrt waren, zu be­geben , um daselbst die Vices des Kreises wahrzunehmen. Bei der Abnahme schien der stellvertretende Landrath das Geschäft aus-sehliesslich besorgen zu wollen, liess sich alle Pferde vorführen, ohne mich zuzuziehen, monirte nur einige unerhebliche Lahmseiten und nahm ohne Weiteres jedes Pferd als gut zurück, was nicht hinkte. Die Pferde waren vom Kreise angekauft und sollten gleich nach der Abnahme im Kreise in öffentlicher Auction wieder verkauft werden. Um meine Diäten nicht zwecklos zu empfangen und auch etwas zu thun, spazierte ich an den bereits abgenommenen reihenweis aufge­stellten Pferden auf und ab, und sah mir dieselben an. Ich fand bald ein Pferd mit völlig ausgebildetem Rotze und verschiedene andere, mit Drüsenanschwellungen und Ausfluss aus der Nase. Unter diesen war auch ein 7jähriger Wallach, welchem die linke Submaxillardrüse faustgross und hart angeschwollen war; sie war heissund schmerzhaft, das sie umgebende Zellgewebe war ebenfalls angeschwollen, es fluc-tuirte und füllte den ganzen Kehlgang aus. Von der Drüse lief ein daumensdick angeschwollenes, fluctuirendes Lymphgefäss neben dem Ductus Stenonianus um den untern Kieferrand, etwa flngerslang, auf die äussere Gesichtsfläche aus, und zeigte sich die Umgebung davon schmerzhaft. Ich machte den Präses der Kreiscommission darauf aufmerksam. In Folge dessen wurde auf meinem Betrieb das rotzige Pferd sogleich getödtet, das letztere Pferd aber abgesondert nach dem Kreise transportirt. Am nächsten Morgen untersuchte ich jenen 7jährigen Wallach in dem Orte, wo die Pferde Nachtquartier gehabt hatten. Das Pferd fieberte etwas, und jene strangförmige Lymph-gefässanschwellung, die sich immer noch sehr schmerzhaft zeigte,
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reichte bereits bis an den äussern Rand der Nasenöffnung. Gegen Mittag, also etwa 24 Stunden nachdem ich das qu. Pferd zuerst be­sichtigt hatte, traf dasselbe an seinem letzten Bestimmungsorte ein. Hier hatte sich jenes geschwollene Lymphgefäss um den Nasenrand umgeschlagen, und vertheilte sich dasselbe auf der Schleimhaut des Septumsin mehrere Zweige von starker Strohhalmsdicke,die büschelartig auseinander liefen und von gelblicher klarer, durchsichtiger Lymphe strotzten. Etwa 2 Stunden später hatten sich auf diesen Lymphge-fössen kleine Bläschen, etwa grosser wie Hanfkörner, erhoben, man konnte deren 3 bis 4 sehen. Noch 2 Stunden später standen deren 6 in einen Kranz gruppirt, etwa 2 Zoll nach oben von dem untern Ende des Septums. Eins dieser Bläschen war bereits geplatzt, das zerrissene Epithel und die Lymphgefäss wand hatte sich nach Innen umgeschlagen und bildete einen wulstigen Wall, welcher eine kleine warzige Fläche umgab, aus deren Mittelpunct eine klare consistente, klebrige, gelbe Lymphe hervorquoll, die wie ein dicker Zwirnsfaden auf der Schleimhaut des Septums herabrieselte, und an den am Nasen­rande befindlichen Haare sich zu klaren Tropfen sammelte und langsam abtropfte. Das Fieber war verschwunden. Die Schleimhaut selbst hatte, wie bei der ersten Untersuchung, wo sie etwas intensiv rosen-roth war, keine Veränderung erlitten, sie war nicht im Mindesten aufgelockert, ganz rein, gleiehmässig rosenroth und feucht. Das linke Auge war bis dahin in keiner Weise alterirt; es hatte sich aber in­zwischen von dem Hauptstarame des Lymphgeftisses am Gesicht ein Zweig strotzend mit Lymphe gefüllt, das wie ein Federkiel dick nach dem Innern Augenwinkel, in der Jochleistenvertiefung, hinaufstieg, das untere Augenlied war in Folge dessen geschwollen und das Auge halb geschlossen. Eine Stunde nach der letzten Untersuchung waren sämmtliche 6 Bläschen geplatzt, und bildeten dieselben 6 gleichgrosse kreisrunde Geschwürchen , deren jedes einen Durchmesser von circa 2 Linien hatte, und aus jedem sickerte, wie aus dem ersteren, Lymphe hervor, welche sich in dem zu unterst stehenden Geschwürchen ver­einigte und von diesem ab, wie ein guter Bindfaden stark, auf der Schleimhaut des Septums herabrieselte und, an den Randhaaren der Nasenöffnung sich herabziehend, beständig abtropfte. Die Haare ver­klebten sich bereits, und es setzte sich ein gelblich schmutzig brauner, durchscheinender Schorf an. Die Geschwürchen waren in Kreisform gruppirt und bildeten die Figur einer regelmässigen Rosette, von etwa 1 Zoll Durchmesser. Die Geschwulst und Fluctuation der Lymphgefasse am Gesicht war fast ganz verschwunden, auf der Nasen­schleimhaut waren sie nicht mehr zu sehen, und die Geschwulst der Drüse war begrenzt, das fluctuirende Zellgewebe und die Spannung war nicht mehr vorhanden, die erhöhte Wärme und der Schmerz hatten fast ganz nachgelassen. Die Schleimhaut fing nun an, in der
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Umgebung dieser Geschwursrosette sich aufzulockern, und sie nahm hier eine hellere Farbe an, und sonderte einen weisslichen, milch­trüben, dicklichen Schleim ab, welcher mit jener Lymphe abfloss, ohne sich mit derselben zu vermischen. Noch 2 Stunden später waren sämmtliche Geschwüre in eine gemeinschaftliche Geschwürs-Häche vereinigt, die wulstigen Ränder waren verschwunden, und statt derer umgab das ganze Geschwür ein flacher zackiger Band. Die Grundfläche des Geschwüres war hell rosenroth, warzig granulirt, und es schien auf derselben die Lymphe aus jedem Wärzchen hervorzu-sickern, die mit dem nun vermehrt abgesonderten Schleim gemein­schaftlich abfloss. Aus dem Innern Augenwinkel floss auch ein wenig dicker, die Haare verklebender Schleim ab. Noch hatte der grössere Theil der Schleimhaut dieser Seite der Nase die rosenrothe Farbe und feuchte Beschafienheit, nur das Geschwür war mit einem Hof von verdickter, aufgelockerter, grauweisser, gelblich schimmernder Schleim­haut umgeben , welcher Hof sich nach unten zu , soweit der Ausfluss darüber hin ging, ausdehnte, es schien diese veränderte Schleimhaut mit jenem krankhaften Secret überzogen zu sein. Die Anschwellung der Lymphgefässe, des subcutanen Zellgewebes im Kehlgange, die Schmerzhaftigkeit und erhöhte Wärme, waren bis auf die letzte Spur verschwunden. Der Drüsenknoten war vollständig begrenzt, eirund geformt, hatte die Grosse eines Hühnereies, war elastisch hart, kalt, liess sich indess etwas verschieben und war fast ganz schmerzlos.
Das Pferd hatte während des bisherigen Verlaufs der Krankheit nicht die geringste Anomalie im Athmen gezeigt, nicht gehustet; der Husten, der künstlich hervorgerufen wurde, war kräftig, unbeengt, etwas locker und klangvoll. Der Appetit des Pferdes schien während der ganzen Beobachtung nicht beeinträchtigt, wenn es auch anfangs wenig frass und langsam kaute, so lag die Ursache jedenfalls in der entzündlichen Spannung und Schmerzhaftigkeit der qu. Anschwel­lungen, daher sich auch sofort wieder ein lebhaftes Fressen einstellte, nachdem jene Anschwellungen mit ihren begleitenden Symptomen verschwunden, also nachdem die Geschwüre aufgebrochen waren.
Bei der ersten und zweiten Untersuchung dieses Pferdes erklärte ich dasselbe für rotzverdächtig, bei der dritten für rotzig inficirt und bei der vierten für total rotzig. Hätten meine sachverständigen Collegen ein Gleiches gethan? — Unzweifelhaft! — Dem abwesen­den landräthlichen Stellvertreter wurde sogleich per Express durch den ihn vertretenden Kreissecretär Nachricht gegeben, auch der Ab­decker zum Tödten des Pferdes bestellt, jener erschien aber früher als dieser, und sofort sandte ersterer dem Abdecker entgegen, um ihn abbestellen zu lassen, denn er glaubte es nicht, dass das Pferd rotzig sei, er durfte es nicht glauben, andernfalls wäre daraus gegen ihn der Beweis einer Fahrlässigkeit erwachsen, es hätte der Militärfiscus das
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Pferd zu bezahlen gehabt, so aber konnte es a conto des Kreises ver­rechnet werden. Es wurde das Gutachten eines jungen Thierarztes II. Classe eingeholt, das Pferd war nach dem Urtheil desselben natür­lich nicht rotzig, es wurde erst 8 Tage später wegen Rotz getödtet. Die Freude und Hoffnung auf die Section dieses Pferdes war mir hiermit verdorben, denn ich erfuhr erst nachträglich die stattgehabte Tödtung. Es wäre mir höchst interessant gewesen, durch die Section meine Voraussetzung und Ueberzeugung bestätigt zu finden. Diese letztere bestand darin, dass die Lungen ganz gesund waren, und dass wir es hier mit einem Fall von ausgebildetem Rotz mit primitiver Infection und dyskratischer Erkrankung der Lymphe im Bereich der Submaxillardrüsen durch Rotzcontagium zu thun hatten, ohne dass Tuberkeln, und namentlich Miliartuberkeln , vorhanden waren. Es war dies eine Varietät des Rotzes die mit acutem Verlauf begann, d. h. sich acut entwickelte und später in den chronischen Verlauf überging. —
Z weiter Fall.
Im Jehre 1831 hatte die 4. Schwadron des 5. Husarenregiments, (Blüchersche Husaren) Cantonnements im Grossherzogthum Posen gehabt. Hier hatte sich, in Folge andauernder Strapazen, des Ge­nusses schlechten Wassers, und bei Anfnahme eines Ansteckungs­stoffes unter den Schwadronspferden, der Typhus, und schliesslich der Rotz entwickelt. Mit diesem Erwerb bezog die Schwadron ihren alten Garnisonsort Stolp in Pommern. Die Rotzkrankheit aber grassirte unter den Schwadronspferden fort und forderte fast jedes Jahr, bald mehr, bald weniger, Opfer, obgleich alle möglichen Mittel mit aller Strenge und in der weitesten Ausdehnung vorschriftsraässig zur Tilgung der Krankheit und ihres Contagiums nach jedem einzelnen Falle rücksichtslos angewendet wurden.
Die Pferde standen hier nicht in einzelnen grossen Ställen in grosser Zahl vereinigt, wie dies in der Regel in den Garnisonen statt­findet, sondern sie standen in acht grösseren und kleinern Ställen vertheilt, und dies war ein Glück, da andernfalls die Krankheit un­gleich mehr Opfer gefordert haben würde. Die Krankheit hatte sich in 5 Ställen gezeigt, wie mir der amtliche Auftrag wurde, die Krank­heit zu untersuchen, ihre Ursachen aufzusuchen, Vorschläge zur Be­seitigung der Krankheit zu machen, und das Resultat in einem Gut­achten zusammenzufassen. Dies geschah im Februar 1838, also etwa im 7. Jahre nach der stattgehabten quot;Infection.
Die Krankheit war längst seitens der Thierärzte des Regiments und durch meinen Amtsvorgänger als Rotz constatirt. Letzterer war Ende 1832 mit der Untersuchung der betr. Pferde betraut worden.
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Derselbe hatte unter Anderm zur Tilgung der Krankheit, namentlich als Präservativ, vorgeschlagen: jedem Pferde ein Fontanell zu setzen und sämmtliche Pferde der Schwadron im nächstfolgenden Sommer auf Weide gehen zu lassen. Es war dies geschehen, und es fand sich in der Nähe von Stolp ein geeignetes Gut, auf dem die Pferde für den ganzen Sommer ausreichende Weide hatten. Indess die Pferde kehrten im Herbste von der Weide sehr schlecht zurück; die Fontanellen hatten circa 3 Monate gesessen, sie wurden entfernt, aber die Krankheit blieb nicht aus, sie zeigte sich im Gegentheil nach die­ser Procedur noch häufiger.
Die Krankheit wurde auch von mir für Rotz anerkannt; sie trat in dem grössten der fünf inficirten Ställe, in welchem in der Regel 36 Pferde standen, absolut und auch verhältnissmässig, bei weitem am häufigsten auf. Während des länger als 7jährigen Bestandes der Krankheit in diesen Ställen, wurden die Pferde streng beaufsichtigt und täglich sachverständig untersucht; jedes kaum erkrankte Pferd wurde sofort in den abgelegenen Krankenstall gebracht, die Desin-feetion aber gleichzeitig in Beziehung auf den bisherigen Stand des Pferdes, und alle mit diesem in Berührung gewesenen Gegenstände, ohne Ausnahme, nach den bestehenden kriegsministeriellen, ausge­dehnten und strengen Vorschriften, in Ausführung gebracht. Darum war auch kaum ein Fall nachzuweisen, dass die Krankheit unmittel-oder mittelbar von Pferd zu Pferd übergegangen wäre, oder dass ein­mal ein nebenstehendes Pferd des vorher erkrankten von der Krank­heit befallen worden wäre, wenigstens sind Fälle der Art nicht nach­zuweisen gewesen. Es sprang vielmehr die Krankheit im Stalle hin und her, sehr häufig sogar traf die nächste Erkrankung die entfern­testen Pferde, zuweilen das in der gegenüberstehenden Reihe in dem entgegengesetztesten Winkel, also das in der Diagonale am entfern­testen stehende Pferd. Sie trat in der Regel in solcher Gegend des Stalles und bei solchen Pferden auf, wo man sie am wenigsten ver-muthete. Die kranken Pferde wurden von besonderen Personen ge­wartet, die weder in den Stall, noch weniger aber zu gesunden Pfer­den kommen durften; es gab mithin keine Zwischenträger des Con-tagiums; dies musste daher flüchtig sein, seine ätherische Natur scheint um so unzweifelhafter, als in der Regel in der heissen Jahres­zeit die Krankheit häufiger auftrat, als dieselbe unerwartet, und wenn man sie gar nicht vermufhen konnte, plötzlich wieder zum Vorschein kam, nachdem sie Intervallen von 14— 16, sogar von 25 Monaten gemacht hatte. Wenn solche Verhältnisse für eine ausserordentliche Tenacität des Contagiums sprechen, so lassen auch sie andererseits wieder auf die ätherische Natur desselben schliessen. Mit grösserer Zuverlässigkeit geht aus diesen Verhältnissen aber noch der Beweis hervor, dass das Contagium , welches hier die Rotzfälle hervorrief,
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nicht aus den kranken Pferden sich entwickelte, und so von diesen zu gesunden Pferden sich fortpflanzte, sondern dass dasselbe eine an­dere Quelle hatte, die ansser den Pferden lag, und die nirgends anders, als in den Ställen, die sämmtlich alt und baufällig waren, und beson­ders in dem gedachten grössern Stalle lag, der von Fachwerk gebaut, und dessen ganzes Holzwerk total wurmstichig war. Jener Beweis aber wird zur Evidenz durch den Umstand, dass die Krankheit nie die altern und schwächlicheren Pferde, und seltener überhaupt solche ergriff, die schon längere Jahre in der Schwadron gedient hatten, sondern dass sie immer nur die Jüngern, bestgenährten, kräftigsten und am gesundesten scheinenden Pferde, vor allen aber die jungen ßemonten, und diese oft schon kurze Zeit, nachdem sie einrangirt worden waren, befiel, dass sie jederzeit fast plötzlich auftrat, sich acut entwickelte, oft auch acut verlief, immer aber dann erst einen langsamen Gang nahm, wenn sie im schnellern Gange sich zum voll­endeten Rotze bereits ausgebildet hatte. Andererseits beweist die Thatsache, dass die Remonten oft so frühzeitig von dem Rotze er­griffen wurden, dass eine Prädisposition in den Ställen sich nothwen-dig nicht auszubilden hatte, sondern dass diese mehr noch in den jungen Pferden von Aussen eingetragen wurde, und dass diese vor­zugsweise ihren Grund in dem jugendlichen Alter hatte.
Was die Krankheit selbst betrifft, so trat sie in der Regel mit Fieber, kleinem , zusammengezogenem, beschleunigtem Pulse, ohne Entzündungserscheinungen, mit Athmungsbeschwerden (Dyspnöe) auf. An verschiedenen Körperstellen entstanden schmerzhafte Beulen mit, auch ohne strangförmige Lymphgefässschwellungen, welche bald zu suppurirenden Rotzgeschwüren aufbrachen; bald rechts, bald links, bald an beiden Seiten schwollen die Submaxillardrüsen an, bald gros­ser, bald kleiner, anfangs schmerzhaft, schliesslich hart, elastisch, cautschuckartig, festsitzend. Aus der gleichnamigen Nasenöffnung floss anfangs ein gering wässeriges, stets im Quantum, wie in der Consistenz steigendes, später homogener und klebriger werdendes, mit weissgrauen Schleimklümpchen untermischtes, caustisch wirken­des, pathisches Secret ab. Rotzgeschwüre auf den Schleimhäuten der Kopf höhlen stellten sich ein, blieben zuweilen aber auch ganz fehlen. Lymphtuberkeln waren immer, Bluttuberkeln sehr häufig vollständig ausgebildet vorhanden, wenn die Thiere auch noch so früh nach dem Ausbruche der Krankheit, und zwar nach dem Er­scheinen der ersten äussern Symptome derselben, getödtet und secirt wurden. Diese Symptome, besonders aber ihre Reihenfolge, geben den unzweifelhaften Beweis, dass hier jederzeit primitiv eine Lun­gen- , also Blutinfection, durch die Aufnahme des in der Stallluft schwebenden Contagiums beim Athmen, mithin auch die primitive Entwickelung des Rotzes in den Lungen, stattgefunden hat. Ein
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chronischer, trockener Husten ging der Krankheit jederzeit, bald län­gere, bald kürzere Zeit vorauf, und bei plötzlich hinzutretenden An­schwellungen waren zuweilen innerhalb 24 Stunden Rotzgesehwüre auf der Nasenschleimhaut und auf derCutis, vollkomnnen ausgebildet, vorhanden. Andere Krankheiten, besonders mit Lungenaffectionen, daherLnngenentzündungen, Influenza etc., gingen sehr häufig in Rotz über, und in Fällen, wo solche geheilt wurden, verfielen dergleichen Pferde später vorzugsweise in Rotz.
Ich hatte als die veranlassende Ursache der unter den Pferden der vierten Escadron des 5. Husarenregiments vorkommenden Rotz­krankheit vorzugsweise ein in den betreffenden Localien tief verbor­gen liegendes, unter gewissen Umständen sich verflüchtigendes Rotz-contagium erkannt, und bei der schlechten Beschaffenheit, resp. Lage der Localitäten als alleiniges Mittel zur Tilgung dieser Rotz­seuche eine dauernde Dislocirung der vorhandenen Pferde in andere gesundere, geräumigere Localitäten in einer der Gesunderhaltung mehr entsprechenden Umgebung angerathen.
Dieses war indess nicht sogleich zu ermöglichen, da es an den geeigneten Localien gänzlich fehlte, sie mussten zuvor neugeschaffen werden, und dazu bedurfte es vorausgehender, weitläufiger Unter­handlungen. Ein Garnisonswechsel der Schwadron wurde als nicht angänglich erkannt, und somit blieb das alte Verhältniss noch für einige Jahre unter Fortdauer der Krankheit bestehen. Es wurden endlich neue Ställe in einer bessern Gegend gebaut, und mit Ueber-siedelung der betr. Pferde in diese war die Krankheit vollständig ge­tilgt und hat sich bis heute, nach einigen 20 Jahren, noch nicht wieder gezeigt. Durch die in öffentlichen Auctionen verkauften, ausrangirten Pferde aber, wurde die Krankheit vielfach verbreitet, indem nicht nur öfter jene Pferde rotzig wurden, sondern auch an­dere ansteckten. Die Umgegend von Stolp hatte noch einige Jahre von dieser Calamität zu leiden, nachdem die Krankheit im Regimente schon getilgt war.
Dritter Fall.
Im Jahre 1837, unmittelbar nach meiner Uebersiedelung an hiesigen Ort, schickte mir ein Domainenpächter hiesiger Gegend ein Pferd zur Untersuchung und Rathertheilung. Ich erkannte das Pferd für rotzverdächtig, und rieth vor allen Dingen eine gewissenhafte Ab­sperrung desselben an. Kurze Zeit darauf wurden mir von eben dorther noch mehrere andere Pferde in ähnlichem Zustande zur Un­tersuchung gestellt, von denen ich eins selbst für rotzkrank erklärte. GrdI, Rolzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 32
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Durch Nachfrage erfuhr ich, dass diese Krankheit unter den Pferden des betr. Domainenguts bereits seit mehreren Jahren herrsche, dass deshalb auch schon eine Anzahl von Pferden getödtet worden sei, dass dessenungeachtet die kranken Pferde immer mit den gesunden zusammenständen, dass an eine Trennung nicht zu denken, und auch das von mir zuerst untersuchte Pferd, ungeachtet meines Raths, nicht isolirt worden sei, denn man glaube und denke betreffenden Orts nicht an Rotz, die Krankheit werde hier im Gegentheil für einen ganz ge­wöhnlichen Kropf gehalten. Von meinem Standpuncte aus musste ich über den Fall natürlich anders urtheilen; ich urtheilte par distance, dass die Rotzkrankheit hier durch gewissenlosen Leicht­sinn und unerhörte Indolenz nicht nur inveterirt, sondern auch unzwei­felhaft sehr ausgebreitet sei. Doch, was ich in dieser Beziehung kaum zu ahnen wagte, das sollte durch die später immer mehr und mehr sich mir enthüllende Wirklichkeit in einem grauenvollen Umfange nach allen Dimensionen hin übertroffen werden, und jede Vermuthung aus der Ferne weit hinter sich lassen.
