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BIBLIOTHEEK UNIVERSITEIT UTRECHT
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Rinderpest im Tyrol.
Bericht von R. Zangger, Direktor der Thierarzneischule ~ in Zürich, an das eidg. Departement des Innern.
(Vom 7. April 1865.)
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Herr Bundesrath! Unter Bezugnahme auf meine vorläufige Mittheilung, welche ich Ihnen unterm 31. März von Im st zusandte, folgt hiemit die ausführlichere Berichterstattung über das Ergebniss der auftragsgemäss gepflogenen Nachforschungen über das Vorkommen der Rinderpest im Tyrol.
I. Seuchenort.
Der einzige Seuchenort ist Karrösten, ein armes, eng zusammengebautes Bergdörfchen mit 33 Hausnummern, im Bezirk Imst. Der Ort liegt nördlich der von Innsbruck nach Imst führenden Strasse, auf einer beträchtlichen An­höhe, durch einen höhern Bergrücken gegen Norden ge­schützt, offen gegen Süden. Karrösten hat eine einzige und laquo;'chlechtunterhaltene Zufahrtstrasse, von der oben genannten ilstrasse aus.
'er Viehstand beträgt gegen 200 Stücke Rindvieh, ziemliche Menge Schafe, einzelne Ziegen und Schweine.
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Das Rindvieh gehört durchgängig der kleinen weissgrauen Kace des Oberinnthaies an. Es sind meistens Kühe und Jungvieh nebst einer Anzahl Arbeitsochsen. Der grösste Theil des Rindviehes wird selbst nachgezogen. Auf den Viehmärkten zu Imst, Landeck, Tills und Reute wird häufig verkauft, nur selten eingekauft. Der Hauptverkauf findet im Frühjahr, Mitte oder in der zweiten Hälfte des Monats März statt. Nach diesen Frühjahrsmärkten werden Steuern, Zinsen etc. eingetrieben. Ungarisches oder gali-zisches Vieh soll sich in der Gegend zur Zeit keines vor­finden. Das Wollvieh besteht aus grobwolligen Berg­schafen, die durchweg selbst gezüchtet werden. Dieselben werden im Lande geschlachtet.
Rindvieh und Schafe werden meistens in denselben Ställen gehalten. Die Ställe lassen in Bezug auf Trocken­heit, Geräumigkeit und Propretät zu wünschen übrig. Zur Zeit wird das Vieh gut gepflegt; es soll jedoch vor dem Seuchenausbruch wenig für die Hautpflege gethan wor­den sein.
Die Fütterung ist durchgängig karg und schlecht. Heu und Maisstroh bilden die Hauptnahrungsmittel. Ersteres ist mager und nicht in dem Verhältnisse des Viehstandes vorhanden, so dass demselben gegenwärtig 30 bis 70 Prozent Maisstroh zugesetzt wird. Letzteres liegt auf den Feldern in kleinen Haufen und wird nach Bedarf unter dem Schnee hervorgeholt. Der Heumangel hat seinen Grund in einer übergrossen Viehmenge, dem späten Er­wachen der Natur, und darin, dass in Karrösten in manchen Jahrgängen grosse Trockenheit des Bodens dem Wachsthum der Pflanzen hinderlich sein soll.
Der kleinste Theil des Futters wird rauh gefüttert. Heu und Maisstroh werden zusammen kurz geschnitten.
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mit warmem Wasser übergössen, mit denaturirtem rothem Viehsalz und wohl auch etwas Mehl bestreut, und so frisch verfüttert. Die Schafe sind genöthigt, jetzt schon am schwach bewaldeten südlichen Bergabhang zwischen Schnee und Gesträuch den nothdürftigsten Lebensunterhalt aufzu­suchen. Durch jämmerliches Blöcken geben sie ihren Hunger kund.
Der Ort hat einen Brunnen: Ein tiefer Sod mitten im Dorf, zur Zeit mit gutem klarem Wasser versehen. Das wenige Getränk, welches die Thiere bei der nassen Füt­terung bedürfen, wird denselben in der Begel in den Stall getragen.
