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BIBLIOTHEEK UNIVERSITEIT UTRECHT
2856 700 0
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Praktisches Handbuch
Chirurgie
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Thierarzte.
Von
Dr. H. C. HERTWIG,
Professor an der KjjJlfgikllfn'TrhieftïineischiiIe zu Berlin.
raquo;,gt;*lt;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;:t -'T ^'^ ^ VV- ' ''. *•
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Berlin, 1830.
Verlag v o n August H i r s c h w a 1 d.
Unter den Linden, Ecke der Schadow-Slrasse.
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• #9632;
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Vorwort.
Ich habe an der hiesigen Königl. Thierarzneischule von dem Jahre 1823 bis zum Herbst 1842 und dann wieder vom Frühjahre 1846 bis jetzt die Veterinär-Chirurgie gelehrt und bin in dieser langen Zeit von meinen zahlreichen Schülern fortwährend aufgefordert worden, den Inhalt meiner Vorträge in einem Handbuche der thierärztlichen Chirurgie zu veröffentlichen. Dies hätte ich aller­dings, sowohl im Interesse meiner Schüler, wie auch aus anderen Gründen, längst thun müssen; aber die Unterlassung wird gewiss von Jedem entschuldigt werden, der meine vielen, bis zum vori­gen Herbst bestandenen anderweitigen dienstlichen Beschäftigungen kennt. Nun haben mich aber meine vorgesetzte Behörden seit dem Oktober v. J. von dem klinischen Unterricht in den Kran­kenställen der grosseren Hausthiere, den ich fast 25 Jahre geleitet und der stets den grössten Theil meiner Zeit in Anspruch nahm, auf mein Ersuchen entbunden und ich konnte daher die Heraus­gabe des vorliegenden Handbuchs besorgen.
Ueber dasselbe habe ich nur wenig zu sagen. Es soll für den Unterricht und für den praktischen Thierarzt brauchbar sein, und desshalb sind die wichtigeren Gegenstände, namentlich die verschiedenen Heilartcn, etwas ausführlicher angegeben worden, als es in einem blossen Lehrbuche erforderlich wäre; doch habe ich von den Operationen nur das Wesentliche, Praktische ange­führt, was zur Heilung der abgehandelten Krankheiten gehört, und verweise hinsichtlich des Uebrigen auf das „Handbuch der Akiurgie von Dieterichsquot;, oder auf das von Gurlt und von mir herausgegebene Werk: „Chirurgische Anatomie und Ope­rationslehre für Thierärzte. Berlin 1847. Fol. Mit 10 Kupfer­tafeln.quot; — Die wirklichen Vervollkommnungen der praktischen Chirurgie, auch von den ausländischen Thierärzlen, sind überall,
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lYnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Vorwort.
so weit sie mir bekannt geworden, benutzt, nebst Angabe der Personen oder der Schriften, von denen die Fortschritte aus­gegangen sind. Die Literatur habe icli überhaupt last nur da angegeben, wo es auf Begründung eines Ausspruchs, auf Berichtigung einer Maxime u. s. w. ankam; denn bei den­jenigen chirurgischen Grundsätzen und Verfahrungsaiten, welche bereits seit längerer Zeit als Gemeingut der Tbierheilkunde gelten, und eben so bei denen, welche nicht zweifelhaft sind, be­durfte es keines literarischen Nachweises.— Die von mir benutzte Eintheilung der chirurgischen Krankheiten Ist eine natürliche und leicht übersichtliche, in welche sich fast alle in das Gebiet der Chirurgie zu zahlenden Krankheiten ohne Zwang einreihen lassen. Doch gestehe ich gern, dass ich selbst noch ein besseres System wünsche, dasselbe aber noch nicht gefunden habe. Jedes noso-logiscbe System zeigt Mängel an einer oder der andern Stelle.
Ich könnte noch Einiges zum Vorlheile des Buches anführen; ich unterlasse dies aber, weil (wie das Sprichwort sagt:) Selbstlob stinkt, und weil ich hoffe, dass competente Sachverständige wohl das Gute wie das Mangelhafte meiner Arbeit finden werden.
Demnach möge das Buch der freundlichen Aufnahme des tbierärztlicben Publikums empfohlen sein.
Berlin, den 7. August 1850.
Hertwig,
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Inhalt.
Seite
Einleilung .....................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;J
Kurze Geschichte und Literatur der Veterinär-Cliirurgie...... 4
Erste Classe.
Erster Abschnitt.
Von den Entzündungen und deren Folgekrankheiten im Allgemeinen . .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; o Erstes Capitel, Begrilf von Entzündung, Symptome, Verlauf, Aus­gänge, Ursachen, Verschiedenliciten, Behandlung.....nbsp; nbsp; nbsp; 12
Zweites Capitel. Von der entzündlichen Ausschwitzung ....
und ihren nüclisten Folgen............nbsp; nbsp; nbsp; 44
Drittes Capitel. Von der Eiterung............nbsp; nbsp; nbsp; 50
Viertes Capitel. Vom Brande.............nbsp; nbsp; nbsp; hd
Anhan quot;. Verbrennungen, Actzungen, Erfrierungen, Rothlauf und Rheu-
matismus..................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;•*
Zweiter Abschnitt.
Von den wichtigsten äusserlichen Entzündungen und deren FolgekranU-
heiten im Speziellen................nbsp; nbsp; nbsp; 93
Erstes Capitel. Entzündungen der Ohren..........nbsp; nbsp; nbsp; 93
Zweites Capitel. Augenentzündungen (Ophthalmiae) und die Folge­krankheiten derselben..............nbsp; nbsp; nbsp; pG
Drittes Capitel. Entzündung der Ohrspeicheldrüse.......nbsp; nbsp; nbsp;134
Viertes Capitel. Entzündung der Lymphdrüsen im Kehlgange bei
Pferden, Eseln und Maulthieren...........nbsp; nbsp; nbsp;'3'
Fünftes Capitel. Entzündungen der Unlerzungen- und der Unter­kiefer-Speicheldrüsen ..............nbsp; nbsp; nbsp;138
Sechstes Capitel. Entzündung der Zunge.........nbsp; nbsp; nbsp;14p
Siebentes Capitel. Entzündung der Schilddrüse.......nbsp; nbsp; 14*
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VInbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Inhalt.
Seite
Achtes Capitel. Entzündung der Drosselvene........nbsp; nbsp; 145
Neuntes Capitel. Die Nabelentzündung..........nbsp; nbsp; 148
Zehntes Capitel. Die Itodenentziindung..........nbsp; nbsp; nbsp;150
Eilftes Capitel. Entzündung der Vorhaut..........nbsp; nbsp; 151
Zwölftes Capitel. Entzündung der Jlilchdrüsen und des Euters . .nbsp; nbsp; 157 Dreizehntes Capitel. Entzündung der Schamlefzen und der Mutter­scheide ...................nbsp; nbsp; nbsp;164
Vierzehntes Capitel. Entzündung der Lymphgefässe......nbsp; nbsp; 16fi
Fünfzehntes Capitel. Einschuss oder heisse Schenkelgeschwulst . .nbsp; nbsp; nbsp;168
Sechszehntes Capitel. Die Mauke...........nbsp; nbsp; nbsp;171
Siebzehntes Capitel. Entzündung der Beugeschnen......nbsp; nbsp; 178
Achtzehntes Capitel. Die Huf- und Klauenenlzündung ....nbsp; nbsp; 180 Neunzehntes Capitel. Entzündung der Knochen und der Beinhaut
und ihre Folgen................nbsp; nbsp; nbsp;19'^
Zweite Ciasse.
Erster Abschnitt.
Von den Quetschungen im Allgemeinen...........nbsp; nbsp; 223
Zweiter Abschnitt.
Von den Quetschungen im Besondern............nbsp; nbsp; 227
Erstes Capitel. Die Genickbeule, Maulwurfsgesclnvulst und Genickfistelnbsp; nbsp; 227 Zweites Capitel. Die Sattel-, Kunmit- und Geschirrdrücke am Wider-
rüst und am Rücken...............nbsp; nbsp; 231
Drittes Capitel. Die Bruslbeule.............nbsp; nbsp; 243
Viertes Capitel. Die Stollbeuleu und Stollschwämme......nbsp; nbsp; 247
Fünftes Capitel. Die Kniebeule und der Knieschwamm.....nbsp; nbsp; 255
Sechstes Capitel. Die Piephacken............nbsp; nbsp; 25C
Siebentes Capitel. Quetschungen der Küsse von dem Uebertreten
über die Ualfterkette.....•........nbsp; nbsp; 259
Achtes Capitel. Quetschungen der Füsse durch Streifen.....nbsp; nbsp; 261
Neuntes Capitel. Das Verhallen............nbsp; nbsp; 266
Zehntes Capitel. Die Steingallen............nbsp; nbsp; 2G8
Eilftes Capitel. Das Durchliegen oder Wundliegen......nbsp; nbsp; 272
Dritte Classe.
Erster Abschnitt.
Zerreissungen im Allgemeinen...............274
Zweiter Abschnitt.
Von den Zerreissungen im Besondern............
Erstes Capitel. Das Blutohr der Hunde..........282
Zweites Capitel. Zerreissung der schwammigen Körper im männlichen
Gliede...................283
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Inhalt.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; VU
Seile Drittes Capitel. Zorreissung der ßcugeschnen an den vorderen Glied-
inassen bei Pferden...............'^84
Viertes Capitel. Zerreissung der Zwillingsmuskel und der Achilles­sehne ...................28G
Fünftes Capitel. Zerreissung des Beugers des Schienbeins und des
dritten Wadenbeinmuskels ............288
Vierte Ciasse.
Erster Abschnitt.
Wunden im Allgemeinen ................nbsp; nbsp; 292
Erstes Capitel. Begriff, allgemeine Zufälle, Ursachen, Verschieden­heiten, Verlauf und Ausgänge, Beurlheilung, Behandlung . .nbsp; nbsp; 292 Zweites Capitel. Die Wunden nach ihrer ursächlichen Verschie­denheit ...................nbsp; nbsp; 329
Zweiter Abschnitt.
Von den Wunden im Speziellen..............nbsp; nbsp; 338
Erstes Capitel. Wunden am Schädel...........nbsp; nbsp; 338
Zweites Capitel. Verletzungen des äussern Ohrs.......nbsp; nbsp; 341
Drittes Capitel. Verletzungen der Augenlider . . •......nbsp; nbsp; 343
Viertes Capitel. Verwundungen des Blinzknorpels.......nbsp; nbsp; 345
Fünftes Capitel. Verwundungen des Auges und besonders der durch­sichtigen Hornhaut...............nbsp; nbsp; 347
Sechstes Capitel. Verwundungen der Nase.........nbsp; nbsp; 350
Siebentes Capitel. Verwundungen am Maule........nbsp; nbsp; 351
Achtes Capitel. Vciwnndungen der Ohrdiüse und ihres Speichel-ganges ...................nbsp; nbsp; 353
Neuntes Capitel. Verwundungen des Zahntleisches und der Laden .nbsp; nbsp; 359
Zehntes Capitel. Verwundungen der Zunge.........nbsp; nbsp; 3G0
Eilftes Capitel. Verwundungen des harten Gaumens......nbsp; nbsp; 363
Zwölftes Capitel. Verwundungen in der Rachenhöhle.....nbsp; nbsp; 365
Dreizehntes Capitel. Verwundungen der Luftröhre und des Kehl­kopfs von aussen her..............nbsp; nbsp; 370
Vierzehntes Capitel. Verwundungen der Drosselvene und der Dios-
selarterie..................nbsp; nbsp; 372
Fünfzehntes Capitel. Verwundungen des Schlundes......nbsp; nbsp; 376
Sechszehntes Capitel. Brustwunden...........nbsp; nbsp; 378
Siebzehntes Capitel. Verwundungen am Hinterleibe oder am Bauchenbsp; nbsp; 386
Achtzehntes Capitel. Verwundungen des Mastdarms .....nbsp; nbsp; 401
Neunzehntes Capitel. Verwundungen der Mutterscheide und der
Schamlefzen.................nbsp; nbsp; 403
Zwanzigstes Capitel. Verletzungen der männlichen Ruthc . . .nbsp; nbsp; 405 Ein und zwanzigstes Capitel. Verwundungen des llodcnsacks und
der Hoden..................nbsp; nbsp; 407
Zwei und zwanzigstes Capitel. Verwundungen des Euters und der
Zitzen...................nbsp; nbsp; 412
Drei und zwanzigstes Capitel. Verwundungen der Schweifrübe .nbsp; nbsp; 414
Vier und zwanzigstes Capitel. Verwundungen an den Gliedmassennbsp; nbsp; 418
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VIllnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Inhalt.
Sehe
Fünfte Ciasse.
Erster Abschnitt.
Knochenbrüche im Allgemeinen..............nbsp; nbsp; 441
Zweiter Abschnitt.
Knochenbrüche im Speziellen...............nbsp; nbsp; 457
Erstes Capitel. Brüche des Hirnschädels..........nbsp; nbsp; 457
Zweites Capitel. Brüche und Eindrücke des Stirnbeins und seiner
Fortsätze..................nbsp; nbsp; 460
Drittes Capitel. Brüche des Jochbeins und des Jochbogens ....nbsp; nbsp; 462
Viertes Capitel. Brüche der Nasenbeine..........nbsp; nbsp; 463
Fünftes Capitel. Brüche der kleinen Vorderkieferbeine.....nbsp; nbsp; 465
Sechstes Capitel. Brüche des Unter- oder Hinterkiefers ....nbsp; nbsp; 466
Siebentes Capitel. Brüche des Zungenbeins........nbsp; nbsp; 46!)
Achtes Capitel. Brüche der Hals-, Kücken- und Lendenwirbel . .nbsp; nbsp; 470
Neuntes Capitel. Brüche der Rippen...........nbsp; nbsp; 472
Zehntes Capitel. Brüche der Beckenknochen........nbsp; nbsp; 474
Eilftes Capitel. Brüche der Schwanzwirbel.........nbsp; nbsp; 476
Zwölftes Capitel. Brüche des Schulterblattes . . ,.....nbsp; nbsp; 477
Dreizehntes Capitel. Brüche des Arm- oder Querbeins ....nbsp; nbsp; 478
Vierzehntes Capitel. Brüche der Knochen des Vorarms ....nbsp; nbsp; 480
Fünfzehntes Capitel. Brüche der Knochen des Vorderknies . . .nbsp; nbsp; 482
Sechszehntes Capitel. Brüche des Schienbeins und der Griflelbeinenbsp; nbsp; 483
Siebzehntes Capitel. Brüche des Fesselbeins........nbsp; nbsp; 484
Achtzehntes Capitel. Brüche des Kronenbeins........nbsp; nbsp; 486
Neunzehntes Capitel. Brüche des Huf- und Strahlbeins bei Pferden
und Rindern und des Zehengliedes bei Hunden.....nbsp; nbsp; 488
Zwanzigstes Capitel. Brüche des Backenbeins.......nbsp; nbsp; 491
Ein und zwanzigstes Capitel. Brüche der Kniescheibe ....nbsp; nbsp; 493 Zwei und zwanzigstes Capitel. Brüche des ünterschenkelbeins .nbsp; nbsp; 494 Drei und zwanzigstes Capitel. Brüche der Knochen des Sprung­gelenks ...................nbsp; nbsp; 495
Anhang, llornspalten und Uornklüfte............nbsp; nbsp; 496
Sechste Ciasse.
Erster Abschnitt.
Verrenkungen im Allgemeinen...............nbsp; nbsp; 506
Zweiter Abschnitt.
Verrenkungen im Speziellen...............nbsp; nbsp; 513
Erstes Capitel. Verrenkungen des Hinterkiefers........nbsp; nbsp; 513
Zweites Capitel. Verrenkungen der Wirbel.........nbsp; nbsp; 515
Drittes Capitel. Verrenkungen oder Verschiebungen d. Beckenknochennbsp; nbsp; 519
Viertes Capitel. Verrenkungen des Schulter- und Armbeingelenks .nbsp; nbsp; 520
Fünftes Capitel. Verrenkungen des Vorarms mit dem Annbeine . .nbsp; nbsp; 526
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Inhalt.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;IX
Seite
Sechstes Capitel. Verrenkungen des Vonlerknics oder der vordem
Fusswurzel..................nbsp; nbsp; quot;to
Siebentes Capitel. Verrenkungen Im Kessel- oder Köthengelcnk .nbsp; nbsp; 529
Achtes C ap i te 1. Verrenkungen des Oberschenkel - oder Backenbeinsnbsp; nbsp; nbsp;533
Neuntes Capitel. Verrenkungen der Kniescheibe.......nbsp; nbsp; 537
Siebente (Masse. E r s t e r Abschnitt.
Vorfalle im Allgemeinen.................nbsp; nbsp; 541
Z w e i 1 e r A b s c h n i l t.
Vorfalle im Speziellen .................nbsp; nbsp; 513
Erstes Capitel. Vorfall des Augapfels...........nbsp; nbsp; 543
Zweites Capitel. Vorfall der Zunge...........nbsp; nbsp; 547
Drittes Capitel. Vorfall des Mastdarms ..........nbsp; nbsp; 551
Viertes Capitel. Vorfall der Mntterscheidc.........nbsp; nbsp; 557
Fünftes Capitel. Vorfall der Gebärmutter.........nbsp; nbsp; 560
Sechstes Capitel. Vorfall der Harnblase..........nbsp; nbsp; 565
Achte Classe.
Erster Abschnitt.
Brüche, (Hcrniae) im Allgemeinen.............nbsp; nbsp; 567
Zweiter Abschnitt.
Brüche im Speziellen..................nbsp; nbsp; 5^9
Erstes Capitel. Vom Nabelbrüche............nbsp; nbsp; 579
Zweites Capitel. Vom Leistenbruch...........nbsp; nbsp; 584
Drittes Capitel. Vom Schenkelbruch...........nbsp; nbsp; 593
Viertes Capitel. Von dem Bauch- oder Flankenbrucho.....nbsp; nbsp; 594
Fünftes Capitel. Von dem Innern Bauch- oder Bauchfellsbruch . .nbsp; nbsp; 597
Neunte Classe.
Erster Abschnitt.
Krankhafte AHsdclinungcn und Erweiterungen im Allgemeinen .... 602
Zweiter A b s c li u i 11.
Ausdehnungen und Erweiterungen im Speziellen........603
Erstes Capitel. Ausdehnungen der Muskeln und Sehnen .... 603
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Inhalt.
Seite Zweites Capitel. Ausdehnungen der Sehnenscheiden, der Scbleim-
beutel und der Gelenkkapseln oder von den Gallen ....nbsp; nbsp; nbsp;60R
Drilles Capilel. Ausdehnungen der Biutgefässc........nbsp; nbsp; 613
Viertes Capital. Erweiterung des Kanals der Speicheldrüse . . . .nbsp; nbsp; fil6
Fünftes Capitel. Erweiterung des Schlundes........nbsp; nbsp; nbsp;617
Sechstes Capitel. Erweiterung des Mastdarms........nbsp; nbsp; nbsp;619
Zehnte Classe.
Erster Abschnitt. Krankhafte Verengerungen und Verkürzungen im Allgemeinen
Zweiter Abschnitt.
Verengerungen und Verkürzungen im Speziellen . . . Erstes Capitel. Verengerung des äusseru Gehörgangs Zweites Capitel. Verengerung der Luftröhre Drittes Capitel. Verengerung des Schlundes . . Viertes Capitel Verengerung der Harnröhre Fünftes Capilel. Verengerung der Vorhaut . . Sechstes Capitel. Verkürzung der Muskeln und Sehnen
621
6i3 623 624 625 626 627 630
Eilftc Classe.
Erster Abschnitt.
Verwachsungen und Verschliessungen im Allgemeinen.......nbsp; nbsp; 63!*
Zweiter Abschnitt.
Verwachsungen im Speziellen...............nbsp; nbsp; 640
Erstes Capitel. Verwachsungen des äussern Gehörgangs ....nbsp; nbsp; 640 Zweites Capitel. Verwachsung der Augenlider mit einander und mit
dem Augapfel.................nbsp; nbsp; 641
Drittes Capitel. Verwachsung der Pupille.........nbsp; nbsp; 643
Viertes Capilel. Verwachsung des Afters.........nbsp; nbsp; 644
Fünftes Capitel. Verwachsung der Multerscheide.......nbsp; nbsp; 645
Sechstes Capitel. Verschliessung der Sclienkclarteiien.....nbsp; nbsp; 646
Siebentes Capitel. Verwachsung der Gelenke........nbsp; nbsp; 648
Zwölfte Classe.
E r s t er Abschnitt. Fremde Körper und Zuriicklialtung von Säften im Allgemeinen .
650
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Inhalt.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; XI
Seite Zweiter Abschnitt.
Von diesen Zustanden im Speziellen.............nbsp; nbsp; 652
Erstes Capilcl. Dasselbenlen oder Engerlinge unter der Haut . .nbsp; nbsp; 652 Zweites Capital. Bremscnlarven in den Stirnhöhlen der Schafe und
Ziegen...................nbsp; nbsp; 654
Drittes Capitel. Anhäufung von Schleim in den Luftsäcken der Pferdenbsp; nbsp; 655
Viertes Capitel. Fremde Kiirper in der Maul- und Rachenhöhle .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;663
Fünftes Capitel. Fremde Körper im Schlünde........nbsp; nbsp; 664
Sechstes Capitel. Die Wassergeschwulst..........nbsp; nbsp; 674
Siebentes Capitel. Die Wassersucht des Augapfels......nbsp; nbsp; 677
Achtes Capitel. Der Wasserbruch............nbsp; nbsp; 678
Neuntes Capitel. Die Urinverhaltung...........nbsp; nbsp; 680
Dreizehnte Classe.
KranUbafte Zustände von abnormer, quantitativer Bildung (Dismorphen) .nbsp; nbsp; 690
Erstelaquo; Capitel. Ucbermässigc Ernährung (Hypertrophia).....nbsp; nbsp; 690
Zweites Capitel. Das Schwinden (Atrophia)........nbsp; nbsp; 693
Pritfes Capitel, Missbildungen in der Form, in Ueberzahl oder in
Mangel einzelner Theilc.............nbsp; nbsp; 695
Vierzehnte Classe.
Erster Abschnitt.
Qualitative abnorme Bildungen im Allgemeinen.........nbsp; nbsp; 699
Zweiter Abschnitt.
Qualitative abnorme Bildungen im Speziellen..........nbsp; nbsp; 701
Erstes Capitel. Die Fettgcschwnlst............nbsp; nbsp; 701
Zweites Capitel. Die Fasergeschwulst...........nbsp; nbsp; 702
Drittes Capitel. Die Fleisehgesrhwulst...........nbsp; nbsp; 703
Viertes Capitel. Die Knorpelgeschwolst..........nbsp; nbsp; 704
Fünftes Capitel. Die Haut- und Haargcschwiilstc an den Augen .nbsp; nbsp; 706
Sechstes Capitel. Die Melanosen oder die schwarzen Knoten . . .nbsp; nbsp; 707
Siebentes Capitel. Die Balggeschwülste..........nbsp; nbsp; 709
Achtes Capilcl. Die Polypen..............nbsp; nbsp; 713
Neuntes Capitel. Der Krebs..............nbsp; nbsp; 721
Dritter A b s c li n i 11.
Die Degenerationen ..................nbsp; nbsp; 727
Erstes Capitel. Die Warzen..............nbsp; nbsp; 727
Zweites Capitel. Der Kropf..............nbsp; nbsp; 729
Drilles Capitel. Der Fleiscbbruch............nbsp; nbsp; 731
Viertes Capitel. Der Knolihnf, Rhehehnf oder Vollhuf .j. . . .nbsp; nbsp; 732
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XUnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Inhalt.
Seite Vierter Abschnitt.
Die Steine oder Concremcnle...............nbsp; nbsp; 734
Erstes Capitol. Die Speichelsleine............nbsp; nbsp; 735
Zweites Capitel. Die Harnblasenstcinc..........nbsp; nbsp; 736
Drittes Capitel. Die Harnröhrensleinc...........nbsp; nbsp; 743
Viertes Capitel. Die Vorhautsteine............nbsp; nbsp; 748
Fünfzehnie ('lasse.
Erster Abschnitt.
Die Geschwüre im Allgemeinen..............nbsp; nbsp; 750
Zweiter A b s oll n i 11.
Geschwüre im Speziellen ........•.......nbsp; nbsp; 7()2
Erstes Capitel. Die Ohrfistel..............nbsp; nbsp; 763
Zweites Capitel. Die Thranenfistel............nbsp; nbsp; 764
Drittes Capitel. Die Zahnfistel.............nbsp; nbsp; 76fi
Viertes Capitel Die After-, Mastdarm- und Beckenfistel ....nbsp; nbsp; 772
Fünftes Capitel. Das Krebsgeschwiir am männlichen Gliedc . . .nbsp; nbsp; 774
Sechstes Capitel. Die Ilufknorpelfislcl...........nbsp; nbsp; 777
Siebentes Capitel. Die Strahlfäule und der Strahlkrebs.....nbsp; nbsp; 785
Achtes Capitel. Das bösartige Klauengeschwür der Schafe ....nbsp; nbsp; 791
A n h a n g.
Das Aderlässen, Fontanellsetzen und Haarseilzichen........nbsp; nbsp; 794
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Einleitung.
In der Menschenheilkunde ist es seit alten Zeilen gebräuchlich, die ge-sanimte Krankheits- und Hcilungslehrc in zwei Hauptabtheilungen zu scheiden; nämlich: A, in die Pathologie und Therapie, und ß. in die Chirurgie 1). Die erstere beschäftiget sich mit den sogenannten innerlichen Krankheiten und ihrer ärztlichen Behandlung, die andere mit den sogenannten äusserlichen, örtlichen oder chirurgischen Krankheiten und deren Kur,
Diese Trennung ist (aus nahe liegenden Gründen) nicht in die praktische Thierheilkunde. wie dies iu der Menschenheilkunde gesche­hen, übergegangen, und sie ist auch theoretisch nicht gründlich durch­zuführen. Denn einestheils ist es oft schwer, bei den einzelnen Krank­heiten selbst dem Orte nach zu beslimmen, oh sie zu den innerlichen oder zu den äusserlichen gehören, z. B. bei den Enlzündungen und Verletzungen im Maule, ia der Nasenhöhle u. s. w.; und anderenlheils steht die Annahme rein äusserlicher oder örtlicher Kvankheilen im Wi­derspruch mit der physiologischen Ansicht von der Einheit des Orga­nismus lebender Thicrc, — nach welcher jede krankhafte Veränderung eines Theils auch Folgen und Veränderungen in andern Theilen und somit eine Störung in dem ganzen Organismus herbeiführt'.
Es giebt demnach auch nur eine ungetheille, gesammte Thierheil-kunst, und der vollständig ausgebildete Thierarzt muss deshalb, aussei' den Vorbereitungs- und Hilfswissenschaften, mit dem ganzen Umfange der Krankheitslehre und ebenso mit der Kennlniss und geschickten Anwendung aller Hilfsmittel zur Heilung der sämmtlichen krankhaften Zustände vertraut sein.
Dennoch aber erscheint theoretisch und für das Studium der Thier-heilkunst eine bedingte (relative) Trennung derselben in die genannten zwei Abtheilungen zweckinässig zu sein, weil dadurch der zu grosse
') Von xtïg Hand und fQyov Werk, Geschäft, also gleich einem Geschäft oder einer Verrichtung mit den Händen, hier in Beziehung auf das Heilge-raquo;chüft.
1
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2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Einleitung.
Umfang tier gcsammlcn Krankhcits- und Heilungslelne in zwei besser übersichllielie Gebiete gebracht wird, indem jedes derselben mehrere Gruppen von solchen abnormen Zuständen unifasst, welche entweder in ihren ursächlichen und pathologischen Yerhällnissen oder in der thierärzllichcn Behandlung eine Ucbcreinstinimung zeigen.
Dcmgemäss stellt man in das Gebiet der thierärztlichen oder Veterinär-Chirurgie alle diejenigen Krankheiten und abnorme Zustände, welche vorzugsweise in einer Verän­derung der organischen Struktur (der Form, Grössc, Lage, Co-häsion und Zahl der Gebilde) oder in dem Vorhandensein frem­der Körper beruhen und zu deren Untersuchung und ärzt­lichen Behandlung besonders die geschickte Anwendung der Hände und äusserlich er oder örtlicher Heilmittel er­forderlich ist.
Hierzu rechnet man: I. Die Entzündiingen und ihre UebergSnge (Ausschwilznugen, Verhärtungen, Eiterung, Brand.)
II. Quelschungen.
HI. Zerreissungen unter der Haut.
IV. Wunden. V. Knochenbriiclie.
VI. Verrenkungen.
VII. Vorfälle und Umstülnungeu. VIII. Brüche.
#9632;
.
.
IX. Krankhafte Ausdehnungen und Erweiterungen. X. Krankhafte Verengerungen und Verkürzungen.
XI. Vcrvvaehsungen.
XH. Fremde Körper, Zurückhaltung und Anhäufung von Säften.
XIII.nbsp; nbsp; Abnorme quantitative Biidungsthäligkeit: Ä. im Uchermaass der Ernährung, B. in mangelhafter Ernährung, und C. in flliss-bildungen.
XIV.nbsp; nbsp; Qualitative abnorme Bildungen: .4. Aflerbildungcn, Ä.Aftcrpro-duetionen, C. Degenerationen.
XV. Geschwüre.
Diese verschiedenen Zustände bilden eben so viele Classen von chirurgischen Krankheiten, welche im Folgenden näher betrachtet wer­den sollen.
Die Veterinär-Chirurgie ist also derjenige Thcil der Thierarz-neikunst, welcher sich mit der theoretischen und praktischen Kcnntniss der bezeichneten Krankheiten und Abnormilälen unserer Hauslhiere und ebenso mit der Kcnntniss und geschickten Anwendung der Mittel zur Beseitigung oder Heilung dieser Zustände befasst.
Dieselbe ist wieder in Uuter-Abtheilungen geschieden worden, und zwar:
A. nach den Haupt-Verschiedenheiten der chirurgischen Hilfslei­stungen
1)nbsp; nbsp;in die Manual-Chirurgie, oder die Lehre von den Hilfsleistun­gen durch geschickten Gebrauch der Hände;
2)nbsp; nbsp;in die Instrumental-Chirurgie, — die Lehre von der Be-sCbaflenheit und dein geschickten Gebrauch der Instrumente zu
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Einleitung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3
chirurgisclicn Operalionen (Akologic1) uud Akiurgie1), der Schie­nen und Bandagen (Desmologie 3), — und 3) in die mcdiziuisclic (therapeutische) Chirurgie, — die Lehre von der richtigen Anwendung der pharmacentisclicn, physikalischen und diätetischen lleilmillcl bei den chirurgischen Krankheiten. ß. Nach doctriuären Grundsätzen
1)nbsp; nbsp;in die allgemeine oder generelle Chirurgie,
2)nbsp; nbsp;in die besondere oder spezielle Chirurgie, und
3)nbsp; nbsp;in die operative Chirurgie oder die Opcralionslehre.
Die allgemeine Chirurgie enthält eine Zusamnu-nstellung der all­gemeinen Grundsätze, welche sich aus der Wissenschaft und Erfahrung über ganze Gruppen oder Classen und Ordnungen der chirurgischen Krankheiten hinsichtlich der wesentlichen Krankheitszustände, der ge-ineinsehafllichen Symptome, des Verlaufs, des Ausganges, der Ursachen und des Heilverfahrens im Allgemeinen entnehmen lassen. Sie ist ein Product des menschlichen Geistes, führt fast allein zur wissenschaftli­chen Uebersicht über das ganze Gebiet der Chirurgie, und bildet die eigentliche theoretische Grundlage derselben.
Die spezielle Chirurgie beschäfliget sich mit der Darstellung der einzelnen cliirurgischen Krankheiten, wie dieselben an den verschiedenen Thieren wirklich vorkonjmen. Sie beschreibt diese Krankheiteft nach deren speziellen Symptumen, nach den besonderen Ursachen und nach dein, durch die Eigciitlunnllchkcilcn der leidenden Organe bedingten Verlaufe und Ausgange derselben; und ebenso lehrt sie die, gegen diese spezielle Krankheilca durch die Erfahrung bewährten Heilmethoden und Mitlei kennen. Sie ist daher die Grundlage der praktischen Chirurgie.
Die operative Chirurgie lehrt die kunslmässige Anwendung der chirurgischen Instrumente zur Beseitigung krankhafter Zustände oder zur Vermehrung der Brauchbarkeit und des Werlhes der Hausthicre. Jede solche kunslmässige Anwendung der Inslriimenle nach bestimmten Kegeln heisst eine chirurgische Operation, und daher die Summe dieser Regeln die Operationslehre. Man unterscheidet unblutige und blutige Operationen und liennt die Lehre von den letzteren die Aki-rurgie. — Die Operationslehre steht mit der speziellen Chirurgie im innigen Zusammenhange, indem sie einerseits nur die Kenntniss einer Art der chirurgischen Heilmittel begreift, andererseits aber die durch die Operationen entstaiidcncn Verletzungen des Thicrkörpers ebenso die Kenntniss der chirurgischen Pathologie wie Kenntniss und Benutzung der therapeutischen Chirurgie voraussetzen.
') Aus axo$, Heilmittel, Hilfsmittel und Xoyoc, Lehre.
2)nbsp; Von axr} die Spitze und eQyov, das Werk.
3)nbsp; Von t?föJuoc, Band und lóyog, Lehre.
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Kurze Geschichte und Literatur Jer Veterinär-Chirurgie.
Bis zur Errichtung der ersten Tbierarzneisohulen be­stand die Thicrlieilkunst nur in einem groben Empirismus, von wel­chem die Thierärzle sich um so weniger befreien konnten, da sie selbst nur wenig Bildung besassen, und ihnen bis auf Ruiuifast alle anatomi-sclie Kcimlniss fehlle. Die in den Schriften der älteren Zeit über die chirurgischen Krankheilen enthaltenen Belehrungen stehen neben den Übrigen so vereinzelt da und sind so unvollständig, dass sie für die heutige Chirurgie grösstenlheils wenig Werlh haben. So z, B. spricht der älteste griechische Schriftsteller über Hippiatrik, Eumelus von Theben1), nur oberflächlich von der Ohrdrüsenentziindung und von andern Drüsengeschwülsten am Halse der Pferde. Apsyrtus2) macht dagegen über das Aderlassen, besonders an den Schenkeln der Pferde, (in Folge dessen er stets Lahmheit entstehen sah), über Augenentzün­dungen, den Staar, die Castration, und über den Vorfall der Gebär­mutter ziemlich richtige Angaben, obgleich die Beschreibungen überall sehr kurz sind. So auch die übrigen Hippiater. Unter den römischen Schrifliftelleru über Landwirlhschaft findet sich bei J. M. Columella3) nur eine kurze Andeutung über das Oeffnen der Abscesse mit dem glühenden Eisen, über den Biss giftiger Thiere, über die Räude und den Ohrwurm der Hunde. Weit vollständiger im chirurgischen Wissen zeigt sich um die Mitte des 5. Jahrhunderts Vegetius Rena­tasraquo;), der in seinem I. Buch Cap. 21—2G, 28, 36, 46 u. 63 über das Aderlässen und das Cauterium, über Steine im Blasenhalse des mänulichcu Rindviehes, über Wundlieber und Druckschäden auf dem Genick und Halse. — im II. Buch Cap. 13j de Chinirgia: von Kopf­verletzungen, und in den folgenden von Yerlctzungen an den Ohren, von mehreren Augenkrankheiten, von der Verwundung der Zunge, von Zahnfisleln u. dgl. redet. Er hat offenbar aus den griechischen Hip-piatrikern viel entlehnt, aber auch Eigenes hinzugefügt.
Vom 5tcn bis zum 13ten Jahrhundert ist über die Thierheilkunde nichts bekannt. Aus dem letzteren haben wir ein Werk von Jorda-nus Ruffus 5) über die Natur, Pflege, Abrichtung und die Krankhei­ten des Pferdes. In demselben findet sich zwar Mehreres, was die Hippiater über äusserlichc Krankheiten gesagt, erkeunbar wieder, jedoch •lurch eigene Erfahrungen sehr vermehrt; so a. B. über die Bruslbeule und deren Ausschälung, und bei dieser Gelegenheit über Unterbindung
') In der Sammlung griechischer Hippiater: Twv iTtniurqixwv ßißXCa övugt;. Vclerinaria Libri duo, a Joanne Ruellio etc. primum in lucem editi. Basilae 1530.
2) Ebendaselbst.
') De re rnstica. Edit, Gesner. Llps. 1773.
*) Vcgetii Rcnati artis vetcrinariaeiLibri quatuor curalilc J. 51. Ges­ner. Alimlinimi 1781.
5) Jordan! Ruffi Calabriensi Hippiatria mme primum edenle Hiero-nyino Molin. Patavii 1818. — Ruffus hatte wahrscheinlich dieFunclion eines Oberjlallineislcrs des gelehrten Kaisers Friedrich II,
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Geschichte vind Literatur.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 5
der Blutgefasse (lange vor Pare), über Spalt, Hasenhaeke, Uebeiteinc, Gallen, überhaupt die Fehler der Füsse, und über den Hufbeschlag. Ob­gleich Letzterer schon früher gebräuchlich war, so spricht doch R uff us unter allen Schriftstellern zuerst von ihm auf eine bestimmte Weise.
Nach Jordan R uff us blieb die Thierheilkunde auf der nämlichen Stufe stehen, bis Carlo Ruini •) am Ende des löten Jahrhunderts durch seine mit Abbildungen versehene Anatomie des Pferdes, und durch die in 205 Capiteln reichlich gegebene Beschreibung der Com-plexionen (Temperamente) dieses Thieres und seiner Krankheiten auch zur Förderung der Chirurgie Einiges beitrug. Denn obgleich seine An­sichten über die innerlichen Krankheiten und deren Kur grösstentheils auf die altern hyppialrischen und auf die damaligen medizinischen Schriften, namentlich Galens, gegründet waren, so ist doch die Be­schreibung der äusserlichen Gebrechen, ihrer Ursachen, ihres Verlaufs und ihrer Behandlung in vielen Punkten besser als bei seinen Vorgän­gern. Er schreibt an vielen Stellen weniger Complicirte Heilmittel vor, als die griechischen und römischen Thierärzte, und bei der Wahl und Anwendung der Mittel beachtet er die Verschiedenheiten des Stadiums und der übrigen Verhältnisse der Krankheiten. Von Operationen spricht er jedoch nur sehr wenig, und scheint ausser dem Staarstich, dem Ader­lassen, dem Skarifiziren, der Application des glühenden Eisens und den kleinen Operationen am Hufe keine andern gekannt zu haben.
Erst nach einem halben Jahrhundert trat wieder ein Schriftsteller von einiger Bedeutung für die Chirurgie auf. Es war dies der Stall­meister De Sollcysel, der in seinem Werke über die Pfcrdekennt-niss, die Pilege und die Krankheiten der Pferde 'i) neben andern auch eine grosse Anzahl der äusserlichen Krankheiten abhandelt, und dabei in den meisten Gegenständen weit mehr praktische Kenntnisse zeigt, als seine Vorgänger. Allein er scheint sehr wenig von der Anatomie verstanden zu haben, und hat eine Menge Vorurtheüe, die zu seiner Zeit bei dem gemeinen Volke auch hinsichtlich der Behandlung kran­ker Thiere herrschten, ohne Kritik mit aufgenommen; und dabei auch die Chirurgie mit einigen unsinnigen Vorschriften bereichert; so z. B. über das Fcivelbrechen bei der Öhrdriisenenlzündung, das Gauraenbren-nen bei dem sogenannten Frosch, das Abschneiden der sogenannten Galle unter der Zunge, das Ritzen des Gaumens bei Appetitlosigkeit, die Unterbindung der Schläfenarlerie und die Durchschncidung der An­gesichtsnerven bei Augenentzündungen, das Ausschnridcn des Blinzknor­pels im abnehmenden Mond gegen sogenannte Fettaugen, das sogenannte Schwimmen der buglahrnen Pferde auf dein trockenen Lande u. dgl.
') Analomia del Cavallo, infermila, et suoi remedii. Del Sig. Carlo Ruini, Senat. Bologncsc. Bologna 1598; Vent. 1599 und 1618; deutsch von D. Pet. Uffenbach, Frankf. a. M. 1603, unter d. Titel: Anatomia et Medicina cquo-rum nova; d. i. Neu Rossbuch, oder, von der Pferde-Anatomy, Natu, Cur u. s. w.
') Le veritable parfait Maréchal. Paris 1654 und noch mehrere Auflagen daselbst und zu Genf. Von der letzteren sind seit 1677 einige mit deutscher Uebersetzung unter dem Titel: „Der wahrhaftig vollkommene Stall­meisterquot; ii. s. w. erschienen.
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6nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Geschiebte und Literatur.
Ausscrdcm sind seine Mittel häutig selir complizirl oder auf eine unpas­sende Weise zusanitnengcsclzt.
Von ganz ähnlichem Werth sind auch die später von mehreren anderen Stallmeistern herausgegebenen Schriffcu, unter denen die von de laGuériniere l), de Saunier2) und Garsault 3) deu meistcu Ruf erlangt haben.
Dagegen crliielt die Chirurgie gegen die Mitte des vorigen Jahr­hunderts einige kleine Beiträge in den Schriften der Rossärzle Robert­son, Lafosse (Vater) und Bartlet. — Der Erslere handelt im zwei­ten Theile seiner Pfevdearzneikunst *) seehszchn äusseiliche Pfer-dekraukheiten ab, und giebt Anweisung zur Applikation der Fontanelle und der Haarscilc. Die Beschreibung jener Krankheiten ist zwar meh-rcnlheils unvollständig, aber doch nach gnlcn BeobachtnugcD und häuilg mit ganz richtiger Beurlhcilung des palhologischen Zustandcs. Seine Heilmittel sind /.um Thcil zweckmässig, hin und wieder aber noch sehr complizirt. — Lafosse gab in seinen Observations et Decouvcrles fai-tes sur les Chevaux, Paris 17545) eine zwar nur kurze aber doch andere Anatomie des Pfcrdcfusscs als sie bis dahin besland, dann neun­zehn Beobachtungen über Brüche des Kronen-, Huf- und Slrahlbeius, über Wunden an den Füsseu der Pferde und über den Bovist als Blut­stillungsmittel; und in Bartlcts Pharmacopoea hippiatrica, or the Gent­leman Farriers Reposilory etc., Lond. 17656), ist eine für jene Zeit recht gute Sammlung von thicrärzllichen Heilmitteln, die sich grössten-theils durch ihre mehr als bis dahin gebräuchlich gewesene einfachere Zusammensetzung auszeichnen. Sie sind von richtigen Bemerkungen über nichrcre Krankheiteu, auch über Wunden, Blutungen u. s. w. begleitet.
Um diese Zeit trat auch J. B. v. Sind mit mehreren Schriflen'') über Pferdearzneikunde auf, in denen man wohl die Beuutzung früherer Autoren, jedoch auch deutlich eigene richtige Erfahrungen erkennt.
#9632;
') Eccole de cavalerie, contenant 1'osteologie, les traite des maladies, celui des operations chirurgicales, qui se pratiquent sur les chevaux. Paris, 1730. (Mehrere Ausgaben mit zum Theil verändertem Titel).
a) La parfaite connoissance des chevaux, leur anatomie, leurs bonnes et mauvalses qualilés leurs maladies et les remedes etc. A la Hayc, 1734. (Meh­rere Aull.) Deutsch unter dem Titel: Vollständige Erkenntniss von Pferden, deren Zergliederung, guten und bösen Eigenschaften, Krankheiten u s. w. Aus dem Franz. v. Chr. Heinr. Wilkcn. Leipz. 1767.
3) Le nouveau parfait Maréchal etc. Paris, 1741. Mehrere Aufl.
#9830;) Dionysii Robertsons, Iloehfiirstl. Wiirtemberg. Engl. Bereiter und Pferdearzt, Pferdearzneikuast; Oder: Gründlicher Unterricht n. s. w. Frank­furt 1753.
*) Deutsch unter dem Titel: Anmerkungen und Entdeckungen an Pferden, sammt einer neuen Art, Pferde zu beschlagen. A. d. Franz. v. Schreber. Halle, 1759. (Auch in Schrebers Samml. 1765).
') Deutsch: Bartlet, Pharmakopöe oder Apotheke eines Rossarztes, wel­che auserlesene und erprobte Mittel für die Krankheiten der Pferde enthält, u. s. w. Herausgeg.'v. D. H. Sebast. Buchholz. Weimar 1778.
') a. Sicher und geschwind heilender Pferdearzt. Frankfurt a. M. 1768. 10, Aufl. 1837 völlig umgearb. y. C. W. A mm on.
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Geschichte und Literntur.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;7
Die Beschreibung der wichligslen äusseilichen Kranklieiten ist nur kurz, aber grösslcntlicils in der Hauptsache richtig. Es ist dabei (in dem vollständigen Unterricht) die Slaaroperation, die Trepanation, die Opera­tion des Darmbruchs und der Steinschnilt beschrieben und die dazu gehörigen Instrumente sind in damaliger Form abgebildet. Ebenso der Verband und die Stellung eines mit Beinbruch behalleten Pferdes in einer hierzu bestimmten Staudmaschine. — Uebrigcns waren die Arzneimittel sehr complizirt.
In den ersten Thicrarzneischulcn zu Lyon und Alfort wurde zwar die Cbirurgie als ein besonderer Untcrnclitsgegouslaud eullivirt, und zwar mit gutem Erfolge, wie aus den operativen Unternehmungen der aus ihnen hervorgegangenen Thicrärzte. namenllich eines Chabert, Barre, Ilenon, Flandrin u. A. zu ersehen ist; es fehlten aber eigentliche chirurgische Lehrbücher gänzlich. Das erste der Art über einen besonderen chirurgischen Gegenstand, nämlich über die Bandagen, erschien 1770 von Bourgelal, unter dem Titel: Essai sur les appa-reils et sur les bandages propres anx Quadrupcdes. A l'usage des èlé-ves des écoles royales vétérinaires. Par M. Bourgclat. Paris 17701). Diese Schrift ist jedoch, trotz der vielen Abbildungen, nur von sehr geringer Bedeutung, da in ihr nur das Material der Bandagen, und zwar zuerst im Allgemeinen, dann das der Verbände der einzelnen Theile, und zuletzt die Construction des Nothstalls fiir Pferde und Kind­vieh beschrieben ist, ohne Regeln über die Anwendung dieser Hülfsmittel.
Welt mehr leistete der jüngere Lafosse in seinem Prachtwerke: Conrs d'Hippiatricpie, Paris 1772 2), in dessen 3. Thcil in einem beson- | dern Abschnitte auch die äusseilichen Krankheilcn und die chirurgischen j Operationen abgehandelt sind. Bei den letzteren ist namentlich die von Lafosse (so viel mir bekannt.) zuerst empfohlene Ausschälung des Huf- I knorpels bei der sogenannten Knorpclfislel anzuführen.
Einen grossen Fortschritt machte die Veterinär-Chirurgie durch J. G. Wolstein, welcher ihr besondere Schrillen3) widmete und sie hierdurch nicht allein als einen besondern Zweig der Thierheilkunde^ darstellte, sondern auch die Lehre von der Entzündung, der Eiterung dem Brande, von den Geschwülsten, Geschwüren, Knochenkrankheiten5
b. Vollständ. Abhandl. von der RotzkranUhcit der Pferde. Mil Kupfrn. Frankfurt 1768 (auch 1780).
C. Vollständiger Unterricht in den Wissenschaften eines Stallmeisters. Mit Kupfrn. und einer Vorrede. A. v. Haller. Götlingen 1770 (auch 1776).
') Deutsch: Vorsuch über die Bandagen und über die bei den äusserlichen Krankheiten der Pferde und der vierftissigen Thiere überhaupt schiclilichsten chirurgischen Verrichtungen. Berlin 1801. Mit Kpfrn.
') Deutsch: Lehrbegriff der Pferdearzneikunst A. d. Franz. von Kno-bloch. Mit Vorrede von J. G. Wolstein. 4 Bde. m. Kpfrn. Prag 1797.
s) a. UnteTricht für Fahnenschmiede über die Verletzungen, die den Pfer­den durch Waffen zugefügt werden. Wien 1779.
b.nbsp; Bücher der Wundarznei der Thiere. Wien 1787.
c.nbsp; Das Buch für Thicrärzte im Kriege, über die Verletzungen, die den Pferden durch Waffen zugefügt werden. Wien 1788. (Eine Umarbeitung und Vermehrung der ersten Schrift.)
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8nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;fieschlchle und Literatur.
Brüchen und von den Wunden durch gute Beobachtungen, und selbst durch angestellte Versuche -wirklich vervollständigte.
Fast zu derselben Zeit waren auch von J, N. Kohlwes ') und J. W. Kers ting*) Abhandlungen über die äusserlichen Krankheiteu der Pferde erschienen, in welchen zwar verständigere Ansichten als bei den Pferde­ärzten der früheren Zeiten, aber keine eigeuthümliche Fortschritte ent­halten sind.
Ebenso gab damals K. A. Oehlinanuraquo;) ein chirurgisches Hand­buch, das erste, welches als solches auf dem Titel bezeichnet worden ist, heraus. Dasselbe ist jedoch sehr unvollständig und bietet weder in theoretischer noch in practischer Hinsicht etwas Besonderes dar.
Eine von S. v. Tennecker um jene Zeit herausgegebene Schrift: „Der Fahnenschniied im Kriegequot; u. s. w. ist nur ein Plagiat v. Wol-laquo;tein's dritter Schrift.
Einiges Brauchbare enthält der im Jahre 1803 erschienene zweite Band von M. H. Pilger's systematischem Handbuche der theo-retisch-prakt. Veterinärwissenschaft, dessen, in dessen vierter Abtheilung die Zoochirurgie ziemlich gut abgehandelt ist, — wenngleich man an vielen Stellen fühlt, dass der Verfasser selbst nicht Chirurg war. Wichtiger war die in demselben Jahre von Chr. Heinr. Schreger herausgegebene „Operationslehre für Thierärzte; Fürth 1830,quot; welche fast alles bis zu jener Zeit über die veterinär­chirurgischen Operationen Bekannte, gesammelt enthält.
Erst nach einem Zeitraum von 16 Jahren erschien wieder ein Werk über Chirurgie, nämlich: S. v. Tcnnccker's „Lehrbuch der Vetcrinärwundarzneikunst, zu Vorlesungen und auch zum Selbst­unterrichte für Landwirthe, Offizierequot; u. s. w. 2 Theile. Prag,1819 und 1820. Dasselbe ist unvollendet geblieben und hat somit auch zur För­derung der Veterinärchirurgic nichts beigetragen.
Dies ist aber durch das gleich darauf von J. F. C. Dieterichs herausgegebene „Handbuch der Veterinärchirurgie, oder: die Kunst, die äusseren Krankheiten der Pferde und anderer Hausthiere zu erkennen und zu heilen.quot; Berlin, 1822. Mit Abbild. (6. Aull. 1845) geschehen, indem durch dieses Werk die thierärztliche Chirurgie zuerst in eine den neueren Ansichten angemessene wissenschaftliche Form ge­bracht worden ist. Das hierbei zum Grunde gelegte System war zwar in der Menschenheilkunde, namentlich von Reil, von v. Gräfe U.A., schon gebraucht worden, Dieterichs bleibt aber das Verdienst, es mit Sachkenntniss in die Thierheilkunde übertragen und angewendet zu haben. Ausserdem ist die Definition, die Besehreibung und Beurlhei-lung der pathologischen Zustände in der allgemeinen und speziellen Chirurgie fast durchaus treffend und die Behandlung zweckmässig. In
') Abhandlung von den äusserlichen Krankheiten der Pferde, zur Bildung fiir angehende Thierärzte. Lüneburg 1785.
') Nachgelassene Manuscripte über die Fferdearzneiwissenschafl. Heraus­gegeben von Otto v. Sothen. Braunschweig 1789. Mit Kpfrn.
') Versuch eines chirurg. Handbuchs für neuangehende Hufschmiede und Thierärzte. 2 Theile. Leipzig 1789 u. 90,
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Geschiehtlaquo; und Literatur.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 9
den fünf ersten Ausgaben sind auch die meisten Operationen besser beschrieben als von jedem andereu Autor vor ihm; in der sechsten Aus­gabe fehlt die Operationslehre, da der Verfasser dieselbe im Jahre 1842 in einem besonderen Werke1) bearbeitet hat. Ausserdcm hat derselbe noch Beiträge zur Veterinärchiriirgic und Akiurgie. Berlin 1844. herausgegeben.
In dem von J. N. R o h 1 w e s angefangenen und von S. v. T e n n e c k c r beendeten Werke: „das Ganzeder Thicrheilkunde nebst allen damit verbundenen Wissenschaften, oder: Bücher der Thier-arzneiwisschaft für Landwirthequot; u. s. w. 4 Bde. Leipzig 1822—25, finden sicli die meisten ausseien Krankheiten im 3. und 4. Baude richtig aber grösstentheils mit vielen überflüssigen Worten be­schrieben. Doch tritt überall eine gute praktische Kennlniss der Krank-heitsznstiinde, der Ileihnitlcl und ihrer Anwendung hervor.
Hurtrel d'Arboval hat in seinem Dictionnaire tic Médecme et de Chirurgie vétérinaire. 4 Vol. Paris 1826—28, (Wörterbuch der Thicrheilkunde von H. d'Arboval, übersetzt und mit Zusätzen versehen von Dr. Th. Kenner, 4 Bde. Weimar 1830—32), auch die Chirurgie nach dem Standpunkte der französischen Thicrheilkuiule in einzelnen Artikeln abgehandelt.
Gewissermaassen als zu diesem Werke gehörend betrachten die französischen Thierärzle den Attas du Dictionnaire de Riédecine et de Chirurgie vétérinaire de M. M. Leblanc et Trousseau, Paris 1828, in welchem anatomische Abbildungen, besonders der bei Operationen wichtigeren Theilc enthalten sind.
P. Vatel hat in seinen Eléniens de Pathologie vétérinaire, ou pré­cis theorefique et practique de la JWdccinc et de la Chirurgie des prin-cipaux animaux domestiques, Paris 18282), im 1. Bande neben der übrigen auch die chirurgische Pathologie und Therapie nach einem sehr vielschichtigen System bearbeitet, und im 2. Bande die Operationsichre dargestellt.
In der Pathologie ist er dabei den Ansichten von Roche und Sanson3) (zweier berühmter IMenschcnärzte) gefolgt, indem er die Krankheiten nach der Art der pathologischen Veränderungen, aus wel­chen sie entstehen, klassifizirt. Die Operationen sind nach ihren Haupt­akten in Stichoperationen, Schnittoperationen, Ansschneidiingen, Saug­operationen u. s. vv. eingethcilt. Dabei ist auch die Gcbtirlshülfe und ausserdcm der Hufbcschlag und die Bandagenlehre abgehandelt. Das Ganze ist wissenschaftlich gehalten und in der französischen thierärztli-clicn Literatur ein wichtiges Werk, an dem es ihr bis dahin noch fehlte.
Ein später erschienenes Handbuch der Vetoiinürchinirgie von
') Handbuch der Vetcrinär-Akiurgie. Von J. F. C. Diclericlis. Berlin 1842. Mit Ahbild.
3) Handbuch der Thierarzneikundc, oder theoret. und prakt. Darstellung aller Krankheiten der vorzüglichsten Ilanstliierc und deren mediz. und chirurg. Behandlung. Von P. Valcl. A. d. Franz. v. P es tel. 2 Bde. in 3 Thlu, Leipzig 1839. Es sind darin viele Zusätze aus deutschen Schrillen.
') Nouv, Elemens de Pathologie medico-chirurgicale. Paris, 1825.
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10nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Geschichte und Literatur.
G. C. With') i*t noch nicht beenilcl. Dasselbe begiimnl mit den chirurgischen Hulls- und lloilmittehi um! deren Anwendung, und mit den allgemetaen Operationen, worauf die chirurgischen Krankheiten, Eiilzüiiduugcu und deren Folgekraukhcitcu, z. B. Geschwülste, Aus-sclmilzuugcn, — dann die Wunden n. s. w. folgen. Das Werk ist mit Abbildungen versehen und verdient sowohl in theoretischer wie in praktischer lliusicht gerechte Anerkennung.
A. J. Brogiiiez, Professor an der Thierarzneischnle in Curcghfera bei Brüssel, hat die Veterinärchirurgie in Verbindung mit dem Hufbe-schlage nach einem wenig übersichllichen Plane, in einem mit vielen Abbildungen gezierten Werkeraquo;) bearbeitet. Die Letztem sind zahlrei­cher und schöner als in allen andern Schriften, und es belinden sich dabei auch die von mehreren Instrumenten, welche Brogniez selbst erfunden hat.
Die „Veterinär-Chirurgie.quot; Ein Handbuch zu seinen Vorle­sungen von J. Schussele, Karlsruhe 1841 u. 42, enthält im 1. Theile die allgemeine und im 2. Theile die spezielle Chirurgie, — zum gros­sen Theil nach meinen Vorlesungen.
J. J. Rychner hat in dem 1. Theile seiner Hippiatrik oder syslcmatisches Handbuch der äusserlichen und iuneriiehen Krankheiten des Pferdes und ihrer Heilung. Bern 1842, — die hippiatrischc Chirur­gie als histrumentallehre, Verbandlchro, Operationslehre, chirurgische Pathologie und Therapie übersichtlich und gut dargestellt.
Der „Corso complelo di Chirurgia veterinaria-' von Vine. Massa, Fiorciiza 1843, — und die ..Lczioni elementar! di chirurgia veterinariaquot; von N. de Angclis, Roma 1843, stehen den genannten deutschen Werken weit nach.
Noch mehr aber dem „Systematischen Handbuch der Veterinär-Chirurgie von G. Strauss,quot; Wien 1845, welches dieselbe in 2 Thei-len vortrefflich bearbeitet enthält.
Die „chirurgische Anatomie und Operationslchre für Thicrärztequot; von E. F. Gurlt und C. H.Hertwig, mit Abbildungen, Berlin 1847, enthält eine anatomische Darstellung der bei den wichtig­sten veteriuär-chirurgischen Operationen betroll'enen Gebilde und eine ausführliche Beschreibung dieser Operationen selbst.
Ausserdcm haben viele andere Thicrärzte in einzelnen Abhandlun­gen (welche sich grösstenthcils in den verschiedenen Zeitschriften befin-den), oder auch als Lehrer, zur jetzigen Ausbildung der Veterinär-Chi­rurgie beigetragen, so namentlich: Abildgaard, Ammon, Anker, Barthelemy, Binz, Bouley, Bracy-Clark, Braueil, Brug-nonc, Cherry, Colcman, Delafond, Dik, Field, Girard,
') Haandbog i quot;Veterinairchirurgicn at G. C. With. Kjöbcnhavn 1837. Handbuch der Velerinär-Chirurgie von G. C. With. Mit Erlaubniss des Hrn. Verfassers ans dem üänischen übersetzt und mit Zusätzen versehen von Dr Joh. Mart. Krcutzer. 1. Theil. Augsburg 1S43. — Die Zusätze sind sehr zahlreich und umfassend.
raquo;) Traite de Chirurgie vétérinaire; per A. J. Brogniez, Ouvrage conte-mnt. comme accessoire Ie Résumé du Cours de Sidérotechnie vétérinaire. Orné de Planches par Meulenbergh. Bruxelles 1839.
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Geschichte und Literatur.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 11
Godine, Goochvine, Gohier, Greve, .1. II. Günlliei', llarl-iiiann, Ü. F. Ilausniaiin, Ilavemaiin, ilayne, Jessen, Ijaugen-baclicr, Leblanc, Lecoq, Morton, Numanu, W. und Cli. Per-cival, Piebl, Prinz, Renault, Renner, Key, Kis;ot, Schwab, Scwell, El. Veilb, C. Viborg, Vix, J. und-Tb. Turner, Youalt u. A.
Die tliieriii-zlliclic Geburlsliilfe, obglcicb sie in praktischer Hinsicht zur Operationslehre gehört, ist melirfiiltig 'als ein besonderer Gcgcn-staud bcai'bcilel worden, naineallicli: von Eberhard, (Over hel Ver-loszen der Koyen, Amsterd. 1744,) — von Cb. G. Jörg, (Aulcilung zu einer rationellen Geburlsbiilfe der landwirlhschaftl. Tliiere, l^cipzig 1808 u. 1818, mit Kpfin.), — von Skellet (A practical treatise on Hie parturition of the cow, Loud. 1811, m. Kpfrn.) — v. Tcnnecker (Prog 1820), —von Fey (die ktinstlicbe Zcrsliickclung und Auszicbmig der schwersten regelwidrigen Geburten etc. Mit 1 Taf. Abbild. Con-stanzl824), von llorst (llannover 1826). — von Binz (Iheoret.-prakt. Geburlsbiilfe elc. M. 26 Abbild. Freiburg 1830). — von J. II. Fr. Günther (Lebrb. der prakl. Veleriiiär-Geburtsbülfe. M. 3 Tal'. Abbild. Ilannov. 1830), •— von Henkel (Gcburtsluilfe bei den Kühen. Wien 1830), — von C. W. Kahlert (prakt. Anleit. zu einer nalurgcniässen Geburlsbiilfe der landwirlbschafll. Thierc, Prag 1830), — von Scyf-fert (die Geburlsbiilfe bei KüJien. Grimma 1838), —von Ziller (kurz-gefasste etc. Uebersicbt über die Geburlsh. der grosseru landwirthscbafll. Ilausthiere. Scbleusingcn 1838), — von W. Baumeister (die Ihicr.ïrzll. Geburtshülfe. Ein Ilandb. elc. Mit Ilolzschnilleu. Stuttgart 1844), — v. Diclerichs (Handb. der prakl. Geburlsh. bei den grosseren llaus-llnercn. Berlin 1845) und — von Rainard (Traite complet de la pai'lurilion des prineipales femellcs domestiques etc. 2 Vol. Paris 1845).
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Erste Classe.
Entzündungen,
Erster Abschiiitf.
Von den Entzündungen und deren Folgekrankheiten im Allgemeinen.
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Erstes Capitel.
Begriff von Entzündung, Symptome, Verlauf, Ausgänge, Ursachen, Verschiedenheiten, Behandlung.
Begriff.
Als Entzündung (Inflammatio, Phlogosis) bezeichnet man den­jenigen krankhaften organischen Prozess, welcher sich in einem Gebilde des Thierkörpers durch andauernden Schmerz, erhöhtes Wärmegefühl, Geschwulst, dunkle Röthung, durch stärke­res Pulsiren der nächsten Arterien und durch gestörte Funk­tionen zu erkennen giebt. Sehr oft ist damit, wenigstens während einiger Zeil, ein Fieber (Enlzündungsfieber. Febris inflammatoria) ver­bunden , und das Blut zeigt gewöhnlich eine grössere (ïerinnbarkcit.
Mit den genannten Erscheinungen sind jedoch nur die allgemeinen Krankheitsmerkmale der Entzündung angegeben, keinesweges ist aber damit der wesentliche krankhafte Zustand selbst erklärt. Dieser be­sieht, nach den besten mikroskopischen u. a. Untersuchungen, höchst wahrscheinlich in einer durch Reizung (Irritalio) des aflicirten Theils bedingten, übermässigen Anslrömung des arteriellen Blutes, in Ucberfül-lung (Hyperämie) und Stockung (Stasis) des Blutes in den sogenannten Capillar- oder llaargefässcn, und in einem, sowohl dem Grade wie dem Umfange nach, vermehrten abnormen Bildungsprozesse.
Durch die Vereinigung dieser abnormen Vorgänge unterscheidet sich die Entzündung von der vorübergehenden Reizung, von der Congestion und von der einfachen zu reichlichen Ernälu-ung (Hypertropliie) in ei­nem Theilc.
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Entzündung'im Allgemeinen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 13
Vorkommen der Entzündungen.
Entzündungen kommen bei allen Säugelhieren und Vögeln vor, und bilden nicht nur für sich sehr häufige und zahlreiche Krankheiten, sondern sie begleiten, compliciren und erzeugen auch viele andere krank­hafte Zustände; aber entgegengesetzt, vermitteln sie auch oft die Hei­lung derselben. Deshalb muss die Kenntniss der Entzündungen der Kenntniss aller übrigen chirurgischen Krankheiten vorausgehen. — Sie finden sich in allen Theilen des Thierkörpers, welche mit Gefässen und Nerven versehen sind, und zwar in denjenigen Theilen am häuligslen, welche ein recht reichliches Haargelässnetz besitzen; sie kommen aber niemals da vor, wo Haargefässc und Nerven gänzlich fehlen, wie z. B. an der Oberhaut, an den hornigen Gebilden der Hörner, der Hufe und Klauen.
Nähere Betrachtung der Erscheinungen.
Die oben genannten allgemeinen Merkmale (Symptome) der Ent­zündung treten in den einzelnen Fällen nicht immer in ganz gleichem Grade und in gleichem Umfange hervor, sondern sie erscheinen bald mehr bald weniger modifizirt, je nach dem leidenden Organ, nach der in demselben und im Körper überhaupt bestellenden Energie und Reiz­barkeit, und nach der Art, dem Grade und der Dauer der einwirken­den Ursachen.
1. Der Schmerz ist bei den Enlzündungcn ein sehr constantos und bei den äusserlichen Entzündungen auch meistens das früheste Symptom, jedoch ist er nach der Periode, nach dem Charakter, nach dem Grade und nach dem Sitze derselben sehr verschieden. Fast jede Enlzündimg beginnt mit, dem Gefühle einer gesteigerten nervösen Erre­gung (Reizung), welches in den Organen, die mit Empfindungsncrvcn versehen sind, gewöhnlich als wirklicher Schmerz, im Anfange und bei geringeren Graden, und ebenso wenn die Entzündung bedeutend nach-lässt, oft auch nur als ein Jucken auftritt. In denjenigen Organen, welche nur von den Gangliennerven mit Zweigen versehen werden, ist im Anfange der Entzündung gewöhnlich kein eigentbümlichcr Schmerz vor­handen, wohl aber ein drückendes und spannendes Gefühl, und später entsteht auch Schmerz dadurch, dass die fortdauernde krankhaft gestei­gerte Erregung dieser Nerven sich bis über die nächsten Ganglien hin­aus zum Rückenmarke und zum Gehirn erstreckt. Die graue Substanz des Gehirns, das Zellgewebe, die eigentliche Miiskelsubstanz, die Seh­nen, die Knochen und Knorpel, die Häute der Rlutgefässc, die serösen Häute, die Leber und andere drüsige Orgaue, die sämmtlich im gesun­den Zustande sehr wenig Empfindlichkeit besilzcn, zeigen dennoch im entzündeten Zustande zuweilen sehr heftigen Schmerz.
Je reicher ein Theil an Empfindungsnerven, um desto schmerzhaf­ter ist er bei Entzündungen; je mehr ein Gebilde weich und frei aus­dehnbar ist, um desto weniger heflig ist der Schmerz; entgegengesetzt, je weniger das entzündete Gewebe nachgiebig, oder je mehr es in sei­ner Nachgiebigkeit durch die umliegenden Theile gehemmt und gedrückt ist, um desto heftiger tritt er hervor.
Der Schmerz ist eine subjective Einpilndung, welche nur von dem
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Entzündung im Allgemeinen.
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kranken Tliicre selbst vollsländig wahrgenommen wird. Indess ist es doch sehr wahrseheiulicli, dass, so wie bei Menschen, auch bei Thie-reu im Anfange der Eutziindung (seltener auch späterhiD) der Schmerz zuweilen brennend oder stechend, bohrend oder rcissend ist; denn man sieht die Thicrc in einem Falle mehr als im andern den entzündeten Theil an kalle Gegenstände hallen; — oder man bemerkt, dass sie rnekweis mehr wimmern, stöhnen und klagen.— Mehr deutlich lassen sich die verschiedenen Grade des Schmerzes erkennen, indem die Thicre bei einem gelinden Grade erst bei dem stärkeren Berühren oder Druk­ken des entzündeten ïheils durch Zurückziehen desselben oder durch Slöhnen den Schmerz zeigen, — bei hohen Graden des Schmerzes aber jede Berührung des Theiles fürchten, deshalb auch Jede Bewegung des­selben vermeiden; dabei stöhnen, ächzen und mit den Zähnen knir­schen.
Gewöhnlieh nimmt der Schmerz mit der immer mehr steigenden Congestion und Gefäss-Injeclion zu, bis er gleichmässig andauernd wird; wenn aber der höchste Grad der Spannung der Thcile cingetrelcn ist, kann er ans zwei ganz verschiedenen Ursachen wieder nachlassen, nämlich: weil entweder nun die Entzündung selbst sich zurückbildet (zur Zcilheilung neigt), oder, weil eine Lähmung der Nerven beginnt (der Brand eintritt),
2. Die andauernd erhöhte Wärme des entzündeten Theils und seiner Umgebung ist eigentlich nur eine Slcigerung der fhierischen Wärme, und entsteht aus derselben Quelle, wie die letzterej nämlich einerseits aus dein Sloll'wechscl zwischen dem zuströmenden Blut und den Parenchym, und andererseits aus der Erregung der Ner-venenergic. Beides findet bei Entzündungen in einem höhern Grade
zugleich wird bei dem
statt.
Sngeren Verweilen des Blutes im Paren-
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chym mehr Sauersloll' des Blutes verbraucht und mehr Kohlensäure gebildet, und es inuss daher auch die Temperatur gesteigert werden. Bei einer eintretenden Lähmung der Nerven, ebenso bei gänzlich gehin­dertem Blutzufluss, und bei dem entstandenen kalten Brande hört die Wärmebildung in dem bisher entzündet geweseneu Theile auf.
Die erhöhete Temperatur ist in den einzelnen Fällen, je nach dem Grade, dem Charakter und denraquo; oberflächlichem oder tiefern Sitz der Enlzündung etwas verschieden.
Je höher die Enlzündung steigt, um so stärker ist im Allgemeinen die Wärme-Entwickelang. Doch findet man sie selten über 5 — 7deg; Fahr, über der Blutwärme. Sie giebt sich durch das Gefühl für den Uni ersuchenden zu erkennen, vorzüglich wenn man die Oberfläche des übrigen Körpers, und besonders die gleichnamigen Theile mit dem ent­zündeten vergleicht. Sie scheint im höhern Grade von dem kranken Thicre selbst empfunden zu werden. — In manchen Fällen, wo die übrigen Symptome der Entzündung nicht vollsländig und deutlich ge­nug wahrzunehmen sind, z. B. bei Entzündung im Innern des Hufes, bei Knoehenentzündung n. dergl., wo Röthe und Geschwulst wegen der tiefen und eingeschlossenen Lage des cnlzündeten Theiles sehr häu­fig gar nicht zu bemerken sind, ist die vermehrte Wärme in Verbin­dung mit dem Schmerz das sicherste Zeichen von der Gegenwart einer Enlzündung.
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Entzündung im Allgemeinen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 13
3.nbsp; Die Gescliwulst oder Anschwellung des cntzüadeten ïhcils hat ihren Grund zunüchst in dein, in den Gofassen angehäuften Blute; zum Thcil aber auch in der durch Ausschwitzung und Ergicssung von Se­rum, Faserstoff oder seihst von Blut bedingten Ausdehnung des Gewe­bes. Sie zeigt im Allgemeinen eine zweifache Verschiedenheit, je nach­dem die Slolïe, durch welche sie hervorgebracht wird, claslisch oder mehr konsistent sind, und je nach der Dauer der Entzündung. In der ersten Enlwickclungszeit ist die Anschwellung in der Regel elastisch gespannt und schmerzhaft; sie entsteht durch die Injection der Haargeßsse mit Blut und zugleich durch die von der starkem Wänncentwickelung
i abhängigen Ausdehnung der Weichgcbildc.
Eine raquo;weite Art der Enlzüudungsgeschwulst entsteht, wenn die aushauchenden Arterien anstatt des normalen serösen Dunstes, Blut-vvasscr, Blut oder Faserstoff ins Zcllcngcwcbc ergiessen; sie bildet eine derbe, unelastische Gescliwulst, die (wo die Farbe der Haut zu sehen ist) entweder blass oder dunkelroth, aber nicht sehr schmerzhaft ist, und entweder nach Druck Gruben zurücklässl (wie bei entzündli­chem Oedem) oder weit häufiger eine mehr feste Beschaffenheit zeigt, dem Drucke nur wenig nachgiebt und Neigung besitzt, in Verhärtung überzugehen, wie man dies besonders an asthenischen und chroni­schen Entzündungen häufig wahrnimmt.
Man findet jedoch nur selten eine von diesen Formen rein beste­hend und allein ausgebildet; sondern in den meisten Fällen ist die Ent-züudungsgeschwulst aus diesen beiden Arten zusanuncngeselzt,
Die seluiellerc oder langsamere Entwickeluug einer Enlzüudungs­geschwulst bis zu einer gewissen Grössc ist thcils von der Heftigkeit der Ursachen, theils von der Reizbarkeit und der Textur des betroffe­nen Organs abhängig. Denn je dichter und härter ein Theil, desto ge­ringer wird im Allgemeinen die Enlzündungsgcschwiilst, je weicher aber derselbe ist, um so grosser bildet sie sich aus. So ist sie z. B. bei Entzündung der Knochen, Knorpel, Bänder und Sehnen, und bei der der fibrösen Häute gewöhnlich sehr gering, dagegen bei der Ent­zündung des lockern ZcQengewebcs und der damit reichlich begabten Theile sehr stark entwickelt. — Bei Entzündungen innerer oder sehr tief liegender und in den Hornschuheu eingeschlossener Thcilc bemerkt man sie nicht.
Die Geschwulst ist daher nicht bei allen Enlzündungen ein so si­cheres Kennzeichen, wie der anhaltende Schmerz und die vermehrte Wärme. Sie giebt sich bei äusserlicher Entzündung und an behaarten Stellen durch das Ansehen und Befühlen, und ausserdem auch noch durch ein Sträuben der Haare zu erkennen; und sie unterscheidet sich durch die übrigen mit ihr verbundenen Zeichen der Entzündungen sehr leicht von andern Geschwülsten und Verhärtungen.
4.nbsp; nbsp; Die ungewöhnliche Roth e des entzündeten Theiles ent­steht nach Waldinger's Ansicht durch das längere Verweilen und die
5 grössere Anhäufung des Bluts in den Venen, welche, da sie mehr nach Aussei! und oberflächlich liegen, um so mehr zu sehen sind; ausserdem und vorzüglich aber durch das Eindringen des rothen Blutes in die feineren serösen und Haargefässc, welche im normalen Zustande kein rothes, sondern ungefärbtes Blut, und Serum führen. Dieses Eindrin-
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16nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Entzündung im Allgemeinen.
gen des rothen Blutes in die feinern Gefässe erfolgt im Allgemeinen auf jede Reizung eines Theiles; der Grad der Entziindungsröthe hängt jedoch nicht allein von der Grosse der Reize, sondern auch von der Dauer ihrer Einwirkung und besonders von der Zahl der Haargefässe und Nerven, und von der derben oder lockeren Textur der leidenden Theile ab; je empfindlicher, je gefässreicher und je weicher ein Theil, um so grosser und dunkler pflegt die Entzündungsrölhe zu sein, und sie raquo;teilt daher fast immer in gleichem Verhältnisse mit der vorhandenen Ge­schwulst. — Im Mittelpunkte der Entzündung oder an der Stelle, von welcher die Entzündung sich verbreitet, ist die Röthe am stärksten, und nimmt nach dem Umkreise zu immer mehr und mehr ab. Aus-serdem ist die Röthe weder in allen Gattungen der Entzündungen noch bei den verschiedenen entzündeten Gebilden von gleicher Beschaffenheit, zuweilen blasser (.au schwachen Thieren), zuweilen sehr dunkel (hei star­ken), und in sehr vielen Fällen ist sie wegen der schwärzlichen Ober­haut des Thierkürpers gar nicht zu bemerken. Man nimmt sie deut­lich wahr an der Haut der weissgebornen Schimmel, der Isabellen und Schecken, bei weisseu, gelben und scheckigen (bunten) Kühen, bei Schaafeu, Hunden und Katzen, ferner an allen mit Schleimhaut bekleide­ten Stelleu, z.B. au der Bindehaut des Auges, in den Nasenlöchern, im Manie, am Euter, After, an der Scheide und bei Pferden am Saume und au der weisseu Linie des Hufes.
Bei Entzündungen an solchen Theilen, wo die Haut dunkel ge­färbt und wenig oder gar nicht behaart ist, wie z. B. an der äussern Fläche der Augenlider, an den Lippen, am Schlauche, Hodensacke, am After und am uutem Thcilc des Schweifes bei Pferden u. dgl, bemerkt man stall der Röthe einen grosseren Glanz der Epidermis.