Ich machte nach der zweiten Untersuchung natürlich der Kreis-Polizeibehörde, unter Darlegung meiner Besorgniss, Anzeige von dem Sachverhältniss, und erhielt sofort den Auftrag zur amtlichen Unter­suchung des Pferdebestandes jenes Domainengutes. Ich fand hier circa einige 40 Ackerpferde, 6 Kutsch- und Reitpferde und einige 20 Füllender verschiedensten Jahrgänge, mithin pr. pr. 70 St.. vor. Die Ackerpferde standen in verschiedenen engen , feuchten und finstern Ställen, die Kutschpferde etc. standen in einem besondern, geräu­migen und guten Stalle, und die Füllen waren, nach den Jahrgängen und Geschlechtern vertheilt, in verschiedenen kleinern Localen unter­gebracht. Nur in dem sogenannten Kutschstalle fand sich einiger-maassen Ordnung, Reinlichkeit, frische Luft und Licht, in allen an­dern Ställen war die excessivste Unordnung und Unreinlichkeit, eine verpestete Luft und wenig Licht. Namentlich fand man in den Krip­pen die grauenvollste Schmutzerei, in den Ecken derselben alte, ver­faulte, mit dickem Schimmel überwucherte, lang ausgewachsene Fut­terreste. Die Jauche hatte keinen Abfluss, sie wurde theils mit der Streu aufgefangen, theils musste sie ihren Weg sich in den Fuss-boden suchen , theils verdunsten. Die Krippen , Raufen , Wände, Stände, Latirbäume etc. Sassen dick voll Schmutz, und hin und wie­der fand man sie mit dem Ausfluss der Pferde aus der Nase be­schmiert. In den Ställen der Ackerpferde sah es am schlimmsten aus. Das Futter, namentlich etwas Heu, was die Pferde erhielten, war zum Theil dumpfig. Ich machte 'den Besitzer der Pferde auf diese Uebelstände aufmerksam, und da wurde mir kurz entgegnet: „dass dies nicht meine, sondern seine Sache sei; in andern Wirth-schaften sähe es wol noch schlimmer aus, und wo dies nicht der Fall
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sei, würde ich dennoch den Kropf ehen so gut unter den Pferden finden, wie unter den seinen.quot;
Mit einer so bornirten Unvernunft war freilich nicht viel anzu­fangen. Ich untersuchte die Pferde, und fand unter den Ackerpfer­den, sämmtlich hübsche, junge und gut genährte, grosse Thiere, in verschiedenen Ställen und in den verschiedenen Gespannen, mehrere Thiere krank. Sie litten am scrophulösen Rotz mit chronischem Verlauf. Ich erklärte einige für rotzig und verordnete deren Tödtung, einige andere für rotzverdächtig, deren Absonderung im Kuhstalle ich anordnete. Unter den Füllen fanden sich ebenfalls mehrere am scrophulösen Rotze leidend, die ich für rotzverdächtig erklärte, deren Absonderung und weitere Beobachtung ich anordnete.
Wie ich nun durch Nachfragen und aus den landräthlichen Acten ermittelte, so war die fragliche Krankheit unter diesen Pferden bereits seit 2 Jahren in der angegebenen Weise herrschend, und mein Amts­vorgänger hatte sie bereits wiederholt und privatim untersucht, und öfter Pferde wegen Rotz tödten lassen. Hier würde ich die Frage am Orte finden: „wie kommt es eigentlich, dass ich unter solchen Umständen nicht alle Pferde des Domainenpächters rotzig fand?quot; Dies ging ganz natürlich zu. Der Mann wechselte sehr gern und vielfach mit seinen Pferden, und so gab er dann an Händler und An­dere die erkrankten Pferde, unter dem Prätext des leichten Kropfs, weg, und tauschte sich dafür gesunde ein, d. h. er bezahlte diese gut und gab jene zu, die nun im Lande als leicht kropfige Pferde verbrei­tet wurden, und überall, wohin sie kamen, den Rotz verpflanzten. Dadurch erhielt er bei sich selber die Krankheit stets in der Schwebe, und es erschien jederzeit der bei weitem grössere Theil seiner Pferde gesund. So hatte er es bisher schon 2 Jahre getrieben, so trieb er es noch eine Reihe von Jahren nach diesem. Warum ich ein so ge­setzwidriges, verbrecherisches Verfahren litt ? Ich hatte und habe keine Executivgewalt, und was ich darüber berichtet, das möge Jeder in den landräthlichen und Regierungsacten lesen. —#9632; Aber in der Umgebung, auf einer Distance von 4 bis 5 Meilen , zeigte sich der Rotz fast Ort für Ort im Kreise, und auch in andere Kreise war er vielfach vertragen worden, und es war in den Jahren, wo die Krank­heit auf dem betr. Domainengute herrschte, im ganzen Kreise und noch über denselben hinaus, eine wahre Rotzcalamität. Die Rotz­krankheit hatte mithin seit 1835 am Orte geherrscht, und sie zog sich hin bis Ende 1846, wüthete also resp. 11 Jahre. Weit über 100 Pferde und Füllen sind in diesen Jahren getödtet worden, viele hat­ten einen reellen Werth von weit über 100 Thaler, manche über 300 Thaler, und vielleicht 50 bis 60 Pferde, eher mehr als weniger, sind als Zugabe an Pferdehändler etc. weggegeben worden.
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Meine Anordnungen waren dem Besitzer der Pferde zuwider, es frappirte ihn vor Allem der Ruf, der damit über seine Pferde sieh verbreiten musste, und die Contumaz und Controle der als verdäch­tig abgesonderten Pferde, wegen derer er sich einen häufigeren Be­such eines Gensd'armen gefallen'zu lassen hatte und in seinem freien Verkehr mit Pferden etwas mehr gehemmt war. Das Tödten einiger Pferde widerstand ihm weniger. Indess, so sehr er sich sträubte, diesmal musste er sich der Ausführung der angeordneten Maassregeln fügen, und es half ihm nichts, so sehr er sich auch darauf berief, die Krankheit sei nicht Rotz, und so sehr er sich auch auf das Zeugniss anderer dienstwilliger Autoritäten stützen wollte. Aber im Verkehr mit den Pferden, welche bei der Untersuchung noch für gesund er­klärt werden mussten, also dem bei weitem grössten Theil, wurde, obgleich dieselben als inficirt angesehen werden mussten, ein ausrei­chender Sperrzwang oder die polizeiliche Ueberwachung nicht aus­geübt. Nach kurzer Zeit aber stand es auch schon mit diesen Pfer­den anders, wie am Tage meiner Untersuchung, und während jene von mir als verdächtig isolirten Pferde im Contumazstalle polizeilich observirt wurden, standen schon wieder rotzige Pferde in den andern Ställen unter gesunden , die nicht abgesondert und polizeilich beauf­sichtigt wurden. Was aber mit ihnen weiter unternommen wurde, ist mir in vieler Beziehung Geheimniss geblieben. Sie verschwanden, neue Pferde standen an ihrer Stelle, und in der Umgegend verbreitete sich der Rotz immer weiter.
Der Besitzer hat mir während der Dauer der Krankheit die Be­handlung seiner Pferde dreimal angetragen, und eben so oft hatte ich sie übernommen, indess nie fügte er sich meinen Anordnungen, stets wusste er besser, was zu thun sei, und welche Krankheit vorlag; von Rotz wollte er nie etwas hören, noch weniger von allgemeinen gründ­lichen Desinfectionsmaassregeln und Dislocirung der sämmtlichen Pferde, zu ersteren rechnete ich eine vollständige Entfernung und Vernichtung der ganzen Stalleinrichtungen und einen völligen Innern Umbau der Pferdeställe. Hiermit löste sich unser Verhältniss jeder­zeit wieder auf, und amtliche Untersuchungen wurden mir in der Zwischenzeit nur selten übertragen. Zum vierten Mal bat mich der Besitzer persönlich, doch die Tilgung der Krankheit bei ihm zu über­nehmen, und es schien, als werde ihm nun doch endlich bange, und fange er an, die Contagiosität der Krankheit zu begreifen. Ich wil­ligte unter der Bedingung ein, dass er unweigerlich allen meinen An­ordnungen Folge leisten müsse, von welchen ich jene Desinfection voranstellte. Darauf behauptete er, nichfeingehen zu können, indem er jene Desinfection nicht für nöthig halte; damit zerschlug sich un­sere Unterhandlung sofort, was mir sehr lieb war, denn ich hatte
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mich überzeugt, dass Lorbeeren hier nicht zu ernten waren*). Die Krankheit wüthete noch einige Jahre in bisheriger Weise fort, und an die Gewissenhaftigkeit jenes Domainenbeamten, sowie an die sani­tätspolizeiliche Ausführung der gesetzlichen Bestimmungen wolle man einen Maassstab legen, wenn ich sage, dass auch noch in dieser Zeit rotzige Pferde von hier aus vertauscht, resp. verkauft wurden. End­lich im Jahre 1846 führte jener Mann die ihm von mir seit 6 bis 7 Jahren fortwährend empfohlenen Maassregeln ganz von selbst, und ohne jede äussere Anregung aus, und es gelang ihm im Jahre 1847, den Rotz bei sich vollständig zu tilgen.
Wundern müssen wir uns immerhin , wie der Mann von Hause aus dazu gekommen, nicht glauben zu wollen, dass unter seinen Pfer­den der Rotz herrsche, und aus welchen Motiven er diese Ansicht
*) Welch' ein pecaniarer Vortheil mir aber aus dem Verkehr mit diesen Pferden bereits erwachsen war, wolle der geneigte Leser aus folgender Mitthei-lung entnehmen. Ein für allemal war mein Kutscher angewiesen , auf dem in-ficirten Gehöft nicht auszuspannen. Bei einer amtlichen Recherche bemerkte ich meine Pferde nicht auf dem Hofe, ich äusserte gegen den Wirth mein etwas ängstliches Befremden. „O ich habe ihrem Kutscher gesagt, er solle ausspan­nen und etwas futtern.quot; Und er hat dies gethan ? lautete meine Frage, wo sind meine Pferde? „In jenem Stalle dortquot; , war die Antwort. Ich eilte in den Stall, aus welchem mir mein Kutscher mit der Bemerkung entgegentrat: „Die Pferde stehen von der Krippe zurück, sie wollen nicht fressen, sie prusten, wenn ich sie an die Krippe treibe, und treten wieder zurück, denn in der Krippe ist eine zu grosse Schw—rei, überdem scheinen in diesem Stalle alle Pferde rotzig zu sein.quot; Nach einigen derben Vorwürfen , die er von mir wegen seines Unge­horsams erhielt, trat ich an die Krippe, vor welcher meine Pferde mit Abscheu sich zurückzogen, und hier sah ich , was man freilich gesehen haben muss , um es zu glauben, und überzeugte mich wieder einmal, dass die Thiere mehr Ver­stand hatten, als gewisse Menschen. Die Krippe war ziemlich 3/4 voll alten Futters, aus Häcksel und Hafer bestehend, dasselbe hatte in der Mitte eine wel­lenförmige Vertiefung, in weicher eine schmutzig faulig-stinkende Wasserjauche schwamm, ringsum befand sich ein Kranz von zwei Finger langen Haferpflan­zen. Das ganze Futter war fest eingepresst, verfilzt, faulig und schimmlich stinkend ; es bestand aus mehreren Lagen älterer und neuerer Zeit. Meinen Pferden war nur Heu in die Raufe gesteckt, aber sie scheuten sich, auch dieses anzurühren.
Bei meiner Untersuchung der im Stalle vorhandenen [Pferde, fand ich T rotzig, darunter ein Viergespann egal Brauner, von resp. 4 und 5 Jahren, wel­ches nach meiner Schätzung, den damaligen wohlfeilen Preisconjuncturen ge-mäss, einen Werth von 1000 Thlr. hatte, und einen für 350 Thlr. angekauften Hengst. Dann fand ich noch in einem andern Stalle 4 rotzige Füllen. Sämmt-llche 11 Pferde wurden noch an demselben Tage getödtet, der Besitzer erschoss sie selber, was er sicher nicht auf meine Anweisung allein hin gethan hätte, wenn er nicht bereits andern Sinnes geworden wäre.
Meine Pferde Hess ich zwar sofort aus dem Stalle ziehen, es war indess leider zu spät, nach einigen Wochen waren sie rotzig, und hatten mir noch meine beiden andern Pferde, da ich inzwischen bettlägerig geworden war, und 10 Monate lag, angesteckt. Ich verlor mithin durch eine Dienstreise, für die ich einen Thaler Diäten erhielt, 4 Pferde, die mich 400 Thlr. kosteten.
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mit so beharrlicher Consequenz bestritt. Darüber gab er folgenden Aufsohluss : Im Jahre 1834 kaufte er auf einem Pferrlemarkte ein Pferd, dasselbe habe eine ganz unbedeutende Anschwellung der einen Submaxillardrüse, und an derselben Seite sehr wenig wässerigen Ausfluss aus der Nase gehabt. Dieses Pferd habe seiner Ansicht nach nur am leichten Kropf gelitten, und Thierärzte und andere Sach­verständige, denen er das Pferd gezeigt, hätten behauptet, dass es nicht am Rotze leide. Dieses Pferd habe er unter seine andern Pferde gestellt, und seien diese von jenem angesteckt worden , daher rühre nun die Krankheit, die sich immer weiter verbreitet, und bis in die spätere Zeit verschleppt habe. Dies Pferd habe über zwei Jahre unter seinen Pferden gestanden und mit ihnen gearbeitet, darauf sei es an einer andern Krankheit, von der es zufallig befallen, an Colik, gestorben. Sein anderer Krankheitszustand sei sich aber immer gleich geblieben. Da nun die Ursache nicht Rotz gewesen , könne auch die Wirkung nicht Rotz sein, da also jenes Pferd nicht rotzig gewesen sei, könnten auch jetzt seine Pferde nicht rotzig sein.
Dass übrigens die Krankheit, welche hier durchweg den scro-phulösen Character mit chronischem Verlauf hatte, so sehr überhand nahm, lag zum Theil mit in den schlechten, unzweckmässigen Loca-len, in der grossen Unordnung und Unreinlichkeit und in dem Um­stände , dass hier so häufig verdorbenes, namentlich schimmliches, Heu gefüttert wurde.
Vierter Fall.
Ich hatte einen circa 12-jährigen Wallach mit etwas heftigem Temperament und sensiblem Nervensystem. Ich kaufte eine ö-jährige Stute, bei welcher die rechte Submaxillardrüse sehr unbedeutend, kaum fühlbar, angeschwollen, aber hart, festsitzend, kalt und un­schmerzhaft war und ganz flach am Kiefer anlag. Sonst fehlte dem Pferde nichts, es war gut genährt, hatte glänzendes Haar, war in jeder Weise sehr munter und thätig, und es änderte sich auch nichts an ihm nach den grössten Anstrengungen und weitesten Touren, die ich oft einspännig mit ihm machte. Früher war dieses Pferd längere Zeit bedeutend erkrankt gewesen, und ich hatte es geheilt, glaubte vielmehr es geheilt zu haben (s. den 17. Fall). •— Dieses Pferd stellte ich links neben jenen Wallach. Es gewann diesen sehr lieb, was es dadurch bethätigte, dass es den Wallach beständig im Gesicht be­roch, beschnüffelte und leckte. Nachdem ich die Stute 3 Monate besass, zeigte sich aus dem rechten Nasenloch ein sehr geringer, an­scheinend wässeriger, schmutzig-graugelblicher, trüber, etwas klebri­ger Ausfluss, welcher in einigen Tagen wieder verschwand, jedoch von Zeit zu Zeit, und namentlich nach angestrengtem Laufen, aber
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immer nur auf wenige Tage, zurückkehrte, von dem ich indess nichts Arges fürchtete. Eines Morgens, jene Stute hatte eben wieder den Ausfluss, trat ich in den Stall zu meinen Pferden, und bemerkte, dass dem Wallach das linke Auge ganz verschwollen war, und dass es stark thränte; die Conjunctiva war sehr aufgelockert und orange-rothfarbig. Ich schloss, dass die Stute bei ihrem Beschnüffeln dem Wallach ins Auge gestossen hatte, und hielt mich dazu um so mehr berechtigt, als der äussere Augenwinkel mit dem Ausfluss der Stute sehr beschmutzt war, so dass sich hier die Haare verklebt hatten. Nicht entfernt dachte ich an eine Infection, sollte indess bald eines Bessern belehrt werden. Ich liess lauwarme Camillenbähungen ge­gen die Augenentzündung anwenden. Nachmittags schon zeigten sich die Lymphgefässe am äussern Augenwinkel büschelförmig und strotzend angeschwollen, sie vereinfachten sich nach der Ohrdrüse und der Ohrmuschel in einzelne, stärkere Stränge. Am andern Tage schien die Ohrdrüse angeschwollen, und von hieraus verliefen meh­rere fluctuirende, strotzend gefüllte Lymphgefässe an den Hals und vereinigten sich hier in einen dicken Strang, welcher neben der Ca-rotis bis zur Brust verlief, wo er in den Achseldrüsen zu enden schien. Von den Ohrmuscheln verliefen die geschwollenen Lymphgefässe an den obern Theil des Halses, an welchem sie sich in verschiedenen grösseren Zweigen vereinigten. Bald darauf zeigten sich diese An­schwellungen hinter der Schulter, wo sie sich in einen Stamm ver­einigten, welcher im Verlauf der Saphena strotzend nach hinten , seit­wärts vom Bauche, zum Hinterschenkel lief, hier in mehrere Zweige sich theilend, an der Innern und äussern Fläche nach unten bis zum Hufe ging. An den Hauptstämmen dieser fluctuirenden Lymphge­fässe liefen bald Beulen an verschiedenen Körperstellen auf, welche zu Rotzgeschwüren aufbrachen.
Innerhalb sechs Wochen heilte ich diesen Zustand, durch Caute-risiren mit dem Glüheisen und scharfe Einreibungen, anscheinend voll­ständig.* Das Pferd hatte während der Krankheit Schlecht gefressen, und war abgemagert, indess es erholte sich nun bald, und ich spannte es wieder an. Nach etwa 14 Tagen indess schwoll der rechte Hinterfuss über dem Hufe an, die Geschwulst, teigig, heiss, schmerz­haft, stieg schnell bis zum Sprunggelenk. Auf derselben liefen strotzend gefüllte Lymphgefässe auf, die sich nach dem obern Theil des Schenkels nach und nach fortzogen, und dann denselben Gang nach vorn bis zum Kopfe machten, den jene auf der linken Seite, vom Kopfe bis zum Hinterschenkel gemacht hatten. Hier schwollen nun aber auch die re chte n Submaxillardrüsen an. Beulen liefen auf den Lymphgefässen auf, die zu Geschwüren aufbrachen. Die angewendeten Heilmittel blieben ganz ohne Erfolg. Ich liess das
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Pferd tödten, und die Section ergab ausser andern Zeichen des Rotzes, Lymphtuberkeln, besonders in der linken Lunge.
Fünfter Fall.
Es ging der landräthlichen Behörde des Kreises, für welchen mir die kreisthierärztlichen Functionen übertragen sind, die Anzeige zu, dass bei mehreren Stuten eines Bauerndorfes, welche der Hengst eines dortigen Hofbesitzers gedeckt habe, sowie auch bei Stuten, welche von ausserhalb zu dem betr. Hengste gekommen seien, eine Art Ausschlag (Geschwürsbildung) an den Geschlechtstheilen und deren nächster Umgebung vorkomme. Ich wurde amtlich zur Unter­suchung committirt. Es wurde ermittelt, dass der fragliche Hengst eine Zahl Stuten des Dorfes, und auch die des Besitzers selbst, und mehrere Stuten von ausserhalb aus den Nachbardörfern gedeckt hatte, und dass ein Theil dieser Stuten nach der Deckung erkrankte, und zwar zeigten sich auf der Schleimhaut der Schamlefzen und der Scheide, sowie am äussern Rande jener Lefzen, bei einigen Stuten sogar weiter abwärts, zwischen den Schenkeln und an einzelnen Par-tieen auf der hintern Fläche der Schenkel, die vollständig characte-ristischen scrophulösen Rotzgeschwüre; ausserdem, und namentlich an jenen letztern Stellen, fanden sich Erosionen, bei denen die Epi­dermis weggeätzt war, so dass sie offene, zum Theil grössere Ge­schwürsflächen bildeten. Aus der Vulva floss ein gelbliches, homo­genes , consistentes, trübe undurchsichtiges , sehr klebriges, scharf ätzendes, alkalisches, copiöses Secret ab, welches den äussersten Rand der Schamlefzen theilweise verklebte, hier zu undurchsichtigen, in einzelnen Fällen etwas durchscheinenden, dunkel braungrünlichen Krusten eintrocknete, die nächsten Haare fest verklebte, an mehreren Stellen ausserhalb der Scham, welche mit jenem Ausfluss beschmutzt waren, klebrig in den Haaren haftete, diese und die Epidermis weg­ätzte etc. Es hatte die Pferde bereits ein Privatthierarzt in quot;Behand­lung, und befanden sich mehrere der Stuten schon in der Heilung, es war bei diesen der Ausfluss beseitigt und die betr. Geschwüre ver­narbt. Diese und die meisten andern inficirten Stuten, namentlich alle, welche keine Anschwellungen der Submaxillardrüsen und Ausfluss aus der Nase bekommen hatten oder bekamen, wo also das Uebel ein auf die äussern Geschlechtstheile und deren nächste Umgebung begrenz­tes , ein örtliches, blieb, oder bei eintretender Behandlung noch war, erwiesen sich später vollständig geheilt, und zwar durch blos äussere Mittel. Es war doch dieser Zustand unzweifelhaft Rotz, und zwar mit vollständig ausgebildeten Rotzgeschwüren und obendrein ein In-fectionsrotz, erzeugt durch Ansteckung bei der Begattung von dem rotzigen Hengste, aber es war vorläufig ein localer Rotz. Ich habe
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nicht ermitteln können, dass von den geheilten Pferden später auch nur eins wieder einen Rückfall der Rotzkrankheit bekommen hätte, noch dass die von mehreren dieser Stuten geborenen, und von jenem rotzigen Hengste gezeugten Fohlen rotzig gewesen wären. Mehrere andere Stuten, namentlich aber die des Besitzers des Hengstes, von denen einige den Rotz ebenfalls an den Genitalien zeigten , litten am Nasen- und Lungenrotz, hier war die Krankheit eine allgemeine Dys-krasie und eine Heilung nicht wahrscheinlich, daher auch diese Stu­ten sofort getödtet wurden. Es ist wahrscheinlich, dass diese Stuten noch auf andere Weise von dem Hengste, als durch die Begattung, vielleicht durch das Beriechen etc., angesteckt worden sind.
Der Hengst war ebenfalls rotzig, und zwar litt derselbe an der allgemeinen Rotzdyskrasie mit vorherrschender örtlicher Affection der Lungen und Kopfhöhlen, und wie die durch die Section sich er­gebenden Erscheinungen, die Blut- und Lymphtuberkeln und Rotz­geschwüre von grösserem Umfange, mit Ergriffensein der Knorpel und Knochen in den Kopf höhlen, die Drüsen Verhärtungen etc., mit dem klebrigen , blutigen, halbdurchsichtigen , braungrauen Ansfluss aus der Nase, einen in der That inveterirten Rotz bekundeten, so ging daraus hervor, dass der Hengst von den vorgefundenen, rotz­kranken Pferden zuerst erkrankt gewesen sei, und dass die andern Pferde, wenigstens alle diejenigen, welche am localen Rotze der Ge­nitalien litten, von ihm bei der Begattung inficirt worden sind. Der Hengst selbst zeigte an seinen Genitalien keine Spuren der Rotz­krankheit ; es ist wahrscheinlich, dass das Contagium an dem Secrete der Sehleimhaut der Urethra, welches mit dem Saamen abgegangen ist, gehaftet hat.