2. Ausbreitung der Seuche.
Der erste Krankheitsausbruch fand im Monat Jänner dieses Jahres im Stalle des Johannes Turner statt. (nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Derselbe liegt oben (nordwestlich) im Dörfchen. Er ent-
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hielt 2 Ochsen, 2 Kühe, 1 Kalb, i Ziege und eine Truppe von beiläufig 20 Schafen. Es fielen das Kalb, t Kuh und 1 Ochse. Die erste amtliche Anzeige fand am 17. Jänner statt, als bereits das Kalb und 1 Ochse gefallen und 1 Kuh noch krank war, welch' letztere am 20. Jänner gleichfalls verendete. Ein Ochse blieb seither gesund und die Kuh, welche noch lebt, war damals noch reconvalescent von einer im November vorigen Jahres erhaltenen Krankheit, die vermuthlich die sogenannte Kopfkrankheit war. Die zuerst gefallenen 2 Stücke wurden von einem sogenannten Noththierarzte secirt. Derselbe arznete die Thiere auch. Er kann aber, weil er davon nichts versteht, über das Sektionsergebniss keine Auskunft geben. Am 21. Jänner fand die amtliche Section der gefallenen Kuh statt. Die Seuchenkommission diagnosticirte auf eine der Rinderpest
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sehr ähnliche Krankheit. Der Cadaver wurde verbrannt, und die zur Tilgung der Rinderpest vorgeschriebenen Mass­regeln kamen zur Anwendung.
Die Statthalterei in Innsbruck modifizirte die Diagnose, erklärte die Seuche als typhösen Anthrax und hob nach zehntägigem Bestand die Sperrmassregeln auf.
Ein zweiter Krankheitsausbruch erfolgte in der zweiten Woche des Monats März im Stalle des Matthias Raffel. Derselbe beflndet sich am untern (östlichen) Ende des Dörfchens. Er enthielt 2 Kühe und -2 Stücke Jungvieh. Rasch nacheinander gingen alle Thiere zu Grunde. Das letzte Stück, eine Kuh, wurde am 14. März amtlich secirt. Die handelnden Experten waren einig in dem Schluss, dass die Thiere Raffel's ohne Zweifel an der Rinderpest ge­fallen seien. Sofort wtiräcn auch die zur Tilgung der Rinderpest vorgeschriebenen Massregeln in aller Strenge angewendet.
Am 20. März fiel in dem Stalle des Johannes Singer ein Kalb. Dasselbe wurde durch den Landesthicrarzt Kopatschek secirt, welcher die Krankheit als akuten Magen­darmkatarrh mit Lungenödem bezeichnete, dessen ungeachtet aber Desinfektionsmittel anwenden liess. Zwei andere Stücke Rindvieh, zwei Schafe und eine Ziege, die bisher gesund blieben, stunden neben jenem Kalb. Singer's Stall liegt etwas entfernt von demjenigen Turner's und Raffel's, aber in nächster Nähe der Wohnung des letzteren, in demselben Gebäude.
Seither sind keine neuen Erkrankungen erfolgt.
3. Das Krankheitsb ild.
Ich halte nicht Gelegenheit, ein krankes Thier oder die Sehtionserscheinungen bei einem Cadaver zu beobachten.
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Was ich über die Krankheitserscheinungen berichte, stützt sich auf Erkundigungen bei den Eigenthümern, deren Vieh erkrankte, und auf einen Theil der amtlich erhobenen Protokolle, die mir von der Bezirksverwaltung in Imst bereitwillig zur Einsicht übergeben wurden. Das Sektions­protokoll vom 14. März lag leider nicht vor, aber ich er­gänzte diesen Mangel durch Mittheilungen aus dem Munde des Herrn Bezirksarztes Seeger, der dasselbe diktirt hatte.
a. Erscheinungen im Leben.