Aussei' diesen Hauptsyinptomen bei den Entzündungen entstehen noch folgende, welche aber weniger bestimmt und nicht immer sicht­bar werden:
5.nbsp; nbsp; nbsp;Das stärkere Pulsireu der Arterien in der Nähe des enlzündelcn Thciles findet sich bei allen Entzündungen festweicher Ge­bilde, je nach dem Grade der Entzündung, bald mehr bald weniger stark, und es kann als ein charakteristisches Merkmal der Entzündung dieser Gebilde gellen. Bei Knochencnlzüudungen fehlt es fast immer. Zur Erklärung dieser Erscheinung nimmt Hausmann an: dass bei Entzündungen die Nervcnkraft eine Auziehung auf das Blirt dergestalt ausübe, dass Letzteres in den Ucbergangsorganen (Capillarien) und in den Venen des leidenden Thciis angezogen, zurückgehalten und hier­durch dem aiicriellcn Blute der Durchgang verwehrt wird. Die Arte­rien werdeu hierdurch erweitert und stärker pulsirend. Da nun die Knochen nur eine sehr unbedeutende Quantität Bluts aufnehmen, so kann bei deren Entzündung auch hierdurch keine merkliche Anhäufung
quot;imd ein Zurückbalten des Blutes verursacht werden, folglich auch kein Grund vorhanden sein, warum der Puls fühlbarer werden müsste.
6.nbsp; nbsp; Die gestörte Verrichtung des entzündeten Thciles. Da die Haargefässe der eigentliche Sitz der Entzündung sind, und da sie in allen Organen mit der eigenlhümlicheu Verrichtung derselben in naher Beziehung stehen, so müssen die letzteren bei Entzündungen uolhwendig mancherlei Störung erleiden. Diese Störungen geben sich
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Entzündung im Allgemeinen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;17
nach der Verschiedenheit der Organe und ihrer Verrichtungen durch besondere Zeichen zu erkennen, und sind in Verbindung mit einigen anderen Symptomen für die Erkenntniss mancher Entzündungen, oe-sonders in lief liegenden oder inneren Theilen sehiraquo; wichtig. Die Hauptverschiedenheit dieser Störungen beruht zwar in den einzelnen Fällen auf der spezifischen Verrichtung des leidenden Organs, im All­gemeinen aber darauf, ob dasselbe ein Empfind ungs-, ein Bewegungs­oder ein Absonderungsorgan ist, ausserdem aber auf dem Grade und auf dem Charakter der Entzündung. Empfindungsorgane (besonders Sinnesorgane) zeigen im Anfange und bei geringem CJraden der Ent­zündung einen hohem Grad von Empfindlichkeit und unregelmässige Aeusserungen derselben; bei dem höchsten Grade des Leidens -ver­schwindet aber die Empfindlichkeit gänzlich. Entzündete Bewegungs­werkzeuge bedingen stets eine verminderte Beweglichkeit, die jedoch nach dein Verhältniss der Anschwellung und Spannung der Theile und nach der Heftigkeit der Schmerzen modifizirt sind. Absonderungsorgane scheiden im Anfange der Enlzündungen eine grösscre Menge, aber von weniger verarbeiteten Stoffe ab; bei heftigen Entzündungen sind die Se­krete zuweilen mit Blut gemengt, und im höchsten Grade stockt die Sekretion gänzlich.
Aussei' den örtlichen Störungen im entzündeten Theile selbst fin­den sich bei heftigen, bei weit verbreiteten Entzündungen und bei sol­chen, welche ein iür das Leben wichtiges Organ ergriffen haben, auch häufig noch verschiedene consensuelle und antagonistische Funktions­störungen in anderen Organen, je nachdem die entzündeten Gebilde mit anderen in materiellen oder dynamischen Verbindungen stehen.
Durch die Funktionsstörungen wird die Brauchbarkeit der Thierc verhältnissmässig vermindert oder ganz aufgehoben, und oft wird selbst das Leben hierdurch vernichtet.
7. Fieber bei Entzündungen. Eine der wichtigsten und häufigsten unter den consensuellen Störungen bei Entzündungen ist das sogenannte Entzündungsfieber. Dasselbe fehlt gewöhnlich bei ge­ringen Entzündungen, aber es tritt fast bei allen heftigen und weit ver­breiteten Entzündungen ein, besonders wenn sie sehr empfindliche Or­gane, oder Thierc mit grosser Ueizbarkeit betreffen, und es äussert sich durch Veränderungen im Gemeingefühl, Traurigkeit, Störung des Appe­tits, Frostschauder oder wenigstens Sträuben der Haare, durch hiernach folgende Hitze, schnelleren, harten, oft kleinen Puls und schnelleren Herzschlag, beschleunigtes Athmcn, während des Frostes durch Blässe der Schleimhäute, später durch dunklere Färbung derselben, durch Stö­rungen in den Ab- und Aussonderungen u. dgl. — Es stellt sich zu­weilen bald nach dem Beginn der Entzündung, zuweilen erst später ein, und dauert bald nur einige Stunden, bald wieder einige Tage fort. Im letzteren Falle ist es gewöhnlich remiltirend, aber die Remissionen sind bald regelmässig, bald sowohl in der Zeit des Eintrittes wie auch in der Dauer unregeltnässig. Doch besteht es auch zuweilen während einiger Tage in gleichmässiger Heftigkeit fort. Mit der eintretenden Verminderung der Entzündung, oft schon mit der Entfernung des Ent­zündungsreizes mindert sich oder verschwindet in der Regel auch das Fieber von selbst; zuweilen aber, wenn das Nervensystem durch die
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38nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Entzündung im Allgemeinen.
entstandene Ucberreizung zu sehr geschwächt, ist, wird hierdurch das Fieber andauernd, jedoch darin stets wesentlich geändert, indem es den Charakter eines schleichenden, asthenischen, oder selbst eines hektischen Fiebers (Zehrliebcrs) annimmt. Wenn Eiterung entsteht, pflegt das oft schon verschwundene Fieber einen neuen Aulall zu machen, oder sieb, wenn es noch forlbcslaud, in grösserer Heftigkeit zu äussern. Es wird dann als Eiterungsfieber bezeichnet. Je länger uyd je heftiger bei dem Entziindungs - und bei dem Eiteruugsfiebcr das Froststadium ist, um desto gefährlicher ist gewöhnlich auch die Entzündung, und desto mehr ausgebreitet die Eiterung.
Das in Folge einer örtlichen Entzündung entstandene Fieber ist grösstenlheils ein sympathisches Leiden, welches hauptsächlich als Re-ilexwirkuug der von der peripherischen Reizung auf das Rückenmark übertragenen Verstimmung entsteht. Diese Verstimmung wird auf die sympalhischen Nerven übertragen, hierdurch die Thäligkeit des Herzens und der Arterien, so wie die der übrigen Organe herbeigeführt. Doch scheint auch nicht selten eine direkte Fortpflanzung der krankhaften Erregung der Blntgefässe von dem entzündeten Organe aus stattzufin­den, — wie man dies aus dem von dem letzteren her allmälig weiter nach dem Herzen sich verbreitenden stärkeren Pulsircn der Arterien schliesseu kann. In wie weit auch die, bei Entzündungen fast immer veränderte, Blutbeschallenheit zur Entstehung des sympathischen Ent-zündungstiebers beiträgt? — ist mit Sicherheit nicht nachzuweisen, ob­gleich die durch Blulentziehungen und durch vollständige kritische Aus­leerungen bewirkte Verminderung des Fiebers dafür spricht, dass das mit rohen plastischen Stoffen überladene Blut einen Anthcil an der Fie­bererregung haben muss.
In manchen Fällen tritt ein Fieber mit den Charakteren des Ent-zündungslicbers zuerst auf, und die örtliche Entzündung des einen oder des andern Organs folgt ihm nach. Dieses Fieber, welches hier als das wahre oder wesentliche (essentielle) Entzündungsfieber bezeiebuet wird, entsteht in der Regel zunächst durch plötzliche Ueber-ladung des Blutes mit plastischen Stoffen und mit Kohlenstoff, und es verhält sich, wenn die Entzündung einmal ausgebildet ist; fast in jeder Hinsicht wie das sympathische Enlzündungsfieber.
Jedes Entzündungsfieber kann sich mit anderen Kranhheitszustän-den verbinden und dadurch einen complizirten Charakter annehmen, z. ß. den gastrischen, den biliösen, den rheumatischen u. s. w.
8) Veränderung des Blutes bei Entzündungen. Da der Sitz der Entzündung in dem Theile des Gefässsystems ist, in welchem nach aller Wahrscheinlichkeit die wichtigsten physiologischen Prozesse, die Ernäh­rung der festen Theile, die Absonderungen der verschiedenen Thiersäfle u. s. w. aus dem Blute vor sich gehen, so muss nothwendiger Weise bei abnormen Zuständen des Gefässsystems und besonders der Haarge-fässe, das Blut sowohl durch die unmittelbare veränderte Einwirknng der Gefässe und Nerven als auch durch die aus demselben geschehen­den, hierdurch veränderten Absonderungen, sehr verändert werden. Man findet daher auch wirklich bei jeder Entzündung diese Verände­rung, jedoch nach Verhältniss ihres Grades mehr oder weniger deutlich, und zwar niebt allein in dem entzündeten Theile, sondern in allen mit
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Entzündung im Allgemeinen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;19
einem consensuellen Fieber verbundenen Fällen, auch im ganzen Kör­per (oder in der ganzen Masse des Bluts). Sie sind aber nicht allein dem Grade der Entzündung nach, sondern vorzüglich nach dem Charak­ter derselben und nach der natürlichen Verschiedenheit des gesunden Blutes bei den verschiedenen Hausthieigaltungen sehr verschieden, und bis jetzt noch nicht genügend erforscht.
Im Allgemeinen bemerkt man, dass bei wahren Entzündungen das aus der Ader gelassene Blut um 1—6 Gr. F. heisser ist, dass es 1 bis 8 pCt. mehr Faserstolt', zuweilen etwas mehr Kalksalze und fast immer weniger Serum enthält als das Blut von gesunden Thieren; es gerinnt schneller und fester zu einer glcichmässigen Masse und scheidet weni­ger, bei hohen Graden aber gar kein Blutwasser aus, sondern behält dasselbe in kleinen Zellen des Blutkuchens eingeschlossen. In manchen Fällen, namentlich da, wo eine Blutentlcerung nicht gleich im Anfange einer heftigen Entzündung, sondern in einem späteren Zeiträume dersel­ben unternommen worden ist, trennen sich beim ruhigen Stehen des Blutes die Blutkörperchen, als der schwerste nähere Bestandlheil des­selben, von dem Fasersfolf und dem Serum, und sie senken sich auf den Boden des Gelasses, der Fascrstoll' aber bleibt an der Oberfläche und bildet beim Gerinnen eine weissgclbliche oder etwas grünliche zu­sammenhängende Schicht, welche mau die Speckhaut oder Entzün­dungshaut (Crusla inllammatoria) nennt. Dieselbe ist bald dicker bald dünner, mehr oder weniger zähe, zuweilen an der Oberfläche etwas strahlig oder in der Mitte verlielt. Wird in solchen Fällen bei hefti­gen Entzündungen der Aderlass wiederholt, so zeigt das folgende Blut gewöhnlich keine Speckhaut.
Dagegen bemerkt man bei sogenannten asthenischen Entzündungen und wo das Fieber complicirt, nicht rein entzündlich ist, diese Speckhaut immer, und zwar nach dem Maasse der gesunkenen Lebensenergie und nach der Stärke und Beschafrenhcit der Complication oft sehr stark. — Sie ist also bei den reinen Entzündungen gar kein sicheres Zeichen derselben, wenigstens bei unseren Hauslhieren nicht, wie man früher allgemein dafür gehalten, und deswegen selbst mit dem Namen der Entzündungshaut oder Entzündungskruste belegt hat, — son­dern sie ist im Gegcnlheil mehr ein Zeichen des Schwächezustandes ; sie findet sich aber auch bei verschiedenen Umständen des gesunden Zustandes, z. B. bei trächtigen Thieren, auch bei einem bald nach der quot;Verdauung gemachten Aderlass und dgl. Wichtiger als das Vorhan­densein oder Nichlvorhandcnsein dieser Haut, scheint das schnellere oder langsamere Etstehen derselben, ihre Dicke, Farbe und Konsistenz zu sein, weil diese Umstände in verschiedenen Krankheiten beständiger vorkommen, aber bis jetzt aucli bei Weitem noch nicht gehörig beobach­tet sind. Auf die schneller oder langsamer vor sich gehende Gerinnung des ausgelasssnen Blutes und auf die verschiedenen Arten dieser Gerin­nung haben aber auch mehrere zufällige und äusscre Verhältnisse Ein-fluss; so z. B. gerinnt es schneller und gleichförmiger bei einer trocke­nen und sauerstolfreichcn Luft, im Winter, ferner, wenn weder das Blut noch das Gefäss, in welchem man dasselbe aufgefangen hat, be­wegt werden, als unter eiitgegengcsclzlcn Verhältnissen; die Gerinnung verhält sich anders in einem engen und liefen als in einem weiten und
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20nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Entzündung im Allgemeinen:
flachen Gefasse; anders da, wo es in sehr dünnem oder in sehr dickem
Strome und auf einem kürzern oder langem Wege durch die Luft
fliessh
Ursachen der Entzündungen.
Die Ursachen der Entzündung sind wie bei jedem anderen krank­haften Zustande von dreifacher Art:
1)nbsp; solche, in denen der innere Grund der vorhandenen wesentli­chen Symptome zu finden ist, welche also mit dem Wesen der Ent­zündung selbst übereinkommen, und welche man dalier auch die nächsten Ursachen nennt. Worin die nächste Ursache der Entzündung oder die Entzündung selbst bestehe, und dass wir sie nicht ganz vollkom­men kennen, ist oben schon angegeben ;
2)nbsp; solche Ursachen, welche zum Entstehen der Entzündung die Veranlassung geben, derselben unmittelbar vorausgehen und sie eigent­lich bewirken. Man nennt diese Ursachen auch die veranlassenden oder Gelegenheitsursachen. Sie sind im Allgemeinen äusserlich auf den Körper wirkende, zuweilen aber auch in demselben erzeugte. Ihre Anzahl ist sehr gross, denn es können alle mechanische, chemi­sche und selbst dynamische oder physikalische Eintlüsse, wenn sie im aussergewöhnlichen Grade erregend auf den Organismus einwirken, Entzündung veranlassen und daher zu ihnen gerechnet werden.
Zu den mechanischen Ursachen gehören starkes anhaltendes Rei­ben, alle durch stumpfe, spitzige oder scharfe Körper verursachte Ver­letzungen. — fremde in den Tliicrkörper gedrungene, oder in demselben erzeugte Körper, Kugeln, Splitter, Dornen, Nägel, Knochensplitter etc., Knochenbrüche, Verrenkungen, Erschütterungen, zu heftige Ausdehnung eines Theiles u. s. w.
Unter den chemischen und dynamischen Einwirkungen sind beson­ders einwirkende zu grosse Hitze und Kälte, zu heftiges und zu schnell mit Dunkelheit abwechselndes Licht, und im concenlrirtcn Zustande, schnell bewegte Luft (besonders die sogenannte Zugluft), die concen-trirten Säuren, reine Alkalien, die Metalloxyde, die nichrsten Salze in grossen Gaben und die scharfen Pllanzstolle zu nennen.
Zu den im Körper erzeugten Ursachen rechnet man: Metastasen (Ablagerungen von Krankheitsstoireu) auf gewisse Theile, zu scharfe Sekrete, im Körper selbst erzeugte Krankheilsstoffc, besonders einige Konta-gien (z. B. das der Pocken), und besonders zurückgehaltene Querische Aussonderungsstoffe, welche als eine der häutigsten Entzündungsursa-chen angesehen wird, und zur Annahme einer eigenen Art von Ent­zündungen, welche mau die skorischen nennt {cxcoQta, Hautschlacke) Gelegenheit gegeben hat.
3) Diese verschieden, reizenden Einflüsse wirken aber nicht gleichartig auf jedes Thier ein und nicht in jedem Thiere erregen sie Entzündung, son­dern einige davon bleiben bei manchen Thieren, selbst in wiederholter und starker Anwendung ganz ohne diese Wirkung, oder sie erregen an5 dere Krankheitszustäiide; bei einigen äussert sich die Entzündung nur gering, und. bei noch andern bringen selbst sehr gelinde Grade jener Einflüsse sehr heftige endzündlidie Wirkungen hervor.
Diese Verschiedeuheitcu hängen zum Thcil vom Zustande der all-
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Entzündung im Allgemeinen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 21
gemeinen Lebenskrafle, von dem Grade der Empfiadlicbkeit des Thie-res, von dessen Aller, und in manchen Fällen von einer eigenlhümlichen Empfindlichkeit oder Unempfindlichkeit für manche Einllüsse, welche letztere besonders durch Gewöhnung an dieselben herbeigeführt werden können, ab,
Auch werden nicht alle Theile des Thicrkörpers von einem und demselben Reize in gleicher Art affizirt, denn das Licht erregt nur das Auge, das Kraut des rolhen Fingerhutes vorzüglich nur den Darmka­nal und das Herz, andere erregen die Leber, die Drüsen clc. In man­chen Fällen erfolgt die Entzündung nicht an den vom Reize belroffe-nen, sondern in einem entfernteren ïhcile.
Hieraus folgt:
a.nbsp; nbsp;dass der krankmachende Reiz mit der besonderen Beschaffen­heit der Theile und mit der Empfindlichkeit derselben in einem be-slimmlen Verhällnisse stehen müsse, wenn die zum Entstehen einer Entzündung erforderliche Reaktion und Unistimmung erfolgen soll; —
b.nbsp; dass aber auch hierzu im ganzen Körper oder in einzelnen Organen eine gesteigerte Empfindlichkeit und Reizbarkeit des peripherischeu Ner­ven- und Haargcfäss-Svsfems für jene Einflüsse, also eine Geneigtheit oder Anlage zur Enlslchnng der Enlzündung vorhanden sein müsse, Diese Anlage, welche man daher auch die vorbereitende oder prädisponirende Ursache nennt, kann angeboren sein (in einer zu grossen Reizbarkeit bestehen), oder zum Theil durch die Gattung, die Ra^-e, das Geschlecht und Alter bedingt, oder durch Clima, Witterung, durch Art der Nahrung und des Dienstgebrauchs u. s. w. erworben sein. So hat z. B. unter unsern Ilausthicren das Pferd die grösste Anlage zu Entzündungen; edlere feinere Ra(;e, das männliche Ge­schlecht, eben völlig ausgewachsene junge Thiere und solche von mitt­lerem Alter besitzen eine stärkere Anlage als andere, und im kalten und geniässigten Klima, bei reiner, trockener, besonders trocken-kalter Witterung, bei vieler und guter Nahrung, bei weniger oder mit anhal­tender Ruhe schnell abwechselnder Anstrengung wird diese Anlage sehr vermehrt.
Im Allgemeinen ist die Anlage zu Entzündungen bei allen gutge­nährten, lebenskräftigen, mit einem straffen Faserbau und mit faserstoff-reichen Blut begabten Thieren vorherrschend.
Verlauf und Dauer der Entzündungen.
Der pathologische Prozess bei den Entzündungen besteht aus meh­reren auf einander folgenden Vorgängen, von denen jeder eine verschie­dene Dauer haben kann. Diese 'Vorgäiige bilden gleichsam Stadien, und ihre Dauer, so wie ilir richtiges Verhältniss zu einander bedingt die Dauer und den Verlauf der Krankheit in den einzelnen Fällen.
Man pflegt vier Stadien zu unterscheiden, und zwar: 1) das Sta­dium des Entzündungsanfanges, das Krampf- oder Froststa­dium. Es beginnt gleich nach der Einwirkung der Enfzündungsursache und es zeigt sich durch Blässe des Theils, oft auch durch Frostschau­der, und bei mikroskopischer Unlersuchnng durch Contraction und Blutverminderung der Haargefässc. Häutig ist es nur sehr kurz oder wird wohl gar nicht wahrgenommeu, besonders wenn entweder der
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22nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Entzündung im Allgemeinen.
leideode ïhcil wenig reich an Nerven ist oder eulgcgengeselzt, wenn eine sehr heftige Heizung staltfand; denn im ersten Falle ist die Er­regung so schwach, dass sie für sich nicht als Störung bemerkbar wird; und im anderen Falle folgen nach der reizenden Einwirkung zu schnell und heftig die Erscheiuungcn des Blutandranges, namentlich Rölhe und Geschwulst. Das zweite Stadium, das der Congestion, be­ginnt darnach sehr schnell, bald (bei schleichenden asthenischen Ent­zündungen) etwas später, und äusset sich durch Rölhe und Ge­schwulst. — Die mikroskopische Ansicht zeigt vermelirten Blutandrang mit Anhäufung vieler Blutkörperchen in den Ilaargciassen und das Sichtbarwerden vieler solcher Gcfässe an Stellen, wo man sie vorher nicht sähe. #9632;— Das dritte Stadium, das der Eutzündungshöhe zeigt äusserlich die Symptome iu höchster Ausbildung. Es beginnt mit der wirklichen Stockung des Blutes in den Haargelässea, und ist mit Aus-schvvilzuug von rolhein Serum, vou Faserstoff oder selbst von Blut aus diesen Gcfässeu in die Zwischenräume des Gewebes der entzündeten Organe begleitet; doch zeigen die Elementarlheilc des Gewebes keine wirkliche Veränderung. — Das vierte Stadium kann als das der Krise oder der Entzündungsausgängc bezeichnet werden, indem sich nun die Entzündung entweder direkt mindert oder ullmälig verliert, oder in­dem sie in Ausschwitzung, Eiterung oder in Brand übergeht. Die mi­kroskopische Untersuchung zeigt iu diesem Stadium stets eine bald grös-sere bald kleinere Menge von neu gebildeten feinen Blutgefässen in dem Gewebe des entzündelcn Theiles, und iu der Regel wird auch, wenn Zerlheilung eintrilt, in den durch die Blutslockung verstopft gewesenen Gefässen die Circnlaliou wieder hergestellt; aber beim erfolgenden Brande hört alle Circulation für immer auf.
Wenn diese Stadien schnell auf einander folgen, hat die Entzündung ei­nen schnellen (akuten) Verlauf, entgegengesetzt aber einen langwieri­gen (chronischen). Letztere nimmt mau an, wenn die Dauer der Ent­zündung über vier Wochen beträgt.
Sowohl die akuten als die clirouischeu Eiitzündungen können auf dreifach verschiedene Weise ein Ende erreichen, oder, wie man es ge­wöhnlich bezeichnet, ihre Ausgänge machen, nämlich:
A.nbsp; nbsp;durch die Ausbildung in den gesunden Zustand;
B.nbsp; durch den Uebergang in einen anderen krankhaften Zustand, namentlich: 1) in Ausschwitzung, 2) in Wassersucht, 3) in Verwachsung, 4) iu Verhärtung und 5) in Eiterbildung; und
C.nbsp; in das örtliche Absterben des Gewebes oder den Brand; und manche Pathologen rechnen hierzu auch noch den durch die Enlziin-dung oft herbeigeführten Tod der Thicrc. Letzteres geschieht jedoch nupasseud, da der Tod in der Regel vielmehr eine Folge der durch die Entzündung oder ihrer andern Ausgänge bewirkten organischen Störun­gen oder auch die Folge der heftigen Aufregung und der endlichen Ueberrcizung der Centraltheile des Nervensystems ist. Die Entzündung selbst kann dabei in einem gewissen Grade bis zum Aufhören des Lebens fortbestanden haben.
A. Die Umbildung der Entzündung in den gesunden Zustand heisst die Zertheilung (Resolutie). Sie kann in jedem Stadium der Entzündung erfolgen, wenn es möglich ist, die uoch fortdauernde Rci-
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Entzündung in) Allgcmoincn.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;23
ziing und das vernurlnic Zuströmen des Blutes anifeuheben, die Circula­tion in den Haargefassen wieder herzuslclien, und die enlstandeuen Aus-schwitzungeu zu beseitigen. Weil aber bei Entzündungen, welche sehlr heftig aufgetreten sind, oder schon einige Zeit gedauert haben, nicht al­lein grüssere und öfters wiederholte Ausschwilzuiigeu erfolgt, sondern die ausgeschwitzten Säfle auch schon geronnen und in verschiedenen Graden fest geworden sind, so gelingt die Zerthciluug bei ge­linden und frisch entstandenen Entzündungen immer leichter und voll­ständiger als bei jenen. Wo die reizende Ursache nicht zu beseitigen ist, z. B. bei fremden Körpern in Wunden, gelingt auch gewöhnlich nicht die Zerlheilung. Sie trilt häullg von selbst ein, ohne Zuthuu der Kunst, in anderen Fallen erfolgt sie selbst bei fleissiger Anwendung zweckmässig scheinender Mittel nicht, selbst da, wo die ausseien Be­dingungen günstig dafür zu sein scheinen. In den ersteren Fällen wird entweder durch den Blutandrang selbst eine solche Erweiterung der Haargefässe erzeugt, dass die Cirkulalion in ihnen wieder frei von stat­ten gehen kann, oder die Empfindlichkeit und Reizbarkeit wird nach und nach so abgestumpft, dass die Enlziindungsursachc ihre Wirkung verliert; oder auch, das Blut verliert durch die Ausschwitzungen und durch kritische Ausleerungen (Schweiss, vermehrtes Uriniren, Durch­fall, vermehrte und veränderte Schlehnabsonderung), seine reizende Be-sehalTenheit. In den Fällen der anderen Art ist man genöthigt, eine ei-genthümliche Disposition oder Anlage zu anderen Ausgängen der Ent­zündung, zu Ausschwitzungen (zur Eiterung, Verjauchung oder zum Brande) anzunehmen.
Die Zerthcilung ist nach ihrem Verlaufe entweder regelmässig oder unregelmässig, und nach ihrem Erfolge entweder vollständig oder un­vollständig.
Bei der regelmässigen Zeitheilung nehmen die Entzündungszufälle allmälig und gleichmässig ab, bis zum gänzlichen Verschwinden dersel­ben, und häufig sind die bezeichneten kritischen Ausleerungen dabei oder vorher zu bemerken. — Unregelmässig geschieht die Zerlheilung, wenn die Symptome entweder sehr langsam und ungleich abnehmen, oder wenn die Krankheit plötzlich an ihrem bisherigen Sitze verschwindet und eine neue Entzündung oder eine andere Krankheit unmittelbar hier­nach an einem andern Orte wieder zum Vorschein kommt. Letzteres hat man das Zurücktreten oder das Wandern der Entzündung genannt.
Bei der vollständigen Zerthcilung bleibt weder von der Enlzündung selbst noch von ihren Folgen eine Spur übrig, während bei der unvoll­ständigen noch einzelne Symptome, wie namentlich die Röthc oder die Geschwulst, oder zuweilen auch die vermehrte Wärme noch durch lange Zeit fortbestehen, nachdem die übrigen Symptome verschwunden sind. Diese fortdauernden Erscheinungen beruhen meist auf einer blei­benden krankhaflen Erweiterung der llaargcfässe, zum Theil aueli auf neuer Bildung derselben, oder auf einer in dem ïheil zurückgebliebenen erhöhten Reizbarkeit.
Die regelmässige und vollkommene Zerthcilung ist in den meisten Fällen der beste und kürzeste Ausgang, namentlich bei den durch me­chanische, chemisch irritirende und physikalische Einflüsse entstandenen
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24nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Entzündung im Allgemeinen.
Entiündungen; dagegen ist sie in der Regel nicht zweckmässig bei sogenannten krilisclien Entzündungen, welche bei oder nach fieberhaf­ten Krankheiten, bei im Abheilen begrillenen Exauthemen und bei Dys-krasien als Folge derselben entstanden sind; ebenso bei den Entzün­dungen, welche sich zu gequetschten, gerissenen oder mit einem Krank-heitsstolle verunreinigten Wunden finden, und eben so nach manchen Operationen, bei denen es zum Zweck gehört, entweder mittelst plasti­scher Ausschwitzuug die Verwachsung getrennter Theile, oder die Ver­narbung mittelst Granulation, oder auch die Abslossung kranker Ge­bilde durch Eiterung herbeizuführen.
B.nbsp; nbsp; nbsp;Der Uebergang in andere (S. 22 genannte) krankhafte Zu­stände ist eigentlich kein wirklicher Ausgang der Entzündung, da die letz­tere gewöhnlich nicht aufhört, wenn diese krankhafte Zustände einge­treten sind, sondern auch, bald mehr bald weniger vollständig, durch einige Zeit neben denselben fortbesteht. Diese anderen Krankheltszu-stäude sind als die nächsten Folgekrankheilen der Entzündungen zu be­trachten und in ihren Zufällen, in ihrer Bedeutung und in der kurati-ven Behandlung sehr abweichend von denselben Momenten bei den Entzündungen. Eben so ist es
C.nbsp; mit dem Brande. Diese Zustände verlangen daher eine abge­sonderte Darstellung. (Siehe Capitel 2 — 4.)
#9632;Verschiedenheiten der Entzündungen.
Obgleich der Eutzündungsprozess seinem Wesen nach sich in den einzelnen Fällen gleichartig verhält, d. h. überall bei Entzündung Reizung mit Congestion, Stasis und Exsudation in den Haargefassen besteht, so wird doch durch die verschiedene Organisation und Funk­tion der speziell ergritrenen Theile, durch die individuelle Empiinelich-keit und Reizbarkeit eerselben oder des erkrankten Thicres, durch die Kräfte (Energie) und die Beschaffenheit dos Blutes der leidenden Thiere, durch die Stärke uud die Art der Ursachen u. s. w. nicht allein das Krankheitsbild in den einzelnen Fällen verändert, sondern die Entzün­dungen erhalten auch in ihrer inneren Qualität besondere Eigenthüin-lichkeiten, die sich durch Abweichungen im Verlaufe, durch die vor­waltende Neigung zu dem einen der dem andern Ausgange u. dcrgl. kund geben.
Man hat nach diesen Verschiedenheiten die Entzündungen ver­schiedentlich benannt und eingelheilt:
A.nbsp; nbsp; Nach den Ursachen: a) in traumatische (Wundentzünduu-gen), welche durch mechanische Einwirkungen, uud 6) in spezifi­sche, welche durch eigeuth um liehe Ursachen, z. B. hohe Grade von Hitze oder Kälte, durch Krankheitsgifte, durch scharfe oder ätzende Stoffe u. dgl. erzeugt werden. Beruhet der spezifische Charakter auf einer krankhaften Mischung der Säfte, so heisst die Entzündung eine dyskratische. Dieselben sind als complicirt zu betrachten. Die trau­matischen Entzündungen dagegen erscheinen verhältuissmässig am häu­figsten als die einfachsten, obwohl sie auch mit anderen Krankheitszu-ständen sich compliziren können.
B.nbsp; nbsp;INach dem Orte bezeichnet man die Entzündungen a) hinsichtlich des ergriffenen Organs, z. B. als Augeneutzündungeu, Ohreuentzüuduu-
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Verschiedenheiten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 25
gen u. s. w. (was in die spezielle Pathologie und Chirurgie gehört); ö) hinsichllich des afllzirten Gewebes; als: 1. Hautentzündung. Nur die Lederhaut entzündet sich, die Oberhaut wird aber dabei mit verändert, trocken, gespannt, zuweilen rissig, oft durch unter ihr aus­geschwitztes Serum in Form von Bläschen (Phlyctaenac oder Bullae) erhoben und abgeslosscn oder zum trocknen Abslossen (Abschuppen) gebracht, und sehr oft fallen die Haare dabei aus. In manchen Fällen leidet das auf der Lederhaut liegende lymphatische Gefiissnetz beson­ders mit, und zuweilen erstreckt sich die Entzündung auch auf das un­ter ihr liegene Zellgewebe. In beiden Fällen pflegt man diese Entzün­dungen als die Rose oder den Roth lauf (Erysipelas) zu bezeichnen. Die Hautentzündungen sind zuweilen sehr schmerzhaft; sie gehen in Zerthcilung, in Ausschwitziing, hierdurch in Verdichtuug, (zuweilen in hornartigej Verdickung, Eiterung oder Brand über. Gewisse Reize, z. B. die Canthariden, sind als spezilische Ursachen zu betrachten.
2)nbsp; Entzündungen des Zellgewebes (Phlegmoue). Sie kommen häufig vor, und erreichen im Verhäitniss der Ursachen eine bedeutende Ausdehnung; das Zellgewebe wird durch Ausschwitzung schnell ver­ändert, ödematös oder verdickt und das Fett wird dabei aus ihm bald mehr bald weniger verdrängt; oft entstehen abnorme Verwach­sungen und Verhärtungen, oder Eiterung mit schneller Auflösung des Zellgewebes und mit weiter Verbreitung der Eiterung, oder auch Ver­jauchung, besonders bei chronischen Entzündungen. Auch der Brand verbreitet sich in ihm schnell.
3)nbsp; Entzündungen der Schleimhäute sind ebenfalls sehr häutig, und stellen auch einige chirurgische Krankheitsformcn dar. Ihre wich­tigste Eigenthümlichkeit ist die veränderte Absonderung, die jedoch nach dem Grade und dem Stadium variirt, wie dies bereits oben bei den Symptomen angedeutet ist. Zuweilen tritt zu dem eiwcissarlig verdick­ten Schleim noch Faserstoff, und es bilden sich dann auf der Ober­fläche der Sehleimhaut falsche Häute. Auch Bläschen entstehen, wie bei Hautentzündung, und die Ausgänge sind wie bei dieser. — Wenn die Entzündung der Schleimhäute durch Erkältung entstanden ist, trägt sie einen dyskratischen Gharaktcr an sich und wird als katarrhali­sche bezeichnet.
4)nbsp; nbsp;Entzündung der serösen Häute. Sie kommen im Gebiete der Chirurgie seltener vor, bilden aber sowold für sich wie auch in ih­ren Fo\gen besondere Krankheitsformen an den Gelenken, Sehnenschei­den und in den grossen Höhlen (die Gallen- und akuten Wassersüch­ten). Sie entstehen zuweilen direkt, häufiger aber durch antagonisti­sche oder metastatische Ueberlragung einer Reizung; ihr Verlauf ist mehrentheils sehr akut, der Ausgang häutiger als an andern Gebilden in rölhliche seröse und in fibrinöse Exsudation und in Verwachsung.
5)nbsp; Entzündung der fibrösen Gebilde, der Sehnen, sehnigen Aus­breitungen, der Sehnen- und Muskelscheiden, der Bänder, der Beinhaut etc., sind häufige und mehrentheils sehr schmerzhafte Leiden, besonders oft die Ursache der Lahmheiten, indem die entzündeten Schnenfasern sich verdicken und verkürzen. — Sie entstehen traumatisch, am häu­figsten aber durch Erkältungen, und tragen im letztern Falle den Cha­rakter einer Dyskrasie, nämlich den rheumatischen Krankheits-Cha-
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26nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Entzündung.
rakter au sich; ilu-e Ausgänge sind: Zerlheiluug, Exsudat von Blut und FaserstolT, Verdickung des Gewebes, knorpelartige Vefhäii ung, Kno-chenaufiockeruug oder Knochenauswüclise, selten Eiterung und Brand. Sie neigen mehr als andere zu Rückfällen.
6)nbsp; Entzündung des Muskelgewebes. Sie hat ihren Silz in den Haargeiassen des, die rothe Muskelfaser umkleidenden Zellgewebes, äus-sert sich besonders durch grössere Derbheit, Dicke, Verkürzung und durch bald mehr bald weniger Unbeweglichkeit der Muskeln, und ent­steht durch traumatische, cheuiischc und physikalische Einwirkungen. Sie trägt daher auch zuweilen den rheumatischen Charakter au sich. Im erstem Stadium kann sie sich zei'lhcilen; im zweiten Stadium, wo um die Muskelfasern Ausschwilzuug und selbst Eiterung besteht, gelingt die Zertheilung nur unvollständig, und später entsteht gewöhnlich Erwei­chung, Verjauchung oder selbst Brand.
7)nbsp; Knochen ent Zündungen entstehen sowohl traumatisch wie auch häufig durch Dyskrasien. Sie entwickeln sich stets langsam, sind aber gewöhnlich sehr hartnäckig, meist chronisch und immer, wenig stens in der ersten Zeit, sehr schmerzhaft. Oft erfolgt Zertheilung, noch ölter Ausschwitzung einer plastischen Materie, die beim Starrwerden Verdickung der Knochen, Auswüchse, und an verletzten oder gebroche­nen Knochen die Verwachsung durch eine Beinnarbe (Callus) erzeugt. Zuweilen entsteht Auflockerung der Knochensiibslanz, oder auch Eite­rung, Verjauchung (Caries) und Brand (Necrosis). Nach diesen ver­schiedenen Ausgängeu nehmen Manche noch besondere Arten von Kno-cheuentzündungen an. (Siehe Knochenentzündung im Speziellen).
8)nbsp; Entzündungen in den Knorpeln bilden sich im Allgemeinen sehr unvollständig, jedoch nach den physiologischen Verschiedenheiten derselben, auch verschieden aus, und sind noch nicht vollständig be­kannt.
9)nbsp; Entzündungen der Blutgefässe können durch mechanische Ver­letzungen und durch andere spezifische Einwirkungen an Arterien und Ve­nen entstehen, sind aber im Ganzen nicht häufig. Sie beginnen am gewöhnlichsten von der äussern (Zcllgewebs-) Haut, zuweilen aber auch von der Innern, und dringen bald mehr bald weniger in die andern Häute ein, verdicken dieselben, machen sie mürb, und verengen das Lumen der Gefässe; oder es erfolgt von der inneren Haut Ausschwiz-zung von FaserstotT, der entweder in Form von Schichten gerinnt, oder mit dem Blute Pfropfe bildet, und hierdurch die Circulation in den kran­ken Theilen der Gefassc aufhebt. Zuweilen entsteht auch wirkliche Ei­terung, mchrentheits in Form von Fisteln, seltener in begrenzten Abscessen.
10)nbsp; nbsp;Die Entzündungen der Lyraphgefässe kommen sehr oft bei Pferden, sehr selten bei den übrigen Thicren vor, und werden gewöhn­lich durch spezifische, besonders dyskratische, Ursachen erzeugt. Sie sind stets mit sehr bedeutender Anschwellung dieser Gcfässe, gewöhn­lich auch mit ödematöser Anschwellung und oft auch mit grosser Em­pfindlichkeit begleitet, und gehen in Zertheilung, in Ausschwitzung, Verhärtung und Verwachsung, oder auch in Eiterung über. Fast im­mer leiden die nächsten Lymphdrüsen mit, — wahrscheinlich durch die ihnen zugeführte veränderte Lymphe bedingt.
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Verschiedenheiten.
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11)nbsp; nbsp;Die Nerven und deren Scheiden leiden durch die in den letzteren befliidlicheu Ilaargefusse auch an Entzündungen, jedoch sind sie selten allein aflizirt. Die örtlichen Zeichen dieser Eulzündungcn sind die aligemeiuen, ausserdem aber je nach der Function der betrof­fenen Nerven, in den einzelnen Fällen sehr -verschieden. Es erfolgt olt Zeilheiluug, zuweilen Ausschvvitzuug und Verdicknng, Erweichung und Eiterung.
12)nbsp; nbsp; Entzündungen drüsiger Organe entstehen seltener durch örtliche, besonders iiiccliaiusclie Einwirkungen, häufiger durch spezifi­sche Ursachen, und haben sehr oft eine Neigung zum chronischen Ver­lauf und zur Verhärtung. Ausser den gewöhulichen Symptomen findet man auch die Absonderung in der leidenden Drüse gestört. Die Aus­gänge sind Zerlheilung, Verhärtung, Eiterung, wobei oft der Eiter sehr dünn ist. Zuweilen trilt auch Verjauchung und Brand ein.
C.nbsp; nbsp; Nach dem Verhältniss ihrer Entstehung und ihrer Beziehung zu anderen Krankheiten bezeichnet man die Entzün­dungen als primäre und sekundäre, als idiopathische, sympa­thische oder consensuclle und als symptomatische, als pro-topathische und deuteropathische, ganz nach den Begriffen die­ser Worte in der allgemeinen Pathologie.
D.nbsp; nbsp; nbsp;Nach dem Verlaufe sind sie: akute, chronische, wie­derkehrende, inlermittirende (periodische), festsitzende und wandernde, regelmässige und unregelmässige Entzündungen.
E.nbsp; nbsp; nbsp;Nach der Tendenz zu einem bestimmten Ausgange werden sie (nach Hunter) als Zertheilungs-Entzündungen, als adhaesive oder Verwachsungs - Entzündungen, als exsudative oder Ausschwitzungs-Eulzündungen, als umändernde oder degenerirende Entzündungen, als suppurative oder Eitcrungs-Ent-zündnngen, als gangränöse und sphacelöse oder brandige Entzün­dungen, und als schwärende oder exulcerätive Entzündungen be­zeichnet.
F.nbsp; nbsp;Die für die Therapie wichtigste Unterscheidung der Entzündun­gen ist die nach ihrem Vitalitäls-Charakter. Man findet nämlich: 1) Entzündungen, bei welchen die Symptome auf eine erhöhte Tbä-tigkeit des Gefäss- und Nervensystems, namentlich aber der Arterien hindeuten; — 2) in anderen sieht man die arterielleThätigkeit und die Energie überhaupt vermindert; — und bei der letzteren ist die Sensi­bilität über die anderen Symptome bald sehr vorwaltend^ bald auch unverhältuissmässig zu gering. Hiernach unterscheidet man zwei Gal­tungen von Entzündungen, und bei der zweiten Gattung noch Varietä­ten, nämlich:
1) synochöse l), sthenischc 2), hypersthenische s), active, arterielle Entzündungen. Sie scheinen hauptsäch-lich auf einer Beizung des arteriellen Thelles der Ilaargeßisse zu be­ruhen. Die Reizbarkeit und die Energie ist krankhaft in dem entzün-
*) Von Synocha, anhaltendes Entzündungsficber (von OVW^ttVj zusam­menhalten.)
J) Von Sthenia, erhöhte Lebensthätigkeit (von cd'evog, Kraft). #9632;,) Von iurit), libermässig, und Sthenia.
#9632;
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Entzündung.
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detcn Theilc (zuweilen auch im ganzen Gefasssysteme) gesteigert; die Entzündiingsgcschwulsl ist sehr gespannt und derb, der Schmerz und die Hitze ist im richtigen Verhiiltniss hierzu, letztere macht zuweilen in der untersuchenden Hand ein brennendes, aber kein stechendes Ge­fühl; die Arterien in der Nähe pulsiren sehr stark, im übrigen Körper sind sie hart und gespannt; die weisse unbehaarte Haut ist dunkelroth, die schwarze sehr glänzend; die Schleimhäute sind lebhaft gerölhet (bei Entzündungen innerer Organe aber, wegen der Blutanhäufung in denselben, oft ganz blass). Die Sekretionen werden vermindert, bei den höheren Graden auch ganz unterdrückt. Besteht Fieber, so tritt es mit Heftigkeit auf. Das dein Thiere entzogene Blut gerinnt schnell und gleichmässig, ohne viel Serum oder FaserstoiF auszuscheiden, und wenn sich in einzelnen Fällen eine sogenannte Speckbaut bildet, ist dieselbe dünn und sehr zähe. Reizende Einflüsse steigern die Zufälle, schwä­chende vermindern sie. Der Verlauf dieser Entzündungen ist akut; sie können aber ihren Charakter ändern, und dann auch chronisch wer­den. Ihre Ausgänge sind Zertheilung, welche nach Entfernung der Ur­sachen und bei zweckmässiger Behandlung leicht gelingt, — sonst aber plastische Ausschwilzung, gutartige Eiterung, oder auch Brand. Sie kommen bei kralligen Tliieren, welche einen straffen Faserbau ha­ben, bei reiner, kalter Luft und nach stark reizenden Einwirkun­gen vor.
2) Asthenische 1), atonische 2), adynamische s), passi­ve, venöse Entzündungen. Sie bestehen mit einem gesunkenen To­nus der Blutgefässe und des Herzens, mit mehr sichtbarer passiver An­häufung des Blutes in den Venen, und mit verminderter Energie in den Wirkuugsäusserungen der irritablen Fasern. Die Entzündungsgeschwulst ist mehr ausgedehnt, weich, wenig gespannt, die Röthe dunkel, bräun­lich oder bläulich, zuweilen marmorirt, mehr oder weniger mit sicht­baren Gelassen verschen; der Schmerz und die Hilze sind zuweilen sehr gross, letztere selbst siechend, in anderen Fällen ist bald der Schmerz, bald die Hitze wieder nur gering. Ueberhanpt ist oft keine Uebereinslimmung der Symptome zu bemerken. In Absonderungsorga­nen, welche an diesen Entzündungen leiden, wird das Sekret reich­licher und in veränderter Beschaffenheit, consistenter, zuweilen mit Blut gemengt, ausgeschieden, Der Herzschlag ist stark fühlbar, die Arterien sind weich und pulsiren schwach; die Schleimhäute sind blass-roth oder schmutzig rolh; die Bindehaut ist oft mit ungleich röthlichen, gleichsam verwaschenen Flecken versehen. Das Blut gerinnt langsam, trennt sich dabei in seine Bestandtheile, bildet eine dicke, weiche, oft gallertartige Speckhaut, und der Blutkuchen ist mit vielem Serum umge­ben. Die Zeitheilung erfolgt schwieriger als bei den sthenischen; sie bilden eher Verhärtungen, und bei einem hohen Grade entsteht leicht zerstörende Eiterung oder Brand. Sie entwickeln sich entweder unmit­telbar in schlallen, lebensschwachen Körpern, und bei schwächenden
') Von ugd-evdg, Mangel an Kraft,
') Von Tóvèg, Spannkraft, u. a = Mangel daran.
3) Von óiivu/ug, Kraft, u. a = Mangel daran.
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Vorhersagung.
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Einwirkungen, z. B. feuchtwarmer Witterung, verdorbener Luft u. dgl., oder sie entstehen mittelbar aus sthenischen Entzündungen durch Er-schönfung in Folge von Ueberreizung, oder wenn zu sehr schwächende Einflüsse auf das Tliicr wirken, z. B. zu reichliche Blutentziehungen, der zu reichliche Gebrauch des Calomels u. s. w.
In denjenigen Fällen, wo die Aeusserungen der verminderten Lc-beusthätigkeit in den Gefässen und Nerven glcichmässig in einem mas­sigen Grade bemerkbar sind, heissen die Eulzündungen schlccbthin asthe­nische. Wenn aber bei diesen Entzündungen, wie inv Vorstehen­den angedeutet worden, die Empfindlichkeit und das Beactionsvermö-gen sehr gesunken sind, so pflegt man sie als Entzündungen mit Torpor ') (lorpide Entzündungen) zu bezeichnen; und wenn, ent­gegengesetzt, die Sensibilität unverhältnissmässig gesteigert über die an­dern Symptome hervortritt, heissen diese Entzündungen erethische2). Solche asllienische Entzündungen, welche mit Auflösung und fauliger Zersetzung des Bluts, mit Extravasalen, und mit einem aslbcnisch-fie­berhaften Zulande complicirt sind, heissen faulige (putride) oder typhöse ') .
Vo^hersa^'UIl^#9632; (Prognosis) bei Entzündungen im Allgemeinen. Die Beurtheiluug einer Entzündung nach ihrer Bedeutung für das alficirte Organ und für das Leben des 'Ihieres, nach ihrer Dauer und ihren Ausgängen stützt sich auf die genaue Kenntniss der BcschaBeu-heit, der Stärke und Dauer der Gelegenhcitsursachen und auf die Mög­lichkeit oder Unmöglichkeit, dieselben zu entfernen; ebenso auf die Kenntniss der Eieenthümlichkeit des kranken Thieres nach Gattung, Alter, Ba?e, Constitution, Entzündungsanlage u. s. w.; auf die Eigen-Ihümlichkcit des entzündeten Organs hinsichtlich des Baues, des Gc-fäss- und Nervenreichlhums, der Funktion und Wichtigkeit für die Er­haltung des Körpers; auf den herrschenden Krankbeits-Charakler, so wie auf den Charakter, den Grad, den Sitz, die Ausbreitung, die Dauer und den einfachen oder complizirtcn Zustand der Entzündung selbst; auf die zeitige und zweckmässige oder die verspätete und unzweckmäs-sige Hilfe; auf die schon eingetretenen Veränderungen und — auf etwa bestehende anderweitige Krankheitsverhältnissc.
Hinsichtlich der Letzteren muss hier zunächst erinnert werden: dass die Chirurgie nicht jede Entzündung für eine schädliche Krankheit, son­dern sehr oft für einen Vermittelungsprozess zur Heilung betrachtet, und deshalb nicht überall die Entzündung unterdrückt, sondern sie oft künstlich erregt oder befördert, wenn sie fehlt oder zu gering erscheint. Dies ist der Fall 1) wenn getrennte, Theile sich wieder vereinigen sol­len; — 2) wo Substanzverlust durch neue Bildung von Fleischwärz-chen ersetzt und für diesen Zweck ein Eilerungsprozcss eingeleitet wer­den soll, und — 3) wenn bei wichtigen Krankheiten, besonders inne­rer Organe, sich äusserlichc (kritische) Entzündungen unvollständig ent-
') Von Torpor, Erstarrung, Gefühllosigkeit. ^ Von 'Eotamp;igw, reizen, nervös reizen, •) Von Tvrpóu), Betäubung machen.
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30nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Entzündung.
wickeln, oder wenn man bei innern Entzündungen, Metastasen u. s. w. il :nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; durch eine künstlich erzeugte äussere Entzündung eine Ableitung von
den inneren oder tief liegenden Theileu, oder Auflösung und Zertheiluug von Verhärtungen u. s. w. bewirken will.
Dagegen sind alle Entzündungen, welche nicht für solche Heil­zwecke dienen, als nachtheilig zu betrachten.
Im Allgemeinen sind die Entzündungen ohne Fieber vcrhältniss-mässig gutartiger, als solche mit Fieber, und je heftiger und andauern­der der Frost bei demselben war, um so eher ist ein übler Ausgang zu befürchten; slhenische nnd einfache Entzündungen sind schneller und leichter zu heilen, als asthenische und complicirte, traumatische besser, als dyskratische. In zarten, gefass- und nervenreichen Organen sind üble Ausgänge sehr zu fürchten, besonders bei hohen Graden der Entzündung. Wenn man die Ursachen leicht beseitigen kann, ist ge­wöhnlich die Zertheilung zu hoffen, entgegengesetzt steigert sich ge­wöhnlich die Entzündung bis zum höchsten Grade, und führt andere Ausgänge herbei. Je neuer die Eulzündung entstanden, und je früher die zweckmässige Behandlung eingeleitet ist, um so eher gelingt, die Zertheilung. Den Eintritt derselben erkennt man an dem Nachlassen der Entzündungszufalle, an dem Freiwerden der gestörten Funktion, an der Abnahme oder dem Verschwinden des Fiebers, nnd oft auch an dem Eintritt kritischer Erscheinungen; namentlich wird die Haut wieder feuchter, der Urin reichlich und mehr mit Schleim und Salzen gesät- gt; tigt, und der Koth weicher.
Dass Eiterung erfolgen werde, ist zu vermuthen: wenn bei Ent­zündungen äusserlicher Theile die Geschwulst mehr rundlich hervor­tritt, oder selbst eine fast spitzige Erhöhung bildet; wenn in derselben ein klopfendes Gefühl zu bemerken ist; wenn die Entzündung in glei­cher Heftigkeit über 5—7 Tage fortdauert, oder selbst noch zunimmt, und wenn das Fieber zwar nachgelassen hat, dafür aber von Zeit zu Zeit wiederholte Frostschauder eintreten. Bei dem wirklich erfolgten Uebergange in Eiterung wird die Geschwulst in der Witte weich (lluk-tuirend), daselbst werden die Haare locker und die Haut gelblich oder weiss. — Die Bedeutung der Eiterung ist je nach dem Organ, nach der Beschaffenheit, Dauer u. s. w. sehr #9632;verschieden. (Siehe das Capi-tel von der Eiterung).
Der Uebergang in Ausschwitzungen und in die Folgekrankheiten derselben ist besonders bei Entzündungen seröser Häute zu fürchten, namentlich wenn sie während mehrerer Tage im gleichen Grade fort­bestehen. Ihr erster Anfang ist aber durch keine besonderen Merkmale bezeichnet, sondern man erkennt sie gewöhnlich erst dann, wenn durch die exsudirte Flüssigkeit entweder der Umfang, die Form und die Co-häsion der leidenden Theile geändert, z. B. eine Wassergeschwulst (Oe-dem) oder eine Galle gebildet, oder wenn die Function gestört ist. (Siehe zweites Capitel.)
In den Brand gehen am öftersten diejenigen Entzündungen über, welche nach heftigen Einwirkungen entstehen, z. B. nach heftigen Ver­brennungen, Erfrieren, hohen Graden von Quetschung u. dgl., über-
hau wenn
diejenigen, welche sehncll einen sehr hohen Grad erreichen, oder, j^j Faulfieber oder Typhus besteht; bei verdorbener Stallluft u. s. w. \
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T
Behandlung.
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.„nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Einen tödtlichen Ausgang muss man befiirchlen, wenn bei einem
'vonnbsp; nbsp; nbsp;Jiohen Grade der Entzündung die Kräfte des Thiers sehr sinken, wenn
nnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;die Funktion eines zur Erhaltung des Lebens wichtigen Organs sehr
0nbsp; nbsp; nbsp;gestört ist. der Puls klein, schwach und zitternd ist, gt;— oder wenn bei
jjejj.nbsp; nbsp; nbsp;bestehendem Brande sich derselbe immer weiter verbreitet.
Behandlung der Entzündungen im Allgemeinen, tniss* ..o-r..nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Be' der Behandlung der Entzündungen hat man in der Regel die
Absicht, die Zertheilung zu bewirken, und nur da, wo dieselbe schäd­lich werden könnte (wie z. ß. bei den kritischen Entzündungen) oder wenn bereits andere Ausgänge erfolgt sind, findet eine denselben ent­sprechende andere Behandlung statt.
Um die Zertheilung herbeizuführen, müssen folgende Heilanzeigen erfüllt werden:
I. sind die Gelegenheitsursachen zu entfernen; II. ist die Entzündung selbst nach ihrem Charakter umzustimmen
und nach ihrem Grade zu reguliren, — und III. ist die Wiedergenesung zu bel'ördcrn.
Da die Entzündungen so verschiedenartig hinsichtlich der Ursachen,
I des Charakters, des Grades, des Ortes u. s. w. erscheinen, so können
I auch hiernach diese Heilanzeigen bald nur einfach, eine jede für sich,
genügen, und bald wieder müssen sie sämmtlich in Betracht kommen.
Eben so können zu ihrer Erfüllung in den einzelnen Fällen, nach jenen
Verschiedenheiten auch verschiedene Mittel in Anwendung kommen.
Die Behandlungsvvcise ist entweder nur örtlich, oder allgemein, oder beides zugleich. Erstere ist ausreichend, wo örtliche Ursachen noch fortwirken, wo nur örtliche Enlzündungszufälle im unbedeutenden Grade bestehen und wo das leidende Organ weder von grosser Zart­heit noch von besonderer Wichtigkeit für die Erhaltung des Lebens ist; aber unter entgegengesetzten Umständen, und wo Dyskrasien mit­wirkend sind, ist stets auch eine allgemeine Behandlung nöthig.
1. Die Entfernung der Ursachen geschieht, je nach der Art derselben. Sogenannte fremde Körper, z. B. eingetretene Nägel, Glas­splitter, Kugeln u. dgl. müssen vorsichtig ausgezogen, drückendes Ge­schirr oder ein drückendes Hufeisen müssen abgenommen, eingebogene Hornrändcr, einschnürende Sehnenfasern durchschnitten, chemisch ein jgreifende Stoffe müssen mit schleimigen Mitteln, mit Fetlen oder fetten lOelen eingehüllt und abgewaschen, grelles Lieht und Zugluft abgehal­ten werden. Da, wo Mischungsfehler des Blutes bestehen, müssen die­selben durch innere umändernde Mittel und durch eine entsprechende Diät beseitigt werden.
Oft gelingt es, blos durch Beseitigung der Gelegenheitsursachen 'und durch ein zweckmässiges diätetisches Verhalten die Entzündung zu mindern oder ganz zum Verschwinden zn bringen, namentlich wenn sie nur in einem gelinden Grade besteht. In der Regel darf man aber hierauf allein nicht vertrauen, weil dabei eben so oft die einmal entstandene Reizwirkung fortdauert, die Entzündung zu einem höhern Grade sich entwickelt, und somit die zur anderweitigen Behandlung
( 'gunstige Zeit ungenützt verlliesscn würde. Nicht seilen ist aber auch eine eigentliche gegen die Ursachen gerichtete Behandlung gar nicht
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32nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Entzündung.
anwendbar, weil dieselben entweder ganz unbekannt oder sclmell vor­übergegangen sind. Aus diesen Gründen ist gewöhnlich auch die Er­füllung der zweiten Heilanzeige nöthig.
II. Die dieser Indication entsprechende Behandlungsweise im Gan­zen wird mit dem Namen entzündnngswidrige oder antiphlo-eistische Methode bezeichnet, und die dabei gebräuchlichen Mittel heissen entzündungswidrige oder antiphlogistische •).
Die hierher gerechneten Mittel stehen im Allgemeinen hinsichtlich ihrer Wirkungen den pathologischen Verhältnissen der Entzündungen direkt entgegen; denncrcli aber besitzen sie nicht eine durchaus gleiche Wirkungsweise, und sie müssen daher sorgfältig dem qualitativen Ent-zündungs-Charaktcr entsprechend ausgewählt werden. Sie wirken ent­weder auf Verminderung der Blutmenge im Körper, oder auf wirkliche Ableitung des Blutes von dem entzündeten Theile, oder auf Verände­rung der entzündlichen Blutmischung, namentlich auf Verminderung der gerinnbaren Bestandlheile des Blutes, oder auf Herabslimmung der krankhaft erhöhten Neryenthätigkeit, oder auf Beförderung der Resorp­tion. Manche dieser Mittel vereinigen mehrere Wirkungen und oft ge­nügt eins von ihnen zur Erfüllung der Anzeige; oft aber muss man ei­nige mit einander verbinden, um den Zweck zu erreichen. Dabei müs­sen sie mit Rücksicht auf den Grad der Entzündung, so wie auf die Art, Grosse und Constitution des betreffenden Thieres, und mit Rück­sicht auf die eintretenden Wirkungen in entsprechender Gabe und Dauer angewendet werden.
A. Bei synochösen oder sthenisehen Entzündungen,
Hier ist die Aufgabe: die krankhaft aufgeregte Lebensthätigkeit im Gefäss- nnd Nervensystem und im Blute bis zu dem normalen Grade, oder selbst noch unter denselben, herabzustimmen. Das wirksamste und wichtigste Mittel für diesen Zweck ist die allgemeine Blut-entzichung oder das Aderlassen. Durch einen allgemeinen Ader-lass wird nicht allein die Menge des Blutes vermindert, sondern auch das Blut dünner gemacht, indem hiernach die Resorption des Serums aus dem Zellgewebe u. s. w. reichlicher erfolgt, daher das Blut mehr serös, mit vielem unvollständigen Faserstoff, aber mit weniger Blutkör­perchen versehen, erscheint; dadurch wird aber die Zertheiluug beför­dert, indem die Äusschwitzungen wieder aufgesogen, und dann auch die stockenden Blutkügelchen eher in Bewegung gesetzt werden; aus-serdem wird mit der Verminderung der Blutmasse auch der Andrang des Blutes zu dein Entzündungsheerdc, und somit die Entzündung in allen ihren hiervon abhängigen Erscheinungen gemindert; und endlich, es wird auch die Nervenreizung örtlich und in den Centraltheilen her­abgestimmt, und dadurch der Schmerz und das Entzündungsfieber ver­mindert. Man erklärt Letzteres auch daraus, dass angeblich durch den Blutverlust die Reizbarkeit des Herzens vermindert werden soll; allein
') Von Phlogiston, BrennslolF, den man ehemals für die innere Ursache der Entzündungen hielt. Streng genommen kann man also nur diejenigen Mittel für antiphlogistische halten, welche gegen die active AufPegung des Blu­tes wirken.
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Behandlung.
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nach mehrfältigen Versuchen ist dies nicht richtig, sondern nur die Contractionskraft oder die Spannkraft der Fasern nimmt verhältniss-mässii; ah 1).
Der Aderlass ist demnach bei allen synoehösen Entziin düngen an­gezeigt, welche mit Heftigkeit auftreten, oder in kurzer Zeit einen ho­hen Grad erreicht haben, besonders aber, wenn sie in jungen, kräftigen, vollblütigen Tbieren und in zarten, für das Leben wichtigen Organen entstanden, und mit einem Entzündungsfieber verbunden sind. Er nutzt in diesen Fällen stets um so mehr, je früher er in angemesener Grüssc gemacht wird, und je schneller aus einer grossen Oetfnung das Blut liiesst. Man wählt deshalb hierzu die grosseren Venen, namentlich die Drossclvene. Ehemals glaubte man, der Aderlass in der Nähe des eut-zündelcn Organs sei viel wirksamer als der an entfernteren Stellen; dies ist aber hinsichtlich der allgemeinen Wirkungen dieser Blutent-leerungen nicht erwiesen, da dieselben sich von jeder Stelle her gleich-massig über den ganzen Körper verbreiten. Eben so sind auch, der Erfahrung zufolge, die Ulutentleerungen aus Arterien nicht erkennbar nüttzlicher als die aus Venen.
Die d'rösse des Aderlasses oder die Menge des zu entleerenden Blutes ist im Allgemeinen nur annähernd als eine mittlere Menge zu bestimmen, nämlich: bei Pferden und Rindvieh von mittler Grosse auf 8—12 Pfund, bei Schafen 8—12 Unzen, bei Schweinen 12—16 Un­zen, bei Hunden so viel Unzen als sie Pfunde schwer sind, bei Katzen 1 — 4 Unzen. Richtiger ist es, mit Berücksichtigung der Grosse und Conslilnlion des Thieres und des Grades der Entzündung so viel Blut: zu entleeren, dass die Wirkungen hiervon zu erkennen sind, d. h. bis der Puls etwas von seiner Härte und Spannung verliert, der Herzschlag mehr fühlbar, das Allnnen etwas freier, die Nasen- und Maulschlehn-haut (auch wohl die äusscre Haut) mehr feucht, der Blick elwas mun­terer, der Kopf mehr aufgerichtet wird. Auf alle diese Erscheinungen ist freilich nicht immer zu warten, aber die eine oder die andere tritt doch gewöhnlich ein.
Sehr oft nehmen nach einem entsprechend reichlichen Aderlass die Entzündungszufälle bald ab, und die Zertheilung erfolgt; in anderen Fällen dauern aber die Ersclieinnngen gleichmässig fort oder sie nehmen sogar noch zu. In den beiden letzteren Fällen muss, wenn übrigens der sthenische Charakter fortbesteht, der Aderlass wiederholt werden. Dies kann zu jeder Zeit nach dem ersten Aderlass geschehen; gewöhn­lich wartet man aber einige Stunden nach demselben, um die Wirkun­gen sowohl der Blutentleerung wie auch der übrigen angewendeten Mittel um desto sicherer zu beobachten, und nur da, wo bald nach dem ersten Aderlass die Zufalle mit Heftigkeit zunehmen, geschieht die Wiederholung desselben bald nach ihm. Die Beschaffenheit des ent­leerten Blutes nach dem erfolgten Gerinnen desselben (Siehe S. 19.) verdient zwar viele Mitbeachlung, kann aber für sich aliein nicht ent­scheiden, ob eine Blutentleerung wiederholt werden soll, oder nicht.
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*) Ich wiil mich hier nichl auf einen Streit darüber einlassen, aber es ist sicher nicht richtig, wenn man behauptet, der Aderlass bewirke einen stär­keren Tonus in den Capillarien und dadurch Zertheilung der Entzündung.
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34nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Entzündung.
b) Oerlliche Blutentlecrungeu. Als solche (obgleich streng genommen nicht ganz richtig) betrachtet mau die Blutungen aus Ein-schnil ton (Skai'iticationeu), welche in das cnlzündete Gewebe oder in dessen Nähe gemacht werden und die durch Blutegel erzeugten 1). Die Einschnitte #9632;werden ir.ittelst einer Lanzette oder eines Mes­sers mchrfiiltig und mehr oder weniger lief in den entzündeten Thcil gemacht, so dass mehrere der kleinem Cefässe desselben geöiluet wer­den, und ibr zum Thei stockendes Blut entleeren. Den Ausfluss beför­dert man dann durch wiederholtes Beslreicbeu der Wunden mit einem feuchten Schwämme. Es wird dadurch der Stockung entgegengewirkt oder dieselbe, wo sie bereits besteht, beseitigt, und die Wechselwirkung des stockenden Blutes mit den Nerven verhindert, und hierdurch die Spannung, die Hitze und der Schmerz sebr bald gemindert; allein, da jede Verletzung eine Reizung mit sich führt, so tritt dieselbe auch nach den Scariflcationcn ein und es werden hierdurch nach einiger Zeit die Enlzündungszufälle wieder etwas verstärkt, —#9632; was besonders dann be­merkbar wird, wenn die allgemeine entzündliche Aufregung noch in ei­nem hohen Grade fortbesteht, und wenn das Lokalleiden von einer all­gemeinen Erkrankung abhängt. Dieser Reizung wegen erscheint es theoretisch als besser, wenn die Einschnitte nicht in den entzündeten Theil selbst, sondern in dessen Nähe, jedoch an solchen Stellen gemacht werden, wo die Gefässe mit denen des entzündeten Organes noch in direkter Verbindung stellen; praktisch hat sich aber der Nutzen dieser Einschnitte in den leidenden Theil selbst bei Entzündungen der Binde­haut, der Zunge und der Euler sehr bewäht. Nur müssen sie stets gehörig lief und lang gemacht werden. Bei Entzündungen mit massi­gem Grade sind sie nicht erforderlich, wohl aber da, vvo die Geschwulst und Spannung sehr gross, die Rülhung sehr dunkel und bläulich, und der Schmerz heftig ist, wo sich Bläschen auf solchen heftig entzünde­ten Theilen zeigen und wo Brand einzutreten droht. — In der Regel werden vor den lokalen Blulentleerungen die allgemeinen augewendet.
Die Blutegel wirken durch ihren Biss und durch ihr Saugen ähn­lich den Scarilicalionen, erzeugen jedoch gewöhnlich eine etwas reich­lichere Blutung und dadurch sichtliche Minderung der Entzündung, aber als Nebenwirkung auch oft eine stärkere Reizung und daher eine Zunahme der Enlzündungszufälle nach einiger Zeit. Man applicirt sie deshalb ebenfalls besser neben dem enlzündelen Theilc als an ihm selbst, und, wenn ein allgemeines Leiden besteht, erst nach einem allge­meinen Adcrlass, — in anderen Fällen aber ohne diesen. Sie sind in der Thierheilkundc wenig gebräuchlich, (etwa nur an Hunden, Katzen und Vögeln und an edlen Organen), weil sie, in geringer Zahl ange­wendet, wenig nutzen, in grösserer Zahl aber zu theuer sind; und weil die behaarte, gewöhnlich mit salzigem Schweiss verunreinigte Haut der Thiere die Anwendung dieser Würmer auf bestimmte Orte oft sehr
') In der Menschenheilkunde benutzt man auch noch das Schröpfen mit Applikation der sogenannten Schröpfküpfe; in der Thierkeilkunde ist dasselbe wegen der Behaarung des Thierkörpers, wegen der störenden AVirkung des Hautmuskels und wegen der Unruhe der Thiere nicht gebräuchlich.
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Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 33
erschwert. Es müssen deshalb die Haare an der Applicafiousstelle ab-rasirt und die Haut muss mit warmem Wasser gründlich gereinigt, und das Ansaugen ausserdem noch durch Besireichen der Stelle mit etwas Blut, Zucker oder Milch betoniert werden. — Die Zahl der anzuwen­denden Blutegel richtet sich nach dem Umfange der entzündeten ïheile und nach der Grosse der kranken Thierc; z. ß. im Umfange eines ent­zündeten Auges lässt man 3 — 5, am Euter einer mittclmässig grossen lliimliii 4 — 8 Blutegel ansaugen.
c. Innere antiphlogistisehe Mittel, und zwar:
laquo;) die alkalischen Neutral- und Mittelsalze. Sie wirken zum Theil direct kühlend, indem sie auf physikalische Weise bei ihrer Auf­lösung Wärme binden, andererseits aber mittelbar dadurch, dass sie leicht in das Blut übergehen und es verdünnen, indem sie den Faser­stoff und dadurch die Plastizität desselben vermindern; ausserdem be­fördern sie die Absonderungen im Darmkauai, in den Nieren, in den Schleimhäuten und in der Haut, vermindern dadurch die Säftemasse, leiten das Blut von dem entzündeten Organe ab, und mindern die Reiz­barkeit im Herzen, in den Gefässcn und Muskeln. Bei massigen Ent­zündungen sind diese Mittel ausreichend ohne den Adcrlass. Als das Hauptiniltel der Art gilt der Salpeter (Kali nitric), welchen man im Anfange und bis zur Höhe der heftigeren sthenischen Entzündungen giebt, besonders wenn dabei ein Fieber mit hartem Pulse, sehr gestör­tem Athmcn, grosser Hitze und dunkler Röthung der Schlcimhäule be­steht. Die Gabe ist für Pferde und Rindvieh g^ — sect;j/S, für Schweine und Schafe 3')—sect;/5, für Hunde gr. v. — 9j, alle 2 — 3 Stunden wie­derholt, und gewöhnlich in Verbindung mit andern abführenden Sal­zen, seltener mit narkotischen Mitteln (z. B. bei heftigen Lungenentzün­dungen) oder mit Kamphcr (z, B. bei milzbrandigen Entzündungen).
Als eigentlich ablührende kühlende Salze giebt man das Glauber­salz (Natrum sulphuricum), das Doppclsalz (Kali sulphuricum), das Bittersalz (Magnesia sulphurica), und den Weinstein (Kali tarta-ricum, in Fällen, wo man kühlen und zugleich durch reichlichere Ab­sonderungen im Darmkanale mehr ableiten will, als dies durch den Sal­peter allein geschehen kann. Die Gaben sind für die grossen Haus-Ihiere gij — gvj, für Schafe sect;/ï—gij, für Schweine desgleichen, für Hunde 3) — gj, für Katzen 3j—Sj-j in denselben Zeiten, wie der Sal­peter. Von ähnlicher Wirkung ist auch der Weinstein (Kali tartari-cum) jedoch weniger abführend und wegen seiner vorwaltenden Säure nicht gut brauchbar bei Pferden.
ß. Das versüsste Quecksilber oder Calomel (Hydrargyrum chloratum mite) wirkt weniger kühlend, aber spezifisch die Plastizität des Blutes vermindernd, die Absonderungen in der Leber und in der Darmschleimhaut und in den entzündeten Theilen die Aufsaugung be­fördernd. Es eignet sicli besonders zur Anwendung bei Entzündungen drüsiger, seröser und fibröser Gebilde, und wenn Neigung zu plasti­schen Ausschwilzungen bemerkbar ist. Man giebt es den Pferden bis 3j(ï, den Rindern 9j—3ß, -den Schaafen 8 — 12Gr., den Schwei­nen 3/S—3j) den Hunden 5 Gr.—9j in 24 Stunden 3—4mal, so lange, bis die Exkremente anfangen weich zu werden, worauf man so­gleich mit der Anwendung aufhört, weil sonst leicht ein übermässiges
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36nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Entzündung.
Purgircn entsieht. Es wird oft mit den im Vorhergehenden genannten abführenden Salzen, zuweilen auch mit belaubenden Witleln, besonders mit dem rolhen Fingerhuikraut verbunden.
y) Der Brechweinstein (Tartarus slibiatus), sieht in seiner ab­führenden Wirkung den obigen Milteln nach, wirkt aber die Plastizilät des Blules kräflig umändernd, die Urin- die Haut- und Liingenausdün-stung sehr befördernd, und eignet sicli deshalb besonders zur Anwen­dung gegen rheumatische und katarrhalische Enlzündungen. Die fiabc ist bei Pferden und Rindern3/f— 3ij, bei Schafen und Schweinen gr. v — x, bei Hunden gr. A—gr. ij, jede 2—Slundcn wiederholt, mehrentheils in Verbindung mit den schwefelsauren Salzen, zuweilen mit Calomel oder mit betäubenden Mitleln.
Ó) Die betäubenden oder narkotischen Mittel. Sie können nicht eigentlich als antiphloglslischc belraehtet werden, sondern nur als die Reizung mindernde; sie dienen jedoch dem Heilzwecke sehr, indem sie die Scnsibililät überhaupt herabstimmen, dadurch die Empfänglichkeit für die Entzündungsreize und den Schmerz vermindern, und somit auch eine Veranlassung zur weitem Congestion des Blules beseitigen. Man wendet diese Mittel immer erst nach dem Aderlassen und den übrigen anliphlogislischen Milteln an, und wählt diejenigen von ihnen, welche am wenigsten Orgasmus des Blules und Erhilzung erregen, wie na­mentlich Blausäure (Aeidum hydroeyanieum), den Pferden und Rin­dern zu 5/3—3), den Schafen und Schweinen 5—^0 gr., den Hunden 1 — 4 gr.; Bilsenkraut (Ilerba Hyoscyami), Pferden und Rindern sect;/?—sect;ij, Schafen und Schweinen 3j — sect;j, Hunden lOgr.— 3/S; und rothes Fingerhutkraut (Hcrba Digilalis purpureae), Pferden und Rindern 9j—Sjraquo; Schafen und Sehweinen 4 gr. — 9j, Hunden 2-—lOgr.; täglich 3—4mal und in Verbindung mil Nitrum, Calomel und andern Salzen.
d. Aeusserliche entzündungswidrige Mittel. Das wich­tigste äusserlich angewendete Mittel gegen slhenisehe Entzündun­gen ist:
laquo;) die Kälte, indem sie auf zweifache Weise dem Entzündungs-prozesse entgegenwirkt; nämlich dadurch: dass sie dem bclreflenden Theile die Wärme entzieht und dass sie die krankhaft ausgedehnlcn Ca-pillargelasse zusammenzieht und das Blut aus ihnen treibt. Durch diese Wirkungen wird das lästige Gefühl der Hitze, die Spannung, der Schmerz und der Blutzuiluss zu dem enlzündeten Thcil vermindert, die Circulation freier, die Neigung zu Aussehwilzungen aufgehoben und die Zerlheilung befordert. Diese Erfolge treten aber nur dann ein, wenn die Kälte gleichmässig andauernd und ohne reizende oder erschütlernde Nebeuwirlcungen angewendet wird; denn nach jeder zeitweiligen Uu-terbreehung trilt eine Reaction mit vermehrlem Blutandrange und mit grösserem Schmerz ein, und ähnlich ist auch die Wirkung, wenn die Anwendung der Kälte mit einer Erschütterung verbunden ist, z.B. wenn man kalte Flüssigkeiten mit Kraft auf den entzündeten Theil giesst oder sprützt.
Die Kälte ist bei jedem Grade der slhenischeu Enlzünndngcn nütz­lich, besonders wenn dieselben durch mechanische oder chemische Ur­sachen erzeugt und frisch entstanden sind; sie passt nicht bei catarrha-
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Behandlung.
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lischen und dyskratisclieu Eulzüiitlungca, auch nicht da, wo Yeihar-lung schon cnlstandeu ist; bei manchen rheumalischen und rothlaufax-ligeu Eiitzüuduugeii ist ihr Nutzen zweifelhaft.
Die Kälte ist an niaiiche Substanzen gebunden, z. B. au iVisches Wasser, Scbiiee, Eis, feucliteu Lelnn,, feuchte Erde, oder — sie wird aus anderen Körpern durch deren schnelles Verdunsten oder Auflösen entwickelt, z. B. aus Weingeist, Aclher und einigen Salzen. Gewöhn­lich benutzt man die ersleren Substanzen, weil sie überall leicht und ohne Kosten zu haben sind, und bei richtiger Anwendung heine reizende Nebenwirkung erzeugen. Das kalle Wasser wird, je nach dem Orte der Entzündung, bald als beständig wiederholtes Beleuchteu des leidenden Theils millclst eines Schwaimnes oder eines weichen Lap­pens, — bald als kalter Umschlag (sogenaunlc kalle Fomentalio-ucn mittelst drei bis vierfach zusammengelegter Leinwand, und — bald als Fussbad in Flüssen, Seen, Pfützen u. s. w. oder in Eimern angewendet. Schnee und klein zerklopftes Eis legt man zwischen Lein­wand auf den Theil; oder füllt eine Blase damit zum Theil an, und legt sie auf denselben. Lehm und Erde werden mit Wasser zuui dün­nen Brei gemacht, entweder in Lappen oder Beuteln auf den Theil ge­legt oder fingerdick auf denselben gestrichen (die sogenannten An­striche). In Ermangelung anderer Mitlei kann man auf nicht wunde Stellen den Sehlamm aus Sümpfen oder auch ein etwa 2 Zoll dickes Stück glatten Rasens, mit Wasser befeuchtet, auflegen.