Sechster Fall.
Ich kaufte zwei russische Schimmel, von denen der eine, ein starkes, kräftiges Pferd, an einer eigenthümlichen Mauke litt. Beide Hinterfessel waren stärk geschwollen, die hinteren Flächen derselben waren ganz haarlos, die Haut schien bedeutend degenerirt, verdickt, warzig und schrundig; sie hatte ein schmutzig - hellgraues Ansehen und schien ganz dicht mit Drüschen besetzt, aus denen ununterbro­chen eine trübe, dünnflüssige, schmutzig-graue Jauche von penetran­tem Geruch, dem faulenden Home ähnlich, in grosser Menge aus­sickerte und abfloss. Es hatte sich in Folge davon der Hornsaum von beiden Ballen, und der ganze Strahl, welcher überdem faul war, gelöst. Das Pferd schien keine Schmerzen daran zu haben, denn es lahmte nicht, es war indess so misstrauisch und böse, dass es Nie­mand in die Nähe seiner Füsse kommen liess, und sowie Jemand dies versuchte, biss und schlug es heftig um sich. Man konnte darum
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nur aus einer grössern Entfernung mit einer Spritze die Mauke hin und wieder reinigen. Beide Pferde waren mehrmals hinter einander durchgegangen, sie waren beide sehr heftig und unbändig, und um sie einigermaassen zu zähmen, liess ich sie in den Pflug spannen, und gab zwei Menschen, einen zum Führen der Pferde, und einen zum Halten des Pfluges, dazu. Indess die Pferde gingen ganz unbändig, fortwährend bewegten sie sich in Galloppsprüngen und im starken Lauf, und musste sehr oft angehalten werden, damit die Leute ath-men konnten. Nach vierstündiger Arbeit kamen die Pferde im höch­sten Grade echauff'irt nach Hause, das eine Pferd trat von der Krippe zurück und frass nicht, es hatte Nachmittags eine vollständig ausge­bildete Lungenentzündung. Das zweite Pferd war ganz munter, und frass wie gewöhnlich, am nächsten Morgen war die Mauke ver­schwunden, d. h. sie war trocken und zeigte keine Spur des Secrets mehr, in 8 Tagen war sie fast vollständig abgeheilt, und die Füsse wären dünn, wie sie sein mussten. Dagegen schwollen die Lymph-gefässe an den Hinterfüssen und an beiden Seiten des Halses und der Rippen dick auf, auf ihnen entstanden fluctuirende Beulen, die bald zu offenen Rotz- (Wurm-) Geschwüren aufbrachen, aus denen dys-krätische Lymphe reichlich abfloss. Es war der vollständig ausge­bildete Hautrotz (Wurm) vorhanden. Neben diesen Lymphgefäss-geschwülsten liefen gleichzeitig einzeln stehende, begrenzte Beulen in der Grosse von Hühnereiern, einer Mannsfaust und grosser, an verschiedenen Körperstellen, z. B. vor der Brust, auf den Schulter­blättern und auf den Rippen auf, welche in der Tiefe fluctuirten. Bei Oeffnung derselben floss ein sehr consistenter, homogener, zäher, gel­ber Eiter ab. Diese Geschwüre heilten nur nach wiederholten Cau-terisationen mit dem Glüheisen, sie hatten sämmtlich Neigung fistulös zu werden, wie es die grösste jener Beulen wurde, die sich auf den rechten Rippen gebildet hatte. Diese lag, wie zwei Fäuste gross, zwischen der 7. und 8. Rippe, sie entleerte eine Menge Eiter, und ihre Höhle reichte zwischen die Intercostalmuskeln durch bi? auf die Rippenpleura, die man mit der Hornsonde deutlich fühlte. Alles Cauterisiren und alle anderweit eingeschlagenen Behandlungsmetho­den halfen nichts, es blieb eine fortwährend offene Fistel, welche stets einen reichlichen, schmutzig-gelbgrünlichen , dicken Eiter aus­sonderte. Keine Lymphdrüsenanschwellung trat ein. Der Hautrotz wurde in 3 Wochen vollständig geheilt. Nach und nach stellte sich ein trockner, kurzer, heiser pfeifender, aber kräftiger, laut schallen­der, erstickender, anhaltender Husten ein, der periodisch, und beson­ders bei gefülltem Magen, und im Anfange jeder Bewegung, öfter wiederkehrte und heftiger wurde. Der Husten wurde mit der Zeit im­mer bedeutender, und blieb dann auf einer gewissen Höhe stehen. Jedenfalls waren Bluttuberkeln, welche sich in den Lungen des
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Pferdes im reichlichen Maasse gebildet hatten, die Ursache dieses Hustens. Mit diesem Husten und jener Fistel, die beide sich voll­ständig gleich blieben, fuhr ich das Pferd auf den anstrengendsten Reisen noch zwei Jahre lang, ohne dass an dem Pferde die mindeste Veränderung bemerkt wurde, dann ging es in andere Hände über.
Siebenter Fall.
Ein Gutsbesitzer kaufte von einem Pferdehändler zwei 4-jahrige, ganz rohe, noch ungebrauchte Hengste, welche dieser aus Ostpreus-sen geholt, und sechs Wochen in seinem Stalle gehabt hatte, für den Preis von 110 Frd'or. Der neue Besitzer Hess die Pferde etwas anreiten, nm sie demnächst einzufahren. Vier Wochen in seinem Besitz, hatte er die Pferde versuchsweise nur einmal angespannt, und war damit eine halbe Meile weit auf ein Nachbargut gefahren. Die Pferde standen beständig in einem guten, besonderen Stalle, und ka­men mit anderen Pferden nicht in Berührung, sie wurden sehr in Acht genommen, gut gepflegt und vorsichtig behandelt. Auf dem Gute selbst, sowie in der Umgegend, existirte keine ansteckende Krankheit unter den Pferden. Eiligst wurde ich auf das Gut gerufen, da der eine der Hengste Blutsturz bekommen habe. An Ort und Stelle angekommen , fand ich das junge, sonst rauthige , so gut ge­nährte und kräftige Thier etwas matt und hinfällig. Vor ihm am Fussboden stand ein grosser, theils coagulirter Blutpfuhl, die eiserne Krippe war circa um lli mit coagulirtem Blut gefüllt. An den Na-sunrändern sah man noch Spuren angetrockneten Blutes in den Haa­ren sitzen. Das Pferd athmete etwas beschleunigt und kurz, zeigte ganz gelinde Fieberbeivegungen, dabei aber Appetit und sonst nichts was auf ein weiteres Kranksein schliessen liess. Ich hielt dafür, dass dem Pferde, aus Gott weiss welcher Ursache, ein ßlutgefäss der Lun­gen geplatzt sei, und ordnete demgemäss mein Heil- und Vorbauungs­verfahren gegen Rückfälle, sowol therapeutisch, Wie diätetisch an. Der zweite Hengst, welcher rechts neben jenem stand, war vollstän­dig, gesund und munter. Den dritten Tag besuchte ich den Patien­ten wieder, er hatte sich vollständig erholt, jedes Krankheitssymptom war verschwunden , er war munter und gesund, und eben so das zweite Pferd. Acht Tage nach dem ersten Anfall, während der Hengst nicht aus dem Stalle gewesen war, erhielt ich einen Expres­sen, mit der Aufforderung: sofort hinauszukommen, indem der Blut­sturz sich wiederholt habe. Ich eilte hinaus, und fand dasselbe Re­sultat, wie nach dem ersten Anfalle. Ich wiederholte meine Anord­nungen, als ich aber am dritten Tage wieder den Patienten sah, war ich nicht wenig überrascht und erschrocken , denselben total rotzig zu finden. Die rechte Submaxillardrüse war wie eine Mannsfaust
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gross geschwollen, hart, heiss. sehr schmerzhaft und festsitzend; aus dem rechten Nasenloch hörte man ein schnüffelndes Athmungs-geräusch; der äussere Nasenrand war verschwollen, steif, glänzend; aus dem untern Winkel der Nasenöffnung floss in fast gleichmässigem, trägem Strome, etwa wie ein Federkiel dick, aber breit gedehnt, eine schmutzig-graubräunliche, fast erdfarbige, etwas körnig erscheinende, völlig undurchsichtige, consistente und klebrige Jauche ab, sie war ein Gemisch, welches anscheinend aus dyskratischer Lymphe, zer­setztem Blut und Schleim bestand, undRudimente zerfallenerLungen-substanz, Epithel- und Schleimhautzellen enthielt; sie hatte einen penetrant fauligen Geruch und eine bedeutende caustische Schärfe, denn sie ätzte am Nasenrande nicht nur die Haare, sondern auch die Epidermis, soweit sie damit in Berührung kam, weg. Inder rechten Nasenhöhle war auf dem Septum ein grosser Theil der Schleimhaut bis auf den Knorpel zerstört, soweit dieser blos lag, hatte er eine rauhe dunkelviolettroth gefärbte Beschaffenheit, die noch unverletzte Schleimhaut war überall sehr aufgelockert und von intensiv dunkel hochrother Farbe, ins Ziegelroth schimmernd; der Knorpel des Septums und die Nasenmuscheln waren aufgetrieben, so dass sie die Nasen-gänge sehr verengten. Das Pferd fieberte, es hatte einen kleinen, leeren, schnellen Puls, es litt an gänzlicher Appetitlosigkeit.
Der zweite Hengst war noch vollständig gesund, er wurde sofort in einen andern Stall gebracht. Der kranke Hengst wurde getödtet. Bei der Section erwies sich die ganze Schleimhaut der rechten Nasenhöhle, des Rachens, Kehlkopfs und der Luftröhre in der Weise verdickt, wie oben angegeben. Die Kehlgangsdrüse war speckig verhärtet, ohne Tuberkeln, die auch in den Lungen gänzlich fehlten; der Knorpel des Septums war an der von der Schleimhaut entblössten Stelle bereits cariös angegriffen. Die grössere Hälfte der rechten Lunge war total destruirt, die andere kleinere Hälfte war lappig, schlaff und hatte noch ihre zellige Structur; die linke Lunge war bis auf einige, im Entzündungsstadium befindliche Knoten von Wall-nussgrösse, von normaler Beschaffenheit. Von jenem destruirten Theil der rechten Lunge war etwa die kleinere Hälfte hart, sie leistete dem Wasser Widerstand, sie war auf der Schnittfläche zellig, sie bestand aus braunrothen Feldern von eigenthümlichen Glanz um­geben, von schmutzig grauen, erdfarbigen Einfassungen, welche hin und wieder schon im Zerfliessen begriffen, überall aber weicher waren, als ihr braunrother Inhalt. Vom Lungengewebe war hier nichts zu erkennen. Die grössere Hälfte dieses destruirten Lungentheils war in eine fast breiig jauchige Masse aufgelöst, sie hatte ungefähr die Farbe und Consistenz dicker Chocolade und enthielt viele theils lappige, theils körnige, theils faserige Rudimente des zerfallenen Lungengewebes. Sie war von etwas fauligem Geruch und wurde
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nur zusammengehalten durch die Lungenpleura, die Gefässe und Nerven. Von knorpeliger Substanz und Schleimhaut der Luftröhren­äste und Bronchien war nichts mehr zu entdecken.
Offenbar war dies ein Carcinom der rechten Lunge und die Ursache jener Blutstürze wie der Entwickelung des acuten Rotzes. Der Rotz war also die carcinomatöse Form. War dieser Fall irgend wie analog den sub 14 und 17 oder den andern mitgetheiltenFällen? War etwa jener Krankheitszustand kein Rotz ? Fast möchten sich Zweifler finden, weil hier nicht von Rotzgeschwüren und Miliar-tuberkeln die Rede ist; indess sie werden vielleicht durch die nach­folgenden Thatsachen ihre Zweifel besiegt sehen, — Oder sind viel­leicht die andern mitgetheilten Fälle, oder einzelne unter denselben, kein Rotz gewesen? — Ich glaube nicht, dass die Wissenschaft diese Frage bejahen und solches begründen könnte. Wenn aber zuge­standen werden muss, dass dieser und die andern mitgetheilten Krank­heitsfälle alle zur Kategorie des Rotzes gehören, dann scheint es doch unzweifelhaft, dass es der Natur und dem Wesen nach ganz ver­schiedene Rolzformen giebt, die kaum einige entfernte, in der Sympto­matologie nur untergeordnete, Analogieen bieten; es scheint weiter aber auch geboten, endlich einmal die Idee, dass ohne Rotzgeschwüre und Miliartuberkeln kein Rotz existirt, und dass diese beiden Er­scheinungen die alleinigen pathognomonischen Kennzeichen des Rotzes sind, aufzugeben und danach die weitere Lehre von der Rotzkrankheit des Pferdes zu modificiren. Hatte ich moralisch das Recht und die Pflicht, jenen Hengst für rotzig zu erklären und tödten zu lassen ? Unzweifelhaft! Denn einmal war das Thier absolut unheilbar, andererseits wäre jedes andere Pferd, welches etwa mit ihm in Berührung kam , inficirt und rotzig geworden, jede leiseste Infection eines Menschen aber hätte diesem Todesgefahr gebracht. Die weitere Mittheilung wird mein Urtheil rechtfertigen.
Den 2., nunmehr in den Kuhstall gestellten Hengst, sah ich am 3. Tage nach dieser Untersuchung. Die linke Submaxillardrüse war fast wie ein Gänseei gross, geschwollen, hart, gespannt, heiss und sehr schmerzhaft, etwas verschiebbar. Die Schleimhaut des linken Nasenlochs war hoch ziegelroth, trocken, ebenso die Con­junctiva des linken Auges. Ausfluss war nicht vorhanden; das Pferd fieberte und athmete etwas beengt, der Appetit war verringert. Ich hielt das Pferd für vom Rotze inficirt, und um dasselbe möglicher­weise zu erhalten, leitete ich ein energisches und ausgedehntes thera­peutisches Verfahren ein. Sechs Wochen lang besuchte ich den Patienten jede Woche. Beim 2. Besuch hatte sich bereits jener characteristische Rotzausfluss ausdem linken Nasenloch und linken Auge eingestellt. Die Schleimhäute waren aufgelockert und bleich, jener Drüsenknoten war kalt und unschmerzhaft, seine Spannung
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hatte sich verloren, dagegen war er elastisch hart, mehr kautschuk­artig geworden, und war er noch verschiebbar, wurde aber zuletzt ganz fest anliegend am Kiefer. Die Fiebererscheinungen waren ganz verschwunden, das Athmen war wieder regelmässig und der Appetit hatte sich wieder vollständig eingestellt. Der Ausfluss aus der Nase war bei jedem folgenden Besuch bedeutender. Obwol ich das Pferd schon bei meinem 2. Besuch für rotzig hielt, so erklärte ich dasselbe doch erst in der 4. Woche für rotzig, nachdem sich auf dem Septum der linken Seite Rotzgeschwüre zeigten, und rieth ich dem Besitzer zur Tödtung auch dieses Pferdes. Er wollte sich hierzu nicht ver­stehen , und nur auf seinen Wunsch setzte ich die Behandlung bis in die siebente Woche fort. Inzwischen hatte sich ein kluger Thierarzt eingefunden, der hinter meinem Röcken dem Besitzer gegenüber be­hauptete: das Pferd sei nicht rotzig, und der sich zur Heilung desselben erbot. Dieser nahm das Pferd nach seinem Wohnort, behandelte dasselbe in seiner Weise noch 6 Wochen und liess es dann wegen Rotz tödten. Die rechte Seite des Pferdes, war während des ganzen Verlaufs der Krankheit ganz unbetheiligt an derselben ge­blieben. Beim erstem Hengste hatten wir den acuten carcinomatösen Rotz, ohne Rotzgeschwüre und Miliartuberkeln ; der von diesem infieirte Hengst erkrankte am chronischen scrophulösen Rotz mit Rotzgeschwüren, und wie ich, ohne die Section gemacht zu haben, behaupte, auch mit Miliartuberkeln.
Achter Fall.
Ein Kaufmann hielt sich vier Wagen- und ein Reitpferd, welche in einem Stalle standen. Zwei jener Wagenpferde, die fast bestän­dig zu Reisen benutzt wurden, bekamen chronische Drusen, die ich, wie ich die Pferde , nachdem der Besitzer und verschiedene Pfuscher damit lange Zeit gequacksalbert hatten, untersuchen musste, für be­denklich hielt, und welche Krankheit ich für ansteckend erklärte. Der Eigenthümer, seinem eignem Urtheile mehr, als dem meinen ver­trauend, trennte die Pferde nicht von den andern 3 Pferden, was zur Folge hatte, dass nicht nur jene, sondern auch diese auf dem Infectionswege rotzig wurden. Das Reitpferd, obgleich es durch die andern beiden Pferde von den Kranken getrennt war, erkrankte zuerst. Es stand rechts von diesen Pferden. Plötzlich schwoll die linke Submaxillardrüse an, die von ihr ausgehenden Lymph-gefässe schwollen nach dem Gesicht zu sehr an , Drüse und Lyraph-gefässe waren sehr schmerzhaft, das Pferd frass nicht und fieberte heftig. Am nächsten Morgen fanden sich auf dem Septum in der linken Nasenhöhle, soweit man hinaufsehen konnte, dicht aneinander stehende Rotzgeschwüre, und aus dem Nasenloche derselben Seite
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floss eine copiöse, caustisch lymphatische, gelbliche, durchsichtige, sehr klebrige Masse ab, in welcher sich mitunter deutliche Blutstreifen zeigten. Die Nasenränder waren wie callös aufgetrieben, kalt, hart und steif. Das Pferd frass gar nicht, es war sehr aufgeschürzt, athmete mit sehr tief eingezogenen Bauchdecken und Flanken und schnüffelnd durch die Nase. Die Hinterfüsse waren bis zu den Sprung­gelenken hinauf oedematös angeschwollen, sehr schmerzhaft. Das Pferd fieberte heftig, sein Puls war klein, unterdrückt und schnell, das Haar war struppig und glanzlos. Das Pferd magerte sichtlich und plötzlich ab, es fiel complett zusammen, es zeigte eine grosse Reizbarkeit und überall heftigen Schmerz, besonders in der ganzen Haut und in allen Gelenken, so dass es kaum gehen konnte.
Ich erklärte das Pferd für rotzig und zeigte dies der Polizei­behörde an; wie diese das Pferd zur Tödtung abholen lassen will, tritt ihr der Eigenthümer mit einem Atteste des Kreisphysicus ent­gegen, wonach das Pferd noch nicht rotzig ist, und gleichzeitig mit einem, auf Grund dieses Attestes erlassenen Decret des Regierungs-Präsidenten , wonach die Tödtung des Pferdes noch bis auf Weiteres zu sistiren sei. Angeregt durch mich, fand nun am nächsten Morgen eine Untersuchung des Pferdes gemeinschaftlich durch den Reg.-Med.-Rath, den Kreisphysicus und mich statt. Das ganze Pferd fehlen in einer Art gährender Auflösung begriffen zu sein, so dass, wie es aus dem Stalle trac, Jeder von uns vor dem Anblick erschrack. Die Submaxillardrüsen waren an beiden Seiten faustgross ange­schwollen, aus beiden Nasenlöchern zapfte der mit Blut untermischte Ausfluss, bei einem schnarchenden Athmen durch die Nase, wie eine gährende Wäsche, blasig hervor und klebte theilweise an den Nasen­rändern und in den Haaren fest. In der linken Nasenhöhle waren die Schleimhäute, so weit man sehen konnte, total zerstört, Knorpel und Knochen cariös angegriffen und aufgetrieben; die Schleimhaut der rechten Nasenhöhle war, soweit man sie sehen konnte, mit Rotz­geschwüren dicht besetzt und dabei sehr dick aufgeschwollen, über die ganze Haut hin zogen sich strangförmig angeschwollene Lymph-gefässe, die sehr schmerzhaft waren und an denen viele fluctuirende Beulen aufgebrochen waren, aus welchen jene dyskratische Lymphe abfloss. — Das Pferd wurde nun natürlich einstimmig für rotzig erkannt und sofort getödtet.
Es ist dies ein Fall von acutem (phlogosem) scrophulösem Infectionsrotz.
Neunter Fall.
Unter den Pferden eines Gutes brach der Rotz, nach Intervallen von 1—2 Jahren, dreimal aus, er herrsehte hier jedesmal seuchen­artig und raffte viele Pferde und Füllen weg. Es war hier primär
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stets der rein scrophulöse chronische Rotz, entstanden durch Füttern verdorbenen, schimmliehten Heues und Strohes, zu welchem sich, durch zu enge, dunstige, feuchte, heisse Ställe in den meisten Fällen septische Zustände gesellten. Die meisten Thiere, nameutlich aber alle Füllen, erkrankten durch Ansteckung. Bei der ersten Seuche wurde auch ein sehr stark genährter 4jähriger Fuchs wallach, veredelt, von heftigem Temperament, angesteckt. Wie ich diesen zuerst sah, war die rechte Submaxillardrüse hühnereigross angeschwollen, hart, heiss, gespannt und sehr schmerzhaft. Weitere Krankheits­erscheinungen waren nicht vorhanden. Es wurde das Pferd abge­sondert. Wie ich das Pferd nach 3 Tagen wieder sah, athmete es laut hörbar schnarchend und so beengt und erstickend, dass es beim Führen schwankte und das Maul aufriss, um nach Luft zu schnappen. Die Augen waren glotzend vorgetreten. Aus der Nase rechterseits floss eine copiöse Jauche, welche sichtlich aus 2 halb­getrennten Flüssigkeiten bestand, aus einem den Grund einnehmenden, gelblich klaren, durchsichtigen , eonsistenten , klebrigen , und einem ziemlich darüber hinfliessenden mehr bräunlich gefärbten, aber auch durchsichtigen , mit Blutstreifen untermischten, wässrigen Fluidutn. Jenes klebte theilweise am Nasenrande fest, die Haare und Epidermis waren hier mehrentheils schon weggeätzt. In der rechten Nasen­höhle sass, mit der Basis auf dem Septum, eine polypöse Masse von schwammiger Textur und roth oranger Farbe, von fast gelatinösem Ansehen, die bei der leisesten Berührung stark blutete, sie i-eichte fast bis an den Rand der Nasenöff'nung und schloss, in die Nasen­höhle hineinragend, diese vollständig. Das Pferd wurde als rotzig getödtet und bei der Section erwies sich, dass jener Fungus haema-todes bis in die Rachenhöhle hineinragte und hier den Luftdurchgang auch durch den linken Nasengang hinderte. Auf dem Septum der rechten Seite war der Knorpel wie ein Thalerstück gross von der Schleimhaut entblösst, auf diesem Knorpelth eil wurzelte jener Schwamm und wucherte über die Schleimhaut nach unten wie nach oben fort. Auf letzterer zeigten sich noch mehrere Rotzgeschwüre. Tuberkeln waren in den Lungen nicht vorhanden.