Nach den übereinstimmenden Schilderungen derFamilien-glieder Turner und Raffel waren die Krankheitserschein­ungen bei allen Patienten dieselben. Sie zeichnen das Krankheilsbild folgendermassen: Zuerst wurden die Thiere unruhig, trippelten mit den Füssen; die Fresslust vermin­derte sich; unter Frösteln und Zittern sträubten sich die Haare; der Nasenspiegel ward trocken und rissig, das Auge geröthet; es stellte sich Thränenfluss, Nasenausfluss und Durchfall ein. Der Durchfall zeigte sich nach zwei Tagen; die Exkremente gingen flüssig, stinkend, vorerst braungrün ab, wurden hernach heller, mit Schleimfetzen und Blut gemischt, schienen hin und wieder auch nur aus Schleim und Blut zu bestehen. Das Athmen wurde kurz, schnell, röchelnd; die Thiere zeigten schwachen Husten, pochenden Herzschlag, waren ängstlich, wurden struppig in den Haaren) laxirten unter starkem Drängen, so dass der Mastdarm vorgedrängt und stark geröthet erschien. Nach einer Krank­heitsdauer von 4 — 5 Tagen verendeten die Thiere uner­wartet rasch.
6. Sektionserscheinungen.
Die Ergebnisse der Sektionserscheinungen vom 21. Jänner bei der Kuh Turner's sind in dem vom Bezirks-
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arzte Dr. Seeger, Thierarzt Sebastian Pulach er und dem Aktuar Grafen von Taxis unterzeichneten Protokoll wört­lich folgendermassen beschrieben:
„Aeusserliche Besichtigung. Die Kuh, graublau, trächtig, ist ziemlich wohlgenährt, von mittlerer Grosse. Die Haare sind stellenweise struppig; die Haut ist nirgends knisternd und ohne Ausschlag. Das Flotzmaul fand sich trocken und rissig. Die Nase ist inwendig feucht, mit schmutzig­gelbbraunem rotzartigem Schleim ausgekleidet. Der Hinter­leib ist massig aufgedunsen; am After und Wurf sind die Schleimhäute missfarbig, braun, violett, gewulstet, stellen­weise mit hämorrhagischen Erosionen und wie die Nasen­schleimhaut mit sulzigem, gelbbraunem Schleime versehen. Das Euter ist schlaff und bleigrau. Beim Abledern ergiesst sich aus den Venen am Kopf und Hals dunkelflüssiges, fast theerartiges Blut in massiger und an andern Körper­stellen in geringer Menge. Die Haut ist blutleer, blass, am Kopf und Hals missfarbig, bleigrau. Die Kehlgangs­drüsen sind massig angeschwollen, speckig und das um­gebende Zellengewebe sulzig infiltrirt; die Muskulatur am Hals und Kopf ist missfärbig, grauviolett, am übrigen Körper fahl und blutarm. In den Kniegelenken findet sich viel sulzige, gelbe Flüssigkeit.
„Die innere Besichtigung ergibt grösstentheils miss-färbige, braune, violette, am Gaumen und Zungengrunde mit graugrünem, an der Oberfläche körnigem (sandigem), rauhem, abstossbarem Exsudate bedeckte Maulschleimhaut. Unter den Exsudaten bietet diese ausgebreitete Erosionen dar. Die Schleimhaut ist stellenweise leicht abstossbar. Die Zunge findet sich welk, ihr Fleisch missfärbig, grau­gelb; die Kehlkopfschleimhaut und die der ganzen Luft­röhre durchaus gleichartig schmutzigbraun, violett, mürbe,
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abstreifbar, das unterliegende Gewebe viele hämorrhagische Erosionen darbietend. Die Lunge ist blass, bleifarben, an einzelnen Stellen eingeschrumpft, ihr Gewebe beim Durch­schneiden wenig knisternd, stellenweise leberartig verdichtet, an der frischen Schnittfläche durch Exsudation körnig, rauh, der grössern Ausdehnung nach aber normal, das ganze Gewebe ziemlich blutleer. In der Bronchialverzweigung, sowie in der Luftröhre hat sich eine schaumige, schmutzig-braunrothe Flüssigkeit angesammelt, die stellenweise auch rotzartige, gelbsulzige Gerinnsel enthält. In der Brusthöhle ist wenig gelbbraune, gallertige Flüssigkeit, in dem Herz­beutel nur wenige Tropfen desselben Fluidums. Das Herz zeigt sich normal, mit locker geronnenem schwarzem Blute angefüllt. Der Schlund, äusserlich schmutzigbraun, ist innen, wie die Luftröhre, braunroth, der ganzen Ausdehnung nach mit vielen, einzeln stehenden linsengrossen, blaurothen Flecken besetzt.