Bei der Anwendung dieser Älillel beginnt man mit einem solchen Kältegrade, welcher nicht zu sehr uuler der Temperatur des Thierkör-pers sieht, vermehrt ihn aber, wenn die Jahreszeit und die vorhandenen Mittel es erlauben, bis auf 2 bis 4 Grad R. über 0. Die wirkliche Frostkälte während längerer Zeit fortgesetzt anzuwenden, ist nicht zvveckmässig, weil sie Lähmung, Brand und wirkliches Erfrieren erzeu­gen kann. Deshalb ist es noting, wenn man Eis oder Schnee benutzt, diese Substanzen nicht unmittelbar auf den Körper selbst, sondern auf
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einer Unterlage von Leinwand etc.
anzubringen.
Sobald die Tem-
peratur in den Umschlägen, im Fussbade u. s. w. steigt, müssen die­selben stets erneuert werden, um einen gleiclnnässig niedrigen Tempe­raturgrad zu erhalten, bis die Entzündung beseitiget ist oder ihren Cha­rakter geändert hat. 1st dies der Fall, so wendet man jene Mittel in alimälig steigender Temperatur bis zur lauen Wärme, das ist gegen 12 — 20 Gr. R. an.
Von dem Weingeist und Aether, welche durch ihr Verdunsten Kälte erzeugen, macht man gegen Entzündungen wenig Gebrauch, weil diese Mittel im conceutrirten Znstande eine reizende Nebenwirkung äussern. Doch ist eine Mischung von 1 Theil rectitizirtcin Weingeist und 5 Theilen Wasser sehr nützlich, wenn die Haut nicht eine zu grosse Empfindlichkeit besitzt. Dasselbe gilt von Auflösungen des Sal­miaks, des Salpeters, des Glaubersalzes, welche eben irn Moment des Lösens eine Menge Wärme binden und dadurch Kälte erzeugen. Will man diese Salze hierzu benutzen, so legt man sie in kleinen Stückchen zwischen Leinwaudlappen auf den entzündeten Theil und begiesst sie mit Wasser. Leichler anwendbar ist eine frisch bereitete Auflösung dieser Salze (gewöhnlich im Verhallniss von sect;/?—sect;j zu 1 Pfund Flüs-
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sigkeit) in Wasser oder in Wasser und Essig, z. B. in der Form der sogeiiaiinlen Schmuck ersehen Fomentationcu und des Oxykrats ,); jene beslehcn aus Unzen Salpeter, 8 Unzen Salmiak, 4 Pfund Es­sig und 40 Pfund Wasser; das einfache Oxykrat bcreilcl man aus sect;j Salmiak, 1|- Pfund Essig und eben so viel Wasser; und das soge­nannte zusammeugeseUlc Oxykrat durch Ilinzuthuu von gij Kam­phergeist,
ß) Die Bleimittel. Man benutzt Auflösungen von Blcizuckcr, von Bleiextrakt, oder von Bleicssig, oder auch Blcisalben bei Entzündungen mit sthenischem Charakter sehr häufig und mit dem be­sten Erfolge, um die Zertheilung zu befördern. Sie wirken, abgesehen von dem Temperatargrade, in weichem sie angewendet werden, auf die Gewebe coutraliirend, verdichtend, die gerinnbaren Flüssigkeiten gerin­nend, die Sekretionen und Ausschwilzungeu vermindernd (selbst aus­trocknend), die aufgeregte Nervcnthätigkcit beruhigend, daher schmerz­lindernd. Der Erfahrung gemäss leisten sie besonders bei Irauniatischcn, so wie durch Verbrennungen und chemische Ursachen entstandenen Entzündungen gute Dienste, sind aber bei katarrhalischen, kritischen und nictastatischcii Entzündungen, und da, wo plastische Aussebwitzun-gen oder Verhärtungen sich bilden, mehr nachtheilig als nützlich, in­dem sie den letzteren Ausgang befördern. Wo die Haut fehlt, und diese Mittel auf grössere Wunden der Geschwüre treffen, muss man bei fortgesetzter Anwendung auf die etwa eintretenden allgemeinen Wir­kungen des Bleies aufmerksam sein. Die Auflösungen macht man in verschiedener Concentration, Je nach der Zartheit des entzündeten Theils und nach dem Grade der Entzündung, z. B. bei Augen-entzündungen von Bleizueker 1 Gran, bei Entzündungen der Seh­nen 5 —10 Gran auf 1 Unze Wasser, und ähnlich von den beiden anderen Präparaten. Im Anfange der Entzündungen wendet man sie kalt und einfach au, später, und wenn die Entzündung sich entweder schon zu einem Ausgange oder zur Umwandlung des Charakters neigt, wendet man die Auflösungen lauwarm au, oder man setzt ihnen auch etwas Weingeist oder Kampferspiritus (auf das Pfund Flüssigkeit circa 1 — 2 Unzen) zu. Diese Mischung heisst Goulardsches Bleiwas­ser (Aqua vegeto-mineralis Goulardi); sie wirkt etwas erregend, die Kesorption befördernd. — Bei grossen Schmerzen wendet man die Bleimittel auch mit Abkochungen von narkotischen PJlanzcn sowohl kalt wie auch warm zum Befeuchten, oder auch mit einem Brei von narkotischen oder erweichenden Substanzen an.
Von den Bleisalben braucht man vorzugsweise das Blei-Gerat (Ceratum saturni s. Unguentum plumbi acetici), indem man es etwas dick auf den entzündeten Theil streicht, und dies täglich 2 — 3mal wieder­holt. Bei heftigen Schmerzen wendet man es in Verbindung mit einem narkotischen Extract (z. B. Estractum Belladonnae 3/Ï zu 1 Unze Salbe) und bei Neigung zur Verhärtung mit Zusatz von etwas Kam­pher (9j—3(S zu sect;j Salbe) an.— Die Blciweisssalbe (Unguentum Cerussae ist weniger wirksam. Die Salben sind gewiss weniger wirk-
') Oxycratum ('O|wsect;laquo;T0)'), Saure Mischung, d. i. Essig mit Wasser ge­mischt.
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Behandlung.
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sam, als die Waschungen oder Umschläge von den Bleisalzlüsiingeu; aber sie werden benutzt in den Fallen, wo aus irgend einem Grunde jene Mittel nicht passend erscheinen, wie z. B. bei grosser Kälte, oder wo ein Wärter zur fleissigen Wiederholung der Umschläge fehlt.
y) Schleimige, erweichende und narkotische Mittel fin­den ihre Anwendung, wenn eine slhcuische Entzündung schon durch einige Zeil bestanden hat, und ihre Hitze oder Rütlie nachlässt, aber der Schmerz die Spannung, Geschwulst und Derbheil noch fortbesteht; — oder, wenn bei Entzündung der Schleimhäuic dieselben ganz trok­ken erscheinen; ferner, bei metastalischen, kritischen und dyskrasischen Entzündungen, und bei solchen, welche zum Uebergange in Verhärtung oder Eiterung neigen. — Der Zweck ist hier, zu erweichen, zu er­schlaffen, dadurch Slockungen, Spannung und Schmerz zu beseitigen, und die Sekretionen frei zu machen. Man wählt als solche Mitlei Al-thee- und Malvenkraut, Wollkraut, Leinsamen, Leinkuchen, Quillensa-men, Hafergrütze, Mehl, Weissbrot, Kleie, Rindermist, — bei grossem Schmerz — Bilsenkraut, Belladonuakraut, Stechapfel-, Schierling- und Nachtschattenkraut, auch Mohuköpfe, und wendet sie bald einzeln, bald als Verbindung der schleimigen und narkotischen Mittel, stets mit Feuch­tigkeit, zuweilen kalt, gewöhnlich aber auch in Verbindung mit Wärme an, und zwar in Form von Duustbädern, Befeuchtungen (Fomenten), von Fussbädern und von Breiumschlägen (Cataplasmen). In diesen verschiedenen Formen wirkt daher neben den Bestaudtheilen der an­gewendeten Mittel auch die Feuchtigkeit und die Wärme. W aren vor­her kalte Mittel angewendet worden, so gehl man auch nur alhnälig zur Erwärmung der schleimigen und narkotischen Mittel über; doch darf die Wärme immer nur in einem gelinden Grade, (lauwarm, d. i. gegen 15 — 30 Gr. K.) dem angewendeten Mittel adhäriren, und muss immer ziemlich gleichmässig unterhalten werden, — weshalb ein wie­derholtes Wärmen eines Theils der Mittel über Feuer, und ein Wech­seln der Umschläge, oder ein öfteres Bcgiessen derselben mit warmem Wasser nöthig ist. Läsvt man die Breiumschläge auf den kranken Theilen zu sehr (d. i. bis unter 8 Gr. R.) abkühlen, so wird dadurch oft der Uebergang in Verhärtung befördert. Die Umschläge müssen den entzündeten Theil vollständig überdecken; an sehr emplindlichen Theilen dürfen sie nicht zu schwer sein, weil sie sonst durch ihren Druck belästigen und die Schmerzen vermehren. Man bereitet sie des­halb unter solchen Umständen nicht aus Leinsamen oder Leinkuchen, sondern aus Kräutern, oder man setzt diesen Substanzen ein weiches Kraut zu.
d) Die graue Quecksilbersalbe (Ungt. Ilydrargyri cinercum), wirkt speeifisch auflockernd, den Resorptionsprozess anregend, und sie findet daher ihre Anwendung bei solchen Entzündungen, wo die Kälte und Bleimittel nicht passend sind, wie bei rhenmalischen und bei roth-laufartigen, auch bei Entzündungen der Drüsen. Man versetzt sie bei heftigen Schmerzen mit Belladonna- oder Bilseukrautcxlract, bei plasti­schen Ausschwilzungcu mit Pottasche oder Jodkali, und reibt sie täglich 1 — 3mal gelind in die Oberfläche des entzündeten Theiles ein.
e. Aeusserliche Ablcitungsmittel. Bei heftigen Entzündun­gen, besonders wichtiger Thcilc und in Knochen und Sehnen, wo sie
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40nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Entzündung.
oft hartnäckig durch lange Zeil festsitzen, hat die Erfahrung den gros­sen Nutzen der sogenannten äussereu AblcilungsmiHcl vielfältig erwie­sen. Es gehören dazu die Senfsamen, dus Seoföl, das Aelz-Ainnio-niak, das Terpentin-, das Stein- und das Crotoaöl, die schwarze und weisse Nieswurz, die Caulharideu und ihre Präparate, Brechwemstein-saibe, Fontanelle, Haarsdle, das Gliiheisen u, dgl. Dieselben bewirken aji den Stellen ihrer Anwendung eine Reizung, Blatzoilass, oberfläch­liche oder tiefere Entzündung, oft mit Bildung von Bliisclien, mit Eite­rung oder selbst mit Schorfen, und hierdurch wird ebensowohl eine Ableitung der Reizung wie des Blutstroms von dem ursprünglich enl-zündeten Tbcil erzeugt. Wenn diese licihviikung sicher erzielt werden soll, ist es uölhig: 1) die künstliche Reizung immer in einem, der Stärke und Ausbreitung der Entzündung entsprechendem Grade zu erregen, und deshalb ist in jedem besondem Falle das Reizmittel von solcher Wirksamkeit und in einer solchen Ausbreitung anzuwenden, dass durch seine Wirkung die, rnit der Eulzündungs-Kiaukhnit verbun­
dene Reizung nbertroflen weide; und 2) die künstliche Reizun
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in der Nähe des nutzündeten Theils hervorzurufen, jedoch nicht so nahe, dass sie mit der Entzündung gleidisain sich vereinige und dieselbe verstärken könne 1). Ausserdcm ist es zweckmässig, bei hef­tigen und mit einem sthenischen Fieber verbundenen Entzünuängen, die äusserüchen Reizmittel immer erst nach Anwendung der Blntenlleeruu-gen und der übrigen antipblogistischcn IMiltcl zu appliziren, weil sonst, durch sie die allgemeine Aufregung vermehrt, und dadurch auch die Entzündung um so eher zu einem üblen Ausgange gebracht wer­den kann.
ƒ) Das diätetische Verhalten der kranken Thierc muss der therapeutischen Behandlung genau entsprechen, also hier auf Vermei­dung von Reizungen, so wie auf Verminderung der Blutbereitung ge­richtet sein. Dcmgemäss muss der Patient ruhig stehen oder liegen, nur mageres, wenig nahrhaftes Futter, und auch dieses nur in geringer Menge, erbalten (Pflanzenfressern gebe man Kleie, Kleientrank, dünnen Leinkuchentrank, reines Wasser, Gras, Heu, Stroll, aber nicht, Klee oder Kleeheu u. dgl.), — den Fleischfressern düime Milch, Molken, eine dünne Leimabkochung, Zuckerwasser, Kartolfclsuppc, Haferschleim u. dgl.); der Stall muss mehr kühl gehalten, zwar mit reiner Luft ver­sehen, aber gegeu Zugluft geschützt sein.
B. Die Kur der asllicnischeu Entzündungen.
Sie ist nach Entfernung der Ursachen im Allgemeinen auf Beseitigung der passiven Blutauhäufung, zugleich aber auf Erhöhung des Tonus und der Energie in den entzündeten Theilen und, wenn diese Entzündungen mit krankhaft gesteigerter Sensibilität verbunden sind, — auf Jlerabstim-muug derselben gerichtet.
Zur Beseitigung der passiven ßlutanhäufuug dient bei einem hohen Grade der Entzündung in gut genährten vollblütigen Tliicrcn ein mäs-
') Bei aslhenischen, torpiden, chronischen Enlziindungen und da, wo man die Eiterung oder die Resorption befördern will, wendet man diese Jtittcl auch oft auf den leidenden Theil selbst an.
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#9632;
Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;41nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; pji
signr allgeinciuer Aderlass, and bd grosser, derber Aiisclnvclluug und diinkeler Kölbe der Tlicile kann man auch eine örtliche Bluleulleerung mittelst Searilieationeu bewirken. Dagegen erfordern diese Entzündun­gen, wenn sie in einem massigen Grade bestehen, und bei magerennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;• Thiereu, bei weichem schwachem Pulse, stark föhlbarem Herzschlage und bei blasser Röthe der Schleimhäute keinen Aderlass. Sein- nützlieh JV ist es aber in jedem Falle, (mit Ausnahme von Darmentzündungen) eine Ableitung des Blutstromes von dem entzündeten Theile durch Purgir-millel (Aloe, Croton, Jalappenharz u. dgl.) zu bewirken, und dabei zugleich mittelst der im Darmkanal hei'Torgerufenen vermeinten Abson- |5gt; derung eine verstärkte Resorption zu erregen. Diese Mittel müssen bei fortdauernder Entzündung von Zeit zu Zeit (d. i. etwa nach 5 — 6 .f^ Tagen) wiederholt werden, — so lauge der Kräftczustand der Thierc es erlaubl. i^;
llinsicbtiicli der örtlichen Behandlung ist eine genaue Beurlhcilung des Grades der örtlichen EmhlafiTang und des Grades der Reizbarkeit und der Empfindlichkeit nötliig. In denjenigen Fällen, wo die Entzün­dung gleichsam an der Grenze zwischen den stlieniscben und astbeni-schen siebt, wo die Geschwulst und Spannung gross aber weich, die Röthe bläulich, die Hitze und der Schmerz massig sind, wendet man das Goalardische Blei wasser lauwarm an, oder man macht warme Breiumschläge von erweichenden Mitteln, z. B. von Weissbrot, von Leinkuehenmehl u. dgL, mit Bleiwasscr. — Ist aber unter solchen Um­ständen Neigung zu Ausschwitzungen und Verhärtungen vorhanden, so sind Waschungen mit Seifenwasser Cij weisse oder ebensoviel grüne Seife auf Hiij Wasser), oder mit einer Auflösung von Pottasche (in ähnlicher Stärke), oder für die Extremitäten Fussbäder von diesen Flüs­sigkeiten, Einreibungen der grauen Quecksilbersalbe oder der grünen Seife nützlich.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; K
Je mehr aber die Empfindlichkeit und das VVirkungsvermögen imnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;gt;
Verhältniss zu den übrigen Symptomen gering erscheinen und wohl selbst unter den Grad gesunken sind, welchen die leidenden Theile an diesen Eigenschaften im gesunden Zustande besitzen, um desto mehr muss man erregende, reizende und tonische Millel in Anwendung brin­gen, wie namentlich: Fliederblomen, Kamillenblumen, Lachen-knoblauch, Isop, Salbei, Lavendel, Qaendelkrant und Blumen, Pfeffermünz und andere Münzarten, Dostenkraut, Arnikablumcn, Bal­drian, Kalmus, Alant, Liebstöckel, Angelika, Kaiserwurzel u. dgl., Wa­cholderbeeren, Kümmelsamen u. dgl., Wacholder-, Kiefern-, Tannen-und Fichtennadeln, — Hirschhornsalz (kohlensaures Ammoniak), Jod und Jodkali, Kochsalz, Salmiak, flüchtiges Ammoniak, Kampher, stinken­des Thieröl, Terpentinöl, Steinöl, Kicnöl, Wacholderholzöl, — Harze und Gummiharze, — Branntwein, Wein, Kampher- und Seifcngcist, — W eideminde, Eichenrinde, Torinenlillwnrzel, Chinarinde (nur bei werlh-vollen ïhicren), Alaun, Zink-, Kupfer- und Eisenvitriol. Essig-, Salz-und Schwefelsäure im sehr verdünntem Zustande u. dgl. m. Diese Mittel müssen, sowohl nach ihrer speziellen Wirkungsweise wie auch nach dem Grade ihrer reizenden oder tonischen Kraft dem Grade des Torpors entsprechend ausgewählt werden Die Anwendungder aromatischen Blumen und Pflanzen geschieht entweder in Aufgüssen (Infusionen, gc-
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42nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Entzündung.
wöhnlicli gj zu 1 Pfd. kochendeu Wassers), als Dunstbad, Augenwas­ser, Waschung, Fussbad, — oder in Form von Breiumschlägen, — oder als trockene Kräulerkissen. Letztere Form gewöhnlich nur bei katarr­halischen torpiden Augenentziindungcn mit reichlicher Sclileimabsonde-rung. — Die aromalischen Wurzeln, Beeren etc. verwendet man in Infusionen wie die PJlanzen. — Von den adstriugirenden Wurzeln und Rinden werden Abkochungen (sect;j zu Itj) bereitet und die durchgeseibe-ten Flüssigkeiten zu Befeuchtungen, Umschlägen und Fussbädern ver­wendet. Sie passen aber nicht bei Entzündungen drüsiger Tlieile, und dürfen nicht angewendet werden, wo Neigung zu Verhärtungen besteht, und überhaupt werden sie am besten in Verbindung mit aromatischen und Spirituosen Millcln benutzt. Die Salze werden in Wasser, oder in aromatischen Flüssigkeiten (g$ bis gj zu Hj), bei Augcueutzündungen w eit schwächer), gelöst, auch in Verbindung mit Essig (z. B. Oxykrat) und Weingeist eben so gebraucht. Die Säuren ebenso, indem man von ihnen sect;/J — sect;j/S zu 1 Pfd. Wassers oder aromatischen In-fusums, oder auch eines adslringircnden Dekokts setzt. — Das Am­moniak wird mit Wasser verdünnt oder mit einem fetten Oel (1 Th. zu 4—8 Th.) verbunden (als Ammoniak-Linimcnt), oder auch, bei grosser Reizlosigkeit für sich allein als Einreibung benutzt. Der Kain-pher findet seine mildeste Anwendung auf die Art, dass man wollene Lappen oder Binden mit ihm bestreicht, oder mit gepulverlein Kampher bestreut, und dieselben auf den leidenden Theil legt; mehr eindringend ist er in der Verbindung mit Oel als Liniment, oder mit Fett in Sal­benform; und noch stärker reizend als Kamphcrspirilus. — Die äthe­rischen Oele, ebenso die Harze (Fichtenharz, Terpentin) werden in Verbindung mit Fetten oder fetten Oclen als Salben und Linimente auf die entzündeten Theile gestrichen oder gelind in sie eingerieben, zuwei­len auch, bei grosser Reizlosigkeit, für sich allein angewendet, und dann der Theil mit Wolle u. dgl. bedeckt. Der Weingeist wird gewöhnlich mit Wasser verdünnt, oft auch als Zusatz zu aromatischen oder ad­striugirenden Flüssigkeiten u. s. w. zum Waschen und Einreiben au der Haut der entzündeten Theile applizirt. — Wo Ausschwitzungen und Verhärtungen drohen, benutzt man auch die graue Salbe mit Kampher. Je grosser die Torpidität der leidenden Theile ist, um so mehr kann man die Mittel massig erwärmt anwenden. Hinsichtlich der Wärme gilt hierbei Alles, was darüber bei den erweichenden, schmerzlindernden Mitteln (S. 39) gesagt worden ist.
Bei dem Gebrauch aller dieser Mittel muss man die Wirkung der­selben stets sorgfältig beachten, und entweder mit denselben nachlas­sen oder mildere an die Stelle der bisher benutzten bringen, wenn die Entzündung nachlässt, oder wenn einseitig die Empfindlichkeit über den normalen Grad steigt, — oder man muss stärker erregende Mittel an­wenden; wTenn bei den bisher gebrauchten milderen Mitteln die Erreg­barkeit immer mehr sinkt. — Im Allgemeinen ist es zweckmässig, mit den gelinderen Mitteln die Kur anzufangen.
DieS. 39u.40 genannten ableitenden Reizmittel werden bei den tor­piden Entzündungen aller Grade mit Nutzen gebraucht; allein sie ver­ursachen zuweilen, wenn diese Entzündungen mit dem typhösen Zu­glande verbunden sind, Absterbung oder Verjauchung der Haut und
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Behandlung,
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des Zellgewebes an den von ilnien bctroflencn Stellen. Man darf des­halb in solchen Fällen diese Mitlei nur in geringer Ausbreitung anwen­den, und muss sic, wenn die Wirkung cingetrcleu ist, bald wieder enllernen. Bei schleichenden (chronischen) aslheuischen Enlzündnngen solcher Gebilde, die unter der Haut liegen, kann man die ableitenden Reizmittel auf die Haut dieser Theile selbst appliziren, um somit durch die Nähe der Anwendung ihre Wirkung zu vcrslärken. Sie führen dann, je nachdem die Entzündung zu dem einen oder dem anderen Ausgange neigt, sehr oft die Zertheilung, zuweilen aber auch die Eite­rung sclmeli herbei, und verwandeln gleichsam die schleiclicnde Ent-ziindung in eine akute.
Weim bei den torpiden Entzündungen auch eine allgemeine Schwäche und Reizlosigkeit besieht, müssen, aussei- stärkender Diäl, auch innerlich bittere, aromatische und adstringirende Mittel, selbst die Säuren, die ätherischen Oclc und der Kampher angewendet werden.
Bei den mit Erethismus verbundenen asthenischen Entzündun­gen wendet man zur llerabstimmung der übermässig gesteigerten Sen­sibilität, in denjenigen Fällen, wo zugleich grosse Auflockerung in der Geschwolst besteht, das Bleiwasser in Verbindung mit einem narkoti­schen Extract an, z. B. Bleicssig 1 Unze in 2 Pfund Wasser gelöst, and dies mit 1 Drachme Bilsenkraut- oder Belladonna-Extract zusam-mengerieben; oder: eine Abkochung von Bilsenkraut oder Bclla-donnakraut u, dgl, (sect;j zu 1 Pfd. Colalur) mit Zusatz von Bleicssig, Bleiextract oder Bleizucker (2 — 4 Drachmen zu 1 Pfd.); — oder man macht Breiumschläge von narkotischen Pflanzen, und begiesst dieselben öfters mit warmem Bleiwasscr.
Wenn in solchen Fällen die Mittel nicht in gehöriger Ordnung an­gewendet, namentlich nicht in gleichmässiger Wärme erhalten werden können, ist es zweekmässig: eine schwache Bleisalbe mit Zusatz eines narkotischen Extracts (z. B. Gerat. Saturn. sect;j. Extract. Hyoscyami 3j. M.) etwas dick auf den Theil zu streichen, und dann denselben mit einen wollenen weichen Lappen oder mit einem Stück eines weichen Felles, oder mit Werg oder Watte zu bedecken.
Besteht in den entzündeten Theilen eine grosse Straffheit, #9632;—#9632; die Geschwulst mag übrigens dabei gross oder gering sein, so wendet man narkotische Mittel allein oder in Verbindung mit schleimigen lauwarm an, in Form von Fomentationen, Fussbädern, oder: man bestreicht den Theil etwas dick mit einem milden F'ett, Oel oder Talg; oder man ver­bindet solche Fette mit Bilsenkraut- oder Belladonna-Extract oder mit Opium (in den angedeuteten Proportionen) und bestreicht damit die leidenden Theile.
Bei sehr heftigen und andauernden Schmerzen kann man die nar­kotischen Mittel auch innerlich anwenden; es muss jedoch die etwa be­stehende allgemeine fieberhafte Aufregung des Gefässsystems vorher durch Neutralsalze gemildert worden sein.
Das diätetische Verhalten der Thiere ist bei den asthenischen Ent­zündungen einigermassen darnach verschieden: ob der asthenische Zu­stand blos örtlich an den entzündeten Theilen, wie z. B. bei Quetschnn-gen, Zerreissungen u. dgl., oder allgemein im ganzen Körper besteht? —#9632; Im erstcren Falle ist, wie bei den slhenischcn Entzündungen, eine
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Entzündliche Ausschwitzung,
magere Ernährung, im anderen Falle aber die Verabreichung eines kralligen Futters in hinreichender Menge noting. Aasserdem sorgt man für reine trockene, mehr kühle als warme Luft, für gehörige Reinlich­keil und Kühe, und für Abhaltung neuer Gelegeoheitsursacben.
III. Die Erfüllung der dritten Indikation ist in den meisten Fal­len auf die Fortsetzung des, den verschiedenen Eiilziiudungen eutspre-ekenden diälelischcu Verhallens während der ersten Zeit nach der Zer-theilung der Entzündung, so wie auf Verhütung neuer GelegëaheitsUr­sachen und auf alhnäligc Wiederbenntzung zum Dienst, beschränkt. Ist jedoch, wie man es nicht selten iliulcl, eine erhöhete - Reizbarkeit in dein Theile zurückgeblieben, so sind noch öfters wiederholte Waschuu-geu oder Begicssungen, oder Bäder von kaltem Wasser, oder Waschun­gen mit verdünntem Branntwein, mit aromatischen oder mit adstringi-rcudeii Mitteln nützlich.
Literatn r.
Gciidriu, anatoin. Beschreibung der Enlzüuduugen und ihrer Folgen.
2 Bde. Aus d. Franz. Leipzig 1828 u. 29. Vogel, Artikel über Entzündung im Handwörterb. v. Wagner; Bd. I. llenle, Patholog. Untersuchungen. Beil. 18... llausmanu, über Entzündung. Hannover 1837. Gurlt, Ueber auatom. Kennzeichen der Entzüiidung im 1 Stadium.
Im Magaz. für die gesammte Thierhcilkundc v. Gurlt u. Ilcrtvvig.
Bd. 11. S. 492. Falke, Congestion, Entzündung und deren Ausgänge. Ebendaselbst
S. 257, 393. Ilayne. Thcorcl. jiract. Lehrbuch d. Entzündung u, s. w. 2. Aufl.
Wien 1849.
Zweites Capitel.
Von der entzündlichen Ausschwilzung (Exsudatio) und ihren nächsten Folgen.
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Begriff und Verschiedenheiten.
Ausschwitzungen von Serum, von Faserstoff und selbst von Blut entstehen, bald mehr bald weniger, bei jeder vollständigen Entzündung, Sie gehören eigentlich zum wesentlichen pathologischen Zuslande des Entzünduugsprozesses sclbsl, und es dürfte deshalb keine besondere Er­wähnung von ihnen zu machen sein, wenn sie stcls mit den Eulzüu-dungs-Symptomcn im richtigen Vcchällnlss ständen, und mit denselben wieder verschwänden; allein die Menge der ausgeschwitzten Flüssigkei­ten ist oft viel zu gross, und dieselben bleiben auch nach der Entzün­dung noch zurück. In solchen Fällen stellen diese Ausschwilzungcn
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Ausschwitzung, akutes Ocdera.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;45nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; f^;-
einen eigentbümliclien Uebergang der Entziimläug und besondere Folge-kranklieitcn derselben dar.
Die Exsudationen von Serum und Faserstoff erfolgen bald einzeln, bald zusannneu, durch die geschwächten aber noch unverletzten Wande der Capill.arien; die Austretungen von wirklichem Blut scheinen aber gewöhnlich durch die, von dein heftigen Blut andränge zerrissenen Ge-l'ässclien zu erfolgen. Die erstereu Stolle sieht man daher in der Regel im Anfange und bei den massigen Graden der Enlzündung, die letzle­ren aber quot;bei sehr heftigen Entzündungen entstehen. Indcss gilt dies nicht für alle Fälle, sondern es trägt zu dem schnelleren oder langsa­meren Entstehen der Ausschwitzungen überhaupt, so wie zum Entste­hen der serösen, der plastischen (faserstoffhaltigen) und blutigen Exsu­date im Besonderen noch die Bescbaffenbcit dequot;s Blutes, der Grad und Charakter der Lebenslbäligkeit In den erkrankten Thieren, und der ei-genlhümlicbe (zuweilen der epizootische) Charakter der Entzündung in den einzelnen Fällen sebr viel bei.
A. Das bei Entzündungen ausgeschwitzte Serum ist stets rölhlicb, oft ganz rotb, reich au Salzen, auch an Eiweiss oder an Faser­stoff. Durch seine Färbung unterscheidet es sich hauptsächlich von der nicht entzündlichen serösen Ausschwilzung. Diese enlzünd-lichen Ausschwitzungen kommen in allen Geweben und an der Ober­fläche der serösen Häute in den Höhlen vor. Sie erzeugen im Zellge­webe und im Parcnchym der Organe das akute, entzündliche Oe-dem (enizündlichc Wassergeschwulst), und in den Höhlen die akuten Wassersuchten, die akuten Gelenk- und Sehnenscheiden­gallen. (Von diesen siehe XII. Klasse).
a. Das akute De dem ist ein sehr häufiger Begleiter innerlicher und äusscrlicher Entzündungen. Es giebt sich zu erkennen als eine, ne­ben und nach den Entzündungssymptomen eintretende, grössientheils flache Geschwulst, welche massig heiss ist, sich wie Teig anfühlt, und nach dem Drücken mit den Fingerspitzen Gruben behält, welche sich erst allmälig wieder verlieren. Fast immer senkt sieh das Serum im Zellgewebe und hiermit auch die Anschwellung nach und nach zu den niederen Stellen herab. Es vermehrt die Spannung in den Theilen, und macht zuweilen die eigentlichen Entznndungs-Symptome weniger deutlich erkennbar. — Geringe Anschwellungen verlieren sich von selbst durch allmälige Resorption; grössereErgiessungen erfordern aber, nach­dem die Entzündung beseitiget ist, örtlich die Anwendung erregender, tonischer Mittel, wie z. B, der Dunstbäder, oder Fomentationen, Fuss-bäder u. s. w. von Kamillenblumen, von Quendel, Arnika, Waschungen mit Arnika-Tinktur, mit Branntwein, Wein, Araeisengeist. Kamphergeist, gelinde Reibungen mit wollenen Lappen, welche mit Kampher bestrichen sind, Waschungen mit Abkochungen von Weiden- oder Eichenrinde, Auflösungen von Kupfervitriol u. dgl. Sehr wirksam ist ein gleichmäs-
siger Druck mittelst einer um den Tbcil gelegten Binde von Flanell;
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und in sehr hartnäckigen Fällen haben sich auch Sc^rificatlonen bis ins Zellgewebe sehr nützlich gezeigt; mau darf dieselben jedoch nicht zu nahe neben einander machen, weil sonst zuweilen die nachfolgende Entzündung zu heftig und dadurch eine zerstörende Eiterung oder Ver­jauchung, selbst Ausfallen von Haulslückcu herbeigeführt wird. — In-
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Plastische Ausscliwitzung.
nerlich glebt man bei grossen und sehr harluäckigen Oedemen, um die Resorption zu befördern, abführende, diiiretischc und diaphoretische Mittel, und bei den Thieren, welche sich erbrechen können, auch von Zeit zu Zeit (d. i. in 5— 8 Tagen) wiederholt, ein Brechmittel. Aus-seidem muss die Nahrung massig gereicht und dem Thiere gelinde Be­wegung gemacht werden.
b. Die serösen Ausschwitzuiigen in die Gewebe bewirken bei liin-gcrer Dauer sehr häufig eine sogenannte Erweichung (Malacia) des Parenchyras der Organe. Dieselbe besteht iu einer, mit der Anhäufung von Serum verbundenen mangelhaften Ernährung, Erschlaffung und Auflösung der Gewebe. Sie entwickelt sich in verschiedenen Graden, und giebt sich kund durch Auflockerung, Weichheit, Schlaffheit und Biutanhäufung in erweiterten Gefässen, ohne Hitze und ohne Schmerz.
—nbsp; Dieser Zustand ist mit Schwäche des Zusammenhauges und mit mangelhafter Verrichtung der betroffenen Theile begleitet, und dauert gewöhnlich sehr lange; er disponirt zu neuen Entzündungen, welche dann fast immer den asthenischen Charakter an sich tragen, und im höchsten Grade kann er zu Lähmungen und zu Zerrcissungen führen. Ausser der Entzündung trägt auch eine mangelhafte Blutbcreitung, Faul-fiober, Typhus u. s. w. zur Erweichung bei. — Zur Beseitigung der Erweichung ist die Anweudung adstringirender, aromatischer und spiri-tuöscr Mittel, kalter Begiessungcn oder Busprützungen, die Einwickeluug mit Binden, massiger Bewegung und guter, kräftiger Diät erforderlich.'
B. Die plastische Ausschwitzung oder die Ausscliwitzung von Faserstoff (früher sogenannte gerinnbare Lymphe) kommen auch fast in allen entzündeten Geweben vor. Der exsudirtc Faserstoff ist gelblich oder blassröthlich und bald mehr bald weniger zum Gerin­nen geneigt; oft erscheint er mit Serum geinengt, und bildet dann Plok­ken, welche auf dem letztem schwimmen. Er kann sowohl im noch flüssigen, wie auch im gcronucnen Zustande nach und nach durch die resorbirenden Gelasse wieder aufgesogen, oder auch, nachdem er zuerst geronnen ist, orgaaisirt werden. Das Letztere geschieht, je nach dem Orte and nach der eigenthümlicheii Neigung des Enlzündungs- und Bil­dungsprozesses in deu betreffenden Theilcn, auf vierfach verschiedene Weise, nämlich 1) als einfache endzündlicbe Verhärtung (lu-duratio inilammatoria s. exsudativa), wenn der Faserstoff im Zellgewebe oder in den Zwischeuräumen des Parencliyms der Organe gerinnt, fest wird, sich mit den umgebenden Theilen verbindet, dieselben bald mehr bald weniger verdrängt, mit neuen Gefässen versehen, aber nicht ander­weitig verändert wird; — 2) als Verwachsung (Adhaesio, Couglu-tinatio) und Narbe (Cicatrix), wenn der Faserstoff auf den Flächen einer Wunde oder auch an der Oberfläche anderer, nicht verwundeter Theile gerinnt, dieselben mit einander vereiniget und durch Gefässe und Nerven belebt wird; — 3) als Afterhaut (Pseudomembraua), wenn die plastische Ausscliwitzung auf der Oberfläche einer Haut gerinnt, und dieselbe in einer bald mehr bald weniger dicken Schicht überzieht; diese häutigen Schichten von Faserstoff sind zuerst ohne Gelasse und Ner­ven, und manche bleiben auch ohne sie, andere aber erhalten dieselben in kurzer Zeit, und stellen dann die orgauisirten Aft er haut e dar.
—nbsp; 4) als entzündliche Hypertrophie, wenn die plastische Aus-
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Verhärtung.
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schwitzung nach und nacli in solche Substanz umgebildet wird, welche dem Gewebe des kranken Organs ähnlich oder gleich ist. — Einiger-maassen sind hierher auch drc krankhaften Neubildungen, die Fett- und Speckgcschwiilste, die Knotengeschwulst u. s. w., so wie die Regene­ration verloren gegangener Theile zu rechnen, wenigstens in so weit, als eine plastische Aussciiwitzuug den Stoff zu diesen Bildungen giebt; da jedoch hierbei ein spezifischer Bildungsprozcss thälig ist, so müssen dieselben hiernach als besondere Zustände später betrachtet werden.
Die plastischen Ausschwitzungen an Knochen und an der Beiu-haut bewirken bei Verwundungen und Kuochenbrüchcn die Verwach­sung, indem sie die Beinnarbe, Beinschwiele (Callus) bilden; an der Oberfläche der Knochen aber erzeugen sie Verdickungcn und Kuo-chenauswüchse CExoslosen, llyperexostosen).
1. Die einlach entzündliche1) Verhärtung bildet sich gewöhn­lich allmälig, zum Theil noch während des Vorhandenseins der Enlzün-dungs-Symptome (iieiss elnduralion): nimmt aber gewöhnlich später noch an Intensität zu. Sie kommt in allen entzündeten Weichgcbilden vor, entstellt besonders bei geringeren Graden der Entzündung, bei astheni-schen und schleichenden Entzündungen, auch da, wo die Kälte, die Blcimiitcl und die adstringirendcu Millet unzeilig oder zu lange ange­wendet worden sind, und zeigt -verschiedene Grade. Bei den höheren Graden ist der Theil ganz derb, selbst knorpelähnlich hart, die Gefässc in ihm sind giösstentheils durch Verwachsung oder durch Zusammen­drückung verschlossen und daher auch die Absonderungen grösslentheils aufgehoben; auch das Gefühl und die Bewegung sind vermindert. Ge-wölinlich ist der Umfang der mit culzündlicher Verhärtung behafteten Theile etwas vermehrt und ebenso in der ersten Zeit auch die Tempe­ratur etwas erhöhet; später vermindern sich aber beide Eigenschaften oft unlei- dem normalen Grad (kalte Induration), ja es schrumpfen so­gar zuweilen die verhärteten Gebilde bedeutend zusammen, und verur­sachen hierdurch au der Haut, an Muskeln und Sehnen eine Verkür­zung (Contractio, Conlractura) und in Folge derselben Lahmheit, in hohem Graden auch unregelmässige Stellung und Richtung der betref­fenden Theile.
Die Verhärtungen können sich mit der Zeit durch die eigene Re-sorptionstbäligkeil der Gelasse allmälig vermindern, und eben so kön­nen sie, wenn sie noch nicht sehr veraltet oder nicht knorpelartig ge­worden sind, — durch angewendete Heilmittel zum Theil oder gänzlich wieder aufgelöst oder beseitigt werden. Sich selbst überlassen sind sie jedoch fast immer sehr hartnäckig und sie disponiren den Theil zu neuen Entzündungen, zuweilen auch zur Erzeugung des Scirrhus. Die wiederholten Entzündungen haben gewöhnlich einen schleichenden Ver­lauf, enden mit neuen plastischen Ausschwitzungen, und tragen dadurch
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') Es giebt noch eine atrophische und eine scirrhöse Verhärtung. Die erstere entsteht aus Mangel an Flüssigkeit in den Gebilden, und ist mit Ab­magerung verbunden; die letztere besteht in der Bildung einer neuen Substanz, (Siehe Classe XIII. u. XIV.)
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Verhärtung.
zin- Vermehrung der'Verhärtung bei; sehr heftige Entzündungen in ver­härteten Gebilden gehen oft in Verjauchung oder ßrand über.
Die Kur der Verhärtungen ist im Allgemeinen auf die Auflösung und Aufsaugung des verhärteten Faserstotl's gerichtet,, aber die hierzu dienenden auflösenden und die Resorption befördernden Mittel sollen dem Grade der in dem Thcile etwa noch bcslehenden entzündlichen Reizung, oder dem Grade des Torpors, so wie dem Grade der Verhär­tung entsprechend, ausgewählt werden. — Bei sogenannten heissen. mehr oder weniger schmerzhaften Iiiduraüoncn sind warme Dampfbä­der, oder Fomentatioucn, Umschläge oder Fussbäder von narkotischen Mitteln, für sich allein oder in Verbindung mit Seifenwasser oder mit einer Auflösung von Pottasche, oder die letzteren Millel für sich al­lein (sect;j Pottasche zu Wij Wasser), die graue Quecksilbersalbe allein oder in der Verbindung mit Pottasche oder mit grüner Seife zu em­pfehlen.
Bei den kalten, chronischen Indnrationeu im geringeren Grade sind Beibungen mit der Hand oder mit einem glatten Körper, so wie ein gelinder Druck durch eine Binde, oft nützlich; oder, man, wäscht, fomentirt oder badet den kranken Tlicil mit einer wannen Auflösung von Salmiak oder Kochsalz (sect;/3 — gjzullj), mit aromalischcn Kräuterauf-güssen, oder man macht Breiumschläge von den letzteren, oder von Sauerteig und pulverisirlen Seidsamen; oder man reibt die grüne Seife mit Zusatz von Pottasche, oder von kaustischem Ammoniak; von Kam-pher, Terpentinöl, die graue Quecksilbersalbe mit diesen Miitcin, oder das Kampher- oder das Ammoniak-Liniment in den Tlicil, oder man bedeckt ihn mit einem Pilaster von Terpentin und Aelz-Sublimat (8 — 12 Theile und 1 Theil), oder mit dem sogenannten scharfen Pfla­ster (Emplaslrum acre) oder scharfen englischen Pflaster 1); oder man reibt auch die Spanisch-Pliegensalbe ein. Spirituöse Mittel sind von zweifelhafter. Bleimitiel, Eisenmittel, Adstringentia und die Kälte von schädlicher Wirkung. Die Anwendimg der empfohlenen milderen Mittel geschieht täglich mehrmals, #9632;— die der Umschläge im­mer gleichmässig fortgesetzt, so dass ein gleichmässiger Grad von Wärme und gelinder Beizung unterhalien wird; die stärkenen Reizmittel wer­den täglich 2mal bis zum Entstehen einer gelinden Hautentzündung wie­derholt; die Pflaster bleiben 4—14 Tage liegen, bis sie von selbst ab­fallen; und die Kanlharidensalbe wird nach Zwischenzeiten von 6—18 Tagen wiederholt, je nachdem die Ausschwitzung und Schorfbildnng
l) Dieses Pflaster wird bereitet durch Zusammenschmelzen von 13 Unzen Spanisch-Fliegenpulver, 11 Unzen Burgunderharz, 'S Unzen Enphorbiuinguinmi, 6 Unzen Mastix, ebensoviel von Colophonium, von schwarzem Pech, Terpentin, Saffranpilaster und rothem Bolus. — Trotz dieser eigenthiinilichen Zusammen­setzung klebt das Pflaster sehr fest, und wirkt zwar milder als die Spanisch-Flicgensalbe, aber auch anhaltender als sie und es wirkt mehr auflösend dadurch, dass es eine gleichmässige Decke auf dem Theile bildet. Bei der Anwendung muss es in einem Gefäss über Feuer geschmolzen, heiss aufgestriehen und dann mit kurz zerschnittenem Werg bestreut werden, damit es einen festeren Zusam­menhang erhält,
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Venvachïung.
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nach iluer Anwendung fortdauert, und je nachdem mau die Wirkung mehr oder weniger intensiv machen will. Diese schärferen Mittel wir­ken hier auf eine dreifache Weise zertheilend, nämlich: a) durch ihre Reizkraft die resorbireuden Gefässe sehr anregend; b) durch die von ihnen erzeugte seröse Ausschwitzung im Zellgewebe und unter der Haut die Verflüssigung des verhärteten Faserstoffes bewirkend, und c) indem die Ausschwilzuug auf der Haut sich zu Schorfen verhärtet, dadurch den Theil mit einer festen lliille bedeckt, ihn warm hält, uud einen gelinden Druck auf ihn ausübt. Weil diese Wirkungen sich besonders deutlich nach Anwendung der Konlharidensalbe zeigen, und weil man sie von derselben. — je nachdem die Salbe mehr oder weniger eon-centrirt bereite!, und in kurzer oder längerer Zeit wiederholt aufstreicht, — fast in behebigem Grade hervorrufen kann, so ist diese Salbe mit Recht das gebräuchlichste Mittel. Ich habe sie selbst gegen heisse In-durationen, mit Uebergehung der milderen Mittel, sehr oft mit dem be­sten Erfolge angewendet.
Gegen kalte Verhärtungen, besonders in drüsigen Organen, haben sich auch die Jod-Präparate vielfällig als spezifisch wirksam gezeigt. Mau lässt das Kali (Kali hydrojodatum) in Wasser oder in einem aro­matischen Infusum gelöst (3j — oij zu ttj) als Waschmittel, oder in Salben, mit Fett oder grüner Seile, oder mit der grauen Merkurialsalbe (3/3—3j zu sect;)) zusammengerieben, anwenden. Diese Salben sind noch wirksamer, wenn mau ihnen noch eine halbe Drachme reines Jod zusetzt. Auch die Jod-Quecksilber-Präparate sind kräftig zerthei' lend. Sehr oft verbietet jedoch in der Ihierärztlichen Praxis der hohe Preis der Jodmiltcl deren Anwendung.
Als ein äusserst kräftiges Heilmittel gegen Verhärtungen benutzen wir auch das glühende Eisen, und zwar auf die Weise: dass mau auf die ganze Aussenlläche des verhärteten Theils Punkte oder Striche (ei­ner vom andern J- bis 1 Zoll entfernt) mit einem hierzu entsprechend geformten, rolhglühendcn Brenneisen langsam, d. h. mit leichler, kurzer Berührung, jede Stelle so oft wiederholt brennt, bis eine serös-plasti­sche Ausschwitzung daselbst erfolgt.
Auch Haarseile und Fontanelle neben die Verhärtung applizirt, lo­sen dieselbe bald mehr, bald weniger auf.
Innerlich giebt man bei der Kur grösserer Verhärtungen Purgir-und diuretische Mittel, dabei mageres Futter, — wenn es zu haben ist, Grünfulter, und hält die Thiere so lange in Ruhe, wie eben noch Ent-zündungs-Symptome oder die entzündlichen Reizungen der angewende­ten Mittel bestehen; aber nach dem gänzlichen Verschwinden der Ent­zündung lässt man sie nach und nach in stärkere Bewegung bringen.
2. Die Verwachsung entsteht zuerst durch blosscs Zusammen­kleben der mit plastischer Ausschwitzung bedeckten Flächen an verwun­deten und anderen Theilen, worauf sie durch Umwandlung des Faserstoffs in Bindegewebe und durch Entwickelung von Geiasschen und Nerven­fasern völlig organisirt wird. Diese Vorgänge erfolgen zuweilen sehr schnell, d. i. in 1 bis 3 Tagen. An der Oberfläche der Wunden und bei Verwachsungen der natürlichen Oeflhungen bildet sich auf dieselbe Weise die sogenannte Narbe. Sowohl die Zwischenschicht an verwach-
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Verwachsung.
senen Flächen, wie auch die Narbe, sind bald sehr fein und düuu, bald mehr dick.
Der Ausgang in Verwachsungen wird durch einen gelinden Grad der Entzündung herbeigeführt, und scheint oft von einer oesoudern Be­schaffenheit des Blutes und der Bildungslhätigkeit im Organismus be-günstiget zu sein, indem er bei manchen Eulzündungen und Verlelzun-gen sehr leicht, bei anderen sehr selten oder gar nicht erfolgt. Manche Aerzte haben deshalb (mit J. Hun ter) die sogenannte adhaesive oder Verwachsungs-Entzündung als eine besondere Art der Ent­zündungen angenomuien. Es verwachsen fast alle Gewebe mit einan­der, jedoch die serösen Häute am leichtesten, die Schleimhäute am we­nigsten leicht.
Dieser Ausgang gilt bei Verwundungen der verschiedenen Theile, bei Kuochcnbrüchen, Brüchen u. s. \v. als der wünschenswerlliesfe Heilprozess, in anderen Fällen aber als eine üble Folge, durch welche mancherlei Störungen, z. B. audauemde Spannung, Schmerz, gehinderte Bewegung, Störung der Ab- und Aussonderungen, daher Anhäufung von Flüssigkeilen u. s. w. entstehen.
Die Zufälle und die Bedeutung der Verwachsungen sind nach den betreffenden Organen sehr verschieden, und ebenso ist es die Behand­lung (Siehe Classe XI).
Die Blutauslretungcn bei Entzündungen verhalten sich sehr ähnlich den plastischen Ausscbwitzungen; sie werden ganz oder Iheilvveis wie­der resorbirt, und können im letztern Falle zu Verhärtungen, Verwach­sungen und Brand beitragen. Ihre Kur ist wie bei Verhärtungen.
Drittes Capitel.
Von der Eiterung.
Die Eiterung, Eiterbildung (Snppuratio, Pyogcuia, Pyosis) ist ein in den entzündeten Theilcn neu eintretender eigentliünilichcr krankhafter Sekrelionsprozcss, durch welchen eine Flüssigkeit erzeugt wird, welche man Eiter (Pus) nennt.
Der vollkommene Eiter ist von der Consistenz des Milchralims, gelblich-weiss, im warmen Zustande mit einem faden, thierisidien Ge­ruch versehen, im kalten ohne Geruch und von fadem Geschmack; er ist ein wenig schwerer als Wasser (1,030 —1,035), er sinkt daher in demselben unter, und mischt sich durch Zusammenschütleln mit ihm nur unvollständig; in der Hitze und im Feuer brennt er mit einer stark russenden Flamme. Er besteht hauptsächlich ans dem Ei ter-Serum und aus den Eiter-Kügelchen, ausserdem aus mehreren Ncbenbe-standtheilen, namentlich kleinen Theilchen der eiternden Gewebe, Felt-tröpfchen, Epithcliumzcllen, Salzkrystalle u. dgl. Die Eiterkügelchen
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Eiterung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;SI
sind im Allgcmciueu grosser als die Blulkiigclclicu des Thieres, von welchem der Eiter gciionmicu ist, zuweilen selbst zwei- bis dreimal sonbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;^
gross; sie sind gebildet aus einer zclligen Uiille und aus einem, oft auch aus zwei und mehreren Kernen oder Körpcrcheu, #9632;welche in den Hül­len enthalten sind und erst bei dem Platzen der letztem nach der Ein-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ':(l Wirkung von Essigsäure oder von warmen Wasser sichtbar werden.
Die Menge der Eltcrkügclclicn in dem Eiter ist in den einzelnen Fällen sehr verschieden-, je zahlreicher sie vorhanden sind, um desto consistenter ist der Eiter. Beim ruhigen Stehen des Eiters in einemnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;;?
liefen Glase sinken sie allmälig mehr und mehr zum Boden des Ge-fässes herunter, und das Eiter-Serum schwimmt über ihnen. Das Letz­lere ist im reinen Zustande eine dünne, helle, klare Flüssigkeit, welche sich von selbst und durch Filtiiren leicht von den Eiterkügelchennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i'
trennt. Es enthält aussei' diesen auch die Salze, Faserstoff, Eiweiss und andere Bestandlheile, nameullich zuweilen einen eigenen Eitersloff (Pyine nach Güterbock, Puruline nach Michelotti, Purium nach Koch), der nur eiue besondere Protcmverbiuduug ist.
Der frische Eiter zeigt gcwühulich eine alkalische Reaktion; wenn aber derselbe in Gährung versetzt wird, reagirt er allmälig immer mehr und mehr sauer, und bei eintretender Fäulniss entwickelt sich aus ihmnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; £
Schwefelwasserstoff und Ammoniak, — wovon der üble Geruch des faulenden Eiters und wahrscheinlich auch die üble Rückwirkung des­selben auf das Blut abhängt. Solcher faulender Eiler reagirt wieder alkalisch, und es finden sich in ihm zuweilen Infusorien undConferven ähnliche Gebilde.
Der Eiter hat nach seinem Ursprünge von verschiedenen Thieren und von verschiedenen Gebilden eine verschiedene Beschaffenheit. Beinbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; •':•
Pferden ist er im Allgemeinen mehr eiweissartig zähe, beim Rindvieh mehr rahmartig dick, bei Schaafen und Hunden mehr wässrig; von den Mus­keln erscheint er graugelb und consistent, von fibrösen ïheilen ist er entweder gelblich, der verdickten Synovia ähnlich, oder dünnflüssig ins Graue sjnelend und wie faulender Käse stinkend; von Knochen er­scheint er gewöhnlich noch mehr ins Graue spielend, zuweilen nach Phosphor riechend, und oft schwärzt er die silbernen Sonden; von Lymph-Drüsen ist er dickflüssig, gleichsam schleimig, vom Gehirn sehr salzig schmeckend, und mit gerinnbaren weissen Klümpchen vermischt.
Man pflegt den Eiter in gutartigen und in schlechten zu un­terscheiden. Der Erstere enthält stets viele Eiterkügelchen, ist daher von mehr dickflüssiger Konsisienz, ohne auffallenden Geruch und leicht gerinnbar; der schlechte Eiter ist arm an Eiter-Kügelchen, daher mehr dünnflüssig, oft auch übelriechend, und von mehr röthlich-gelblicher oder ins Graue spielender Farbe. Ehedem wurde der schlechte Eiter auch fast allgemein als Jauche (Ichor, Sanies) bezeichnet, jetzt pflegt man aber mit dem Namen Jauche nur das flüssige Produkt, welchesnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; •;
bei dem Absterben oder bei einem fauligen, oder auflösenden Zerstö-rungsprozess der organischen Substanz, z. B. bei dem Brande, bei dem offenen Krebs u. dgl. entsteht, zu bezeichnen.
Eine noch ganz bemerkenswerthe Eigenschaft besitzt zuweilen so­wohl der gute wie der schlechte Eiter dadurch: dass er der Träger
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Eiterung.
oder tlas Vehikel eines Auskekungssloffcs ist. Diese Eigcnschafl: ist nur durch ihre Wirkung au andern Tliiercn zu erkennen.
Diese Yerschiedenlieiteu des Eilers sind abhängig von der Arl, dein Alteiv der Conslitulion, dem gesunden oder kranken allgemeinen Zustande der Thiere. namcnllicli von etwa bcslehenden Dyskrasien, fer­ner: von dem Silzc, dem Grade und dem vitalen Charaklcr der Euf-ziindung, von der Dauer des Eilerungsjirozesses. von dem offenen oder lange Zeit bedeeklen Zustande des Eitei'heerdes u. s, w. Durch diese Verschiedenbot wird zuweilen die Bcslimmung: ob eine dem Eilcr ähn-iiclio Flüssigkeit wirklich Eiler sei? sehr erschwert, besonders bei solchen Fliissigkeilen von Schleimhäuten oder von Organen, die mil Schleimhäuten in Verbindung stehen, weil ein consistenter Scbleim dem Eiter im Ansehen sehr ähnlich sein kann. Die sicherste Entscheidung hierüber gewährt das Mikroskrop, durch welches man die Eilerkügelchcn von den Schleimkügclchcii dadurch untcr-sclieidet, dass die ersleren vier- bis sechsmal kleiner sind, als die letzteren, dass sie schwärzlich punktiit und (wenigstens die al­leren Kügelchen) an den Rändern uneben erscheinen; ausserdem wer­den sie bei der Berührung mit Essig durchsichtig und zerplatzen in Hülle und Kerne. — was die Schleimkügelchen nicht than. Die rei­nen und die kohlensauren Alkalien bilden mit dem Eiter eine Art Gal­lerte, aber die Bleisalze präzipilireu seinen Faserstoff. Diese Verände­rungen treten aber auch in anderen Faserstoff- und eiweisshaltigeu Fliis­sigkeilen ein, und deshalb sind die Untersuchungen einer thierischen Flüssigkeit über ihren Gebalt an Eiter vermittelst chemischer Reagen-lien (die sogenannlen Eiterproben von Grassmeyer und Anderen) von keinem besonderen Werth.
Der Eiter ündet sich stets nur als Produkt der Entzündungen, und bildet, sich in der Regel nur, wenn dieselben eineu gewissen hohen Grad erreicht haben, in seltenen Fällen jedoch auch bei sehr gelinden Entzündungen, deren Zufälle änsserlicb kaum wahrnehmbar sind,
Erscheinungen bei der Eiterbildung. Abscess.
Die Erscheinungen, welche bei der Eiterbildung bestehen, sind zum Thcil aber auch darnach verschieden: ob die Eiterbildung an einer freien, offenen Fläche, z. B. in einer Wunde odor einem Geschwür, oder ob sie in dem Parenchym eines Organs stattfindet. Im ersteren Falle be­merkt man auf der entzündeten Fläche zunächst eine serös-plastische Ausschwilzung, in der sich sehr bald kleine Kernchen bilden, welche den Eiterkernen ähnlieh sehen, sich schnell vermehren und vergrössern. Hierdurch wird die Flüssigkeit allmählig weniger durchsichtig, mehr weiss, und in Zeit von etwa 3—^4 Stunden zu wirklichem Eiter.
Wenn die Eiterbildung in dem Pareuchym eines Organs geschieht, so steigern sich die Eulzündungs-Symptome sämmllich, der Schmerz wird hefliger und klopfend, die Geschwulst begrenzt sich im Umfange, erhebt sieh aber mehr über die nachbarlichen Theile, und bildet, wenn die Entzündung mehr unter der Haut ist. in der Mitte eine bald mehr bald weniger deutliche Spitze. Dieser mittlere Tiieil wird etwas wei­cher, und weiterhin kann man beim vorsichtigen Drücken mit den Fin gern ein Gefühl von Flüssigkeit oder von Schwappung (Fluctuatio)
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ICiitstehiinjj des Eiters,
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wahrnehmen. An dieser Stelle wird die Farbe der Haut mehr bleich, oder die vorher diuikelrollie Farbe erscheint weiss-gelblich; die Haut; selbst wird allmäliigt;; dünner, es lallen die Haare daselbst ans, und es schwitzt an einzelnen Pmiklen eine klebrige Flüssigkeit aus. Fs ist min Fiter in dein Gewebe des leidenden Organs gebildet und in einer Höhle desselben angehäuft'. Dieser Zustand wird mit dem Namen: Eiterbeule, Filergesehw ul st, Abscess (Abscessns. Apostema) be­zeichnet, und zwar hier wegen der deutlich wahrnehmbaren Entzün-dungszulalle als heisser Abscess. Liegt der Fiter nahe unter der Haut, so öll'uel sich der Abscess bald früher bald später von selbst, in­dem sich an der weichsten Stelle der Geschwulst durch den Druck des Filers die Haut immer mehr verdünnt und auflöst, und hierdurch eine Oelliiung bildet, durch welche der Eiter abfliessl. Eben so können sicli Abseesse nach innen öffnen.
Wenn die Eiterung in sehr empfindlichen Theilen oder im grossen Umfange stattfindet, wird das etwa bestehende Fieber bei dem Fintritt der Eiterung heftiger oder es tritt eiu neues Fieber mit bald mehr bald weniger heftigem Frostschauder hinzu. Man nennt, dieses Fieber das Eiteruugs- oder I\Ia tura tious fieber. Dasselbe pflegt zu ver­schwinden, wenn der Fiter fertig gebildet oder wenn er ausgeleert worden ist. Bei geringen Eiterungen fehlt es in der Regel gänzlich.
\V ie oben bereits angedeutet ist, kominl es zuweilen, jedoch im Ganzen uur seilen vor, dass Eiterung auch ohne deutlieh wahrnehm­bare Enlzündung entsteht. Die hierbei sich bildenden Abscesse pflegt mau mit dem Namen: kalte oder Lymph-Abscesse zu bezeichnen. Dieselben werden zuweilen bei Pferden beobachtet, besonders bei sol­chen, welche bereits kränklich, namentlich mit bösartiger Druse behaf-let sind. Sie geben sich zu erkennen durch eine Anschwellung, welche ziemlich deutlich begrenzt ist, ein fluetuirendes Gefühl erzeugt, dabei aber fast ohne Schmerz, ohne Röthe und ohne vermehrte Wärme ist. Sie ölfueu sich in der Kegel nicht von selbst, und wenn mau sie an­sticht, geben sie einen gelblichen, sehr zähen Eiter von sich. In wie­fern diese Abscesse mit den Lvmphgefässen und mit einer wirklichen Krankheit derselben in Verbindung stehen? ist noch nicht genügend er-millelt. In der neuern Zeit hat man eine übermässige Menge von un­verarbeitetem EiweissstoS im Ijlule und eine hierdurch bedingte grosse Neigung zur Fiterbildung (Diathesis purulcnta. Pyaemia) als Ursache
Es ist v iel darüber gestritten worden: ob der Eiter sich durch Auf­lösung der organischen Substanz au der Stelle des Abscesses bildet, oder ob er aus dein Blute erzeugt werde? Beides ist für sich allein nicht richtig, sondern es ist anzunehmen: dass er (obgleich das Blut und zuerst auch etwas von der organischen Substanz den Stofl' liefern), durch eine, in Folge der Entzündung neu entstandene krank­hafte Bilduugslhätigkeit in den Zwischenräumen des organischen Ge­webes erzeugt werde. Denn, wenngleich bei der ersten Eiterbildung Höhlen entstehen und ein Theil des Zellgewebes aufgelöst wird, so zeigt doch die Untersuchung, dass die Höhlen grössteutheils nur durch me­chanisches Auseiuanderdrängen der Gewebe vermittelst des Eiters entste­hen, und dass die Substanz unter der eUcmdcu Flüche iu der Regel
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Eiterung, Granulation.
#9632;völlig vorhamlen, oft aber etwas gcsclimmden ist. Ausserdem sieht man häufig dio Eiterung sehr lange und reichlich an einem Tlieilc be­stehen, ohne dass dessen Masse vermindert, wird; es ist sogar entge-geugesclït ganz gewöhnlich, dass mit der Eiterung eine neue Bildung von organischer Substanz in der Form der sogenannten Fleisch Wärz­chen (Granulationen) stattfindet. Allerdings sieht man auch den ausge-schwilzlen Faserstoff durch den Eiteningsprozcss schmelzen und in Eiter umgewandelt werden, und eben so sieht man auch, dass Verän­derungen in der BcsehaiTenlicit des Blules, z. Igt;. bei veränderter Er­nährung, bei Krankheiten, namentlich bei Dyskrasicn, selbst durch innerlich gegebene Arzneien n. s. w. herbeigeliihrt, eine qnantilalive und qualitative Veränderung des Eiters und der Granulation zur Folge haben, und dass somit der Eiterungsprozcss, wie die Entzündung, von dem Zustande und von der Energie der Lebensthätigkeit im Organis­mus ahhäugig ist.
Wenn die Eiterung mit Zerstörung der organischen Substanz ver­bunden ist, gilt der Prozess nicht mehr als einfache Suppuration, son­dern als Verschwärung (Ulccration) oder als ein Geschwür. Nach Hunter's Angabe enlstebt au der Oberfläche des Abscesses ein neues Gewebe in Form einer Haut, welche man die Abscesshaut nennt, und dieselbe für das Sekretionsorgan des Eilers hält. Sie ist jedoch im Anfange nicht vorhanden, und bildet sich nur bei solchen Abscessen (eilcrnden Wunden und in Geschwüren), in deren Umgebung eine schleichende Entzündung forlbcslcht, und wo also wahrscheinlich eine geringe Ausschwilzung und Verdickung von Faserstoff stattfindet. Zu­weilen wird sie. besonders in Fisteln, sehr dick und hindert dann die Heilung.
Granulations - Bildung.
Während der Eiterung auf offenen Flächen erzeugen sich nach ei­nigen Tagen die schon angcdeuleten kleinen, rolhen Wärzchen, welche man Fleisch Wärzchen oder Granula t ionen nennt. Es wird hierzu ein Theil des an der eiternden Fläche ausgeschwitzten Faserstolfes ver­wendet, während ein anderer Theil desselben noch fortgesetzt in Eiter umgewandelt und ausgestossen wird. Die Fleischwärzchen bilden sich auf und neben einander in verschiedenen Schichten allmälig weiter von den Abscesswänden nach aussen hin fort, und gehen zuletzt in eine dem Gewebe des Theils ähnliche Masse und äusserlich in die Narbe über. Die fortgesetzte Erzeugung der Fleischwärzchen findet im­mer an der Oberfläche statt (so dass sich hier die jüngsten und am wenigsten ausgebildeten Wärzchen befinden), bis die ganze Abscesshöhle oder die Wunde mit der neu gebildeten Masse erfüllt ist. Die Wärz­chen sind gleich vom Anfange an mit zahlreichen kleinen Blutgefassen versehen, und besitzen auch eine ziemlich lebhafte Empfindlichkeit, zei­gen aber übrigens oft bedeutende Verschiedenheiten, und zwar sind sie
1)nbsp; entweder frisch reih, derb, kleinkörnig, massig empfindlich, und wachsen nicht sehr schnell aber gleichmässig hervor; sie stellen in dieser Beschaffenheit die sogenannten guten Granulationen dar; oder
2)nbsp; sie wachsen sehr schnell in die Höhe, treten aber ungleich, warzen-förmig hervor, und sind dabei bald dunkelrolh, bald sehr blass und
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Granulationsbildung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 53
weich, bei der Berührung leicht blutend und In verschiedenem Grade empfindlich. In dieser Beschaffenheit heissen sie üppige Granulation oder wildes Fleisch (Caro luxurians); oder 3) die Fleischwärzchen wachsen sehr langsam, sind blass und bilden bald eine weiche, bald eine fast schwielige derbe Schicht von kleinen Wärzchen, man nennt sie träge Granulation.
Die Beschaffenheit der Granulation slimmt gewöhnlich mit der Be­schaffenheit des Eiters übereiu, so dass bei consisleritem Eiter auch die Granulation als gut erscheint, und entgegengesetzt bei schlechter Eite­rung auch schlechte Granulation sich findet. Auch ist die Granulation ebenso wie die Eiterung abhängig von dem Grade und der qualitativen Art der noch in der Umgegend fortbestehenden Entzündung, von den noch einwirkenden Reizen, daher auch von der Art der angewendeten Behandlung, von der Beschaffenheit des Blutes, von der Art der Er­nährung und von etwa vorhandenen Krankheiten.
Gute Eiterung und gute Granulation sind in sehr vielen Fällen ein Vermittelungs-Prozess zur Heilung, und zwar hauptsächlich: 1) solcher Entzündungen, bei welchen die Ergiessuiig von plastischen Stoffen mit einem hohen Grade der Entzündung verbunden, die Zcrtheilung aber nicht mehr möglich ist; 2) bei sogenannten kritischen und metastali-schen Entzündungen; 3) wenn in das Gewebe eines Organs fremde Kör­per irgend einer Art eingedrungen und sitzen geblieben sind; — und 4) überall da, wo durch Verwundung oder durch Absterben ein Sub­stanzverlust entstanden ist. — Ausserdem dient 5) die Eiterung oft noch zur Ableitung einer abnormen Reizung, z. B. bei Rheumatismus u. s. w. und sie wird deshalb oft künstlich hervorgerufen, z. B. durch Fontanelle, Haarseile etc.
In andern Fällen ist die Eiterung fast durchaus ein ungünstiger Ausgang der Entzündungen, indem durch sie der Heilungsprozess mehr in die Länge gezogen und complicirt wird. Bei langwierigen Ei­terungen erleidet der Organismus oft einen sehr bedeutenden Säflever-lust, und wird hierdurch geschwächt oder in einen allgemeinen krank­haften Zustand, namentlich in Kachexien und Zehrfieber versetzt. Zu­weilen wird auch ein Thell des Eiters wieder resorbirt, und dadurch ebenfalls Zehrfieber, Ablagerung des Eiters auf andere Organe, nament­lich auf die Lungen (sogenannte sekundäre Abscesse) und Dyskrasie erzeugt. Ausserdem können auch durch die mechanische oder chemi­sche Einwirkung des Eiters auf die uahe liegenden Theile mancherlei üble Folgen entstehen, wie besonders durch Senkungen desselben zwi­schen Muskeln u. s, w.. Zerstörungen des Zellgewebes, sogenannte Senkungs-Abscesse, Fisteln, Geschwüre u. dgl.
Die Beurtheilung der Nützllchkcil; oder der Schädlichkeit einer Ei­terung ist hiernach mit ßerücksichligung des Ortes, des leidenden Or­gans, der Ausbreitung der Eiterlläche, der Qualität des Eiters und der Granulation, der Dauer der Eiterung, der etwa noch fortwirkenden Ursachen, des blos örtlichen oder auch des gleichzeitigen allgemeinen Krankheitszustandes, des Ernährungs- und Kräftezuslandcs des Thieres u. s. \v. zu machen. Eiterung in Barten, wichtigen Organen (z. B. im Auge), oder wo der Eiter keinen guten Abfluss haben kann (z. B. im Hufe), auf grossen Flächen, bei sehr jungen, sehr schwachen, bei mit
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Eiterung.
Dyskrasieu behafteten Tliieren ist häufig mit Gefahr verbunden, beson­ders bei langer Dauer des Leidens, oder wo durch den Eiter Knochen, Knorpel. Sehnen etc. leiden können.
In Fällen der eben bezeichneten Art ninss man daher suchen, die Eiterung zu verhüten, durch kräftig fortgesetzte Anlipblogose oder bei asthenischen Entzündungen durch die Canlharidensalbe oder selbst durch das glühende Eisen.
Bell an dl ung.
Wenn dagegen eine Entzündung diejenigen Veränderungen zeigt, welche das Einlrelen der Eiterung andeuten, und wenn bei ihr die vor­hin unler 1 bic 4 bczeichueleu Verhältnisse bestehen, unter welchen die Eiterung als nützlicher Heilprozcss erscheint, hat man die Aufgabe: 1) den Uebergang der Entzündung in Eiterung zu befördern; 2) den Eiter zur gehörigen Zeit und geschickt zu entleeren; und 3) hiernach die Heilung der eiternden Stellen, den speciellen Umständen gemäss, zu' leiten.
Die erste Indication wird mit Berücksichtigung des noch vorhan denen Entzündungszuslandcs im Allgemeinen auf eine, zweifach verschie­dene Weise erfüllt.
A.nbsp; nbsp; Besteht ein massiger Grad von Entzündung, und trägt dieselbe den sthenischen Charakter an sieh, so kommt gewöhnlich die Eiterung schnell zu Stande, wenn man die etwa bis dahin angewendete antiphlo-gistische Behandlung aufgiebl, und dafür Dämpfe von warmen Wasser an den kranken Thcil gehen lässt, — oder warme Fomentat ionen von milden Flüssigkeiten, von Wasser, Milch, schleimigen Abkochungen ap-plizirt, oder milde Feite oder Oeic lauwarm aufstreicht, und darüber einen wollenen Lappen oder ein Stück Fell legt; — oder wenn man lauwarme Breiumscliliigc von sckleimigen Mitteln anwendet. — Bei hef­tigen Enlzünduiigeu an vollblütigen Tliieren kann man mit dem Ge­brauch dieser örtlichen ftlitlel selbst noch einen allgemeinen Aderlass, verbinden,
B.nbsp; nbsp; nbsp;Wenn aber die Entzündung nur in einem geringen Grade be­sieht, oder den torpiden Charakter an sich trägt, d. h. wenn im Um­fange der zur Eiterung neigenden Stelle noch viel harte Anschwellung, mit wenig Wärme und mit wenig Empfindlichkeit, besteht, erfolgt fast immer die Eiterbildung sehr langsam und unvollständig, und es ist des­halb noting, den Enlzündungsproness durch reizende JMiltel mehr anzu­regen und zu demjenigen Grade zu führen, bei welchem die Eiterbil­dung schneller und gleiclnnässiger geschieht. Die hierzu passenden Mit­tel, welche man ehedem mit dem unrichtigen Namen: Eiter erzeu­gende Mittel (Suppuraulia) bezeichnete, und die man richtiger deu Abszcss reifmacheude Mittel (Maturantia) nennen kann, müssen nach dem Grade ihrer Wirksamkeit uud nach dem Grade des bestehendeu Torpor's für den besonderu Fall passend ausgewählt werden. Es ge­hören hierher: die ranzigen Fette und Oele, die grüne Seife, Honig, Sauerteig, die einen scharfen Stotf enthaltenden Pflanzen, z. B. Senf, Zwiebeln, Terpenthiu, Fichtenharz u. dgl. Diese Mittel werden theils für sich allein, theils aber auf verschiedene Weise mit einander verbun­den oder als Zusatz ?u den Breiumschlägen vou erweichenden Mitteln
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Behandlung.
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und mit diesen in Verbindung angeweudel. So z. B. in der Form der sogenannten Althee-Salbe (Unguentum Althaeae), oder gelbe Ilarz-salbe (Unguentum flavum). der Königssalbe {ünguentum basilicum), der Terpeuthinsalbe (Unguentum tercltiulbinntum) oder eines (Jemcnges von gleicbcn Theilen Honig und Tei-j)culliin. oder eines Gemenges von grü­ner Seife und pulverisiiien Senßamen, oder eines Ureiunisclilages aus Leinsamen und gequelschlen Zwiebeln n. dgl. [n jodein Italic muss die Anwendung dieser Millel in Verbindung mil Wärme geschehen, und zwar so, dass die letztere möglichst gleichmiissig in einem massi­gen Grade erhalten wird. Dies geschieht durch llcissigc Erneuerung der Breiumschliigc oder durch Auflegen eines Felles, wollenen Lap­pens u. s. w. über die genannten Millel. Bei grosser Torpidität ist selbst das Ungt. Cantharidum ein vortreffliches Mittel zur Beförderung der Eiterung. Dagegen sind Kälte und alle zusammenziehend wirkende Mittel hierbei nachtheilig.
Wenn der Abscess bei der Anwendung dieser Mitlei seine Reife erlangt hat, d. h. wenn er deutliche Fluctuation zeigt, und dabei in seinem Umfange nur noch sehr wenig oder gar keine entzündliche Härte zu fühlen ist, so tritt die Erfüllung der zweiten Indication, die Eröflnung des Abscesses ein. Sehr häufig bildet sich jedoch eine Oefl-uung von selbst, wenn der Abscess nahe unter der Haut liegt, und mau kann daher in diesem Falle, besonders aber, wenn er in drüsigen Theilen seineu Sitz hat, oder wenn er nur in einem kleinen Umfange besteht, diese Selbsthilfe der Natur abwarten. Oell'net man einen Ab­scess zu früh, während noch viel Härte im Umfange desselben besteht, so wird dadurch nicht selten die weitere Eiterbildung unterdrückt und eine stärkere Verhärtung begünstigt. Werden dagegen Abscesse zu spät geolfuel, so wird hierdurch die Resorption des Eiters, die Zcrstö-rung der umliegenden ïheile, die Bildung von Versenkungen und Fi­steln, begünstigt. Es gehört daher eine genaue Beachtung der Ausbil­dung des Abscesses und die Berücksichtigung der neben ihm bestehen­den Verhältnisse dazu. Mau wird aber stets die künstliche Ei'ülfnuug und Entleerung der Abscesse, sobald dieselben reif sind, in folgenden Fällen bewirken müssen: 1) wenn durch die Ansammlung des Eiters in sehr empfindlichen oder unter sehr gespannten Theilen heftige Schmerzen erzeugt werden; — 2) wenn sich der Eiter unter dicken Muskeln und unter sehnigen Hauten ansammelt, wo durch sein Ver­weilen im lockern Zellgewebe leicht Senkungen entstehen; — 3) bei Eiterungen unter hornigen Decken im Hufe und in den Klauen: — 4) wenn der Eiter in der Nähe von Höhlen und Gelenken liegt, und der Abscess nach innen aufbrechen oder durch den Druck auf innere Organe üble Zufälle erzeugen köimle; mul — 5) wenn er in der Nähe von Knochen oder Sehnen liegt, und eine Zerstörung dieser Gebilde verursachen könnte. Wenn dagegen ein Abscess seine Lage unter grossen Blutgefässen und Nerven hat, welche man bei der künstlicheu Eröffnung leicht verletzen kann, so lange diese Theile noch mit ent­zündlich verdichtetem Zellgewebe umgeben sind, schiebt man die Eröff­nung gern für einige Tage auf, weil dann, der Erfahrung zufolge, durch die stärkere Ansammlung des Eiters sich die Haut von den übrigen
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3Snbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Eiterung,
Theilen mehr entfernt, und diese somit bei der küaslliclien Eröffnung mein- gegen Verletzungen gesichert werden.