Zehnter Fall.
Auf einem Gute, auf welchem, wegen Schadhaftigkeit des einzigen Brunnens und dadurch herbeigeführten Wrassermangels, die Pferde aus einer Pfütze mit stagnirendem Sammelwasser getränkt werden mussten, entwickelte sich, aus unbekannten Ursachen, wahrscheinlich aus An­steckung durch ein angekauftes rotziges Pferd, die Rotzkrankheit. Sie herrschte hier lYg Jahr und raffte in dieser Zeit 16 Pferde fort, während welcher Zeit jenes Wasser getränkt wurde. Im Anfange
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hatte die Krankheit den rein scrophulösen Character und in der Regel einen sehr chronischen Verlauf, bald aber ging sie in die sep­tische Form über; es bildeten sich bei den inficirten Pferden, sobald Drüsenanschwellungen und Ausfluss eintraten, kalte, schmerzlose Oedeme an Füssen, Schlauch, Euter, unter der Brust, selbst an den Lippen etc. Der Ausfluss aus der Nase wurde mehr wässrig, er verlor seine Consistenz und Klebrigkeit, seine grauweissliche oder gelbliche Farbe, und Undurchsichtigkeit wechselte mit einem bräun­lichen Pigment und mit Durchsichtigkeit, es fanden damit oft ganz bedeutende Blutungen statt, welche aus den Lungen entsprangen, und das Quantum des Ausflusses vermehrte sich auffallend. Die Schleim­haut der Nase nahm eine mehr bläuliche Farbe an, sie lockerte sich sehr auf und schien in sich selbst zu zerfallen, indem sie mit dem Ausfluss theilweise wie eine dem zerfallenen Käse ähnliche Masse abfloss; Rotzgeschwüre erzeugten sich in solchen Fällen nicht mehr. — Die von der Schleimhaut entblössten Theile des knorpeligen Sep-tums waren braunroth körnig destruirt, theils breiig aufgelockert, oft blutend, und auf ihnen entstanden zuweilen fungöse Wucherungen. Manche Pferde athmeten schnüffelnd, bei den meisten trat Dyspnöe, und bei allen Dyspepsie ein. Es war dies eine aus der rein scrophu­lösen in die septische Form übergegangene Rotzseuche, welche Metamorphose unzweifelhaft das Wasser hervorgerufen hatte; die Krankheit erlosch erst, nachdem der ganze vorhandene Pferdebestand durch einen neuen ersetzt, der genannte Brunnen wieder hergestellt war und damit die Pferde ein besseres Trinkwasser erhielten.
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Elfter Fall.
Die 'Stadt Inovvraclaw, welche inmitten des fruchtbaren wald­losen Cujaviens, dessen Boden grossentheils aus Schieferthon mit einer mächtigen Mergelunterlage besteht, auf einer Anhöhe liegt, hatte in der Regel eine Cavallerie - Schwadron in Garnison. Die Garnisonsställe und Caserne liessen einen geräumigen Hof zwischen sich, auf welchem der Grundbrunnen stand, aus dem die sämmtlichen Pferde der Schwadron getränkt wurden; der Brunnen hielt beständig reichliches Wasser. Die Truppen wurden häufig gewechselt, weil, obwol jederzeit mit aller Sorgsamkeit die gründlichsten und ausge­dehntesten Desinfectionsmaassregeln angewendet wurden, immer wie­der von Neuem der Rotz unter den Schwadronspferden ausbrach und dann, allen militärischen Anordnungen zum Trotz, fort wüthete. Es hatte so die Krankheit sich alle Jahre hier gezeigt und ganz enorme Opfer gefordert, sie' zeigte sich in jeder Truppe, die länger als ein halbes Jahr hier lag, so vorsichtig auch mit der Pflege und sonstigen Behandlung der Pferde umgegangen wurde, ohne dass man die eigent-
Erdt, Rolzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 33
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liehe Ursache der Krankheit ermitteln konnte. Man suchte sie mehren-theils in einem in den Localien versteckten Contagium , war jedoch endlich auch gegen das Wasser misstrauisch geworden, weil die Pferde den Genuss des aus dem geschlossenen Brunnen frisch ge­schöpften Wassers beharrlich verweigerten, lieber dursteten und nur so viel genossen, wozu die äusserste Noth sie zwang, sie traten in der Regel von den vorgehaltenen Eimern prustend und schnaufend zurück. Man hatte endlich bemerkt, dass sie das Wasser lieber, obwol keineswegs mit Lust, tranken, wenn dasselbe mehrere Stunden in offenen Gefässen an der Luft, gestanden hatte. Man schaffte also demnach einige grosse Bottige an, stellte sie in den Ställen auf, trug sie, jedesmal nach vorheriger Reinigung, Abends voll Wasser, und tränkte dann davon andern Tages die Pferde. Ungeachtet dies ge­schah und die Pferde besser tranken, hörte die Krankheit nicht auf, und sie entwickelte sich auch eben so wieder unter den Pff rden der nun hier casernirten Schwadronen. Der Rotz trat hier fast immer in der septischen Form auf, ich hatte Gelegenheit, ihn öfter zu be­obachten. Die altern Pferde ergriff er seltener, und in der Regel unter weniger rapiden und auffallenden Symptomen, am meisten und heftigsten litten die Remonten. Typhoiden , namentlich Faulfieber, traten häufig auf, sie gingen in der Regel in Rotz über. Wenn die Pferde den vollständig gereinigten Stall frisch bezogen hatten, dann stellten sich nach einiger Zeit bei etwas Abmagerung und Appetit­losigkeit , zeitweise wiederkehrende Durchfälle ein, die indess sich wieder verloren, die Pferde wurden aber traurig und muthlos, die Augen wurden trüber, das Haar verlor seinen Glanz und wurde struppig. Die Extremitäten, namentlich die hintern, liefen periodisch an. Nach etwa 3—4 Monaten in diesen Ställen zeigten sich am Schlauche, Euter, unter dem Bauche, unter der Brust, sogar am Maule, am constantesten und bedeutendsten aber an den hintern Extremitäten, bedeutende oedematöse Geschwülste, die zuweilen heiss und schmerzhaft, zuweilen kalt und schmerzlos waren, sie vergingen und kehrten wieder, schliesslich stellte sich ein Fieber ein, und jene Geschwülste wurden bleibend; der Appetit war während des Fiebers ganz geschwunden und die Pferde zeigten sich , bei etwas kurzem Athen, traurig. Trat nicht Faulfieber ein, dann husteten die Pferde öfter kurz, trocken und matt, es verloren sich die Fiebersymptome, doch die sichtbaren Schleimhäute blieben, wie sie bisher waren, auf­gelockert , und entweder von ziegelrother oder bräunlich rother Fär­bung. Aus der Nase floss eine wässrige, klare, bräunlich gefärbte Flüssigkeit in geringer Menge ab. Es quot;stellte sich häufig ein mauke­artiger Ausschlag ein. Der Appetit fand sich etwas wieder, doch zeigten sich bald Drüsengeschwülste im Kehlgange, mit deren Eintritt der Ausfluss consistenter, trüber und häufiger wurde. An den Ge-
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schwülsten unter der Haut liefen Lymphgefasse strangförmig auf, an denen fluctuirende Beulen entstanden, und nach 6—8 Monaten etwa, nach dem Eintritt in den Stall, war der Rotz ausgebildet, kaum bei einigen Individuen früher, bei vielen aber später. Trat Influenza oder Druse ein, so machten diese Krankheiten sehr häufig den Aus­gang in Rotz.
Ich wurde endlich im Jahre 1832, während ich in Inowraclaw dienstlich mit den Tilgungsmaassregeln der Rinderpest beschäftigt war, auf Veranlassung der höhern Militärbehörde durch die könig­liche Regierung mit Erforschung der Ursache dieser Krankheit und zur Abgabe eines motivirten Gutachtens darüber aufgefordert. Nach allseitigen Forschungen gelangte ich sehr bald zu der Ueberzeugung, dass die Ursache der Krankheit lediglich im Wasser liege, und des­halb wendete ich meine ganze Untersuchung diesem Gegenstande zu. Ein Contagium lag weder in den Ställen, noch in den Utensilien oder Geschirren, noch waren hier, wie im Futter irgend welche veran­lassenden Ursachen zu finden. Das Wasser, wenn es frisch aus dem Brunnen geschöpft wurde, war im Winter wie im Sommer stets von gleicher Temperatur zwischen -j- 8 und 10deg; R., es war etwas milchig trübe, aber vollkommen durchsichtig, ohne Flocken und Fasern, überhaupt auf dem Filtrum nichts zurücklassend, dabei hatte es einen etwas gelblichen Schiller. Sein Geruch war eigenthümlich, er glich einem Gemisch von Kohlen- und Schwefelwasserstoffgas, er war widerlich faul. Der Geschmack war scharf salzig, bitter, widerlich, faulig, etwas stechend auf der Zunge und ein kribbelndes Gefühl auf derselben zurücklassend. Sobald das Wasser an der Luft stand, bildete sich ein gelbliches Häutchen auf seiner Oberfläche, welches sich bald zu Boden senkte und durch ein neues ersetzt wurde, dies dauerte einige Stunden fort und hörte dann auf, das über dem Bodensatz stehende Wasser war dann vollständig klar, farblos und hatte dann seinen eigenthümlichen Geruch verloren. Auf dem Boden des Gefässes lag dann ein chromgelber Satz der in einer ge­wöhnlichen CarafiFe etwa die Dicke einer halben Linie, in jenen Bottigen im Stalle aber jeden Morgen fast die Höhe eines Zolles erreicht hatte. Der Geschmack hatte sich insofern geändert, als das stechende Gefühl auf der Zunge nicht mehr stattfand, und das Wider­liche, Faulige sich verloren hatte.
Die chemische Analyse des Wassers ergab in 36 Unzen des­selben über 21/2 Loth fester Bestandtheile, von denen durch frei­williges Absetzen an der Luft etwa 1/8 abgeschieden wurde, es blieben also immer noch gegen 9 Quentchen fester Bestandtheile in dem an der Luft gestandenen Wasser aufgelöst. Jene 21J2 Loth fester Bestandtheile waren 33 verschiedene Stoffe, meistens Chlor­salze, deren Basen vorzugsweise Kalk, Magnesia und Thon waren.
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Wenn man nun annimmt, dass ein Pferd, welches ausschliesslich mit Hafer, Heu und Stroh gefüttert wird, täglich durchschnittlich 20 Quart Wasser bedarf und geniesst, so musste jedes Pferd der Schwadron in der Inowroclawer Garnison selbst mit dem schon ab­gestandenen Wasser, bei circa 9 Drachmen solchen Salzgehalts pro Quart, gegen 22 Unzen jener Salze täglich verschlucken. Hierin fand ich allein die Ursache der Entwickelung jener Typhoiden und septischen Krankheiten, und als Folge dieser das Auftreten des Rotzes. Ich sprach mich gutachtlich dahin aus, dass der Brunnen verschüttet und anderes, gesundes Wasser zatn Tränken für die Pferde geschaß't werden müsse, wenn die Krankheit ihre Endschaft erreichen solle. Ob Ersteres nachträglich geschehen ist, weiss ich nicht, aber ich weiss, dass der Brunnen verschlossen, und befohlen wurde, aus demselben die Pferde nicht mehr zu tränken. Da auch das Wasser in allen Stadtbrunnen schlecht war, so wurden die sämmtlichen Pferde mit dem Wasser des '/le Meile von der Stadt entfernten Flüsschens getränkt, welches durch ein Fuhrwerk täglich herangeschafft werden musste. Die Rotzkrankheit hörte hiermit unter den Pferden zwar nicht auf, indess erschien sie seltener, und namentlich war es das Faulfieber, welches gänzlich zu verschwinden schien. Die Pferde waren einmal für jene Krankheit prädisponirt und so entwickelte sich aus jeder unbedeutenden Veranlassung der Rotz. Die Schwadron wurde indess einige Monate später in ihr altes Standquartier verlegt, und es folgte ihr eine andere aus einem andern Regiment nach Inowraclaw mit gesunden Pferden. Diese lag hier über ein Jahr in Garnison, nnd es entwickelten sich unter ihren Pferden weder septische Krankheitszustände, noch Rotz. Sie wurden nicht aus jenem Brunnen, sondern aus dem Flusse getränkt.
Der Rotz trat unter jenen Schwadronspferden öfter in sehr rapider Weise auf, es folgten sich schnell auf einander 2,3,4 und wol mehr Pferde. Bei manchen verlief er langsam, bei andern aber sehr schnell; er erschien nie in der rein scropluilösen Form, darum auch die Symptome immer, mehr oder weniger, den Character des sep­tischen Rotzes zeigten. Fast immer war die Lunge bedeutend affieirt, es waren in der Regel ganze Partieen derselben geschwürig zerstört, jauchig aufgelöst, und es zeigten sich in den meisten Fällen Blut­tuberkeln , oft in sehr grossen Massen, und gewöhnlich im Stadium der käsigen, oder zcrfliessenden Metamorphose. Es bewies dies, dass liier immer eine primitive und vorwaltende Blutdyskrasie statt hatte, denn Lymph- (Miliar-) Tuberkeln fänden sich nicht so constant und nie in grosser Menge. Der Ausfluss aus'der Nase war in ter Regel graubraun, consistent, schmutzig erdfarbig, undurchscheinend und mit Blut untermischt. Häufig, und zwar nur in sehr acut verlaufenden Fällen, war er wässrig, braun, durchscheinend, dünnjauchig, fast wie
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Brandjaiiche, oft mit starken Blutungen wechselnd, und in solchen Fällen bildete sich zuweilen der Blutschwamm auf der Nasenschleim­haut. Die eigentlichen Rotzgeschwüre wurden selten angetroffen, dagegen grössere erodirte Stellen mit käsiger Auflösung der Schleim­haut, sphacelöse und cariöse Zerstörungen der Knorpel und Knochen etc. Die Drüsenafieetionen waren in den meisten' Fällen consecutiv, und nicht bedeutend. Der Rotz war oft schon ausgebildet, wenn die Drüsengeschwulst noch im Entzündungstadium war.
Zwölfter Fall.
Ein Gutsbesitzer, dessen Gut eine sehr niedrige Lage in der Nähe eines Flusses, in dessen Mündungsnähe sich bedeutende Sool-quellen befinden, hatte, baute sich einen neuen Stall für Pferde, und grub dicht vor der Stalkhüre einen Brunnen, den er versehloss, und mit einer Pumpe versah, und aus welchem sämmtliche Pferde getränkt wurden. In der Regel standen 28 Pferde im Stalle, unter denen solche waren, die 1000 Thaler und mehr kosteten. Nachdem der Stall einige Monate mit den Pferden bezogen worden war, liesen diese im Fressen nach, wurden schlaff und träge, fielen zusammen und bekamen angelaufene Hinterfüsse, dann fanden sieh ödematöse Geschwülste und Krankheitszustände, wie bei den Schwadronspferden in Inowrlacaw, ein , bis schliesslich, und zwar noch innerhalb eines Jahres, der Rotz sich einstellte, der ganz in der Form , Gestalt und mit dem Verlauf auftrat, wie in Inowraclaw. Es waren hier 3 bis 4 Thierärzte aus der Umgegend zur Behandlung der Pferde gerufen, sie curirten immer fort, indess vergebens, die Krankheit blieb sich stets gleich, raffte ein Thier nach dem andern fort, dafür folgte Ersatz, aber auch dieser verfiel der Seuche, so dass der Besitzer fast ver­zweifelte und schon glaubte, die Krankheit nie los, und durch sie ruinirt zu werden. So herrschte die Krankheit zwei Jahre fort, unter ganz gleichen Erscheinungen, wie sie im 11. Falle beschrieben sind, bis ich einmal zufällig den Gutsbesitzer besuchte. Er klagte viel über die Krankheit seiner Pferde, fragte aber nicht nach meiner Ansicht, denn er hatte ja Hülfe genug gesucht und glaubte Alles gethan zu haben, was er konnte, er sah sie bereits als ein eigenes unabänder­liches Geschick an, das ihn ruiniren werde. Ich bekam Durst und bat um ein Glas Wasser; es wurde eine Caraffe voll frisch aus der Pumpe geholt und mir nebst Glas vorgesetzt. Ich schenkte ein und wollte trinken, indess das Wasser duftete mir penetrant entgegen, so dass ich nicht trinken konnte. Auf meine Bemerkung hierüber, wurde mir gesagt: dass das Wasser erst eine Stunde an der Luft stehen müsse, dann sei es zwar immer noch schlecht, indess trinke es sich doch leichter, wenn es mehrere Stunden stehe, scheide sich aber
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ein gelber Bodensatz ab. Meine Frage: ob auch die Pferde mit dem Wasser getrankt würden, wurde bejaht. Ich untersuchte das Wasser genauer und fand, dass es aussah, roch und schmeckte, wie das beim 11. Fall beschriebene Wasser, und dass auch hier sich ein stets nieder­senkendes und sich wieder ergänzendes Häutchen auf seiner Ober­fläche und weiterhiTi ein starker, gelber Bodensatz bilde. Ich sagte dem Besitzer: dass dieses Wasser die Ursache des unter seinen Pferden herrschenden Rotzes sei, dass er für die Pferde anderes, besseres Wasser beschaffen und den Brunnen zuschütten müsse, wenn er die Krankheit los sein wolle. Hätte ich gesagt: die Ursache der Krank­heit sei Zauberei, und es müsse dagegen etwas geschehen , vielleicht wäre mir geglaubt und etwas gethan worden ; dass aber das Wasser Schuld sei, konnte man nicht fassen, und so geschah nichts dagegen. So dauerte die Sache noch 6 bis 8 Monate fort, der Verlust an Pferden wurde immer bedeutender, die Krankheit immer intensiver. Endlich schüttete man den Brunnen zu, und gab den Pferden besseres Wasser. Die Krankheit verlor sich allmählig und war nach einem Jahr getilgt und aus dem Stalle vollständig verschwunden, wohin sie bis jetzt, nach etwa 15 Jahren, nicht wieder gekehrt ist.
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Dreizehnter Fall.
Die Pferde derjenigen Schwadronen , welche längere Zeit, d. h. einige Jahre, in Inowraclaw in Garnison gelegen, und in derselben jenes ungesunde Wasser des Casernenbrunnens genossen hatten, er­litten durch den Rotz nicht nur grosseEinbusse in jenem Orte, sondern es hatte sich bei fast allen überlebenden Pferden auch eine derartig habituell gewordene Prädisposition zum Rotze entwickelt, dass diese Krankheit nach dem Wechsel der Garnison, und nachdem die Pferde Jahre lang an andern Orten lebten, ohne dass hier besondere veran­lassende Ursachen influirten, immer noch wieder zum Vorschein kam und bald mehr, bald weniger Pferde befiel und fortraffte, so dass die Krankheit kaum früher als beseitigt betrachtet werden konnte, bis die iSchwadron auch das letzte jener Pferde, welches in Inowraclaw länger gewesen war, abgestellt hatte. Fast ähnlich ging es einer Schwadron des 4. Ulanenregiments, welche nach längerer Garnison in Inowraclaw, wieder in ihr altes Standquartier Treptow a/R. verlegt wurde. Noch 10 bis 12 Jahre später, soweit ich esweiss, kamen alljährlich wieder-holentlich Rotzfälle unter den altern Pferden dieser Schwadron, die früher in Inowraclaw gewesen waren, vor. Namentlich zeigte sich dies häufiger unter den ausrangirten und verkauften Pferden, so bald sie in andere Lebensverhältnisse und in ungewohnte Benutzung traten. Sie wurden hier häufig Ursache der Weiterverbreitung des Rotzes,
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worunter ein weiter Umkreis von Treptow a/R. viele Jahre sehr zu leiden hatte.
Der Rotz trat in allen denjenigen Fällen, in denen ich ihn namentlich bei den ausrangirten und verkauften Schwadronspferden gesehen habe, und bei denen er sich unzweifelhaft spontan entwickelt hatte, als die septische Form auf, und dies war natürlich, denn er hatte sich aus der inlnowraclaw erworbenen prävalirenden septischen Anlage entwickelt; dagegen erschien er bei den von ihm angesteckten Pferden in der gewöhnlichen scrophulösen Form.
Vierzehnter Fall.
Im Jahre 1830 übergab mir ein Gutsbesitzer einen 5jährigen Wallach, Reitpferd, von edler Race und schönen Formen, wohl ge­nährt, mit glattem und glänzendem Haar, zur ärztlichen Behandlung. Das Pferd hatte seit langer Zeit, wie lange, weiss ich nicht, an der rechten Seite des Kehlganges eine Drüsengeschwulst von der Grosse eines Hühnereies, sie war elastisch hart, fühlte sich unter dem Finger wie Kautschuk an, sie sass lose, verschiebbar, war kalt und un­schmerzhaft. Aus dem Nasenloch derselben Kopfseite floss ein eigenthümliches Secret in grosser Menge ununterbrochen, wiewol nicht gleichmässig in Quantität, ab. Der Ausfiuss war consistent, zähe und klebrig, wenig strohgelblich, dabei wenig getrübt, so dass er immer noch vollkommen durchsichtig blieb, in diesem schwammen fortwährend milchweisse Flocken, dem geronnenen Eiweiss ähnlich. Der Ausfluss hatte nichts Scharfes und Aetzendes, er klebte aber am Nasenrande fest und bildete gelbe, undurchsichtige Schorfe. Die Schleimhaut des rechten Nasenloches war, so weit ich hinaufsehen konnte, gleichmässig verdickt, ohne alle Erhabenheiten, Knötchen oder Bläschen und Geschwüre, sie war von gleichmässig bleicher, schmutzig weisser Farbe, auf der Oberfläche stark -schleimig. Auch der Nasenrand war etwas verdickt und steif. Die Schleimhaut des linken Nasenlochs zeigte sich auch etwas aufgelockert und bleich, sonst war hier nichts Abnormes zu bemerken. An den Augen fand sich nichts, sie waren klar und rein, kein Ausfluss aus den Winkeln. Das Pferd athmete ruhig und gleichmässig, es hustete von selbst nie, die Lungen schienen gesund und kräftig zu sein. Der künstlich er­regte Husten war etwas locker, aber kräftig und volltönend. Beim Husten, und wenn das Pferd sich tief zur Erde bückte, floss jenes Secret in grösserer Menge aus dem rechten Nasenloche ab, es fiel dann zuweilen in grossen Klumpen weg. Das Pferd war stets bei gleiehmässigem, gutem Appetit.