„In der Bauchhöhle findet man den Löser derb, blass-bleigrau, mit ganzen trockenen Futterblätlern, das Epithe­lium abgelöst und mit den Fulterscheiben zusammenhängend; das Lab aussen schmutziggrau, innen gleichartig schmutzig braunroth, leicht abstreifbar, mit wenigen grünlichbraunen Futterresten versehen, das submucöse Gewebe mit vielen missfärbigen Blutstriemen und Flecken besetzt; die Haube mit grünlichem breiigem Futter massig gefüllt, deren Schleim­haut missfärbig, grau, durchaus leicht abstreifbar, das unter­liegende Gewebe gleichfalls mit vielen Blutstriemen versehen. Der Wanst, von aussen blassgrau, ist mit vielem grünen Futter gefüllt; seine Schleimhaut erzeigt sich pelzartig, schwarzgrau, und biosgelegt finden sich unter ihr blutige Striemen und Flecken.
„Die Milz ist blassgelb, blutarm, an den mit den Därmen
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sich anheftenden Stellen gelbsulzig infiltrirt; der Blinddarm und aufliegende Grimmdarm sind unten blassviolett, der Länge nach dunkel, grauviolett gestriemt. Der Dickdarm zeigt sich im weitern Verlaufe normal, nur gegen den After hin wieder entzündet; hier ist nämlich die Schleimhaut schmutzig geröthet, gewulstet, stellenweise abstreifbar, und das unterliegende Gewebe blutig gefleckt und gestriemt; in der Darmröhre ist wenig schmutzig-gelbbraune trübe Flüssigkeit. Die dünnen Därme ergeben sich enge, stellen­weise von Gas massig ausgedehnt, äusserlich schmutzig­violett injizirl, im Innern mit einer trüben, dicken, schmutzig- . braunrolhen Flüssigkeit gefüllt; die Schleimhaut ist durchaus schmutzig-graurolh, mürbe, leicht abstreifbar, das submucöse Zellgewebe vielfach blutig gestriemt und stellenweise (die Peyer'schen Drüsen) derb, speckig infiltrirt.
„Die Leber ist etwas vergrössert, blass-braungelb, blut­arm; beim Durchschneiden derselben ergiesst sich grünlich­gelbe Galle in massiger Menge auf die Schnittfläche; ihr Gewebe zeigt sich mürbe. Die Gallenblase ist bis zur Grosse eines Rindskopfes ausgedehnt, mit viel grünlich-braungelber, sulzig-flüssiger Galle gefüllt.
„Die Milz findet sich schlaif, eingeschrumpft, an der Oberfläche mit vielen linsenförmigen, unregelmässig anein­ander angereihten (drusigen), graugelben Exsudaten besetzt, ihr Gewebe mürbe, schmierig, blutarm.
„Die Harnblase ist leer, ihre Schleimhaut theils schmutzig­grau, theils braunroth, locker, gewulstet, stellenweise ab­streifbar; darunter liegt blutgestriemtes Gewebe.
„Die Gebärmutter enthält einen 5 Monate alten Fötus und ziemlich viel gallig gefärbtes Fruchtwasser.
„Das Euter blutarm, missfarbig, graugelb, ergibt beim Durchschneiden wenig Blut und Milch, stellenweise etwasnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;^
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„Hie Nieren liegen ziemlich in Fett, sind blassbraun, blutarm.
„Das Fleisch des Vorderkörpers ist dunkelbraunrothj mürbe, leicht zerreisslich.quot;
Der Bezirksarzt Dr. Seeger erzählte mir: Bei der Sektion der Kuh Baffel's vom 14. März hätten sich im Ganzen dieselben Erscheinungen vorgefunden, nur schärfer ausgeprägt, hochgradiger. Im Lab und Dünndarm hätten sich zahlreiche Schorfe (TMaquen), Gerinnsel von plastischen Exsudaten und starke Schwellung der Peyer'schen Drüsen­haufen gefunden; wie mit kleinen Schrotkörnern durch­schossen hätte die Dünndarmschleimhaut über den Peyer'­schen Drüsen ausgesehen.