Die Oeffhuug eines Abscesses macht man immer an der Stelle desselben, wo die Haut am dünnsten und die Fluktuation am deutlich­sten zu fühlen ist; ist aber dies in einem grosseren Umfange der Fall, so wählt man hierzu die niedrigste Stelle. Bei grossen Abscesscn mass man überhaupt die ErofTuungs-Stelle immer so wählen, dass der Eiter einen möglichst freien Ablluss erhält, und deshalb muss man zu­weilen entweder die Oeffnung von (lein dünnsten Theilc der Abscess-wand anfangend bis zu einer mit dem Innern der Abscesshöhle gleich-massig niedrigen Stelle verlängern, oder man muss noch eine zweite Ocifnung in der Gegend dieser niedrigen Stelle machen. Die Grosse der zu machenden Oeffnimg muss sich nach dem Umfange und nach der Tiefe des Abscesses richten, bei dicken Abscesswänden aber stets lieber etwas zu gross als zu klein sein, damit der Eiter immer gröss-tcnlheils freiwillig abfliessen kann, und der Thierarzt nicht nöthig hat, ihn gewaltsam herauszudrücken oder auch die Oeffnung bald wieder zu erweitern, wenn sicli dieselbe schliesst, während die Eiterung hl der Tiefe noch fortbesteht. Ein bestimmtes IVfaass für die Grosse der Oeffnungcn bei den verschiedenen A bscessen lässt sicli jedoch im All­gemeinen nicht angeben: für kleine Abscesse genügt eine Oeffnung in der Grosse, dass man mit der Spitze eines Fingers in die Höhle ein­dringen kann, und für grosse Abscesse ist eine Oeffnung von circa 3 bis 4 Zoll Länge ausreichend.
Die von selbst entstandenen Oeffnungcn der Abscesse haben und erhalten sehr oft nicht die verhältnissmässige Weite und müssen daher gewöhnlich noch kunslmässig vergrössert werden.
Die künstliche Eröffnung kann auf dreierlei Weise bewirkt wer­den, nämlich: 1) mittelst schneideuder und stechender Instrumente; 2) durch Aezmitlel; und 3) durch das glühende Eisen.
I. Für die erste Art der Eröffnung benutzt mau entweder die Lau-zetle oder das Bistouri, oder auch bisweilen den Troikar. Die Lan­zette gebraucht man vorzüglich, wenn der Abscess oberflächlich liegt, und nicht mit zu dicker, harter Haut bedeckt ist. Man operirt mit ilir folgendermaassen: man nimmt die Klinge zwischen die Spitzen des Daumen und Zeigefingers der rechten Hand, soweit von der Spitze entfernt, als man zum Eindringen des Instrumentes bis zum Eiterheerde für nothwendig hält. Nachdem man mit den Fingern der linken Hand die Haut auf dem Abscesse noch etwas melir angespannt hat, sticht man das Instrument an dem ausgewählten Orte schnell und kräftig in die Wand des Abscesses ein, bis neben der Klinge der Eiter heraus-quillt. Letzteres zeigt, dass man die Eilerhöhle wirklich erreicht hat. Nun zieht man das Instrument zurück, und vergrössert dabei die durch den Stich gernachte Oeffnung, indem man die Spitze vorher ein wenig gegen die Wand gehoben, oder eutgegengeselzt gesenkt hat.
Das spitze Bistouri ist in den meisten Fällen der Lanzette vorzu­ziehen, besonders da, wo der Abscess sehr tief liegt, oder die ihn be­deckenden Theile sehr derb oder hart sind, Man hält dasselbe beim Einstechen entweder ebenso wie die Lanzette, oder noch besser, wie eine Schreibfeder, so dass das Heft in der hohlen Hand, der Daumen
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Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 39
und Mittelfinger an den beiden Flächen der Klinge, der Zeigefinger aber auf dem Rücken derselben lieg!. Man kann auf diese Weise bei dem Einslich mehr Kraft anwenden. Der Einslicli und die Erweiterung werden übrigens ganz auf dieselbe Weise gemacht, wrie mit der Lan­zette.
Liegt der Abscess sehr lief und in der Nähe wichtiger Theile, so kann man, um Verletzungen derselben zu verhüten, die Haut und die nächslen Seliichlcn der Abscesswand durch einzelne seichte Schnille tren­nen, und dann in der Wunde die Fluktuation, so wie die ferner zu schonenden Theile durch vorsichtiges Fühlen zu erforschen suchen. Diese Vorsicht ist besonders bei lief liegenden Abseessen an den Brust-und Bauchwänden und am Halse zu beachten. Zur Entleerung des Ei­ters unter hornigen Theilen ist es nöthig, dieselben mit einem Hufmes­ser, oder mit einem Rinnmesser, oder mit einem Ilufbohrer zu durch­schneiden und dann sogleich alles völlig getrennte Horn der Sohle oder des Strahls völlig zu entfernen.
Den Trolkar benutzt man ausnahmsweise in solchen Fällen zur Eröffnung eines Abscesses, wenn derselbe unter wichtigen (jetassen liegt, die letztern aber in der stark geschwollenen und entarteten Ab­scesswand weder durch das Gefühl noch durch das Gesicht zu erken­nen sind. Ein schneidendes Instrument führt hierbei leicht sehr bedeu­tende Verletzungen und Blutungen herbei, während der Troikar neben den Gelassen vorbeigleitet und dieselben nicht verletzt. Das Instrument führt aber den Mangel mit sich, dass die von ihm gemachten Oeffnun-gen zu klein sind, sich bald wieder schlicssen, und deshalb nach kur­zer Zeit wiederholt gemacht werden müssen.
II. Die Eröffnung der Abscesse durch Actzmittel ist in der Thicrheilkunde höchst wenig im Gebrauch, und fast allein auf soge­nannte kritische, metastatische und dyscratischc Abscesse beschränkt. Man wendet die Aelzmiltel bei diesen Abseessen zuweilen aus dem Grunde an, weil die Letztern gewöhnlich theils einen sehr niedern Grad von Thütigkeit, und ausserdem eine spezifische krankhafte Thätigkeit besitzen, welche man durch das Actzmittel umstimmen will. Es wird bei diesem Verfahren auf die von Haaren entblössle Haut auf die Spitze der Eiterbeule ein Stückchen Aefzkali, oder Höllenstein, oder Chlorzink, oder Aelz-Sublimat gelegt, oder diese Substanzen werden mit Mehl und Wasser zum Teige gemacht, etwa 2 — 3 Linien dick in einem solchen Umfange, wie die Abscessöffnung gross werden soll, auf­gestrichen, und dann wird zum Festhalten und zum Schutz des Mittels ein Klebepilaster oder sogenanntes Heftpflaster (Emplastrum adhaesivum, Empl. Lithargyri compositum) darüber gelegt.
Das Actzmittel bewirkt nun, je nach der Dicke der Haut, in Zeit von 24 bis 48 Stunden eine Zerstörung derselben und die Bildung ei­nes Schorfes. Den Letzteren kann man mit einem Messer durchstechen und dann den darunter befindlichen Eifer entleeren; oder man kann den Schorf durch warme Breiumschläge und durch den dadurch ver­vollständigten Eitcrungsprozess zum Abfallen bringen. Immer ist also dieses Verfahren langsam zum Ziele führend, und mit mehr Umständen verbunden, als die Eröffnung der Abscesse mittelst Instrumenten.
IIT. Die Eröffnung mit dem glühendcu Eisen findet unter
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Eileniiiff-
dehselben Umständeu, wie die Anwendung der Aelzmittel, statt, führt aber schneller, als die Letztere zum Ziele, ist leichter ausführbar, und verdient deshalb den Vorzug
Man benutzt hierzu ein spitzes wissglühe mies Brenneisen, mit wel­chem man an der geeigneten Stelle des Abscesses die ilusscre Wand desselben bis zum Eiterheerde durchbrennt. Es erzeugt sieh auch hier ein Schorf, welcher jedoch nur an den Rändern der Abscessöffnung sitzt, und bald früher, bald später (lurch die Eiterung wieder ent-Jcrut wird.
Nach der OefTuuug auf die eine oder auf die andere Weise ent­leert sich der grösste Thcil des Eilers gewöhnlich von selbst, und mau darf daher nur einen gelinden Druck auf dio seillich neben dem Ab­scess bcfnullichen Theile anbringen, um diese Entleerung zu vervollstän­digen. Hierauf untersucht, man mit einer Sonde, oder noch besser mit einem Finger die Abscesshöhle, ob Seitengäuge vorhanden sind, ob Knochen oder jindere Theile im Abscess blossliegeu oder bereits ange-griffen sind u. s. w., um hiernach die weitere Behandlung einzurichten. Diese ist zum Theil von der Form und Ausbreitung der Abscesshöhle, zum Theil v.on der Beschaffenheit der in derselben befindlichen Theile, und ausserdem von der Bildungslhätigkcit in der Oberfläche des Ab­scesses abhängig.
In ersterer Hinsicht ist nichts Bcsoiuleres zu Ihuu, wenn die Ab­scesshöhle in einem massigen Umfange besieht, eine nicht zu ungleiche Oberfläche besitzt, und wenn die Oeflhung sich an einer niedrigen Stelle vorfindet, so dass ihr Eiter beständig einen guten Abfluss hat.
Wenn aber ungleiche Vertiefungen, oder röhrenförmige Gänge (Fi­steln) bestehen, odtv wenn die Oeirnung sich nicht an der abhängigslen Stelle des Abscesses befmdet, so verlangen diese Forinversehiedenhei-teii auch eine besondere Berücksichtigung. Hinsichtlich des Letztern
ist bereits angedeutet worden, dass
man die Oeffuung entweder nach
unten zu angemessen erweitern oder an einer schicklichen Stelle eine (jegenölfnung machen müsse. Um diese zu bewirken, führt mau in die Abscesshöhle eine dicke Sonde, oder eine llaarseilnadel ein, drückt die Spitze des Instruments an der niedrigsten Stelle der Hohle von inuen nach aussen gegen die Wand des Abscesses, macht dadurch diese Stelle äusserlich bemerkbar, und schneidet dann an derselben die Wcicbgc-bildc durch, bis man in die Hohle des Abscesses gelangt. Die so ge­machte Oeirnung muss dieselbe Grosse haben, wie die zuesrt gemachte üell'uuug. Bei Fistelgängen verfährt man ganz auf dieselbe Weise, oder man führt in die Hohle des Abscesses und in den Fislelgang eine Troikar-Nadel, oder die scharfe englische Haarseil-Nadcl, und durch­bohrt mit diesen Instruineuten die Absccssvvaad von iuueu nach aussen, und erweitert dann die so gebildete Oclfuung mittelst einer in sie eiu-gebraehteu Hohlsonde und eiues Bislouri's bis zur hinreiebeudeu Grosse. Um das zu schnelle Zuwachsen der Ocirnungcn bei grosscu Ab-scessen und bei Fistelgäugeu zu verhüten, kaun man ein Band durch die beiden Ocffnungcn und deu Abscess oder die Fisteln ziehen, das­selbe täglich ein wenig hin- und herbevvegcu, und es bis zur eingetre-lencn Ausfüllung der Höhlen mit guter Granulation liegen lassen. Ue-brigens hat man bei einfachen Absccssen tiiglidi den Eiter gclind aus
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Behandlung.
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der Oeffnung herauszudrücken, und die Umgebung millclsl eines Schwam-mes und lauwarmen Wassers zu reinigen. Wenn aber der Eiter' aus den tiefem Stellen nicht abfiiessl, kann man diese mit lauwarmen Wasser sanft ausspritzen. Eine zu gründliche Enlfernung des Eiters ist mehr schädlich als nnlzlich. — Bei reichlichem Ausfloss oder bei scharfer Beschaircnhcil des Eiters ist es gut, unter die Oeffnongen auf die Haut etwas Feit, oder die einfache Wachssalbe zu streichen, um die Haut und die Ilaare gegen die chemischen Wirkungen des Eilers zu schützen.
Finden sick aber in einem Abscess sehr gespannte Sehnen, wei­che gegen andere Weichbilde Druck und Hcibung verursachen, so ist es zweckmüssig. dieselben an der dünnsten Stelle zu durchschneiden. Dagegen müssen Gelasse und Nerven und blossliegendc Knochen mög­lichst gegen Verlelznngen und Reizungen geschützt werden.
Hinsichtlich des Zustandcs der Lcbensthiiligkeil, in dem Abscess und in seiner Umgebung hat man den Grad der nach der Eröffnung desselben noch fortbestehenden Entzündung, so wie die Qualität des Eiters und der Granulation zu berücksichtigen. Ist im Umfange des Abscesses noch viel Geschwulst, Härte, dunkle Riillie und Schmerz, so ist, die Anwendung der erweichenden, lauwarmen Breiumschläge noch noting bis zur Beseiligung dieser Zufälle. Besieht aber noch viel Ilärle mit, wenig vermehrter Wärme, mit wenig Kmpfindlichkeit, und ist die Haut oder die innere Fläche des Abscesses blass, so müssen die erre­genden Breiumschläge, die harzigen Salben und ein recht warmes Be­decken des Abscesses in Anwendung kommen, bis der grössle ïheil der Härte sich verloren hat.
Hei dem Gebrauch dieser Miltel kann sich gute Eiterung und gute Granulation bilden und die Heilung des Abscesses erfolgen. Dieselbe ist ganz das Werk der organischen Bildungsthätigkeit, und es darf die­selbe nur geregelt und unterstützt werden. Findet man daher den Ei­ter von gutartiger Beschalfenheit, so darf der Abscess mir mit lockerm Werg oder mit Charpie bedeckt, oder mit einem indifferenten vegetabi­lischen Pulver, z. B. Bärlapp - Samen (Semen Lycopodii) oder Mehl, oder mit fein gepulverter Holzkohle bestreut, und gegen die Einwirkung der Atmosphäre geschützt werden. Ist, aber der Eiter dünnflüssig, die Granulation blass und sehr langsam wachsend so fehlt es in dem Ab­scess an einem genügenden Grade der Bildungsthäligkeit. und man muss deshalb dieselbe mehr anregen. Dies geschieht dadurch, dass man in dem Abscess die sogenannten Digestiv-Mittel, als Eilerung befördernde Miltel bringt, wie z. B. die Althee - Salbe, die Königs-Salbe, die Terpeu-thin-Salbe, ein Gemenge von Terpenthin und Eigelb in verschiedenen Verhältnissen, oder auch die Elemi-Salbe. In Abscesse mit Fistelgän­gen oder mit Nebenhöhlen kann man unter solchen Umsländen auch
das sogenannte Digestivwassev
l) einspritzen, oder Werg oder
Charpie damit befeuchtet in die Höhle bringen. Diese IMiltcl werden täglich zwei Mal angewendet, bis der Eiler sich von besserer Beschaf­fenheit zeigt.
') Dasselbe besteht aus Terpenthin Jj, abgerieben mit dem Gelben von 2 Eiern und mit 1 Pfnnd Kalkwasser. Wo Istein liess auch noch 1 bis 2 Quent­chen Peru-Balsam zusetzen, — was jedoch nirht nötbig ist.
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62nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Eiterung.
Fiudet sich aber clue sehr reichliche Eiterung und sogeuannte üp­pige Granulation ein, so ist in der Regel ciu zu reichlicher Zufluis von Blut zur eiternden Stelle der physiologische Gruud hiervon, aber die veranlassenden Ursachen dieses Zuslandes finden sieh entweder 1) in einem ürtlichen Reize im Abscesse selbst, oder 2) in einer zu reichlichen Plasticilät des Blutes, in einer zu regen allgemeinen Bil-dungsthäligkeit.
In erstem' Hinsicht sind als spezielle Ursache zuweilen fremde Körper, z. 13. Dornen, Knochensplitter, halb aufgelöste Knorpel, Seh­nen- oder Baudfasern u. dgl. — oder eine zu reizende Behandlung, namentlich die zu lauge fortgesetzte Anwendung der Harz-Salben, der ätherischen Oelc, der wannen Breiumschläge u. s. w., — und in letz­terer llinsichi ist eine zu reichliche Ernährnng und der Aufenthalt in ei­nem zu warmen Stall zu beschuldigen. Diese Ursachen der zu reich­lichen Eiterung müssen nach ihrer Art beseitigt werden, und ausserdem benutzt man EinsUeupulvcr von Holzkohle, von schwach bittern oder von gelind adslringirenden Mitteln; oder man lässt den Abscess ganz unbedeckt und der Einwirkung der Luft ausgesetzt, welche hier immer geliud auslrockucnd wirkt. Bei gutem Eruüliruiigszustande ist ausser­dem magere Diät und von Zeit zu Zeit wiederholt ein Abfiihrungsmit-tel nützlich.
Wie mit der Beschaflenhcit und Menge des Eilers sich auch ge­wöhnlich die Beschaffenheit und das Wachstlmin der Granulation über­einstimmend findet, so werden daher auch die Abweichungen der Gra­nulation in der ersten Zeit, und wenn sie nur in einem geringen Grade hervortreten, inchrentheils durch dieselben Mittel regulirt, durch welche die Eiterung verbessert wird; allein nicht immer gelingt dies, und deshalb ist es zuweilen nöthig, auf die üppige Granulation noch eine besondere Rücksieht zu nehmen. Weicht die üppige Granulation nicht bei der gegen die zu reichliche Eiterung angegebenen Behandlung, und wenn die vorhin bezeichneten Ursachen dieser zu reichlichen Absonde­rungen beseitigt sind, und findet sich in dem Abscess kein krankhafter Zustand an Knochen, Knorpeln oder fibrösen Tbeilen, so kann man bei einem gelinden Grade fier Wucherung die stärker austrocknenden Mittel anwenden, wie z. B. Pulver von Eichenrinde, von Tormentill-wurzcl, von Galläpfeln, weissen Zucker, Tabacksasche, oder eine Auf­lösung von Zinkvilriol (1 — 2 Drachmen auf 6 Unzen Wasser), von Kupfervitriol in gleicher Concentration, von Höllenstein (i Drachme auf 6 Unzen destillirles Wasser) u. dgl. Bei sehr üppiger Granulation müs­sen aber die wirklichen Aelzmiltel (der Höllenstein in Substanz, der Zink- und Kupier-Vil Hol, der gebrannte Alaun, der Aelz-Kalk, das Aetz-Kali, das aus beiden erzeugte Wiener Aetzpulver, die Spiessglanzbutter, das Cblorzink, die Schwefel-, Salz- und Salpetersäure), oder das glü­hende Eisen zur Zerstörung der üppigen Massen bis auf den Grund derselben, angewendet werden. Es ist aber stets die Vorsicht zu be­achten, dass diese Mittel nicht zu reichlich auf die kranken Gebilde ge­bracht, und mit diesen zugleich die darunter befindlichen gesunden Theile zerstört werden. — Das Brenneisen verdient vor den meisten der genannten Mittel den Vorzug, weil man seine Wirkungen ziemlich sicher abmessen und begrenzen kann, weil es augenblicklich wirkt, und
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Behandlung.
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weil der von ihm erzeugte Schorf sieb eher ablöst, als der von dem chemischea Aetzmiltel erzeugte Schorf. In denjenigen Fällen, wo grosse Granulations-Massen an einzelneu Stellen ungleich' hervorwachsen, ist das kürzeste Verfahren zur Beseitigung derselben, dass mau sie mit ei­nem Messer oder mit einer Scheere abschneidet und dann die Wund-flache mit dem glühenden Eisen massig brennt. Die Brand- und Aelz-schorfe lässt mau ruhig sitzen, bis sie von selbst abfallen. Erweichende Mittel sind hier unzweckmässig.
Als besondere Verfahren, um den üppigen Wachsthum einer ü b r i-gens gesunden Granulation und bei gesundem Grunde zu beschrän­ken, sind noch Eiureibungcu der Cautharidcnsalbe auf die Umgegend des Abscesses, und die Amvcuduug eines gleichniüssigen Druckes auf die Granulationen vermittelst eines fest angelegten Verbandes, zu nennen.
Nicht selten finden sich in Abscessen, in eiternden Wunden und Geschwüren einzelne rieischwärzeben, welche schnell in einer unge­wöhnlichen Grössc über die Oberfläche des Geschwüres hervorwach­sen, und gewöhnlich ein dnukelrothes Ansehen haben. Bei genauerer Untersuchung findet sich mchrcntheils an ihrer Spitze eine kleine Oell-nung, in welche man mit einer Sonde bald mehr bald weniger tief ein­dringen kann, und am Grunde dieses Ganges in der Regel einen von der ßeinhaul ganz cntblössten, oder einen kranken, rauhen Knochcn-theil, oder eben solche Theile an Knorpeln, ßändern oder Sehnen fühlt. In solchen Fällen sind jene üppigen Granulationen nur die Folge des eben bezeichneten örtlichen Leidens, und sie sind daher auch durch alle die genannten Mittel nicht gründlich zu beseitigen, so lange als dieser krauKc Zustand fortbesteht. Deshalb müssen diese Fleischwärzchcn entweder bis auf den kranken Grund abgetragen, oder sie müssen von den Gängen her mittelst der Hohlsonde und des Bistouris gespalten, und die kranken Stellen blossgelogt werden, — worauf Mittel, welche die Abblälterung befördern (das glühende Eisen, ätherische Oele u. dgl.j ihre Anwendung finden.
Die zu träge Granulation ist; ebenfalls entweder in bloss örtlichen, oder auch in allgemeinen Missverhällnissen des plastischen Prozesses be­gründet. Als örtliche, den Biidungsprozcss störende Ursachen kann man betrachten: einen zu geringen Grad und einen sehr torpiden Cha­rakter der vorausgegangenen Enl/.iindung, die während der Absccssbil-dung oder nach derselben noch fortgesetzte Anwendung der Kälte, da­her auch die mangelhafte Erwärmung der etwa angewendeten Breium­schläge, und die unpassende oder zu lange fortgesetzte Anwendung der adstringirendpii und der Bleimittel.
Als allgemeine Ursachen der mangelhaften Bildungslhätigkeit gelten: ein zu jugendliches nnd entgogengesetzt ein zu hohes Aller, mangel­hafte Ernährung, grosser Blutverlust, zu reichliche Ausleerungen, daher auch eine zu schwächende Behandlung bei der vorausgegangenen Ent­zündung, vorausgegangene oder noch fortbestehende dyscrasische Krank­heiten u. dgl. — Diese Ursachen müssen beseitigt, die Kräfte des Thic-res durch gute Nahrungsmittel in hinreichender Menge, durch bittere und bitter-aromatische Arzneimittel, durch Ruhe, reine Luft und gelinde Wärme gehoben weiden; und örtlich sind die bereits oben ge­nannten Digestivmittel, und bei diesen ganz besonders die rothe Präci-
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Eiterung.
pitat-Salbc (4- — 1 Drachme rolhcn Quecksilbcr-Präcipitat zu einer Unze Wachssalbe oder Terpeuthiu-Salbe gemengt) und warme Breiumschläge in Anwendung zu bringen. Uat sich auf der Eilcriläehc bereits eine schwielige Haul gebildet, so muss diese durch Betupfen mit einem Aelz-millel oder mit dem glühenden Eisen zerstört werden, bevor mau die Digestiv-Wittel anwendet.
Sind die Thicrc in Folge einer] langwierigen und reichlichen Eite­rung abgemagert oder gar mit Zchrlieber behaftet, so muss man den Siiftcvcrlusl durch rcicliiiche Yerabrcichung der kräftigsten Nahrungs­mittel ku ersetzen suchen, und ausserdem die Thiere durch Ruhe, reine Luft, und durch bitlere, gclind aromatische und adstringirende Mittel unterstützen.
Finden sich währeud eines Eilerungsprozesses plötzlich Störungen in einem wichtigen inneren Organe und fieberhafte Zufälle ein, nament­lich Zeichen einer empliudlidien Keizung in der Lunge, so ist zu befürchten, dass Eiler rcsorbirl, und in das Gewebe eines Organs ab­gelagert worden ist. Ein solcher Zustand ist stets mit grosser Gefahr verbunden, da man der weitern Resorption des Eiters ebenso wenig wie der weitem Ablamp;gernng desselben und der Eulwickeluug der Wirkungen hiervon, auf eine sichere Weise entgegenwirken kann. Es bleibt in Iherapeulischcr Hinsicht hierbei nur übrig: 1) den im Abscess (oder in der Wunde) etwa in Vertiefungen eingeschlossen oder lange Zeit zurückgebliebenen Eiter durch grosse Oetl'nungen baldigst und vollständig zu entleeren; 2) die ganze Eilerfläche, und namentlich auch die Wundflächen von den etwa gemachten Kunstschnitten mit Lapis infernalis zu kaulcrisiren und dann dieselben mit erweichenden lauwarmen Breiumschlägen zu bedecken, und 3) die Entzündungszufälle in den Organen, in welche der Eiter deponirt ist, durch eine kräftige Antiphlogose zu beseiligeu.
Ist endlich in irgend einem Falle die Granulation bis zu den Haut-rändern hervorgewachsen, so mindert sich in der Regel auch die Menge des Eiters, und der Letztere wird zugleich allmälig mehr und mehr ei-weisshaltig und zähe, so dass er sich in dünne Fäden ziehen lässt. Bei dieser BescliaU'enhcit vertrocknet er an der Oberfläche der Granulation zu gelblichen, oder bräunlichen Krusten, welche einige Zeit, d. i. ge­wöhnlich länger als 24 Stunden, sitzen bleiben und unter welchen sich die Haut von den Rändern her allmälig mehr und mehr über die Gra­nulation verlängert. Zugleich schrumpft nun die Granulation immer mehr zusammen, und auf diese Weise bildet sich an der Oberfläche derselben eine derbe Schicht oder die Narbe.
Die oben erwähntea kalten oder Lymph-Abscesse öffnet man auf dieselbe Weise, wie die übrigen. Nach der Entleerung ihres zähen Eilers reibt man die Haut sogleich mit Cauthariden-Salbe ein, und wie­derholt dies nölhigenfalls nach Zwischenzeiten von 8 zu 8 Tagen ein-oder zweimal. Sie gelangen liicrdurch gewöhnlich bald zur Heilung, während sie bei einer mildern Behamlluug stets chronisch werden, und sehr oll örtlich Verhärlungeu und eine allgemeine Dyscrasic herbeifüh­ren. In Belrell' der letztem muss mau bei Pferden während der Kur solcher Abscesse immer sehr aufmerksam sein, und bei eintretenden Störungen im Verckuuugsprozess, oder an den Lymphgefässeu die
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Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; S5
geeigneten Mittel, wie nanieullich bitler-aiomalisehe, Kupier- und Spiess-glanz-Präparate anweudcu, — und wohl auch aus vorsieht die Pa-Ueiilen abgesondert von andern Pferden halten.
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Tcssicr, sur la diathese purulente. Ira Journal 1'Experience, an. 1838.
Viertes Capitel
Vom Brande.
Abstarb ung.
Als Braud, Absterbung (Gangraeua, Mortilicatio, Mumificatlo, Sphacelus, INecrosis) bezeichnet man das unvollständige und das voll­ständige Absterben eines Theils des Thierkörpcrs, wenn es mit chemi­scher Zersetzung (Fäulniss) der organischen Substanz verbunden ist.
Diese Abslerbung kann sowohl durch Entzündungen wie auch durch alle andere Ursachen herbeigeführt werden, welche in einem organischen Gebilde die Nerventhätigkeit oder den Kreislauf des Blutes (oder beide Einflüsse zugleich) grösstentheils oder gänzlich aufheben und einen Stillstand der Reproduktion bewirken, wie z. B. durch andauernden Druck, durch das feste Einschnüren mit Binden u. dgl., durch gänzliche Trennung der Hauptnerven oder Gefässstänime eines Gliedes vor ihrer Theilung, durch hohe Hitzegrade oder strenge Kälte, durch die Einwir­kung der Brandjauche und einiger Gifte u. dgl. Gewöhnlich wirken
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Brand.
mehrere solche Ursachen zugleich; zuweilen bleiben dieselben ganz un­bekannt #9632;)•
Bei Entzündungen entsteht der Brand entweder dadurch, dass die Reizung in den peripherischen Nerven und in den Haargefässen bis zur Ueberrcizung steigt, die Lebcnslhätigkcit erschöpft wird, dadurch Läh­mung, Aufhören der Reproduktion and hiernach örtlicher Tod entsteht, — oder dadurch: dass grössere und kleinere (jefiisse verwachsen und in Folge dessen die Ernährung des Theiis ebenso aufhört, als ob die Gefässe sämmUich unterbunden wären.
Man unterscheidet nach dem nur theihveisen oder dem gänzlichen Aufhören der Lebeiisthäligkeil mit den betroUcncu Theilen zwei verschie­dene Grade des Brandes, nämlich: ä) den heissen Brand (Gan-graena), und b) den kalten Brand (Sphacelus). — Der Brand inden Knochen wird als Necrosis bezeichnet.
Bei dem Erstercn bestehen in dem leidenden Theile noch Aeusse-rungen des Lebens, und zwar in den Symptomen des höchsten Grades der Entzündung, jedoch in Verbindung mit theilweiscr Lähmung und mangelhafter Reaction. Bei dem kalten Brande ist aber gänzliehc Ab­sterbung des Gewebes zugegen und die Entzüuduugs-Symptome sind vollständig verschwunden, soweit laquo;ler Brand sieh erstreckt, obgleich sie an der Umgebung noch fortbestehen können.
Der heissc sowohl wie auch der kalle Brand können in allen der Entzündung unterworfenen analomischcu Geweben enlstehen, und zwar findet man sie einzeln oder beide in einem gegebenen Falle bald nur an einem Gewebe, z. B. allein in der Haut, oder im Zellgewebe, oder in den Muskeln u s. w., oder es leiden verschiedene Gewebe des ent­zündeten Theiis gleichzeitig. Im lelztern Falle ist es bemerkenswert]), dass gewöhnlich die grössein Gefässe und Nerven in dem brandigen Theile sich am längsten in ihrer Integrität erhalten.
Der heissc Brand kann natürlich nur in den Fällen vorkommen, in welchen der Brand aus einer Entzündung entsteht; in allen anderen Fällen, wo die Absterbung aus irgend einer Ursache direkt entsteht, bil­det sich sogleich der kalle Brand.
In jenen erstercn Fällen ist der heissc Brand gleichsam das erste Stadium oder der Anfang der Abslerbung, und der kalte Brand das zweite Sladium oder die vollendete Absterbung.
Die Erscheinungen, welche den heissen Brand begleiten, sind fol­gende: die Entzündung steigert sieh schnell zu einem bedeutenden Grade; die Farbe der Haut, wenn dieselbe von Natur weiss ist, wird bläulich, die Hitze wird brennend, aber die Schmerzen lassen nach, und zwar mitunter plötzlich; dann sinkt auch die Wärme etwas, und die Ober-
') Elgenthüniliclip und noch nicht genügend erforschte Ursachen des Brandes sind z. B. das Mutterkorn und die mit ßlnttlaiisen, mit Honig- und Mehltluiu verunreinigten Futterpflanzen. Das Erstere hat nicht nur bei Menschen, son­dern auch hei Thicren, wenn es in grosser Menge genossen worden war, aus-ser andern üblen Zufällen auch das brandige Absterben der Glieder bewirkt; — und durch jene Pflanxcn scheint in manchen Jahren das Absterben der weissen Hautstetlen bei Pferden erzeugt worden zu sein. Magaz. f. Thierheilk. 1843. S. 53. 479.
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Brand.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 67
haut erhebt sich in Blasen, Tvelche mit blutigem Serum angefüllt sind, und bald früher, bald später platzen.
Der kalte Brand äussert sich dadurch, dass die Wärme des Theils bis unter die normale Temperatur herabsinkt, dass die Empfindlichkeit und das Bcwegungsvermügeu gänzlich erlöschen, dass dabei sich Luft im Zellgewebe (ein Emphysem) entwickelt, oder die Haare ausgehen, — und dass hierbei aus offenen Verletzungen eine röthliche stinkende Jau­che fliegst.
Der kalte Brand kann jedoch in zweierlei Formen auftreten, und dadurch neben jenen Erscheinungen noch ein verschiedenes Ansehen erhallen. Er erscheint nämlich: a) als trockner Brand, wenn die Haut lederartig hart und Irockcn, schwarz, das Zellgewebe zusammen-gesebrumpft, und der Theil mit wenig flüssigen Säften überhaupt ver­scheu ist; oder b) als feuchter Brand, wenn eine röthliche oder bräunliche, stinkende Jauche in reichlicher Menge das ganze Gewebe erfüllt, und die von ihr berührten Theile auflöst und erweicht, so dass mau zuweilen die Haut, das Zellgewebe u. s. w. in Stücken abfallen sieht. Zuweilen linden sich beide Formen des Brandes zugleich in dem entzündet gewesenen Theile, jedoch in verschiedenen Geweben, oder an verschiedenen Stellen vor, wie z. B. bei lief!igen Drucksehäden am V\ idcniisl, wo zuweilen die Haut lederartig hart (trockener Haulbrand, Brandfleck) die darunter befindlichen Theile aber durch Brandjauche er­weicht sind.
Die Diagnosis des Brandes ist aus den oben angegebenen Sympto­men zu entnehmen, jedoch nicht immer gleichmässig leicht, weil an der bcliaarlcn, oft sehr dicken und von Natur dunkelfarbigen Haut unserer Hauslliicrc die Erscheinungen nicht immer deullich hervortreten, na­mentlich aber dann nicht, wenn die Haut nicht selbst vom Brande mit leidet. Es giebt nicht seilen Fälle, wo hierbei der kalte Brand in den Alnskoln und im Zellgewebe schon wirklich eingetreten, die veränderte Färbung der Haut aber nicht wahrziinehmcu ist, auch die angegebenen Bläschen nicht entstanden sind, und wo auch selbst die Empfindlichkeit der Haut in der ersten Zeit des Brandes noch nicht gänzlich erloschen ist. In solchen Fällen kann man sich nur allein nach dem plötzlichen Nachlassen der Enlzündimgs-Symptome und nach dem Fortbestehen der Gesehwulst, mit den Erscheinungen des Emphysem's richten, und von dem Zustande der unter der Haut befindlichen Gebilde kann man sich in zweifelhaften Fällen nur durch einen durch die Haut gemachten Einschnitt belehren. Dergleichen Einschnitte können unter diesen Um-sländen niemals schaden, sondern selbst noch zur Kur nützlich sein. Man findet dann unter der Haut beim feuchten Brande viel Jauche, oft auch Luft (Gase), das Zellgewebe weiebj selbst zerfliessend, oft grün­lich, die Muskeln weich, schmierig, in eine röthliche oder graue Masse umgewandelt, die Sehneu theilweis in aschgraue Fasern getrennt und erweicht; feste Knochen sind zuerst weiss, später werden sie durch Ein­dringen der Brandjauchc schwärzlich; schwammige Knochen werden gleich vom Anfange an schwarz.
In manchen Fällen steigert sich beim eintretenden Brande das die Entzündung begleitende Fieber, wenigstens wird die Zahl der Herzschläge und der Pulse dabei vermehrt, aber die Kräfligkcit der Pulse nimmt
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68nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Brnnd.
dabei bedeutend ah, und ^cwöhnlicli siukeu dabei auch überhaupt die Kräfte des Thieres. Zuweilen entsteht beim Eintritt des Brandes ein Fieber, wo während der Entzündung es nicht zugegen war. Man pflegt es als Brandfieber zu bezeichnen. Je mehr die Bildung von Brand-jauche staltfindet, um desto mehr wird der Puls klein und weich, die Kräfte sinken immer liefer, das Athmen wird beschwerlicher, die Schleim­häute werden schmutzig rothlich, oder selbst bläulieh, der Appetit ver­ändert sich oder verliert sich gänzlich, der Blick wird stier, und unter diesen Erscheinungen sterben die Thiere zuletzt an Erschöpfung und Lähmung, — wenn nicht au der brandigen Stelle bei Zeiten eine gün­stige Veränderung stattfindet. Es ist höchst wahrscheinlich, dass das Fieber und die bezeichneten Folgen desselben zum grossen Theile von der Resorption und dem Uebergange der Brandjauche ins Blut entstehen; denn beim trocknen Brande treten diese Zufälle nur selten ein, und ausserdem kann man dieselben auch bei gesunden Thiereu durch Ein­spritzen der Brandjauchc in die Blutadern künstlich erzeugen. Zum Theil sind aber jene Zufälle wohl auch abhängig von der, mit dem Brande erfolgenden Verstininnmg der Nerventhätigkcit des leidenden Theils und von der consensuellcn Ueberlragung dieser Verstimmung auf die Cenlral-Organe des Nervensystems.
Die Brandjauche besitzt eine spezifische Schärfe, die man fast als ein scharfes Contagium betrachten kann; denn sie ätzt nicht nur an der Oberfläche des Körpers die Epidermis und die Haare weg, sondern sie erzeugt auch, wenn man sie in reine Wunden bei völlig gesunden Thiercn bringt, in den betroffenen Gebilden brandige Zerstörung in ei­nem bald mindern, bald grössern Umfange 1). Und ebenso wirkt sie weiter zerstörend an dem Orte ihrer Erzeugung, wenn ihr nicht hier durch einen Eiterungsprozess in den noch lebendigen Theilen eine Grenze gesetzt wird.
Verlauf und Ausgang.
Der heisse Brand ist häufig noch zur Zurückhildung und Zerthei-lung geeignet, und dieselbe erfolgt unter günstigen Umständen so wie hei Entzündungen. Der kalte Brand dagegen gestattet keine Zurück­hildung; sondern die abgestorbene Substanz trennt sich entweder von der lebendigen ab, und wird durch neugebildete Masse, soweit wie dies möglich ist, wieder ersetzt, oder die Zerstörung verbreitet sich alhnälig weiter, und führt den Tod herbei. Das Letztere geschieht entweder durch die mit der organischen Zerstörung verbundene Vernichtung ei­ner oder mehrerer für das Leben wichtiger Funktionen, oder durch all­gemeine putridc Umwandlung des Bluts und dadurch bedingte Lähmung der Central-Organe, des Nervensystems und des Herzens. — Wenn
') Wegen dieser fast giftigen Eigenschaft der Brandjauche muss man stets die grösste Vorsicht bei ihr anwenden, namentlich jede Einwirkung auf verletzte Stellen an den Händen u. s. w. vermeiden, und die an brandigen Theilen ge­brauchten Instrumente gründlich mit Chlorkalk oder Essig reinigen, ehe man sie anderweitig benutzt, weil sonst höchst gefährliche Infectionen entstehen kön­nen. S. Nagaz, f. Thierheilk. 18i6. S. 424 u. f.
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Brand, Behandlung,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 69
die Abscheidung der tibgestorbenen Substanz eintreten will, iludel sicli an ihrer Grenze eine stärkere Entzündungsgeschwulst und Eiterung ein. Man nennt diese Abgrenzung die Demarkationslinie. Die Heilung erfolgt dann durch Eiterung und Granulation.
Die Prognosis bei dem heisseu Brande 1st in den meisten Fällen so lange zweifelhaft zu slellen. bis eine Abnahme seiner Symptome be­merkbar ist, wo dann die Hoffnung auf Erhallung des Theils grosser wird; doch hängt sie im speciellen Falle noch von der Wichtigkeit des leidenden Theils, von dem Umfange des Leidens und von der Art der Ursachen ab. Hinsichtlich des ersten Punktes ist die Beurtheilung beim heissen Brand der Haut und des Zellgewebes günstiger, als wenn das Uebel in tiefer liegenden Theilen seinen Silz hat: Brand in einem klei­nen Umfange hat eine geringere Bedeutung, als wenn grosse Flächearaquo; oder ein ganzes Gebilde von ihm ergriffen sind; ist aber Brand nur aus örtlichen Ursachen entstanden, übrigens das Tlner gesund und kräftig, und sind diese Ursachen zu beseitigen, so hat er eine viel geringere Bedeutung, als wenn er die Folge eines allgemeinen krankhaften Zu-standes, oder wenn er mit einem solchen Zustande verbunden ist. —#9632; Bei der Prognosis des kalten Brandes kommen die beim heissen Brande eben erwähnten Momente auch in Erwähnung; da aber die Wiederbe­lebung des Abgestorbenen nicht möglich ist, so kann es sich hier stets nur um die baldige Entfernung desselben, um Erhaltung des Thieres und um die Möglich keit einesguten Hcilungs- und Vernarbungs-Prozcsses han­deln. Die Beurtheilung des Uebcls ist in beiderlei Hinsicht mit Berück­sichtigung der im Vorstehenden angedeuteten Verhältnisse zu machen.
Die Behandlung des heissen Brandes gründet sich darauf: die Zertheilung der Entzündung oder die Eiterung herbeizuführen und den Uebergang in den kallen Brand möglichst zu verhüten.
Demgemäss müssen die Ursachen ihrer Art nach beseitigt werden, wie z. B. ein zu fester Verband muss gelüftet oder ganz entfernt wer­den, fremde Körper und ätzende Stolfe müssen beseitigt, einschnürende Seliuen oder Wundränder, die Bänder von Bruchöllnungen u. s. w. müssen durchschnitten, und Thcilc, welche aus ihren Höhlen hervorge­treten sind, müssen in dieselben zurückgebracht werden. — Besieht in den mit heissen Brand behafteten Theilen grosse Spannung und Infil­tration von Blut oder andern Säften, so sind kräftige Einschnitte das wichtigste Mittel, nm durch Entleerung dieser Flüssigkeiten die Span­nung und alle Zufälle zu mindern. Brandblasen öffnet und entleert man. Ausserdem wendet man bei sthenischen Entzündungen kalte Um­schläge von Wasser, oder noch besser von einer Auflösung des Sal-miak's, oder des Kochsalzes, oder des Chlorwassers, oder eine Auflö­sung von Chlorkalk recht fleissig an. Zeigt sich stelienweis eine Spur von Eiterung, so geht man zu lauwarmen Umschlägen von schleimigen Mitteln über. In mehreren Fällen hat das Auflegen dünner Scheiben von Speck, oder das Bestreichen der leidenden Theile mit einer dicken Schicht von Talg, sehr nützlich gewirkt. — Trägt aber die zum Brande neigende Entzündung den Charakter des Torpors an sich, so sind ge­lind aromatische, spirituöse und adslringirende Mittel in Form von Waschungen oder von Breiumschlägen angezeigt. Innerlich verabreicht man, wenn die brandige Enteündung einen sthenischen Charakter an
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70nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Brand, Behandlung.
sich trägt, kiihleiulc Salze, — bei cnlgegcugcsclzlcr Beschaffcnlicit des Leidens aber tonische und aromalischc Wiüel.
Bei der Kur des kalten Brandes sind folgende Indikationen zu erfüllen: 1) das Forlscbrcilen der Abslerbimg muss man zu verbindern suchen; 2) das Brandige muss von dem Lebenden durch eine Demar­kationslinie getrennt, und dann enllcrnt werden; 3) die Bramljaucbe muss auf dem kürzesten Wege entfernt, und ihre Aufsaugung muss ver-bütet werden; und 4) der IJciluugsprozcss mass örtlich und im Allge-incinen mit Rücksicht auf den Kräftezustand des Thieres geleitet werden.
Die Erfüllung dieser Indicationen trifft in mehreren Punkten mit einander zusammen. Hinsichtlich der ersten und zTveiten Aufgabe ist es nülhig, im Umfange des bereits Abgestorbenen die etwa noch vor­handenen Ursachen zu entfernen, und die Entzündung so zu regeln, dass sie in Eiterung übergeht; denn nur dadurch allein, dass sich au der Grenze der lebendigen Gebilde eine Eiterfläcbe erzeugt, wird der Brand mit Sicherheit begrenzt. Demgenuiss macht man bei grossen Schmerzen auf die kranken Tbeilc lauwarme Umschläge von schleimi­gen, bei Torpor aber von gcHml aromatischen Mitteln, von einem Brei aus Roggenmebl und Bierhefen, oder von Arnikabluraen u. dgl.
Die zweite Indication wird zuweilen, namentlich bei feuchtem Brande, gewissermasscu von selbst erfüllt, indem die erweichten Massen sich theilweisc aus ihrem Zusainmcnbangc lösen und abfallen; in den meisten Fällen muss man aber mittelst schneidender Instrinnentc und der Pinzette diese Ablösung und Entfernung bewirken. Es ist dabei im Allgemeinen die Hegel zu beobachten, dass das Abschneiden stets uur vorsichtig bis zur Grenze der abgestorbenen Tbeilc und mit Scho­nung der grössern Blulgcfässe und Nerven bewirkt werde. Durch dieses Ablösen der brandigen Substanz wird gewöhnlich auch zugleich die dritte Indication, die Entfernung der Brandjauche, grösstcnthcils erfüllt.
Dieses Verfahren ist jedoch nicht in jedem Falle und besonders nicht immer gleich nach dem Eintritt des Brandes gut ausznlübren, weil man nicht überall die Grenze der abgeslorbenen Tbeilc von aus­sei! her deutlich erkennen, und daher auch dieselben nicht überall so vull-sländig ablösen kann. Mau muss sich deshalb gewöhnlich damit begnü­gen, Einschnitte in die abgeslorbenen Tbeilc zu machen, und durch die Brandjauche auszuleeren. Diese Eiusclmitte werden mit einem Bi­stouri oder mit einer Lanzette durch die Haut und das Unterbaut-ZeU Icngcwebc in die Muskeln oder auch in drüsige Organe, bald mehr, bald weniger tief, und in der Länge von 3 — 4 Zoll, je nach der Aus­dehnung des Brandes, gemacht. Es ist dabei die Vorsicht zu beobach­ten, dass die Schuitle nicht bis in die gesunden Tbeilc geführt weiden, weil sonst eine l'eberlragung der Brandjauche auf diese bewirkt wer­den würde. Um die Ausleerung der Jauche zu befördern, die Besehaf­fenheil derselben zu ändern und zugleich umstimmend auf die angren­zenden lebendigen Tbeilc zu wirken, spült man die Schnittwunden mit Seifenwasser, oder mit einem aromatischen Infusum, oder mit einer Auflösung von Chlorkalk, oder auch mit Chlorwasscr oft wiederholt aus; oder man legt mit diesen Flüssigkeiten befeuchtetes Werg in die
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Brand, Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;71
•Wunden. Am Folgenden Tage macht man die oben angegebenen Um­schläge von Roggenmehl und liefen, oder man beleuchtet die Wunde mil Holzessig, oder mit einer Auflösung von Kreosot (3j in W j aromat. Infusum), oder mit Kampherspiritus; und wo die Absonderung von Jauche sich fernerhin noch sehr reichlich zeigt, streut mau ein Gemenge von 3 Theilen Kohlenpulver mit einem Theil Chlorkalk, oder mit glei­chen Theilen Kamillcnpulver in die Wunden, lieber die ganze kranke Fläche und die angrenzenden Theile macht man die bereits erwähnten Umschläge von schleimigen oder aromatischen Mitteln.
Zeigt sich bei dieser Behandlung nach ein oder zwei Tagen an der Grenze oder im Grunde der brandigen Theile eine Spur von Eite­rung, so befordert man dieselbe durch Verbinden mit einer gelind rei­zenden Harzsalbc, welche jedoch nur so lange gebraucht werden darf, bis gute Eiterung eingetreten ist. Durch dieselbe wird alles Brandige völlig von dem Lebendigen abgelöst, und die Bildung einer guten Gra­nulation begünstigt. Diese wächst nach brandiger Zerstörung ge­wöhnlich mit sehr grosser Lebhaftigkeit hervor, so dass die Ausfüllung einer Lücke hiernach schneller als bei Wunden mit Substauzverlust zu erfolgen pllegl. Allerdings hat diese Uegcueralion auch hier ihre Gren­zen, und es'bleibt nicht seilen ein grosser Theil der durch den Brand zerstörten Substanz nneisetzt. Die Leitung des Heiluugsprozesses, wenn erst gute Granulation eingetreten ist, geschieht dann ganz so, wie bei einfachen Abscesscn.
Wenn an den Glicdmaasscn, au den Ohren oder am Schwänze eines Thieres das äusserc Ende dieser Theile durch den Brand zerstört, oder seiner Wcichgehilde ganz oder grösstentheils beraubt ist, so;kann man ein so verslnmnielles Ende an der Grenze der lebendigen Theile ablösen (amputiren) und dann die Uebcrheilnng und Vernarbung des Stumpfes auf dem Wege der Eiterung und Granulation zu bewirken suchen, doch muss man mit der Amputation stets so lange warten, bis der Brand einen Stillstand gemacht hat, und die Demarkationslinie ge­bildet ist, weil sie sonst vergeblich gemacht werden würde. Während der örtlichen Behandlung der mit kaltem Brand behafteten Theile muss auch fast immer eine innerliche Behandlung der kranken Thicrc slatt-finden. Dieselbe muss auf Unterstützung der Kräfte und Erregung ei­ner guten Verdauung, so wie auf Beförderung kritischer Ausleerungen abzwecken. Man giebt deshalb bei mangelhaftem Appelä und gelblicher Färbung der Schleimhäute zuerst bittere Mittel mit massigen Gabcu von schwefelsaurem Kali oder Natron, oder von Kochsalz, und weiterhin, wenn der putride Charakter des Fiebers hervortritt, bitter-aromatische Mittel, in Verbindung mit Arnika oder mit adstringirenden Mitteln und mit Mineralsäureu, — bei starken Sinken der Kräfte auch in Verbin­dung mit Kampher oder mit Terpentinöl. Die Diät muss ebenfalls auf Kräftigung und gute Ernährung gerichtet sein, daher in guter, kräf­tiger Nahrung, in frischer reiner Luft, iu Reinlichkeit überhaupt und iu einem ruhigen Verhalten bestehen.
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Literatu r.
Ilaucke, Ucber den heisseu und kalten Brand. Breslau 1840. Jäger, Artik. Gangraena, im Berlin, encyclopäd. VVorlcrb. d. media.
Wissenschaften. Renault, de la gangrene traumatique. Paris 1840.
A n h a n g.
Verbrennungen, Aetzungeu, Erfrierungen, Rothlaul'und Rheumatismus.
A. Ver I) ren nu n gen. Ambusliones, Combustiones.
Wenn Feuer, schmelzendes Metall, oder glühende, oder bis zum Sieden erhitzte Substanzen auf den Thierkörper einwirken, so entstellen hierdurch sehr schnell Entzündungen von verschiedenen Graden, oder selbst brandige Zerstörungen, je nach dem Erhitzungsgrade der verlet­zenden Substanz und nach der Dauer ihrer Berührung mit den betrof­fenen Thcilen. Man nennt diese Einwirkungen vom oilenen Feuer und von trockenen heissen Substanzen Verbrennungen, von flüssigen Substanzen aber Verbrühungen.
Verbrennungen und Verbrühungen kommen bei verschiedenen Ge­legenheiten (erstere auch als lleilniittel absichtlich erzeugt) und in ver­schiedener Ausdehnung vor. Nach dem Grade ihrer Einwirkung und der entstandenen Reaktion pflegt man gewöhnlich vier Grade der Ver­brennungen zu unterscheiden; nämlich:
Der erste Grad ist eine oberflächliche Enlzünduug der Haut. Ist die letztere mit Haaren besetzt, so findet man dieselben nach der Ein­wirkung von Feuer angesengt, sonst wohl such struppig!. ohne Glauz, sie bleiben aber sitzen oder fallen erst nach einiger Zeit bald mehr, bald weniger aus; ist sie ohne Haare, so wird sie etwas heisser und em-pfiiidlicher, und wenn sie von Natur weiss war, wird sie auch rölher. Diese Zufälle verlieren sich in kurzer Zeit von selbst.
Bei dem zweiten Grade treten die genannten Zufälle weit stärker hervor; die Haare sind bis auf die Haut abgesengt, oder sie fallen bald aus; die Haut schwillt an, wird sehr empfindlich, und wo sie sonst weiss war. wird sie roth. Wenn die Hitze auf eine grössere Fläche einwirkte oder sehr empfindliche Theile betraf, findet sich hierzu oft auch ein Reizfieber.
Bei dem dritten Grade ist durch die Hitze die Oberhaut ertöd-tet, und sie wird entweder gänzlich zerstört und sogleich entfernt, oder durch eine unter ihr auf der Cutis ausgeschwitzte seröse Flüssigkeit in Blasen erhoben. Letzteres geschieht bald mehr bald weniger schnell, je nach dem Grade der eingewirkten Hitze und nach dem Säftereich-thuin des betroffenen Theils. Uebrigens sind die Zufälle des vorigen Grades zugegen. Jene Blasen sind von verschiedener Grosse: manche
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Verbrennungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 73
platzen und vertrocknen, in anderen wird die seröse Flüssigkeit nach einigen Tagen citerarlig oder jauchigt und es bilden sich (iesclrvvüro von verschiedenem Umfange und verschiedener Tiefe.
Der vierte Grad der VerbreunuDg ist eine wirkliche Zerstörung der betroffenen Theile bis durch die Haut, oder der kalte Brand,—und zwar gewühulieh nach dem Verbrennen der trockene, nach dem Verbrühen der feuchte Brand. Doch erscheint die Abstcrbung auch im letzteren Falle zuweilen als trockener Brand. Nach dieser Verschiedenheit ist die Haut bald pergamentarlig. trocken, selbst in einem Sehorf verwan­delt, bald weich, feucht, aufgelöst, ohne Zusammenhang in sich und mit der Umgebung. — So weit die Absterbung besteht, fehlt natürlich die Empfindlichkeit; im Umfange jener ist dieselbe aber gewöhnlich sehr gross, und eben so findet sich hier Geschwulst und (an weisser Haut) auch Rölhc. Je nach der Ausbreitung und nach dem mehr oder we­niger liefen Eindringen der Zerstörung ist hier auch die allgemeine Er­regung und das Fieber bald sehr bedeutend, bald auch nur gering.
Wenn Verbrennungen bei Gelegenheit einer in einem Stalle ausge-brocheuen Feuersbrunst entstehen, wird durch die Hitze und den heissen, scharf empyreurnalischen Rauch der brennenden Streu u. dgl. fast immer eine heftige Reizung der Respirationsorgane, oft auch eine wirkliche Entzündung der Schleimhaut in der Nase, der Kachenhöhle u. s. w. bis in die Lungen erzeugt. In solchen Füllen sieben die Thiere traurig, senken den Kopf, haben einen stieren Blick, heftiges Fieber mit kleinem unterdrückten Pulse, das Athmcn ist beschleunigt, aber die Züge ge­schehen kurz und unvollständig, die Schleimhaut der Nase und des Mauls ist dunkelroth, selbst livide. die erstcre zuweilen auch mit Bla­sen oder mit Exkorialiouen besetzt, und aus der Nase fliesst eine schau­mige Flüssigkeit; bei manchen Thieren besteht ein kurzer, sehmerz-hallcr Husten; der Appetit ist sehr gering und die Patienten werden in kurzer Zeit sehr malt. — In denjenigen Fällen, wo ein Theil der Bauchdecken zerstört worden ist, entstehen zuweilen Kolikschmerzen. und zwar bald gleich nach der Verbrennung, bald erst später, wenn die Eiterung eintritt und die Haut sich ablöst. Gewöhnlich liegt diesen Zufällen eine Bauchfell- oder Darmentzüudung zum Grunde.
Die Prognosis ist in den einzelnen Fällen sehr verschieden, nach den verschiedenen Graden der Verbrennungen, nach der Ausbreitung derselben, nach der Wichtigkeit der Zartheit und Empfindlichkeit der verletzten Theile und nach den angedeuteten Complikalionen. Bei dem ersten Grade der Verbrennungen verliert sich die Entzündung immer schnell und leicht; auch bei dem zweiten Grade besteht keine eigent­liche Gefahr, und die Entzündung ist leicht zu beseitigen; dieselbe kann daher dann, wenn sie eine weite Ausbreitung besitzt, durch die heilige Reizung einige Bedeutung erhallen. Der dritte Grad bedingt stets eine AbslerDuug der Oberhaut, und oft auch Eiterung. Bei kleinen Flächen ist die Reizung gering, bei grossen Flächen aber leiden die Thiere durch das Reizfieber, die Schmerzen und den Säfleverlust, und die Zeil der Heilung erstreckt sich zuweilen auf Monate; auch bleiben in manchen Fällen haarlose Flecke und Narben, selbst Verdickungen der Haut zu­rück, und durch die letzteren entsteht bei Verbrennungen der Glied­massen mitunter eine Lahmheit. — Bei dem vierten Grade besteht im-
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74nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Behandlung.
nier dieselbe Gefahr, wie bei dem heissen und kalten Brande in ande­ren Fallen; je tiefer die •Zerslöruug eingedrungen, und je weiter sie verbreitet ist. um desto grosser ist die Gefahr; die Ansbreilung bedingt auch hauptsächlich die zur Heilung erforderliche Zeit, da der Erfahrung zufolge weit eher ein Theil der verloren gegangenen Substanz aus der Tiefe heilt, als sich ein Theil der Haut wieder ersetzt. Narben, Ver-dickungen und Lähniungeii wie bei dem dritten Grade. Durch Ueber-reizung, heftiges andauerndes Fieber, durch grossen Säfteverlust bei langwieriger ausgebreiteter Eiterung, so wie durch die zuweilen eintre­tenden Koliken, noch mehr aber durch die Lungenenlzündungen wird oft der Tod herbeigeiührt.
Die Behandlung der Verbrennungen kommt in den beiden ersten Graden durchaus mit der Behandlung der einfachen Entzündungen über­ein. Man macht Bufeuchtangen, Waschungen oder Umschläee von Wasser, von schwachem Bleiwasser, oder bei Erelhismus, von Blciwas-ser mit Zusatz von etwas Opium oder von Bilsenkraut-Extrakt, oder man streicht ein Liniment, aus riuen Theil Eiwciss und zwei Thcilcn Baumöl (oder Leinöl), oder aus gleichen Thcilen Eiweiss, Leinöl und Milchrahm auf die cnlzündetcu Stellen. — Sind bei dem dritten Grade nur kleine Blasen vorhanden, so beachtet mau dieselben nicht beson­ders, aber grosse und sehr gespannte Blasen ölfnet man durch kleine Einstiche, um ihre Flüssigkeit auszuleeren. Hiernach, und ebenso in den übrigen Fällen, wo dies nicht geschehen ist, bestreicht man die verbrannten Stellen über und über mit irgend einem milden Oel oder Fett, oder mit der Bleisalbe, und macht dann flcissig kalte Umschläge so lange, bis entweder die Entzündung beseitiget, oder, wie es meh-rentheils geschieht, bis Eiterung eingetreten ist. In manchen Fällen hat man, wenn die Blasen geölluet waren und grösscre Stellen ihre Oberhaut verloren hatten, dieselben mit einer fingerdicken Lage von glcichmässig gekämmter Baumwolle (Watte) bedeckt, und dann ohne sonstige Be­handlung das Abtrocknen oder die Eiterung abgewartet. Die beobach-letc Heilsamkcit dieses Witteis scheint nur in dem Abhalten der Luft von den eutblüssten Stellen begründet zu sein, und desshalb verdient bei einem hohen Grade von Entzündung das erstere Verfahren den Vorzug. Ist bei der einen oder der anderen Behandlungsweise die Ei­terung eingetreten, dabei gutartig und massig, so ist das Bestreichen der eiternden Stellen mit einem Gemenge von Baumöl oder Leinöl (1 Th.) und Kalkwasser (3 Th.), oder von diesen Oelen und Bleiessig in ähn­lichen Verhältnissen oder das Blei-Cerat nützlich; bei zu reichlicher oder bei schlechter Eiterung wendet man das reine Kalkwasscr oder auch cineAuflösung von Höllenstein (2 — 5 Gran auf sect;j dest. Wasser), oder eine Abkochung von adslriagircnden Mitteln täglich ein- bis zwei­mal an; oder mau slrcnet ein adstringirendes Pulver (z. B. Fulv. cort. Quere. sect;j, Pulv. carb. lign. sect;(S, M.) auf die jauchenden Stellen, liep-pige Granulaliou erfordert die Anwendung der Aetzmittel in Substanz oder in concentrirler Audosung.
Bei dem durch Yerbrcnnuugcn entstandenen kalten Brande findet im Wesentlichen die örtliche Behandlung wie bei dem Brande in ande­ren Fällen nach Entzündungen statt.
Die Lungenentzündungen und die Eutzündungskoliken verlangen
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Entzündungen durch chemiache Substanzen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;75
zuerst eine energische auliphlogislischc Behandlung. Auch bei dem Eul-zündungsfieber ohne solche Complicationen ist dieselbe erfordert, ob­gleich mehrentheils nicht in gleicher Strenge; bei grossen Schmerzen kann man in Verbindung mit den kühlenden Salzen auch Opium uud Bilsenkraut geben.
Sollten bei der Anwendung der Blcimitlcl auf grossen von der Epidermis beraubten Flächen Kolik-Symptome eintreten, so 1st es no­ting, diese Mitlei sogleich auszusetzen, und innerlich die schwefelsauren Salze in Verbindung mit schleimigen Milleln und mit Opium anzuwenden.
Bei langwieriger reichlicher Eiterung, bei kaltem Brand, bei Ver­jauchung und bei asthenischem Fieber müssen die Kräfte des Thieres durch kräftigende Diät und durch stärkende (bittere, Ionische) uud er­regende Mittel, wie sie bei Eiterung und Brand angegeben sind, unter-stützt werden.
JJ. Entzündungen durch chemisch einwirkende Substanzen.
Au ätz im gen.
Die reinen (kanstisclicu) Alkalien und emige alkalische Erden, die concenlrirtcn Säuren, mehrere Metalloxide uud Salze, und mehrere Pflanzen, welche einen scharfen Stoll' oder ätherisches Oel enthalten, und ebenso die Spanische Fliegen, die Maiwürmer (Meloc und Prosca-rabaeus majal.), die Ameisen und einige Raupen erzeugen bei ihrer Ein­wirkung bald mehr bald weniger heftige Entzündungen und selbst Zer­störungen. Diese Verschiedenheiten sind bedingt: 1) von der spezifi­schen Wirkungskraft der einzelnen Substanzen; 2) von der Concen­tration der wirksamen Bestandlhcile, und 3) von der Dauer der Be­rührung des Thierkörpers. In erstem- Hinsicht gilt die Erfahrung, dass die einen scharfen Stell'enthallenden vegetabilischen Substanzen veihältniss-mässig am mildcsleu wirken, und niehrentheils nur eine massige llaulenl-zündung veranlassen, und erst bei langer Dauer der Einwirkung Blasen erzeugen können. Fast in ähnlicher Weise wirken auch die Ameisen, die giftigen Raupen (z. B. die Prozessionsraupe) und die sogenannten Maiwürmer, etwas stärker die Canthariden; am heftigsten wirken aber die conceutriiten Kalien und Säuren, melircre Metalloxyde und Metall­salze, namentlich die meisten metallischen Chlorsake. Sie bewirken in kurzer Zeit Entzündung, und bei etwas längerer Dauer der Berührung auch Zerstörung (Erweichimg und Brand) durch übennässige chemische Affinität zur thierischen Substanz, welche sie, so weit der Stoll' reicht, vollständig durchdringt, auflöst, und die Vitalität vernichtet. Wenn Thiere in Gruben, mit frisch geiöschten Kalk fallen, so erfolgen diese Wirkungen zum Theil auch durch die Siedehitze des Kalkes.
Durch die oben sub 2 und 3 genannten beiden Bedingungen kann die Wirkung von einer und derselben Ursache sehr verändert werden. Denn je coucenlrirler eine Substanz ist, uud je län^r sie mit dein Thier-körper in Verbindung bleibt, um desto heftiger ist ihre Wirkung; so z, B. erzeugt eine massig couzcnlrirlc Auflösung von Brechvveinslein nur eine oberflächliche Entzündung, #9632;— eine stärkere Auflösung aber eine Entzündung mit Blasenbildung, und in ganz concentriiiein Zustande wirkt diese Substanz ätzend.
Ausserdcm wird die Sclinelligkeit und die Heftigkeit der Wirkung
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TGnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Entzündungen durch chemische Substanzen,
noch durch die Zartheit der Oberhaut und durch den Mangel an Haa­ren an der Stelle der Einwirkung, und bei den trockenen Substanzen noch durch die zufällig hinzukommenden Mittel zu ihrer Auflösung be­günstiget.
Die genannten Substanzen kommen zuweilen bei zufälligen Veranlassungen auf don TÜierkörper, in anderen Füllen werden sie absichtlich als Heilmillel für verschiedene Zwecke angewendet. Ge­schieht Letzteres nach richtiger Indikation und mit der erforderlichen Vorsicht, so bedürfen die hiernach eintretenden Wirkungen hier keiner besondern Erwähnung; allein sehr oft ist die Anwendung nnzeitig, am unrechten Orte und ungeschickt, so dass die Wirkungen unnöthig, zu ausgebreitet oder zu heftig eintreten, und deshalb ebenso wie diejeni­gen, welche durch unglücklichen Zufall entstanden sind, einen Gegen­stand der thierärzllichen Behandlung darstellen. So wird z. B. von Kutschern zuweilen den Pierden bei Kolik Pfeffer, Senf, Sleinöl u. dgl. in die Vorhaut oder in die Scheide gebracht, und dadurch Entzündung an diesen Theilen erregt: scharfe Salben und Aetzmittel werden auf einen Theil dick aufgestrichen, ohne dass die nöthigen Schutzmittel für die umgebenden Theile angewendet, selbst ohne dass die Thiere kurz und hoch angebunden, ohne dass sie von einander entfernt sind, ui s. w- Es entsteht in solchen Fällen durch das Herabfliesscn der, durch die Wärme des Thierkörpers dünnflüssig gewordenen Salben, — oder durch das Ablecken und Abreiben derselben leicht eine Entzündung oder Anätzung an andern Stellen u. dgl. m.
Die nach solchen Einwirkungen entslandenen Zufälle sind örtlich: entweder blos vermehrte Wärme, Röthung, Spannung, Geschwulst, Jucken und Schmerz in der Haut; — oder, es sind auch Blasen zuge­gen; —#9632; oder die Oberhaut und selbst die Haut ist mehr oder weniger zerstört, d. h. in ganz frischem Zustande erweicht, nach einigen Stun­den aber mit einem Schorf bedeckt; oder, die Aetzung und Zerstörung erstreckt sich auch in die Tiefe der Theile.
Bei grosser Ausbreitung und Tiefe der Entzündung oder der Zer­störung und bei grosser Emplindlicbkeit der betroffenen Theile entslcht auch gewöhnlich ein Entzündungsfieber; und in manchen Fällen wer­den selbst noch eigenthümlichc allgemeine Wirkungen nach der Art der Substanz (Vergiftungszufällc), z. B. Erbrechen, Kolik, vermehrtes Urini-reu n. dgl. wahrgenommen.
Die Beurtheilung ist nach dem Grade und der Ausbreitung der Wirkung, nach der Wichtigkeit des betroffenen Theils, nach der Em­pfindlichkeit desselben und des Thieres überhaupt, und nach den etwa eingetretenen allgemeinen Zufällen verschieden. Mit Ausnahme der letzteren, welche sowolü nach ihrer Art, nach ihrem Grade wie auch nach der Menge und der speeifischen Natur der wirkenden Substanz zu beurtheilen sind, ist die Prognosis fast ganz so auszusprechen, wie bei den Verbrennungen von äliulichem Grade der Wirkung und von ähnlicher Ausbreitung.
Bei der Behandlung dieser Zufälle sind zwei Indikationen zu er­füllen, nämlich: 1) muss der noch am Tbierkörper befindliche, als Ur­sache wirksame Stoff entfernt oder unwirksam gemacht werden; und 2) die entstandenen Wirkungen müssen ihrer Art nach beseitigt und die Verletzungen geheilt werden.
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Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;77
1)nbsp; Die erste Indikation muss immer mügliclist schnell erfüllt, wer-den, weil sonst die Wirkung mit der Zeil stets heftiger wird. Im All­gemeinen ist zur Entfernung der reizenden oder ätzenden Substanz die Anwendung schleimiger Flüssigkeiten zu empfehlen, weil durch diesel­ben jene Substanzen vom Körper abgespült und zugleich eingehüllt werden, z. B. Abkochungen von Leinsamen, oder von Allhecwurzel. oder man nimmt Mehlwasser, Milch, ein Gemenge von Eivveiss und Milch oder Wasser u. (Igl. Kennt man in einem gegebenen Falle die Art der wirkenden Substanz, so kann mau auch ganz gut die entspre­chenden chemischen Gegenmittel zum Entfernen und zugleich zum Un-wirksainmachen benutzen, vüe z. B. bei Anätzungen mit Kalien oder Kalk die verdünnlen Säuren, — bei den Säuren die schwachen Auflö­sungen der Kalieo, Aschenlaugc. Kalkwasser, speziell bei Schwefelsäure auch Bleiwasser, bei Brechweinstein eine Abkochung von Eichenrinde, — bei Arsenik die Auflösung von Eiscnoxyd-Hydral. — bei Sublimat das Kalkwasser u. dgl.
2)nbsp; nbsp;Die zweite Indication erfordert, je nachdem nur oberflächliche Entzündung, oder Entzündung mit Blasenbildung, oder Eiterung, oder Abstei-bnng zugegen ist, eine diesen Zufallen entsprechende örtliche Be­handlung mit schleimigen Mitteln, mit Bleimitteln, oder mit Digestivmit­teln, ganz wie bei den Verbrennungen; die Aelzschorfe müssen durch Eiterung abgeslossen oder, wenn dies zu lange dauert, oder wenn sich Jauche unter ihnen sammelt, müssen sie mit Hülfe des Messers entfernt werden. Das Entzündungsfieber wird mit kühlenden Salzen, das etwa später eintretende aslhenische Fieber mit tonischen Mitteln und guter Diät beseitigt, und gegen die besondern Zufälle wendet man schleimige Mittel und Opium an.
C. Erfrierungen.
Obgleich unsere Ilausthicre (mit Ausnahme des Esels) einen ho­hem Grad von Kälte ohne erkennbaren Schaden ertragen können, so geschieht es doch zuweilen, bei andauernder Einwirkung eines sehr ho­llen Kältegrades, dass einzelne, vom Herzen entfernte Theile, namentlich die Ohren, die Schwanzspilze, die Haut au den untern Theilen der Füsse ') und am Hodensacke hierdurch leiden 2). Die durch die Kälte au den Theilen erzeugten Wirkungen sind je nach dem Zeiträume ihres Bestehens und nach dem Grade etwas verschieden.
Zuerst bemerkt man in dem affizirtcn Theile eine Verminderung der Emplindlichkeit und des Bewegungsvermögens, und nach hierauf geschehener Wiedererwärmung entstehen asthenische Entzündungen, zu-
') Sehr häufig hört man die Ansicht aussprechen: dass die, gewöhnlich nach schnecreichen Wintern in grosser Anzaht auftretende Brandmauke eine Folge des Erfrierens der Füsse sei. Ich muss dies bestreiten, weil die Krank­heit nicht im Winter sellist, sondern erst nach eingetretenem Thauwetlcr er­scheint.
2) Kleine Hausthiere, wenn sie während längerer Zeit, z. B. durch eine ganze Nacht, in strenger Kälte ohne Schutz aushalten müssen, erstarren auch am ganzen Körper und erfrieren völlig. Von den grossen Thieren habe ich bisher nur Esel durch strenge Kälte sterben sehen.
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Erfrierungen.
weilen mit Bläschen auf der Haut. — Dauert nach jener ersten Wir­kung die Einwirkung der heftigen Kälte noch länger fort, so werden alle Lebensäusserungeu ganz unterdrückt, die Arterien pulsiren nicht mehr, die Haut schrumpft zusammen, und die Theile frieren zuletzt so hart, dass man sie leicht zerbrechen kann. Nach dem vorsichligcii Wiederauftbaaen derselben tritt in günstigen Fällen völlige Wiederbele­bung ein, aber es entsteht dann gewöhnlich eine asthenische Enlziin-duiig, und in Folge derselben Eiterung; in anderen Fällen werden die Theile breiartig weich, sterben gänzlich ab (kalter Brand) und sie lösen sich von den lebenden Gebilden ab. Zuweilen findet sich auch ein Reizßeber hinzu.
Die Beurtheilung jst bei dem ersten, gelinderen Grade der Erfrie­rung günslig zu inachen, da die Heilung bei einer zweckmässigen Be­handlung sicher erfolgt; bei dem zweiten Grade ist die Prognosis sehr unsicher, da man hier im Voraus nie wissen kann, ob völlige oder Iheilweise, oder gar keine Wiederbelebung eintreten werde.
Bei der Behandlung der Erfrierungen muss man zuerst das all-mäligc Wiedcrauflhauen der gefrorenen Theile bewirken. Dies ge­schieht dadurch, dass man dieselben in ganz kaltes, öfter erneuertes Wasser so lange hält, oder mit Schnee gelinde so lange reibt, bis Em­pfindung und Heweginig sich wieder dnsteilen. Nachdem dies gesche­hen, muss man den gehörigen Grad des Tonus, und olt auch den der Empfindlichkeit wieder herstellen. Für diesen Zweck sind Waschungen mit einer Auflösung von Alaun (gj zu 1 Pfd. Wasser), Abkochungen von Weiden- oder Eichenrinde n, dgl., bei geringer Empfindlichkeit mit Zusatz von Branntwein oder mit Infusionen von aromalischen Mitteln zu benulzcn; ist aber die Empfindlichkeit übennässig gesteigert, so wen­det man Waschungen mit narkotischen Dckoklen, oder das dicke Be­streichen mit geschmolzenem Talg oder Fell,, oder mit dem Blei-Ge­rat an.
Ist aber bereits eine Enlzündung eingetreten, so muss man die Millel gegen sie mit Rücksicht auf die dabei sich äussernde Sensibilität auswählen, und bei grosser Empllndlichkeit das Bleiwasser allein oder mit Opium oder Bilsenkraut-Extracl, oder — bei geringer Empfindlich­keit dasselbe mit Branntwein oder mit Kampbergeist, oder bei grosse-rer Torpidilät letztere Mittel allein, oder Terpentinöl, Sleinöl u. dgl. und die vorhin genannten tonischen Millel anwenden.
Sind Blasen entstanden, so öflhet man dieselben, und wendet dann schleimige Mitlcl oder reines Fett zum Schutz der cnlblössten Stel­len an.
Die nach den Erfrierungen zuweilen eintretende Eiterung ist ge­wöhnlich schlecht, mehr eine Verjauchung, und verlangt, deshalb die Anwendung der Digeslivmillcl, der Ionischen Mittel, und selbst des Höllensteins, um sie zu verbessern.
Dem Brande muss mit Rücksicht auf seine Beschaffenheit nach all­gemeinen Regeln entgegengewirkt werden.
D. Der Rothlauf. Die Rose. (Erysipelas)
Der Rolhlauf oder die Rose ist (wie bereits S. 25. angedeutet) eine EnUiindung des auf der Lederhaat liegenden Netzes der Lymph-
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Rothlauf.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;79
gcfiissc, und wobei sowohl die Haul selbst, wie auch in nianclicn Fäl­len das unter ihr icgende Zellgewebe mitleidet, und — wobei auch, wie dies nicht anders sein kann, das Gcfiisssystem afficirt wird. Die Entzündung trägt einen eigeiilhiimlichcn Charakter an sieh, den man eben als den roscnarligcn oder den rolldaui artigen (erysipcla lösen) be­zeichnet, und der in einer, von der Plorlader ausgehenden Veränderung des lllules begründet zu sein scheint.
Diese Entzündung kommt bei allen Hausthieren und an allen Kör-pergegendeu vor, zeigt, sich jedoch am häufigsten an den Thcilen, wel­che mit dünner, feiner Haut und wenig mit Haaren besetzt sind, wie z. B. an den Augenliedern, den Lippen, an der innern Seite der Schen­kel, an der hintern Seite der Fessel, und an den Oeschlcchtslheileu. Die so au den verschiedenen Thcilen enlstchenden rothlaufaiiigen Ent­zündungen haben vom Volke und von Thieriirzten verschiedene Namen erhalten, wie z. B. Kopfrose, Scharlach, heiliges Feuer, Ein-schuss, Mauke, Brandmauke u, dgl. — Sie kommen oft einzeln (sporadisch), oft aber auch bei vielen Thieren zugleich, seuchenarlig (epi-zootisch) vor.