Nach meiner derzeitigen Ansicht litt das Pferd an verdächtiger
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Druse; nach meiner heutigen würde ich sagen: es leidet am blen-norrhöischen localen Rotz, und ich würde die Heilung mittelst Trepa­nation und örtlicher directer Einwirkung auf den Krankheitsherd ver­suchen ; nach Haubners heutiger Ansicht, glaube ich, würde das-Pferd an Kieferhöhlenentzündung gelitten haben.
Ich nahm das Pferd in meinen Stall und habe es hier ein volles Jahr lang gepflegt und therapeutisch behandelt. In den ersten zwei Monaten behandelte ich dasselbe, nach dem damaligen Standpuncte-der Wissenschaft, schablonenartig, wie die Behandlung derartiger Patienten, welche an verdächtiger Druse litten, vorgeschrieben war;. jedoch ganz ohne jeden Erfolg. Darauf fing ich an, nach eigenen Ideen Mittel zu versuchen , welche ich sowol äusserlich örtlich , als Einspritzungen und Eäucherungen, wie innerlich, oft sehr continuir-lieh anwendete. Ich suchte vergeblieh nach einer speeifischea Methode, wie nach einem speeifischen Mittel, obwol ich einengrossen Theil des Arzneischatzes durchprüfte. Ich wendete namentlich das-Cuprum sulphnricum mit grosser Beharrlichkeit und in grossen, steigenden Gaben so lange an, bis die Fresslust ganz verschwunden war. Ich gab die Salpetersäure, den Sublimat, Arsenik und eine Menge anderer Mittel, wie z. B. Zinnober, Spiessglanz, Schwefel,. Terpentinöl, harzige und harzig ölige Mittel n. a. m., indess Alles-vergebens und ohne jede Spur von Einfluss auf den eigentlichen Krankheitszustand, der sich weder verschlimmerte, noch besserte. Meine Kunst und mein Wissen waren erschöpft, ich erklärte das Pferd für unheilbar, und es wurde getödtet.
Bei der Section fanden sich fast alle Eingeweide und Organe im normalen Zustande; nirgends, auch in den Lungen nicht, zeigte sich eine Tuberkelbildung; in der rechten Lunge waren die Bronchial­schleimhäute etwas aufgelockert und mit zähem, krankhaftem Schleim belegt, welcher Zustand sich auf der Schleimhaut der Luftröhre und des Kehlkopfs fortsetzte. Nirgends waren im innern Organismus Drüsenanschwellungen vorhanden. Die rechte Submaxillardrüse, welche die Grosse eines Hühnereies hatte, war dicht und fest, beim Zusammendrücken fühlte sie sich wie Kautschuk an, beim Durch­schneiden derselben hörte man ein knisterndes Geräusch , auf der Schnittfläche erschien sie wie weissgrauer, fester Speck, indess bei weitem grobkörniger; TuberkelstofT war nicht vorhanden. Die Schleimhaut der rechten Nasenhöhle war in der untern Region auf ihrer Oberfläche glatt und eben, ohne jede Erhabenheit, sie sass sehr fest auf dem Knorpel und dem Knochen , sie war fast eine Linie dick, dicht und lederartig fest. In denquot; obern Regionen wurde sie dagegen weit dicker, auf ihrer Oberfläche uneben und rauh, fast blnmenkohlartig standen die Schleimdrüsen als warzig erscheinende Papillen dicht nebeneinander, die ganze Fläche bedeckend,' mit ihren
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geöffneten Mündungen frei hervorragend.*) Die so degenerirte Schleim­haut fand sich nicht nur auf dem Septum, sondern auch auf den Muscheln und Aussenwänden der rechten Nasenhöhle, sie setzte sich in dieser quot;Weise fort über die Siebbeine, Siebbeinzellen und Stirn­höhle dieser Seite. In der Rachen- und rechten Kieferhöhle war sie nur verdickt wie in der untern Nasenregion, und eben so zeigte sich die Schleimhaut etwas verdickt oder aufgelockert in der linken Nasenhöhle, mehr degenerirt auf dem Siebbein und seinen Zellen, wie in der Stirnhöhle der linken Seite. Die linke Kieferhöhle war gar nicht betheiligt. Soweit die Schleimhaut blos aufgelockert, resp. verdickt war, sonderte sie einen mehr grauweissen, trüben, schmierigen Schleim ab, mit welchem sie sich theilweise mehr oder weniger belegt hatte, dies fand vorzugsweise in der untern Region der rechten Nasenhöhle und in der Rachenhöhle, theilweise auch in der rechten Kieferhöhle statt, in welcher sich mehrere Unzen dieses, theils dünnflüssig und jauchig gewordenen Secrets, gesammelt hatten. Wo indess die Schleim­haut jene blumenkohlartige Degeneration erlitten hatte, sonderten jene degenerirten Schleimdrüsen ein liehtgelbliches, vollständig klares und durchsichtiges, dünnflüssiges Secret in grosser Menge ab, welches, mit jenem andern pathischen Schleimhautseeret verbunden, den Aus-flnss aus der Nase bildete. Diese letztere Schleimhaut erschien wie ein Schwamm, vollgesogen mit jener durchsichtigen Flüssigkeit. Von dieser Schleimhaut lösten sich ununterbrochen, sich theilweise immer ergänzende Epithel- und Schleimhautpartieen ab, die eben als jene milch-weissen Flocken in dem Ausfluss schwammen, diese Schleimhaut war sehr innig und fest mit den Knorpel- und Knochenpartieen, die sie bekleidete, verwachsen. Der unter ihr befindliche Knorpel und die porösen und lamellösen Knochentheile waren zum Theil sehr porös aufgelockert, und theils, wie an den Wurzelenden des rechten Nasen­beins, am Siebbeine und in der Stirnhöhle von der Schleimhaut ganz entblösst. Hier hatten sich die porösen Knochentheile mit jenem Secret ganz vollgesogen, nur in der Stirnhöhle w'ar es, statt jenes pathischen Schleimhautsecrets, eine gelblich orange , völlig klare und durchsichtige, etwas consistente Lymphe, welche die Knochenporen füllte. Wie am Siebbeine und seinen Zellen, den Nasenmuscheln, der Innern Fläche des Nasenbeins und in der Stirnhöhle, Knochen­partikeln necrotisch abgeblättert, überhaupt die von der Schleimhaut
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*) Man will diese Erscheinung neuerdings für eine fibroide Wucherung,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;H
für eine Neubildung ansehen, dafür halte ich sie indess entschieden nicht. Sie sind nach meinen Untersuchungen die krankhaft degenerirten und ausserordent-lich vergrösserten Schleimdrüsen, welche mit ihren Mündungen, über die Schleim­hautfläche hervorragend, frei in die Höhle reichen , indem sie das Fphithel ver­drängt haben und die Quelle des, quantitativ und qualitativ, pathiseh veränderten Secrets, welches aus der Nase abfliesst, sind.
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entblössten Knochentheile ihres Periosts beraubt waren, so fanden sich, in der Stirnhöhle besonders, aber selbst auch im Grunde des rechten Nasenbeins Knochenwuchernngen, sogenannte Osteophyten. Die Luftsäcke, Ohrdrösen etc., waren ganz unbetheiligt.
Fünfzehnter Fall.
Auf demselben Gute , wo der sub 9 raitgetheilte Fall vorkam, wurde während einer Rotzseuche, in der bereits mehrere Pferde wegen Rotz getödtet worden waren, und die darum schon Monate bestanden hatte, ein 4jähriger Rapp wallach, welcher noch nicht in die Gespanne einrangirt und benutzt worden war, angesteckt. Die hier herrschende Rotzform, war, wie schon dort mitgetheilt, nicht rein scrophulös, es gesellten sieht zu allen Erkrankungsfällen septische Symptome. Dieses Pferd bekam plötzlich an der linken Seite des Kehlganges eine faust-grosse Anschwellung der Lymphdrüse, welche hart, heiss und schmerz-liaft war. Das Pferd fieberte, sein Haar sträubte sich und der Appetit verlor sich. Nach einigen Tagen war das Fieber verseh wunden, das Haar glatt und glänzend und der Apetit wieder vorhanden. Die Schmerzhaftigkeit der Drüse hatte nachgelassen, die Wärme war ge­ringer, nicht aber die Geschwulst. Dagegen hatte sich ein wässrig grauweisslicher, schmutzig aussehender, trüber, geringer Ausfluss aus dem linken Nasenloche eingestellt. Die Nasenschleimhaut war auf dieser Seite etwas aufgelockert und ziegelroth gefärbt. Ich bemerkte dem Besitzer, dass dieses Pferd vom Rotze angesteckt sei und jedenfalls auch getödtet werden müsse. Erwähnen muss ich noch, dass dieses Pferd bei voller Kraft und in sehr gutem Futterzustande war, dass es kein heftiges, noch ein phlegmatisches Temperament hatte, dass es der Liebling seines Besitzers war, daher ihn meine Eröffnung sehr betrübte und er von derTödtung dieses Pferdes nichts wissen wollte. Das Pferd war natürlich sogleich allein gestellt worden, wie die ersten Spuren der Drüsenanschwellung sich zeigten. Acht Tage nach dieser zweiten Besichtigung fand ich bei einer abermaligen Revision den Ausfluss bedeutend vermehrt, von schmutzig braungrauer Farbe, trübe, undurchsichtig, consistent und klebrig, er setzte sich an den Nasen­rändern fest und bildete hier undurchscheinende, schmutzig schwarz­braune Schorfe. Die Drüsengeschwulst war hart, kalt und fast ganz schmerzlos , sie fing an, sich fest an den Kiefer zu legen, denn sie liess sich nur noch wenig verschieben. Das linke Auge war etwas geschwollen, die Conjunctiva aufgelockert und ziegelroth, und aus dem Innern Augenwinkel hatte ein'ähnlicher Ausfluss statt, wie aus der Nase. Auf der Schleimhaut der linken Seite des Septums, etwa 2 Zoll von ihrem untern Ende entfernt, sass ein vollständig aus­gebildetes Botzgeschwür, wie etwa ein Silbergroschen gross. Ich
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erklärte das Pferd fiir rotzig und forderte den Besitzer auf, dasselbe tödten zu lassen. Er weigerte sich und bat mich, eine Cur mit dem Pferde vorzunehmen. Ich lehnte dies entschieden ab, da ich eine Cur in diesem Falle für erfolglos hielt und bemerkte noch, dass die Cur, falls eine solche versucht würde, immer nur als ein Versuch gelten können, dass sie langwierig und dadurch kostspielig werden müsse , und dass im allergünstigsten, hier keineswegs wol annehm­baren Falle, die Heilung immer nur eine palliative sein würde, die jeden Augenblick ein neues Hervortreten des Rotzes, und dann weitere Ansteckung anderer Pferde voraussetzen lasse. Demungeachtet drang der Eigenthümer immer weiter in mich , die Heilung unter jeder Be­dingung zu versuchen, er wollte Alles thun, was ich nothwendig finden würde, keine Kosten und Mühe scheuen, und jedwede Gefahr vertreten. Ich lehnte dennoch ab, willfahrte seinem Wunsche, das Pferd noch leben zu lassen, und reiste fort. Wie ich nach 8 Tagen zur abermaligen Revision der Pferde des Gutes mich einfand, war zu meiner Ueberrasehung das Septum an der Stelle, wo acht Tage früher das Rotzgeschwür gesessen, vollständig perforirt, es war ein rundes Loch im Durchmesser von 3/4 Zoll vorhanden, durch welches man in die rechte Nasenhöhle hineinsehen konnte; rings um das Loch herum war die Schleimhaut zerstört und ein Theil des schwarzbraunen Knorpels biosgelegt. Der Ausfluss war noch bedeutender geworden und hatte sich anscheinend in seinem Aussehen verschlechtert;' die Drüse war nicht kleiner, ganz schmerzlos, elastisch hart und fest­sitzend am Kiefer. Je mehr ich nun auf die Tödtung dieses Pferdes bpstand, desto mehr drang der Eigenthümer bittend in mich, das Pferd zu behandeln, so dass ich zuletzt, nachdem ich mich vollständig überzeugt hatte, dass die Lunge noch frei und gesund, und der Rotz bis dahin noch local sei, die curative Behandlung einleitete. Zunächst wurde das Pferd in den Kuhstall gestellt, erhielt seinen eigenen Wärter, es wurde ihm jedes Kornfutter entzogen , und es wurde ganz auf Stroh- und Wiesenheufutter von bester Qualität' gesetzt. Dann wurde das ganze Pferd mit Chlorkalkwasser abgewaschen; täglich wurde die Krippe mit demselben Wasser aus- und abgewaschen, und das Pferd einmal mit Theerdämpfen schwach geräuchert. Zweimal wurden täglich Einspritzungen in die Nase, aus schwacher Eichen-rindenauskochung mitMyrrhenliquor undCreosot bestehend, gemacht. Innerlich gab ich vorzugsweise Jod mit Ofenruss, Terpenthinöl, Sabina und bitterstoffigen Mitteln. In 6 Wochen war das Pferd vollständig geheilt. Es fand noch eine vierwöchentliche Nachbehandlung statt, dann blieb das Pferd noch 3 Monate im Kuhstalle isolirt, und darnach erst wurde dasselbe eingefahren und nunmehr als Wagenpferd ver­wendet. Nachdem das Pferd 6 Monate benutzt worden war, also etwa ein Jahr nach der Krankheit, wurde es für einen hohen Preis
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an einen Gutsbesitzer verkauft, der es 7 Jahre als Kutschpferd be­nutzte und, erst nachdem derselbe starb, wurde das Pferd in öffent­licher Auction verkauft. Bis dahin war das Pferd immer gesund ge­wesen und hatte nie eine Spur von Kranksein gezeigt. Wo es nach der Auction hingekommen, weiss ich nieht.
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Sechszehnter Fall.
Auf einem Gute am Ostseestrande , wo Nahrungsmittel und Wasser immer jod- und salzhaltig sind und die Luft rein und sauer-stofFreich ist, wurden die Pferde sehr stark mit Korn und fettem Heu gefüttert, viel im Stalle gehalten und wenig zur Arbeit genützt, so das? sie sich eigentlich immer in einem sogenannten mastigen Zu­stande befanden. Es war hier Füllenzucht, und daher befanden sich auf diesem Gute, neben 24 Acker- und Wagenpferden, noch 14 Füllen von verschiedenen Jahrgängen , die eben so wie die Pferde gehalten wurden. Diese letztern aber standen in einem neugebauten Stalle, der darauf angelegt war, dass die Pferde sehr warm, aber auch recht ungesund stehen mussten , denn er war niedrig, sehr enge und dunstig, wurde des Nachts sehr sorgsam verschlossen, und so standen die Pferde in einem dicken Dunst, in welchem ein Mensch nicht athmen konnte. Während eines nassen Jahres wurde das Heu etwas feucht auf den Stall gefahren, so dass es gehörig schimmelte, nichts desto weniger aber wurde es gefuttert, und die Folge war, dass die sämmtlichen Pferde mehr oder weniger in ein Driisenleideu verfielen, welches im Laufe des Winters immer schlimmer wurde; es entwickelte sich eine recht bösartige, scrophulöse Dyskrasie. Im Frühjahr wurde mir die Behandlung dieser Pferde übertragen. Die Füllen waren bis dahin noch gesund. Es war nur mit einer rationellen Behandlung hier wenig anzufangen, da ich es nicht dahin bringen konnte , dass die Futterverhältnisse und die Stalleinrichtung geändert wurden, ja es war gegen den Willen des Besitzers nicht einmal durchzusetzen, dass die am bedenklichsten erkrankten Pferde aus dem Stalle entfernt und isolirt; ja nicht einmal, dass sie im Stalle selbst in einem be­sondern Räume zusammengestellt wurden, denn die Gespanne durften nicht zerrissen werden. So war denn auch mit einer Cur hier nicht viel anzufangen, da die Ursachen der Krankheit nicht beseitigt werden konnten, und das Uebel schleppte sich bis in den Spätherbst hinein.
Im November brach Feuer aus, und das ganze Gntsgehöft zerfiel in Asche. Kein Bauer wollte die kranken Pferde aufnehmen und so mussten dieselbe in kalten und nassen Novembertagen, 14 Tage lang, in einer niedrigen nassen Graskoppel Tag und Nacht verbleiben, bis ein anderweites Unterkommen für sie eingerichtet war. Füllen und Pferde waren hier zusammengebracht. Dies hatte natürlich zur
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Folge, dass die Krankheit recht bösartig wurde, und nun das Tödten der Pferde und Füllen seinen Anfang nahm, was bis dahin noch nicht geschehen war. Es waren hier die reinen chronischen Scropheln, und hatte sieh die Krankheit bis dahin immer noch so hinhalten las­sen, dass sie als verdächtige Druse auftrat, nun aber nahm sie den entschiedenen Character des scrophulösen Rotzes, bei Füllen und bei Pferden, an. Es muss noch bemerkt werden, dass sich nach dem Brande auf einem andern kleinen Hofe noch eine Localität einrichten Hess, wo 14 Pferde placirt werden konnten. Hier wurden natürlich die 14 gesundesten Arbeitspferde untergebracht, die denn auch mit Ausnahme einiger, welche später angesteckt wurden, gesund blieben. Im Laufe von circa zwei Jahren gingen 25 Pferde und Füllen am Rotze verloren. Von sämmtlichen Füllen wurden zwei Stück am Leben erhalten.
Siebenzehnter Fall.
Die beiden Füllen, welche aus dem vorhergehenden Falle am Leben erhalten wurden, waren einjährige Thiere. Eins derselben schien von der Krankheit nicht inficirt zu sein, das zweite indess, eine braune Stute, bekam eine faustgrosse Anschwellung der rechten Sub-maxillardrüse, rnit vielem , sehr dickem , klebrigem , lymphatischem Ausfluss aus dem Nasenloch derselben Seite, so dass ich hier den vollständig ausgebildeten Scrophelrotz feststellte. Die Besitzerin (der Gutsherr war inzwischen gestorben) konnte sich nicht entschlies-sen, diesesFüllen tödten zu lassen, sie veranlasstemich, dasselbe ärzt­lich zu behandeln. Später entwickelten sich bei dem Füllen noch, während seiner Behandlung, Rotzgeschwüre auf der rechten Seite des Septums. Verdauung und Lungen waren bei diesem Patienten rotzig inficirt. Isolirung, magere Diät, Räucherungen und Ein­spritzungen wie im fünfzehnten Falle. Innerlich wendete ich vor­zugsweise das Cuprum sulphuricum, die Salpetersäure abwechselnd, dann Terpenthinöl, harzige und die Verdauung erregende Mittel an; indess alles blieb fast ohne Wirkung, wenigstens aberstand die Krank­heit still, wenn auch die Fortschritte einer Besserung kaum sichtbar waren. Nach Jahr und Tag endlich liess ich jede arzneiliche Be­handlung wegfallen und beschränkte mich lediglich auf die Diät. — Ein Jahr später waren die Rotzgeschwüre verheilt, der Ausfluss fast ganz verschwunden und die Geschwulst der Submaxillardrüse auf ein Minimum zusammengeschrumpft. — Das nun dreijährige Füllen blieb noch ein Jahr isolirt stehen, und wurde häufig mit Chlor geräuchert. Wie es vierjährig war, hielt ich es für vom Rotze radical geheilt, denn die Schleimhäute der Nase waren bis auf die von
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den verheilten Rotzgeschwüren zurückgebliebenen Narben, von voll­ständig normaler Beschaffenheit; der Ausfluss ans der Nase war spurlos verschwunden. In den Lungen musste ich allerdings immer noch einen pathologischen Zustand vermuthen, wie dies das Athmen und die Form des Hustens andeuteten. Heute würde ich sagen : es sind Tuberkeln vorhanden; indess nach meinem damaligen practi-schen Standpuncte konnte ich dies njcht, ich wusste den Zustand der Lungen nicht recht zu erklären, da ich der Ueberzeugung war, dass, wenn die Rotzgeschwüre, der Ausfluss und die Lymphdrüsenge­schwulst vergangen seien, auch die Rotztuberkeln in den Lungen ver­gangen sein müssten. — Von der Drüsenverhärtung war indess auch noch eine Spur vorhanden , die sich ganz flach und dünn , etwa eine gute Linie dick, wie eine rundliche Scheibe von dem Durchmesser eines Zolles, an die innere Fläche des Unterkiefers fest angelegt hatte. Man musste recht genau fühlen, um sie wahrzunehmen. Diese Er­scheinung hielt ich für ganz unerheblich, und für nichts weiter, als einen Ueberrest verdichteten Zellgewebes, wie es so häufig nach der­gleichen Drüsenanschwellungen zurückbleibt.
Das nun vierjährige Thier wurde in dieAckergespanne gegeben, und that alle Arbeiten mit. Während dieser Zeit stellte sich zeit­weise immer noch ein, wenn auch nur sehr geringer, so doch seiner Beschaffenheit wegen mir bedenklich scheinender, lymphatischer Aus­fluss aus dem rechten Nasenloch ein , der dann immer wieder von selbst sich verlor. Da indess kein Pferd, mit dem es zusammen arbeitete und aus einer Krippe frass, angesteckt wurde, so fasste ich Muth und kaufte das Pferd , und dieses war es , welches mir mein Pferd ansteckte, wie ich dies im vierten Falle mitgetheilt habe (siehe diesen).
Nachdem mein Pferd angesteckt war, behielt ich die Stute bei mir, abgesondert in einem eigenen Stalle, noch 3 bis 4 Monate. Es hatte sich in dieser Zeit keine Spur des Ausflusses gezeigt. Ich ver­kaufte sie dann auf vieles Bitten an einen Landmann, der ein kleines Grundstück, auf dem Felde angebaut, besass, auf dem er nur ein Pferd halten konnte. Der Mann hatte das Pferd eine Reihe von Jahren, es arbeitete täglich, und er zog noch mehrere gesunde und kräftige Füllen davon. Wo und wie es aber ein Ende genommen hat, weiss ich nicht, zweifle aber nicht daran, dass es schliesslich doch am Rotz gestorben, oder wegen Rotz getödtet worden ist.
Achtzehnter Fall.
Ein sechsjähriges, gut genährtes Reitpferd war seit 6 Wochen krank am Rotz, und wurde seit circa 3 Wochen thierärztlich am aus­gebildeten Rotz behandelt, als ich es zum Heilversuch übernahm.