Landesthierarzt Kopatschek beschreibt die Ergebnisse der Sektion des einjährigen Kalbes von Singer unterm 21. März folgendermassen:
Die Bindehaut stark geröthet. leichte Erosionen an der Schleimhaut der Lippen. After hervorstehend, mit hoch-geröthetcr Schleimhaut. Fleisch gesund. Die Milchdrüsen mit kleinen Capillarblulungen. Die Lungen massig aufge­dunsen, beim Durchschnitt blutreich, wenig knisternd. Das Herz welk; beide Kammern mit Blutgerinnungen, ohne aus­geschiedenen Faserstoif. Das Endocardium blutig tingirt, Pansen, Haube und Löser breiiges Futter enthaltend, das Epithelium leicht abstossbar. Der Labmagen enthielt nur eine sehr geringe Menge flüssiger Futterstoffe. Die Schleim­haut des Pförtnertheils war gleichmässig höher geröthet, geschwellt, und beim Durchschnitt leicht infiltrirt. Denselben Befund ergaben auch die dünnen und dicken Gedärme, wo er abwechselnd an verschiedenen Stellen intensiver hervor­trat, insbesondere im Krummdarm, einem Theil des Grimm­darmes und am Ende des Mastdarmes. Die Oberfläche
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erschien theilweise mit einem dünnen Schleim bedeckt, hie und da bemerkte man kleine Capillarblutungen. Die Leber schien von aussen normal; auf die Schnittfläche ergoss sie dünnes, flüssiges Blut, das Gewebe etwas mürbe. Die Gallenblase von normaler Grosse, die Galle dunkel. Die Milz nicht vergrössert, „beim Durchschnitt die Milzpulpe leicht abstreifbar.quot; Die Nieren normal. Die Schleimhaut der Harnblase stellenweise geröthet, und an einer um­schriebenen'Stelle mit einem Schorfe versehen, der die Grosse eines Silbersechsers hatte und sich bis an die Muskelhaut erstreckte.
Im Stalle Turner's standen und fielen die Thiere in folgender Reihe:
Kalb. Kuh. Kub. Ochs. Ochs. 10nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 0
(litt an Kopfkrankheit)
Bei Raffel:
Kub. knli. Kind. Kalb. 4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1
4. Sicherheitsmassregeln.
Im Januar ging die Seuchenkommission des Bezirkes Imst (bestehend aus Bezirksarzt Dr. Seeger, dem nicht-patentirten Thierarzt Pulacher und dem Sekretär, Grafen von Taxis) von der Ansicht aus, sie habe es mit einer der Rinderpest sehr ähnlichen Krankheit zu thun, der sie nur desshalb, weil man keine Einschleppung nachweisen konnte, den weniger erschreckendem allgemeinern Namen „typhöses Fieberquot; gab. Sie ordnete an:
a} Strengste Stallsperre (zur grössern Sicherheit wurde der Krankenstall versiegelt).
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b)nbsp; Belehrung der Viehbesitzer über Pflege, Fütterung und Tränkung des Viehes.
c)nbsp; Verbot, fremde Personen in die Ställe zu lassen; desgleichen die Berührung der Viehwärter mit andern Personen.
d)nbsp; Absonderung der Thiere^
e)nbsp; Weil eine sichernde Verscharrung des Cadavers bei dem hart gefromen Boden nicht möglich schien, wurde Verbrennung desselben angeordnet, eine Viertelstunde ent­fernt vom Ort.
f)nbsp; Die Benutzung der Haut eines umgestandenen Thieres wurde nach 24stündiger Einweichung in Kalkwasser ge­stattet.
g)nbsp; Die Beinigung der Ställe und Geräthschaften und die Behandlung des Stalldüngers wurde nach den Vor­schriften der sect;sect; 30 und 31 der österreichischen Vorschriften über die Massregeln bei Thierseuchen vom Jahre 1859 angeordnet.
Diese Massregeln wurden zehn Tage später von der Landesstatthalterei in Innsbruck wieder aufgehoben.