Die Kennzeichen der rolhlaufartigen Enlzüiulnngcn sind au der be­haarten und oft von Nalur dunkelfarbigen Haut der Hanslhicre nichl. immer recht deutlich wahrnehmbar; im Allgemeinen charaktcrisircu sie sich aber dadurch, dass die eigenthümliche Enlzüiidungsgeschwulst nicht über die Haulfläche frei hervortritt, sondern flach und ausgebreitet er­scheint, und dass sehr oft eine teigarlig anzufühlende (wässerige, ode-matöse) Anschwellung hinzutritt, welche vom Druck mit den Fingern Gruben erhält, und sich immer mehr und mehr nach den tiefern Stel­leu hcruntersenkt (sogenannter ödematöser Rothlauf). Dabei sind die ergriffenen Ilautparllnen vermehrt warm, im Anfange mit gelind vermehrter Emplindlichkeit, zuweilen mit einem juckenden Gefühl be­haftet, später aber werden sie wirklich schmerzhaft. Weisse oder rothe Haut erscheint rosenroth, zuweilen ins Gelbliche oder Bläuliche schil­lernd; drückt man mit einem Finger auf die kranke Haut, so verschwin­det an der gedrückten Stelle die Rüthc; dieselbe kehrt aber bald dar­auf wieder zurück. — Zuweilen bilden sieh an der Oberfläche Blasen, welche eine gelbliche, lymphatische Flüssigkeil enthalten, bald früher, bald später berstcu, und dann entweder zu Schorfen vertrocknen oder auch nässende, oft sogar zerstörende Geschwüre bilden, die gewöhnlich eine ungleiche Oberfläche besitzen, heftig schmerzen und eine dünne Jauche aussickern (blasenartiger und ulzerircnder Rolhlauf). In manchen Fällen schwitzt, ohne dass Blasen entstanden sind, an der
t anzen Oberhaut eine klebrige Flüssigkeil aus. — Zuweilen tritt die Entzündung mil grosser Hcfligkeit anl^ und geht in Brand über, wobei dann die demselben eigenen Erscheinungen bemerkbar werden (bran­diger Rothlauf). Dabei kann sieh die brandige Zerstörung auch auf Gebilde unter der Haul erstrecken.
Aussei- diesen örtlichcu Symptomen besteht bei dem Rothlauf sehr hänlig ein Fieber, welches je nach der Constitution und dem Aller der Thiere und je nach den Ursachen, den Charakter des aslhcnisch-uervö-sen, des gaslrisch-biliüsen, des gastrisch-rheumatischen oder des milz-brandigen Fiebers au sich trägt; nur sehr selten hat es die Eigcuschaf-
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SOnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rothlauf.
ten des wirklichen Eutïiindungsfiebcrs. — Ausserdeai ist die Fuukliou der ergriffenen Tlicilc gestört, die Tbiere sind matt, abgeschkigen, zu­weilen bctiiubl, der Appetit vermindert, die Bindehaut der Augen und der Maulschleiiuhaul gelblich gefärbt, und bei Hunden uud Schweinen findet sich in manchen Fällen auch Erbrechen hinzu.
Als nächste Ursache des Rothlaufs betrachtet mau a) eine vom Pfortaderblut ausgehende Anhäuluiig von solchen Bestandtheilen in der Blutmasse, welche sonst zur Bildung der Galle verwendet werden, oder wohl auch eine zu reichliche Absonderung und Resorption der Galle ;-elbst. Hierin liegt die grosse Verwandtschaft, welche die erysipelalö bau Entzündungen und die Anthraxkrankheiten in Beziehung auif die Be-tichaUienheit des Blutes, und die oberflächlichen Formen der letztem auch hinsichtlich des Sitzes zeigen. — Als Gelegenheitsursachen wirkeu alle Einflüsse, welche die Haut uud LuugeiiausdiiustLiug stören, und dadurch zum Zurückbleiben der hier ausïusclicidcuden Stolle Ver­anlassung geben; b) welche ciueu vermehrten Blutandrang zu den Baucheingeweiden, speziell zur Leber veranlassen; c) welche eine zu schnelle Blutbilduugbegünsligen, uud d) welche an Kohlenstoff zu reiche Beslandtheile hrs Blut bringen. Dergleichen Einflüsse sind: Erkältun­gen, besonders uasskalte Witterung, öfterer und plötzlicher Wechsel zwischen Wärme und Kälte, z. B. nach Gewittern, bei sehr heissen Tagen und kalten Nächten, — zu reichlicher Genuss von stark nähren­dem, schwer verdaulichem oder zu felteui Futter, besonders ohne vor­herige Gewöhnung an dasselbe, auch niauche Arten von Futter, z. B. der Wicken, des Buchweizens, — verdorbenes Futter, hesouders mit Mehllhau befallenes, mit Best und Brand verunreinigtes Futter. Hef­tige Reizangen zum Zorn (wenigstens bei Hunden beobachtet). — Sehr oft trägt auch eine eigenthümliclie Wilterungs-Constitution hauptsäch­lich zum Entstehen des Uebels bei. — Zuweilen findet sich der Roth­lauf auch zu äusscrlichen Verletzungen und Heizungen, z. B. zu Ver­wundungen durch das sogenannte Streifen oder iStreiclien der Füsse u. s. w., wo dann diese Verletzungen für sich allein wohl nicht die cigcntliclie Ursache des Leidens sind 1).
Der Rolhlauf geht unter günstigen Umständen, d. h. bei einem massigen Grade der örtlichen Entzündung und bei einer zweckmässigen Behandlung am häutigsten in Zerlheilung über; wirkliche Eiterung ent­steht nicht, sondern eher Verjauchung: bei einem hohen Grade des Uebels, und zuweilen durch eine eigenthümliche Bösartigkeit bedingt, entsteht nicht selten Brand. Ausserdem haben auch die rothlaufartigcn Entzündungen die Eigculhürnlichkeit an sich, dass sie leicht ihren Ort verändern, und selbst, auf innere Theile zurücktreten. In solchen Fällen uud bei sehr ausgebreiteter Verjauchung uud bei Brand wichti-
') Man hat den Rolhlaul' bei Verletzungen als den traumalischen be­zeichnet, und ausserdein noch den falschen Rothlauf (Pseudo-Erysipelas) unterschieden. Letzterer Ist diejenige Hautentzündung, welche in Folge einer örtlichen Reizung der Haut, z. B. nach Verbrennung, nach Einwirkung schar­fer Stoffe, nach Ansammlung von Jauche unter der Haut u. s. w. entstan­den ist.
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Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 81
ger Theile kann auch der Tod etfoigen. — Die Zertlieilung findet ge­wöhnlich unter oder nach kritischen Ausleerungen von Kolli, Urin oder Schvveiss statt.
Die Behandlung inuss darauf gerichtet sein: 1) die Gelegenheitsur­sachen zu entfernen; 2) die venöse Blutanhüufung, die übermässige GallcnsekreHou und die derselben zum Grunde liegende Reizung der Leber zu beseitigen; 3) die Entzündung zu zerlheileu; und 4) üble Ausgänge zu verhüten oder, wo sie schon eingetreten sind, sie richtig zu behandeln.
Hinsichtlich des ersteren Punktes muss der Thierarzt nach dem Er-gebniss der Untersuchung über die Ursachen des speziellen Falles die nöthigen Anordnungen treffen, im Allgemeinen aber dafür sorgen, dass Kälte, Nässe und zu reichliche, schwer verdauliche oder verdorbene Nahruugsniittcl vermieden werden.
Der zweiten Anzeige entsprechend, giebt man solchen Thieren, die sich erbrechen können, ein Brechmiltel, hiernach aber, — und den übri­gen Thieren sogleich, — abführende Mittel, namentlich Glaubersalz, Dop­pelsalz, Weinstein und Kalomel, so lange bis Laxiren erfolgt ist. Diese Mittel linden ihre Anwendung ebensowohl bei fiebevlosem wie bei dem fieberhaften Rothlauf, bei dem letztern aber nach dem Grade des Fiebers verhältnissmässig dringender. — Wo grosse Schwäche, Appetitlosigkeit und mangelhafte Verdauung besteht, geht man zeitig zu den bittern Mit­teln über und verbindet sie nöthigcnfalls mit den Salzen.
Die dritte Anzeige wird zum Theil durch die genannten innerli­chen Mittel erfüllt, zum andern Theil aber geschieht dies durch die äusserliche Behandlung, die hier schwieriger ist, als bei gewöhnlichen Entzüiidungen, weil kalte Nässe nicht gut ertragen wird- — Bei den leichteren Graden der Krankheit genügt, wenn eine zweckmässige Diät gehalten, und die innerlichen Mittel gegeben sind, das blossc Warmhal­ten des leidenden Theils. Zu diescin Zwecke wird derselbe mit Wer-rich (von Flachs oder Hanf), oder mit Baumwolle, mit wollenem Zeug, oder im Nothfalle mit weichem Stroh umwickelt, oder mit Kissen (Beu­teln) umgeben, welche locker mit Kleie, mit Flieder- oder Kamillenbla-men gefüllt sind. Bei grosser Spannung und Schmerzhaftigkeit kann man lauwarme Bähungen, Waschungen oder Fussbäder von Kleienwas-ser, von Milch, von einer Abkochung des Altheekrautcs, oder der Flie­derblumen oft wiederholt anwenden; bei geringer Empfindlichkeit auch Infusionen von Kamillenblumeu, Quendel u. dgl., oder eine schwache Auflösung von Potasche, etwa g/S zu Wj Wasser (oder Aschcnlauge). Da jedoch manche Thiere auch diese Mittel nicht vertragen, so muss mau, wenn sich bei ihrer Anwendung eine Zunahme der Schmerzen zeigt, sie weglassen und den leidenden Theil bloss mit reinem milden Ocl oder Fett, oder mit verdiinmor grauer Merkurialsalbe sanft beslrci-chen und dies bis zur Beseitigung der Zufälle fortsetzen.
Bei der Blatterrose hat sich, nachdem die fieberhafte Reizung durch innerliche Mittel gemindert, in mehreren Fällen eine etwas conzeutrirte Auflösung des llöllcusleins (3j zu gj/S deslilllrteii Wassers) nützlich ge­zeigt, wenn man damit, den leidenden Theil mittelst einer Feder einmal reichlich bestreicht,
Bilden sich bei dem Rolhlauf fluktuirende Stellen, so müssen die-
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Rhenmatismus.
selben zeilig durcli grosse Einscluiiltc gciiirnet, dann aber mit lauwar­men Umschlügen von Flieder- oder Kainillenblnmen, oder von Ueublu-men bedeckt werden, bis gute Eilerimg cingciiclen ist.
Die erysipelatösen Geschwüre werden zuerst ebenso beliandcll; lin-det sich aber nicht bald gute Eiterung, so ist es zweckmässig, bei dem Gebrauch der warmen Umschläge das Geschwür läglich zweimal wäh­rend einiger Tage mit einer Anflösuog von Oiiecksilbcr-Snblimat (9/Ï in destillirtcin Wasser), oder mit dem gelben phagedänischen Was­ser, oder mit einer Auflösung von Chlorkalk (3/Ï in sect;v deslUlirtem Wasser) zu befeuchten, oder den Geschwfirsgrund einmal mit Lapis in-fernalis zu betupfen oder ihn obcrllächlich mit dem glühenden Eisen zu berühren. Digestivsalbcn leisten mehrentheils nicht die gewünschte Wirkung.
Hei Verdickungen der Haul, die nach solchen Geschwüren zuwei­len zurückbleiben, bat in den meisten Fällen die graue Quecksilber­salbe, täglich ein- bis zweimal gelind eingerieben, gute Dienste ge­leistet.
Entsteht bei dem Bolblaui Brand, so ist die örtliche Behandlung wie beim Brande überhaupt, während innerlieh zuerst die oben bezeich­neten Mittel, aber beim Sinken der Kräfte auch Ionische, erregende Mittel und Säuren gegeben werden.
V. Rheumatismus.
Der Rhcumalismns ist eine eigeullmmliclic, durch Unterdrückung der Haut- und Luiigcnaiisdiiiisluiig herbeigeführte entzündliche Reizung der fibrösen Gebilde und der Muskeln. Diese Reizung konnnt bei al­len Hausthieren vor, am häufigsten jedoch bei Pferden. Rindvieh und Hunden, welche als Arbeilslhicrc einer Erhitzung und darauf folgenden Erkältung am meisten ausgesetzt sind. Sie kommt am ganzen Körper, an den sehnigen Ausbreitungen, den fibrösen und serösen Häuten, an Bändern, Sehnen und Sehnenscheiden, an den Hirn- und Rückenmarks-häuten, den Nervenscheiden, der Beiidiaut und den Muskeln vor; und sie ist die innere Ursache mancher schmerzhaften Zuslände. sehr vieler Lahmheiten und wirklicher Lähmungen, und desshalb ein sehr häufiger Gegenstand der thierärz.llichen Behandlung. Bei einem hohen Grade oder bei längerer Dauer des Rheumatismus bildet sich in den Säften, besonders im Blute, eine eigenthnmliche krankhafte Beschaüenheit aus, welche man als die rheumatische Dyskrasic bezeichnet. Dieselbe entwickelt sich zuweilen sehr schnell, und zwar zuerst wohl dadurch, dass eine Uebcrladung des Blutes mit den Slolfcn, welche sonst durch Ausdünstung entfernt werden (nach Dzondi die llautschlaeke, (j'/MQint), entsteht. Bei einem hohen Grade der rheumatischen Reizung entstehen in den fibrösen und llbro-serösen Gebilden, und in den Mus­keln oft wirkliche Entzündungen mit dem rheumatischen Charakter.
Als Geiegenhertsursachen des Rheumatismus kann man alle Ein­wirkungen betrachten, durch welclic eine schnelle Abkühlung des Kör­pers oder auch nur eines Körpcilhcils und dabei Unterdrückung der Haut- und Lungenausdünsiiing herbeigeführt wird, wie z. B. Zugluft, rauher Ost- und Nordwind, kalter Regen nach warmer Luft, das Be­regnen oder das Waschen und Baden des vorher durch Arbeiten warm
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Rheuniatismns, akuter.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;S3
gewordenen Körpers u. dgl. In manchen Zeiten, besonders bei kalter reiner Luft und bei einem hohen Staude des Barometers scheint der Rheumatismus leichter zu entstehen, als in andern Zeiten; und bei kräf­tigen, blutreichen ïhieren bildet er sich schneller zu einem hohen Grade aus, als bei magern und schlaffen Thicren.
Das Wesentliche des Hlieuinnlismus ist. noch nicht klar ergründet, was auch um so schwieriger ist, da derselbe unmitlelbar keine anato­misch-])athologische Veränderung der aflizirlcn Theilc erkennen lässt. Eben desshalb wird er auch nur als eine Reizung betrachtet. Dass dabei auch das Nervensystem affiziit und die organische Elektricität abgeändert sein mag, ist aus mehreren Erscheinungen zu vermulhen.
Der Rbeumalisinus erscheint in zwei Formen, nämlich: 1) als akuter und 2) als chronischer, und bei beiden in verschiedenem Grade und in verschiedener Ausbreitung. In letzterer Hinsicht sieht man zuweilen nur eine sehr begrenzte Stelle, in andern Fällen einen ganzen Tlieil, und zuweilen sogar den ganzen Körper al'iizirt.
1) Der akute Rheumatismus tritt gewöhnlieh bald nach einer Erkältung mit heftigen Schmerzen in dein affizh-len Theile auf; das Thicr äussert dieselben sowohl bei der Bewegung wie auch bei tier Berührung, und bei einem hohen Grade des Leidens äussert es diesel­ben auch ohne diese Veranlassungen durch plötzliches Zucken und durch Stöhnen; in einzelnen recht heftigen Fällen schwillt der Tlieil auch etwas an; bei den Bewegungen hört mau ein kurzes, knackendes Geräusch 1); muss das ïhicr gehen, so wird die Bewegung alltnälig freier; Bunde schreien gewöhnlich laut auf, wenn sie plötzlich eine Bewegung machen, während sie nachher selbst hellige Sprünge machen können, ohne Schmerz zu zeigen. Zuweilen wird ein Körpertheil, wenn mehrere Muskeln desselben vom Rheumatismus ergrilfcn sind, ganz steif gehalten, oder nach einer Seile verzogen, so dass die Bewe­gungen fast ganz unmöglich werden. Sind die Häute des Rückenmarks mitleidciui, so tritt Lähmung (sogenannte rheumatische Kreuzläh-mung) ein, und die Thierc liegen dann andauernd. — Mit diesen Zu­fällen ist ein Fieber verbanden, welches sich durch Frostschauder yon verschiedener Dauer, durch schnellen, harten, vollen Puls, dunkler ge-rölhete Schleimhäute und meistens auch durch beschleunigtes Athmen kund giebt. Zuweilen ist auch Appetitlosigkeit zugegen, doch gehört sie nicht zu den constanten Symptomen, Die Fieberzufälle nehmen ge­wöhnlich gegen Abend an Heftigkeit zu. In den speziellen Fällen sind übrigens die Symptome nach der Verschiedenheit des Sitzes, der ge­störten Function, des Grades und der Ausbreitung des Leidens etwas verschieden und sogar wechselnd. Denn das örtliche Leiden besteht nicht in allen Fällen während der ganzen Krankheit in denselben Thei-len andauernd fort, sondern es geht nicht selten plötzlich von einer Stelle zur andern und selbst von äusseren Theilen auf innere über.
') Es ist bis jetzt noch nicht erwiesen, ob dieses Geräusch in den fielen-ken oder in den Sehnen seinen Ursprung hat, und wodurch es entsteht, na­mentlich durch zu starke Spannung der Sehnen und Bänder, zu zähe Ge-lenkfeuclitigkeit, Elektrizität? u. s. w.
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84nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Rheumatismus, akuter.
Ausserdem wird das Kranklicitsbild sehr oft durch Coraplicationen ge­trübt, indem entweder mit dem Rheumalisinus zugleich durch dieselbe Ursache in einem andern Organe eine Enlzündung, oder Katarrh, oder Kolik entstanden ist, oder vorher schon gastrische, nervöse oder katarr­halische Leiden, wie Druse, bei Hunden die Staupe u. dgl., bestan­den haben.
Die Diagnosis des akuten Rheumatismus ist trotz dieser Verschie­denheiten in den meisten Fällen nicht schwierig, wenn man die Sym­ptome, das plötzliche Entstehen und den Verlauf gehörig berücksichtiget und dabei den Maugel der eigentlichen Entzündungszufällc erwägt. Im hohen Grade bestehend, hal allerdings der akute Rheumatismus mit einer wirklichen Entzündung eine so grosse Aohnlichkeit, dass die dia­gnostische Untersuchung beider Zustände oft kaum möglich ist. Ein Irrlhuni in solchen Fällen hat aber glücklicherweise keinen Nachtheil, da der Erfahrung zufolge für beide Zustände im Wesentlichen einerlei Heilverfahren nölhig ist.
Der Verlauf des akuten Rheumatismus ist schnell, auf circa 6 bis 12 Tage beschränkt; doch können wiederholte Einwirkungen der Ur­sachen in dieser Zeit auch neue Anfälle hervorrufen und dadurch die Dauer des Leidens verlängern, während entgegengesetzt durch zweck-rnässige Behandlung das Uebel oft schnell besciliget wird. Bei war­mer, gleichmässiger Witterung ist gewöhnlich das Uebel milder, und sein Verlauf schneller als unter entgegengesetzten Verhältnissen.
Die Ausgänge des akuten Rheumatismus sind: entweder der Ue-bergang in Gesundheit (die Zertheilung), oder in eine rheumatische Ent­zündung, oder in den chronischen Rheumatismus. — In manchen Fäl­len hat man bei dem akuten Rheumatismus auch Ausschwitzung von Serum und von Faserstoff, Verdickung, Verwachsung und Erweichung der afilzirlen Gebilde eintreten sehen; ich bezweillc jedoch gänzlich die Richtigkeit dieser Reobachluugen, und glaube vielmehr, dass in den belrell'enden Fällen eine wirkliche Entzündung bestanden hat. Denn ich habe selbst bei sehr heftigem Rheumatismus die genannten Aus­gänge, und ebenso wirkliche Eiterung und Brand niemals gesehen.
Prognosis. Der akute Rheumatismus ist im Allgemeinen mehr eine lästige als gefährliche Krankheil; doch kann er durch den Uebergang in Entzündungen, durch Versetzung auf wichtige innere Organe und durch Lähmungen auch gefährliche Zulalle und selbst den Tod herbei­führen. Au den Gliedmassen vcranlasst er oft eine andauernde Con-tractur der Muskeln und Sehnen, und hierdurch unregelmässige Stellun­gen, Lahmheiten und Verminderung der Brauchbarkeit. Jeder Rheuma­tismus Jässt eine Disposition zur Wiederkehr zurück.
Der Ausgang in Zertheilung ist immer der günstigste. Man kann ihn hoffen, wenn die Zufälle sich allmälig mindern, wenn sich kritische Ausleerungen einfinden, und wenn das Thier einer zweckmässigen Be­handlung unterworfen bleibt.
Bei plötzlichem Verschwinden der rheumatischen Zufälle und bei der Einwirkung wiederholter Erkältungen enlstchen leicht Versetzungen auf innere Theile, namentlich auf das Herz, den Herzbeutel .und die Lungen. Den Uebergang in Entzündungen muss man unter'solchen Umständen ebenlalls befürchten, besonders wenn dabei das Fieber lief-
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Rheumatismus, akuter.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;83
tiger wird und örtlich die Geschwalst und die Hitze mehr hervortre­ten. Die Beurtheilung der Eiitzi'mdung richtet sich, wie sonst, nach der Wichtigkeit des ergriffenen Organs, nach dem Grade der Entzündung u. s. w. Bemerkenswerth erscneiht es, dass die rhcuuiatisclicu Entzün­dungen sehr gern plastische Ausschwilzungeu machen und seltener in Eiterung und Brand enden, als andere Entzündungen. — Die bei rheu­matischen Enlzündimgen cntslchendeu Lähmungen sind im Allgemeinen eher zu heilen als die rein nervösen Paralysen. Dagegen erfolgt der Uebergang in den chronischen Rheumatismus, wenn das lieber, örtlich die etwa bestandene Anschwellung und vermehrte Wärme sich verlieren, aber die rheumatische Spannung und der Schmerz noch fort­bestehen.
Die Behandlung des akuten Rheumatismus soll darauf gerichtet sein: die Hautausdünstung wieder herzustellen und die rheumalisch-cntzündliche Reizung und die Dyskrasie zu beseitigen.
Die Erfüllung der ersten Aufgabe verlangt die innerliche und äus-serliche Anwendung der diaphoretischen Heilmittel. Die Auswahl der­selben muss jedoch, nach ihrer mehr oder weniger reizenden Wirkung und mit Beachtung des Fiebers und der Neigung der Patienten zu wirklichen Entzündungen, geschehen. Denn die Erfahrung zeigt: dass die ehemals viel zu allgemein gebräuchlich gewesenen erhitzenden dia­phoretischen Mittel, wie Kampher, Terpenthinöl, Bibergeil, warmer Wein u. dgl., nur dann mit Nutzen gebraucht werden, wenn entweder noch kein Fieber eingetreten ist, oder wenn dasselbe nur in einem gelinden Grade zugegen ist, und wenn keine wirkliche Entzündung bestellt.
In solchen Fällen giebt man denjenigen Thieren, welche sich erbre­chen können, ein Brechmitlcl und wiederholt dies am folgenden Tage, und wenn der Zustand nicht, gelioben ist, wohl auch am dritten Tage. Hiernach, und den übrigen Thieren gleich bei dem Anlange der Kur,
e
iebt man Aufgüsse von Flieder-, von Kamillen- oder Arnikablumen
mit Zusatz von Kampher oder Terpenthinöl, oder Slinkasand, und bei grossen Schmerzen diese Aufgüsse mit Zusatz von Opium, mit Bilsen­kraut-, Belladonna- oder Stecliapfelkraut-Extrakt, oder ein Dekokt von den letztem Pflanzen. Dagegen macht man bei entzündlicher Beschaf­fenheit des Fiebers einen Aderlass und giebt innerlich den Salpeter in Verbindung mit kleinen Gaben von Kampher, oder den BrechWeinstein mit Flieder- oder Kamillenblumen. — Aeusserlich macht man bei mas­sigen Schmerzen trockene Reibungen mit wollenen Lappen oder mit Strohwischen, und nachher Einwickelungcn der leidenden Theile mit wollenen Binden oder mit wollenen Decken. —Der zweiten Aufgabe wird oft schon durch die genannten Millel genügt; ausserdem aber wendet man bei grossen Schmerzen heissc Dunstbäder von Wasser oder von aromatischen Kräutern, im Nothfalle von Heusamenbrühe an; und in sehr heftigen Fällen müssen Ableitungsmiltcl: Einreibungen von Kampher- oder Ammoniak-Liniment, Kamphergeist, Terpenthinöl oder selbst von der Kantharidensalbe gemacht, oder Fontanelle oder Haar-seile angebracht werden.
Diejenigen Ableitungsmittel, welche Ausschwitzuug oder Eiterung zur Folge haben, sind immer am wirksamsten. Bei akulem Rheumatis­mus der Rückenmarkshäute und dadurch erzeugter Lähmung hat sich
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mff^mf**-'quot;quot;quot; Hal-I
86nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hhuumatismus, chronischer.
auch die Akupuiiklui- umi das glühende Eisen, letzteres iu Puiiklen und Strichen längs der Wirbelsäule applizirt, QÜlzlich gezeigt.
Zur Nachkur kann mau von Zeit zu Zeil ein Abluhrungs- oder ein diuretischcs Uliltel auvrenden, um die Dyskrasic vollständig zu tilgen.
Die Diät bei akutem Rheumatismus muss sein' mager, das Getränk übersclilageu, der Aufenthaltsort warm und ohne Zugluft sein; die Thicrc müssen auf trockener Streu und wohl bedeckt stehen. Nach der Kur sind noch (lurch einige Zeit Anstrengungen bis zum Schwciss und Erkältungen jeder Art zu vermeiden, um Rückfälle zu ver­hüten.
Bei rheuniatischcu Eiilzüudiingcn ist iu der Hauptsache wie bei andern Entzündungen zu verfahren, dabei aber auch für Beförderung der llaulausdünstuug und für Ableitung durch äusserc Reizmittel zu sorgen. An zarten Theilcn wird Nässe und Källc nicht immer gut vertragen, und man muss desshalb in solchen Fällen schleimige and narkotische Mittel lauwarm, in llüssigcr Form, in Breiumschlägen oder zuweilen selbst nur als Kiiiutcrkisscn appliziren.
2) Der chronische Rheumatismus entsteht entweder ans ei­nem akuten oder direct durch Erkältungen geringeren Grades. Er kommt in denselben Gebilden vor, wie der akute Rheumatismus, und äussert sich in den ergriffenen Theileu durch krankhafte Spannung, Sleiligkeit, gestörte Bewegliclikeit, au den Gliedmassen durch Lahmheit, ohne dabei bestehendes Fieber und örtlich ohne erhöhete Wärme. Wegen letzterer Eigenschaft heisst das Leiden auch kalter Rheuma­tismus. Die Sehmerzen sind weit geringer als bei dem akuten Leiden und äusseru sich wie bei diesem hauptsächlich, wenn man die afüzir-len Theilc drückt, oder wenn das Thier eine Bewegung beginnt. Bei längerer Bewegung bis zum Schweiss verlieren sich gewöhnlich die rheumatischen Zufälle fast gänzlich, kehren aber nach dem Abkühlen des Körpers bald mehr bald weniger stark wieder zurück. Geschwulst iu den affizirleu Theileu ist bei dem chronischen Rheumaiismus ge­wöhnlich nur dann zugegen, wenn dieselbe durch einen vorhergegau-geneu akuten Rheumatismus eutslauden war; auch findet man sie dann fast ausschliesslich nur au den Gelenken.
Die Dauer des chronischen Rheumatismus ist sehr unbestinmit, auf mehrere Wochen, oft auf viele Monate ausgedehnt. Nicht selten ändern sich die Zufalle im Grade der Stärke, und zuweilen verschwin­den sie, besonders bei warmer Witterung, für einige Zeit gänzlich, oder sie wechseln den Ort; doch findet ein Zurücktreten auf innere Organe weit seltener statt, als bei dem akuten Leiden.
Die Diagnosis des chronischen Rheumatismus ist aus den angege­benen Symptomen, so wie aus dem Fehlen solcher Erscheinungen, welche auf wirkliche Entzündung und auf mechanische Verletzungen deuten, zum Thcil auch aus der Art des Eulstehens und aus dem Verlauf des Leidens, in den meisten Fällen mit Sicherheil zu erlangen; aber bei den rheumatischen Ailekfionen an den Gliedmassen, nament­lich bei den sogcnaunlcn rheumatischen Brust- oder Buglahm-heiten und Hüftlahmheiten, d. h. denjenigen Rheumatismen, wel­che an dem Bug- oder dem Hüftgelenk und iu den augreuzendcu Thei-
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Kheuiimtisimis, chronischer, Lahmheiten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 87
leu ihren SiU haben und die Bewegung dieser Tlieiic stören, — ist die Erkeuutiag des Ziislandcs doch uucli zuweilen schwierig, thcils weil tnancbmal ein oder das andere Merkmal des Rheumatismus nicht deut­lich hervortritt, thcils \-cii es noch andere pathologische Zustände giebt, welche wegen iln-es tiefen, verborgeneu Silzes äusSerlieh wenig erkenn­bar sind, und doch ähnliche Funktionsstörungen, d. h. Lahmheiten er­zeugen, wie der Rhcuinalisiniis; so z. 15. Quetschungen einer kleinen Stelle des Kapselbandea am Bngaelenk, wenn sich daselbst bei heiligen Bewegungen eine Falle gebildet hallo. In diesem Falle ist keine Spur einer äusserlichen Entzündung oder Verletzung vorhanden, und selbst das Drücken des Gelenkes mit der Hand bringt zuweilen keinen Schmerz hervor. Aber auch vielerlei krankhafte Zusläiide an andern Stellen (z. IJ. die sogenannte chronische Hufgeleukslahmheit) können eine Täuschung verursachen; und deshalb beobachten selbst recht er-fahrene Praktiker die Vorsicht, das Dasein des chronischen Rheuma­tismus als Ursache einer Bug- oder Hüftlahmheit erst dann auzuneh-meu, wenn keine andere Veranlassung zum Lahnigehen au irgend ei­ner anderen Stelle aufzufinden'ist Es scheint dcsslialb nülhig, hier die aweckmässige Art der Untersuchung lahmer Pferde im Allgemeinen anzudeuten, um zur sichern Diagnosis der in Rede stehenden Lahmhei­ten zu gelangen.
Zunächst sucht man Isteus von dem Wärter eines lahmen Tliie-res die Art des Entstehens der Lahmheil, die Dauer derselben und die etwa erfolgten Veränderungen zu erforschen. Dann beobachtet man zweitens das Tbior beim Stehen und sieht zu, ob es einen Fuss vor-oder zurückstellt. Hierauf liisst man es drittens unbedeckt am laug gehaltenen Zügel oder Bande im Schrill,dann im Trabe, in gerader Rich­timg und im Kreise nach rechts und links, und wo möglich auf har­tem und auf weichem Boden herumführen und achtet dabei a) auf die Bewegung der Gliedmassen unter einander, —#9632; ft) auf die Schonung der einzelneu Theile einer Gliedmasse, und c) auf die Mitbewegung des Kopfes und der Kruppe. Die Erfahrung lehrt: dass gesunde und kräf-ligc Pferde fast anhaltend auf den vier Beinen glciclunässig stehen, matte, kranke und lahme aber mit der Stellung der einzelneu Beine oft wechseln, und namenllich den labinen Fuss vor oder zurück setzen, und dass sie ihn zuweilen auf einen Punkt, z. B. auf die Zehe, auf eine Wand, auf die Ballen, allein oder doch mehr als auf die übrigen Theile aufstützen. In den meisten Fällen hat das Leiden seinen Sitz in den obern Theilen der Gliedmasse, wenn das Thicr den Fuss yoj:-selzt und mit der ganzen Sohle auftritt, dagegen aber im llule. wenn es nur auf der Zehe oder überhaupt auf einem einzelnen Punkte ic(es.-selben ruhet.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;_,,:,. ir-
Gesnnde Pferde bewegen beim Gehen in gerader Richtung dic,^ior Gliedmassen ganz glciclunässig, und die vier Momente der Bewegung an jeder Gliedmasse: das lieben, das Schweben, das Niedersetzen und Durchtreten erfolgen ebenfalls gleichmässig. Wan hört desshalb einen gleichen Hufschlag; dagegen treten alle lahme Thicre auf tlen, der lah­men Gliedmasse gegenüber befindlichen Fuss schneller und stärker aiifj als auf die übrigen, und man hört daher einen ungleielieu IlufschlagJ Bei Bug- oder Brustlahmen Thiereu geschieht das Aufhoben gcscliwin-
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88nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Rheumatismus, chronischer, Lahmheiten.
der, das Scliwcbcu dauert länger, und dabei bringen sie doch den Ver­arm nicht so hoch und nicht so weit hervor, wie am gesunden Fasse; das Niedersetzen erfolgt langsamer, aber gewöhnlich mit vollständigem Durchtreten im FesselgelenL Iluflahmc Pferde setzen auch beim Ge­hen den Huf mehr auf einen einzelnen Punkt und treten nicht so voll­ständig im Fesselgelenk durch, wie mit dem gesunden Fusse. Bei ei­nem Leiden im Fcssclgelenk selbst wird dasselbe entweder ganz sleif gehalten, oder es macht eine fast zitternde Bewegung mit unvollständi­gem Durchtreten. Jede Lahmheit tritt stärker hervor, wenn man die Thiere nach der Seite des leidenden Fusses zu im Kreise herumgehen lässt. Bei Lahmheit in den Hufen, überhaupt in den untern Theilen der Gliedmasscn. gehen die Thiere auf weichem Boden besser als auf hartem, aber buglahme zeigen gewöhnlich hierbei keine Verschieden­heit '); die letztem gehen im Anfange schlecht, und alhnälig besser, wenn das Uebel im Rheumatismus beruhet; aber im umgekehrten Ver-hältniss, wenn es in einer Gelenkentzündung begründet ist. Iluflahm-heilcn machen mehr Hinken, wenn die Thicr borgab gehen, Buglahm-heiten mehr beim Bergangehen. Ausserdem sollen die lelztern noch, wie sehr häufig behauptet wird, sich dadurch charakterisiren: dass die Thiere beim Gehen den lahmen Fuss nicht geradeaus nach vorn, son­dern im Halbkreis von der Seile nach vorn bewegen und dass sie, wenn man sie zum Znrüeklreten zwingt, den lahmen Fuss auf dem Boden hinschleppen.
Die Erfahrung zeigt aber, dass diese Merkmale nicht in allen Fäl­len dieser Lahmheiten zugegen sind, sondern nur da, wo hauptsächlich der gemeinschaftliche Kopf-, Hals- und Armbcimnuskcl, oder die Sehne des langen Beugers des Vorarms, oder die vordere Fläche des Bugge­lenkes selbst afilzirt ist. Ueberhaupt ist die Art des Lahmsehens selbst in den einzelnen Fällen verschieden darnach: welche Thcilc am oberu Ende der Gliedmasse von dem Rheumatismus ergriffen sind, nament­lich: ob die Muskeln vor dem, avif dem oder hinter dem Schulterblatt, oder die an der Brust, am Arm und Vorarm befindlichen, die Gelenk­bänder u. s. w.
Man darf desshalb auf die Art des Gehens allein, so wichtig die Beachtung desselben auch ist, die Diagnosis nicht gründen, sondern man muss auch viertens die örtliche Unlersuchung der ganzen Gliedmasse hierzu noch zu Hilfe nehmen. Dieselbe beginnt mit einer genauen Betrachtung der Gliedmasse von ihrem obersten Theile anfangend ( und selbst ihre Anheffungen an dem Halse und dem Widerrüst eingeschlossen) bis zum Hufe hinunter, um hierdurch jede sichtbare Abweichung von der normalen Form und Stärke der einzelnen Theile wahrzunehmen. Dabei ist eine Verglei-chung mit denselben Theilen des gegenüberstehenden gesunden Fusses
') Es ist nur zu beachten, dass das stärkere Auftreten des dem lahmen Fusse gegenüberstehenden gesunden Fusses auf dem harten Boden lauter klingt, und dass man desshalb auf ihm das Lahmgchcn auch deutlicher be­merkt, ohne dass es eigentlich stärker ist.
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Rheiimaüsinus, chronischer, Lahmheiten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;89
zu macheii und in zweifelhaften Fällen selbst eine Messung au ihnen vorzunehmen, naineutlich so am Hufe. Hierauf fühlt man an den Schienbeins- und Fesselartericn des .kranken uu(l ('cs gesunden Fusses nach der Stärke des Pulsirens und zugleich nach der Temperatur der beiden Hufe ^ Dann lässt man den lahmen Fuss aufheben, beachtet die Grüsse, Form und Beschaffenheit der unlem Fläche des Hufes und das etwa vorhandene Hufeisen hinsichllich seiner Form, Grosse, Rich­tung, Lage, Abnutzung, der ganzen oder unganzen Beschaffenheit, so wie nach der Vollzähligkeit und dem Stande seiner Nägel. Um Schmer­zen im Hufe zu erforschen, klopft man mit einem Hammer auf ver­schiedene Stellen des Hufeisens, an die Hufwände, die Sohle und den Strahl, oder noch besser, man drückt den Huf in verschiedenen Rich­tungen mit einer Zange (sehr zweckmässig mit einer hierzu gemachten sogenannten Untersuchungszange), indem man den einen Schenkel des Zangenmauls auf die Sohle an der Zehe, seitlich neben dem Strahl, an den Eckstrebewinkeln, und auf den Strahl, den anderen Schenkel aber auf die gegenüber liegenden Punkte der Wände ansetzt; zuletzt drückt man den Huf von beiden Seiteuwänden her zusammen. Dabei aclilct man darauf, ob das Thier an einer oder der andern Stelle zuckt, und wo dies geschehen, wiederholt man den Druck, um sich von dem wirklichen Dasein des Schmerzes zu überzeugen, da die Pferde zuwei­len bloss aus Unruhe und andern Ursachen eine zuckende Bewegung machen. Zweckmässig ist es, das Drücken und Klopfen mit geringer Kraft zu beginnen und es allmälig zu verstärken, und in der Nähe von verletzten Slellcn den Druck erst zuletzt anzubringen, weil diese Stellen die schmerzhaftesten sind, und dessbalb, wenn man sie zuerst drückt, die Thierc zu sehr beunruhiget werden. Bei vorhandenem Schmerz lässt man das etwa vorhandene Hufeisen vorsichtig abnehmen, wobei die Nieten der Nägel vollständig geüffnet, und die letztem ein­zeln herausgezogen und besehen werden müssen, ob sie ganz oder ge-spliüert, trocken oder mit Blut oder Eiter beleuchtet sind. Der Huf selbst wird au den schmcrzhafleslcn Stellen der weissen Linie, der Sohle, der Eckstrcben oder des Strahls mit einem geeigneten Instru­ment, (Hufmesser, Hiifbohrcr, Rinmnesser) bis auf die Flcischsohle vor­sichtig durchschnitten, um etwa vorhandene Ablrennungon, fremde Kör­per, extravasirtes Blut oder Eiter zu entdecken.
Nach dem Hufe untersucht man durch Befühlen, selbst durch ge­lindes und stärkeres Drücken die Krone, den Fessel, das Fcssclgelenk, das Schienbein (besonders dessen inwendige Seile), die Baugesehnen, das sogenannte Knie (die vordere Fusswurzel), den Verarm und Ell­bogen, das Buggelcnk, die Schulter bis zum Widcrrüst und selbst die Muskeln am Halse. Die Gelenke biegt und streckt man nach verschiedeneu Seiten und achtet dabei auf den Grad des Widerstandes und auf Schmerz. Bei dem Drücken der Thcile unter dem Knie heben gutmüthige und sehr empfindliche Pferde fast immer den Fuss auf, selbst wenn sie keine Schmerzen an denselben haben, und es ist dcsshalb zweckmässig.
') Ueber die Bedeutung dieser Symptome siehe Entzündung der Hufe.
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90nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rheumatismus, chronischer, Lahmheiten.
zu diesem Tlicll der Untersuclumg den Fuss aufgehoben hallen zu las­sen, weil dabei die Thiere ruhiger sind.
Au den Hinterbeinen geschieht die Unlersucliung im Wesenliicheu auf dieselbe Weise, indem man durch Drücken die Emplindlichkeil vom llule bis zum Kreuz, und selbst bis au die Leudengegend, besonders aber iu der Umgegend des lliiftgeleuks, prüft.
\\ cuu man nun bei der Unlersucliung eines lahmen Pferdes liudct:
1)nbsp; nbsp;dass dasselbe beim ruhigen Slehcu den kranken Fuss mit der gan­zen Solde des Hufes auf den Boden fest aufsetzt, ihn wohl auch etwas vor den andern Fuss stellt;
2)nbsp; nbsp;dass es beim Geben den lahmen Fuss zuckend, aber unvollständig aufhcbl, ihn unvollständig und mit etwas steifer Haitang der Schuller, zuweilen auch in seitlicher Richtung vorwärts bringt;
3)nbsp; nbsp;dass es (iu manchen Fällen) beim Zurücktreten den lahmen Fuss auf dem Erdboden Kurüchschleppt;
4)nbsp; nbsp;dass au den Schienbein- und Fesselbein-Arterien kein stärkeres Pulsiren, am Hufe keine erhöhte Wärme und kein Schmerz, und eben so an allen übrigen Theiien keine Zeichen einer Entzündung, einer Verletzung oder einer andern Abnormität bestehen; dass da­bei aber
5)nbsp; nbsp;das Thier Spannung der Muskeln in der Umgegend des Bugge­lenkes und bei kurzem Drücken der Schulter ruckende Erschüt­terungen und Schmerz, und (in manchen Fällen) bei den er­sten Bewegungen ein knackendes Geräusch wahrnehmen lässt; — und
6)nbsp; nbsp;dass bei forlgesctzter Bewegung die Lahmheit sich mindert, und überhaupt das Thier von Zeit zu Zeil, namentlich bei gutem Wei­ler, sich bessert,
so kann man sicher sein, dass das Leiden in Rheumatismus des Bug­gelenks oder dessen Umgegend, namentlich der Schulter, und au den hinteren Gliedmassen in Rheumatismus der Umgegend des Hüftgelenkes begründet ist.
Die Beurthciluug dieser Lahmheiten und des chronischen Rheu­matismus überhaupt ist stets nur vorsichtig zu machen; denn diese Leiden sind zwar in dein Grade oft veränderlich, in der Dauer aber gewöhnlich sehr hartnäckig, und es bleibt selbst nach ihrer Beseili-guiig sehr oft eine Neigung zu ihrer Wiederkehl' hn Korper zurück.
Unter günstigen äusseru Verhältnissen, bei dem Aufeulhalt des Thieres in warmer trockener Luft u. s. w. kann der chronische Rheu­matismus sieh von selbst verlieren oder doch durch eine zweckmässige Behandlung vollständig geheilt werden; unter ungünstigen Verhältnis­sen wird er zuweilen zum akuten Rheumatismus oder selbst bis zur Enlzümiung gesteigert, aber in den meisten Fällen dauert er lauge Zeit fort, dabei werden Muskeln und Seimen verkürzt, die ersteren magern ab (es Irill der Schwund oder das Schwinden, Atrophia, ein), die Sehnen und Gelenkbänder werden stellenweis verdickt und die Be­weglichkeit immer mehr gestört.
Bei der Kur des chronischen Riicumalisnnis sind innerliche Hcil-inillel nur gering und langsam wirkend, äusserliche dagegen von gros-
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Klicunuaismus, chronischer, Eehnndlung.
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sem Nutzen. Die IJeliandlung iraquo;l dessbalb hauplsäcUich eine örtliche, eine reizende und ableitende. Bei gelinderen Graden des Ucbels sind oft wiederholte Reibungen mil woileueu Lappen, mit Stroh oder Bür-slcu, uud Warmhalten des Theiles ausreiebeud. Bei einem liöhcrn Grade kann man die Akupunktur anwenden; oder man macht Eiurei-bungeu von Kampiier- und Ammoniak-Liuiinent. von Kamplier- uud Sciiengeist, von Terpenlliin-, oder Kiehu-, oder Tannenzapfen-, oder Waebolderholz-, oder Slciniil, oder von Kanlliarideu-Tinklur, oder man wendet Spritzbäder (Douclic-Bäder) auf den leidenden Thcil oder aucli folgendes Verfahren an: der mit Rheiunalismns bebaftcle Theil wird (ein bug- oder brusllahmcs Pferd um das Buggelenk, au und unter dem Seliullcrblatt, eine Handbreit hinter demselben, und an dem gemein­schaftlichen Muskelg—ein hüfllahmes auf dem Ei'eaz nnd an der ganzen Backe und Keule des lahmen Fusses) mit einem Gemenge von Liq. Ainnion. eausl. und 01. Terebinlbin. äii sect;j und Spirit, camphor, und spiril. saponat 5ä gj^ reichlich und stark eingerieben, so dass daselbst Schaum entsteht. Dabei wird das Thier sehr unruhig und gewöhnlich schwillt die Haut sogleich etwas an, wird fällig, lielss und schmerzhaft. Gleich nach dem Einreiben lässt man das Pferd so lange massig stark reilen oder an einer Longe herumtreiben, bis es in gelinde Transpira­tion gekommen ist. Letzteres kann man befördern, wenn mau das Thier mit wollenen doppelten Decken bedeckt laufen lässt; — imless ist dies nur da zu empfehlen, wo der Stall recht warm ist. Das Pferd wird nun in den Stall zurückgebracht, hoch und kurz au-gebunden, und ihm auf die vorher eingeriebene Steile ein in recht kaltes Wasser eingeweichter, dann wieder massig ausgedrückter, drei-oder vierfach zusammengefalteter Sack gelegt, derselbe mit den Händen recht glcichmässig an den Körper gedrückt, uud mit Strobbändem oder mit Stricken in der Lage erhallen. Hierauf wird der Hals und der ganze Körper mit wollenen Decken bedeckt. Nach zwei bis drei Stun­den findet mau die Haul unter den Sack sehr heiss; man nimmt nun den letzteren ab, und ersetzt ihn durch einen andern, in kalles Wasser getauchten Sack und wiederholt dies alle zwei Stunden, im Ganzen fünf bis sechs Mal. Der zuletzt aufgelegte Sack bleibt sechs bis acht Stunden (gewöhnlich über Nacht) liegen, bis er ganz trocken geworden ist; uud nachdem er entfernt worden, bleibt der betreuende Theil noch zwei bis drei Tage mit Decken bekleidet, um die verstärkte Trau-spiralion daselbst sanft zu unterhalten, wenigstens Erkältung zu vermei­den. Die meisten Pferde schwitzen bei der obigen Prozedur auch am ganzen Körper und man muss dessbalb während derselben jede Erkäl­tung, Zugluft im Stalle n. s. w. vermeiden, und den Tbiercn nur über-schlagencs Getränk geben. — An den eingeriebenen Stelleu entsieht Ausschwitzung und später Abschuppimg der Haut. Die Praktiker sind darüber verschiedener Ansicht; ob man die zu dieser Zeit bestehende Spannung der Haut durch Aufstreichen von Oel oder Fell mildern soll? Ich halte es für zweckmässig.—^Nach 4 Tagen werden die Pferde zu­erst nur während einer halben Stunde im Schritt, später allmälig län­ger uud auch im Trabe bewegt. — lu manchen Fällen ist nach einer einmaligen Anwendung dieses Verfahrens der Rheumatismus beseitiget.
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#9632; 1
#9632; n
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92nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rheumatismus, chronischer, Behandlung.
in anderen muss dasselbe nach zwei bis drei Wochen wiederholt werden.
Fruchtet diese Behandlung nichts oder erscheint dieselbe wegen eines andern Grundes nicht anwendbar, so kann man auch die Kan-tharidensalbe, Fontanelle und Haarseile anwenden. Diese, mit einer materiellen Ausscheidung begleiteten Reizungen gewähren in hartnäcki­gen Fällen noch die beste (obgleich auch keine absolut sichere) Hilfe; es ist jedoch bei denselben das Ausfallen der Haare und das Zurück­bleiben sichtbarer Narben zuweilen ihrer Anwendung bei theuren Pfer­den hinderlich.
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Zweiter Abschnitt.
Von den wichtigstenäusserlichen Entzündungen und deren Folgekranklieilen im Speziellen.
Erstes Capital.
Entzündungen der Ohren.
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I. Die Entzündung der Ohrmuscheln bei Hunden oder der soge­nannte äussere Ohrwurm.
Bei langohrigen Hunden, namentllcli bei Pudeln und Daclishunden und bei Hübnerhunden kommt eine Entzündung der Haut und des Knorpels der Ohrmuschel ziemlich häufig vor. Dieselbe äussert sich dadurch, dass die Thiere oft mit dem Kopfe schütteln und mit den Pfoten oft an dem leidenden Ohr kratzen. Bei der Untersuchung iiudct sich dasselbe stellcnwcis heiss, etwas geschwollen und beim Druck mit den Fingern -vermehrt empfindlich; wo die Haut von Natur weiss oder röthlich ist, findet sie sich jelzl dunkler gerölhet, und ihre Gc-fasse sind sehr angeschwollen. Wenn diese Entzündung, wie es ge­wöhnlich der Fall ist, einige Wochen gedauert hat, wird die Haut an den vorherrschend leidenden Theilen spröde und platzt in kleinen Ris­sen auseinander, was besonders an den Rändern und gegen die Spitze hin geschieht. Die geborstenen Stellen fangen bald schneller, bald langsamer an eine serös-eiterige Flüssigkeit auszusickern und bilden sich in fressende Geschwüre um, welche jederzeit den Knorpel mit er­greifen, und denselben theilweis zerstören. Es entstellen auf diese Weise eine oder mehrere Lücken am Rande der Ohrmuschel, zuweilen 3 bis 6'quot; tief, und 2 bis 3'quot; breit. Bei diesen Geschwüren dauert das Be­nehmen der Hunde, wie angegeben ist, fort.
Die Ursachen dieser Entzündung sind bis jetzt noch nicht genü­gend bekannt; es scheint aber, dass in den langen hängenden Ohren
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94nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;EnUündung des äussern Gchürganges.
die Ccfässe mit Blut auf passive Weise überfüllt werden, dass Stockun­gen in ihnen entstehen und so die Enlvuindung vorbereitet, durch das starke Sehnllcln mit dem Kopfe aber cigenllicli hervorgernfen wird.
Die Beartheiluug ist im Allgemeinen günslig zu machen, da der EiTalirung zufolge, sowohl die Enlxündnng, wie auch die Geschwüre geheilt werden können; allein das Uebel ist gewöhnlich sehr langwie­rig, und die einmal in der Ohnnnsdiel entstandenen Lücken sind nicht wieder zu beseitigen.
Die Behandlung bestellt in der ersten Zeit darin: a) dass man vermittelst einer mit Taschen für die Ohrmuscheln versehenen Binde dieselben nach dem Genick zu in der Höhe bindet und dadurch die passive Aidiiinfniig des Blutes In dem leidenden Theile, so wie neue Reizungen beim Schütteln mit dem Kopfe, beim Kratzen mit der I'fote u. s. w. verhütet; und ft) in der [leissigen Anwendung des Bleiwassers (2 Drachmen Bleizucker oder Bleiessig zu 6 Unzen Wasser) oder in dem täglich zweimal wiederholleiu Bestreichen der innern und äussern Fluche der Ohrmuschel mil Bleicernl oder mit der Bieiweisssalbe. — Ist aber das Hebel bereits bis zum Bersten der Haut gediehen, so ist das täglich zweimal wiederholte Bestreichen mit der grauen Merkurial-salbe zweckmässiecr. —
Bei wirklichen Geschwüren hat sieh folgende Salbe stets sehr nütz­lich gezeigt: Man nimmt graue Quecksilbersalbe -] Unze, fein 'zerrie­benen rotben Quecksilber-Präcipitat #9632;£ Drachme und reibt ISeides gut zusammen. Mit dieser Salbe wird täglich zweimal das Geschwür und die Umgegend desselben beslridien. Wenn Knorpelränder enlblösst und grau oder grünlich gefärbt an einzelnen .Stellen des Geschwürs sichtbar sind, muss man diese Slellen mit Lapis infernalis oder mit dem glü­henden Eisen belupfen, oder auch solche kranke Bänder aussebneiden. Sollten hierdurch zu grosso Lücken im Ohr entstehen, oder sullle durch mehrere lief eingefressene Geschwüre die Spitze der Ohrmuschel grösstentheils zerstört sein, so ist es am bcslen, dieselbe miltclsl der Scheere so zu beschneiden, dass alles Kranke entfernt werde, und zu­gleich doch die Ohrmuschel eine der natürlichen Form ähnliehe Ge­stalt wieder erhall. Die hierbei entstehende Blutung wird durch sti-ptische Mittel, oder durch Berühren der blutenden Stellen mit dem weiss-glühenden Eisen, oder auch durch die Unterbindung gestillt. Die Hei­lung erfolgt übrigens fast ganz ohne Kunsthülfe.
II. Die Entzündung des aussein Geluirganges (Olitis) bei Hun­den, oder der sogenannte innere Ohrwurm.
Bei Hunden von jeder Raijc und in jedem Alter, am meisten aber wieder bei den mit langen hängenden Ohrmuscheln Begabten, kommt die Entzündung des äussern Gehörganges ziemlich oft vor. Das Uebel hat seinen Sitz in der Haut, welche dieses Gebilde auskleidet, ergreift aber zuweilen auch die unter derselben liegenden Knorpel und zeigt sich auf folgende Weise: Die Hunde tragen den Kopf mehr oder we­niger schief, und zwar gewöhnlich so, dass das leidende Ohr nach ab­wärts gehalten wird: sie schütteln auch oft mit dem Kopfe, rutschen mit dem leidenden Ohr zuweilen auf dem Boden hin oder kratzen das­selbe mit den Pfoten; hierbei äussern sie zuweilen durch Winseln oder
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Behandlung.
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kurzes Schreien eine schmerzhafte Empfindung; dasselbe Ihun sie auch, wenn man das leidende Ohr nahe am Kopie gelind zusammendrückt, und zugleich suchen sie sich dieser Berührung zu entziehen. Das Ohr findet man vermehrt warm, und die Haut im äussern Gehörgange et­was geschwollen und dunkler geröthet. Im Anfange, d. h. in den er­sten 3 — 6 Tagen, ist der äusscre Gehörgang trocken, nach dieser Zeit aber schwitzt aus der Haut daselbst eine gelbliche klebrige Flüs­sigkeit, welche man oft deutlich siebt, und die sich ausserdem durch ein quatschendes Geräusch zu erkennen giebt, wenn mau den äussem Gehörgang mehrmals nach einander kurz zusammendrückt. Diese Feuch­tigkeit trocknet am Rande des Gehörganges zu gelblichen Borken ein, die zuweilen den ganzen Gehörgang verscblicssen. Im weitem Verlauf wird die Flüssigkeit zuweilen dem Eiler ähnlich, in den meisten Füllen aber zu einer rölldicbcn, sehr stinkenden Jauche umgewandelt, und in der Haut des Gehörgang'es bilden sich Geschwüre, Verdickungen und zuweilen auch warzen ähnliche Auswüchse.
Der Verlauf dieses Leidens ist stels, wenn nicht die erste Entzün­dung unterdrückt wird, sehr langwierig, oft auf viele Monale ausge-dehnt. Das Ucbei ist hartnäckig und kehrt oft nach kürzerer oder längerer Zeit wieder.
Als Ursache betrachtet man eine eigenthiimliche Disposition der langohrigen Hunde zu dieser Entzündung, bedingt durch die Abhaltung der Luft von dem aussein Gehörgange, — das Eindringen fremder Körper in denselben, Metastasen bei dein Beslelien von Dyscrasiceu, na­mentlich von Flechten und Räude, und ausserdem vielleicht auch noch Erkältungen.
Die Kur begiunl man am besten mit einem kräftigen Abführungs-mittcl, welches auch später von Zeit zu Zeit wiederholt weiden kann; und wo Dyskrasiecn bestehen, sucht man dieselben durch umstim­mende und spezifische Mittel, wie namentlich Schwefel, Spiessglanz, Merkur und Arsenik zu lügen. Die Diät muss stets mager sein.
Oeitiich bindet man die Ohren nach dem Genick zusammen, um die Luft freier auf den Gehörgang einwirken zu lassen, und die An­häufung von Wärme zu verhindern. In den Gehörgang bringt man, wenn das Uebcl noch frisch entstanden ist, täglich 4 — 6 Mal eine ganz schwache Auflösung von Bleiessig (2 — 5 Gr. auf 1 Unze Wasser) und selzt derselben, wenn dabei sehr grosse Empfindlichkeit besteht, ein narkotisches Extrakt zu, z. B. auf die Unze Flüssigkeit 1 — 3 Gr. Bilsenkraut-Extrakt, oder Belladonna-Extrakt, oder auch Opium; oder man wendet ein narkotisches lufusum kalt in das Ohr an, oder man tröpfelt das Bilsenkrautöl, oder ein anderes mildes Oel mit Zusatz von
Opium in den Gehörgan
In Ermangelung dieser Arzcneiinillel kann
man auch süsse Milch hierzu benutzen.
organ
Wenn die vorlun bezeichnete klebrige Absonderung in dem Gehör­können dieselben Mitlei noch forlgcbraucht
werden, aber zugleich muss der Gchörgaug täglich einmal mit einem schwachen lauwarmen Seifenwasser gereinigt werden. Wird die Ab­sonderung sehr reichlich, so kann man mehr austrocknende Mittel an­wenden, namentlich eine scliTvachc Auflösung von Zinkvilriol (5—10 Gr. auf eine Unze Wasser) oder von Kupfervitriol, oder von Höllen-
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96nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Augenenfzündungen.
stein (2—4 Gr. auf 1 Unze dcslilliilcs Wasser). Wird die Flüssig­keit jauchig und stinkend, so dienen dieselben Mittel, jedoch mehr con-zentrirt, z. B. Zinkvilriol oder Kupfervitriol 10—20 Gr. zu 1 Unze Wasser, oder ein Gemenge von 5 Gr. Zinkvilriol und 20 Gr. Bleizuk-ker mit 1 Unze Wasser, ebenso das Kalkvvasser, oder eine Auflösung von Chlorkalk in Wasser oder in einem aromatischen Infusum u. dgl. Sehr wirksam haben sich hierbei auch eine schwache Auflösung von Kreosot (1 — 2 Gr. auf 1 Unze Wasser) und Einsticupulvcr von Kohle und Bleiweiss, oder von Kohle und Chlorkalk gezeigt. Es ist aber dabei das tägliche Reinigen des Ohrs nölhig. In der letzten Zeil der Heilung und nach Beendigung derselben ist es zweckmässig, dem Hunde ein Haarseil im Genick zu ziehen und ihn noch eine Zeit lang iu magerer Diät zu hallen.
Zweites Capitel.
Augencntzündutigeu (Inflammationes Oculi, Ophlhalmiac) und die Folgekrankheilen derselben.
Die Augen der sämmllichen Hausthiere, besonders aber die der Pferde und Hunde, sind sehr häufig den Entzündungen unterworfen.
Diese Entzündungen charakterisiren sich im Allgemeinen durch Schmerz, erhöhete Wärme, Anschwellung, Röthung, Éiclitschou oder gestörtes Sehevcrmögcn und gestörte Sekretionen. Zuweilen besteht auch Fieber dabei. Die Syinplome sind jedoch in den einzelnen Fällen sehr modilizirl, je nach dem Sitze, der Ausbreitung und Art der Ent­zündung und nach den Ursachen.
Es leiden dabei olt nur einzelne Gebilde, wie z. B. die Augenli­der, die Bindehaut, die Thräncn-Karunkel, die durchsichtige oder die undurchsichtige Hornhaut, die Regenbogenhaut, die Gefässhaut, die Cry-stalllinse und deren Kapsel, während in andern Fällen mehrere Gebilde leiden, oder das ganze Sehorgan ergriffen ist. Diese Verschie­denheit hinsichtlich des Umfanges der Entzündung hängt hauptsäch­lich von der Art und Stärke der Ursachen und von der Disposi­tion der einzelnen Thiere zu Augen-Entzündungen ab. Eine solche Disposition ist entweder angeboren oder erst erworben. Im crsleren Falle ist sie oft durch eine besondere Formation der Augen, oder auchnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ',
des ganzen Kopfes angedeutet, wie namentlich durch einen schweren, dicken, stark fleischigen Kopf, durch dicke, fette eng gespaltene Augen­lider, und durch kleine, tief liegende Augen; allein es linden sich hier­von sehr viele Ausnahmen, indem einerseits sehr oft Thiere mit sol­chen Bildungen nicht mehr als andere an Augenentzündungen leiden, andererseits aber auch oft eine grosse Anlage zu diesen Entzündungennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;|
wirklich besteht, ohne äusserlich erkennbar zu sein. Die erworbene ,A.nlage laquo;u Augencnlzündungeu ist mehrentheils nicht anders, als aus
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Äugcncntzündung, traumatische.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 97
dem öftem Wiederkehren einer solchen Entzündung nach geringen Ur­sachen wahraunehuicu. Sie beruht auf krankhaft vermehrter Empfind-lichkeit der Augen, auf zu sehr culwickelleu Sympathieën derselben mit andern Organen und auf Vollblütigkeit.
Die Ursachen der Augeuentzüudungeu sind entweder von mechanischer Wirkungsart, oder von chemischer Natur, oft Erkaltungen, zuweilen innere Krankheitsprozesse, uud in manchen Fällen sind sie uubekanat. Es ist zuweilen sehr schwierig die wirklichen Ursachen zu erforschen, und überhaupt den Zustand eines eutziindelen Auges kennen zu lernen; weil die Thicre hierbei nicht seilen sehr kopfscheu und widersetzlich sind, die Augenlider mit aller Kraft zusammendrückeu, deu Augapfel möglichst lief iu die Höhle zurückziehen und so die Untersuchung fast unmöglich niacheu. ßestehl dabei noch Anschwellung der Augenlider, Auflockerung der Bindehaut und verniehrlc Schleinisekreliou, so wird dieselbe uocli mehr erschwert. Um sie jedoch so vollständig wie mög­lich auszuführen, muss mau die Thiere bremsen, sie von starken Ge­hilfen am Kopfe festhallen lassen, die Augenlider äusserlich ganz trok­ken abwischen, und sie dann mit trockenen Fingern aus einander zie­hen. Letzteres gelingt noch besser, wenn man hierzu die sogenannten Augenlidhaltcr (Instrumente von einer fingerbreiten und S-förmig ge­krümmten Messingplatte oder von eben so gebogenen doppelten Melall-draht) oder in Ermangelung derselben einen hakenförmig gebogenen Stiel eines kleinen Lötfels benutzt. Bei nicht zu bezwingender Wider setzlichkeit der Thiere muss man dieselben sogar zu dieser Untersu­chung niederlegen. Nachdem die Augenlider auseinandergezogen sind, wischt man mit einem Schwämme oder einem weichen Leinwandläpp­chen deu überflüssigen Schleim weg, und besiehet dann die einzelnen Theile recht genau. Die ganze Untersuchung muss übrigens mit mög­lichster Schonung geschehen.
Bei den Augeuenlzündungen finden sich oft die S. 24 — 29 ange­gebenen Verschiedenheiten der Entzündungen, und man hat sie des­halb verschiedentlich eingetheilt und bcnanul. Es ist aber hinreichend, wenn man sie in traumatische und in spezifische scheidel, und dabei in den einzelnen Fällen jene Verschiedenheiten, besonders aber den Charakter der Vitalität berücksichtiget.
I. Traumatische Äug-enentzündung. Ophthalmia Iraumatica.
Die Augenlider, der Blinzknorpel und die Thiäncn-Caiunkcl, die Bindehaut und der Augapfel in seinen verschiedenen Theilca können durch mannigfaltige Veranlassungen mechanisch und chemisch gereizt und hierdurch iu EnUündung versetzt werden, wie namentlich durch fremde Körper (z. B. Staub, Sand, Grannen und Hülsen von Getreide, Grashahne, Haare, Kalk u. dgl.), welche zwischen die Augenlider und den Augapfel eingedrungen sind, durch Stössc, Schläge. Reiben, Quet­schungen bei dem gewaltsamen Ueberstreifen (Abziehen) der Halfter, durch einwärts gebogene und verkrümmte Augenlidränder u. s. w.
Die auf solche Art erzeugten Entzüuduiigca bestehen oft für sich allein, oft aber auch mit Quetschungen oder mit Verwundungen, und hiernach, so wie nach dem Sitz, der Ausbreitung, dem Grade und der
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98nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Aiigenentziindung, traumatische.
Dauer der Reizung und Entzündung sind die Symptome in den einzel­nen Fällen etwas verschieden.
Leiden nur die Augenlider (Inflammatio palpebrarum) so findet man auch nur sie allein geschwollen, vermehrt warm, bei der Berüh­rung schmerzhaft, ihre äusserc Fläche (besonders am freien Rande) glänzend, und ihre innere Fläche dunkler geröthet. Zuweilen besteht in Fofge einer consensuellen Reizung der Thränendrüse ein Thränen-fluss aus dem kranken Auge, und eben so sind, wenn die am Rande der Augenlider liegenden M eibomsehen Drüsen mitleiden, oft eine reichliche Absonderung der sogenannten Augenbutter, Krusten an den Augenlidrändern und Zusammenkleben der letztern zu bemerken; und oft linden sich an der äusseren Fläche der Augenlider, namentlich des oberen und am Augcnbogen als Spuren der eingewirkten Ursache, kahle Stellen oder Verletzungen. Die Röthung an der innern Fläche der Augenlider ist gewöhnlich gleichmässig; doch sieht man auch nicht selten eine netzartige Verzweigung von stark iojlcirten Gefässen, oder auch dunklere Flecke von kleinen Extravasaten herrührend. Die An­schwellung ist in verschiedenem Grade ausgebildet, elastisch gespannt.
Ist die Bindehaut der Sitz der Entzündung (Conjunctivitis), so fin­det man mehrenthcils die Augen geschlossen, aber die Augenlider we­nig oder gar nicht gesehwollen, die Absonderung der Thränen und des Schleims vermehrt; die Bindehaut dunkler geröthet, mit stark angefüll­ten Gefässen und zuweilen mit rothen Flecken versehen, auch mehr oder weniger angeschwollen, so dass sie in manchen Fällen wie eine rothe Wulst unter dem Rande des oberen Augenlides hervortritt. Der Schmerz ist grosser als bei dem Leiden der Augenlider. Oft findet man nach dem vollstiindigen Auscinanderziehcn derselben einen fremden Gegenstand (z. B. Sand. Getreidegranncn u. dgl.), oder eine Verwun­dung, welche beide als Ursachen dieser Art von Augenentzündung und Zugleich als ein sicheres Erkenuungsmerkmal derselben zu betrach­ten sind.
Bei traumatischen Entzündungen der Nikhaut (des Blinzknorpels) und der Thränenkarunkel findet man an diesen Theilen und an der mit ihnen zusammenhängenden Bindehaut die oben angeführten Zufälle. Doch ist bei Entzündungen am Blinzknorpel wegen des Mitleidens der Harder sehen Drüse immer die Absonderung eines zähen Schleims ungewöhnlich gross.
Auch wenn der Augapfel selbst von der traumatischen Entzündung ergriffen ist, bestehen dieselben Symptome; zu ihnen tritt aber 1) bei oberflächlicher Reizung oder Verletzung dieses Organs noch eine sich schnell über einen Theil der durchsichtigen Hornhaut verbreitende, blass­blaue, weissliche oder ins Graue spielende Trübung, so dass hierdurch diese Haut oft in einigen Stunden ihre Durchsichtigkeit bald mehr bald Weniger verliert, das Auge ein ganz anderes Ansehen erhält und das Sehen gestört oder ganz aufgehoben wird, in demselben Ver-hältniss, wie durch die Trübung der Eintritt der Lichtstrahlen in das Auge gehindert ist. Diese Trübung entsteht aus einer Ergiessung von Serum und Faserstoff unter das Bindehautblättchen, welches die durch­sichtige Hornhaut überzieht; sie ist desshalb oft mit einer wulstigen Erhöhung an ihrer Grenze verbunden und senkt sich, wie die ödema-
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Augcncntzütidungr, traumatische.
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lösen Anschwellung en, allmälig von den hohem zu den niedern Stel­jen. — 2) Wenn die eutzündliche Reizung tiefer, bis in die durchsich­tige Hornhaut eingedrungen ist (Ceralitis), entwickeln sich die oben ge-naanteu Symptome allmälig zu einer grossen Heftigkeit, namentlich wird der Schmerz sehr gross und nicht bloss durch mechanische Berührung, sondern auch durch die Einwirkung des Lichtes vermehrtCLichtscheu, Pho­tophobia). Die Hornhaut nimmt stellenweis oder ganz ein mattes, ins Graue spielendes Ansehn an, wie wenn sie mit Staub bestreuet wäre, und in dem Verhältniss der Stärke und des Umfangcs dieser Trübung ist auch das Sehen undeutlich; aber die Trübung ist nie so auffallend, und ent­steht niemals so schnell, wie bei dein vorigen (oberllächiichen) Leiden. Zuweilen erscheint die durchsichtige Hornhaut etwas verdickt, und um ihren Hand findet sich an der undurchsichtigen Hornhaut ein blassro-ther schmaler Streif. Die Blutgefässc sind in der Richtung nach der Stelle, wo die Reizung oder die Verletzung stattgefunden, von der un­durchsichtigen Hornhaut her mehr sichtbar und erstrecken sich zuwei­len über eine Linie weit in die Coruea. — 3) Sind die innern Theile des Augapfels mit aftizirt, so treten zu den obigen Erscheinungen noch, je nach den Umständen, Trübung der wässerigen Feuchtigkeit, ßluter-giessung in die vordere und hintere Augenkammer, und zuweilen Ver­engerung oder gänzliche Versehliessung der Pupille. — Zu den hefti­gen Entzündungen der durchsichtigeu Hornhaut und der innern Theile des Augapfels findet sich in den meisten Fällen eine fieberhafte Aufre­gung des Pulses, Traurigkeit, zuweilen auch Appetitlosigkeit.
In der Natur kommen die Entzündungen in den meisten Fällen an mehreren Theileu des Auges zugleich vor, und die Symptome er­scheinen desshalb auch gewöhnlich nicht so gesondert, wie hier ange­geben.
Der Charakter dieser Entzündungen ist in den meisten Fällen der sthenische, nur selten der erethischc und noch seltener der astheni­sche. Der erstere besteht in der Regel vom Anfange der Entzündung au, und bleibt häufig so bis zum Verschwinden derselben, besonders bei den Entzündungen der Hornhaut und der innern Theile des Aug­apfels; der asthenische Charakter entwickelt sich nur bei schwachen, kranken Thicren und unter schwächenden Einllüssen, z. B. in sehr warmen, dunstigen Ställen u. dgl. Der sthenische Charakter äussert sich durch lebhafte Röthe, grosse Hitze, sehr heisse Thränen, zuweilen durch Trockenheit des Augapfels, durch heftigen Schmerz, entsprechende Geschwulst, dabei kräftigen Puls und dunkelrothe Färbung der Schleim­häute. — Bei dem erethischen Charakter äussert sich der Schmerz und die Lichtscheu sehr heftig, während nur wenig Geschwulst, wenig Rö­the und geringe Wärme besteht. Oft ist die Thränenabsonderung sehr reichlich, und zuweilen ist die Pupille zusammengezogen. — Bei dem astheuischen Charakter besteht entgegengesetzt im Verhältniss zu den übrigen Zufällen nur geringe Empfindlichkeit, daher die Thiere auch häutig die Augen selbst im hellen Licht offen halten; die Anschwellung ist mehr schlaff; die Röthung zuweilen recht dunkel, in andern Fällen blass, ins Gelbliche spielend; die Absonderung reichlich, die Thräuen oft mit Schleim gemengt, der letztere zähe, fadeuziehend oder in Klump-cherraquo; zusammenhängend. Ausserdem spricht sich auch gewöhnlich der
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100nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Augenentzündung, traumatische.
asthenische Charakter im Allgemeinen durch stark fühlbaren Herzschlag, weichen Puls, blasse und feuchte Schleimhäute u. s. vv. aus.
Der Verlauf und die Ausgange der traumatischen Augeneutzündun-gen sind je nach dem Sitze und der Ausbreitung, nach der veranlas­senden, schon entfernten oder noch fortwirkenden Ursache, nach dem Grade der etwa beslehcndeu Verletzung, nach dem Grade, der Dauer und dem Charakter der Entzündung selbst verschieden, und die Pro­gnosis ist desshalb in den einzelnen Fällen ebenfalls verschieden, bei den Entzündungen des Augapfels aber stets mit Vorsicht auszusprechen.
Im Allgemeinen gelten die traunialischen Augenentzünduugen, weil sie idiopalhisch entstanden sind, für leichter heilbar, als die sogenann­ten sympathischen und symptomatischen Entzündungen von gleicher Heftigkeit; doch ist dies nur in denjenigen Fällen richtig, wo kein frem­der Körper im Auge verweilt, keine tiefe Anätzung, keine eindringende Verletzung und keine Erschütterung der innern Theile des Augapfels stattgefunden hat. Denn da, wo solche Complikatiouen bestehen, ist durch sie die Enlzüuduug stets zu einer bösartigen gemacht. Die Rei­zung von fremden Körpern steigert trotz der angewendeten Mittel die Entzündung zu plastischen Ausschwilzuugen, durch welche oft bleibende Verdunkelungen, oder Verwachsungen, Verdicknngen und Wucherun­gen entstehen; oder es bildet sich Eiterung, welche auf der durchsich­tigen Hornhaut undurchsichtige Narben, im Augapfel mehrentheils gänz­liche Zerstörung desselben herbeiführt. Verwundungen haben olt ähn­liche Folgen, — und selbst Brand kann eintreten. Erschütterungen können Lähmung (schwarzen Staar) herbeiführen. Die Heilung kann aber erfolgen, wenn die fremden Substanzen entfernt werden, wenn die Verletzung in einem massigen Grade besteht und eine zweckmäs-sige Behandlung stattfindet. Der allein gute Ausgang bei Augenentzün­dungen ist die Zertheilung.
Entzündungen in den äussern Theilen der Augenlider sind in der Re­gel leicht und vollständig zu zertheilen; in der Bindehaut der Augenlider snd sie ebenfalls im Allgemeinen als leicht heilbar zu betrachten; am Blinzknorpel und an der Thranenkarunkel sind sie hartnäckiger, zu Wu­cherung und Verdickung geneigt; an der Bindehaut des Augapfels ver­ursachen sie durch die Trübungen der Cornea einige Gefahr, die jedoch bei zeitiger und zweckmässiger Kur fast sicher zu beseitigen ist Je mehr die Trübung bläulich erscheint und je mehr sie einen abgesetzten Rand zeigt, um desto weniger hartnäckig pllegt sie zu sein. —#9632; Ent­zündungen der durchsichtigen Hornhaut sind in den meisten Fällen län­ger dauernd, als die der Bindehaut; sie hinterlassen oft tief in der Sub­stanz sitzende hartnäckige Trübungen und Verdickungen. — Entzün­dung im Innern des Auges ist stets ein Gefahr drohendes Uebel, weil durch plastische Ausschwitzung eine Trübung der wässerigen Feuch­tigkeit oder der Krystallinse und ihrer Kapsel, oder eine Verwachsung der Pupille,—oder Eiterung, und hierdurch theilweise Auflösung und Zerstörung der innern Gebilde, oder auch Berstung der Hornhaut und dadurch Verlust des Augapfels entstehen kann. (Siehe Eiterauge.)
In manchen Fällen, namentlich wo die Behandlung nicht gleich nach dem Entstehen #9632; oder wo sie zu schwach eingeleitet, und ebenso da, wo die veranlassende Ursache nicht entfernt worden ist, oder auch
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Augenentzündung, traumatische, Kur.
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wo neue Schädlichkeiten, wie z. ß. Erkältungen, starker Stalldunst und dgl. einwirken, wird die Entzündung chronisch, und in andern Fällen bleibt Auflockerung der Bindehaut und eine chronische, vermehrte Schleimabsonderung (Blennorrhoea) zurück.
Die Kur der traumatischen Augenenlzündungen verlangt zunächst die Entfernung der noch fortwirkenden so wie die Abhaltung neuer Gelegenheitsursachen.
Demgemäss werden drückende und verletzende Gegenstände, z.B. zu enge oder verbogene Scbauklappen beseitiget, — die Thiere werden so angebunden, dass sie sich nicht reiben können, — fremde Kör­per zwischen dem Augapfel und den Augenlidern werden, nachdem die letztern wie S. 97. angegeben, geöffnet worden, mittelst eines feuch­ten Schwammes, oder eines Läppchens, eines feineu Haarpinsels oder einer feuchten Federfahne weggestrichen oder, wenn sie festsitzen, mit­telst der Pinzette, oder einer feinen Sonde (oder des Dawielschea Löffels ') abgehoben und entfernt.
Wenn der fremde Körper eigcnthümlich reizende oder ätzende Ei­genschaften besitzt, sucht man ihn nach Eröffnung der Augenlider durch eine schleimige Flüssigkeit, z. B. Leinsaamenschleim, QuiUenschleim Auflösung von arabischen Gummi, Milchrahm oder Eiweis, Fett oder fettes Oel ganz einzuhüllen und dadurch unwirksam zu machen und zugleich ihn aus dem Auge zu entfernen. — Scharfen Dunst im Stalle sueht man durch möglichste Reinlichkeit, durch gründlichen Ab-fluss des Urins, durch Wegschaffen der feuchten Streu, daher auch, durch Beseitigung der sogenannten Streuklappen unter den Krippen, und durch Ocffncn eines obern Fensterflügels (wenn keine Dunströhre besteht) zu beseitigen,— Zugluft und helles Licht abzuhalten. Letzteres durch Verhängen der Fenster.