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Das Pferd zeigte ungefähr Folgendes: Haut trocken, todt, schuppig, staubig; Haar glanzlos, struppig; kein Fieber, Puls unterdrückt, weich, voll; zwölf Athemzüge in der Minute , Athmen schnüffelnd durch die Nase, etwas ziehend mit den Bauchmuskeln; Augen rein. Die rechte Submaxillardrüse war hühnereigross geschwollen, kant-schukartig verhärtet, festsitzend und schmerzlos; die linke war nicht geschwollen. Der Ausfluss aus dem rechten Nasenloch war sehr copiös, gemischt aus einer schmutzig-grauweissen, wässerigen , nicht klebrigen Flüssigkeit, mit einer dicken, gelblich weissen, klümperigen, theils fadenziehenden, schleimigen und einer dunkelstrohgelben, faden­ziehenden, sehr klebrigen, scharf ätzenden, lymphatischen Substanz. Zuweilen fanden sich diese 3 Flüssigkeiten innig vermischt, so dass sie kaum von einander zu unterscheiden waren, zuweilen waren sie sehr getrennt, namentlich wenn sie in grössern Massen abflössen. Der Ausfluss war von süsslich üblem Geruch, reagirte scharf alka­lisch und trocknete zu durchscheinenden, bernsteinfarbigen Krusten an den Nasenrändern fest. Die Schleimhaut war hier aufgelockert, verdickt, blauröthlich gefärbt, mit jenem Ausfluss sehr belegt, und fanden sich mehrere Rotzgeschwüre, namentlich sass eins unten auf dem Septum, -welches bereits durch die Schleimhaut bis auf den Knorpel drang und seinen wulstigen Rand zerstört und zackig aus­gefressen hatte. Aus dem linken Nasenloch zeigte sich ein geringer, weisslichgrauer, schleimiger, durchscheinender, nicht fadenziehender und nicht antrocknender Ausfluss. Die Schleimhaut war blassroth, etwas aufgelockert und mit Schleim belegt, sonst rein und glatt. Das Pferd war nicht zum Husten oder Prusten zu bringen, es unterdrückte Beides. Sein Appetit war geringe, es frass am liebsten Heu und Stroh. —
Diesen Erscheinungen nach litt das Pferd am Infectionsrotz, und waren bereits Lymph- (Miliar-) Tuberkeln vollständig aus­gebildet.
Das Hauptmittel, welches ich hier anwendete war Creosot, es wurde innerlich und äusserlich benutzt, und zwar in folgender Ver­bindung :
a) In tern um.
IJj: Creosoti 5jj. 01. Tereb. 5vj. Pulv.Sabin. Jjjj. Pulv. Carbon. Pulv. Althaeae ^ 3vj.
Aq. q. s. ut f. elect. MDS. In 3 Tagen täglich zu drei Gaben zu verbrauchen.
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b) e) Fxterna.
1^: Creosoti 3j-
Decont. cort. Quercus ijxjj (ex 3/? par.) adm. Mellis crudi. Liquor. Myrrhae aa. jjj. MDS. Täglich zweimal in die rechte Nase lauwarm ein­zuspritzen.
1^': Creosoti 3j. Olei Pini sect;/?. Picis liquid, ^vj. MDS. Täglich zweimal zu räuchern.
Mit dem Internum wurde jeden vierten Tag ausgesetzt, und jeden fünften Tag das Creosot gesteigert, so dass ich am dreizehnten Tage statt 2 Drachmen, deren 6 gab. Hiernach verlor sich indess am zweiten Tage dieser Gabe der Appetit vollständig, das Haar sträubte sich, und das-Pferd wurde ganz traurig. Es wurde das Pferd, welches bis dahin ganz munter geblieben war, am 15. Tage getödtet und secirt.
Am 2. Tage der Behandlung war der allgemeine Zustand des Patienten unverändert, die Schleimhäute aber waren höher geröthet, der Ausfluss war geringer geworden, hatte an der linken Seite ganz aufgehört. Die Geschwüre in der Nase hatten sich mit weissen Rän­dern umgeben. Die Hautausdünstung hatte den nach Terpenthinöl-gaben immer eintretenden Veilchengeruch.
Am 4. Tage im Allgemeinbefinden keine Aenderung. Der Aus­fluss war geringer, die rechte Drüse war kleiner und wurde körnig, sie schien sich zu zertheilen. Die Geschwüre begannen zu verheilen, auf ihrem Grunde erzeugte sich Granulation, ihr Rand war fiach und weiss, die Schleimhaut war reiner, erhöht rosenroth.
Am 5. Tage erschien der Patient munterer, zeigte mehr Fress­lust, fing von selbst an, zu prusten und zu husten und hatte weniger Schmerz in der Nase. Der Ausfluss war geringer und homogener, die Drüsen hatten sich noch mehr vertheilt. Die Schleimhaut hatte ein ganz normales Ansehen, ihre Auflockerung hatte sich ganz verloren. Die Geschwüre heilten vom Grunde und Rande regel-mässig.
Den 6. bis 8. Tag zeigte sich mit dem Ausfluss etwas Blut, und schien die Granulation im Giunde des untern Nasengeschwürs ver­schwunden. Die Drüsenvertheilung nahm zu.
Am 9. Tage zeigte sich der Patient sehr munter, sein Haar war glatt, die Haut reiner, Drüsengeschwulst und Ausfluss geringer, letz-
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terer ganz homogen, aber etwas blutig. Die Rotzgesohwüre hatten sieh mit einem Schorf bedeckt, wie eine reine Wunde. Patient hu­stete locker, dumpf, matt, prustete öfter und zeigte weniger Schmerz in der Nase. Der Appetit war lebhafter.
Am 10. Tage war der Zustand ganz verändert; beim Aus­spritzen der Nase kamen eine Menge Klumpen angetrockneten Rotz­eiters, welche die Geschwüre als Schorfe bedeckt hatten, hervor, sie waren bernsteinfarbig und hatten blutig braunrothe Flecke, sie zeig­ten an, dass in der obern Nasenregion noch mehr Geschwüre vor­handen waren. DerAusfluss war sehr zähe, fadenziehend, weisslich gelb, homogen und weit geringer, als früher. Nachdem jene Krusten entfernt waren, zeigte sich der Ausfluss weniger homogen, er erschien etwas schmutzig-bräunlich, klümperig wässerig und vermehrt. Die Epidermis um das Nasenloch war angeätzt, kleine Knötchen und Bläschen, welche aufplatzten , sassen auf ihr. Die Schleimhaut der Nasenflügel war ebenfalls angeätzt und verdickt. Oben in der Nase an den Muscheln, fanden sich, dem Gefühle nach, mehrere bedeu­tende, tiefgehende Rotzgeschwüre. Das Athmen durch das rechte Nasenloch war schnüffelnd, was die Verdickung der Schleimhaut, die festsitzenden Krusten und die Verklcbung der Nasenoffhung be­wirkte. Das untere Nasengeschwür war in seiner Heilunor fort-schreitend.
Den 11. bis 15. Tag änderte sich der Zustand in seinen äussern Erscheinungen wenig. Die aus der Tiefe der Höhlen des Kopfes und Rachens kommenden Effluvien sind milchig halbweiss, homogen, sahnenarlig, sie sind ein pathisches Schleitnhautsecret; die auf der Schleimhaut der Nase entspringenden dagegen sind mehrentheils ein Product der Rotzgeschwüre, sie sind blutig jauchig, fadenziehend, sehr klebrig und ätzend, sie haben mehr die Lymphnatur und sind mit jenen nur unvollkommen gemischt. Dieser letztere Ausfluss scheint aber geringer und homogener zu werden. -Die Schmerzen in der Nase sind nur unbedeutend.
Die Tödtung erfolgte auf den Wunsch des Eigenthümers und weil die Verhältnisse die weitern Heilversuche nicht mehr gestatteten. Andernfalls wäre es nun an der Zeit gewesen, andere Mittel inner­lich anzuwenden, und die Trepanation zu machen, um die externen Mittel unmittelbar auf die destruirten Theile der oberen Kopfregio-nen anwenden zu können. Die Obduction ergab in der Hauptsache Folgendes:
Die rechte Submaxillardrfise, welche von Hause aus in einen harten, festen Knoten zusammengeschmolzen gewesen war, hatte sich in mehrere kleinere Lappen get heilt, welche weich elastisch waren, und deren grösste in ihrer Mitte Tuberkelkerne enthielten.
Erdl, Rotzdyskrasie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;34
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In der oberen Region des rechten Nasenlochs, sowol auf dem Sep­tum, wie auf den Nasenmuscheln und der Schleimhaut der Siebbein­zellen, die sehr verdickt und degenerirt wraquo;r, fanden sich eine Menge, Rotzgeschwüre, gegen 10—12, welche zumTheil schon um sich und in die Tiefe gefressen hatten. Hier, und auch in der rechten Stirn­höhle, wo ebenfalls die Schleimhaut degenerirt war, hatte eine starke Secretion stattgehabt, und fand sich in letzterer ein Depot jenes Se­crets. Auch die Schleimhaut der Nasenhöhle und des Kehlkopfs war krankhaft aufgelockert und verdickt. Die Kieferhöhlen und die linke Seite der Nase zeigten nichts Krankhaftes.
Beide Lungen waren weich und in ihrer Structur, sowol im Aeussern, wie im Innern, vollständig normal, es war keine Spur eines Tuberkels, einer Vomica, oder Hepatisation darin vorhanden. Die Oberfläche der Lunge fühlte sich vollkommen glatt und gleichmässig an. Die ganze Oberfläche beider Lungen war mit einem dichten Netz erweiterter Lymphgefässe, welche die Dicke eines Strohhalmes hatten, maschenförmig bedeckt, welche mit klarer, vollkommen durch­sichtiger Lymphe, welche in den Gefässen in lebhafter Bewegung war*), strotzend angefüllt waren. Die Lymphe hatte unter der Pleura eine Bleifarbe und glänzenden Schimmer, so dass sie auf den ersten Anblick einer Quocksilberinjection ähnlich sah. Die Bron­chialdrüsen waren vergrössert und speckig vorhärtet.
Für dieses eigenthümliche Phänomen habe ich keine genügende Erklärung, jedenfalls ist es eine besondere Wirkung der Arzneigaben, und da das Pferd beim Beginn der Behandlung keinen Zweifel übrig liess, dass die Lungen mit Lymphtuberkeln besetzt seien, so hat die Arznei die weitere Wirkung der Auflösung jener Tuberkeln- gehabt, die nun in flüssiger Gestalt in den Lymphgefassen vorhanden waren. Da aber die Bronchialdrüsen noch verhärtet waren, so konnte die Lymphe durch sie keinen Durchgang und Abfluss finden, daher die Capillarlymphgefässe so bedeutend ausgedehnt und strotzend ange­füllt waren.
Neunzehnter Fall.
Ein Gutsbesitzer, der in der Stadt wohnte, hielt sich ein Reit­pferd, das er wenig benutzte, aber desto besser pflegen liess; das Pferd, ein 7 Jahr alter Wallach, wurde natürlich fett. Wenn er auf sein Gut fuhr, nahm er jedesmal sein Pferd mit, dies geschah etwa alle 3 bis 4 Wochen. Wie er sich einmal in dieser Weise mit dem Pferde auf seinem Gute befand, entstand in dem Gutsforst ein Wald­brand, welcher bedeutende Dimensionen annahm. Das Pferd musste,
•) Die Section erfolgte unmittelbar nach der Tödtnng des Pferdes.
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mit seinem Herrn auf dem Rücken, beim Löschen dieses Brandes un­unterbrochen 6 bis 8 Stunden umherlaufen, und so wurde es endlich, erschöpft und inSchweiss gebadet, in den Stall gebracht. Hier zeigte sich vollständige Appetitlosigkeit. Es trat ein heftiges Fieber ein. Am 3. oder 4. Tage, als das Pferd wieder zur Stadt kam, sah ich es zuerst. Der Appetit hatte sich zwar wieder etwas eingefunden, indess war das Pferd etwas zusammengefallen, es hatte struppiges, glanzloses Haar, die rechte Submaxillardrüse war hühnereigross ge­schwollen, hart und schmerzhaft, und aus dem rechten Nasenloch floss eine copiöse, schmutzig-bräunliche, trübe, klebrige Jauche. Das Pferd zeigte Schmerzen in der Brust. Drei Tage später zeigte sich das Pferd total rotzig. Ausser jenem Ausfluss, welcher sich bedeu­tend vermehrt hatte, und welcher mitBlut vermischt, Rudimente zer­fallener Lungensubstanz enthielt, sass die rechte Nasenhöhle voll von Rotzgeschwüren, und war das Athmen durch sie schnüffelnd. Auch die linke Submaxillardrüse war geschwollen, hart und schmerzhaft, und aus dem linken Nasenloch floss eine bräunlich - wässerige Jauche ab.
Das Pferd wurde getödtet, und bei der Section fanden sich keine Tuberkeln, ausser den andern gewöhnlichen Erscheinungen des Rotzes aber, fand sieh der hintere dritte Theil der rechten Lunge hepatisirt, von schwarzbrauner Farbe, und war dessen Substanz im Innern theil-weise geschwürig und jauchig zerstört. Auf der Pleura fanden sich einige plastische Ausschwitzungen. Der hintere, und theilweise auch der äussere Rand der linken Lunge war ebenfalls etwa eine Hand breit hepatisirt.
Zwanzigster Fall.
Mir wurde eine circa 20 Jahre alte Stute zur Untersuchung ge­stellt, sie war kaum massig gut genährt, ihr Haar war struppig und glanzlos, sie zeigte kein Fieber, wol aber 18 Athemzüge, etwas zie­hend mit Flanken und Bauchdecken und schnüfi'elnd durch das rechte Nasenloch. Der Husten war trocken, heiser, pfeifend. Die rechtlaquo; Submaxillardrüse war in der Grosse eines halben Hühnereies ge­schwollen, kautschukartig verhärtet, kalt, vollständig schmerzlos und am Kiefer festsitzend. Aus dem rechten Nasenloche floss ein copiö-ses Secret von schmutzig grau-weisser Farbe, undurchsichtig, homo­gen, schmierig, consistent und klebrig; dasselbe verklebte am äussern Nasenrande die Haare und verdickte sich hier theilweise zu schmutzig aschgrauen Schorfen. Der Abfluss dieses Secrets war in der Regel gleiehmässig, indess zu Zeiten, und namentlich nach Husten, Prusten und bei tief gesenktem Kopfe, zeigten sich ganze Klumpen eines ge­latinösen, dem getrübten und verdickten Eiweiss nicht unähnlichen,
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durchscheinenden, zähe zusammenhängenden, aher homogenen, pathi-schen Secrets aus demselben Nasenloche. Die Schleimhaut des rechten Nasenlochs war mit jenem erst beschriebenen Secret dick be­legt, sie selbst war stark aufgelockert und von livider, schmutzig weissgrauer Farbe, es'war in ihr keine Spur einer Blutröthung, auch zeigte sie weder Geschwüre, Knötchen, noch Bläschen. Das Auge an dieser Seite zeigte sich trübe, seine Conjunctiva war aufgelockert, und im Innern desselben zeigte sich ein abfliessendes, verdicktes, pa-thisches Schleimsecret. Die Percussion auf der rechten Stirn- und Kieferhöhle liess einen dumpfen, klanglosen Holzton, auf den linken Höhlen dagegen eine hellere, vollere Resonanz hören. Auf der linken Seite des Kopfes zeigten sich keine krankhaften Erscheinun-nungen, ausgenommen, dass auch hier die Schleimhaut, soweit sie sichtbar war, sich bleich, missfarbig und etwas aufgelockert zeigte.
Sollte man diesen Zustand Eotz nennen ? Ich habe darin den Scrophel- und blennorrhöischen Rotz verbunden erkannt, und das Pferd ohne Weiteres tödten lassen.
Section: Die Chylus-, wie auch sämmtliche Lymphdrüsen raquo;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;• der rechten Körperhälfte waren vergrössert und kautschukartig ver-
härtet, ihre Schnittfläche erschien saftig speckig, und es fand sich, namentlich in den Lymphdrüsen, Ablagerung eines schwarzen Pig­ments. In einigen Gekrös- und in den Bronchialdrüsen fanden sich Bluttuberkeln. Tuberkelstoff war nicht in ihnen vorhanden. Der Leberüberzug war ganz dicht mit faserigen Zotten besetzt, unter dem­selben und in der Lebersubstanz fanden sich viele Lymphtuberkeln, welche die Grosse eines Hanf kornes, bis zu der einer Erbse hatten. Die meisten waren kugelig rund , andere flach und noch andere läng­lich ; sie waren .alle hart, verkalkt; die in der Lebersubstaaz sitzen­den bestanden zum Theil aus einer ossificirten Kapsel mit einem trocknen, amorphen Kalkkern. Weitere Tuberkeln fanden sich in den Lungen, in der rechten mehr, als in der linken. Die kleinsten waren wie Linsen, die grössten wie kleine Wallnüsse gross. Jene sassen mehrentheils unter der Pleura, diese fanden sich alle im inter-lobularen Zellgewebe. Der Inhalt dor kleinern, unter der Pleura liegenden Tuberkeln war kalkartig, körnig, von weissgrauer Farbe, ,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;eingeschlossen in eine dicht faserige, feste Kapsel. Die grössern
Tuberkeln waren von schmutzig-gelbbräunlicher Farbe, und waren sie theils fest und hart, theils erweicht, d. h. im Stadium d-T käsigen Metamorphose. Obwol jene Lymph-, und diese Bluttuberkeln wa­ren, so fehlten in diesem Falle immer die eigentlichen Miliartuberkeln; jene waren zwar dem Wesen, nicht aber der Form nach, mit den gewöhnlichen Miliartuberkeln identisch. Die Lungen waren schlaff und zusaminenirefallen. Die Bronchialschleimhäute zeigten sich auf-gelockert, von schmutziggelblichei Färbung und mit jenem Secret,
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welches ans der Nase abfloss, belegt. Geschwüre fanden sich nir­gends. — In der obern Region dieser Nasenhöhle, in den Na­senmuscheln und Siebbeinzellen, der rechten Stirn- und Kiefer­höhle, war die Schleimhaut vollständig degenerirt, sie erschien wie ein dickes, fibroides Gebilde mit warziger, blumenkohlarti­ger Oberfläche und schmutzig - gelbweisser Farbe. — Jene Zel­len und Höhlen waren mit einem gleichfarbigen, fadenziehenden Secret zum Theil angefüllt; das in der Kieferhöhle glich einer dicken Gelatine, das der Stirnhöhle enthielt viel grützartige, scharfe Körn­chen , welche necrotisch abgestossene Knochentheilchen zu sein schienen. Die Knochenlaraellen waren überall verdickt, in der Stirnhöhle zeigten sieh bedeutende Osteophyten , das Periost fehlte fast überall unter der degenerirten Schleimhaut. Spuren von Ent­zündung fehlten ganz.
Die microscopischen Untersuchungen ergaben Schimmelpilze und Pilzsporen, am reichlichsten in demAusfluss aus der Nase, weni­ger häufig in dem Safte der Mesenterial- und Lymphdrüsen, auch fanden sich einige in den zerfallenden Bluttuberkeln der Lungen und der Drüsen. Die Lymphtuberkeln der Lungen und sämmtliche Tu­berkeln der Leber gaben keine Pilze zu erkennen, sie enthielten eine körnige Masse in einem Zellenbau. In den Bluttuberkeln waren die Körnchen noch von einer orangen- oder hellgelblichen, amorphen Masse umhüllt.
In dem 14. Falle habe ich den Rotz vorgeführt, welcher als eine Blennorrhinia entstand, sich langsam entwickelte, und nach und nach eine lymphatische Complication annahm, d. h. sich mit der Scrophulosis complicirte; in diesem Falle gebe ich das Bild eines Rotzes, welcher ursprünglich aus einer Digestionsaffection, d. h. einem scrophulösen Zustande des Digestionsapparates, hervorgegangen ist, zu welchem sich im Verlauf die Blennorrhöe gesellte und beide Zu­stände bildeten hier, wie im ersteren Falle den Rotz als scrophulös blennorrhöischeForm, diejenige, welche immer einen sehr langsamen Verlauf macht und ohne sichtliche Veränderungen Jahre lang beste­hen kann. So ist auch dieser vorliegende Fall ein solcher, aus des­sen Symptomencomplex man schliessen muss, dass er als Rotz minde­stens schon Monate bestanden hat.
Einundzwanzigster Fall.
Ich untersuchte ein dreijähriges Füllen, welches folgende Sym­ptome des Rotzes zeigte: Vollständige Abzehrung und Entkräftung, struppiges und glanzloses Haar; beschwerliches und beengtes Ath-men und leises Schnüffeln durch das linke Nasenloch. Die linke Subinaxillarclrü.se hühncreigross geschwollen, hart, kalt, am Kiefer
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festsitzend und ganz unschmerzhaft. Trübung des linken Auges und Verschwollensein desselben, Auflockerung seiner Bindehaut und in­tensiv schmutzig - orange Färbung derselben ; Abfluss eines jauchigen, schmutzig-bräunlichen, klebrigen Secrets aus dem Innern Augenwin­kel, welches hier die Haare verklebte und theilweis, sieh zu Krusten verdichtend, antrocknete. Abfluss einer eigenthümlichen Jauche aus dem Nasenloch, welche in zwei verschiedene Flüssigkeiten getrennt ist; am Grunde ist es eine consistente, zähe, klebrige, homo­gene, undurchsichtige Jauche, welche die bei weitem grössere Menge ausmacht, sie fliesst langsam und gleichmässig ab, hat einen widerlich stinkenden Geruch und eine lichte, erdgraue Schmutzfarbe, sie ist untermischt mit ganz matt ziegelrothen , verschwimmenden Striemen. Ueber diese Jauche hinweg fliesst. eine zweite Flüssigkeit ab, die weniger consistent, aber klar durchsichtig, bernsteinfarbig und sehr klebrig ist. Dieselbe tropft in fast regelmässigem Tempo, alle Minuten etwa 2 bis 3 Tropfen, ab, indem sie sich bis zur äusser-sten Spitze der Nase herabzieht und sicli hier an den verklebten Haa­ren zum Tropfen sammelt. Die Haare am Nasenrande sind theils weggeätzt, theils verklebt, der Nasenrand ist verdickt steif, callös. Die Nasenschleimhaut der linken Seite ist sehr verdickt und mit jener schmutziggrauen Jauche dick belegt, auf dem Septum ist sie, so weit man sieht, gänzlich zerstört, in der untern Region erscheint sie, in ein offenes, um sich fressendes Geschwür verwandelt, auf dessen Grunde sich eine wuchernde, leicht blutende Granulation von hellrother Farbe zieigt; weiterhinaufscheint sie in eine schmutzig grauweisse, dick aufliegende, weiche, käseartige Masse degenerirt zu sein, in welcher offene Stellen vorkommen, an denen der Knorpel, der eine schwarz­braune, brandige Farbe hat, bloss liegt, an andern Stellen, an denen jene zerstörte Schleimhaut etwas dünner aufliegt, scheint der Knorpel violettblau durch. Aus dem rechten Nasenloch findet ein Ausfluss nicht statt, die Schleimhaut ist hier bleich, missfarbig, etwas aufge­lockert und mit einem- krankhaft veränderten, trüben Schleimhaut-secret bedeckt.