„Bei der am 14. März erfolgten Sektion der Kuh des Matthias Baffel ergab sich, dass dieselbe ohne Zweifel nach allen Anzeichen an der Binderpest gefallen.quot; So sagt das von Kopatschek, Seeger und Pulacher unterschriebene Protokoll. Dem entsprechend wurden die in obgenannter Seuchenordnung zur Tilgung der Binder­pest vorgeschriebenen strengen Massregeln angeordnet. Der Ort Karrösten wurde gesperrt. Weder Menschen noch Thiere wurden aus dem Orte heraus- oder hineingelassen. An den Eingängen der Ortschaft wurden Warnungstafeln aufgestellt. Wachtposten aus den umliegenden Gemeinden hatten bei Tag und Nacht die Zugänge strengstens zu
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bewachen. Zur Verhütung von Schmuggel wurde der Vieh­stand protokollirt; das Bezirksamt Imst gab den Vorständen der benachbarten Bezirke offizielle Kenntniss vom Ausbruch der Rinderpest in Karrösten. Diese sperrten den Vieh­verkehr mit dem Bezirk Imst; unter Anderm wurde vom Be­zirksamt in Reute der einzige Weg, welcher in dieser Jahres­zeit die Kommunikation mit dem Bezirke Imst gestattet, die Strasse über den Fern, für Viehtransport gesperrt.
Der Landesthierarzt Kopatschek begutachtete unterm 24. März die Seuche folgendermassen:
„In Zeit von zwei Monaten sind in verschiedenen, von einander entfernten Stallungen, und zwar in der Zwischen­zeit von sechs quot;Wochen, 6 Stück Rindvieh gefallen; seit dem 14., also während 10 Tagen, kam kein Todesfall mehr vor, der mit demjenigen des am 14. März secirten Stückes ähnlich ist — denn jenes Kalb ist etwas Anderes — was bei der Rinderpest in der mit Häusern und Ställen anein-andergehäuften Gemeinde und steter Berührung der Ein­wohner unvermeidlich gewesen wäre, ferner — die nach der Aussage der Eigeuthümer vorhandenen krankhaften Erscheinungen während des Lebens, die Todesart, sowie der Umstand, dass von den zwei vorgenommenen Sektionen nur eine positiv für Rinderpest spricht, ergibt sich mit Rücksichtnahme auf Ort, Ställe, Futter, Jahreszeit und bis­herige Erfahrung, dass die in Karrösten gefallenen sechs Stücke nicht an der Rinderpest, sondern an dem soge­nannten typhösen Ruhrfieber gelitten haben dürften.quot;
Der Landesthierarzt beantragte:
a} Publikation dieses Sachverhaltes zur Beruhigung der Bevölkerung, gleichzeitig aber Aufrechthaltung der Sperre während 21 Tagen, vom 14. März an.
b) Beschränkung der absoluten Absperrung der Ge-
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meinde Karrösten auf den Viehtrieb (Pferde ausgenommen), den Verkehr mit thierischen Produkten und sogenannten giftfangenden Stoffen, wie Heu, Stroh etc. und die von den Seuchenhöfen kommenden Menschen, c} Desinfektion der Seuchenställe.
d)nbsp; Sichernde Einzäunung der Wasenplätze.
e)nbsp; Fortbestand der sanitätspolizeilichen Ueberwachung des Viehbestandes und sofortige Anzeige eines jeden Er­krankungsfalles.
0 Untersuchung des Viehstandes in den benachbarten Ortschaften Wenns und P o r z e 11 e n wegen Seuchen­verdacht.
Diese Untersuchungen ergaben nichts Verdächtiges.
Mit Publikation der k. k. Statthalterei fur Tyrol und Vorarlberg vom 31. März wurde bekannt gemacht, dass in Karrösten kein krankes Vieh mehr vorkomme, die Gemeinde aber bis zum 5. April noch besonders überwacht werde und die Viehverkehrsperre zwischen den benachbarten Bezirken wieder aufgehoben sei.
In einem Schreiben des Grafen von Taxis vom 5. April wird mir speziell angezeigt, dass an jenem Tage die Schluss­revision des Viehstandes in Karrösten alle Thiere gesund betroffen habe und desshalb die Viehsperre aufgehoben werde.