Dabei ist aber der Stall nur massig warm zu halten, die Thiere dürfen nur wenig, schwach nährendes und leicht zu kauendes Futter bekommen und sie müssen jede Aufregung, daher starkes Laufen und schweres Ziehen vermeiden. In der Befolgung dieser Vorschriften be­steht auch die diätetische Behandlung der Thiere während und gleich nach der Kur.
Die chirurgische Behandlung der Entzündung selbst muss stets auf die Zertheilung gerichtet, aber dem Grade und Charakter des Lei­dens angemessen sein.
Hat eine traumatische Ursache sehr heftig ein Auge betroffen, so kann man, noch ehe die Entzündung sich entwickelt, einen Aderlass machen, ein Abführungsmittel geben und das Auge kühlen.
Bei den leichteren Graden der Entzündung der Augenlider, der Bindehaut und des Blinzknorpels ist in der ersten Zeit und bei dem sthenischen Charakter es hinreichend, wenn man das Auge recht fleis-sig mit kaltem Wasser oder mit einem ganz schwachen Bleiwasser
') Ein löffeiförmiges Instrument von Silber oder Messing mit einem Stiel von Holz oder Bein. Der Löffel ist circa 1 bis H Linien breit, 3 Linien lang, das vordere Ende ein wenig zur hohlen Seite gebogen, das hintere geht in ei­nen % bis 3 Zoll langen drahtförmigen Thcil und dieser in den Stiel über.
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102nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kur.
(2 — 4 Gran Bleizucker auf 1 Unze Wasser) unausgesetzt kühlt. Das letztere Mittel, uud überhaupt Bleimittel dürfen aber in keinem Falle augewendet werden, wenn bereits eine Trübung der durchsichtigen Hornhaut, und besonders wenn mit der Trübung eine Verletzung dieser Haut besteht. Denn die Erfahrung zeigt: dass durch dieBleimiltel der exsudirle FaserstotF, wel­cher die Trübungen erzeugt, zum Gerinnen gebracht und hierdurch sehr schwer auflösbar gemacht wird. Viele Hornhaulflecke verdanken ihre Hartnäckigkeit oder Uuheilbarkeit der Behandlung mit Bleimit­teln *). Dagegen hat sich bei den Entzündungen mit Trübung der Hornhaut eine schwache Auflösung you Kali carbon, dejmrat. (Gr. j auf gj kalten Wassers) sehr nützlich gezeigt.
1st bei solchen leichten Enlzündungeu das Auge trocken, oder ha­ben chemische Reizungen oder Anätzuugen stattgefunden, so verdieueu schleimige Augenwässcr den Vorzug, wie z. B. (^uiltenschlcim (von 3/S Quiltcusaamen mit sect;vj — sect;viij) Wasser während etwa 5 — 8 Minu­ten geschüttelt und durchgeseihet 2), oder eine Abkochung von Leinsaa-meu (sect;(S und Wasser sect;viij), von Malven- oder Althäekraut (ebenso), eine Auflösung von arab. Gummi (1 Theil zu 12 Theile Wasser), oder von Eiwcis (das Weisse von 1 Hühnerei mit sect;viij tüchtig zusamuieu-geschiagen oder geschüttelt; und wenn die Anwendung vou Bleimitteln nach vorstehender Andeutung als passend erscheint, kann man diesel­ben mit den schleimigen verbinden, indem man z. B. zu 8 Unzen Quit­tenschleim oder arab. Gummiauflüsung 10—20 Gran Bleicssig setzt.
Bei dem erelhischcn Charakter finden ebenfalls die genannten schleimigen Mittel, ausserdem die narkotischen ihre Anwendung; z.B. eine Abkochung von Bilsenkraut, oder von Tollkirschenkraut oder von Stechapfclkraut (gjS zu sect;viij Colatur), oder ein Gemenge von Leinsaa-menschleim mit der Abkochung von einer der genannten narkotischen Pflanzen, oder eine Auflösung von Opium oder von Bilsenkraut- oder Belladonnakraut-Extrakt in Wasser oder in einer Abkochung von Leiu-saamen (Opium oder Extrakt 9/S auf sect;viij). Diese Mittel werden kalt applizirt, wenn die Entzündung mit viel Hitze begleitet ist; wo aber diese fehlt und die Entzündung mehr zum aslhenisciieu Charakter ucigt, kann man die Augenwässer lauwarm anwenden oder selbst lauwarme Breiumschlüge von narkotischen oder von narkotischen und schleimigen Mitteln machen. Für diesen Zweck werden z. B. 4 Unzen Bilsenkraut und eben so viel Malvenkraut, beide klein geschnitten und ohne Stiele mit der hinreichenden Menge kochenden Wassers zum Brei zusammen­gemengt , dieser in einen Beutel vou weicher Leinwand gethan und mit demselben lauwarm auf das Auge gelegt. Der Beutel darf nur locker angefüllt sein, damit er sich überall gleichmässig anlegt und
') Ich weiss wohl, dass nicht in jedem Falle eine unheilbare Verdunke­lung der Hornhaut zurückgeblieben ist, wo man unter den bezeichneten Um­ständen Bteimittel angewendet hat. Die Erklärung hierzu findet sich aber dar­in: dass in diesen Fällen durch die geschlossenen Augenlider glücklicherweise von dem Mittel wenig oder gar nichts auf die Hornhaut gelangt ist.
') Alle Augenwässer sollen diirchgeseihet #9632;werden,
#9632;#9632;#9632;
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Kur.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 103
er muss das ganze Auge an allen Seiten gegen 2 Finger breit überra­gen; er wird mit Bändern an den obern Tlieil der Halfter, beim Rind­vieh an die Hörner, und bei den übrigen Thieren mittelst einer beson-dern Kopfbandagc befestiget. So oft er kalt wird, muss er mit war­mem Wasser begossen oder durch einen unterdessen gehörig erwärm­ten andern Brei ersetzt werden J).
Trägt die Entzündung den asthenischen Charakter an sich, so lei­sten gelind erregende und schwache tonische Mittel gute Dienste, na­mentlich ein Infusum von Arnikablumen (von 3 bis 4 Drachmen 8 Un­zen), oder von Kamillenblumen, von Quendel- oder Lavendelkraut und dgl., oder ein Gemenge von Arnika-Tinktur und Wasser (1 bis 2 Loth zu 1 Pfd.), oder eine schwache Aullösung von Zink- oder Kupfervi­triol oder von Augenstein (Lapis ouhthalmicus, Lapis divinus, Cuprum aluminatum) (Gr. ^—ij auf sect;j Wasser oder aromat. Infusum), oder wo die Trübung der Horuhaut auffallend ist, ein Augenwasser von ei­nem aromat. Infusum mit Zusatz von Opium (10 — 20 Gr. zu 8 Un­zen), oder von Opiumtinktur (3j— 3ij zu gviij), oder auch von ge­reinigter Pottasche (3/9—3j zu gviij). Die JHiltcl werden mit Rück­sicht auf die Temperatur am Auge kalt oder lauwarm angewendet und in letzterer Temperatur mehrentheils sehr gut ertragen.
Hat eine traumatische Augenentzüudung einen hohen Grad erreicht, oder hat sie ihren Sitz in der durchsichtigen Hornhaut oder in den innern Theilen des Augapfels, so muss ohne Zeitverlust ein kräftiger Aderlass aus der Drosselvene oder aus der Gesichtsvene gemacht, und derselbe nach 6 — 8 Stunden wiederholt werden, wenn bis dahin nicht eine Minderung der Zufälle bemerkbar ist. Dies muss, wenn die Thiere nicht durch die schon stattgefumlene Behandlung oder durch andere Ursachen zu sehr geschwächt sind, ohne Rüchsicht auf den Charakter geschehen. Bei recht heftigen Entzündungen kann man auch örtliche Bluteutziehungen bewirken, durch Blutegel oder Scarificationen der Bindehaut der Augenlider. Die Letzteren sind leicht ausführbar und besonders wirksam, wenn diese Haut wulstig angeschwollen ist. Man macht für diesen Zweck in dieselbe an jedem Augenlidc 2 Einschnitte, und zwar einen vom andern ^ Zoll entfernt, in senkrechter Richtung gegen 1 Linie tief und 3 — 4 Linien lang, auf die Weise, dass man ein Knopf-Bistouri flach unter das Augenlid schiebt, dann die Schneide des Messers gegen das Letztere kehrt nud nun das Messer sanft gegen die Bindehaut drückend zurückzieht. — Die Blutegel werden äusserst selten benutzt; bei grossen Thieren lässt man 8 —12, bei kleinen 4—6 im Umfange der Augenlider ansaugen.
Auch giebt man salzige Abführungsmitlei in hinreichend grossen und fortgesetzten Gaben, bis Laxiren erfolgt, und ausserdem erzeugt man äusserliche Ableitungen auf die Backen (unter dem kranken Auge), auf die Seiten des Halses oder auf die vordere Parthie der Brust mit­telst Fontanelle, Haarseile oder der Kantharidensalbe.
l) Manche Thierärzte benutzen zu den Breiumschlägen statt der Beutel eine Angenbandage mit Taschen; dieselbe erscheint aber \venig zweckmassig, weil die Kräuter leicht aus den Taschen herausfallen,
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104nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Äugenentzüadung, katarrhalische,
Die oiiliche Behandlung des Auges geschieht auch bei diesen hef­tigem Entzündungen, ihrem Charakter entsprechend, mit den bereils oben genannleu Milleln so lange, bis die Entzündung zerlhcilt ist, — oder bis beslimmle andere Ausgänge eingetreten sind.
Wird eine solche Entzündung chronisch, so muss man zunächst nochninls eine gründliche Untersuchung des leidenden Auges wegen etwa noch in oder an demselben vorhandener Ursachen unternehmen. Zu­weilen findet sich dann noch in einer Falle der Bindehaut irgend ein fremder Körper, oder es sind einzelne Haare der Augenwimpern nach einwaifs gerichtet u. del. Man entfernt diese Ursachen je nach ihrer Art, die Haare durch Ausziehen mittelst der Pinzette u. s. w. Ebenso muss man auch den Aufenthalt, die Nahrung und sonstige Pflege des Thieres nochmals prüfen und dabei gefundene Unregehnüssigkeiten be­seitigen. Finden sich keine äusserliche Veranlassungen, so beruhet der chronische Zustand entweder auf einer unrichtigen Behandlung, beson­ders auf nicht gehiiriger Berücksichtigung des Charakters der Entzün­dung, oder auf grosser Reizbarkeit und Schwäche der Gefässc, und demgemäss muss die weitere Kur geleitet werden. Im letztem Falle ist aussei- den bei der aslhenischen Augenentzündung angegebenen Mit­teln noch besonders ein Augenwasser von Quecksilber-Sublimat und Cbamillen-Inlusum (2 — 4 Gran zu 8 Unzen), mit Zusatz von etwas Weingeist (3ij —g/S), oder die rolhe Präzipitatsalbe (3/? fein pulv. rothes Quecksilber-Oxyd mit sect;/J Fett zusammengerieben, auch wohl 6 bis 8 Gr. Opium zugesetzt), zu benutzen; und die Ablcitungsraittcl sind fast überall nöthig.
II. Katarrhalische Augenenlziindung, katarrhalische Bindehaut­entzündung. Inflainmatio s. Ophthalmia calarrhalis, Conjunctivitis catarrhalis.
Die katarrhalische Augenentzündung hat ihren Sitz in der Binde­haut und entsteht durch Erkältungen der verschiedensten Art, welche entweder die Augen allein, oder den ganzen Körper betrellcn. Sie kommt bei allen Hausthiercn vor, am häufigsten jedoch bei Pferden und Hunden, und beim Rindvieh zuweilen seuchenartig. Man nennt sie beim Rindvieh die Augenseuche, Augenstaupe (Ophthalmia ca­tarrhalis eplzootica). Die calarrhalische Augenentzündung befällt beson­ders junge Thiere, doch auch alte mid erscheint zu allen Jahreszeilen, am häuilgslen aber im Frühjahr und Herbst, dagegen die seuchenartige gewöhnlich im Sommer. Sie ergreift eiu oder auch beide Augen und besteht oft für sich allein, sehr oft ist aber auch noch ein anderes ka­tarrhalisches oder auch ein rheumatisches Leiden zugegen, als: Druse, Strengel, Staupe, Bräune, Katarrhalfieber, auch Rheumatismus efe.
Die katarrhalischen Augenentzündungen machen ihren Eintritt durch ciu oft abwechselndes Oellnen und Schliessen der Augenlider bemerk­bar. Dabei ist, je nach dem Grade und Charakter der Entzündung, das Auge zuerst entweder trocken oder die Thränen und die Schleim-absondernng ist vermehrt, die Bindehaut etwas aufgelockert uud gerö-thet und ihre Gefässe am Augapfel, wo sie die undurchsichtige Hornhaut übetzieht, zweig- und büschelartig a ufgetrieben. Die Lichtscheu ist In der Regel nur massig, aber bei der BetQhnuig zeigt sich mehr
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Augenentzündung, katarrhalische.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 103
Empfmtllichkclt und rrhöhie Wanne; Läufig sind auch die Augenlider aufgeschwollen. Sjiäteibin wird die Schlcimschretion sehr bedeutend und die Augenlider kleben zusamn.en. Die Bindehaut lockert immer mehr auf und nimmt eine blasse Heiscbiolhc Färbung an. Zuweilen ist die katarrhalische mit der rheumatischen .Augenriilziindiing verbun­den und es sind dann die Symptome der letzlein auch mit zugegen. In manchen Fällen wird die Cornea trüb, oder es entstehen kleine Bläs­chen auf ihr (Phlyctaenen), welche mit einer gelblichen, seltener mit einer weisslichen Flüssigkeit gefüllt sind, nach kurzer Zeit sich öffnen und dadurch kleine Geschwüre bilden, deren Bänder gewöhnlich zuerst verdickt und weisslich, später mehr flach und mehr grau erscheinen. Nur bei sehr heftigen Entzündungen oder wenn eine andere Krankheit, z. B Staupe oder Druse mit diesen Entzündungen verbunden] ist, be­steht Fieber dabei.
Die Ursachen der katarrhalischen Augenentzündung sind, wie oben schon angedeutet worden, Erkältungen, wie namentlich: das Einwirken kalter Regen und kalter Winde, das Durchwaten tiefer Wässer, das Baden, Waschen und Tränken bei erhitztem Körper, das Waschen und Scheeren der Schaafe bei rauher Witterung, das Weiden in kühlen Nächten u. dgl. Zuweilen besieht eine eigentliche Constitution der Atmosphäre, welche man zwar nicht näher kennt, die aber offenbar das Entstehen dieser Entzündung begünstiget und wohl hauptsächlich der Augenseuche zum Grunde liegt.
Die Diagnosis dieser Entzündungen 1st aus den angegebenen Sym­ptomen, aus dem plötzlichen Eintritt der Krankheit nach Erkältungen und in manchen Fällen auch aus dem Vorhandensein anderer katar­rhalischer oder rheumatischer Krankheiten zu machen.
Prognosis. Die Krankheit gehört zu den gutartigsten Entzün­dungen, denn sie zertheilt sich in den meisten Fällen, und zwar: bei guter Behandlung oft schon in 3—5 Tagen; gewöhnlich aber dauert sie 8—10 Tage. Es nehmen dann alle Zufälle ab, und der Schleim wird consistenter. Zuweilen bleiben Flecke und von den Geschwür­chen auch Narben auf der Hornhaut zurück, oft verschwinden aber auch sie gänzlich. Eiterung im Auge entsteht niemals, und Brand der Bindehaut ist nur äusserst selten beobachtet worden, wohl aber Ver­dickung derselben. In manchen Fällen wird die Entzündung chronisch und dann ist sie gewöhnlich sehr hartnäckig. Die Complicationen, Katarrh, Druse, Staupe u. s. w. haben oft auf die Dauer und den Verlauf der Entzündung einen grossen Einfluss; doch wird die letztere sehr oft beseitiget, wenngleich jene Complicationen noch fortbestehen.
Die Kur muss mit Beseitigung der etwa noch fortwirkenden Ur­sachen beginnen; jede Gelegenheit zu Erkältungen, auch mit den ört­lichen Heilmitteln, muss vermieden werden; die Thiere müssen in einen massig warmen Stall ohne Zugluft gestellt, geschont, nur mit geringem Futter erhalten und kurz angebunden werden, damit sie sich die Au­gen nicht reiben.
Bei sthenischem Charakter und bei hohem Grade der Eutzimdung ist ein nässiger Aderlass nöthig.
In der ersten Zeit wendet man örtlich (bei heftigen Entzündungen) schleimige Mittel, Quittenschlcim, Leiusaamen oder Blalvcnkraut-Dekokt
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106nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kur.
u. dgl. an. Hiermit wird so lauge forlgefahren, bis die reichliche Schleimsekretion eingetrelen ist. Dann gebraucht mau ein Infusum von Fliederblumen (1 Unze in 1^ Pfd. Wasser), durchgeseiht, und täglich 6 — 8 Mal die Augen damit lauwarm gewaschen. Ist die Schleimse­kretion reichlich, so wendet man trockene Kräulerkisseu an, die von alter weicher Leinwand gemacht, und mit Flieder- oder Kamillenblu-men, oder mit blosser Baumwolle gefüllt sind. Diese Kissen müssen so oft sie fencht geworden sind, mit trockenen gewechselt werden. Die Wirkung, die hieraus entsteht, ist wohl nur von der gleichmässi-gea Wärme abhängig. Es mindert sich gewöhnlich hierauf bald die Schleimabsonderung und die Entzündung. — Fruchten jedoch diese Mittel nichts, oder trägt die Entzündung mehr den asthenischen Cha­rakter an sich, besteht bei starker Auflockerung wenig Empfindlichkeit, so wendet man schwache Auflösungen von Zinkvitriol, von Kupfervi­triol oder von Augenstein, oder von Höllenstein an; und wenn der ere-thischc Charakter besieht, benutzt mau Opium und andere narkotische Mittel. Nicht selten zeigt sich Erschlaffung mit grosser Empfindlichkeit verbunden und man muss dann auch die geeigneten Mittel mit einander verbunden anwenden, z. B. Zink-Vitriol 6 Gran, Wasser 6 Unzen, einfache Opium-Tiuktur £ Drachme, zusammengemischt, täglich 6 —12 Mal damit das Auge zu befeuchten. Oder Kamillen-Infusum 6 Unzen; Augenstein 6—dO Gr., oder statt des Letztern 6 —10 Gr. reines Opium damit abgerieben u. dgl.
Wenn die Krankheit mit einem allgemeinen Leiden verbunden ist, verdient dies besondere Berücksichtigung. Man giebt z. B. den Brech-weinstein, Salmiak, Schwefel, mit gelinden aromatischen Mitteln, oder auch bei activen Entzündungen Tartar, stib. mit andern abführenden Salzen, oder mit süssen Mitteln etc.
Wenn die katarrhalische Augenentzündung chronisch wird, Verdik-kung und Auflockerung der Bindehaut und ebenso chroniche Schleimab­sonderung eintritt, da kommt man mit den angegebenen Mitteln nicht aus. Hier ist es nöthig, auch sogenannte örtliche und allgemeine Ab­leitungsmittel anzuwenden, letztere z. B. alle 6 — 8 Tage wiederholte Purganzen, Aloe oder Croton, Gummi-Gutti oder Jalape u. s. w. An der Backe unter dem kranken Auge legt man ein Fontanell von schwarzer ISicsswurz (2 — 3 Linien dicke, 1 Zoll lange, zusammenge­bundene Stückchen), so lange bis gelbliche, seröse Flüssigkeit sich zeigt, (d. i. gewöhnlich nicht länger als 24 Stunden). Die Nachwirkung dauert bis 8 Tage. — Oertlich auf die Augen wendet man bei chro­nisch-catarrhalischcn Entzündungen die graue Mcrkurialsalbe, und je nach dem Charakter mit verschiedenen Zusätzen an. Ist das Uebel noch nicht sehr veraltet, so ist die einfache Salbe hinreichend, täglich 2—3 mal eine Quantität in der Grosse einer Erbse ins Auge gestrichen. Ist die Absonderung übermässig und die Empfindlichkeit vermehrt, so dient diese Salbe mit Zusatz von Bleizucker oder Bleiessig, und bei Licht­scheu Opium (1 Unze Salbe, 20 Tropfen Bleiessig oder 20 Gr. Blei­zucker oder 10 — 20 Gr. Opium). — Ist aber die Erschlaffung sehr gross, die Lichtscheu gering, so setzt man zu dor grauen Salbe den rothen Quecksilber-Präzipitat (1 Scrup. bis % Drachm, feinen rothen Präzipitat zu | Unze Fett), Ausser den örtlichen lind ableitenden Mit-
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Äugenentzundung, rheuiuatische,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 107
telii ist auch Lier magere Diät, ein massig warmer, uichl duusliger Stall, Ruhe und Vermeidung von Nässe und Kälte nölüig.
III. Die rheumatische Augenentzündung. (Ophtalmia rlieumalica.)
Sie entstellt gleich der katarrhalischen durch Erkältung, doch hat sie einen andern Sitz und einen ganz andern, cigenthümlichen pathologischen, gewissennassen einen dyskrasischen Charakter. Sie ergreift hauptsächlich die undurchsichtige Hornhaut, zuweilen aber auch die durchsichtige Hornhaut und selbst die Regenbogen­haut (Sclerotitis, Ceratitis und Iritis). Die Bindehaut ist dabei nicht weseutlich mit ergriffen, doch da sie denselben Ursachen aus­gesetzt ist, so kann auch sie mitleiden, so dass der Zustand dann als eine Verbindung von rheumatischer und katarrhalischer Entzündung erscheint. Wie bei der katarrhalischen Augen-Entzündung, so sind auch häufig andere, katarrhalische und rheumatische Krankheiten hierzu gegen, wie katarrhalisches Fieber, Druse, Bräune, Staupe, Rheumatis­mus, Influenza etc. Bald ist ein Auge, bald sind beide ergrifl'en. Es scheint dies von der einseitig allein oder stärker stattgefundenen Ein­wirkung der Kälte und Nässe abhängig zu sein, ausserdem rührt es auch von der in dem einen oder dem andern Auge mehr ausgebildeten Anlage her, dass ein Auge mehr leidet als das andere. Denn die rheu­matische Äugenentzundung hat die Eigen!hümlichkeit, dass, wo sie schon einmal war, sie eine Anlage zur leichten Wiederentstehung begründet.
Die Symptome dieser Entzündung sind folgende: die Augen sind mehr wie bei der katarrhalischen Augen-Enlzünduug geschlossen, und wenn sie von Zeit zu Zeit geöffnet werden, stürzt eine Menge Thränen hervor, die heiss und scharf salzig sind. Das anhaltende Gesehlossensein deutet auf eine grosse Empfindlichkeit für Licht und Luft. Das Auge ist heiss und schmerzhaft, die Augenlider sind nicht oder doch nur sehr wenig geschwollen, und ihre Bindehaut ist nicht besonders gerö-thet; der Augapfel scheint sich zurückgezogen zu haben; die durclisich-lige Hornhaut ist matt wie angehaucht, zuweilen ins Graue spielend, die undurchsichtige Hornhaut ist ziegeffarbig gerothet und mit feinen dichten Gefässen überzogen, und diese Färbung ist durch die Bin­dehaut durchschimmernd. Die Bindehaut ist, wenn nur einfache rheumati­sche Augen-Entzündung zugegen ist, nicht geschwollen, und nicht auf­fallend reicher an Gefässen als sonst; ist dagegen das Uebel mit katarr­halischer Affection zusammengesetzt, so sind auch ihre Gefässc zweig­artig verlaufend und vollgefüllt zu sehen. Bei heftigen Augenentzün­dungen, wenngleich die Thränen reichlich hervortreten, ist doch das Auge trocken, die Schleimabsonderung vermindert; ist jedoch katarrha­lische Affection zugegen, so ist der Schleim vermehrt. Leidet die Re­genbogenhaut mit, so sieht man die Pupille verenget, und es besteht grosse Lichtscheu, zuweilen auch Trübung der wässerigen Feuchtigkeit. In manchen Fällen linden sich, nachdem die Entzündung 2—4 Tage ge­dauert, an der durchsichtigen Hornhaut kleine Bläschen, die mit gelber und rölhlicher Flüssigkeit gefüllt sind. Rund herum um die Bläschen ist die undurchsichtige Hornhaut aufgelockert und trüb, diese Bläschen eröffnen sich und bilden Gcscliwürchen. Der Zmslaml ist dann gc-
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Augenenlzündung, rheumatische.
wohnlich äusserst schmerzhaft. Aus den Geschvviirchen sickert rölh-liehe, später weisse und citerähnliehe Flüssigkeit. In günstigen Fällen verwachsen sie glalt, oder mit Hinterlassung einer blauweissen, das Se­hen störenden Narbe; zuweilen findet sich üppige Granulation ein und die Heilung erfolgt schwer, ebenfalls mit solcher Narbeubildung.
Die rheumatische Augenentzündung der leichtern Grade ist ohne Fieber, die heftige gewöhnlich mit Fieber und oft anch mit Störung des Appetits begleitet, selbst wenn sie ohne andere Krankheilen besteht. — Sie hat grosse Neigung chronisch zu werden, ist dann hartnäcki­ger als die katarrhalische und dauert bis 4 Wochen, ja Monate lang. Hierbei tritt immer mangelhafte Ernährung des Augapfels ein, und der­selbe verkleinert sich. — Das Sehen ist bei den geringern Graden nicht gestört, besonders im Anfange des Uebels; wenn aber die durchsichtige Hornhaut oder die Iris mitleidet und wenn die Entzündung schon ei­nige Zeit gedauert hat, sehen die Thiere nicht mehr deutlich, sind scheu, und zuweilen tritt nach heftigen Anfallen der graue und schwarze Staar ein.
Die Prognosis ist im Allgemeinen weniger günstig als bei gleich-massig heftigen katarrhalischen Augenenlzündungen zu machen. In den besondern Fällen richtet sie sich thcils nach dem Grade und der Ausbreitung der Entzündung und nach ihrer Dauer, theils danach, ob die Entzündung zum erstenmal oder ob sie schon öfter zugegen, wie da­bei das Thier gepflegt wird und welche Complicationen bestehen.
Frisch entstandene rheumatische Augen-Entzündungen (2 — 3 Tage alte) dauern bei zweckmässiger Behandlung 8 — 14 Tage, wo dann in der Regel Zertheilung erfolgt; ist die Krankheit schon von einiger Dauer, sind schon Bläschen zugegen, war die Krankheit schon mehrmals zu­gegen, und werden die Thiere nicht gehörig gepflegt, so ist sie sehr hartnäckig und ihr Ende nicht leicht zu bestimmen. Iritis kann leicht die oben angedeuteten Folgen haben, und selbst bei Hornhautentzün­dung sind Flecke und Störung des Sehens nicht immer zu vermeiden; auch kehrt eine zum zweiten Male dagewesene Augen-Entzündung leicht zurück. Innere Eiterung und Brand entstehen sehr selten.
Behandlung. Die Thiere müssen vor allem Ändern unter geeignete äussere Verhältnisse gebracht werden; dazu gehören:
Abhaltung^ neuer Gelegcnheitsursachen, Ruhe, massig warme und
trockene Ställe, weiches und massiges Futter, bei Lichtscheu ein dunk­ler Stall, Vermeidung der Zugluft. — Die Therapie muss viel mehr energisch antiphlogistisch sein als bei der katarrhalischen Entzün­dung. Mau macht, je nach der Constitution des Thieres und dem Grade des Uebels einen Aderlass (was bei allen nur eiuigermassen kräftigen Thieren und bei heftigen Entzündungen nöthig ist) und der, wenn nach 2 Tagen keine Besserung eintritt, wiederholt wird. Innerliche Ablei­tungen: purgirende, Urin treibende und diaphoretische Mittel, besonders wenn allgemeine rheumatische oder katarrhalische Zustände zugegen sind. Wichtiger noch sind die äusserlich ableitende Mittel, Fontanelle am Unterkinnbacken, auch Haarseile, scharfe Einreibungen daselbst von Ung. Cantharidum.
Die örtliche Behandlung des kranken Auges selbst geschieht nach alter Erfahrung am zweckmässigsten mit Weglassang der Kälte,
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Augenentzündung, periodische.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 109
doch kann man bei recht beftiger Enlzündung, bei starkem Blutandrang in der ersten Zeit durch 24 Stunden kalte Waschungen von blossem Wasser oder von schleimigen Mitlein anwenden; dies muss aber un­unterbrochen geschehen. 1st das nicht ausführbar, so lässt man diese Behandlung weg, und macht Befeuchtungen des Auges und Augapfels von lauen schleimigen und narkotischen Mitteln, z. 15. von einem De­kokt des Belladonnakrautes oder des Stechapfelkrautes (|jS zu gvüj Co-latur). Sehr zweckmässig ist ausserdem die Anwendung eines Lini­ments aus f Drachme Calomel, i Drachme Bilsenkraut- oder Bella-donnaextract und 1 Unze mildes Oel. Von demselben wird täglich zweimal etwas mit einem Federbart zwischen die Augenlider gestri­chen, so lauge wie die Empfindlichkeit sehr gesteigert ist. Sind Bläs­chen eutstanden, so kann man die grössten mit der Lanzette ütlnen, und dann ein Augenwasser gebrauchen aus Flieder- und Kamilleninfu-sum, oder dasselbe mit Zusatz der Opiumtinktur, oder Opium in Was­ser gelöst (Wasser sect;j, Opium 9j im Mörser abgerieben und filtrirt), lauwarm eingestrichen. Bei den Geschwüren sind dieselben Mittel nütz­lich, ebenso die früher bezeichnete Prücipitatsalbe, oder eine Auflösung des Lapis divinus, oder von Höllenstein; von jedem 1 — 2 Gr. auf de-stillirtes Wasscs sect;j. Mit diesen Mitteln kommt man gewöhnlich aus. die ganz torpiden Geschwüre und die zu üppige Granulation werden mit Höllenstein betupft. — Horuhautileckcu werden behandelt, wie es weiterhin angegeben ist.
raquo;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; IV. Die periodische oder intermittirende, oder spezifische Au-
genentzündung, oder die Mondblindheit. Ophthalmia periodica inler-mittens specifica, Ophthalmia lunatica.
Mit diesen verschiedenen Manien bezeichnet man eine dem Pferde, dem Esel und den Bastarden von beiden eigcnthümliche, im luneru des Augapfels sich entwickelnde, in unregelmässig wiederholten Anfallen autlretende Entzündung, bei welcher die Iris am deullichsten erkenn­bar leidet, aber auch die Gefässhaut, die Linse und ihre Capscl, und selbst der Glaskörper und die Netzhaut mit affizirt sind. Sie führt stets in kurzer Zeit eine Ausschwitzuug von Faserstoll und Einweis­stoff, hierdurch Trübungen und Verwachsungen der inucni Theile und als Folge hiervon Blindlieit herbei, geht aber niemals in Eiterung oder Brand über.
Man kann sie hiernach als eine essudative, unregelmässig intermittirende Iritis und Choroideitis bezeichnen. Bei dem in der neuern Zeit angenommenen Namen; „periodische Augen­entzündungquot;, darf man an regelmässigc Perioden der Wiederkehr nicht denken. Der Name: „M ond bliudheitquot; ist zwar veraltet und auf die unrichtige Vorstellung von dem Einfluss des Mondes auf die Entstehung der Krankheit und auf die Wiederkehr ihrer einzelnen An­fälle gegründet, aber überall gekannt und gebräuchlich *).
') Wie verbreitet die Ansicht über die Mitwirkung des Mondes zur Erzen-* gung der Krankheit war, geht auch aus den Benennungen der letztem in an-
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110nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Aiigenenizunduilg, periodische.
Die periodische Augenentziindung ist wegen der durch sie sehr iiüufig erzeugten Blindhcil, die wichtigste Augenkrankheit der Pferde und sowohl wegen dieser Wirkung wie auch wegen der Schwierigkeit sie zu erkennen (besonders aussei- der Zeit eines Anfalls) und zu hei­len, ist sie in fast allen europäischen Staaten als ein sogenannter Ge­währsfehler in die Handelsgesetze aufgenommen worden 1).
Die Krankheit befällt Pferde von jeder Rage, von jedem Alter und Geschlecht, am häufigsten aber in dem Alter von 2—8 Jahren; sie ist in manchen Pferdestämmcn oder Familien sehr heimisch und in man­chen Gegenden ein weit verbreitetes Uebcl, während sie in andern Ge­genden nur sehr selten vorkommt. Pferde mit dicken schweren Köpfen und mit kleinen, tief liegenden Augen sind ihr mehr unterworfen als andere, doch finden sich auch sehr viele Ausnahmen, und sie ergreift auch solche, welche schön markirtc, trockene Köpfe und grosse Au­gen besitzen. Gewöhnlich wird nur eiu Auge von ihr ergriffen, sehr selten beide zugleich, zuweilen aber abwechselnd das eine und das an­dere. Sie äussert sich durch folgende Erscheinungen:
Das von der Entzündung ergriffene Auge ist zuerst gegen das Licht etwas empfindlicher und wird dcsshalb geschlossen; öffnet man es, so zeigt sich die Pupille verenget, und im Dunklen erweitert sie sich langsamer als am gesunden Auge; die Thränenabsonderung ist ver­mehrt, die Bindehaut etwas geröthet, die Augenlider sind nicht ge­schwollen, die Wärme am ganzen Auge nur unbedeutend vermehrt. Dieser Zustand ist als das erste Stadium zu bezeichnen; dasselbe dauert bald nur einen Tag, bald Z — 3 Tage. Bei jungen Landpferden ist letzteres gewöhnlich der Fall. —#9632; Nach dieser ersten Periode werden die Zufälle stärker, namentlich wird die Lichtscheu und die Verengung der Pupille grosser, die Thränenabsonderung vermehrt, die wässerige Feuchtigkeit erhält eiu blassgrünliches Ansehen, die Pupille häufig eben­so, oder sie erscheint auch blassbläulich; die Regenbogenhaut wird an der vordem Fläche ein wenig uneben, zuweilen wie mit Sammet be­deckt und bald mehr, bald weniger grünlich gefärbt. Als hauptsäch­lichste Erscheinuns; tritt aber die Bildung; von kleinen gelblichen Punk-ten von ausgeschwitztem Faserstoff in der wässerigen Feuchtigkeit hinzu. Bei der weiteren Ausbildung der Krankheit wird dieses Exsu­dat gewöhnlich so vermehrt, dass es in der wässerigen Feuchtigkeit gelbliche Flocken bildet, die sich beim ruhigen Halten des Kopfes an die niedrigste Stelle der vordem Augenkammer, d. i. hinter dem un­tern Rande der durchsichtigen Hornhaut ablagern, beim Schütteln des Kopfes aber in die Höhe steigen und in der Flüssigkeit schwimmen 2).
dem Sprachen hervor, z. B. im Franz. Fluxion lunatique, Ophthalmie lunatique, im Engt. Moon-blindness u. s. w. Dass aber die Krankheit nicht vom Monde abhängig ist, ergiebt sich daraus: 1) dass ein Thier in der Regel nicht gerade in 4 Wochen und bei derselben Mondphase die neuen Anfälle der Krankheit erleidet; und 2) dass nicht alte mit ihr behafteten Pferde gleichzeitig, sondern bei sehr verschiedenen Mondphasen die Anfälle bekommen.
l) Die Gewährszeit für die Mondblindheit ist in Preussen auf 28 Tage, in 'Sachsen desgleichen, in Ofsterreich und Frankreich auf 30 Tage festgestellt.
*) Durch diese Beweglichkeit des Exsudates unterscheidet sieh dasselbe
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Augenentzündunj*, periodische.
Ill
Die gelblichen Flocken erscheinen zuweilen in der Menge, dass sie sich bis über die Pupille in die Höbe anbäufen und dadurch das Eindringen der Lichtstrahlen und das Seilen hindern, — insofern letzteres nicht schon durch die Verschliessung der Pupille gehindert ist; in anderen Fällen ist jedoch ihre Menge so gering, dass sie nur am untern Rande der durchsichtigen Hornhaut einen halbraondförniigen schmalen Streifen bildet; und zuweilen setzen sich einzelne Flocken in die Pupille und bleiben daselbst während der Dauer der Krankheil sichtbar. Die Pu­pille verenget sich häufig bis zu dem Grade, dass die Thiere nicht mehr sehen können. Diese Merkmale sind die wesentlichen der Krankheit. Mit ihnen treten Symptome einer Entzündung der Conjunctiva in ver­schiedenem Grade, und bald vom Anfange her, bald erst im weiteren Yerlaufe, ein; dieselben sind aber durchaus nicht constant. Ausscrdem wird auch die durchsichtige Hornhaut fast immer etwas trüb, jedoch ebenfalls in den einzelnen Fällen nicht gleichraässig; und zuweilen er­hält sie einen bläulich-grünlichen Schimmer und ein fettiges Ansehen. Endlich findet sich auch noch in manchen Fällen ein schmaler, bläu­licher Streif um die durclisichtige Hornhaut, jedoch ebenfalls ohne Gleichartigkeit in den einzcluen Fällen. Die Krankheit ist in der Re­gel ohne Fieber und nur bei den höheren Graden ihrer Ausbildung, namentlich in sehr reizbaren jungen Pferden, besteht in manchen Fäl­len eine fieberhafte Aufregung im Pulse, Traurigkeit und Appetitlo­sigkeit.
Die beschriebenen Zufälle bezeichnen das zweite Stadium und die Höhe der Krankheit Sie bestehen etwa 4—8 Tage und mindern sich dann allmälig wieder, bis sie nach etwa abermals 8 Tagen gänzlich oder nur bis auf geringe Spuren verschwunden sind. Zuerst nimmt die Menge der gelblichen Flocken mehr und mehr ab, die durchsichtige Hornhaut wird klarer, die Empfindlichkeit gegen das Licht und die reichliche Thränenabsondenmg mindern sich immer mehr, und die Pu­pille erweitert sich. Bestand die Krankheit nur in einem geringen Grade und war sie zum ersten Male zugegen, so erscheint das Auge gewöhnlich nach circa 3 Wochen dem nicht Sachverständigen als völ­lig gesund, aber für den Kenner bleibt gewöhnlich doch in der nicht völlig zur normalen Grosse crweilertcn Pupille und in einem noch fortbestehenden schwach-grünlichen Schimmer im Innern des Auges ein Merkmal, aus welchem er mit ziemlicher Sicherheit auf die vor Kurzem bestandene Krankheit schliessen kann. Hat aber die Krankheit einen hohen Grad erreicht oder war sie schon in mehreren Anfällen zugegen gewesen, so ist auch nach dem Verschwinden des Entzün-duugsanfalles die Pupille stets etwas kleiner als im gesunden Auge, und zuweilen erscheint sie auch an einer oder der andern Stelle etwas win­kelig verzogen, der erwähnte grünliche Schimmer tritt deutlicher her­vor, der Augapfel erseheint etwas verkleinert und das obere Augenlid erhält auf seiner Oberfläche eine Falte, welche in der Mitte einen stum­pfen Winkel bildet.
Von dem Eiter, mit welchem es hinsichtlich der Färbung und Coilsisfenz einig Aehnlichkeit zeigt.
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112nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Entzündung, periodische.
Zwischeu den emeluen Anfälleu der Eatzündung vergehen bei deu meisten Pferden, selbst hei ein und demselben Pferde, sehr verschiedene Zeiträume. Man hat iu eitizelaen Fällen beobachtet, dass der zweite Anfall erfolgte, während die Spuren des vorhergehenden Anfalles noch nicht gänzlich verschwunden waren; in anderen Fällen fand sich ein neuer Anfall in 3 — 4 Wochen, in deu meisten Fällen nach 6—8 Wo chen, uud in noch anderen Fällen erst nach 2, 3 — 9 Monaten. Zu­weilen wechseln die Anfälle zwischeu beiden Augen. In der Regel wiederholen sich dieselben so lange, bis das Sehvermögen durch grauen, schwarzen oder grünen Slaar vernichtet ist, worauf daun gewöhnlich die Entzündung nicht mehr wiederkehrt; doch giebt es hiervon in bei­derlei Hinsicht Ausnahmen, indem zuweilen die Entzündung auch an noch nicht erblindeten Augen ausbleibt und iu andern Fällen dagegen noch ein- oder zweimal wiederkehrt, nachdem bereits Staar entstanden ist. Doch sind solche Fälle im Ganzen nur selten. — Die Staarbil-dung erfolgt bald früher, bald später, je nachdem die einzelnen Anfälle mehr oder minder heftig sind, und schneller oder langsamer sich wie­derholen.
Bei recht heftiger Entzündung bilden sich zuweilen schon während des ersten Aufalls einzelne Staarpunkte. bei massigen Entzündungen finden sich dieselben gewöhnlich erst in dem fünften, sechsten Anfalle und zuweilen erst nach mehr als 12 Anfällen. In den meisten Fällen entsteht grauer Staar allein, oft jedoch auch in Verbindung mit schwar­zem Staar, sehr selten entwickelt sich nur der letztere oder auch der grüne Staar. Sehr häufig bleibt auch nach dem Erblinden auf die eine oder die andere Weise die Pupille verengt, wahrscheinlich deshalb, weil die hintere Fläche der Regenbogenhaut (die Traubenhaut) wäh­rend eines Entzüudungsanfalles mit der Linsenkapsel verwachsen ist.
Die Diagnosis der periodischen Augenentzündung ist aus den angegebenen Symptomen in den allermeisten Fällen mit Sicherheit zu machen, namentlich aus der constanten Verengerung der Pupille, der grünlichen Färbung der wässerigen Feuchtigkeit und aus den gelblichen Flocken in der vordem Augenkammer, da sich diese Erscheinungen bei keiner andern Augenkrankheit in diesem Zusammenhange vorGnden. Manche Thierärzte 1) halten es jedoch in gerichtlichen Fällen zur Con-statirnug des Leidens für nothwendig, noch einen zweiten Anfall der Krankheit abzuwarten, weil die rheumatische Augenentzündung, beson­ders wenn dieselbe als symptomatisches Leiden oder als Folgekrankheit der sogenannten Influenza auftritt, zuweilen eine grosse Aehnlicbkeit mit der periodischen Augenentzündung zeigt, und wo bei fortgesetzter Beobachtung doch weitere Anfalle nicht, stattfinden. Diese Vorsicht ist jedoch, wegen dei1 langen Zwischenräume oft kaum ausführbar, ausser-dem aber bei genauer Beachtung der angedeuteten wesentlichen Zufalle und der übrigen Verhältnisse auch nicht erforderlich; denn bei der rheumatischen Iritis besteht niemals der grüue Schimmer im Auge, und
#9632;) Z. B. Bouley jeune (Bullet, de la Soc, voter, de Paris, Recueil vét. 1845 p. 701.)
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Augencntzündunjr, periodische.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1IJ5
die Symptome der Influeuza oder eines gastrisch-rheumatischen Leidens sind dagegen vorhanden.
Die Ursachen der periodischen Augenentzündung sind nicht in allen Fällen mit Bestimmllicit nachzuweisen, doch steht Folgendes er-fahrungsmässig fest: die Krankheit kommt in niedrigen feuchten Gegen­den, ferner bei schwerem Futter von Körnern und Hülsenfrüchten, in nassen Jahren und bei lange herrschenden rauhen Winden weit häu­figer vor, als unter entgegengesetzten Verhältnissen. Man kann daher annehmen, dass Erkältung und rohe, lymphatische Plasticität des Blu­tes eine grosse Mitwirkung zur Erzeugung der Krankheit haben. Be­sonders nachtheilig hat sich zu reichliche Körncruahrung bei solchen jungen Pferden gezeigt, welche vorher durch längere Zeit nur mageres Futter erhalten hatten. Da die Krankheit während der ersten Lebens­jahre und bis zum 6. Jahre am häufigsten entsteht, so hat man auch der Backenzahnbildnug und dem Zahnwechsel, namentlich dem damit verbundenen reichlichen Blutandrange zum Kopfe, einen wesentlichen Theil an dem Entstehen der Krankheit zugeschrieben und besonders hat Dupuy 1) hierzu den Grund darin finden wollen, dass die Wur­zel der Backenzähne des Oberkiefers um das vierte Jahr sich verlän­gert, dabei gegen den Nervus maxillaris drückt und ihn erst allmälig zur Seite drängt; bis letzteres geschebeii ist, wird der Nerv gereizt und in Folge dessen soll die Iritis entstehen. Bei Ra^epferrfen soll der ge­nannte Nerv sich von Natur vor und nicht über dem Backenzahn be­finden, und in Folge dessen seine Reizung und daher auch die Augen­entzündung nicht stattfinden. Dies alles ist nicht erwiesen und es würde daraus auch nicht zu erklären sein, warum in manchen Gegen­den die Krankheit bei Pferden von den verschiedensten Ragen fast gar nicht, in anderen dagegen so äusserst zahlreich vorkommt, dass man sie fast als enzoolisch herrschend betrachten kann. Die Versuche, die hierüber mit Pferden von einerlei Raye des Gestüts zu Pompadour ge­macht worden sind, haben auf das Bestimmteste erwiesen, dass die Einflüsse der Lokalitäten dabei von grösster Wirksamkeit sind 2).
Eine sehr wichtige Ursache ist noch die von den Eltern, welche mit dieser Krankheit behaftet sind, auf die Nachkommen übertragene Disposition zu derselben. Diese Ursache wird von manchen Pferde­züchtern geläugnet, aber wohl nur in ihrem Interesse, da die Erfahrung durch die in manchen Familien (z. B. in den Nachkommen des Heng­stes Turkmainatti) durch viele Generationen fortbestehende Krankheit, selbst quot;bei dem Aufenthalte in sehr verschiedenen Gegenden und bei der regelmässigsten Pflege, den Beweis für die Existenz der Vererbung geliefert hat 2).
Die Prognosis ist in der Regel ungünstig zu machen, da die Krankheit bis jetzt durch keine Methode sicher geheilt werden kann,
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') De la fluxion vulgairement appelée periodique etc. Toulouse 1829. 2) Recueil de méd. vctér. 1. Annee p. 247. s) Man sollte desshalb alle mit der Krankheit behafteten oder an ihr erblin­deten Pferde von der Zucht gänzlich aueschliessen.
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114nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Augencntzündung, periodische.
und sich selbst überlassen, wie schon oben angefiilirt, in den meisten Fällen das Erblinden der mit ihr beliaftelen Thiere zur Folge hat. Hiervon fiudeu sich zwar einzelne Ausnahmen, wo die Krankheit nach einem oder selbst nach einigen Anfällen nicht wieder erscheint, und das Auge erhalten wird; allein dies ist aus bestimmten Symptomen nicht zu erkennen, sondern nur zu vermuthen, wenn 1) die Pferde be­reits über das jugendliche Alter hinaus sind; 2) wenn die Anfälle der Entzündung nur in geringem Grade und nach grosseren Zwischenzei­ten eingetreten sind; und 3) wenn die Thiere aus einer niedrigen, feuchten Gegend in eine höher liegende und trockene versetzt und wäh­rend wenigstens eines halben Jahres gegen übermässige Anstrengungen, Erhitzungen und Erkältungen geschützt und recht, mager ernährt wer­den können.
Die Kur muss bei einem Anfall dieser Entzündung zunächst in der Anwendung der anliphlogistisehen und ableitenden Methode beste­llen. Man giebt den Thieren eine Purganz aus Calomel und Natrum sulphuricmn bis zum Eintritt einer kräftigen Wirkung, und wiederholt dieselbe nach 3—6Tageii. Gut genährten,vollblüligen Pferden macht man einen reichlichen Adcrlass i). Aeusserlich wendet man in der ersten Zeit kalte Infusionen von Belladonna- oder Bilsenkraut mit Zusatz von Kali carbonicum (von letzterem sect;/? zu 1 Pfd. Colalur) an, und nach etwa 3 Tagen, wenn das zweite Stadium eingetreten ist, streicht man täglich 2—3 Mal ein Liniment, bestehend aus Calomel und Extr. Bel-ladonnae äa 5ß und 01. Raparum oder Olivarum sect;j, gut umgeschüt­telt, mittelst eines Federbartes zwischen die Augenlider. Auf die Backe unter das leidende Auge reibt man Ungt. Cantharidum, oder man applizirt daselbst ein Setaceum, oder ein Fontanell. In mehre­ren Fällen habe ich Ungt. Cantharidum, in einem 3 Finger breiten Streifen um die Augenlider und ausserdem in der Schläfengegend an­gewendet, und ganz vorzüglichen Erfolg davon gesehen.
Französische Thierärzte haben die Anwendung des Glüheisens in Punkten oder Strichen um die Augcnlieder, — Lafosse und Chabert. die Ausleerung der wässerigen Feuchtigkeit vermittelst des Hornhaul-stichs u. a. Mittel empfohlen und in neuerer Zeit hat man nach der Idee, dass die Krankheit eine intermittirende sei, dieselbe durch Chinin und Chinarinde innerlich gereicht, heilen wollen. Alle diese Mittel ha­ben sich aber nicht bewährt.
In jedem Falle ist während der Kur recht magere Diät, ruhiges Verhalten des Thieres und ein dunkler, massig warmer, von Zugluft und scharfen Dünsten freier Stall erforderlich.
Um Recidive zu verhüten, beobachtet man das oben bei der Pro­gnosis angegebene diätetische Verhalten der Pferde und versetzt diesel­ben, besonders Füllen, in höher liegende, trockene Gegenden. Ausser­dem kann man den Thieren von Zeit zu Zeit (etwa alle 6 Wochen einmal) eine Purganz geben und die Augen mit einem Infusum von
l) Englische Thierärzte haben den Aderlass an der Art. temporal, empfoh­len, derselbe leistet aber, wie dies Versuche gezeigt haben', um nichts mehr als der aus der Urosselvene.
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Augenentzüiulung, von Würmern im Auge.
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Baldrian oder einem andern gelind aromatischen Mittel täglich 2 Mal befeuchten.
V. Augenentziindung von Würmern im Auge.
Man hat bei Pferden und bei Rindvieh nicht selten einen Fadcn-wurm (Filaria papilosa Rudolphi) in den Augenkammcrn bei einer gleichzeitig bestellenden Entzündung des Augapfels beobachtet und diesen Wurm dann für die Ursache der Entzündung gehalten. Diese Entzündun­gen bestehen gewöhnlich nur in einem gelinden Grade und sprechen sich durch eine schwache Trübung der Hornhaut und der wässerigen Feuch-tigseit, so wie durch massig vermehrte Rötlumg der Conjunctiva aus, die Wärme im Augapfel ist wenig vermehrt und das Sehen nur in so­weit gestört, wie die Trübung der Hornhaut dies veranlasst. Die Ent­zündung ist von Zeit zu Zeit abwechselnd etwas stärker und dann wieder schwächer zugegen, oder verschwindet wohl auch für einige Zeit gänzlich. Sowohl während der Entzündung, wie auch zu anderen Zeiten sieht man den genannten Wurm von der Dicke eines Zwirn­fadens, weiss und gegen lj Zoll lang in der wässerigen Feuchtig­keit herumschwiimnen, wobei er sich bald der Hornhaut, bald der Pupille nähert und sich auch wohl gänzlich in der hintern Augenkam­mer verliert.
Die Ursachen der Erzeugung der genannten Würmer in den Au­gen der Thiere sind bis jetzt eben so dunkel, wie die Erzeugung der Würmer überhaupt. Die Thiere, welche bis jetzt Gegenstand solcher Beobachtungen waren, zeigten sich in jeder andern Hinsicht als yöllig gesund.
Der Verlauf der im Vorstehenden bezeichneten Augenentzündung ist sehr unregelmässig und die Ausgänge derselben sind unbestimmt. In den meisten Fällen bleiben die Thiere durch lange Zeit mit dem Ue-bel nur in einem gelinden Grade behaftet und dabei zu jeder Arbeit brauchbar; in einzelnen Fällen wird aber bald früher bald später durch Trübung der Hornhaut oder auch durch grauen Staar das Sehen ge­stört; in noch andern Fällen verschwand mit der Zeit der Wurm aus dem Auge, und das letztere wurde fernerhin nicht mehr gestört.
Die Behandlung muss auf Beseitigung des Wurms gerichtet sein und kann nur in einer durch eine Operation bewirkten Entfernung des­selben bestehen. Will und Andere haben zu diesem Zwecke die mit dem Uebel behafteten Pferde niedergelegt, den Hornhautschnitt, wie zur Staarextraction, gemacht und den Wurm durch die Oeffnung mittelst einer feinen Pinzette herausgeholt. Soll dies Unternehmen geschehen, so muss man hierzu eine solche Zeit wählen, in welcher der Wurm sich in der vordem Augenkammer in der Nähe der durchsichtigen Hornhaut zeigt; und die Operation selbst muss mit Schnelligkeit ausge­führt werden, weil der Wurm, wenn derselbe die Einwirkung der at­mosphärischen Luft fühlt, sich sogleich tiefer ins Auge zurückzieht und dann schwer oder gar nicht zu ergreifen ist. Nach der Operation muss das Thier möglichst ruhig gehalten und streng entzündungswidrig, sowohl allgemein wie örtlich, behandelt werden, ganz so, wie dies bei den traumatischen Augeneutziiuduugeu angegeben ist.
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116nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Augrenentzündungen von Pocken.
VI. Augenentz'ündung bei der Pockenkrankheit der Schaafe.
Bei der Pockenkrankheit der Schaafe wird auch die Bindehaut zu­weilen mit einer Pocke besetzt und dadurch das Auge symptomatisch entzündet. Diese Pocken im Auge entstehen ganz so wie die an der übrigen Haut, zuerst als kleine, rothe Knöthchen, welche allmälig gros­ser und dunkler gerölhet werden und mit 8 Tagen ihre vollständige Entwickelung erreichen. Sie bilden einen stumpfen Kegel von der Grosse einer Linse bis zu der einer grossen Erbse, die Bindehaut ist um sie herum bedeutend aufgelockert, und mit vielen stark injicirten Gefassen versehen, die Thränen- und Schleimabsonderung ist vermehrt und die Thicre zeigen bei der Berührung desquot; Auges grosse Empfind­lichkeit. I\lit 8 —10 Tagen bildet sich an der Spilze eine weisse mit durchsichtiger Lymphe gefüllte Stelle, welche bald früher bald später beistet und ein kleines Geschwürchen darstellt, auf dem sich ein gelb­licher oder bräunlicher Schorf bildet. Ist die Pocke der durchsichtigen Hornhaut nahe, so erscheint diese schon vom Anfang her trüb und un­durchsichtig und das Sehen ist dadurch gestört.
Die Diagnosis ist in der Regel sehr leicht, indem theils die Be-schafTeoheit des Auges selbst, theils die an den andern Theilen des Körpers befindlichen Pocken, das allgemeine fieberhafte Kranksein der Thiere und der Verlauf der ganzen Krankheit das Leiden deutlich cha-rakterisiren.
Der Verlauf der Augenentzündung ist mit dem Verlaufe der Pok-kenkrankheit ziemlich übereinstimmend auf circa 3 Wochen ausgedehnt.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,
Die Heilung der Entzündung erfolgt grösstentheils von selbst, allein es bleiben von der Pocke an der betrefieuden Stelle gewöhnlich undurch­sichtige Flecke und selbst Narben zurück, die sich schwer beseitigen lassen
Die Kur ist in der ersten Zeit darauf gerichtet, die Entwickelung der Pocke im Auge möglichst zu beschränken. Zu diesem Zwecke kann man iu das Pockenknöthchen mit einer Lanzette einen kleinen Ein­schnitt machen und denselben mit einem zugespitzten Stückchen Höl­lenstein bestreichen, hiernach aber schleimige Augenwässer, z. B. Quit­tenschleim u. dgl. lleissig anwenden. Auch ein Augenwasser von ßlci-zucker mit Zusatz von Opium hat gute Dienste geleistet. Auch die schon reife Pocke scariiizirt man und behandelt sie auf gleiche Weise. 1st bereits ein Geschwür gebildet, so benutzt man Augenwasser von Augenstein mit Opiumtinktur und gegen die Verdunkelung und Narben wendet man am besten die graue Merkurialsalbe an,
VII. Flecke und Verdunkelung der durchsichtigen Hornhaut.
Sowohl in dem Gewebe der durchsichtigen Hornhaut, wie auch in dem an ihrer Oberfläche liegenden Bindehautblältchen entstehen bei Entzündungen und Verletzungen sehr häufig Ergiessungcn und Aus-schwitzungen von gerinnbarem Faserstoff. Durch diese Ausschwitzungen wird die Durchsichtigkeit der Hornhaut vermindert oder ganz aufgeho­ben, je nachdem die ausgeschwitzte Masse nur kleine Stellen oder die ganze Hornhaut bedeckt, und je nachdem die Masse selbst nur ganz
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Flecke und Verdunkelung der durchsichtigen Hornhaut.
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dünn, in einzelnen kleineu Pünktchen zerstreut, oder entgegengesetzt dick und zusammcnliüngcnd ist. Man pflegt, begränzte trüb gewordene Stellen der Hornhaut mit dem Namen Hornhautflecke (maculae corneae), und die ganz trüb gewordene llornhaut als Verdunkelung derselben (obtusio corneae) zu bezeichnen, Ausserdem bezeichnet mau auch noch die Flecke nach ihrer Farbe und Dichtheit 1) als Nebel­flecke oder Wölkchen (nebula oder nubecula), wenn der Fleck matt, grau und zum Theil noch durchsichtig erscheint; 2) als Milch-fleck (m. laclea), wenn derselbe ein blass-bläuliches Ansehen besitzt; 3) als Krcidefleck (Albugo, m. cretacea), wenn er maltweiss er­scheint und 4) als Perlmutterfleck (m. margaritacea, Leucoma), wenn er gelbweiss und glänzend ist 1).
Die verschiedenen Flecke sind an ihrer Farbe und durch ih­ren Sitz an der Oberfläche der Hornhaut, letzteres bei seitlicher Be­trachtung des Auges, deutlich zu erkennnen. Ihre Form, ihre Grosse und ihr Sitz sind in den einzelnen Fällen verschieden und nach dieser Verschiedenheit ist auch das Sehen des Thieres bald mehr bald weni­ger gestört. Kleine Flecke, und namentlich solche, welche gegen den Rand der Hornhaut zu sitzen, bringen nur unbedeutende Störungen im Sehen hervor, während grössere und solche, die in der Mitte der Hornhaut, der Pupille gegenüber sitzen, weit grössere Störungen im Sehen veranlassen. Völlige Verdunkelung der Hornhaut macht das be-trellende Auge grösstentheils oder ganz blind, je nach der Dichtheit der Ausschwitzung. Demi Nebelflecke gestatten auch selbst, wenn sie ei­nen grossen Umfang haben, immer noch das Durchgehen einzelner Licht­strahlen und somit auch in einem gewissen Grade das Sehen, während bei den übrigen genannten Arten der Flecke dasselbe unmöglich ist. In manchen Fällen findet man bei den Hornhautflecken und Verdunkelun­gen auch Symptome der Entzündung sowohl in dein verdunkelten Theile der llornhaut selbst, oder auch in der Conjunctiva und Sclero-tica. Diese Entzündung ist entweder eine acute, und dann ist die Ver­dunkelung der Hornhaut gewöhnlich die unmittelbare Folge dieser Ent­zündung, oder sie ist eine chronische und steht dann gewöhnlich mit der Verdunkelung nicht in dem eben bezeichneten Verhältuiss.
Mit den Hornhautentzündungen haben die von Wunden oder Ge­schwüren zurückgebliebenen Narben der Hornhaut eine grosse Aehnlichkeit, indem die letzteren ebenfalls weiss oder bläulichweiss ge­färbt und undurchsichtig sind; sie unterscheiden sich aber vonden blos­sen Flecken dadurch, dass sie zugleich vertieft und uneben sind.
Die Beurtheilung der Flecken und Verdunkelungen der Hornhaut ist in einer zweifachen Richtung zu machen, nämlich: a) nach ihrer Bedeutung für das Seheorgau und 6) hinsichtlich ihrer Heilbarkeit. In ersterer Hinsicht gilt das im Vorstehenden über' die bei den verschiedenen Flecken noch vorhaudeiic Möglichkeit des Durchgehens der Lichtstrah-
') Ausser diesen, mehr oder weniger weissen Flecken habe ich mehrmals dunkelbraune und schwarze Flecke auf der Hornhaut, ganz ähnlich dem schwar­zen Pigment in der Bindehaut der Scleroticu beobachtet. Dieselben waren stets durch Verletzungen entstanden und unheilbar.
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USnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Flecke und Verdunkelung der durchsichtigen Hornhaut.
len durch die thciiweise oder gänzlich verdunkelte Hornhaut bereits Angegebene. Jn Beziehung auf die Heilbarkeit lehrt die Erfahrung 1) dass alle frisch enlstandcnen graue und milchweisse Flecke leicht und vollständig zu beseitigen sind, wenn sie einer zweckmässigen Be­handlung unterworfen werden; 2) dass dagegen veraltete Hornhaut-flecke und Narben immer schwer zu entfernen sind; 3) dass kreide-weisse Flecke stets hartnäckig, die perlnuillerfarbigen Flecke aber in der Regel unheilbar sind, und 4) dass solche Flecke und Narben, wel­che früher mit Bleimilteln behandelt worden sind, stets weit hartnäcki­ger sind, als ähnliche Flecke, welche mit diesen Mitteln nicht behandelt worden sind.
Die Kur der Hornhautflecke und Verdunkel iingen bezweckt die Auflösung der ausgeschwilzten gerinnbaren Stoffe und die Enlferniing|dersclben durch verstärkte Resorption. — Die erstcre Aufgabe ist gewöhnlich bei frisch entstandenen Verdunkelungen nicht nöthig zu erfüllen, weil bei solchen Verdunkelungen der ausgeschwitzte Faserstoff noch flüssig und weich ist. Die Behandlung ist hiernach verschieden bei den frischen und bei den veralteten Hornhaulflecken. Bei den erstcren reicht, sehr häu­fig die entzündungswidrige Behandlung, so lange eben noch Entzündung besteht, vollkommen aus, doch müssen Bleirnitlel gänzlich vermieden werden. Nachdem die Entzündung beseitigt Ist, wählt man zur Beför­derung der Resorption die Ileilmilfel nach dem Grade der im Auge be­stehenden Empfindlichkeit aus. Ist dieselbe in einem etwas erhöhten Grade zugegen, so dient eine Auflösung von Opium in Wasser (gr. x. auf ^Dj 0('et' e'ne schwache Calomclsalbe (9j föin pulverisirtes Calo­mel zu | sect; Schweinefett), am besten; ist aber die Empfindlichkeit nicht über den normalen Grad erhöht, so kann man irgend ein aromatisches Infusum, für sich allein oder mit Zusatz von etwas Kali earbonicum (Gr. x. auf gj), oder eine Aullösung von Rochsalz in gleicher Stärke, oder die graue Quecksilbersalbe mit Opium anwenden.
Gegen de veralteten Verdunkelungen benutzt, man zur Auflösung des ergossenen Faserstoffs cine Solution von Kali earbonicum, oder Natrum earbonicum, oder Kali causlicum, oder auch das Jodkali. Von letzterem nimmt man ^—j Gran auf die Unze Wasser, von dem Kali causticum f—-1 Gran, und von den erstcren beiden Salzen 10 —15 Gran auf eine Unze Wasser, und befeuchtet mit diesen Mitteln das leidende Auge täglich 3—4 Mal. Dieselben Mittel sind auch in Sal-benforra, und zwar die angegebenen Quanliläten zu einer Drachme Fett gerechnet, zu benutzen. Ebenso die graue Quecksilbersalbe, oder eine Verbindung derselben mit Opium oder mit rolhem Quecksilber­oxyd (Gr. x. zu %ß), oder auch mit Kampher in demselben Verbält-niss. Ausser diesen Mitteln sind theils zur Auflösung, theils zur Beför­derung der Resorption noch verschiedene Fette und fette Ocle empfoh­len, wie namentlich das Nussöl, das Quappen - und Aaalfctt, Fisch-Ihran u, dgl. Ehedem benutzte man auch verschiedene Arzneimittel in Pulverform, vermittelst des Einblasens in das Auge, z. B. feingeriebenea Zucker, Zinkvitriol, Calomel, selbst feingeriebenes Glas; diese Mittel sind jedoch schwer zu appliziren und durch die zuerst genannten ent­behrlich. Wenn Hornhauiriecke sich hartnäckig zeigen, ist es stets zweckmässig, mit den gegen sie angewendeten Arzneimitteln zu wech-
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Das Staphylom.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;119
sela, weil, wie es scheint, die Empfindlichkeit der resorbirendcn Gefasse bei der durch längere Zeit fortgesetzten Anwendung eines Mittels für dasselbe gleichsam abgestainpft wird und letzteres dann seine Wir­kung verliert.
Neben dieser örtlichen Behandlung ist eine von Zeit zu Zeit wie­derholt gegebene Purganz, dabei recbt magere Diät und massige Be­wegung in freier Luft zur Unterstützung der Kur sehr fürderlicb.
VIII. Das Staphylom oder die kegelförmige Ycrdickung der
Hornhaut.
In Folge von schleichenden, chronischen Augenentzündungen wird zuweilen die Substanz der Hornhaut verdichtet und so verdickt, dass dieselbe in der Mitte ihrer vordem Fläche in Form eines stum­pfen Kegels hervortritt. Dieser Zustand ist durch Besehen und Befühlen leicht erkennbar, und ausserdem äussert sich derselbe auch noch in der Regel durch völliges Blindsein des belrellenden Auges, da die Hornhaut ihre Durchsichtigkeit völlig verloren hat. Während der Entwickelung dieses abnormen Bildungszustandes findet man an der Bindehaut und zum Theil au der Horuhaut selbst eine Gefässinjectioa und am Auge etwas vermehrte VVärme^,,,
Die lieurthcilung des Staphyloms ist in der Regel ganz ungünstig, weil nach bisheriger Erfahrung die Verdickuug der Hornhaut weder durch therapeutische, noch durch chirurgische Mittel zu beseitigen und auch ihre Durchsichtigkeit nur sehr wenig zu verbessern ist.
Die Behandlung ist sehr beschränkt. In der ersten Zeit, d. h. wäh­rend der Entwickeluug des Staphyloms, kann mau durch eine antiphlo-gistische Behandlung des Auges, durch ableitende Mittel und eine recht magere Diät die Ausbildung des Uebels zu einem hohem Grade ver­hindern. Bei dem vollständig ausgebildeten Staphylom kann man nur versuchen durch täglich 2 Mal wiederholte Anwendung der graueu Merkurialsalbe, oder einer aus 2 Gran Jodkali und einer halben Unze Fett bestehenden Salbe die Resorption möglichst zu bethätigen, oder auch die kegelförmige Spitze dadurch wegzuschafl'eu, dass man dieselbe vor­sichtig mit verdünnter Schwefelsäure bestreicht, hierdurch die äussere Schicht der Hornhaut auflöst und nach etwa 10 Minuten die aufgelöste Schicht mit einem stumpfen Messer abschabt. Dies Verfahren kann in der Zwischenzeit von einigen Tagen 3—4 Mal wiederholt werden. Wenn dasselbe auch ganz gut gelingt, so bleibt doch die Hornhaut völlig undurchsichtig und das Sehen an dem betretfeudeu Auge wird dadurch nicht verbessert.
IX. Das Augenfell, Fannns und Fterygium.
Es erzeugt sich zuweilen, im Ganzen aber äusserst selten, von der Bindehaut der Sclerotica ausgehend, eine hautäimliche Substanz auf der durchsichtigen Hornhaut. Ein solches Häutchen wird im Allge­meinen als Augenfeil bezeichnet, und wenn es die Form eines läng­lichen Dreiecks hat, dessen Spitze gegen den Rand der Hornhaut ge­richtet ist, helst es ein Flügelfell, Pterygium. Das sogenannte
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Das Augenfell, Panmis nnd Pterygium,
Fell hat entweder eine weissliclic, oder eine fleiscliiibnlielie, rofhliehe Farbe; im ersteren Falle nennt man es Feltfell und im letztern Falle Fleiscbfell. Das Fleisclifell ist immer viel gcfässieicher als das Fettfell. Beide Varietäten sind ausserdem in den einzelnen Fällen von -verschie­dener Grosse, von verschiedener Dicke und bald auf der Hornhaut ganz unbeweglich oder ein wenig verschiebbar. Die Bindehaut erscheint bei den Augenfcllen in der Regel aufgelockert und dunkler geröthet als m normalen Zustande, und das Sehen ist, je nachdem das Fell mehr oder weniger gegen die Mitte der Hornhaut zu sich erstreckt, auch bald mehr, bald weniger gestört.
Die Ursachen der Augenfelle bestehen in schleichenden Entzündun­gen der Bindehaut, besonders wenn fremde Körper in der letztem fest­sitzen und die Reizung beständig unterhalten. Zuweilen ist auch eine Verwundung der Bindehaut und der Hornhaut die Veranlassung.
Die [Prognosisl ist in Betreff der gründlicben Heilung eines Augen­fells stets zweifelhaft auszusprechen; denn an und für sich ist die Beseitigung desselben schwierig, und wenn sie auch gelingt, so bleibt doch zuweilen an der Stelle des Fells eine Trübung der Hornhaut zu­rück. Sich selbst überlassen, wachsen die Augenlelle zuweilen immer weiter vorwärts und stören dadurch mit der Zeit das Sehen immer mehr.
Die Behandlung des Augenfells hat die Aufgabe, dasselbe ent­weder nur zum Absterben zu bringen und dadurch sein weiteres Wach­sen zu verhindern, oder auch dasselbe gründlich wegzuschaffen. Die erstere Aufgabe kann man erfüllen, wenn man die Bindehaut an der Gränze der durchsichtigen Hornhaut an derjenigen Stelle, welche mit dem Fell auf der durchsichtigen Hornhaut zusammenhängt, entweder mit einer feinen Nadel umsticht und mit einem Seidenfaden abbindet, oder indem man sie an dieser Stelle 2 — 3 Mal wiederholt mit Höllenstein ätzt, oder auch eine mittelst einer Pinzette gebildete Falle aus ihr her­ausschneidet. Zn diesen Operationen müssen die Thiere niedergelegt, gut gebremst oder betäubt und die Augenlider müssen mit den Augen­lidhaltern zurückgezogen werden. Hierauf ergreift man für den ersten und dritten Zweck die Bindehaut an der bezeichneten Stelle und hebt sie, soweit es geht, in einer Falte in die Höhe, worauf man diese Falte entweder, wie bereits angedeutet, an ihrer Basis mit einer Nadel in der Richtung des Hornbautrandes durchsticht und dann die Enden des Fadens in eine Schlinge bringt und dieselbe fest zusammenzieht, so dass die Ernährung des Felles von der Hornhaut dadurch unmöglich gemacht wird; — oder man schneidet die Falte an der Basis in der­selben Richtung ab. Das Abschneiden ist mit weniger dauernder Rei­zung verbunden und verdient desshalb den Vorzug vor dem Unterbin­den. Das Aetzen gewährt verhält nissmässig die wenigste Sicherheit. Nach diesen Verfahrungsarten schrumpft das Fell zusammen und ver-drocknet nach und nach gänzlich. In einzelnen Fällen löst es sich in Form von Schuppen ab, in anderen hinterlässt es eine weissliche ver­dickte Stelle. Um letzteres zu vermeiden, hat man empfohlen, das Fell vermittelst eines Staarmessers von der durchsichtigen Hornhaut abzu­lösen, eine Operatiori, die in der Regel schwierig auszuführen ist und doch dem Zwecke nicht immer ganz entspricht. Um sie auszuführen, muss das betreffende Thier niedergelegt und die Augenlider müssen ge-
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Der graue Staar, Cataracta.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 121
hörig zurückgehalten vverdcu. Man ergreift dann das Fell mit einem feinen Häkchen oder mit einer Pinzelte und löst es mittelst eines Staar-messers bis zum Rande der durchsiclitigcu Hornhaut von derselben gänzlich ab. Die entstandene Blutung wird mit kaltem Wasser gestillt, und auch nach der Operation dasselbe durch 2 Tage angewendet, um die Entwickelung einer heftigen Augenenlzünduug zu verhüten.
X. Der graue Staar, Cataracta.
Der graue Staar besteht darin, dass die Crystalllinse und ihre Kapsel trüb oder undurchsichtig geworden ist. In manchen Fällen lei­det nur die Linse allein, in anderen nur die Kapsel allein, und in noch anderen leiden beide Theile zugleich. Man unterscheidet hiernach a) den eigentlichen Linsenstaar (C. lentis), b) den Kapselstaar (C. cap-sulae lentis) und c) den Linsenkapsclstaar (C. capsulo-lenticularis). Aussei- diesen Verschiedenheiten hinsichtlich der Sitzes in den beiden ïheilen erscheint der graue Staar auch noch verschieden hinsichtlich des Ortes in der Linse oder in der Kapsel, so wie hinsichtlich der Form und hinsichtlich der Farbe. In erslerer Hinsicht ündet sich die Trü­bung in der Linse oder in der Kapsel zuweilen im Mittelpunkt (C. cen-tralis), in anderen Fällen ist der Rand der Linse oder der Kapsel undurchsichtig (C. annularis s. orbicularis). Hinsichtlich der Form zeigt sich der Staar häufig nur in einzelnen kleinen Punkten, welche man Staarpnnkte zu nennen pflegt, zuweilen in Strichen, welche man ßalkenstaar nennt, und nicht selten ist die ganze Linse oder die ganze Kapsel von ihm ergriffen. Hinsichtlich der Farbe zeigt sich der graue Staar im Anfange seiner Bildung gewöhnlich bläulich weiss (Milchstaar), später entweder blass grau oder malt weis, glänzend weiss, oder auch in's Gelbliche spielend und zuweilen findet man mehrere Farben au ihm zugleich.
Der graue Staar besteht entweder einfach als solcher, oder er ist zugleich mit andern Krankheiten verbunden, namentlich mit periodischer Augenentzündung^, mit schwarzem oder grünem Staar, und zuweilen ist die Crystalllinse aus ihrer Lage gebracht, selbst in die Pupille getreten
f nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; oder durch dieselbe in die vordere Augenkanimer gefallen und zuwei-
len auch verkleinert. Die anatomische Betrachtung der Linse und ihrer Kapsel bei dem grauen Staar zeigt: dass beide Theile bei dem noch in der Entwicke-lung begriffenen grauen Staar nach Augenentzündungen durch gerinn­baren Faserstoff aufgelockert, zuweilen erweicht, immer aber dadurch stellenweis oder ganz ihrer Durchsichtigkeit beraubt sind. Bei dem be­reits vollständig seit längerer Zeit ausgebildeten Staar ist die Linsen­kapsel oft bis zu einer Linie stark verdickt, lederartig fest, die Crystall­linse knorpelig hart, sogar zuweilen mit Knochenkernen versehen. Wenn der graue Staar in Folge des hohen Allers entstanden ist, findet man in der Linse und in der Kapsel Ablagerungen von einer kreideähnlichen weissen Substanz. In einzelnen Fällen fand man die Linse Iheilweise geborsten, und häutig die Linse mit der Kapsel fest verwachsen. Bei grauem Staar in Folge der periodischen Augencnlzüudung findet sich nicht selten die vordere Fläche der Liasenkapsel mit der Traubenhant
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Der graue Staar, Cataracta.
fest verwachsen. Ausserdem ist zuweilen der Glaskörper aufgelöst, wässerig dünn und theilweise geschwunden und bei veraltetem grauen Staar ist gewöhnlich auch der Augapfel im Ganzen etwas kleiner.