Das Pferd wurde als unheilbar rotzig getödtet. Autopsie: Fast sämmtliche Lymphdrüsen, besonders die auf der linken Seite im Kehl­gange, die Drüsen am Kehlkopf und Gaumensegel, die Schilddrüsen, dann wieder besonders die Bronchialdrüsen und sämmtliche Drüsen im Mesenterium, waren sehr geschwollen, verhärtet und kautschuk­artig degenerirt. Auf der Schnittfläche zeigten sie sich schmutzig-grauweiss und sehr saftig, es quoll aus ihnen eine grauweisse, trübe, consistente Lymphe hervor; sie erschienen hier erwärmtem Speck ähnlich. Die Lungen waren sehr erschlaffl und enthielten keine Tuberkeln. Die oberflächlich unter der Pleura verlaufenden Lymph-capillaren, welche zu den sehr geschwollenen Bronchialdrüsen füh-
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ren, waren über die ganzen inneru Ränder • beider Lungen stroh-halmsdick ausgedehnt, sie bildeten hier ein dichtes Netz und waren mit stagnirender, gelblicher, klarer Lymphe strotzend angefüllt. Die Lungen hatten eine hellrosa Färbung, und die Oberfläche der rechten Lunge war mit vielen erbsengrnssen, weisslichen, sich weich anfüh­lenden Bläschen besetzt, die zum Theil mit einem Schaum angefüllt waren. In der Lungensubstanz fanden sich viele hirse - und hanf-korngrosse, mit Lymphe gefüllte Bläschen, Die linke Lunge hatte eine glatte Oberfläche, sie zeigte nur auf dem innern Rande einige mit klarer Lymphe gefüllte, hanfkorngrosse Bläschen, wie sie auch auf der rechten Lunge a. a. 0. vorhanden waren. Alle gedachten Bläschen waren nichts Anderes, als die im ersten Entwickelungssta-dium begriffenen Lymphtuberkeln. Die Schleimhäute der Bronchien und Luftröhre waren von normaler Textur, etwas ins Gelbliche schillernd. Die Schleimhaut der Giesskannenknorpel, des Kehl­deckels und der Rachenhöhle war sehr verdickt und mit dickem, grau-schmutzigem, schmierigem Schleime stark belegt. Ebenso zeigte sich die Schleimhaut der Siebbeinzellen, der Nasenmuscheln, des äussern und vordem Nasenhöhlenrandes und der linken Kieferhöhle. In letzterer fand sich ein bedeutendes Depot eines zähen, gelatinösen, dem Eiweiss ähnlichen, aber trübe durchscheinenden, zusammenhän­genden Schleimhautsecrets, das in einer schmutzig-grauen, milchig trüben, dünnflüssigen Jauche schwamm. Von ähnlicher Jauche, aber mehr gelblicher Färbung, von consistenterer und homogenerer Be­schaffenheit, war die linke Stirnhöhle ganz angefüllt, die Schleimhaut dieser war gänzlich degenerirt, ihre Schleimbälge sehr vergrössert und erweitert, und standen sie wie grosse Papillen über der Ober­fläche hervor, so dass sie wie fibroide Wucherungen erschienen und die Schleimhaut rauh machten. Auf der innern Fläche der Kno­chenplatte fanden sich bedeutende Knochenwucherungen. Das Pe-riost der Knochenfläche in dieser Höhle, am Siebbein und seinen Zellen, den Nasenmuscheln, der inneren Fläche des Nasenbeins und der Kieferhöhle war grösstentheils zerstört, und die Oberflächen der Knochen daher rauh und necrotisch abgeblättert. Die ganze Schleim­haut des Septums, von unten bis zum Siebbein hinauf, war zerstört, es waren nur noch in der untern Region einige destruirte Reste der­selben vorhanden, auf denen sich rothe Granulationswucherungen zeigten. Die Reste der ganzen übrigen Schleimhaut waren in eine schmutzig-weissgraue, körnige, dem geriebenen Käse ähnliche Masse verwandelt, die sich über den grössten Theil des Septums vertheilte, und durch welche der Knorpel schwarzbraun durchschien; sie Hess sich mit dem Messer leicht abschaben, und unter ihr war weder eine Spur der Knorpelhaut vorhanden, noch war das Knorpelgebilde als solches zu erkennen. Das ganze Septum erschien brandig und war
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von intensiv schwarzbrauner Farbe, sehr verdickt, theils breiig auf­gelöst bis auf die Knorpelhaut der entgegengesetzten Seite, wo es sich mit dem Stiel des Scalpells gänzlich wegschaben liess, theils war es so schwammig und mürbe, wie die Lebersubstanz. Jene breiige Auflösung der Knorpelmasse fand sich hauptsächlich in der untern Region.
Die raicroscopischen Untersuchungen zeigten schon bei hundert­facher Linearvergrösserung Bälgendes : Die Lymphe in der Sub-maxillardrüse erscheint körnig und enthält einzelne weisse Blutkör­perchen und Schimmelpilze. In den Bronchialdrüsen finden sich die letzteren nicht, dagegen viele roth tingirte Pünctchen; die Substanz zeigt sich durchweg feinkörnig, sie giebt nichts Zelliges, noch Fase­riges zu erkennen. Die Mesenterialdrüsen erscheinen mehr grob­körnig, die Körner sind mehr getrennt; die Lymphe hat eine dunk­lere Farbe, enthält viel weisse Blutkörperchen und mehr Pilze, als die Lymphe der Submaxillardrüse. Die Bläschen, welche auf der Ober­fläche der Lungen waren, enthielten Schaum, in welchem viele Lymphkörperchen vorhanden waren. Auch in den Lungenzellen fand sich eine schaumige Substanz, in welcher die Lymphkörperchen zum Theil haufenweise vorhanden waren, sie fanden sich in dieser Weise oft in dicht nebeneinanderliegenden Zellen. Der Schaum schien Luft und Lymphstase zu sein. Zuweilen zeigten sich in jenen Zellen auch einzelne rothe Blutkörperchen und verschwimmendes, rothes Pigment. In dem aus der Nase abfliessenden Secret fanden sich viel Lymphkörperchen, einige weisse und rothe Blutkörperchen, Reste zerstörter Schleimhaut, necrotische Knochenspuren und Reste des zerstörten, brandigen Knorpels, sowie auch einige Pilze. Die noch vorhandenen, zerstörten Schleimhautroste auf dem Septum er­schienen wie eine amorphe Masse ohne Zellen mit vielen Blutkörper­chen. Die brandige Knorpelmasse des Septums enthielt in Zellen viel haufenweise abgelagerte, rothe Blutkörperchen und viel zerflos­senes, schwarzbraunes Pigment.
Wir haben es in diesem Falle wiederum mit einer blennorrhöi-schen Rotzform zu thun, indess weicht dieselbe in ihren Symptomen in zu auffallender Weise von den früher beschriebenen ab, dass wir glauben, in diesem Falle einen wichtigen Beitrag zur Diagnose der Krankheit zu liefern. Jedenfalls ist hier die Dauer der Krankheit nicht so lange gewesen, wie im 14. und 20. Falle. Die Krankheit hat offenbar mit einer chronischen Blennorrhöe begonnen, dann sich mit der Scrophulosis complicirt, und schliesslich ist noch eine typhös brandige Rhinitis hinzugetreten.
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Zweiundzwanzigster Fall.
Auf einem Gute, auf welchem vorzugsweise englische Pferde gehalten wurden, erkrankten drei Pferde dieser Race an Rotz, von denen zwei bedeutende Geschwüre in der Nase hatten und die Krankheit in solcher Weise besassen, dass ich für ihre Tödtung stimmte. Das dritte Pferd, ein Hengst, ein noch jugendliches, kräf­tiges Thier, litt vorzugsweise am Hautrotz, aber es hatte auch Ge­schwulst einer Submaxillardrüse und Rotzausfiuss aus der Nase an derselben Seite, ganz in der Weise und Beschaffenheit, wie beim Nasenrotz. Das Haar war glanzlos, struppig, Hinterfüsse und Schlauch ödematös geschwollen, an ersterem und am Halse sassen die Rotz- (Wurm-) Geschwüre. Da sich der Eigenthümer nicht gern zur Tödtung dieses Pferdes verstand, so wurde es im Kuhstalle isolirt. und folgender Heilversuch damit gemacht:
Das Pferd erhielt am ersten Tage fünf Quart sogenannte dicke (etwas sauer gewordene) Milch, welche mit der darauf stehenden Sahne, gut umgerührt, mit Haferstrohhäcksel und 3 Metzen Hafer vermengt, in einem Tage verfuttert wurde. Es wurde dem Pferde kein Heu gegeben und das Getränk so lange entzogen, bis es jenes Futter verzehrt hatte. Am zweiten Tage wurden 6, am dritten 8, am vierten 11 Quart Milch gegeben, und so gestiegen, dass es am neunten Tage 24 Quart erhielt. In gleicher Weise wurde ihm der Hafer entzogen, so dass am neunten Tage derselbe ganz wegfiel. — Anfangs sträubte sich das Pferd, dieses Futter zu fressen, aber schon nach einigen Tagen hatte es sich daran gewöhnt und frass es sehr gern. Schon am neunten Tage waren die Rotzgeschwüre auf der Haut trocken und fingen an zu verheilen; der Ausfluss aus der Nase war fast ganz verschwunden, und die Geschwulst der Submaxillar­drüse verkleinerte sich. Nach 14 Tagen wechselte das Pferd die Haare, die Haut wurde glatt und rein, das Haar glänzend, und in 5 Wochen war das Pferd vollständig gesund. Ein Jahr später war das Pferd noch gesund, es wurde zum Decken gebraucht. Später habe ich es nicht mehr gesehen und auch nichts darüber erfahren können.
Dreiundzwanzigster Fall.
Bei der Mobilmachung der preussischen Armee im Jahre 1859, erhielt die zweite Abtheilung eines Artillerieregiments aus einer Ge­gend, in welcher notorisch seit Jahren schon die Rotzkraukheit häufig vorkam und verbreitet war, einen Theil seiner Pferde. Diese muss-ten bis zum Orte, wo sie einrangirt wurden, circa 30 Meilen, trans-
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portirt werden. Es ist nicht anzunehmen, dass das Abtheilungs-comraando von dem Gresundheitszuätande der Pferde der Gegend, #9632;welche jene entsendet hatte, unterrichtet war; es ist aber vorauszu­setzen, dass dasselbe von dem Gesundheitszustände der ankommenden Pferde bei der Ankunft, und ehe noch sonst mit den Pferden etwas vorgenommen wurde, sich genau überzeugen musste. Dies geschah indess nicht, man vertheilte vielmehr die Pferde in die verschiedenen Batterieen und Colonnen. Zwei oder drei Tage nach dieser Ver-theilung, bei der nächsten Durchsicht der Pferde fand es sich, dass zwei Pferde jenes Transports rotzig waren; sie wurden getödtet.
Ein Versehen ist hiernach wahrscheinlich schon bei der Aus­wahl und dem Ankauf der Pferde im Heimathsorte derselben vorge­kommen , da nicht angenommen werden kann, dass der chronische llotz, an welchem die Pferde litten, auf dem Transporte entstanden sei und sich ausgebildet habe. Ein unzweifelhaftes und grosses Ver­schon war es aber, dass man die Pferde in der Abtheilung vertheilte, ohne sich über ihren Gesundheitszustand vorher genau zu informiren, und ein noch grösseres Versehen war es, dass man, nachdem die Rotzkrankheit entdeckt war, nicht alle Pferde jenes gedachten Trans­ports , die nun doch jedenfalls sämmtlich der Infection verdächtig waren, dass man nicht die der Infection verdächtigen Pferde, welche nun mit jenen rotzigen in Berührung gestanden hatten, sofort aus den verschiedenen Batterieen herauszog und isolirte. Statt dessen aber beging man weitere, offenbare Versehen, die eine gänzliche Un-kenntniss der Krankheit und ihrer Natur bekunden ; man iiess nicht nur jene verdächtigen Pferde unter den gesunden, sondern man wech­selte und tauschte die Pferde der verschiedenen Batterieen und Co­lonnen unter sich, man wechselte und tauschte die Cantonnements und Quartiere immerfort, nicht nur jetzt, sondern auch später, wäh­rend der ganzen Dauer des mobilen Zustandes, ungeachtet die Eotz-krankheit weiter unter den Pferden ausbrach und in kurzer Zeit sich über sämmtliche Batterieen und Colonnen der betr. Abtheilung ver­breitete. Eine ganz naturgemässe Folge solcher Praxis war nun, dass die Krankheit stets den Spuren jener Artilleriepferde folgte, und überall fast, wo sie hinkamen oder gewesen waren, ihr Contagium zurückliess, so dass damit die Rotzkrankheit über einen ziemlich gros-son Theil der Provinz verbreitet wurde.
Im Spätsommer trat die Demobilmachung ein, und es war dies ein Glück für die preussische Armee, und die Bewohner des Landes, da bei einer Combination der Brigade, des Armeecorps etc. beim weitern Marsch durch das Land, bei einem Feldlager, oder gar bei einer Campagna, unter den gedachten Verhältnissen die Rotzkrank­heit Dimensionen annehmen konnte, ja angenommen haben würde, die jeder Berechnung spotten.
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Bis zum Eintritt der Demobilmachung waren in der gedachten Artillerieabtheilung eine grosse Zahl, vielleicht lOOPferde und mehr, am Rotze verloren gegangen, in der That ein bedeutender Verlust für eine Zeit von wenigen Monaten, und ein Beweis von der gefahrlichen, extensiven Verbreitung der Krankheit in der betr. Artillerieabthei­lung. — Doch alles Dieses und Anderes noch hinderte nicht, dass über 1000 Pferde dieser Abtheilung in verschiedenen Städten, resp. Kreisen, zum öffentlichen Verkauf gelangten, und solche sich nun einzeln weit über die ganze Provinz verbreiteten. Naturgemäss be­gleitete sie die Rotzkrankheit, und so wurde auch diese über die Pro­vinz verbreitet, denn viele der verkauften Pferde verfielen i.ach dem Verkauf in Rotz und wurden die Ursache, dass viele Landleute und Bürger in den Städten sich ihre andern Pferde damit ansteckten und sie verloren.
Diese ganze Rotzseuche war überall, soweit sie auftrat, die rein scrophulöse Form ; sie trat bald als Nasen-, bald als Lungen-, bald als Hautrotz auf. In vielen Fällen fehlten die Nasengeschwüre, aber auch in manchen , wo diese vorhanden waren, fehlten die Lymph­tuberkeln in den Lungen. In jedem einzelnen Falle war es der In-iectionsrotz.
Vierundzwanzigster Fall.
In Folge nasseingebrachten und schimmlich gewordenen Heues entwickelte sich bei einigen Pferden eines Gutes der scrophulöse Rotz. Es standen hier in einem Stalle 14 Ackerpferde und ein Reitpferd, letzteres mitten unter jenen. Sämmtliche Pferde frassen an zwei Krippen auf beiden Seiten des Stalles, und das Reitpferd frass bald an einer, bald an der andern Krippe. Einmal entwickelt, ging die Krankheit durch Ansteckung immer weiter, bis sämmtliche vorhandenen Ackerpferde und noch zwei neu angekaufte und hinzu­gekommene , mithin im Ganzen 16 Pferde, in Zeit von etwa l'/a Jahren vom Rotze ergriffen und getödtet worden waren. Der Be­sitzer wollte durchaus nicht separiren, und da kam es denn, dass das Contagium sich immer weiter verbreitete. Nur das Reitpferd, wel­ches dasContagium in der verschiedensten Weise, direct und indirect, nusserlich und innerlich in jenem Stalle wol 1000 Mal aufgenommen hatte, wurde nicht angesteckt. Nachdem ein ganz neuer Pferdestall gebaut und ein neuer Pferdebestand angeschafft worden war, mehrere Monate nach völlig aufgehörter Krankheit, kaufte ich jenes Reitpferd und ritt dasselbe zwei Jahre lang, dann kaufte es der frühere Be­sitzer zurück, benutzte es mehrere Jahre und verkaufte es wieder anderweitig.
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Fünfundzwanzigster Fall.
Durch schlecht eingebrachtes und schimmlich gewordenes Futter im Jahre 1829 hatte sich auf mehreren Gütern und in einigen Fost-haltereien des Bromberger Regierungsbezirks im Laufe des Winters eine Scrophulosis entwickelt, die sich im Frühjahr und Sommer 1830 als vollständig ausgebildeter scrophulöser Rotz manifestirte und an vielen Orten zeigte. Die Krankheit verbreitete sich auf dem Wege der Ansteckung immer weiter und verschleppte sich die Jahre 1831, 1832 und 1833 hindurch in jener Gegend. Sie betraf vorzugsweise den Inowraclawer und Bromberger Kreis. Manche Gutsbesitzer, und selbst einigePosthaltereien, arbeiteten, resp. fuhren nur mit rotzigen Pferden. Die polizeilich ausgeführten Maassregeln waren nicht streng und umfassend, die Aufsieht lange nicht ausreichend; es wurde ein allgemeiner, geheimer, und selbst öffentlicher Handel auf den Pferdemärkten und überall getrieben, den besonders die vielen klei­nen, und theils armen , jüdischen Pferdehändler vermittelten. Der Verlust an Pferden durch diese Krankheit war ganz enorm.
See hsund zwanzigster Fall.
Ein Gutsbesitzer, unter dessen Pferden notorisch der Rotz schon seit längerer Zeit herrschte, verkaufte mit Zustimmung und im Bei­sein seines Thierarztes einen Hengst, welchen dieser 6 bis 8 Wochen an sogenannter verdächtiger Druse behandelt hatte; ein anderer Guts­besitzer kaufte ihn auf öffentlichem Pferdemarkte im guten Glauben. Unmittelbar nach der Uebornahme bemerkte der Käufer einen bös­artigen Ausfluss aus dem linken Nasenloch und eine verdächtige Schwellung der linken Submaxillardrüse. Am nächsten Tage unter­suchte ich das Pferd und erklärte dasselbe für rotzig. Es wurde auf meine Veranlassung auf dem Abdeckereihofe noch von einem zweiten Thierarzte untersucht, der das Thier nicht für rotzig erkannte, denn es waren keine Rotzgeschwüre in der Nase zu sehen, und deshalb stimmte derselbe nicht für die Tödtung, die aber dennoch auf meinen Rath erfolgte. Die Autopsie erwies, dass die obere Region der lin­ken Nasenhöhle mit einer Unzahl von Rotzgeschwüren dicht besetzt war, sie hatten ihren Sitz auf dem Septum, den Muscheln, dem Sieb­beine und dessen Zellen, selbst in der Rachenhöhle, am Gaumensegel etc. fanden sich einige. Die linke Lunge sass ganz voll Lymph­tuberkeln, auch fanden sich viele solche auf der rechten Lunge. Die andern Erscheinungen waren die beim Rotz gewöhnlichen.
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Siebenundzwanzigster Fall.
Auf einem Gute, welches in einem Stalle 20 Acker- und 2 Kutschpferde, einen Vollbluthengst als Beschäler und mehrere Füllen stehen hatte, kamen nach und nach immer mehr Pferde vor, welche sich als rotzverdächtig erwiesen. Bei einigen zeigten sich auch lym­phatische Geschwülste und Beulen auf der Haut. Nachdem im Ver­laufe von einigen Monaten mir nach einander drei in dieser Weise erkrankte Pferde einzeln vorgezeigt worden waren, an denen ich ganz vergebliche Heilversuche machte, und deren Krankheit immer den-denselben Character zeigte, wurden mir auch zwei sechs Monate alte Füllen von dem Besitzer vorgeführt, welche an derselben Krankheit litten. Dieses wiederholte Vorkommen ein und derselben Krankheit in dem Stalle, in rascher Aufeinanderfolge, liess mich vermuthen, dass in dem Stalle ein besonderer Herd des Rotzcontaniums vorhanden sei, der entdeckt werden müsse. Der Besitzer hatte nie eine der­artige Besorgniss gehabt, nie eine Durchsicht seiner Pferde für nöthig gehalten, daher sie weder selbst unternommen, noch von mir ver­langt, indess jetzt drang ich darauf, dass mir die Untersuchung der sämmtlichen Pferde gestattet werde. Die Pferde standen in Gespan­nen zu je 4 Pferden in einem Kastenstande, aus einer gemeinschaft­lichen Krippe fressend. Die bisher untersuchten kranken Pferde waren aus verschiedenen Gespannen gewesen. Gleich beim ersten Gespann, was ich nun untersuchte, fand ich das erste Pferd rotzver­dächtig, das zweite rotzig, das dritte und vierte Pferd ebenfalls rotzig. Wie mir das dritte Pferd vorgeführt wurde, erklärte ich sofort dem Besitzer, dass dieses Pferd der Herd, die Quelle des Rotzes in seinem Stalle sei, das dieses Pferd den Rotz schon lange, und zwar minde­stens schon über '/a Jahr besitze, daher von diesem die Ansteckung auf alle seine andern Pferde stattgefunden habe. Es wurde mir ent­gegnet : er habe das Pferd vor 1/j Jahre auf einem Pferdemarkte ge­kauft, und da sei es schon gewesen wie jetzt, doch' habe er dasselbe für ganz unerheblich krank, und die Krankheit für einen ganz ein­fachen, leichten Kropf gehalten, darum habe er das Pferd später gar nicht wieder angesehen. Das Pferd zeigte sich in seinen Symptomen ganz so, wie sie in dem unter 17 mitgetheilten Falle angegeben sind, nur dass der Ausfluss aus dem rechten Nasenloch , obwoi in sehr ge­ringem Maasse, ununterbrochen stattfand. Auf dem Septum der rechten Seite fanden sich sternförmige Narben von verheilten Rotz­geschwüren, sonst war ilie Schleimhaut etwas intensiv roth, aber nicht aufgelockert; die rechte Submaxillardrüse war unbedeutend geschwol­len, ganz flach, fest am Kiefer liegend, elastisch hart und unschmerz­haft. Zwei anderthalbjährige Füllen, die in dem Stalle in einer be­sondern Bucht standen, waren ebenfalls rotzig.
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Der Umstand, dass die Krankheit fast in allen Gespannen im Stalle, bald in diesem, bald in jenem, bald auf dieser, bald auf jener Seite des Stalles, vorkam, dass auch die Füllen davon ergriffen waren, hatte seinen Grund darin, dass die beiden '/gjährigen Füllen den ganzen Tag frei im Stalle und auf dem Hofe umher liefen und zwischen alle Pferde krochen. Nachts aber in die Bucht zu den beiden altereu Füllen gesperrt wurden. Sie waren mithin die Ver­breiter des Contagiums. Der Besitzer verlor an dieser Krankheit, als Folge seiner Indolenz, 14 Ackerpferde, die beiden Kutschpferde, den Beschalhengst und 4 Füllen. —
Achtundzwanzigster Fall.