5. Resultat.
Es wäre vermessen, ohne eigene Beobachtung kranker Thiere oder Cadaver ein ganz definitives Urtheil über das Wesen der beschriebenen Seuche abgeben zu wollen; aber ich darf nicht verschweigen, dass die Erscheinungen im Leben wie im Tode, wie sie übereinstimmend aufgezählt .werden, sich nicht von denen der Rinderpest unterscheiden.
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Wenn heute oder morgen eine ähnliche Seuche bei uns aufträte, ich könnte sie nicht anders nennen als Rinder­pest. Uebrigens ist die Rinderpest nichts Anderes als ein ansteckendes „typhöses Ruhrlieberquot;.
Der einzige Umstand, welcher zur unzweifelhaften Con-statirung der Rinderpest im Tyrol fehlt, ist der Nachweis einer Einschleppung; aber die Wege des Contagiums sind oft verborgen. In den mir zur Einsicht vorgelegten amt­lichen Aktenstücken ist wiederholt bei dem Satze: „ in der Nähe Tyrols komme keine Rinderpest vorquot;, ein rothes Fragezeichen angestrichen. Ob damit auf die Rinderpest in Ungarn und Gallizien hingedeutet ist, oder verdächtige Verhältnisse näher liegen, ist mir nicht klar.
Ich gehe von der Ansicht aus, die Seuche in Karrösten sei Rinderpest, aber durch rechtzeitige Anwendung strenger Tilgungsmassregeln im Keime erstickt worden.
Fragen wir nun nach der Gefahr der Einschleppung in die Schweiz, so ist zu berücksichtigen, dass Viehhändler aus Bündten, Appenzell und St. Gallen in der Gegend von Imst und Karrösten Rindvieh zusammenkaufen und direkt über den Arlberg nach der Schweiz bringen. Ein ange­stecktes Thier könnte bis zum Ausbruche der Krankheit aus jener Gegend bis zu uns gelangen.
Sowie die Rinderpest im Oberinnthal herrscht und daselbst nicht die strengsten Sperrmass­regeln Anwendung finden, so besteht grosse Ge­fahr, dass dieselbe bei uns eingeschleppt werde.
Es ist aber nachgewissen, dass im Tyrol die zweck-mässigen österreichischen Vorschriften zur Tilgung dieser Seuche Anwendung finden, sowie dieselbe erkannt ist; dadurch wird die Gefahr wesentlich vermindert.
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Zur Zeit wurde die Seuche rasch getilgt; die Furcht vor derselben ist so gross, dass eine Verheimlichung nicht gedenkhar ist. Es darf daher auch mit allem Vertrauen von ausserordentlichen Schutzmass­regeln zur Zeit Umgang genommen werden.
Bei dieser Gelegenheit erlaube ich mir, in Ergänzung meines Berichtes über die Rinderpest-Invasion vom Jahre 1863 anzufügen, dass die daselbst am Schlüsse des II. Kapitels angedeutete Vermuthung einer Uebertragung der fraglichen Krankheit auf das Schaf sich seither bestätigt hat. Es wird daher in Zukunft nothwendig, alle durch die Rinderpest gebotenen Massregeln zur Beschränkung des Viehverkehres auch auf das Wollvieh auszudehnen.
Zum Schlüsse gestatten Sie mir die Bemerkung, dass im Tyrol gegenwärtig der gänzliche Mangel an gebildeten Thierärzten tief gefühlt wird; es darf daher auch bei dieser Gelegenheit an die Zweckmässigkeit der Hebung des thier-ärztlichen Unterrichts durch Gründung einer schweizerischen Thierarzneischule erinnert werden. Etwas früher oder später werden wir uns mit der Binderpest vertraut zu machen haben; aber sie wird bei weitem öicht der gefürchtete Würgengel sein wie zur Zeit, als sie der Thierarznei-wssenschaft das Leben gab, sondern sich mit geringen Opfern begnügen und auf wenige Lokale beschränkt blei­ben, wenn gut organisirte Polizeianstalten und gebildete Thierärzte Wache halten.
Mit Hochachtung zeichnet
ergebenst
Zürich, den 7. April 1865.
R. Zangger.
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Druck von J. HERZOG in Zürich.
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