Die Symptome des grauen Staars sind in den einzelnen Fällen nach den vorhin angedeuteten Verschiedenheiten zuweilen sehr verschie­den von einander. Wenn die ganze Linse oder die ganze Liasenkapsel trüb geworden ist, sieht man statt der schwarzblauen Färbung der Pu­pille eine mikhweisse, graue, weisse oder gelblich weisse Färbung der­selben ; man kann nicht mehr in die hintere Augenkammer bis auf den Grund sehen, und das Tliier kann mit dem Auge keinen Gegenstand mehr wahrnehmen, oder es ist völlig blind. Man erkennt dies daran: dass das Thier, nachdem das etwa noch vorhandene gesunde Auge mit einem Tuch zugebunden ist, mit den Ohren ungewöhnlich lebhaft spielt nnd beim Gehen die Beine höher aufhebt, als im normalen Zustande, dass es dabei mit der Zehe des Hufes mehr vorsichtig auf den Boden tritt, über in den Weg gelegle Gegenstände leicht stolpert, mit dem Kopfe an Wände nnd andere Gegenstände läuft, und dass es beim Drohen mit einem Stock keine Furcht zeigt, besonders wenn das Dro­hen in der Art ausgeführt wird, als ob man das Thier gegen die Hin-terfüsse oder gegen den Hintertheil des Leibes schlagen wollte. Ist die Linsenkapscl mitleidend; so erscheint die weisse u. s. w. Farbe unmit­telbar hinter dem Rande der Pupille und sie hat einen seidenartigen Glanz; leidet die Linse allein, so erscheint die weisse Farbe bald mehr, bald weniger weit hinter dem Rande der Pupille, und jener Glanz des Staars ist nicht vorhanden, das Sehvermögen fehlt auch hier, dabei ist jedoch die Iris noch reizbar und die Pupille verenget sich im hel­lem und erweitert sich im dunklem Licht, wenn der graue Staar nur allein besteht. Staarp unkte geben sich in der übrigens dunkel gefärb­ten Pupille als kleine iveisse, graue oder bläuliche Fleckchen von ver­schiedener Grosse und Form zu erkennen; zuweilen ist nur ein Punkt, zuweilen sind mehrere zugegen und sie sitzen bald in der Linsenkapscl, bald in der vordem Fläche der Linse, bald tiefer in derselben und er­scheinen daher auch bald an der Oberfläche in der Pupille, bald tiefer in der hintern Augenkammer. Die Erkennung der Staarpunkte ist zu­weilen sehr schwierig, namentlich wenn dieselben sehr klein, blass und tiefsitzend sind, weil man dann dieselben nicht bei jedem Lichte deut­lich sehen kann, und ausserdem weil häufig im Auge Lichtreflexe in Form von weissen Punkten entstehen, welche mit den Staarpunkten einige Aehnlichkeit besitzen. Die letzteren unterscheiden sich jedoch von jenen Lichtrcflexen dadurch, dass sie bei verschiedenen Stellungen des kranken Auges oder bei verschiedenen Stellungen des Beschauers vor demselben stets einen nnd denselben Sitz behalten, während die Lichtreflexe unter den bezeichneten Umständen sich von einer Stelle zur andern fortbewegen. Diejenigen Verdunkelungen, welche am Rande der Linse oder der Kapsel entstanden sind, können nur gesehen wer­den, wenn die Pupille möglichst vollsländig erweitert ist. Dieser Um­stände wegen ist es nöthig, die Untersuchung der kranken oder des Staars verdächtigen Augen auf die Weise zu unternehmen, dass man das betrefleude Thier an einen solchen Ort stelil, wo das Licht nur von vornher auf die Augen fallt und wo man zugleich die Beleuch-
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Jung nach Beliebrn heller oder dunkler machen kann. Es eignet sich hierzu sehr zwekmässig ein Stallflur, auf welchen man das Thier mit dem Kopfe gegen den Ausgang gerichtet stellt und es dann nach der zuerst ausgeführten Besichtigung nahe an der Thur einige Schritte zu­rückschiebt, um es hierauf im dunkleren Räume wiederholt zu unter­suchen. Auch kann man einige Minuten vor der Untersuchung eine Aullösung von Extr. Belladonnae (Gr. v in Wasser) zwischen die Augenlider und den Augapfel streichen und durch die Wirkung dieses Mittels die Pupille künstlich erweitern, um hierdurch eine freiere An­sicht der ganzen Linse zu erhallen. Wenn man dieses Mittel anwen­den will, muss jedoch vorher schon die Untersuchung über das Vorhan­densein des schwarzen Staars geschehen sein, oder diese Untersuchung muss zu einer andern Zeit stattfinden, weil dieselbe bei der durch Be­täubung bewirkten künstlichen Erweiterung der Pupille nicht möglich ist. Denn das gleichzeitige Vorhandensein des schwarzen Staars bei dem grauen Staar giebt sich nur dadurch kund, dass in die­sem Falle die Pupille sich bei helleim Licht nicht verkleinert und bei geringem Licht sich nicht erweitert, wenn man das kranke Auge allein einer verschiedenen Beleuchtung abwechselnd aussetzt. Bei der Untersuchung über diesen Punkt ist es daher noting, ein Auge mit einem dichten Tuch zu verbinden, während das andere auf die eben erwähnte Weise untersucht wird. Das Sehen des Thiers ist bei Staar-punkten in der Kegel nur unbedeutend gestört, am meisten noch bei solchen, welche in der Mitte der Linse ihren Sitz haben, doch zeigen Pferde bei Staarpunkten oft. ein scheues Benehmen vor Gegenständen, die ein weisses oder glänzen das Ansehen haben.
Das gleichzeitige Vorhandensein der periodischen Augenentzündung bei dem grauen Staar giebt sich durch die eigen!hümlichen Symptome dieser Entzündung deutlich zu erkennen, ja es ist sehr häufig nur eben diese Entzündung, aber nicht schon der vorhandene graue Staar wahrzu­nehmen, weil bei jener Krankheit die Pupille immer verenget ist. Gleichzeitig vorhandener grüner Staar ist nur mit Sicherheit zu erken­nen, wenn der graue Staar nur in Staarpunkten besteht: man sieht dann die Pupille meergrün gefärbt und in ihr die weissen oder grau­en Punkte. Bei Cataract in der ganzen Linse oder in der ganzen Kap­sel ist der etwa vorhandene grüne Staar unkenntlich.
Die Ursachen des grauen Staars sind 1) innere Augenentzündungen, namentlich bei Pferden die Mondblindheit, 2) grobe Verletzungen des Auges, namentlich Stichwunden, welche bis in die hintere Augenkam-mer eingedrungen sind, wie auch Quetschungan und Erschütterungen des Augapfels, durch welche eine Trennung der Linse von den umge­benden Theilen mehr oder weniger bewirkt worden ist; 3) Metastasen, namentlich von plötzlich unterdrückten Geschwüren u. s. w.; 4) das hohe Alter*). In einzelnen Fällen hat man auch den grauen Staar
1) Pferde erblinden am Staar in Folge des Allers nur sehr selten und ge­wöhnlich nicht vor dem 36. Jahre, bei Rindern, Schaafen, Ziegen und Schwei­nen sind Beobachtungen hierüber nicht bekannt, weil man diese Thiere nicht bis ins hohe Alter erhält; Hunde bekommen den grauen Staar fast allgemein
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zur Zeit der Geburt in Jungen Thleren gefunden, so dass man ihn in diesen Fällen als angeboren betrachten kann.
Die Enlziinduiigen erzeugen ihn dadurch, dass in der Linse oder in ihrer Kapsel Ausschwitzungen von gerinnbarem Faserstoff entstehen, welche sich verdichten und dadurch die Linse oder die Kapsel undurch­sichtig machen. Eben so erzeugen ihn Verwundungen, welche eine Eutzündung der genannten Theile und Ausschwitzung im Umfang der verletzten Stelle veranlassen. Quetschungen und Erschütterungen, die mit Trenung der Linse oder deren Kapsel verbunden sind, scheinen das Trubwerden dieser Theile dadurch hervorzurufen, dass der regelmässige StoflVveehsel in denselben nicht mehr stattfindet. In diesen Fällen tritt dann gewöhnlich das allmälige Schwinden der Liese zu dem Staar hin­zu. Ob bei Metastasen wirklich eine trübe Flüssigkeit in die Linse und ihre Kapsel abgelagert werde, ist bis jetzt nicht genügend erwiesen, aus dem plötzlichen Entstehen des Uebels ist dies als wahrscheinlich anzu­nehmen. Im hohen Alter scheint die Säftemasse reicher an kalkigen und erdigen Bestandtheilen zu werden, und durch Ablagerung dieser Stoffe au verschiedenen Stellen, z. B. in den Gefässhäuten, wirkliche Verirdungen der Gewebe herbeizuführen, — und so auch in der Linse. Wie im Fötus die Staarbildung stattfindet? ist bis jetzt nicht zu er mittein gewesen.
Der graue Staar entwickelt sich bei Ealzündungen oder Verletzun­gen zuweilen sehr schnell d. i. in 8 bis 14 Tagen, bei der periodischen Augenentzündung aber, wie dort angegeben, gewöhnlich erst nach meh­reren Anfallen dieser Krankheit in der Zeit von 1 selbst bis zu 2 Jahren nud darüber. Bei Metastasen entsteht er immer plötzlich, zuweilen in­nerhalb 2 Tagen. Bei alten Thicrcn geht seine Bildung immer lang­sam von Statten, so dass er zuweilen im Verlaufe eines Jahres erst als vollkommen ausgebildet erscheint.
Die Prognosis ist bei dem grauen Staar im Allgemeinen schlecht, jedoch iu den einzelnen Fällen etwas verschieden. Nach vorangegan­gener periodischer Augenenlzündung ist das Uebel stets unheilbar, eben­so nach Erscliülterungen und Verwundungen und bei Thieren im ho­hen Alter, dagegen gewähren diejenigen Fälle, wo der Staar durch Metastasis entstanden ist, noch immer eine Hoflnung zur Heilung, be­sonders wenn das Uebel noch neu ist und die Thiere jung sind. Ver-hälluissmässig erscheint der sogenannte Milchstaar eher heilbar, als der ganz weisse und gelblich weisse Staar. — Die in der Menschenheil­kunde in den meisten Füllen mit dem besten Erfolge benutzte Staar-operalion gewährt, bei den Thieren fast durchaus wenig oder gar kei­nen Nutzen, und zwar dies aus dem Grunde, weil man den Thieren keine Staarbrillcn aufsetzen kann und weil die Thiere ohne dieselben stets sehr undeutlich sehen, sich fast vor allen Gegenständen scheuen und hierdurch ihr Gebrauch zur Arbeit oft mehr gestört wird, als durch das vorher völlig blinde Auge.
Die Kur des grauen Staars besteht in der Erregung ei­ner recht lebhalten Resorption im Innern des Auges, um
mil dem 14. — 16. Jahre, Katzen mit 12 10 — 15 Jahren.
15 Jahren und Vögel häufig mit
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liierdurch die Wegschaffung der trüben undurclisichtigen Stoffe aus der Linse und ihrer Kapsel zu bewirken. Hierbei ist zu berücksichtigen, ob mit dem Calaract noch Entzündung verbunden ist oder nicht. Im ersteren Falle findet im Wesentlichen eine allgemeine und örtliche ent­zündungswidrige Behandlung statt durch Aderlassen, Laxir- und Pur-girmitlel, örtlich durch Anwendung kühlender, schleimiger oder schlei­mig-narkotischer Mittel, je nach dem Charakter der Entzündung. Zu­gleich wendet man an der Backe der leidenden Seile oder an dersel­ben Seite des Halses örtliche Reizmittel an und hält das Thier in ganz magerer Diät. Diese Behandlung wird selbst noch 8 — 14 Tage nach -vollständig beseitigter Entzündung fortgesetzt.
Besieht der Slaar ohne Enlzündiings-Symptome, so kann mau bei gut genährten, vollblütigen Thicren von Zeit zu Zeit wiederholt einen massigen Aderlass machen, und ohne Ausnahme den Patienten Abfüh-rungsmittcl von Calomel, Aloe, selbst Crolonöl oder Crotonsamen ge­ben. Auf das Auge wendet man bei Tage Breiumschläge von Arnica-blumen, oder von Kamillenblumen, oder Waschungen mit einein Infu-sum von diesen Mitteln mit Zusatz von Kali carbonicum, oder Natrum carbonicum, oder von Jodkali (Gr. j auf sect;j Wasser) lauwarm an; zum Abende reibt man die graue Quecksilbersalbe auf die Augenlider und im Umfange derselben ein und streicht auch etwas von ihr zwischen die Augenlieder, oder man benutzt zum Einstreichen zwischen die Au­genlider eine Salbe aus Calomel und Fett ( zu %ß) oder die Jod­salbe an (Jodkali 2 — 4 Gr. zu %ß Fell). In der Schläfengcgcnd und in der Augengrubc macht man Einreibungen von Campher- oder Am-moniakliniment, späterhin selbst von Cantharidensalbe, oder man brennt daselbst mehrere Punkte.
In Fällen, wo das Aeussersle versucht werden soll, kann auch die Staav-operation ausgeführt werden; man muss aber den Eigenlhümcr des Tbieres stets darauf aufmerksam machen, dass dieselbe nur als ein Ver­such dienen kann, da sie aus den oben angegebenen Gründen wenig leistet, ja in manchen Fällen durch Erregung einer heftigen Entzündung und Eiterung im Auge den Verlust des lelzlern herbeiführt.
Die Operation ist auch nur in denjenigen Fällen zu unternehmen, wo der graue Staar nur allein besteht und wo namentlich neben ihm weder schwarzer, noch grüner vorhanden ist, weil sie bei den letzteren keinen Nutzen gewähren kann ').
Die Staaroperation besieht im Allgemeinen darin, dass die verdun­kelte Linse mit der Kapsel aus der Sehcaxe durch chirurgische Mittel entfernt und hiernach das Eintreten der Lichtstrahlen bis zur Netzhaut wieder möglich gemacht, wird. Dies geschieht in 3 verschiedenen Me­thoden, nämlich 1) durch die einfache ISicdcrdrückung oder Umlegung
') Selbst für den Pferdeliandcl gewährt die Staaroperation in solchen Fäl­len keinen Vorlheil; denn wenngleich durch sie das übele Ansehen, welches der graue Staar mit sich führt, beseitigt wird, so ist doch damit nichts gewon­nen, weil hiernach der schwarze Staar deutlich erkennbar besteht und der Verliäufer für diesen Fehler Gewähr leisten muss, für den grauen Staar aber nicht.
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der Liusc (Depressio s. Rcclinatio), 2) durch Zerslückelung dei- Linse (Keratouyxis) und 3) durch die Ausziehuug der Linse (Extractio). Von diesen 3 Methoden eignet sich bei Thieren die erstere am besten, weil sie am einfachsten und schnellsten ausführbar ist, dem Zwecke genügt und am wonigslen übele Zufälle mit sich führt. Die Extraction ist da­gegen mit der Gefahr verbunden, dass ein Auslliessen des Glaskörpers stattfindet und dadurch der Bulbus in seinen Häuten zusammenfällt und das Auge gauï vernichtet ist. Dies ist besonders bei Pferden der Fall, weil diese Thiere vermöge des ihnen cigenthümlicheu Grundmus­kels den Augapfel heftig zusammendrücken und dadurch die bezeichnete Wirkung mehr als die übrigen Thiere erzeugen können.
Zur Operation muss das betredende ïhier während 2 — 3 Tagen durch magere Diät und ein Abführungsmitlel vorbereitet und dann niederge­legt werden und zwar so, dass das zur Operation bestimmte Auge an der obern Seile liegt.
Das Thier muss stark'gebremst und, namentlich am Kopfe, fest gehalten werden.
Der Operateur placirt sich, wenn das rechte Auge operirt wer­den soll, vor den Kopf, bei der Operation des linken Auges aber zwi­schen den Kopf und den Hals des Thieres. Zunächst werden mittelst der Augenlidhaller die Augenlider zurückgezogen und dann sucht man den Augapfel zu fixiren. Letzteres geschieht entweder vermittelst des dreiarmigen Augenhalters von Leblanc, oder des Augenhalters von Brogniez, oder durch einen in der Augengrube gemachten Ein­schnitt mittelst eines Fingers, oder am besten auf die Weise, dass man durch oft wiederholtes Berühren des Augapfels denselben ermüdet, bis er bei fernerer Berührung unbeweglich bleibt, worauf man den Zeige­finger der linken Hand am innern Augenwinkel gegen den Bulbus legt und denselben sanft gegen den äussern Winkel drückt, und nun ohne Zeitverlust die Operation selbst ausführt. — Diese geschieht in dreien Methoden, welche oben bereits genannt, hier einer nähern Schilderung unterworfen werden sollen.
1) Die Niederdrückung oder Umlegung der Linse (Depressio s. Reclinatio). — Nachdem man die cylindrische Staarnadel in die rechte Hand genommen (und zwar so, dass sie fast um die ganze Länge den Mittelfinger überragt) und diese mit dem kleinen Finger unterhalb des äussern Augenwinkels auf die Backe gestützt, nähert man die Spitze der Staarnadel dem Augapfel und sticht sie, sobald letzterer bei der Berührung mit dem Finger nicht mehr zuckt, dem äussern Winkel der Pupille gegenüber und 2 Linien hinter dem Rande der durchsich­tigen Hornhaut in die undurchsichtige schnell und kräftig ein. Dann führt man die Spitze der Nadel zwischen Iris und Linsenkapsel vor­sichtig vorwärts bis ungefähr auf die Mitte der letztein, bis sie hinter der Pupille gesehen wird. Von hier aus wird die Spitze des Instru­ments flach auf den obern Rand der Linse geführt, in den Glaskörper nach dem Grunde des Auges zu hineingedrückt, einige Sekunden in dieser Lage erhalten und endlich sanft herausgezogen. Gebraucht man die zweischneidige, lanzenförmige Staarnadel statt der cylindrischen, so erleidet diese Opcrationsmethode keine wesentliche Aenderung; dass man, um Verletzungea der Iris zu vermeiden, die zweischneidige Staar-
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nadel mit der einen Fläche gegen die Lis, mit der andern gegen die Linse gekehrt cini'ühi-eu muss, versteht sich von selbst. #9632;— Was die Reclinalion betrifft, so schiebt man, wenn die Nadel, wie eben augege­ben, bereits bis zur Mitte der Linse geführt, die Spitze des Instruments gegen den obern Rand der Linse und drückt diese nach rückwärts und unten in den Glaskörper, wobei ihre vordere Fläcke nach oben, ihre hintere nach unten zu liegen kommt; auch hier wird der Druck der Nadel durch einige Sekunden fortgesetzt, und dieselbe dann in der ein­gebrachten Richtung sanft entfernt.
2)nbsp; nbsp;Die Zerstückelung der Linse (Keratonyxis). — Sie geschieht, wo sie möglich, am besten mit der Scarpaschen Nadel, (lanzenfürmig und nach der einen Fläche gebogen), welche man, wie bei der ersten Ope-rationsmelhode, in den Augapfel einführt, jedoch muss man wegen der Krümmung der Spitze der Scarpasehen Nadel bei dem Einstich in die Sclerotica und Aderhaut den Handgriff des Instruments sehr schräg gegen die Backe neigen und bei dem Vorwärfsschiebcn desselben die Spitze gegen die Linse richten. Ist die Madel hinter der Pupille sicht­bar, so durchrchneidet man, indem die Nadel mit dem einen scharfen Rande nach dem obern, mit dem andern nach dem untern Augenlide zukehrt, mit sanftem Druck auf der Mittellinie der Linse auf- und ab­geführt wird, die Linsenkapsel und die Linse senkrecht in 2 Theile, welche dann mit dem Instrument nach abwärts in den Glaskörper ge­drückt werden. Nach einige Sekunden fortgesetztem Druck wird die Nadel vorsichtig entfernt. — Diese beiden Methoden können auch ver­mittelst eines Einstichs in die durchsichtige Ilomhaut — etwa 2 Linien von deren Rande und am vortheilhafleslen 2 — 3 Linien unter dem äussern Augenwinkel — auf dem Wege durch die vordere Augenkammer und durch die Pupille ausgeführt werden; sie sind jedoch einerseits schwie­riger, andererseits rufen sie in den meisten Fällen eine grössere Reizung der Iris, eine hefligere Entzündung und eine stärkere Verdunkelung der Hornhaut hervor, als die auf dem Wege durch die Sclerotica un­ternommenen.
3)nbsp; Die Ausziehuug der Linse (Extractio). — Nachdem ein, immer der Grosse der Linse entsprechender Hornhautschuitt mit dem Staar-messer gemacht, wird die Linse oft nach dein Ansllusse der wäs­serigen Feuchtigkeit durch die eigene Zusammenziehung des Auges her­vorgedrängt und entleert; geschieht dies nicht, so versucht man es durch einen gelinden Druck — um nicht den Glaskörper zugleich her­auszupressen — zu bewirken. Giebt dieser Versuch auch nicht das gewünschte Rssultat, so führt man den Da vie Ischen Löllel durch die Wunde und die Pupille ein, löst durch allmäliges, sanftes Bewegen desselben die zwischen der Uvea und der Linsenkapsel etwa vorhan­denen Adhäsionen, eifasst den Staar an irgend einer Stelle seines Ran­des und drängt ihn durch die Pupille hervor. Oft löst sich zwar der Cataract, bleibt jedoch entweder in der Pupille oder in der Ilornhaut-wunde hangen; in diesem Falle kann auch eine feine Pinzelle statt des Löffels zur weitern Hinausbeförderung des Slaars dienen. — Vor der Operation ist es vortheilhaft, ja wohl nöthig, eine Auflösung von Extr. Belladounae (Gr. x auf Dr. j. dest. Wassers) einige Male zuf den Aug­apfel und zwischen die Augenlider zu streichen, um die Pupille
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künstlich zu erweitern und hierdurch das Hervortreten der Linse in die vordere Augonkammer zu erleichtern. — In Bezug auf die therapeuti­sche Würdigung dieser Operationsrnethodeu so wie überhaupt der Staaroperalion bei ïbicren, und namentlich bei Pferden, ist oben be­reits das Nöthige erörtert vorden.
Nach geschehener Operation lässt mau nach der einen wie nach #9632;der andern Methode sogleich die Augenlider sanft über den Augapfel gleiten, und das Thier, ohne dass dabei eine starke Bewegung des Ko­pfes entsteht, aufstehen. Man stellt es in einen dunkeln, von Zugluft und scharfen Dünsten freien Stall, lässt es ruhig und bei weichem und magenn Futter stehen, macht durch 48 Stunden kalte Umschläge über das leidende Auge, und wendet überbaupi ein antiphlogistisches Verfah­ren an. Nach drei Tagen kann man das Auge vorsichtig bei nicht zu hellem Licht untersuchen, und wenn eine Eulzündung in ihm noch er­kennbar fortbesteht, die weitere Bebandiung, wie bei den traumatischen Augenentzündungen angegeben ist, ausführen; ist aber keine Entzün­dung mehr wahrzunehmen, so ist ein ruhiges Verhalten des Thieres bei magerer Diät und bei Vermeidung grellen Lichtes durch noch etwa 6—'8 Tage fortgesetzt ausreichend.
Die Thiere sehen auch nach einer gut gelungenen Staaroperalion nicht in der Weise, wie mit den Augen im normalen Zustande, son­dern es erscheinen ihnen die Gegenstände, da wegen Mangels der Linse die Strahlenbrechung zur Mittelaxe des Auges nicht mehr gehö­rig stattfindet, immer viel grosser, und in Folge dessen scheuen sie sich vor allen ihnen nahe konnneiiden Gegenständen und müssen daher in der ersten Zeit sehr vorsichtig geführt werden. Nach und nach verliert sich aber dieses scheue Benehmen, und damit nimmt die Brauchbarkeit der Thiere wieder zu.
XI. Der grüne Staar. (Glaucoma.)
Der grüne Staar besieht, so weit mau bis jetzt den anatomisch-pa­thologischen Zustand desselben kennt, in einer Aullösung und grünli­chen Färbung des Glaskörpers, in marfchen Fällen auch in einer Ver­minderung oder hellcrn Färbung des Pigments der Aderhaut. Derselbe kommt bei allen Haussängethicren und bei einigen Vögeln vor und giebt sich dadurch zu erkennen, dass die Pupille und der Grund der hinteren Augenkammer eine hellgrüne (meergrüne) Färbung zeigen und dabei das Thier völlig blind ist. Die Blindheit erkennt man nachdem das andere, etwa noch gesunde Auge verbunden ist, daran, dass das Thier beim Gehen die Beine ungewöhnlich hoch aufhebt und sich vor­sichtig, gleichsam Sieigend, vorwärts bewegt, dass es aber dennoch über GegenstSnde, die man ihm in den Weg legt, stolpert, dass es mit der Nase gegen Bäume, Wände u. s. w. anstösst, wenn man es auf diese Gegenstände führt, und dass es Drohungen mit einem Stocke nicht beachtet, namentlich wenn mau dabei Bewegungen, wie zum Schlagen gegen den Leib oder die Hinlerfüsse des Thieres ausführt.
Der grüne Staar ist gewöhnlich die Folje von heftigen iunern Ent­zündungen und namentlich von der periodischen und rheumatischeu
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Der schwarze Staar.
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Augenentïiindung, in einigen Fällen aber hat man ihn bei Füllen und bei Lämmern angeboren gefunden.
Die ßeurtheilung dieses Fehlers ist stets ganz ungünstig, da bis jetzt keine Beobachtungen vorliegen, nach welchen der oben bezeich­nete pathologische Zustand des Auges zum normalen umgewandelt wor­den ist und auch keine Heilmethode bekannt ist, durch welche dies be­wirkt werden könnte.
Ueber die Kur ist daher Nichts zu sagen.
XI. Der schwarze Staar. (Atnaurosis, Gulta serena.)
Der schwarze Staar, bei Pferden auch lün und wieder die Schön­blind lie it genannt, besteht in einer Lähmung der Netzhaut und des Sehnerven, ohne dass bei einem einfachen Zustande dieses Lei­dens irgend eine materielle Veränderung im Auge dabei wahrzunehmen ist. Er kommt bei allen Haussäugethieren und bei Vögeln vor und zwar sowohl einfach, wie auch complicirt mit grauem Staar und mit mancherlei anderen Augenleiden. Er äussert sich auf folgende Weise: das mit dem schwarzen Staar behaftete Auge hat im Vergleich zu dem gesunden Auge einen etwas geringem Glanz und nicht den lebendigen Ausdruck wie das letztere, dabei ist in der Regel die Pupille bedeutend erweitert, und bleibt auch so, wenn das Auge abwechselnd hellerem und dunklerem Licht ausgesetzt wird. Da jedoch beide Augen in einem lebhaften Consensus zu einander stehen, so kann auch ein völlig staar-blindes Auge noch eine Veränderung der Pupille bei ver­schiedenem Lichte wahrnehmen lassen, wenn das andere, ge­sunde Auge zugleich dem Lichte ausgesetzt ist. Daher ist es noting, um sich gegen Täuschungen zu sichern, bei dieser Untersuchung dem Thiere vorher das gesunde Auge mit einem dichten Tuche zuzu­binden. Man stellt dann das Thier auf einem Haus- oder Stallflur zu­erst in's Dunkle und betrachtet die Grosse und Forin der Pupille, worauf man es an die Thür, in helles Licht führt und die Betrachtung des Auges wiederholt. Bei vorhandenem schwarzen Staar behält die Pupille, wie schon vorhergehend hemerkt, im hellen Licht dieselbe Weite wie vorher in dem dunklern Räume. Man prüft ausserdem noch das Sehevennögen des Thieres auf die bei dem grauen und grünen Slaar bereits angegebene Art. Beide Momente, nämlich die Unbeweglichkeit der Pupille und die Blindheit des Thieres, müssen nothwendig zugleich vorhanden sein, wenn man die Existenz des schwarzen Slaars als wirk­lich vorhanden annehmen will, weil die Erweiterung und Unbeweglich­keit der Pupille auch künstlich durch Anwendung narkotischer Mittel (sowohl innerlich wie auch örtlich aufs Auge) erzeugt werden kann. Wenngleich, wie oben angegeben, in der Mehrzahl der Fälle bei der in Rede stehenden Krankheit die Pupille abnorm erweitert ist, so giebt es doch auch nicht ganz selten bei Pferden Ausnahmen hiervon, welche naAentlich nach der periodischen Augenentzündung bemerkt werden. Man findet nämlich zuweilen nach derselben die Thiere völlig blind und dabei doch die Pupille verenget und unbeweglich, ohne dass an­dere Abnormitäten, besonders Trübungen der Crystall-Linse zu eutdek-ken sind. In diesen Fällen ist die hintere Fläche der Iris mit dec
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J30nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Der schwarze Staar, Amautosis.
Linsenkapsel verwachsen und kann sieh deshalb nicht gegen die Peri­pherie zurückziehen. ]n solchen Fällen isl man berechtigt, aus der Blindheit des Thieres in Verbindung mit Unbeweglichkeit der zwar ver­kleinerten Pupille, und bei übrigens klarem Auge, doch auf das Dasein des schwarzen Staares zu schliesscn.
Die Ursachen des schwarzen Staars sind sehr verschieden. Er entsteht 1) in Folge hefligerEutzüudungen, besonders der periodischen Augenentzün­dung; 2) durch Metastasen, besonders bei der sogenannten Influenza der Pferde, und durch Erkältungen; 3) in Folge von Lähmungen und Gehirner­schütterungen; 4) in Folge von organischen Veränderungen in der Augen­höhle und innerhalb des Schädels, wie z. B. durch Exostosen in der Augenhöhle, durch Verengerung des Sehlochs, durch Melanosen und Hydatiden im Gehirn und dgl., und 5) vorübergehend entsteht er auch durch narkotische Vergiftungen, wie z. ß. durch den Genuss eines mit Klatscbrosen übermässig reichlich gemengten Grünfutlers. In einzelnen Fällen hat man auch neugeborne Thiere mit dem Uebel behaftet gefun­den, ohne dass man in diesen Fällen im Innern des Auges oder im Sehnerven die Ursache dazu entdecken konnte. Bei Metastasen, bei Gehirnerschütterung und bei narkotischen Vergiftungen sind in der Re­gel beide Augen mit den Erscheinungen des schwarzen Staars behaf­tet, nach örtlichen Veranlassungcu leidet aber gewöhnlich nur ein Auge an diesem Uebel.
Die Beurtheilung des schwarzen Staares ist in den meisten Fäl­len ungünstig zu machen, da die Heilung sehr schwer und in denjeni­gen Fällen, wo örtliche organische Veränderungen ihn bedingen, sogar unmöglich ist. Man kann einige Hofl'nung in denjenigen Fälleu haben, wo das Uebel eine Folge von Hirnerschütterung, von Metastasen und von kürzlich bestandenen Entzündungen ist. Nach narkotischen Ver­giftungen verliert sich der schwarze Staar gewöhnlich binnen kurzer Zeit und mit den Vergiflungszufällen selbst.
Die Kur ist bei dem schwarzen Staar nach Gehirnerschütterungen und Lähmungen innerlich und äusserlich mit erregenden Mitteln zu ver­suchen. Man giebt innerlich aromatische Mittel, Campher und Opium in kleinen Gaben, wäscht das Auge und dessen Umgebung mit einem Infusum von Arnica, oder von Angelica, mit verdünntem Weingeist, später lässt man mittelst eines in die INähe des Auges gebrachten Glüh­eisens Hitze in das Auge strömen, und man brennt wohl auch in der Augengrube und in der Schläfeugcgend der leidenden Seite einzelne Punkte; man macht Einreibungen in diese Theile von Campherspirilus, oder Salmiakgeist, Terpcutbinöl u. dgl. — Bei schwarzem Staar von Metastasen sucht man zunächst eine etwa unterdrückte Absonderung, namentlieh eine unterdrückte Krisis, wider herzustellen, oder in anderen Fällen erregt man reichliche Absonderungen in der Darmschleimhaut und in den Nieren durch Purgantia und Diuretica, und später macht man Ableitungen durch Haarseile, Fontanelle und Uugt. Cantharidum an den Seiten des Halses oder an der vordem Fläche der BrusK — Ist der Staar Folge einer kürzlich vorausgegangenen Entzündung, so sind in der ersten Zeit innerlich Abführungsmittel und äusserlich nur ganz schwache Reizmittel und resorbirende Mittel zu versuchen, wie Z. B. öfters wiederholte Bespritzungen des Auges mit kaltem Wasser,
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Die Bläschen und Geschwüre der Hornhaut.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;131
gelind aromalischc Infusioneu, die graue Merkurialsalbe. Auflösungen von Kali carbonicum für sich oder mit aromatisclieu Infusionen, und später die bei dem schwarzen Staar nach Lähinuugen empfohlenen äusserli-chen Mittel. — Bei narkotischen Vergiftungen sind salzige Abfiihrungs-mittel, massige Aderlässe und äusserlich kalte Waschungen in Anwen­dung zu bringen ').
XII. Die Bläschen und Geschwüre der Hornhaut.
Bei Augenentziindungen entstehen aut der durchsichtigen Hornhaut oft kleine Bläschen (Phlyctenae), welche eine dünne, jauchige, gelbliche oder rüthlichc Flüssigkeit enthalten und gewöhnlich mit einem verdun­kelten Rande umgeben sind. Diese Bläschen bersten nach kurzer Zeit und wandeln sich in Geschwürchen um, welche bald flache, bald etwas erhöhele Ränder besitzen. In anderen Fällen bilden sich in der Horn­haut wirkliche Abscessc, welche sich dadurch zu erkennen geben, dass die Hornhaut an einer Stelle allmälig dicker wird, sich rundlich an der Oberilächc erhebt und dabei eine weissgelbliche Farbe annimmt; im Umfange dieser Stelle ist die Hornhaut grau oder bläulich gefärbt und mit stark iujieirten Gefässen versehen; dabei ist der Schmerz und die Wärme sehr gross. Nach etwa 3 — 4 Tagen, zuweilen auch noch später, pflegt der Mittelpunkt in Form eines Nadelkuopfes über die Ober-Däche hervorzutreten und dann zu bersten, wobei eine kleine Quanti­tät von wirklichem Eiter entleert wird, und ein kleines Geschwür mit dicken undurchsichtigen Rändern zurückbleibt. In einzelnen Fällen öff­net sich der Abscess nicht, sondern ein Theil seines Eiters wird resorbiri, der Rest bleibt und bildet einen gelblichen halbmondförmigen Fleck, in der Hornhaut. Man pflegt in diesem Falle den Hornhautfleck mit dem Namen Nagel zu bezeichnen.
Die von den Bläschen und Abscessen entstandenen Geschwürchen heilen, je nachdem sie oberflächlich oder tiefer liegend sind, und je nach­dem die ihnen zu Grunde liegende Entzündung schneller oder langsamer beseitigt wird, bald sehr leicht, bald aber auch sehr schwer; in den meisten Fällen erfolgt die Heilung mit glatter und durchsichtiger Wiederherstellung der Hornhaut, aber oft bleiben auch undurchsichtige Stellen und rauhe undurchsichtige Narben zurück; welche beide gewöhnlich schwer oder gar nicht zu beseitigen sind.
Die Beahndlung der Bliischen und der Abscessc muss im Anfange derselben stets kräftig entzündungswidrig sein, um hierdurch ihre Ent-wickelung möglichst zu beschränken. Für diesen Zweck dienen die bei den Augenentzündungen angegebenen Mittel. Sind aber die Bläschen oder Abscesse bereits bis zu einem gewissen Grade ausgebildet, so kann man sie mittelst der Lanzette öfl'uen, ihren Inhalt ausleeren und dann die Resorption befördern. In letzterer Absicht wendet man, wenn noch grosse Empfindlichkeit besteht, schleimige Augenwässer, selbst wohl ia
') Der schwarze Staar ist in vielen Ländern als ein sogenannter Geraquo; Währsfehler angenommen und die Gewährszeit für ihn in Proussen auf 28 Tage, in Oesierrerch auf 30 Tage festgesetzt.
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Das Eiterauge, Hypopion.
Verbindung mit narkotisclien Mitteln an. ss, B. Quiltensclileini mit Zu­satz von etwas 0|)ium (zu gviij 4 — 8 Gr.), oder eine Abkochung von Malvenkraut und Belladonnakraut (von dem erstcren %ß, voa dem letzteren Sjj zu gviij Colatur); ausserdem, besonders des Abends, die graue Mcrkurialsalbc auf die Augenlider.
Sind wirkliche Geschwüre entstanden, so können in der arsten Zeit die eben genannten Mittel angewendet werden, nachdem aber der Eretbistnus beseitigt ist, benutzt man aromatische Augenwässer und bei grosser Torpidität, bei Schlailheit des Geschwürsgrundes bestreicht man denselben und die Ränder sanft mit Lapis infernalis, oder man streicht von der rothen Präcipitalsalbe (Hydrarg. oxy. rubr. Gr. x zu einer halben ünzc Fett) täglich 2 Mal eine kleine Quantität zwischen die Augenlider.
Die nach den Geschwüren zurückbleibenden Flecken und Narben der Hornhaut werden behandelt, wie dies im Vorhergehenden sub Nr VIII angegeben ist.
XIII. Das Eiterauge, Hypopion.
Ëei heftigen inneren Augenent Zündungen, besonders wenn dieselben nach mechanischen Verletzungen entstanden sind, bildet sich in der vor­dem und zuweilen auch in der hinlern Augenkammer Eiter, und man nennt dann das Leiden das Ei ter äuge. In solchen Fällen steigern sich die Symptome der Entzündung trotz den angewendeten entzündungswidrigen Mitteln allmälig immer mehr, die durchsichtige Hornhaut •wird trüb und hinter derselben erscheint eine weisse oder gelblichweisse Flüssigkeit, welche von dem untern Bande allmälig höher steigt und zuletzt die ganze Kammer ausfüllt. Im Verhättniss der Menge dieser Flüssig­keit kann man auch nur einen Theil der Pupille und der Iris nach oben zu sehen und zuletzt erscheint das ganze Auge wie eine gelblich weisse Halbkugel. So lange nur ein Theil der vordem Augenkammer mit dem Eiter angefüllt ist, sieht man den letztern sich im­mer nach der untern Seite im Auge hinwenden, wenn man dem Kopfe des Thicrcs abwechselnd verschiedene Stellungen giebt und bei heftigen Bewegungen des letztem steigt der Eiter in der wässrigen Flüssigkeit nicht in die Höhe, sondern behält stets die niedrigste Stelle. Hierdurch unterscheidet sich der Eiter von den plastischen Ausschwiz-zungen, wie dieselben bei der periodischen Augencnlzündung vorkom­men. Mit der Eiterbildung wird auch das Allgemeinbctindcn der Thiere-gewöhnlich mehr gestört als durch die Augenenlzündung allein; die Thiere stehen traurig, senken den Kopf, versagen das Futter und ihr Puls ist sehr beschleunigt. —Das Eilerauge ist je nach dem Grade sei­ner Ausbildung ein bald mehr bald weniger gefahrloses Leiden; be­schränkt sich die Eiterbildung nur auf eine kleine Quantität, so kann dieselbe vollständig resorbirt werden, ohne dass Störung des Sehver­mögens oder andre üble Folgen zurückbleiben; ist aber die Eiterbildung so reichlich, dass die ganze vordere und die hinlere Augenkammer von Eiter vollgefüllt wird, und dauert dabei noch die Entzündung fort, so erfolgt in den meisten Fällen Berstung der durchsichtigen Hornhaut, badei zuweilen Vorfall der Iris und Ausfliessen der Linse und des Glas-
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Das Eilerauge, Hypopion.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;133
körpers; aber auch wenn dieser übelste Ausgang nicht eintritt, ist doch bei so reichlicher Eiterbildung der Zusammenhang der Theile in der hintern Augenkammer gewöhnlich so vollständig aufgelosst, und die Be-schatTenheit dieser Theile und der Netzhaut so sehr verändert, dass völlige Erblindung des Thieres die Folge davon ist.
Die Behandlung des Eiterauges beruht durchaus auf einer stren­gen Antiphlogose, auf Beförderung der Resorption, und selbst auf der künstlichen Ausleerung des Eilers. Für den ersten Zweck müssen Blut­entleerungen, allgemein und örtlich, recht reichlich, nöthigenfalls, wenn die Zufälle sich nicht mindern, selbst wiederholt gemacht werden. Aus-serdem giebt man Abführungsmittel bis zu starker Wirkung und ört­lich applicirt man die Kälte, recht zweckmässig in Form von schei-raigen Augenwässern, unter welchen sich besonders die Abkochung von Malvenkraut einigen Ruf erworben hat. Dabei ist die strengste Ruhe und gänzliche Entziehung der Nahrungsmittel während der Dauer der heftigen Zufälle nöthig Sind diese heftigen ZuRille beseitigt, so kann man Befeuchtungen des Auges mitAullösungenvonKali carbon, machen, spä­ter Infusionen von Flor. Arnicae und die graue Merkurialsrdbe auf die Augenlider und die Umgebung, selbst zwischen die Augenlider applici-ren und am Halse der leidenden Seite ableitende Reize anwenden.
Die Ausleerung des Eiters vermittelst des Hornliautschnittes kann ihre Anwendung sowohl bei den bezeichneten heftigen Zufällen Gndent um einer Berstung der Hornhaut hierdurch vorzubeugen, wie auch spä­ter, wenn die eben genannten resorbirenden Mittel durch einige Zeit vergebens oder mit zu geringem Erfolge angewendet worden sind. Die Operation hat sich nuter beiden Verhältnissen in mehreren Fällen sehr nützlich gezeigt. Um sie auszuführen, muss das Thier vorsichtig auf eine recht hohe und weiche Streu niedergelegt und übrigens ganz so an ihm verfahren werden, wie dies hinsichtlich des Hornhautschnittes bei derStaarcxlraction angegeben worden ist. Doch ist es nicht nöthig, denn Schnitt in dem dort angegebenen Umfange zu machen, sondern es ist beim Eilerauge hinreichend, wenn bei Pferden eine circa 4 Linien lauge Wunde entsteht. Nach der Operation muss das Thier in der ersten Zeit so behandelt werden, wie nach einer Staaroperalion.
Literatur.
A mm on, C. W. Abhandlung über die Naturund Heilung der Augen­entzündung bei Pferden und ihre Folgen. Ansbach, 1807.
Leb lane, U., Abhandlung über die Augenkrankheiten der wichtigsten Hausthiere, vorzüglich des Pferdes. Deutsch bearbeitet von Dr. J. Rudius. Mit 3 Tafeln. Leipzig 1825.
Müller, J. F., Handbuch der Veterinär-Ophthalmologie für Thierärzte. Mit Abbild. Braunschweig 1847.
Marrimpoey, Observations sur plusieurs maladies de 1'oeil dans les ani-maux solipedes et rutninaus. Recueil de Méd. vétér 1829 p. 145.
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Ohrdrüsenentzündung.
Steiner, über die Ursachen der periodischen Augenentzündnng in Lithaucn. Magazin für die gesammte Thierlieilkuude I, Bd. S. 452.
Dard, Memoire sur la fluxion pcriodique des chevaux, clc. Recueil 1843. p. 457.
Bulletin de la societ veter, du Depart, de la Seine. Recueil 1845 pag. 598 u. 987.
Ueber Würmer im Auge der Thiere: Michaelis, medizin. prakt. Biblioth. Bd. 2. S. 241; — Transact of the americ. pliilos. Soc. Vol. II. p. 383; — Rudolplii, Bemerkungen aus dem Gebiete der Naturgeschichte u. s. w. Th. I, S. 14; — Maeazin für theor. und prakt. Thierheilkunde v. Teuf fei Bd. I, Heft 3, S. 278. Gohier, Mein, et Observ. T. II. pag. 345; Lond. mcd. and phy-lic. Jouru. 1820, August; — Asiat. Journ. 1825, August, p. 212 u. Journ. de méd. vet. et compas. 1826 (3 Ann.) p. 167; — Will u. Schwab, Taschenbuch 4ter Jahrg. S. 407, 5ter Jahrg. 290; — Magaz. für die gesammte Thierheilkunde. Bd. 1 S, 28, mit Abbild. — Numann, in de Tydschrift voor iNat. Gesch. eu Physiol. 7 Deel; Leiden 1840; dasselbe von Verheven im Jouru, Bel-gique 1842.
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Drittes Capitel.
Entzündung der Ohrspeicheldrüse (die Feifcl- oder Fibel­geschwulst, der Mumps) Parotitis, lullainmatio parotidis.
Eine Fntzündung des Gewebes der Ohrdrüse und des unter der­selben befindlichen Zellgewebes kommt bei allen uuseni Haussäugelhie-ren vor; am häufigsten beim Pferde, der Ziege, dem Hunde und der Katze, selten beim Rindvieh. Da die Krankheit bei Katzen und bei Ziegen häufig und im hohen Grade ausgebildet vorkommt, so heissl sie auch in manchen Gegenden der Katzen- oder Ziegenpeter (wel­chen Namen sie auch hin und wieder beim Menschen hat). Sie befällt am häufigsten junge Thiere und entsteht in der Regel durch Erkältung, in manchen Fällen auch durch Verletzung, besonders bei dem unsinni­gen sogenannten Feifeibrechen und Feifeistechen, und zuweilen ist sie die Folge von Speichelsteinen, welche den Ausfiihrungskanal der Drüse verstopfen. Zuweilen erregt man sie absichtlich, um die sogenannte Speichelfistel sicherer zur Heilung zu bringen. Man findet die Krank­heit bald für sich allein, bald mit katarrhalischen Affectionen verbunden, oder auch nach diesen, daher bei Pferden bei und nach der Druse, Lungenentzündung, Influenza, bei Hunden bei und nach der Staupe. Mitunter kommt sie auch seuchenartig bei Menschen und Thieren vor,
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Ohrdrüsenentzunclung'.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 135
ohne dass gerade andere kalarrlialisclie Krankheiten in auffallender Weise mit ihr verbunden sind, und ihr Entstehen scheint daher zu ge­wissen Zeiten von einem speeifischen Miasma der Atmosphäre bedingt zu sein. Bei Menschen hat man sie dflers mit Anschwellung der Hoden, was bei Thieren noch nicht beobachtet worden, begleitet gesehen. Die Erscheinungen der Ohrdrüsenciitzüiulung sind: die eine oder auch beide Ohrdrüsen sind bald mehr bald weniger stark augeschwollen, derb gespannt und vermehrt warm; der Schmerz ist in der ersten Zeit gering, später auffallender. Die Thiere können den Kopf nicht an den Hals beugen und stehen desshalb mit vorwärts gestrecktem Hals und Kopf; gewöhnlich ist die Speichelabsonderung in der ersten Zeit vermehrt, bei hoher Ausbildung der Entzündung aber vermindert; auch das Athmen und Schlucken wird bei hohem Grade gestört. In diesem Grade stellt die Krankheit eine Art Bräune: „Ohrspeicheldrüsen­bräune (Angina parotidea) dar. Leidet die Drüse mehr oberllächlich, so sind die Erscheinungen der Bräune am wenigsten zugegen. Zuwei­len ist auch Fieber als katarrhalisches, rheumatisches oder entzündliches zugegen und bei Complikationen mit andern Krankheiten findet man die Symptome derselben.
Der Verlauf der Entzündung ist in den meisten Fällen ein mas­sig akuter. Die Krankheit entwickelt sich allmählig bis zu ihrer Höhe in 8 — 10 Tagen; dann erfolgt Zertheilung und in 14 Tagen verlie­ren sich alle Zufälle; doch erreicht die Krankheit in akuten Fällen ihre Höhe schon in 5 — 6 Tagen und in chronischen Fällen zieht sie sich durch 3 — 4 Wochen. Die Ausgänge sind häufig Zertheilung, bei acuten Fällen oft Eiterung, und bei chronischen theilweise oder gänz­liche Verhärtung, oder auch vollständige Eiterung und in recht aku­ten Fällen nach mechanischen Verletzungen tritt, obgleich sehr selten, auch Brand ein.
Zertheilung ist der beste Ausgang; die Eiterung ist oft nicht übel, doch kommt es auf deren Silz an, namentlich ob sie in der Drüse selbst oder im Zellgew-ebe unter ihr entstanden ist. Bilden sich in der Er-steren die Abscesse, so öffnen sich dieselben leicht von selbst und sind auch leicht heilbar. Oeffnet man sie mit einem Messer zu zeitig, so schneidet man leicht Speichelkanäle durch, besonders am untern Ende der Drüse, die Ränder werden dann leicht calloes, die Heilung erfolgt schwerer und zuweilen bleibt eine Fistel zurück. Ist die Entzündung unter der Drüse, so dauert es'lange, ehe sich der Eiter eine Bahn nach aussen bricht; er senkt sich dann zuweilen im Zellgewebe, daher muss man den Abscess, wenn er reif ist mit der liier nöthigen Vorsicht öffnen. Die Verhärtung ist in der Regel hier kein grosser Nachtheil, denn sie löst sich allmählig wieder auf. In seltenen Fällen wird die Verhär­tung krebsartig, so dass hierdurch üble Zufälle und selbst der Tod her­beigeführt werden können, welche man nur durch eine sehr eingrei­fende und schwer zu machende Exstirpation der Drüse möglicherweise abwenden kann. Der Brand in der Ohrdrüse ist gewöhnlich mit gro­ser Zerstörung in derselben verbunden und hinterlässt schwer heilende Geschwüre; zuweilen endet er mit dem Tode des Thieres.
Die Prognosis ist in den meisten Fällen günstig zu machen, richtet sich aber bei den besondern Zufällea nach diesen.
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Ohrdrüsenentzündung,
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Behandlung. Die Thiere müssen ruhig und warm gehalten wer­den, und weiches Futter in geringer Menge erhalten. Sind andere katarrhalische Zufälle zugegen, so verlangen diese noch ihre besondere Behandlung. Besteht Fieber, so sind gelinde salzige Laxirmittel nöthig, und bei Schweinen, Hunden und Katzen ist stets ein Brechmittel nütz­lich. Auf die entzündele Drüse legt man bei grossen Schmerzen Brei­umschläge von schleimigen und narkotischen Mitteln, bestreicht bei Nachtzeit (und wo es an der gehörigen Besorgung fehlt, statt der Um-shläge auch bei Tage) die Drüseugegend mit warmem Fett oder Oel oder mit der verdünnten grauen Merkurialsalbe und bedeckt sie mit einem Stück weichen Fell oder mit einem wollenen Lappen. Bei astheni-schem Zustande macht man Breiumschläge von aromatischen Pflanzen, reibt die graue Merknrialsalbe mit grüner Seife oder Ung. Al-thaeae, oder bei sehr geringer Empfindlichkeit selbst Liniment, campho-ratnm oder L. ammoniatum ein und bedekt den Theil mit Wolle etc. Die Salben weiden täglich 2 Wal anf der Stelle eingerieben und dann der Breiumschlag darauf gelegt. Ist die erste Entzündung nach 3 — 5 Tagen schon vorüber oder neigt die Entzündung zur Härte, so reibe man die Kantharidensalbe auf die Ohrdrüsc und wenn nach 6 Tagen noch keine Zerthciluug oder Eiterung erfolgt, noch einmal wiederholt. Hat sich nun Eiter gebildet, ist die Geschwulst spitz, lluktuirend, so mache man einen Einstich in sie, mit einer Lanzette oder mit einem Messer so gross, dass man mit einem Finger eingehen und mit demsel­ben die im Innern etwa noch bestehenden zelligen Scheidewende tren­nen kann. Ist die Geschwulst am oberu Ende der Drüse, so ist ihre Eröffnung mit dem Messer oder der Lanzette, wie oben angegeben, nicht gefährlich; ist der Abszess hingegen mehr am untern Ende, so muss man vorher die Vene am Halse unterdrücken und hierdurch ihren Verlauf unter der Drüse mehr sichtbar machen, damit man sie. nicht ansticht; und bei tiefer Lage des Eiters in dem untern Ende der Drüse macht man ausserdem noch die Ocffnung am besten mittelst des Troi-kars, weil diesem die etwa an der Operationsstelle liegenden Gefässe etwas ausweichen und dadurch noch mehr die Blutung vermieden wer­den kann. — In den meisten Fällen spritzt aus diesen Abszessen ein sehr stinkender Eiter in einem Bogen heraus, wesshalb man vorher eine passende Stellung nehmen muss. Nach der Entleerung macht man durch einige Tage noch fortgesetzt warme Breiumschläge von Hafer­grütze, Leinkuchen etc., damit durch die Eiterung das angegriffene Zell-fewebe vollständig abgestossen werde. Dann besteht die Behandlung los in Reinigung und die Heilung erfolgt bald.
Ist aber nach dein Oeffncn an einzelnen Stellen noch Härte mit sehr geringer Entzündung verbunden, so reibe man die scharfe Salbe ein. Bleibt nach erfolgter Heilung des Abszesses noch Härte zurück, so kann man warme Breiumschläge von narkotischen und schleimigen Mitteln, und Einreibung von Uugt. Althaeae, der Jodsalbe mit Seife, Liniment, camphorat s. L. ammoniat. machen und wenn diese Mittel nicht fruchten, die scharfe Salbe zu wiederholten Malen einreiben oder auch die verhärtere Stelle über und über mit dem knopffürmigen Brenaei-geu punktireu.
Wenn die Verhärtung eine krebsartigen Beschaffeuheit annimmt,
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Entzündung der Lymphdrüsen im Kehlgange.
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was glücklicherweise äusserst seilen geschieht, sucht man die aufgebro­chenen, wuchernden Stellen durch Aetzen mit Chlorzink xu zerstören und umzustimmen, oder man exslirpirt die Drüse. (Siehe Krebs.)
Viertes Capitel.
Entzündung der Lymphdrüsen im Kehlgange bei Pferden, Eseln und Maulthieren.
Diese Entzündung findet sich bei den genannten Thieren ohne Un­terschied des Geschlechts und der Ralt;;e, jedoch am Läufigsien im ju­gendlichen Alter derselben. Sie kommt sporadisch, aber nicht selten auch seuchenartig unter den Pferden einer Gegend -vor und ist in den allermeisten Fällen mit einer cnlzüiidlich-katarrhalisclien Reizung der Schleimhaut der Rcspiralionsorgane, besonders der Nase verbunden und dessbalb auch oft mit Bräune, Bronchitis, katarrhalischer Lungen­entzündung, Influenza und Rheumatismus complicirt. Sie 'entsteht in den meisten Fällen nach Eikällungon, jedoch mehr sekundär als di­rekt, und in manchen Fällen wohl auch metastatisch. Es seheint als ob die Lymphgefässe in der afficirten Scbleimhaut den kranken Stoff aufnehmen und in die Drüsen führen, wo er abgelagert, diese reizt und krank macht, und einc^bald active, vollkommene, bald eine unvoll­ständige Entzündung veranlasse Im Ganzen herrschen 2 Ansichten, wie die Lymphdrüsenentzündungen sich entwickeln. Die eine ist die schon angedeutete, wo durch den zugeführten krankhaften Stoff die Drüsen ge­reizt, aufgelockert und entzündet vs'erden. Nach der andern, altern, welche aber in der jüngsten Zeit durch Haubner1), wieder in Aufnahme ge­kommen ist, entwickelt sich im Blute ein kranker Stoff, Drüsenstoff, der sich im Kehlgang metastatisch ablagert und dadurch die Druse er­zeugt. Bei der Entzündung leidet nicht allein das Drüsengewebe, son­dern auch das Zellgewebe im Umfange derselben bald mehr bald we­niger. Die Drüsenentzündung trägt die Symptome der Entzündung überhaupt. Die Drüsen lockern sich auf, die einzelnen Körner werden grosser, heiss und schmerzhaft, endlich fühlt man nicht mehr die Drü senkörner, sondern nur Läppchen und später die ganze Drüsenmasse mit dem Zellgewebe angeschwollen. Zuweilen ist nur die Drüse der einen Seite ergriffen, oft leiden beide Seiten.
Die Entzündung dauert gewöhnlich 8—14 Tage; sie steigt bis zu 5—8 Tage und bleibt dann entweder durch mehrere Tage stehen, ohne dass wesentliche Veränderungen eintreten, oder es erfolgt Minderung und Zertheilung, oft selbst ohne künstliche Hülfe. Zuweilen verliert sich die Entzündung, aber Geschwulst und Härte bestellt fort, oder in den meisten Fällen geht die Entzündung in Eiferung über und bildet
') Magazin für die gesammtlaquo; Thierheilkunde, 1643 S. Wl u. 295.
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Entzündung der Lymphdrüsen im Kehlgange.
bald einen, bald mehrere Abscesse, — letzteres dadurch, daslaquo; entweder die Drüse jeder Seite für sich in Eiterung übergeht, oder auch dadurch, dass nach und nach die einzelnen Läppchen einer Drüse in Eiterung versetzt werden. Bei der Eiterung leidet nicht, allein das Drüsenge-webe, sondern auch das Zellgewebe. Die Eiterung Iritt zuweilen schon mit 6, gewöhnlich aber nicht vor 10 Tagen ein. Die Absces.se heilen leicht, wcuu sie nur nicht zu früh geöll'uel werden, und die mcislen Pferde werden dann gesunder und munterer, als in den Fällen, wo die Ent­zündung zerlheilt wurde. Doch stehen die katarrhalischen Zufälle hin­sichtlich ihres Verlaufs nicht immer in einem engen Zusammenhange mit dem Verlauf der Drüseneulzüudung.
Die Prognosis ist günstig, wenn nur bei Zeiten eine zweckinäs-sige Behandlung slatlfindet. Bleisalbe und Kälte dürfen nicht angewen­det werden, weil dann leicht Verhäiluugeu entstehen, die oft für im­mer zurückbleiben.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
Behandlung. Sie ist der bei der Ohrdrüsenentzündung fast ganz gleich. In der eisten Zeit sucht man die Zertheilung zu quot;befördern, durch graue Meikurialsalbe. bei asthenischem Charakter durch Althäen-salbe; bei Entzündung mit erelhischem Charakter durch blosses Bestreichen mit Fett und Bedecken mit schlechten Wärmeleitern, z. B. Schaffell, wol­lenen Lappen u. s. w. Ist die Entzündung mehr zur Eiterung geneigt, so bestreiche man die Stelle mit Ungt. Althaeae, oder bei torpidem Charakter mit diesem und Lorbeeröl oder mit ranzigem Fett, aus-serdem macht man warme Breiumschläge. Hat sich ein Abscess ge­bildet, so soll er nicht zu früh geöffnet werden, sondern man warte, wenn es geht, lieber, bis er von selbst aufbricht. Ist er dagegen in der Tiefe und nach 8 Tagen noch nicht aufgebrochen, so kann man ihn mit einem Einstich in der Längemichtung des Kehlganges öffnen, dann geht man mit dem Finger ein, um etwa noch vorhandene einzelne Scheidewände zu durchtrennen. Nach dem Oeffnen setzt man die Be­handlung noch einige Tage so fort, wie vorher, bis die Eiterung aufhört. — In unglücklichen Fällen bilden sich Fisteln; diese werden mit einer Auf­lösung von Höllenstein (10 Gr. zu 3j destil. Wasser) ausgespritzt, oder mit Kanlharidentinktur bestrichen, oder mit dem glühenden Eisen gebrannt.
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Fünftes Capitel.
Entzündung der Unterzungen — und der Unterkiefer-Speicheldrüsen.
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Die genannten Drüsen entzünden sich zuweilen bei Pferden und beim Kindvieh und bilden sowohl im Kehlgange, wie auch im Maule massig heisse und schmerzhafte Anschwellungen, welche jedoch stets
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Entzündung der Unterzungen-Speicheldrüsen.
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flacher bleiben, als die Anschwellungen von den ealzumleten Lymph­drüsen im Kehlgange. Wenn die Untcrzungendiüsen leiden, findet sich die Anschwellung im Kehlgange fast gegenüber dem Zungeubändchen und bei der Entzündung der Unterkicferdrüse hat die Geschwulst ihren Sitz weiter oben neben dem Kehlkopfe und der innern Fläche des Unterkiefers. Ausserdem bemerkt man, dass die leidenden Thiere be­schwerlich kauen und Auslluss von Speichel und Sehleim aus dem Maule reichlich stattfindet. Die Thiere zeigen auch vermehrte Wärme im Maule, und beim Hervorziehen der Zunge Schmerz. Wenn Eiterung entsteht, findet sich auch übler Geruch aus dem Maule hinzu. In die­sem Falle nimmt äusserlich die Geschwulst durch 6 — 8 Tage allmälig mehr zu, eine Stelle erweicht und es tritt eine wcissgelbliche oder graue Flüssigkeit aus derselben hervor, welche im höchsten Grade stinkt. Die Oeffnung vergrössert sich allmälig und es gehen auch Theile der Drüsen und des umliegenden Zellgewebes durch Auflö­sung und Verjauchung verloren. In manchen Fällen öiTnet sich der Abscess der Unterzungendrüsen im Maule zwischen dem Zungenbändchen und den Aesten des Unterkiefers und es fliesst dann eine eben so stin­kende, weissgraue Flüssigkeit aus ihm in das Maul.
Die Ursachen sind in vielen Fällen nicht sicher bekannt; in man­chen Fällen ist offenbar Erkältung die Veranlassung, in anderen scheint aber Druck und Quetschung, z.B. durch den Knebel der Half­terketten oder der Kinnkette an dem Entstehen des Uebels Schuld zu haben.
Die Prognosis ist zwar in der Regel insofern günstig, als fast in allen Fällen eine Heilung erfolgt; allein nur in seltenen Fällen tritt Zer-theilung ein, in den meisten entsteht. Eiterung und theilweise Zerstö­rung der Drüsen und des um sie liegenden Zellgewebes, ohne dass je­doch üble Folgen davon zurückbleiben. In seltenen Fällen entstehen Speichelfisteln, welche jedoch, obgleich langsam, vollständig geheilt werden.
Die Kur ist in der ersten Zeit auf die Zerthcilung gerichtet, weshalb man die graue Merkurialsalbe im Kehlgauge. im Umfange der leidenden Parthie, täglich 2 —3 Mal gclind einreibt und dabei Einspritzungen in das Maul -von Chlorwasser oder von verdünnter Salzsäure mit Honig, oder mit Mehlwasser macht. Man nimmt z. B. sect;/J concentrirter Salz­säure, 2 Quart Wasser und sect;iv Honig, oder statt des Wassers eben so viel Mehlwasser, und spritzt davon täglich 4—6 Mal, jedes Mal ^ Pfund, in das Maul unter die Zunge ein. Bei grossen Schmerzen kann man auch äusserlich Umschläge von Leinsamen, -von Bilsenkraut u. dgl. Mitteln machen. Man giebt den Thiercn dabei weiches Futter und Mehltrank oder Kleientrank. Erfolgt in 5 —6 Tagen weder Zer-theilung, noch der Anfang zur Eiterbildung, so reibt man die scharfe Salbe an der leidenden Stelle im Kchlgange ein. Findet sich eine Spur von Eiterung, so öffnet man bei Zeiten und setzt dann die Breium­schläge fort; bei schlechter Eiterung pinselt man das Geschwür mit Aloe oder Myrrhentinktur oder mit Terpenthinöl aus und wiederholt dies täglich, bis gute Eiterung entstanden ist, worauf man weiterhin nur für dienöthige Reinigung zu sorgen hat. Siokert aber aus der Granulation Speichel, so betuplt man dieselbe mit Lapis infernalis, oder man spritzt
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Entzündung der Zunge.
eine Auflösung von diesem Miltcl (3/5 zu 3jij Wasser) täglich 1—2 Mal und durch 3—4 Tage fortgesetzt in das Geschwür, worauf gewöhnlich bald eine feste Vemarbuug erfolgt.
•i ______.
Sechstes Capitel. Entzündung der Zunge.
Die Zunge ist bei den sämmtlichen Haussäugethieren und zuweilen auch bei Vögeln, namentlich bei den Hühnern, der Entzündung unter­worfen; im Ganzen ist jedoch diese Krankheit seilen. Ihre Symptome sind: Die Zunge ist mehr oder weniger stark angeschwollen, derb, ver­mehrt warm, dunkelroth, zuweilen selbst bläulich, dabei wenig beweg­lich, so dass die Thiere wenig oder gar kein Futter in das Maul neh­men oder dasselbe kauen können. In manchen Fällen ist die Anschwel­lung so bedeutend, dass die Zungenspitze gegen einen ganzen Zoll lang über die Schneidezähne hervorsteht und von den letztem tiefe Ein­drücke erhält; dabei entstehen Blutextravasate im Umfange der gedrück­ten Stellen und selbst Excoirationen; zuweilen finden sich auch dunkelrothe oder blaue Stellen, auch gelbe Bläschen, welche bald frü­her bald später platzen und eine gelbliche Jauche aussickern. In ande­ren Fällen entstehen gelbliche sulzige oder lyrapathische Anschwellun­gen neben dem Zungenbiindcheu, und fast immer fliessl den Thieren zä­her Speichel aus dem Maule, der zuweilen sehr übelriechend ist.
Die Ursachen sind in den einzelnen Fällen verschieden, häufig entsteht die Entzündung durch mechanische Verletzungen, wie z. B. durch zu scharfe Zahnspitzen, durch fremde Körper, welche mit dem Futter, ins Maul gekommen sind, Glas, Nägel, Dornen u. s. w. zuwei­len beissen sich die Thiere auch beim ungeschickten Kauen grob aur die Zunge oder dieselbe wird durch scharfe, gedrehte Gebisse, beson­ders durch sogenannte Doppelgebisse gequetscht, oder auch durch das Anbinden an das Gcbiss, bei Pferden, welche die Gewolmheit haben, die Zunge hervorzustrecken, zusammengeschnürt und dadurch zur Ent­zündung gebracht. In manchen Fällen entsteht die letzlere auch durch scharfe Stolfe, wie z. B. wenn die Thiere an frisch getünchten Wän­den den Kalk ablecken, oder wenn sie die an andern Stellen des Kör­pers angewendete Kaulharidensalbe, Sublimatsalbe u. s. w. ablecken, wie auch: wenn ihnen bei dem Eingeben von Brechweinstein, Aetz-und Chlorkalk, Crotonsamen, Schwefelleber u. dergl. ein Theii des Mittels im Maule sitzen bleibt u. s. w. Ausserdem kommt auch eine eigene Form des Milzbrandes unter den Erscheinungen einer Entzün­dung in'der Zunge und deren umgebenden Theilen vor (Glossanthrax) bei welchem die oben erwähutelaquo; blauen oder dunkelrothen Flecke,
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Entzündung der Zunge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;141
die gelblichen Bläschen und die sulzigen Anschwellungen unter der Zunge enlstehen.
Der Verlauf der Zungencnlzündung ist je nach den angedeuteten •verschiedenen Ursachen und nach deren oberflächlicher oder tieferer Einwirkung bald sehr kurz, bald auf eine längere Zeit von 8—14 Tagen ausgedehnt.
Die Beurtheilung ist ebenfalls nach den verschiedenen Ursachen, nach dem Grade und der Dauer der Entzündung verschieden. Ist die Zungenentzündung durch oberflächliche Verletzungen erzeugt und sind die verletzenden Ursachen nicht mehr vorhanden, oder leicht zu besei­tigen, so erfolgt die Heilung gewöhnlich sehr leicht, ist aber die Ent­zündung tief in die Muskelsubstanz der Zunge eingedrungen oder dauern die Ursachen noch fort, so ist auch die Krankheit zuweilen sehr hart­näckig, wie dies besonders der Fall ist, wenn die Zungenspitze über die Schneidezähne hervorragt und von denselben beständig gedrückt und gereizt wird. In diesem Falle entsteht sehr leicht Brand an der Zungenspitze, in Folge dessen gewöhnlich dieselbe auf eine Strecke von 2 — 3 Fingersbreite verloren geht. Dabei können Jedoch die Thiere erhalfen werden, dieselben erleiden für einige Zeit, d. h. bis sie sich an den Verlust der Zungenspitze gewöhnt haben, beim Kauen eine Störung. Die Einwirkungen scharfer Stoffe veranlassen gewöhnlich nur oberflächliche und leicht heilbare Entzün­dungen, bei welchen aber fast immer ein Theil der Zungenschleimhaut verloren geht und die Ernährung ebenfalls durch einige Zeit gestört wird. Die gefährlichsten Zungenenlzündungen sind die vom Milzbrand, oder auch wenn sich Geschwüre bilden und sich Futterstoffe in dieselbe einsetzen; denn im ersten Falle besieht die Entzündung mit einer bös­artigen Veränderung des Blutes, bei welcher der Tod darch Lähmung des Herzens, der Lungen u. s. w. plötzlich eintreten kann. Dies ist je­doch nicht in jedem Falle absolut nöthig, denn die Erfahrung zeigt im Gcgenthcil, dass der Glossanthrax, in den meisten Füllen geheilt wird; wenn jedoch dabei ein sehr kleiner und beschleunigter Puls, beschwer­liches Athmen, stierer Blick und kalter Schwciss hinzutreten, ist stets grosse Gefahr vorhanden1).
Die Behandlung hat zuerst die Aufgabe: die etwa noch fortwirkenden Ursachen wegzuschaffen, was je nach Art der­selben, durch das Ausspülen und Beinigen des Mauls mit schleimigen Flüssigkeiten, mit Mehlwasser oder mit Milch, durch Entfernung frem­der Körper, durch das Abfeilen oder Abhobeln der scharfen Zahn­spitzen, und selbst durch Herausnehmen zu langer und krummgewach­sener Zähne, durch das Weglassen der seharfen Mundstücke u. s. Vt. bewirkt wird. Gegen die Entzündung selbst macht, man wenn dieselbe in einem hohen Grade besteht, einen reichlichen Aderlass und örtliche
') Bei dieser Form der Zungenentzündung muss man, wie bei den An-thraxkrankheiten überhaupt, alle Vorsiclilsnuissregeln anwenden, um sich selbst und die Gehülfen oder Wärter des Thieres, sowie auch andere Thiere, gegen eine Infection zu sichern. Man vermeide namentlich die Einwirkung der Jauche aus den Bläschen oder des etwa beim Aderlass entleerten Blutes auf die Haut des menschlichen Körpers, und man lasse das Blut auch nicht an solche Orte schütten, wo andere Thiere dasselbe lecken oder fressen können.
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Entzündung der Zunge.
Hlutenlleerungen durch Scarificationcn. Die letztern sind bei heftiger Eulzüuduug von der grösslen Wirksamkeit. Sie werden an der obern Fläche der Zunge ucbea der Miltelliaie derselben gegen 1—2 Zoll lang und 3 — 4 Linien lief, an der untern Fläche ebenfalls an bei­den Seilen neben der Mittellinie, aber nur in der Hälfte der be­zeichneten Länge gemacht. Die Blutung aus ihnen dauert oft ziemlich lange, so dass die Thiere zuletzt dadurch geschwächt werden und dass man sie durch Befeuchten der Wunden mit Essig stillen muss. Erscheint die Zungenspitze durch den Druck der Zähne bläulich oder schwärz­lich gefärbt, so macht man die Einschnitte, einen vom andern einen Finger breit entfernt, rund um die Spitze herum. Nach den Scarifica­tioncn wäscht man die Zunge fleissig mit recht verdünnter Salzsäure (sect;|S zu 2 — 3 Quart Wasser) oder mit Chlorwaser, oder mit einem Gemenge von W'asser und Essig mit Zusatz von etwas Honig. Beste­hen Excoriationcn au der Zunge, so benutzt man zum Befeuchten des Mauls eine Abkochung von schleimigen Mitteln. Ausserdem kann man bei recht heftiger Entzündung besonders wenn Milzbrand die Veran­lassung dazu ist, im Getränk eine Auflösung von Glaubersalz verabrei­chen, oder wcuu die Thiere kein Getränk zu sich nehmen, eine solche Auflösung täglich ein bis zwei Mal vorsichtig einschütten. Die Bläs­chen oder Gcschwürcheu bei der milzbrandigen Zungenentzüudung be­feuchtet man mittelst eines sogenannten Pinselstockes täglich 4 — 6 Mal mit einem Gemenge von 1 Theil Salzsäure oder Schwefelsäure mit 4 bis 5 Theilen Wasser, und in der Gegend des Kehlkopfes applizirt man äusserlich am Halse das Ung. Caulharidum, oder ein Haarseil, oder das glühende Eisen, indem man mit letzterem 4 — 6 Punkte ne­ben einander brennt. Bilden sieh nach einer Zungenenlzündung Ge­schwüre in ijgend einem Punkte der Zunge, so muss man dieselben nach jeder Futterzeit gründlich reinigen und mit einem aromatischen Infusum, zu welchem man bei grosser Torpidität noch etwas Aloe- oder Myrrhentinktur hinzuthun kann, reichlich befeuchten.
Siebentes Capitel.
Die Entzündung der Schilddrüse.
Diese Entzündung kommt im Ganzen nur selten bei Pferden, Rin­dern und Hunden vor; zuweilen leidet nur eine, in andern Fällen lei­den beide Drüsen. Die Erscheinungen bei dieser Entzündung sind die gewöhnlichen, nämlich eine vermehrt warme, massig schmerzhafte, derbe Anschwellung an einer oder an beiden Seiten der Luftröhre in der Gegend des Kehlkopfes. Die Geschwulst vergrössert sich bald schneller bald langsamer, bei Pferden oft bis zur Grosse einer Faust, bei Hunden bis zur Grosse einer grossen Wallnuss. Nach etwa 8 bis 4 Wochen verlieren sich die vermehrte Wärme und die Schmerzhaf-tigkeit, während die Geschwulst zurückbleibt und zuweilen noch derber wird, als sie in der ersten Zeit war. Die Drüse ist dann verhärtet und bleibt so in den meisten Fällen für immer, ohne dass hierdurch
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Entzündung der Schilddrüse.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 143
audervveilige Slöruugeu enlslelien. Bei einer zweckmässigeu uud zei­tigen Behandlung erfolgt oft Zerlhcilung, bei verspäteter und unpassen­der Behandlung tritt die bezeichnete Verhärtung ein. Bei Hunden fin­det sich zuweilen, wenn die Entzündung einen akuten Charakter an sich trägt, Eiterung ein. Es bildet sich dabei unter den gewöbnlichen Er­scheinungen ein Abscess, der sich in etwa 8 — 10 Tagen nach der Entstehung reif zeigt uud sich entweder selbst öffnet oder leicht geöff­net werden kann. — Als Ursachen sind oft mechanische Yerlelzungen durch die Halfter, den Kopperriemen, und bei Hunden durch das Hals­band (namentlich durch metallene Halsbänder) zu beschuldigen; in manchen Fällen, besonders in Gebirgsgegenden scheint der Genuss von kalk- und gypshaltigem Wasser die Veranlassung zu sein, ähnlich wie bei dem Kropf des Menschen; in einzelnen Fällen waren die Ursa­chen nicht zu entdecken.
Die Behandlung. Wenn die Enlzündung frisch entstanden Ist, giebt man innerüch kühlende uud abführende Salze und bei Hunden von Zeit zu Zeit wiederholt ein Brechmittel, und hält dabei die Thiere in recht magerer Diät. Die etwa entdeckten Ursachen beseitiget man, und wo Verdacht auf die Mitwirkung des Wassers besteht, lässt man ein an­dres Trinkwasser besorgen oder, wenn dies nicht zu beschaffen ist, lässt man das bisherige Trinkwasser vor der Anwendung abkochen, oder mit einem glühenden Holzbrande ablöschen. Aeusserlich reibt man täglich 2 — 3 Mal die graue (Quecksilbersalbe ein und macht dar­über Umschläge von Schierlingskraut oder Belladonna- oder Bilsen­kraut u. dergl. Zeigt aber die Enlzündung einen torpiden Charakter und nimmt sie einen chronischen Verlauf, so kann man scharfe Ein­reibungen, etwa alle 8 Tage wiederholt anwenden. Hierzu muss man bei Hunden an der beireffenden Stelle die Haare abscheeren und über die Salbe eine Binde um den Hals legen, damit sie die Salbe nicht abschütteln oder abkratzen.
1st bei Hunden ein Abszess in der Drüse entstanden und völlig reif, so öffnet man ihn mit einem schmalen Bistouri, mit der Schneide ge­gen den Unterkiefer und mit dem Rücken gegen die Brust gekehrt, wo­rauf gewöhnlich blutiger Eiter ausfliesst. Hierauf geht man mit der Fin­gerspitze oder Sonde ein und sieht zu wie weit sich die Höhle gegen die Brust hin erstreckt. Ist sie tiefer wie einen Finger breit, so schneidet man den untern Rand mit einem einfachen Bistouri auf; Gefahr ist dabei nicht vorhanden. Der Eiter ist nämlich meistens schon aus der Drüse ausgetreten und die Höhle beQndet sich nur unter der Haut. — Man macht dann durch einige Tage lauwarme Bähungen von gelind aromatischen Mitteln Kamillcninfusum u. s. w., und die Heilung erfolgt leicht. 1st die Haut an der innern Seite torpide uud will sie sich nicht mit dem Halse vereinigen, so bestreiche man die innere Fläche mit Höllcustcinaufiösung, oder mit Kanlharidentinktur.