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Ein Bauer kaufte auf dem Markte ein Pferd und stellte dasselbe in seinem Stall unter seine andern 4 Pferde. Einige Zeit danach zeigte sich der Rotz unter seinen Pferdt-n , es wurden nach und nach alle 4 Pferde rotzig und getödtet, eine ärztliche Behandlung derselben war ganz erfolglos geblieben. Das angekaufte Pferd dagegen er­schien von Anfang an nur verdächtig; es hatte eineDrüsengeschwulst auf der rechten Seite des Kehlganges, wie '/j Hühnerei gross, weich elastisch, lose und körnig gethoilt, dabei aber kalt und unsehmerzhaft; aus dem rechten Nasenloch einen copiösen, homogenen, consistenten, klebrigen, weiss gelblichen, zu bernsteinfarbigen Krusten antrocknen­den Ausfluss, bei aufgelockerter, bleicher Schleimhaut. Es ermittelte sich, dass dieses Pferd schon beim Kauf in diesem Zustande gewesen, und dass dasselbe die Ursache des Rotzes bei den andern Pferden, indem es diese ansteckte, war, und dennoch wollte Niemand dieses Pferd für rotzig erkennen. Die therapeutische Behandlung dieses Pferdes bewirkte so viel, dass sich der Ausfluss fast ganz verlor und eben so weit die Drüsengeschwulst verschwand, und das Pferd fast gesund zu sein schien. Es wurde noch anderthalb Jahre gebraucht, dann trat die ausgebildete Rotzkrankheit schnell und heftig hervor, und das Pferd musste getödtet werden. Das Pferd war also jeden­falls schon rotzig, wie es gekauft wurde.
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Neunundzwanzigster Fall,
Die Anzeige, dass die Pferde eines Bauern rotzig seien, war die Veranlassung, dass ich zur Untersuchung, respective Ausführung der sanitätspolizeilichen Maassregeln, amtlich requirirt wurde. An Ort und Stelle fand ich die 4 Pferde und diamp; beiden 6 bis 8 Monate alten Füllen des betreffenden Bauern rotzig. Es war dies eice so auf­fallende Erscheinung, um so mehr als der Bauer noch ein junger, thatiger, umsichtiger und ordentlicher Mann war, dass hisr eine be-
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sondere Ursache und besondere Umstände eingewirkt haben mussten, um die Krankheit bei dem ganzen Pferdestande fast gleichzeitig und in der eigenthümlichen Form hervorzurufen j in welcher sie gefunden wurde. Die Form der Krankheit bei allen Thieren gab mir zunächst die üeberzeungung, dass hier der Infectionsrotz vorhanden sei, was auch dadurch bestätigt wurde, dass auf dem Gehöfte des Bauern kein Umstand gefunden werden konnte, welcher die Veranlassung zur originären Entwickelung der Krankheit überhaupt, geschweige denn in der vorhandenen Form hätte sein können. Im Dorfe selbst waren alle Pferde gesund, und in der Umgegend war zur Zeit nichts über das Vorkommen des Rotzes (ausser bei jener Artillerie-Abtheilung, vide 23. Fall) bekannt; besondere Reisen hatte der Mann mit seinen Pferden im Laufe des jüngsten Jahres angeblich nicht gemacht, ausser nach den nächsten Städten, hier aber nie, wie er sagte, ausgespannt, mithin die Pferde nicht in fremde Ställe gebracht. Also keine genuine Entwickelung, und woher sollte unter diesen Umständen die Infection gekommen sein? — Die Krankheit war allerdings der scrophulöse Rotz, bei gutem Ernährungszustande, glattem, glänzendem Haar und unregelmässigem Appetit der Pferde, ohne jede bemerkbare Affection der Lungen, ohne jede Anomalie des Pulses. Dagegen war es nicht der chronische primitive Digeslionsrotz, welcher Monate zu seiner Entwickelung und Jahre zu seinem Verlauf bedarf; es war die mehr subacute Form des primitiven Nasenrotzes, -wie sie in den meisten Fällen nach direetcn Infectionen der Lymphe entsteht, die höchstens Wochen zu ihrer Entwickelung und Monate zu ihrem Verlauf bedarf; es war aber auch nicht jene acute Form , die in der Regel primitiv als Lungenrotz, nach unmittelbaren Infectionen des Blutes durch Rotzcontagium auftritt, und die zu ihrer Entwickelung höchstens Tage, zu ihrem Verlauf aber in der Regel kaum Wochen bedarf. Bei allen Pferden zeigte sicli die Krankheit in einem gewissen hohen Stadium , aber vollständig ausgebildet und florissant nur auf einer Seite. Die Submaxillardrüsen waren angeschwollen, hühnereigross, kautschukaitig verhärtet, kalt und unschmerzhaft, theils festsitzend, theils verschiebbar. An der Seite der degenerirten Drüse fand ein Ausfluss aus der Nase statt, welcher copiös, meistens homogen und consistent, sehr klebrig und schmierig, scharf ätzend und von schmutzig gelblicher Farbe, meistens durchscheinend, klar, lymphartig war. An derselben Seite fanden sich auf der Nasenschleimhaut Rotzge­schwüre , von denen manche frisch entstanden waren und noch den eigenthümlichen wulstigen Rand zeigten , andere aber diesen Rand schon zerstört und zackig um sich gefressen hatten, noch andere be­reits besonders weit um sich und in die Tiefe der Substanz sich ein­gefressen hatten. Der Ausfluss war mehrentheils pathische Lymphe, nur wenig, in einigen Fällen gar nicht mit einem pathischen Schleim-
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hautsecret vermischt. Die Schleimhaut, soweit sie keine Geschwüre hatte, war wenig aufgelockert, meistens von krankhaft intensiv rother Farbe, mithin noch nicht degenerirt. Am weitesten vorgeschritten war die Krankheit bei den beiden Müttern der zwei vorhandenen Füllen, und bei einer derselben fanden sich, ohne jede oedematöse oder entzündliche Anschwellung, rotzige Hautgeschwüre auf der linken Seite der Croupe und an der äussern Seite der linken Hose.
Bei den Füllen hatte die Krankheit eine mehr chronische Natur, wie sie bei Thieren dieses Alters in der Regel sich gestaltet, und dennoch erschien sie bei beiden in einem sehr vorgeschrittenen Grade, bei dem einen noch mehr, wie bei dem andern. Die Rotzkrankheit war hier auf beiden Körperseiten, die Submaxillardrüsen waren sehr geschwollen und kautschukartig verhärtet, aus beiden Nasenlöchern floss eine sehr dicke, gelblich weisse, undurchsichtige, ätzende und sehr klebrige Masse in grosser Menge ab, es war dies mehrentheils ein pathisches Schleimhautsecret, mit Lymphe vermischt; die Nasen­ränder, von denen die Epidermis weggeätzt war, erschienen aufge­trieben, callös, hart, steif und kalt. Die Nasenschleimhaut war sehr verdickt, von schmutzig graugelblicher, bleicher Färbung und mit jenem Ausfluss dick belegt, so weit man sehen konnte ohne Ge­schwüre. Das Athmen war etwas beengt, beschleunigt, ziehend mit den Bauchdecken und schnüffelnd durch die Nase.
Auf meine Forschungen nach der Ursache der Krankheit wusste der Eigenthümer nichts Anderes anzugeben, als dass im Juni und Juli 1859 die Pferde von der Artillerie-Abtheilung, deren im sub 23 hier mitgetheilten Falle Erwähnung geschehen , der einen Colonne, welche in der ganzer, Gegend den Spottnamen der Rotzcolonne ge­führt hatte, im Dorfe in Cantonnement gelegen und auch er von diesen Pferden fünf Stück bei sich im Quartier gehabt hätte. Diese Pferde seien alle fünf krank gewesen, und eins derselben hätten die Leute im Dorfe, und namentlich der Gutsherr, für rotzig gehalten. Die Pferde seien nie durch einen Offleier oder Thierarzt untersucht, und auf seine Beschwerde nur von einem Unterofficier recherchirt und von den Colonnenmannschaften beaufsichtigt worden. Jener sowol, wie diese aber hätten den Rotz geläugnet. Nun seien zwar seine Pferde mit denen der Artillerie , welche in einem besondern Stalle auf einer andern Seite des Hofes gestanden hätten, nicht in unmittel­bare Berührung gekommen, indess hätten die Artilleristen , ohne ihn zu fragen, häufig seine Pferdegeschirre genommen, sie auf ihre Pferde gelegt und seien damit nach der Stadt, umFourage zu holen, gefahren, und durch die Geschirre möge wol die Uebertragung des Rotzes auf seine Pferde stattgefunden haben. Nachdem sich mir der eigenthüm-liche Befund herausgestellt hatte, konnte ich noch nicht an eineüeber-
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tragung des Rotzes durch die Geschirre glauben, es musste hier noch #9632;ein anderer Weg der Verschleppung vorliegen und aufzufinden sein.
Die sämmtlichen Thiere wurden noch an demselben Tage der Untersuchung, es war dies im Januar 1860, getödtet und secirt. Alle Pferde sowol, wie die beiden Füllen hatten Lymphtuberkeln in den Lungen, die Füllen aber am meisten; bei ihnen war selbst die ganze Lungensubstanz mit solchen durchsetzt, von denen viele die Grosse von Erbsen hatten, und die bereits vollständig ossificirt waren. Nur bei den Füllen fanden sich die Mesenterialdrüsen degenerirt, ver-grössert und speckig verhärtet, und in den degenerirten Lymphdrüsen Bluttuberkelkerne. Nur bei diesen fanden sich die Schleimhäute In beiden Nasenhöhlen, dem Siebbeine, dessen Zellen, in der Rachen­höhle und im Kehlkopfe eigenthümlich verdickt, degenerirt, schmutzig, klebrig und waren Rotzgeschwüre, respective erodirte Stellen an den Nasenmuscheln, den Siebbeinzellen und in der Rachenhöhle vor­handen. Bei einem Füllen war die Krankheit noch weiter vorge­schritten, als bei dem andern.
Offenbar ging aus diesen Erscheinungen hervor, dass die Füllen bereits am längsten an der Krankheit gelitten hatten, dass diese zuerst angesteckt seien , dass sie primitiv den Digestionsrotz gehabt, mithin auch die Ansteckung ursprünglich und zunächst auf die Di­gestionsorgane erfolgt sei, und dass das eine, ältere Füllen , in etwas mehr vorgeschrittenem Stadium der Krankheit sich befand, diese über­haupt zuerst gehabt hatte. quot;Wie ich dies dem Besitzer der Pferde sagte und die Wahrscheinlichkeit aussprach, dass die Pferde von den Füllen angesteckt seien, was ich daraus schloss, dass die Füllen frei im Stalle unter den Pferden umherliefen, sich mit an die Krippe drängten und bei offener Thüre aus und ein liefen, dass das ältere Füllen namentlich immer am linken Hinterschenkel, da wo die Rotz­geschwüre waren, mit den Zähnen kniff und mit der Nase schnüffelte, so dass es hier sich die Nase häufig abwischte, wovon die Haare be­schmutzt und verklebt waren, dass also ganz sicher angenommen werden konnte, der örtliche Hautrotz sei hiervon entstanden, da er­fuhr ich endlich, dass, nachdem die Artilleriepferde abgegangen, man weder Stall noch Krippe gereinigt habe, die Stallthüre aber weit geöffnet gelassen, und so seien die Füllen immer in den Stall gegan­gen und hätten da wol die vorhandenen Futterreste in der Krippe verzehrt und diese viel beleckt etc. Hiernach konnte nun die Infec­tion der Füllen und die weitere Uebertragung der Krankheit auf die andern Pferde nicht mehr zweifelhaft sein.
Ich habe mich bei Mittheilung dieses Falles etwas specieller aus­gelassen , um zu zeigen, dass man wol in solchen Fällen die Rotz­krankheit unterscheiden, gewissermassen die Verschiedenheit ihrer r.rdt, Rolzdyskriuie.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 35
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Dauer, den Weg der Infection etc. ermitteln und bestimmen kann, was für gerichtliche Zwecke oft von grosser Wichtigkeit ist.
Dr ei ssi gs t er F all.
Ein 18 Jahre altes Pferd litt in Folge des Genusses von schimm­ligem Heu seit länger als 6 Monaten am scrophulösen Rotz. Der Eigenthümer wollte es nicht gerne tödten lassen , und ich fand eine Cur nicht nur nutzlos, sondern auch zu kostspielig. Ich Hess das Pferd deshalb unter die Kühe stellen, und mit diesen gleich füttern, ihm aber alles Korn und sonst nahrhaftes Futter entziehen. Nach 3/4 Jahren wurde es gesund aus dem Stall gezogen, unter die Acker­pferde gestellt und da hat es mit diesen noch mehrere Jahre tapfer gearbeitet.
Einunddreissigster Fall.
Zwei sehr dick gemästete, ziemlich alte Pferde eines Bauers, welche einen ganzen Winter hindurch feucht eingebrachtes und da­durch schimmlig gewordenes Heu genossen hatten, verfielen in den Scrophelrotz, die endliche Folge von Druse, bösartiger Druse, ver­dächtiger Druse, wie die verschiedenen Stadien gewöhnlich genannt werden. Die Krankheit entwickelte sich sehr langsam , und verlief noch langsamer. Es verging fast Jahr und Tag von dem Eintritt der ersten Symptome, bis die Krankheit sich so weit entwickelt hatte, dass sie für Rotz angesehen werden konnte. Die Submaxillardrüsen waren an beiden Seiten faustgross geschwollen, und wie gewöhnlich hart, kalt, unempfindlich, festsitzend. Der Ausfluss aus beiden Nasenlöchern war bedeutend, sehr dick, homogen , klebrig , ätzend, von grünlich weisser Farbe; die Nasenschleimhäute sehr verdickt, Geschwüre nicht, wol aber Tuberkeln in den Lungen vorhanden.
Der Eigenthümer wollte die Pferde nicht tödten, sie wurden daher isolirt, mager gefüttert, und jeden Tag unter das Häcksel einige Hände voll frisches Ledum palustre, das in der Nähe hinreichend zu haben war, geschnitten und verfuttert. Nach 18 Monaten erst waren die Pferde anscheinend vollständig gesund, und der Eigenthümer hat sie noch mehrere Jahre benutzt.
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Zweiunddreissigster Fall.
Es hatte sich zwischen einigen Thierärzten eine Controverse-darüber erhoben, ob verschiedene Pferde eines Händlers rotzig seien, oder nicht. Einer behauptete, es sei dei Rotz, der Kreisthierarzt und Rossarzt des Regiments waren entgegengesetzter Ansicht. Die Be­hörde wurde daher zweifelhaft und requirirte mich zur Entscheidung der Sache. Von da an, wo dieser Streit entstanden war, bis dahin
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wo ich zur Untersuchung der Pferde kam, war ein Zeitraum von sechs Wochen vergangen, und es kam nun im Interesse der Sach­verständigen in Betreff meines Urtheils nicht nur darauf an, dass ich constatire, ob der Rotz überhaupt vorhanden sei, sondern auch, ob er schon vor sechs Wochen vorhanden gewesen sei. — Was den Zu­stand des einen Pferdes betraf, so hatte der Kreisthierarzt denselben seit 3 Tagen ebenfalls für Rotz, alle andern Pferde aber für gesund erkannt. Diesem Urtheil musste ich, nach den Resultaten der Unter­suchung in der Hauptsache mich anschliessen, mit der Modification, dass das für rotzig erkannte Pferd höchstens erst seit 8 Tagen rotzig sein könne. Zu diesem Urtheil veraulasste mich folgender Zustand des betreffenden Pferdes:
Die rechte Submaxillardrüse war frisch angeschwollen, sehr empfindlich und entzündet, verschiebbar, aber in eins ver­schmolzen, die Schleimhaut dieser Nasenseite war von vollständig normaler Beschaffenheit. Die linke Drüse war ebenfalls ge­schwollen, aber gethcilt, körnig, unzusammenhängend, ver­schiebbar, schmerzhaft und heiss. Auf dieser Seite fand ein sehr geringer Ausfluss statt, welcher homogen, consistent, scharf und schmutzig weisslich war. Die Conjunctiva war ganz gesund, kein Ausfluss aus den Augen vorhanden. Auf der linken Seite war die Schleimhaut des Septums stark erodirt, eigentliche Ge­schwüre waren nicht vorhanden, es war in einem Umfange von etwa '/a Q Zoll das Epithelium vorzugsweise weggefressen, in dessen Umgebung die Schleimhaut aufgelockert und intensiv dunkelroth war. Im Uebrigen war das Pferd sehr munter, gut bei Leibe, mit glattem und glänzendem Haar.
Obwol ich das Pferd als heilbar ansehen musste, so konnte ich in diesem Falle in meiner amtlichen Function nicht anders, als für die Tödtung stimmen. Bei der Obduction fand ich Folgendes:
Entzündung der rechten, und etwas speckige Degeneration der linken Kehlgangsdrüsen, ohne Tuberkeln; vollständig nor­male Beschaffenheit aller knorpeligen und knochigen Gebilde des Kopfes, sowie der Schleimhäute der Siebbeinzellen, der Cavitäten des Kopfes und des rechten Nasenganges. Emphy-sematische Ausdehnung und Erschlaffung beider Lungen, keine Miliar -, dagegen einige wenige erbsengrosse Bluttuberkeln in der Substanz der Lungen, welche sich erst im Anfangsstadium ihrer Entstehung befanden.
Dreiunddreissigster Fall.
Ein Abdecker hatte, wie ein Kreisthierarzt officiell mittheilt, ein rotziges Pferd drei Wochen neben einer Kuh stehen lassen, bevor
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es getödtet wurde. Beide Thiere hatten aus einer Krippe gefressen. Längere Zeit nachher, etwa 4 Wochen später, näher ist der Zeitpunet nicht angegeben, zeigte die sonst fette Kuh ein rauhes und glanzloseraquo; Haar, thränte aus dem linken Auge, schleimte aus der linken Nasen­öffnung und speichelte stark aus dem Maule. Das Flotzmanl war auf der linken Seite stark angeschwollen, nicht entzündet, doch war die linke Nasenöffnnng dadurch sehr verengt. Sämmtliche Speichel­drüsen des Kopfes waren eigenthümlich rundlich geschwollen, hart, speckig, ohne Empfindung. Fieber war nicht vorhanden, auch sonstige Krankheitssymptome nicht. Einstiche in die Drüsen gaben einige Tropfen Blut. Aeussere und innere Mittel blieben ohne Erfolg. Dieser Zustand änderte sich in einigen Wochen nicht, dann trat Abmagerung ein, die in 6 Monaten so wurde, dass die Haut struppig,, dicht und fest auf den Rippen klebte und sich nicht verschieben liess. DasThier wurde geschlachtet. Das Flotzmal schwoll in der letzten Zeit bald links, bald rechts an, und bildeten sich auf der untern vordem Fläche kleine Geschwürchen, welche die Grosse von Nadelköpfchen hatten und nicht vergingen. Die Speicheldrüsen blieben sich gleich ; Lymphgefässanschwellungen wurden nicht bemerkt. Kurz vor dem Tode fand der Ausfluss aus beiden Nasenlöchern statt. Es wurde dieser Zustand der Kuh für eine Folge der Infection mitRotzcontagium angesehen. Die Impfung eines alten Pferdes von dieser Kuh blieb erfolglos.
Bei der Obduction ergab sich eine vollständige Entartung und Schwellung sämmtlicher Speichel- und Gekrösdrüsen, welche letztern die Grosse einer mittleren Faust hatten. Lungen und Kehlkopf waren gesund. Jene kleinen Geschwürchen, welche auf dem Flotzmaul sassen, fanden sich auch auf beiden Flächen der Nasenscheidewand und zeigten einen weisslich glänzenden, speckigen Grund, wie bei Rotzgeschwüren des Pferdes. Sie hatten eine runde Form. Es waren gegen 200 solcher Geschwürchen vorhanden. In den harten Ohr-und Unterkieferdrüsen fanden sich keine tuberculösen Abmagerungen.
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Vierunddreissigster Fall.
Ein Bürger in einer Stadt hatte sich von den zur Auction ge­stellten Demohilmachungspferden, unter denen der Rotz sehr ver­breitet war, (s. den 23. Fall) eins gekauft und dasselbe in seinen Stall neben ein anderes, ganz gesundes Pferd gestellt. Nach einiger Zeit zeigte sich dieses letztere Pferd drüsenkrank und bald hinterher rotz­verdächtig, während an dem angekauften Pferde angeblich noch nichts bemerkt wurde. Ein Thierarzt behandelte die Pferde und trennte sie nun beide. Endlich bemerkte man auch bei dem angekauften Pferde eine geringe Auflockerung der rechten Submaxillardrüse, und etwas
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Ansfluss aus dem rechten Nasenloche. Man nahm an, dieses Pferd sei von jenem angesteckt. Ich wurde veranlasst, mein Gutachten über den Zustand beider Pferde abzugeben, und untersuchte ich sie deshalb gründlich. Ich erklärte beide Pferde für rotzverdächtig, doch das an­gekaufte Artilleriepferd für dasjenige , welches die Krankheit schon am längsten gehabt hatte, und welches nicht hier von dem andern Pferde angesteckt sei, sondern welches vielmehr dieses angesteckt habe,. denn dieses Pferd verhielt sich ungefähr so, wie das Pferd in dem sub 17 mitgetheilten Falle etc. Nach einiger Zeit, etwa 14 Tage nach meiner Untersuchung, wurde das länger im Besitz dieses Bürgers be­findliche Pferd wegen Eotz getödtet, und ein Gleiches geschah mit dem von der Artillerie angekauften etwa 2 Monate später. Es er­mittelte sich nun nachträglich, dass dieses letztere Pferd bei der Artil­lerie einmal 4 Wochen als rotzverdächtig abgesondert und behandelt worden, dann als gesund wieder einrangirt, wenige Wochen nachher aber wieder als rotzverdächtig abgesondert und behandelt worden sei und bis zum Verkauf, über 2 Monate, abgesondert gestanden habe.
FünfunddreissigsterFall.
Eine tragende Stute wurde während ihrer Trächtigkeit rotzver­dächtig, sie wurde abgesondert und gebar ein gesundes Füllen. Während des Säugens wurde die Mutter total rotzig, doch das Füllen blieb gesund, wurde nach 5 Monaten abgesetzt, die Mutter wurde wegen Rotz getödtet und das Füllen war noch längere Zeit gesund. Erst später soll es auch rotzig geworden sein, ich habe es leider nicht wieder gesehen. —
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