Geht die Entzündeung in Verhärtung über, so lässt man die Jod­salbe (3jS Jod, 5j Jodkali und Jj grüne Seife) täglich 2 Mal einreiben, aber nach 3 — 4 Tagen immer ein Mal hiermit aussetzen. Hunden kann man auch das Jod innerlich geben, je nach der Grosso der Thiere ^ Gr. bis 2 Gr. täglich 1 bis 2 Mal in Latwergen, Pillen oder auch in Auflösung. Auch mit dieser Anwendung darf immer nur 2 bis 3
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Entzündung der Schilddrüse,
Tage fortgefahren werden, worauf man eine Pause durch 24 — bis 48 Stunden macht und dann wieder mit dem Mittel fortfahrt. Kann man durch diese Mittel die Auflösung und Zertheilung der Kropfge­schwulst nicht bewirken, und wünscht der Eigenthümer dennoch, dass dieselbe beseitigt werde, so kann man das verhärtete Organ exstirpiren, was jedoch mit grossei' Vorsicht geschehen muss, weil die Drüse mit starken Blutgefassen unmittelbar von der Carotis her reichlich versehen ist; und ferner weil ihre Arterien und Venen mit denen der andern Seite anastomosiren. Bei entstehenden Verletzungen dieser Gefösse müssen desshalb aber auch immer beide Enden derselben unterbunden werden. — Die Thiere werden, nachdem man die Unterbindungs-mittel besorgt, niedergelegt. Man macht über die Mitte der Ge­schwulst, (das Tliior stehend gedacht) in der Lhngenrichtung des Halses, mittelst Bildung einer queren Hautfaltc, einen grossen Haut-schnitt. Man durchschneidet den Halshautmuskel, präparirt diesen und die Haut von der Geschwulst ab, umgeht dieselbe mit dem Finger oder Scalpellstiel, so dass man die Gefasse fühlt, zieht sie etwas hervor, und unterbindet die Gefasse, nachdem man dieselben umgangen, so dass von der unteren Schilddrüseiiarterie wenigstens ein f Zoll langes Ende an der Carotis verbleibt und schneidet sie dann durch. Ebenso von der obern Schilddrüseiiarterie und von den Venen, bei letzteren eher noch vorsichtiger. Daraufsucht man an der vorderen Seite des Halses die Anastomosen, deren gewöhnlich 4 — 8 sind, auf, unterbindet sie alle doppelt und durchsclineidet sie. Zuletzt durchschneidet man das Quer­band zwischen den beiden Drüsen und entfernt die Geschwulst. In Folge dessen bleibt eine grosse Höhle, in welcher die Luftröhre und die Gefasse frei liegen; daher muss man einen schützenden Verband umlegen und die Eiterung erwarten, ohne welche die Wunde nicht heilt. Man macht zu diesem Zwecke ein gegen 1J- Finger dickes Wergpolster, legt es in die Wunde heftet mit 3 einzelnen Heften die Wundrander wieder zusammen und wartet die Eiterung ab; das unterste Heft darf nicht zu nahe am untersten Wundwinkel sein. Erst mit 2 — 3 Tagen, wenn der Eiter sich in Tropfen am untern Wundwin­kel gezeigt hat, öffnet man den Verband, nimmt das Werg heraus, reinigt die Wunde mit lauwarmem Wasser und legt frisches Werg hin­ein. Dies setzt man 3 Tage fort; unterdessen ist, guter Eiter und Gra­nulation eingetreten, man lässt nun das Werg weg, zieht die Wundränder locker zusammen, so dass sie sich berühren, und die Hei­lung erfolgt in vierzehn Tagen bis drei Wochen. Die Unterbindungs­faden lösen sich in vier bis acht Tagen los; doch darf man nicht an ihnen zupfen.
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Enlziindung der Drossclvcnc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;145
Achtes Capiiel.
Die Entzündung der Drossclvcnc, Plilebilis Vc-unc jugula ris.
Die Drosselvenc cnlzündet sich gewöhnlich nur in Folge eines vorausgegangenen Aderlasses bei Pferden und beim Rindvieh. Die Er-sclieinungen dabei sind: die Haut mit dem Zellgewebe an der Aderlass-slcllc, und die Vene daselbst schwellen etwas an, die Haut wird lieiss und bei der Berührung schmerzhaft. Bei weiterem Verlaufe neh­men diese Zufalle zu. die Geschwulst erstreckt sich über die verletzte Slelle der Vene im Verlaufe der letzteren allmälig weiter nacli oben und wird strangformig; sehr seilen nimmt sie auch nach unten etwas zu, jedoch dann niemals in der Ausdehnung, wie dies nach oben geschieht. Hei dieser Zunahme der Entzündung bewegen manche 'filiere den Hals nicht gern nach der Seite. Wenn man die Nadel wegnimmt, welche zur Verschliessung der Hautwunde an der Aderlassstelle dient, so ge­llen in der Regel die Wundränder, selbst nach 2 bis 3 Tagen nach der Operation, aus einander und es sickert aus der Wunde etwas zer­setztes schwarzes Blut. Gewöhnlich finden sich um den 5., 6. Tag in der Wunde Eiterung und zuweilen auch jetzt oder später 151u-tungen ein, letztere besonders zu der Zeit, wenn die Thierc Futter kauen. Die Entzündungszufällc können auch jetzt noch zunehmen, und die Geschwulst in der Vene kann sich nach und nach bis zur Ohrdrüse, selbst noch unter dieselbe erstrecken, wobei gewöhnlich die Spannung und der Schmerz so gross werden, dass die Thiere nicht gehörig kauen können und zuweilen selbst ein Reizfieber bekommen In der ersten Zeil ist die Entzündung nur auf die äusscre Haut der Vene au der Aderlassslelle beschränkt, bei der Zunahme des Uebels wird aber auch die. innere Haut mit ergriffen und beide verdicken sich durch Aus­schwitzung von Faserstoll' zwischen ihnen bald mehr bald weniger stark. Gleichzeitig erfolgt auch Ausschwilzuiig von Faserstoff an der innern Haut, dieselbe wird von adhärirendcin Faserstoff rauh, es bilden sich aus den rauhen Punkten allmälig Schichten von Pseudomembra-nen, welche das Lumen der Vene bald mehr bald weniger vermindern und den Blutdurchgang beschränken. Das Blut selbst adhärirt an diese neugebildeten Schichten, slockl, bildet einen Blntpfropf (.Thrombus) und verschliesst durch denselben die Vene gänzlich. Durch diese allmäligc Veränderung der Vene bedingt, wird die Blutcirculation durch dieselbe zuletzt ganz aufgehoben, was man äusserlich daran erkennt, dass bei einem am untern Ende des Halses in der Nähe der Brust auf die Vene gemachten Druck dieselbe nicht mehr anschwillt. Zufolge des gestörten oder gänzlich gehemmten Rückflusses des Blutes vom Kopfe zeigen manche Thiere während einiger Zeit Betäubung, fast so wie die am Dummkoller leidenden Pferde.
In den meisten Fällen bleibt die Aderlasswunde fortwährend offen, wenn erst die bezeichnelcn Zufälle auch nur im geringen Grade eingetreten sind, und es besteht aus ihr eine bald mehr bald weniger reichliche Eiterab­sonderung. In seltenen Eällen heilt die Wunde für eine kurze Zeit zu, bricht aber dann wieder auf und sickert aus einer kleinen Oefï-
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146nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Entzündung dor ürossclvenc.
uung, deren Ränder sehr bald kallüs oder mit üppiger Granulatlou be­deckt werden, einen dünnen Eilcr. Uiilersuehl man in dem einen, wie in dem andern Falle die Oelluuug mit einer Sonde, so kann mau mit dieser in horizontaler Richtung gegen 1 Zoll und selbst noch tiefer, nach oben aber 2 — 4 Zoll tief eindringen; nach abwärts zu findet sich die Vene entweder verwachsen, oder durch eine slrickförmige Yerdik-kung des Wandrandes sehr verengt. Dieser Zustand stellt die soge­nannte AderfisteJ dar. — In manchen Fällen entsteht unmittelbar nach dem Aderlässen ein blosses ßlutextravasat unter der Haut und veranlasst Geschwulst, zuweilen auch Eiterung, jedoch uur im Zellge­webe und ohne dass die Vene mitleidet. Solche Fälle sind nicht als Aderfisteln zu betrachten.
Die Ursachen der quot;Venencnlzündung sind zum Theil in der mit der Aderlasswunde verbundenen Reizung zu suchen, jedoch nicht darin allein, weil sonst diese Entzündung viel häuliger vor­kommen müsste, als es wirklich der Fall ist; man beschuldigt besonders den Gebrauch nicht recht scharfer, oder unreiner, ver­rosteter Instrumente, sowie auch die quot;Verletzung der Venenklappen, aber ebenfalls ohne Grund 1). Wichtiger ist das zuweilen zu starke Schlagen auf die Ader und deren Umgebung bei dem Aderlassen mit der Fliete, noch mehr das Reiben und Scheuern der Gegend um die Aderlasswunde, welches die Thiere sich selbst an Krippen u. s. w. zu­fügen, oder welches ihnen durch umgelcgle Stricke oder Ketten zuge­fügt wird. Sehr häufig scheint auch eine besondere, der rheumatischen verwandle Krankheitsconslilulion, und wahrscheinlich eine hierbei bestehende zu plaslische Beschaffenheit des Blules an dem Enlslehen des Uebels Anthcil zu haben, da die Venencnlzündung in manchen Pe­rioden selbst unler den Händen recht geschickler Thierärzte häufig ent­steht, während sie zu anderen Zeilen, selbst bei dem Reslehen von äusserlichen Gelegenheitsursachen, nicht beobachtet wird.
Der Verlauf der Venenentzündung ist, sich selbst überlassen, stets chronisch. Es dauert oft die Eulzüntlung unil die Fistel durch 3 bis 4 Monate, ehe gänzliche Verwachsung der Vene und dadureli die Schliessung der Fistelöffnung erfolgt.
In manchen Fällen scliliesst sich die Fistelöffnung grüsstentheils oder gänzlich, aber in Folge des hierdurch gehinderten Eiferausflusses bilden sich höher hinauf, zuweilen unmiltclbar unter der Ohrdrüse, Abscesse, welche sich öffnen oder kfinsllich geöflnet werden kr m, und wonach in der Regel die Heilung der Fistel erfolgt. In ung. ckli-chen Fällen erstreckt sich zuweilen die Enlzündung der Vene und die Eiterung bis in oder an den Schädel und es enlslebt dann Dunmikoller oder Schlagfluss und Lähmung; und in noch anderen Fällen senkt sich Eiler in den unteren Theil der Vene, mengt sieh daselbst mit dem Blute, erzeugt Stockung und Reizung im Lungengewebe, Abscesse, Zehrfieber und den Tod. Zuweilen werden die Thiere auch durch den oft wiederholten Blutverlust sehr geschwächt, oder selbst in Lebensge­fahr versetzt. — Durch eine zweckmässige Behandlung ist die Venen­entzündung fast immer glücklich zu heilen, namentlich wenn das Uebel —laquo;.-----------
•) S. Magazin für die ges. Thierheilknnde. Band XII. S. 500.
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Entzündung der ürossclvcnc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 147
noch neu ist, und in ciuem solcliou massigen Grade besieht, dass der Durchgang des Blutes durch die Vene noch theilweise stattfindet — was man an der durch Unterdrückung des Blulstroms erfolgenden Fül­lung der Vene an und unter der kranken Stelle erkennen kann.
Die Heliandlung. — Pferde mit beginnender Aderfistel müssen zunächst hoch und so aiigebuudcn werden, dass sie sicli an der Ader-lassstclle nicht reiben können; ebenso muss man alle anderen Veran­lassungen hierzu, wie z. IJ. durch Geschirre, durch die Zügel oder die Führungsleiue, so wie auch alles, was den Ruckfluss des Blutes stört oder ihn übermässig stark zur Aderlasssfelle erregt, z. B. enge Kummt-geschirre, zu hoch liegende Brustblätter und dergl. vermeiden, und die Thiere dürfen nur weiches, leicht zu kauendes Futter in geringer Menge erhalten. Die entzündete Stelle am Halse befeucblet man oft wieder­holt mit kaltem Wasser, oder mit Wasser und Essig, oder wenn ein rheumatisches Leiden im Thiere besieht, mit einer Auflösung von Kali carhonicum lauwarm. Des Abends bestreicht man die Stelle rnit üng. llydrargyri cinereum. Nehmen bei dieser Behandlung die Eutzündungs-symptoine zu, steigern sich nanicnllicb die Schmerzen und erscheint die Vene bereits derb, so macht mau wanne Breiumschläge von schleimi­gen und narkotischen Mitteln und beuulzl des Abends ebenfalls die graue Merkurialsalbc. Diese Mittel wendet man so lange an, bis die Vene wieder mehr weich erscheint und die Eiterung gutartig ist. Sehr oft schliesst sich dann die Oeflüung ohne weitere künstliche Behandlung; geschieht dies aber nicht, so ist gewöhnlich ein örtliches Hinderniss, und zwar verdickte, kallüse BeschatTeuheit der Wundränder vorhanden. In diesem Falle belupft man die Ränder einen Tag um den andern mit Lapis iufernalis etwa 2 — 3 Mal und wartet dann durch etwa 8 Tage die weitere Vernarbung ab; erfolgt dieselbe aber nicht, so spaltet man auf einer vorher eingebrachten llohlsonde die verdickten Ränder, be­sonders den oberen, von innen nach aussen durch. Es ist genügend, wenn man nur einen Einschnitt, und zwar so lang, wie die verdickte oder verengte Stelle in der Vene besteht, macht, und es ist unnöthig, ja selbst gefährlich, das Aufspalten durch die ganze Wand der Veue so weit, wie die Höhle besteht, zu bewirken, weil bei der Berührung des Blutpfropfes am obern Ende der Höhle oder der Fistel leicht eiue heftige Blutung eintreten kann.
Ist eine Aderfistel schon seit längerer Zeit bestehend und sind die Wände der Vene durch die Haut als völlig kailös verdickt zu fühlen, so fruchtet gewöhnlich die im Vorstehenden angegebene Behandlung nichts, und es ist daher am besten, mit derselben keine Zeit zu verlie­ren, sondern sogleich zur Anwendung der kräftigsten Reizmittel über­zugehen. Der Erfahrung zufolge leisten öfters wiederholte Einreibungen von Ung. Cantharidum. oder das glühende Eisen auf die Haut längs der kranken Vene applizirt bei diesem Zustande fast immer die besten Wirkungen. Jene Salbe wird, naclidem die Haare auf der kranken Stelle etwa 3 Querfinger breit und so lang, wie eine Spur der Ver­härtung sich fühlen lässt, abgeschoren sind, in der Dicke eines Stroh­halmes aufgestrichen, und die Anwendung nach Zwischenzeiten von 5—8 Tagen noch 2—3 Mal wiederholt. Zuweilen bilden sich hiernach ebenfalls noch die bereits oben angedeuteten Abscesse, in anderen Fäl-
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148nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Nabelentziindnng.
Icn bleiben dieselben aus, aber die Ilcilinif; erfolgt in einem, wie in an­derem Falle durch allmälige Resorption der ausgeschwitzten plaslisclien Stolle und zulelzt durch gänzliche feste Verwachsung der Vene. •— Das Glüheisen wird auf der Haut über der kranken Vene entweder in 2 — 3 laugen Strichen, oder in nahe zusammenstehenden Punkten applizirt und wirkt auf dieselbe Weise.
In denjenigen Fällen, wo aus der Fistelöffnung, trotz der im Vor­stehenden bezeichneten energischen, Behandlung oft wiederholt Blutungen erfolgen, bleibt gewöhnlich nichls Anderes übrig, als die Vene über der offenen Stelle zu unterbinden. Man wählt hierzu, wenn sich eine noch nicht entartete Parthie der Vene unterhalb der Theilung derselben vor-fmdet, diese Stelle, im Nothfall aber legt man die Ligatur auch auf die entartete Vene selbst. Zur Unterbindung benutzt man immer ein halb-fmgerbreiles Band und schneidet unter der unterbundenen Stelle die Vene vollständig durch, um jede Spannung und Zerrung an der Un-terbindungsstclle zu vermeiden. Die ïliiere müssen nach der Operation während der ersten 6—8 Tage andauernd stehen, dürfen in den ersten Tagen nur Getränk uiul in den letzten Tagen nur angenetzte Kleie zur Nahrung erhalten, um das Kauen und den damit verbundenen starken Blutandrang zur IJnlcibinduugsslelle mögliehst zu vermeiden. Auch ist es zweckmässig, die Thierc fortwährend unter Aufsicht zu lassen, damit sie nicht bei einer vielleicht an der Unterbindungsstelle erfolgenden Zer-reissung in die Gefahr einer Verblutung gerathen. Die Unterbindungs­stelle selbst wird bis zum Abgange der Ligatur unberührt gelassen und dann nur von Zeit und Zeit einmal oberflächlich gereiniget, bis die Hei­lung erfolgt ist.
Neuntes Capitel.
Die Nabelentzündung. Omphalitis.
Bei neugeborenen Füllen und Kälbern, höchst selten bei anderen Thieren, lindet sich zuweilen am Nabel eine Geschwulst, welche ver­mehrt warm und schmerzhaft ist, bei Thieren mit weisser Haut auch dunkel geröthet erscheint, an der Oberfläche elastisch weich, in der Mitte aber mehr derb ist. Das äusserc Ende der Geschwulst erscheint blutrinstig, zuweilen mit Eiter bedeckt und in seltenen Fällen auch von Harn befeuchtet. Bei genauerer Untersuchung erkennt man, dass in­nerhalb der Haut das beim Abreissen der Nabelschnur zurückgebliebene Ende derselben, bestehend aus offenen Cefässmündungen und der um­hüllenden Haut, die Gesehwulst bildet. Ist das Ucbel bereits 8—14 Tage alt, so zeigen sich die genannten Thcile mehr hart und wulstig verdickt, und aus ihrer Mitte tröpfelt von Zeit zu Zeit Eiler hervor. In diesem Zustande bezeichnet man das Leiden als Nabelgcschwür oder Ei-tcrnabel. Bei diesen örtlichen Zufällen zeigen sich manche junge Thierc übrigens ganz munter, während andere traurig sind, zuweilen
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Nabelentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;149
rait den Fassen nach dem Leibe schlagen, öfters mit dem Schweif we­deln, sich auch zuweilen niederwerfen, -wie bei Kolikschmerzen. Finden sich unter diesen Umständen Fiebcrzufalle hinzu, oder kehren die Ko-likschmerzen öfters wieder und dauert der Ausfluss des Eilers längere Zeit fort, so gehen die Thicrc fast immer, bald früher bald später, zu Grunde.
Die Ursache dieser Entzündung and Schwärung am Nabel beruht in der nicht erfolgten Verschliessung der Nabelgcfässe, besonders der Nabelvene, zur Zeit der Geburt oder unmittelbar nach dem Abreissen des Nabelstranges zu dieser Zeit. In wie weit das gewöhnlich erfol­gende Abreissen selbst eine Mitveranlassung zum Entstehen der schlei­chenden Entzündung ist? lässt sicli nicht genau nachweisen; allein es steht fest, dass nach dem Abbinden des Nabelstranges nahe am Leibe die bezeichneten Zufälle nicht entstehen. Die Ursache der Kolikzufallc und des später erfolgenden Todes scheinen in der fortschlciehenden Ent­zündung der Nabelvcne bis zur Leber, #9632;— welche man bei Sectionen der gestorbenen Thiere oft gefunden hat, begründet zu sein.
Die Beurthcilung ist stets nur mit Vorsicht zu machen, da die jungen Thiere von der Entzündung sehr leiden und die forlschleicheude Entzün­dung an der Vene sich äusserlich nicht wahrnelimcn lässt; indess ist die Hoffnung zur Erhaltung der Thiere und zur 13cseiligung des Uebels in denjenigen Fällen vorwallend, wo keine Eiterung und weder Kolik­zufälle, noch Fieber bestehen; unter entgegeiigcsetzten Umständen ist, wie oben angedeutet, ein übler Ausgang, und zwar zuweilen sehr schnell zu erwarten.
Die Behandlung wird am besten durch Bestreichen der ganzen entzündeten Stelle mit Lapis infernalis eingeleitet, um hierdurch eine adhäsive Entzündung iu den offenen Gefässeu und Verwachsung der­selben zu erregen. Hiernach kann die Geschwulst in der Umgebung der geätzten Stelle mit schleimigen Mitteln, oder bei grosser Hilze auch mit Bleiwasser oft befeuchtet werden. Ist bereits Eiterung in der Ge­schwulst zu bemerken, so ist ebenfalls der Lapis infcmalis, oder ein Gemenge von einer Auflösung des Zinkvitriol (3j) und des Bleizuckers (3ij) in Wasser (sect;iij) zum Bestreichen der eilerndeu Stellen zu be­nutzen. Schliesst sich hierbei die Vene nicht, so kann man, nachdem das Thier auf den Rücken gelegt ist, ihre untere Wand auf einer Hohl­sonde bis an den Nabelring aufspalten, und dann die blossgclegte Fläche mit Lapis infernalis bestreichen und weiter verfahren, wie angegeben ist. Bestehen bereits Kolikzufälle, so macht man in einem grosseren Umfange um den Nabel Einreibungen von Linim. ammoniatum, oder von Brechweinsteinsalbe (Tart. slib. 5ß, Adip. suil. sect;j). Dabei giebt man innerlich Calomel, oder Salpeter und Glaubersalz in schleimigen Abkochungen oder Emulsionen, und applizirt, Clystierc von schleimigen Mitteln. Das diätetische Verhalten muss dabei neben der Mutlermilch in einem massig warmen Stalle und in recht reiner und reichlicher Streu bestehen.
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150nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hodenentzündung.
Zehntes Capitel.
Die Hodenentzündung. Orchitis.
Die Entzündung der Hoden kommt bei den Haussäugelhiercn nur selten vor, verschont jedoch keine Gattung derselben. Sie crgi'cift ent­weder nur einen oder beide Hoden und äussert sich durch iblgeude Symptome: die Tbicre gehen etwas gespannt mit den Hiuterfüsseu und bei den höheren Graden des Ucbels lahmen sie jmit dem Hinterfussc der leidenden Seite sehr heftig; dabei findet man aber an ihm keinen krankhaften Zustand. Bei der Untersuchung des Hodeusackes findet man den einen Hoden oder beide vergrössert, vermehrt warm, sehr derb, bei der Berührung schmerzhaft, ausserdem ist er in der Regel mehr in die Höbe gezogen. In manchen Fällen ist das Scrotum unter dem kranken Hoden ödematös angeschwollen, so dass man Fingerein­drücke in dasselbe machen kann. Leiden beide Hoden, so ist diese Anschwellung immer sehr bedeutend und zuweilen bis zur Vorhaut ausgedehnt, und in den meislen Fällen besteht Fieber.
Die Ursachen der Hodenentzündung bestehen in den meisten Fäl­len in mechanischen Verletzungen durch Hufschläge, Stösse und Schläge mit Ruthen und dergl.; in manchen Fällen sind aber offenbar Erkällun-gen als Ursachen zu beschuldigen, und in noch anderen Fällen scheint eine lymphatische Dyskrasie dem Uebel zum Grunde zu liegen; denn mehrmals hat man bei Pferden nach der Hodenentzündung den Rotz und Wurm ohne weitere Veranlassung entstehen sehen.
Der Verlauf der Hodenentzündung ist in den meisten Fällen chro­nisch und der Ausgang häufig Verhärtung oder flcischähniichc Entartung; in manchen Fällen ist der Verlauf aber auch mehr akut und das Uebel geht dann gewöhnlich in Verwachsung mit der besondern Scheidenhaut über. Zuweilen scheint auch die letztere selbst an der Entzündung wesentlichen Antheil zu nehmen, da man sie bei Castrationen nicht selten bedeutend verdickt findet. In einzelnen Fällen geht die Entzün­dung auch in Eiterung über.
Die Prognosis ist in denjenigen Fällen günstig zu machen, wo die Hodenentzündung von mechanischen Verletzungen allein entstanden, zei­tig erkannt ist und einer zweckmässigen Behandlung unterworfen wird; dagegen muss man einen üblen Ausgang, Entartung des Hodens und Störung oder Aufhebung der Zeugungsfahigkeit befürchten, wenn beide Hoden in hohem Grade an der Krankheit leiden, wenn diese in Folge rheumatischer oder anderer dyskrasischer Einwirkungen entstanden und wenn das Uebel nicht zeitig zweckmässig behandelt worden ist. In denjenigen Fällen, in welchen man Veranlassung hat, auf eine im Kör­per bestehende lymphatische Dyskrasie zu schliessen, wie z. B. bei oft wechselndem Appetit, bei slellenweis schlechtem, glanzlosem Haar, bei oft entstehenden ödematösen Anschwellungen der Füsse u. s. w. muss man fürchten, dass bei oder nach der Hodenentzündung sich die Rotz­oder Wurmkrankbeit entwickeln werde.
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Entzündung der Vorhaut.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;151
Die Beliaudlung ist in denjenigen Fällen, wo mechanische Ver­letzungen die Ursache der Hodeneutzündung sind, eine streng anliphlo-gistische. Man macht einen der Conslituliou enlsprechendeu reichlichen Aderlass und giebt innerlich grosse Gaben von Calomel und Glauber­salz oder, bei grosser Hitze, von Salpeter und Glauber- oder Bittersalz, bis Laxiren entsteht. Dabei darf das Thicr nur kleine Quantitäten von wenig nährendem Futter erhalten. Oerllich macht man fleissig wieder­holte Wascluuigeu des Scrotums bis zum ßauchringe mit Oxycrat, oder mit einer Auflösung von Polasche in Wasser; bei grossen Schmerzen wendet man letzteres Mittel iu einem Dekokt von narkotischen Pflan­zen au, bei einem mehr asthenischen Zustande aber kann man ein ge­lind aromalisehes Infusum dazu benutzen. Man kann auch narkotische uud schleimige Pflanzen iu Form von Breiumschlägen mittelst eines sogcnannlen Tragebeutels auf den 1 lodensack appliziren. Verlieren sich die Enlziindungszufälle zum grosslen Theil, während noch Härte und Geschwulst zurückbleiben, so kann man die graue Quecksilbersalbe und später die .Jodsalbe .mit grüner Seife täglich 2—3 Mal in das Scrotum einreiben lassen.
Eilftes Capitel.
Die Entzündung der Vorhaut und des männlichen Gliedes. Inflammatio praepulii et penis.
A. Die Entzündung der Vorhaut kommt, obgleich nicht häuüg, bei männlichen Thiereu von säinmllichen Gattungen der Haussäugethiere vor, und zwar in Folge von mechanischen Verletzungen, durch Schläge, Slössc, Reibungen, durch eingedrungene fremde Körper und Insekten, durch Anhäufung und Verhärtung von Hauischmiere, und durch Er-gicssung von Urin. Auf letztere Weise entsteht die Entzündung zu­weilen bei Pferden, beim Rindvieh und bei Schweinen, wenn das männ­liche Glied in Folge von Verletzungen oder Entzündungen oder Läh­mungen bei dem Uriniren nicht aus der Vorhaut hervorgestreckt wird, und wo sich daher der Urin in die Vorhaut ergicsst, sich in derselben anhäuft, ihre innere Haut reizt oder selbst anätzt. Bei Schweinen ist in solchen Fällen das Ucbel zuweilen mit Harnsteinen, die sich in Fal­ten der Vorhaut aus dem hier verhaltenen Urin bilden, verbunden. Zuweilen ist eine von Natur bestehende, oder durch vorausgegangene Entzündungen und Verletzungen erzeugte Verengerung der Vorhaul-mündung (Phimosis) an dem Entstehen des Uebels schuld, indem die Thicre hierbei ebenfalls an dem Hervorstrecken des Gliedes bei dem Uriniren gehindert sind. Zuweilen sind Erkältungen und in der Atmo­sphäre enthaltene Miasmen hier, wie bei dem Entstehen anderer katar­rhalischer Entzündungen mitwirkend; denn man sieht zu manchen Zei­ten die Entzündung der Vorhaut bei vielen Thieren fast gleichzeitig entstehen und in Verbindung mit anderen katarrhalischen Leiden auf^
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132nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Entzündung der Vorbaut
(reten. So z. B. bei Pferden die sogenannte gutartige Beschäl-kranklieit und bei Hunden der sogenannte Tripper.
Die Enlziiiiduiig betrillt entweder, und zwar in den meisten Fällen, nur die innere Haut der Vorhaut und einen Tlicil der äusseren Fläche des männlichen Gliedes, oder sie betrillt die Vorbaut in ihrer ganzen Dicke. Letzteres ist gewöhnlich nach mechanischen Verletzungen der Fall. Sie äussert sich hier durch Anschwellung der ganzen Vorhaut, durch Schmerz und vermehrte Wärme und zuweilen aucli durch ge­spannten Gang mit den Hinterfüssen und durch etwas kürzeres Athmen. In den Fällen der ersteren Art ist gewöhnlich die Anschwellung nur unbedeutend, aber es ist vermehrte Wärme und etwas Schmerz bei der Berührung wahrnehnibar, und zuweilen bemerkt man, dass die Thiere sellcner als sonst uriniren, dass sie dabei das männliche Glied nur mit Mühe, unvollständig oder gar nicht hervorstrecken. Nach 2 — 3 Tagen findet sich Ausfluss von einer schleimigen, weissen oder gelblichen Flüssigkeit, namentlich so bei Hunden, bei welchen förmlich ein Schleim-fluss (Blennorrhoe), gewöhnlich Tripper genannt, längere Zeit an­dauernd bemerkt wird. Bei dem Rindvieh entstehen späterhin plastische Ausschwitzungen, welche in der Wanne des Theils bald trocknen und einzelne Schichlcn bilden, welche durch die nachfolgenden Ausschwiz-zuniigen mit neuen, eben solchen Schichten bedeckt werden und sich au solche Weise immer mehr anhäufen, so dass zulelzt das männliche Glied von diesen Massen ganz zusammengedrängt und mehr oder we­niger zum Schwinden gebracht wird, während der Schlauch nach aussei! an Umfang immer mehr zunimmt. Beim Aufschneiden einer solchen Vorhaut lindet man zuweilen dus Glied nur mit Mühe in diesen krank­haft erzeugten Massen. Durch dieselben wird das Uriniren alhnälig immer mehr erschwert, so dass es zulelzt nur in einzelnen Tropfen erfolgt 1'). Oft besteht Ausfluss einer stinkenden Materie. Beim wei­tem Verlauf entstehen beim Rindvieh fast immer, bei Pfcrdeu zuweilen, bei Hunden selten Geschwüre oder auch warzcnähnlicbc Auswüchse, oder auch Verdickungen und Zusammenschnürnngen an verschiedenen Stellen der Innern Fläche der Vorhaut und dabei Ausfluss von Eiter, oder Jauche mit Blut gemengt. Hierdurch wird bei Slubenhunden ge­wöhnlich der Fussbodeu an allen Stellen, an welchen die Thiere liegen, besudelt und dadurch der Eigenthümer auf das wichlige Leiden auf­merksam. Bei diesem Grade des Uebels pflanzt sich die Entzündung und Ulccration zuweilen auf das männliche Glied und auf das Zellge­webe in der Vorhaut fort; erstorcs wird mehr oder weniger zerstört, die Vorhaut wird verdickt und zuweilen bilden sich Fisteln in dersel­ben. Die Thiere zeigen bei diesem höhern Grade des Uebels oft schon beim Stillstehen ihren Schmerz durch in die Höhe Biegen des Rückens oder durch Auseiuanderstellen der Füsse, beim Uriniren strengen sie sich sein- an und stöhnen, sie liegen viel, verlieren den Appetit, magern
') Rohlwess, der diesen Zustand zuerst beschrieben, bezeicbnel ibn als eine Art von Fäulniss der Rutbe, wobei letztere in kleine Stücke, wie mui-michtes Holz, zerfällt (Vieharzncibuch, 9te Aufl. S. 194). Diese Stücke sind aber nur die vertrockneten ausgeschwitzten Stoffe.
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Entzündung der Vorhaut.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;133
ab und in den meisten Fällen ist ihr Puls üeberhaft. — Die Diagnosis der verschiedenen örtlichen Zustände ist im Anfange und bei einem geringeren Grade des Uebels zuweilen sehr schwierig. Gewöhnlich muss man hierzu die Thiere auf den Rücken legen und die Vorhaut mit Ge­walt umstülpen oder sie sogar aufspalten.
B. Die Entzündung des männlichen Gliedes kommt bei dem Pferde äusserst selten, und bei den übrigen Thieren weit seltener vor als die Entzündung der Vorhaut. Sie entsteht durch mechanische Verletzun­gen, welche die Thiere zuweilen durch Schläge, oder bei ungeschickter oder zu vieler Ausübung des Begattungsakles erleiden, zuweilen auch durch einen Stein in der Harnröhre, oder durch Infiltration des Urins nach Verletzungen der Harnröhre, zuweilen auch dadurch, dass die Vorhaut sich über das aus derselben hervorgestreckte Glied stark zu­sammenzieht und dasselbe einschnürt (Paraphimosis), namentlich so bei Hunden. Zuweilen scheint ein Luftmiasma die Entstehung zu begün­stigen (namentlich bei Zuchthengsten), und oft beschuldigt man die Ansteckung durch die Begattung mit weiblichen Thieren, welche an chronischer Entzündung und an Schleimduss der Genitalien leiden.
Die Symptome dieser Entzündung sind: Anschwellung des Gliedes mit vermehrter Wärme, mit Schmerz und dunkler Röthung oder mit starkem Glanz, der Oberfläche, wobei das Glied gewöhnlich zum Theil aus der Vorhaut hervorragt und nicht in dieselbe zurückgezogen wer­den kann. Zuweilen ist auch das Uriniren mehr oder weniger erschwert, so dass die Thiere bei demselben unruhig werden, hin und her trip­peln oder mit den Füssen kratzen. Selten ist auch Fieber mit zugegen. In manchen Fällen hängt bei Hengsten das Glied schlall' aus der Vor­haut, in anderen hängt es straff, nach hinten gekrümmt aus derselben und bei Hunden steht es oft dunkelrolh und angeschwollen hervor. —-In denjenigen Fällen, wo die Entzündung des Gliedes in Folge der Reizung bei der Begattung entstanden (bei der sogenannten gutartigen Beschälkrankheit), linden sich zu den übrigen Entzündungssymptomen noch weisse oder gelbliche Bläschen, welche an verschiedenen Stellen des Peuis an einem Tage oder während mehrerer Tage entstehen, nach kurzer Zeit bersten und mit braunen Schorfen betrocknen oder auch kleine Geschwürchen mit dunkelrothem Grunde bilden, welche auch nach kurzer Zeit sich mit Schorfen bedecken. Nach dem Abfallen der Schorfe bleiben für lange Zeit weisse Flecke zurück. Oft besteht dabei ein gelindes Fieber '). Diese Entzündung ist oft mit der Entzündung der Vorhaut verbunden und es sind dann die im Vorstehenden ange­gebeneu Symptome zugleich wahrzunehmen.
Verlauf und Ausgänge der Vorhantentzündung sind in dem Vor­hergehenden zum Theil angedeutet. Nach leichten mechanischen Ver­letzungen verliert sich die Entzündung gewöhnlich sowohl an der Vor­haut wie auch am Gliede in wenigen Tagen, und bei der mit Bläschen
l) Diese mit Bläschenbildung begleitete Entzündung der Haut des Penis sollte man nicht als Beschälkrankheit, sondern als Bläschcnausschlag der Gcschlechtstheilc bezeichnen. Siehe Magazin für die gcsammle Thierheilkunde. Band XIII, S. 373.
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Entzündung der Vorhaut. Behandlung.
verbundenen Entzündung erfolgt die Heilung in 14 Tagen, höchstens 3 Wochen. Bei heftigen Entzündungen des Gliedes kann, besonders in Folge von andaueruder Einschnürung oder grober Verletzung auch Brand eintreten, und man muss dies um so mehr befürchten, wenn das Glied stark angeschwollen, missfarbig und kalt, dabei vielleicht noch mit Bläschen besetzt erscheint. Es kann dann ein Theil der Käthe verloren gclicu, das Tlüer zur Zucht unbrauchbar werden oder selbst an dem brandigen Fieber und an llaruverhallung sterben. Die chro­nisch gewordenen Eiitziuidungen sind immer hartnäckig, besonders wenn die Hindernisse des Hervorstreckens des Gliedes und die wiederholte Verunreinigung der Vorhaut durch den Urin nicht gehoben werden. Dies ist gewöhnlich uui' mit Spaltung der Vorhaut möglich, und eben­so können Warzen und Geschwüre, sowie die verhärteten Ausschwiz-zuugcu im Schlauche der Ochsen, nur auf operative Weise entfernt und zur Heilung geführt werden. Letztere gelingt in der Regel, wenngleich zuweilen der ulcciirtc Penis Ihcilweis entfernt werden inuss.
Die Behandlung der bezeiclmeten Uebcl muss theils nach dem Grade und nach der Natur der angedeuteten verschiedenen Folgen der­selben verschiedentlich ausgeführt werden. In jedem Falle hat man aber zunächst die Ursachen, insofern dieselben noch fortwirken, zu be­seitigen. In lelzlcrcr Hinsicht muss man im Anfange des Uebels bei solchen Thleren, welche Erkältungen häufig ausgesetzt sind, die Patien­ten in einen warmen trocknen Stall bringen und stets für reine trockne Streu sorgen; wenn die Thiere auf saurer, sumpfiger Weide ihre Nah­rung suchen mussten, ändert man dies durch Stallfüllerung, oder durch eine bessere Weide. Bestellt Verengerung der Vorhaut, so muss diese bei Zeiten an der abhängigsten Slclle so weit aufgeschnitten werden, dass einerseits der Urin beständig frei ausgeleert, andererseits die nö-thigen Beinigungs - und Heilmittel leicht applizirt werden können. An­häufungen von Talgsclunierc, sowie fremde Körper müssen entfernt, die Eiuschnürung der Vorhaut auf dem männlichen Gliede muss ent­weder durch einfache Zurückbiingung des ielzteru oder nölhigenfalls durch einen Eiiisclmill in die Vorhaut gehoben werden. Man hält die Kranken entfernt von brünstigen weiblichen Thieren, weil sie durch die letzteren aufgeregt und zu Heibuugcn an den entzündeten Theilcn ver-anlassl werden. Die Ausübung der Begattung hindert man gänzlich, theils wegen der durch sie erzeugten Reizung, theils auch wegen der möglichen Ansteckungsgefahr für die weiblichen Thiere.
Bei Pferden, welche mit dieser Entzündung im ersten Stadium behaflcl sind, wendet mau nach BeseiKgäng der Ursachen Waschungen und Ein-sprilzungen in den Schlauch von kaltem Wasser, von schwachem Bleiwas­ser, von einer recht verdünnten Auflösung von Zinkvitriol, oder bei hefti­gen Schmerzen und grosser Trockenheit der Theile von schleimigen Flüs­sigkeiten an. Ist es Sommer und erlaubt die Gelegenheit es, so kann man sehr einfach die Thiere in kaltes Wasser bis an die Hälfte des Leibes stellen und dies durch einige Tage fortsetzen. Bei grosser An­schwellung der Vorhaut kann man dieselbe scariüziren. — 1st das Uebel bereits bis zur vermehrten Absonderung von Schleim gediehen, so kann man lujectioncn von einer Auflösung des Bleizuckers in Verbindung mit einer Auflösung von schwelelsaurem Zink anwenden. Bilden sich
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Entzündung der Vorhaut. Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 155
Geschwüre und besteht Ausfluss von wirklichem Eiter oder Jauche, so benutzt man Auflösungen von Kupfervitriol (,%ß zu 1 W), oder von Lapis divinus (3ij auf ^ H Flüssigkeit), oder von Chlorkalk (g/ï zu sect;vj) in Wasser oder in aromatischen Infusionen. Kann man die Ge­schwüre einzeln erreichen und berühren, so ist es zweckmässig, sie mit Aloe- oder Myrrhentinklur zu betupfen, oder sie mit Lapis iufernalis oder mit dem Glüheisen oberflächlich zu kaulciisiren; sind sie ohne Weiteres nicht zu erreichen, so spaltet man die Vorhaut bis zu der kranken Stelle auf. Sind Strikturcn, Schwielen oder warzige Aus­wüchse in der Vorhaut, so ist das Aufspalten der letztem bis über die kranken Stellen hinauf wesentlich nölhig, worauf man die W arzen mit der Scheere wegschneidet und die Slcllen, wo sie wurzelten, mit dem glühenden Eisen berührt, die Schwielen aber von Zeit zu Zeit mit grauer Mcrkurialsalbe oder mit grüner Seife bestreicht. Die weitere Behandlung der eingetretenen Eiterung oder Schwärung muss_, je nach den Umständen, mit umstimmenden austrocknenden oder selbst mit ätzenden Willein bewirkt werden.
Bei dem Rindvieh muss die Behandlung nach Entfernung der etwa ent­deckten Ursachen und nach Verbesserung der Nahrungsmittel in der Regel mit dem Aufspalten der von Natur sehr engen Vorhaut beginnen. Dieses Aufspalten geschieht so weit, wie die Spitze des Gliedes zurückgezogen ist, damit auch hier der Urin stets einen freien Abfluss erhält. Hierauf wcndel man Eiusprilzungen von kaltem Wasser, oder wenn bereits schleimigcitcrige Absonderung besteht, Einspritzungen von lauwarmem Wasser an; finden sich bereits haulähnliche verdickte. Ausschwitzungsmaterien, so müssen fleissig wiederholte Einspritzungen von lauwarmem Seifenwasser oder von einer Auflösung von Potasche gemacht werden, um diese krauk-haflen Massen zu erweichen und von der gesunden Substanz zu ent­fernen. Hierauf wendet man Goulard'sches Bleiwasser, oder eine Auf­lösung von Zincum oder Cuprum sulphuricum durch einige Tage fort­gesetzt an und wiederholt bei neuen Ansammlungen der exsudirten Stoffe die Reinigung mit Seifenwasser u, s. w. Bei vorhandenen UI-cerationen finden die bei diesem Zustande der Pferde bereits genannten Mittel ihre Anwendung; Lanotte empfiehlt ausserdem noch hierbei das 01. Terebinth, oder ein Gemenge von demselben und dem 01. Betulinum (Birkenthcer), oder auch den Holzessig. Die Wandränder nach dem Aufspalten muss man mit konzenlrirter Bleisalbe verbinden, damit sie bald verhärten und nicht wieder zusammenwachsen, wozu sie immer eine grosse Neigung besitzen.
Bei Schweinen hat man zunächst auf etwa vorhandene Harnsteine in der Vorhaut zu achten und dieselben zu entfernen, hierauf die Vor­haut beim Anfange des Uebels mit schleimigen Flüssigkeiten öfters zu befeuchten, später aber Injeclionen von Bleiwasser zu machen. Er­reicht das Uebel einen höhern Grad und findet sich Eiterung, so muss man die Vorhaut bis zur Spitze des männlichen Gliedes aufspalten und übrigens in ähnlicher Weise verfahren, wie vorstehend angezeigt ist. Eine innerliehe Behandlung ist bei diesen Tliieren gewöhnlich nicht erforderlich.
Bei den Hunden wendet man Injcctioncn von Blei wasser oder einer schwachen Zinkvitriollösuug, oder auch von einem Gemenge von
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156nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Entzündung der Vorhaut. Behandlung.
beiden so lange an, als das Uebel noch frisch erscheint Besteht Ein­schnürung des männlichen Gliedes durch die über dasselbe zurückge­streifte Vorhaut, so kühlt man die letztere und das Glied etwa durch 8 —10 Minuten lang mit eiskaltem Wasser, drückt dann das Glied mit den Fingerspitzen etwas zusammen und zieht die Vorhaut kräftig über dasselbe hervor. Gelingt dies bei wiederholten Versuchen nicht, so sucht man die Spitze einer Hohlsonde entweder auf dem Rücken des Gliedes oder an dessen unterer Seile zwischen beide Theile zu schie­ben und spaltet dann mit einem Bistouri auf der Sonde die Vorhaut zwei bis vier Linien tief ein, worauf die Zurückbringung des Gliedes leicht geschehen wird. — Ist die Entzündung und die schleimigeilerige Absonderung bereits chronisch geworden, so macht mau Injectionen in die Vorhaut von Cuprum sulphuricum (2 — 5 Gr. auf sect;j Wasser), oder von Lapis divinus (eben so stark), oder von Lapis infer-nalis (i — 2 Gr. auf sect;j deslillirlen Wassers). Findet man im In­nern der Vorhaut warzcnälinliche Auswüchse in der Höhle der Vorhaut, so müssen dieselben von der Schleimhaut abgeschnitten wer­den. Zu diesem Zwecke kann man die Vorhaut entweder bis über die zwiebelartige Verdickung des männlichen Gliedes zurückstreifen und die Operation ausführen, oder auch, weil das Zurückstreifen in man­chen Fällen nicht ausführbar ist, die Vorhaut an ihrer untern Seite, in der Gegend, wo die Warzen sich beiinden, durch einen Längenschnitt von circa einem Zoll Länge spalten und die Exstirpation dann durch die nach beiden Seiten auseinaudergezogene Wunde ausführen, darauf aber die Wunde durch die blutige Naht wieder vereinigen. In der Regel dauert aus den kleinen Wunden nach der Entfernung der War­zen noch durch einige Zeit die Absonderung von Eiter und Jauche fort, und es ist dcsshalb nach der Operation noch nöthig, öfters wie­derholte Injcdioncn von gelind aromatischen oder auch von adslringi-readeu Mitteln zu machen.
Wenn bei einem Thicre das männliche Glied brandig oder gelähmt oder durch Geschwüre in hohem Grade zerstört worden ist, so muss der entartete Theil amputirt werden. Dies geschieht, nachdem das Thier niedergelegt und gehörig gefesselt ist, an dem hervorgezogeneu gesunden Theile des Gliedes durch Abschneiden mit einem Bistouri oder mit einem messerförmigen Brenneisen und gehörige Blutslillung. (Siehe Krebs des Gliedes.)
Neben der örtlichen Behandlung ist es in vielen Fällen auch nö­thig innerliche Mitlei, dem verschiedenen Zustande entsprechend, anzu-wenden, wie z. B. bei heftiger Entzündung antipldogistische Salze, bei chronischer Entzündung von Zeit zu Zeit wiederholte Purgirmiltel, bei katarrhalischen Zuständen der Hunde Brechmittel, in denjenigen Fällen, wo saure Nahrungsmittel vorausgegangen sind, bittere und alkalische Mittel, und da, wo allgemeine Schwäche und Cachexie sich zeigt, bittere aromafisebe Mittel, Eisenmittel und dergl.
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Entziindnns der Milchdrüsen.
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Zwölftes Capitel.
Die Entzündung der Milchdrüsen oder des Euters. Mastitis.
Diese Krankheit kommt bei den weiblichen Thieren von unsern sämmtlichcu Hauslhieren vor, am häufigslcn jedoch bei dem Rindvieh und ausserdem bei Scbaaien, bei welchen lelzteren sie auch seuchenartig auftritt. In der Regel befällt sie die Thiere zur Zeit der reichlich ver­mehrten Milchsccretion, sehr selten in der Zeit, wo diese Secretion schweigt und die Function der Euter nicht in erregtem Zustande besteht. Sie ergreift zuweilen nur eine Milchdrüse, zuweilen aber auch beide und bei Hunden und Schweinen leidet zuweilen die ganze Reihe dieser Drüsen an einer Seile des Körpers. Oft ist die Entzündung auf das Euter beschränkt, in anderen Fällen leiden die Zitzen (Striche) mit und nicht selten sind diese allein ergriffen. Ausserdem entwickelt sich die Entzündung zuweilen an der Oberfläche der Drüsen und in der sie bedeckenden Haut, aus oberflächlichen mechanischen oder aus anderen Ursachen, so dass sie einen traumatischen, oft einen rothlaufarligen oder auch einen exanthematischen Charakter besitzt; in anderen Fällen ergreift sie mehr oder weniger das ganze Drüsengewebe und hat dabei bald einen phlogistischen, aktiven, bald mehr einen erelhischen, und häufig einen asthenischen Charakter. Endlich trilt sie noch entweder einfach, oder in Verbindung mit rheumatischen und gastrischen Krank­heiten , und zuweilen auch mit dem sogenannten Einschuss an den Hin­terschenkeln auf. Hiernach ist das Krankheitsbild in den einzelnen Fällen etwas verschiedenartig. —
1)nbsp; Besteht nur eine oberflächliche, erysipelatöse oder exanlhcma-llsche Euterentzündung, so erscheint das Euter weuig geschwollen, da­bei aber, wenn sonst die Haut weiss ist, dunkel geröthet, zuweilen selbst bläulich roth und an einzelnen Stellen zuerst mit kleinen Knötchen, später wobl auch mit Pusteln besetzt. In letzterem Falle pflegt man den Zustand mit dem Namen Euterausschlag zu bezeichuen. Derselbe erscheint bei Rindvieh und Schaafen oft in Verbindung mit dem soge­nannten Maulweh oder auch mit dem epizool Ischen Klauenweh. Die Bläschen bersten uaeh einigen Tagen und vertrocknen zu gelblichen oder bräunlichen Schorfen, welche mit ungefähr 10—14 Tagen nach dem Enlslehcn der Entzündung wieder abfallen. Die Entzündung verschwin­det gewöhnlich mit dem Eintritt der Bläschen, selbst wenn keine Heilmittel angewendet worden sind. Die Milchabsonderung wird dabei in den meisten Fällen sehr wenig gestört, doch zeigen manche Thiere beim Melken Schmerz und suchen die Milch an sich zu hallen.
2)nbsp; Bei der tiefer gehenden Eutcrenlzündung bemerkt man bald nur an einem Theile eines Euters oder einer Milchdrüse, zuweilen aber auch in deren ganzem Umfange eine dunklere Rüthung der Haut, heissc und schmerzhalte Anschwellung und Fieber. In den meisten Fällen leidet der Theil des Euters unmiltelbar über den Zitzen am heftigsten, und oft sind die lelztcren auch selbst bedeutend angeschwollen. Dabei
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Entzündung der Milchdrüsen.
sleheu und gehen die Thiere mit breit auseinandergehenden Fiissen, zu­weilen lahmen sie auch mit dem Fuss der leidenden Seite mehr oder weniger stark. Beim Melken, oder beim Säugen ihrer Jungen zeigen die Muttcrthiere grossen Schmerz, krümmen sich mit dem Leibe von einer Seite zur andern, schlagen mit den Fiissen und suchen sich über­haupt jenen Geschäften zu entziehen; dabei bemerkt man, dass eine mit rölhlichein Serum und mit gelblichen geronnenen Flocken gemengte Milch ausgeleert wird und zuweilen geht auch Blut mit derselben ab. Beim weiteren Verlauf conzentriren sich gewöhnlich die Entzündnngs-symptome an einem oder dem andern Punkte des Euters, derselbe wird
allmälig schnelle
härter, tritt begrenzt an der Oberfläche hervor, und bald-bald langsamer bildet sich in ihm Fluctuation. In anderen Fäl-
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len nehmen die Enlzümlungssymptonie allmälig an llcfligkeit ab und es crlolgt Zertheilung, oder auch Verhärlung. Bei einem sehr hohen Grade der Entzündung hört die Milchsecrction gänzlich auf.
Bei säugenden Mullerschaafen findet sich zuweilen, wie oben an­gedeutet, die Eutereulzündung in einer lieerde seuchenartig ein und be­sitzt dann einen cigenlliümlichcn, zum Brande disponirenden Charakter und höchst akuten Verlauf. Dieselbe nimmt gewöhnlich ihren Anfang um eine Zitze und verbreitet sich von hier aus nach allen Richtungen über die ganze Milchdrüse der einen Seite. Sie äusserc sieh an der Haut durch leichte Röthe und unter derselben durch massig harte Ge­schwulst, aber sehr heftigen Schmerz. Dabei tröpfelt in der ersten Zeit aus der kranken Zit/.c ein dünnes Milchwasser und beim angebrach­ten Druck kommt auch der käsige Theil der zersetzten Milch zum Vor­schein. Dabei stehen die Thiere traurig mit gesenktem Kopfe, mit Län­genden Ohren, gekrümmtem Rücken und weit auseinander gespreizten Hinterfüssen; sie sind nur mit Mühe in Bewegung zu bringen und ge­hen mit den Hinterfüssen gespannt oder selbst hinkend. Versuchen die Lämmer an dem entzündeten Euler zu saugen, so sinken die Mütter von Schmerz überwältigt zu Boden und können dann ohne Hülfe nicht aufstehen. Wenn, wie oft, nur ein Euler leidet, so giebt trotz dieser heftigen Zufälle das andere Euter in der Regel noch gute Milch. Zu­weilen bildet sich ein Abscess; in den meisten Fällen aber iliesst nach etwa l(i — 24 Stunden aus der Zitze der leidendeu Seite eine röthliche oder bräunliche, stinkende Flüssigkeit, welche man als Zeichen des in der Tiefe bereits eingetretenen kallen Brandes betrachten kann. Denn obgleich die leidende Hälfte des Eulers an der Oberfläche noch warm erscheint, so erfolgt doch nicht selten der Tod der Thiere nach 2 — 5 Tagen und man findet dann bei dgr Section die Milchdrüse an ihrer oberen Fläche vom Brande melir oder weniger zerstört.
3) Wenn die Zitzen von der Entzündung ergriffen sind, schwellen sie an, werden sehr gespannt, derb, oft sogar steif, die Haut ist dun-kelroth, meist glänzend, trocken, rissig oder schrundig, zuweilen in den Schrunden feucht; die Schmerzen sind gross, wesshalb die Thiere das Melken und das Saugen nicht dulden wollen, sondern sich widersetzen. In Folge dessen bleibt die Milch zurück, die Euter schwellen an und die Schmerzen werden vermehrt, so dass die Thiere auch hier zuwei­len mit den Füssen breit- und lahm gehen.
Die Ursachen der Eutcrentzündung bestehen häufig in mechani-
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Kntziindung der Milchdrüsen.
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scheu Verletzungen, welche die Tbiere durch Stösse, Schläge, Inseklcn-sliche, durch Quclschuiigcn beim ungeschickten Melkcu oder auch durch zu heftiges Zerren und Stossen der juugeu Tliiere beim Saugen erleiden; in anderen Fällen sind Erkältungen, besonders durch Zugluft im Stalle und durch Nässe und ünreinlichkeit des ïussbodens erzeugt, an dem Uebel schuld. Sclir oft entsteht dasselbe in Folge einer zu grossen Milchanhäufung im Enter, nach mangelhaflcm Ausmelken, oder wenn die Jungen erkrankt oder abgesetzt sind. Beim Rindvieh trägt auch zu reichliches Futter, besonders durch Getreide und ohne allmäligc Ange­wöhnung eines solchen Futters zum Entslehen des Uebels bei. Die seuchenartige Eutcrentzündung ist durch ein, nicht näher zu bezeich­nendes, Miasma in der Atmosphäre bedingt.
Die Ausgänge sind 1) Zevtheilung, welche bei der oberllächlichen Eutcrentzündung gewöhnlich und bei der tiefer sitzenden Entzündung in den meisten solchen Fällen eintritt, wo die Krankheit nur in einem ge­linden Grade besteht, aus mechanischen und rheumatischen Ursachen entstanden ist und zweckmässig behandelt wird. — 2) Eiterung, welche in denjenigen Fällen entsteht, wo grobe mechanische Verletzungen stattgefunden haben und wo die Krankheit nicht in den ersten 2—-3 Tagen zweckmässig behandelt worden ist. — 3) Ausschwitzung und Verhärtung, die in sehr vielen Fällen, bei gelinden und bei heftigen Entzündungen, entsteht und bald auf kleine begrenzte Stellen, bald auf einen grössern Umfang des Drüsengewebes sich erstreckt. Im ersteren Falle bilden sich sogenannte Milchknoteu, im letzteren Falle aber ent­steht ein sogenanntes Fleischenter; die Milchknoten können in verschie­dener Anzahl vorhanden sein, und in ihrer Umgebung das Drüsengewebe eine weiche Beschaffenheit besitzen, wobei gewöhnlich auch die Milch-secrelion noch forthesleht, wenngleich in manchen Fällen weniger reichlich als vor der Entzündung. Bei der lleischarligcn Verhärtung hört dagegen die Milchabsonderung in dem betrelfendcn Theile des Euters gänzlich auf und in Folge dessen wird die Milchergiebigkeil; eines Thieres bedeutend vermindert oder auch gänzlich unterdrückt. — 4) Verwachsung der Zitzen. Dieselbe entsteht durch Ausschwitznng von FaserstoU' an der serösen Haut, welche den Ausführungskanal in der Zitze auskleidet; ausserdem wird diese Verwachsung auch durch die geronnenen Bestandtheile, welche in dem Kanäle stocken und sich mit dem ausgeschwitzten Faserstoff verbinden, begünstiget und daher durch das unvollständige Ausmelken während der Krankheit sehr befördert. Die Verwachsung des Kanals erfolgt oft nur an einer kleinen Strecke, zuweilen aber auch an dem ganzen Kanal. Sie giebt sich dadurch zu erkennen, dass man die Zitze, soweit die Verwachsung sich erstreckt, in ihrer Mitte wie mit einem harten Bindfaden versehen fühlt, und ausserdem durch die lluctuirende Anschwellung des Euters nnmitlelbar über der Zitze. — 5) Brand. Dieser ist bei Euterenlzündungen im Allgemeinen, und beim Rindvieh besonders, ein nicht häuliger Ausgang; dagegen kommt er bei der akuten Entzündung des Euters der Schaafe sehr häufig vor.
Die Beurthcilung ist in denjenigen Fällen, wo Zerlheilung zu liofien ist, günstig; bei Eiterung erfolgt zwar ebenfalls die Heilung in vielen Fällen mit Erhaltung einer ungestörten Function der Milchdrüse;
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Entzündung der Milchdrüsen, Behandlung.
da sehr oft die Abscesse sich nach innen in den Milclikanal entleeren, oder auch leicht geölFnet werden können; in manchen Fällen jedoch bilden sich liarlnäckige Geschwüre mit mehr oder weniger kallösen Rändern oder mit wuchernder Granulation, oder es bleiben Fisteln zu­rück und in allen diesen Fällen erfolgt die Heilung nur schwer und die Milchsecretion oder auch das Säugen der Jungen wird dadurch gestört. Bei entstandenen Milchknoten hängt die Störung von der grössern oder geringem Zahl derselben und von der Beschaffenheit der übrigen Masse des Euters ab. Die Heilbarkeit der Knoten ist, wenn dieselben frisch entstanden und der Haut nahe liegend sind, zu holfen, aber nicht mit Sicherheit zu versprechen. Fleischähnlichc Verdickungen der Drüscn-subslanz sind nur im frischen Zustande möglicherweise noch heilbar, im Allgemeinen aber weit hartnäckiger als die Milchknotcn. Verwach­sungen der Ausführungsgäuge in den Zitzen können durch operative Hülfe in den meisten Fällen wieder gelöst und beseitigt werden; man wird bei ihrer Heurthcilung aber jeder Zeil den Zustand des Euters selbst berücksichtigen müssen. Brand ist, wie in anderen Organen, so auch hier stets der übelste Ausgang; jedoch ist die Beurtheilung ver-hällnissmässig noch am günstigsten zu machen, wenn derselbe bei gros­sen Hauslhieren in Folge von meciinnlsciien Verlelzungen entstanden, oberllächlich und auf einen kleinen Theil beschränkt ist; bei kleinen Thieren, und namentlich bei der oben bemerkten akuten Euterentzün­dung der Schaafe führt der Brand stets Lebensgefahr mit sich. In dem Verhältniss, wie beide Milchdrüsen nur zum Theil oder ganz durch den Brand zerstört sind, ist das betretFende Tlner fernerhin zur Zucht oder
zur Milchnulzun? brauchbar.
möglicherweise
noch brauchbar oder
völlig
Die Behandlung
Bei der oberflächlichen, exanthematischen
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Euterenlzündung ist in den leichteren Fällen kaum etwas anderes zu thun, als die Tbiere ruhig und bei wenigem und leichtem Fuiter zu hallen und die Euter läglich 2 — 3 mal gründlich auszumelken. Letz­teres muss Uherhaupt bei jeder Euterentzündung geschehen, nöthigen-falls mit Hülfe von Zwangsmitteln, aber mit möglichster Schonung des Euters; bei den höheren Graden dieser Entzündung befeuchtet man das Euter mit lauwarmen, schleimigen Flüssigkeiten, oder mit lauwarmer Milch, bis die Spannung und die Schmerzen nachlassen. Dabei muss man innerlich gelind abführende Salze verabreichen und die Thicre auf magere Diät setzen, und das Melken rauss regelmässig fortgesetzt werden.
Trägt die oberflächliche Entzündung einen erysipelatösen Charak­ter an sich, ist sie mit dem sogenannten Einschuss der Hinterschenkel verbunden, so muss die Hauptbchandlung durch innerliche Mittel in der Art geschehen, wie dies bei dem Rotblauf (S. 81) angegeben ist; namentlich giebt man Abführungsmittel, bis hinreichendes Laxiren er­folgt ist, bei Hunden und Schweinen auch Brechmittel. Oertlich ver­meidet man Kälte und Nässe und macht Umschläge von trocknen Kräu­terkissen. Gut genährten Thieren und wenn ein Fieber mit entzündli­chem Charakter zugegen ist, kann man auch einen Aderlass machen.
Bei der tiaiimatischen und tiefer in das Parcnchym der Drüse eingreifenden Entzündungen hat mau, je nach dem syaoehösen oder
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anderweitigen Charakter und nach dem Grade derselben zu verfahren. Zunächst macht man bei dem synochöscn Charakter einen reichlichen Aderlass (bei Kühen allenfalls aus der sogenannten Milchader), giebt innerlich laxirende und kühlende Salze in hinreichend grossen Gaben, und, wenn Erkältungen die Ursachen sind, verabreicht man nach ein­getretenem Laxiren den Brechweinstein mit einem Infusum von Flie-dorblumen oder Kamillenblumen. Oertlich kann man, wenn die Ent­zündung sehr heftig ist, einige Scarilicationen macheu, oder bei kleinen Thicren auch 3 — ö Blutegel appliziren. Hierauf befeuchtet man das Euter recht llcissig mit einer Auflösung von Kali carbonicum oder von weisser Seife in Wasser oder Milch (sect;j auf 4 tt Flüssigkeit) oder mit einer Auflösung von Salmiak (sect;j zu % W). Bleimittel, überhaupt ad-stringirendc Mittel sind unzweckmässig. Ist die Hitze sehr gross, so kann man auch Umschläge oder einen sogenannten Anstrich von einem dünnen Lebmbrei machen. Bei mehr erethischem Charakter benutzt, man Breiumschläge, Befeuchtungen oder Dunstbäder von schleimigen und norkotischen Pilanzen: die erstcren werden von manchen Thieren nicht geduldet, wo sie aber anzubringen sind, leisten sie immer mehr als die Waschungen. Man wendet sie entweder in locker gefüllten Beu­teln an, welche mit Bändern sowohl von vorüber an den Seiten des Leibes zum Rücken geführt und hier zusammengebunden, wie auch an ihrem hintern Ende zwischen den Hinterbacken in die Höhe ge­führt und mit den ersteren vereiniget werden: oder man legt den Kräu­terbrei auf ein 4 zipfliges Tuch und befestiget den vorderen Zipfel des­selben unter dem Bauche an einen umgelegten Bauchgurt, führt das hintere Ende nach rückwärts in die Höhe und befestiget es an einen mit dem Baucbgurt verbundenen Schwanzriemen, die beiden seitlichen Zipfel weiden an den Flanken in die Höhe geführt und über den Len­denwirbeln ziisamriicngebunden. — Bei torpidem Charakter der Ent­zündung applizirt man Umschläge von aromatischen Mitteln und be­feuchtet dieselben mit Aschcnlaugc. In denjenigen Fällen, wo Umschläge nicht angewendet werden können, macht mau Einreibungen, bei dem synochöscn Characktcr von warmem Fett oder Oel, bei dem erethischen Charaklcr von 01. Hyoscyami coct., oder von einem Gemenge von einem milden Oel mit Exlr. Hyoscyami oder Extr. Belladonnae, — und bei astbenischem Charakter von Ung. Althaeae, grüner Seife oder grauer Merkurialsalbe allein oder noch besser in Verbindung mit Campherlini-ment. Diese Behandlung der Entzündung bei den verschiedenen Cha­rakteren derselben wird so lange forlgesetzt, bis Zertheilung eingetreten ist, oder bis eine bestimmte Tendenz zu einem anderen Ausgange wahr­zunehmen ist.
Zeigen sich Sporen von Abscessbilduug, so sucht man dieselbe da­durch zu befördern, dass man Ung. Althaeae, oder geschmolzene Butter oder Fett in recht warmer Temperatur von Zeit zu Zeit wiederholt auf die zur Eiterung neigende Stelle streicht, und dabei warme Breium­schläge von schleimigen Mitteln anwendet. 1st aber die Torpidität sehr gross, so kann man selbst die Kantharidensalbe aufstreichen. Ist der Abscess reif, und liegt er nicht nahe unter der Haut, so öffnet man ihn baldigst durch einen grossen Einschnitt, um Senkungen des Eiters und Fistelgänge zu verhüten. Den geöffneten Abscess reinigt man täglich
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1—2 Mal mit lauwarmem Wasser und setzt die Breinmschlagc, wie vorher, fort, bis die Höhle grüssteutheils mit guter Granulation ausge füllt ist. Ist der Eiter dünn und jauchigt, so kann man den Abscess an seiuer innern Fläche mit Lapis infcrnalis bestreichen oder ganz leicht mit dem Glüheisen betupften und dann Umschläge oder öftere Befeuch­tungen von aromalischen Mitteln anwenden, worauf gewöhnlich der Zustand sich bald bessert und die Heilung erfolgt. Fette und Salben scheinen von der blossgeleglen Drüsensubstanz in diesen Abscesseu nicht gut ertragen zu werden, da nach ihrer Anwendung unter den bezeich-uelen Umständen die Eiterung nicht gebessert, dagegen aber die Ver­jauchung befördert worden ist. Zuweilen sind mehrere Abscesse auf einem kleinen Räume und nur durch dünne Wände von einander ge­trennt. In diesem Falle ist es zweckmässig, ihre Oeffnungen durch einen oder ein Paar grösserer Schnilte zu vereinigen. Jeder nur eini-germassen tiefe Abscess muss mit der Sonde untersucht, und wo sich Eitergäuge finden, müssen dieselbeu vollständig aufgespalleu werden.
Sind Knoten im Euter nach Beseitigung der Entzünduug zurückge­blieben, so sucht man dieselben aufzulösen und zu zertbeiien. Hierzu benutzt man, so lange grosse Empfindlichkeit noch am Euter wahrzu­nehmen ist, das täglich 2 Mal wiederholte Einreiben der grauen Mer-kurialsalbc mit Zusatz von Extr. Hvoscyami oder Extr. Belladonnae, oder einen Brei von weisser Seife uud Wasser mit Zusatz von diesen Extrakten und streicht denselben etwa 2 Linien dick auf die knotigen Stellen. Oder man macht Umschläge von erweichtem Brod mit Safran. Ist die Empfindlichkeit im Euter gering, so ist die Jodsalbe, für sich oder abwechselnd in Verbindung niitr grüner Seife, oder mit Zusatz von Kali carbonicam oder mit Campher zu bcnulzeu. Bei recht hartnäcki­gen Knoten hat sich auch das Ung. oder das Empl. Cantharidum sehr wirksam gezeigt, indem in manchen Fällen baldige Zertheilung, zuwei­len aber auch Eiterbildung in dem Knoten uud hierdurch die Auflösung desselben und dann die Heilung des Abscesses stall fand.
Bei sogenannter fleischartiger Verhärtung der Milchdrüsen benutzt man dieselben Mittel, welche soeben gegen die Knoten angegeben wor­den sind. Entstehen Verwachsungen der Ausführungskanäle in den Zitzen, so sucht man dieselben zuerst mittest einer Sonde zu trennen und legt dann eine mit Bleicerat bestrichene Darmsaite in sie; die Saite wird mit ihrem äussern Ende durch ein Stückchen Heflpllaster an das Euter befesliget und in ihrer Lage erhalten. 1st aber die Verwachsung bereits vollständig geschehen, und zwar entweder an einem kleinen Theil oder'an dem ganzen Kanal, so bleibt nichts anderes übrig, als denselben von dem Ende der Zitze her bis zur sogenannlen Milchkam­mer mit einem dünnen Troikar zu durchbohren. Zu diesem Zwecke zieht man die Zitze in gerader Richtung von dem Euter nach abwärts herunter, um sie anzuspannen, drückt dann den Troikar mit seiner Spitze in die Mündung des Ausführungsganges und schiebt ihn in der Mittellinie der Zitze allmälig immer tiefer vorwärts bis zu dem bezeich­neten Punkt, hält dann die Röhre fest, entfernt das Stilet und befestigt die Röhre mittelst Bänder, welche durch die Oeffnungen an ihrem Quer­blatt gezogen sind, und mittelst Heftpflaster an das Euter. Nach 3 Ta­gen entfernt man die Röhre und bringt mittelst einer Feder oder mit
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Entzündung der Milchdrüsen, Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 163
lelst einer Saite etwas Bleisalbe in den Kanal. Dies kann durch 5 bis 8 Tage forlgesetzt werden und dabei muss immer fleissiges Ausmelkeu stattiinden.
Droht Brand, besonders bei der oben bezeichneten Euterenlziin-dung der Schaafc, so macht man zeitig tiefe Einschnitte in der Längen-richtung des kranken Euteiiheils, und zwar so lief, bis die Thiere lebhafleu Schmerz zeigen. Die entstandene Blutung beiordert man durch Befeuchten der Schnittwunden mit lauwarmem Wasser. Hierauf wendet man eine Auflösung von Chlorkalk in Wasser oder in einem aromati­schen Infusum oft wiederholt an, und wenn wirkliche Absterbung be­steht, befeuchlet man die Schnittwunden mit Campherspirilus, oder mit Terpenthinöl, oder mit Holzessig und wiederholt jjies, bis Abstossung des Brandigen erfolgt ist. Wo sich der grösste Theil der Milchdrüse vom Brande ergrilleu zeigt, ist es am beslen, dieselbe bis auf den Grund zu csstirpiren und dann die Wunde auf dem Wege der Eiterung zur Heilung zu bringen. — Eben so muss in manebeu Fällen die Weg­nahme des Euters thcilwcisc oder ganz geschehen, wenn dasselbe durch tiefe Fistelgäuge in versebiedenen Richtungen durchbohrt und ausserdem in seiner Masse kailös ist, oder wenn die Verhärtung eine krebsartige BeschalTenheit angenommen hat.
Die Operation kann in der Exstirpation oder in der Amputation bestehen und die ganze Drüse oder nur einen Theil derselben hetrelfen. Im letzteren Falle mnss die Trennung immer in völlig gesunder Sub­stanz geschehen und ausserdem muss man mit dem zurückbleibenden Theil der Milchdrüse wenigstens eine Zitze in Verbindung erhalten, wenn man bei Milch- oder Zuchtthieren noch einen INulzen haben will. Das zur Operalion bestimmle Thier wird auf den Rücken gelegt und mit zusammengebundenen Füssen von Gehülfen gehalten. Das Euter und die Umgebung wird mit warmem Wasser gereinigt, und wenn Haare sich auf der Haut befinden, so werden diese auf der ganzen Fläche abgeschoren. Ist bei einer Stute oder bei einer Kuh eine Milch­drüse nur zum Theil entartet, so führt man mit einem geballten Bi­stouri einen Schnitt durch die Haut in der ganzen Länge des entarteten Theils, löst die Ilautränder von der Drüse ab, zieht dann die letztere mit einem Haken von dem Zellgewebe am Becken ab und durchlrennt dasselbe mit dem Messer, trennt dann auch die Ränder der Drüse von dem umgebenden Zellgewebe bis zu dem gesunden Theil derselben und schneidet sie nun in diesem gesunden Theil, etwa 1 Zoll von der kran­ken Grenze, quer ab. Man untersucht hiernach die Wunde, ob nichts Krankes zurückgeblieben ist, entfernt die etwa aufgefundenen harten oder bandartig aussehenden Fasern, stillt die Blutung durch Zudrehen oder Unterbinden der Gefässe und heftet endlich die Haulränder mit­telst der Knopfnaht. Findet sich hierbei Ueberfluss von Haut, so nimmt man von den Rändern den überflüssigen Theil fort uud heftet sie dann zusammen. Die Heilung wird, wenigstens soviel wie möglich, durch schnelle Vereinigung zu bewirken gesucht, und die Thiere müssen dess-halb in den ersten Tagen ganz ruhig gehalten werden.
Die Amputation eines Theils der Drüse wählt man, wenn die Haut zugleich grösslculheils mit entartet ist. Man macht dann einen Zirkelschnitt rund um den entarteten Theil der Drüse, ergreift densel-
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Entzündung der Schamlefzen.
ben, zieht ihn recht slark hervor und lübrt dann am vordem Ende des Hautschnitlcs denselben tiefer bis in das über der Drüse liegende Zell­gewebe zwischen ihr und dem Bauche oder Becken, und so löst man von hieraus weiter den kranken Theil der Drüse von allen Umgebun­gen. Die Blutung wird mit den gewöhnlichen Mitteln gestillt, hiernach die Wunde mit trocknem Werg und mit einigen Streifen von Heft-pilastcr oder mit einer passenden Binde bedeckt. Der Verband bleibt, liegen, bis Eiterung cinlrilt, — worauf dann die weitere Behandlung nach dem Charakier der Eilernng und Granulation bis zur Heilung besorgt wird. — Bei der Ausschälung einer ganzen Milchdrüse macht man über dieselbe 2 an den Enden mit einander verbundene ovale Hautschnitle und verfährt übrigens mit der ganzen Drüse so, wie im Vorstehenden
hinsichtlich eines Theils derselben angedeutet ist
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Dreizehntes CapiteT.
Die Entzündung der Schamlefzcn und der Mnlterschcide.
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Die Entzündung dieser Theile entsteht zuweilen durch zu gewalt­same oder in kurzer Zeit zu oft wiederholte Ausübung des Begattungs­aktes, — durch Reiben der Genitalien an verschiedenen Gegenständen, zur Zeit der Brunst, besonders durch Pfeffer u. dgl. Substanzen, wenn Nichtsachverständige hierdurch die Thierc zum Harnen reizen wollen, — bei Geburten durch zu gewaltsam in die Mutterscheide gedrängte und in ihr sich feststützende Theile des Foetus, wie auch zuwei­len durch geburtshülfiiche Instrumente u. s. w. Gewiss trägt aber, wenigstens als Anlage, die mit der Brunst verbundene Aufregung etwas dazu bei. Bei Stuten findet sich zuweilen eine Entzündung der Scham­lefzen und selbst eines Theils der Mutterscheide zur Zeit der Begattung ein, selbst wenn die letztere nur in gewöhnlicher Weise und ohne An­strengung staltgefunden hat. Da diese Entzündung gewöhnlich bei mehreren Stufen in einer Gegend vorkommt, so hat man das Uebel als ein seuchenartiges betrachtet, und mit dem Namen Beschäl-krankheit, Chankerscuche oder auch venerische Krank­heit bezeichnet und häufig eine Ansteckung durch die Zuchthengste oder auch in anderen Fällen eine in der Atmosphäre begründete eigen-thümlicbc Krankheitsconstilution als Ursache angenommen.
Die Symptome im Allgemeinen sind: Anschwellung und Glanz der Schamlefzen, vermehrte Wärme, dunkle Röfhung der Schleimhaut, massi­ger Schmerz bei der Berührung. In denjenigen Fällen, wo mechanische Ver­letzungen stattgefunden haben, findet man dieselben entweder schon äusser-lich an den Schamlefzen, oder wenn man dieselben auscinanderzieht und zwar entweder dnnkelrothe Flecken von Ecchymosen, oder Risse in der
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Schleimhaut oder selbst noch tiefer gehende Wunden. Da, wo PfeUev und ähnliche scharfe Substanzen cigewirkt haben, finden sich gewöhn­lich noch Reste derselben vor, oder es bestehen an einzelnen Stellen dunkelrothe erhöhte Punkte oder selbst Anätzungen; und in den Fällen, wo die Enlziindung in Folge des Begattungsreizes und an­derer nicht näher gekannler Heize cnlstauden ist, finden sich dazu bald an der äussern Fläche der Schavnlcfzen, bald an der Schleimhaut derselben kleine Bläschen mit weisscr oder gelblicher Flüssigkeit gefüllt, und im weiteren Verlauf enlslehen ans diesen Bläschen kleine Ge­schwüre, welche sich nach kurzem Bestehen mit einem braunen Sehorf bedecken und dann mit, einer, für längere Zeit weiss bleibenden Narbe heilen1). In der ersten Zeit des Bestehens einer heftigen Entzündung ist die Schleimhaut der Schamlefzen, und zuweilen auch der Vagina trocken, nach etwa 2 Tagen, und bei minder heftigen oder asthenischen Entzündungen vom Anfange an, zeigt sich vermehrte Schlcimsekretion. Unter der Scham bildet sich gewöhnlich ein Oedera, welches sich all-mälig tiefer am Miltelfleiseh hcrunlerscnkt. Bei heftigen Entzündnngon stellen die ïhierc traurig, mit gesenklein Kopfe und mangelndem Ap­petit, zuweilen besteht auch Fieber, Die Thiere hallen den Schweif von den entzündeten Theilen ab, sleilen wohl auch die Hinterbeine breit auseinander und zeigen bei der Kolli- und Urinentleerung bald mehr bald weniger Unruhe. — Zuweilen ist diese Entzündung mit einer Entzündung der Gebärmutter, zuweilen auch mit Entzündung oder Verletzung des Alters oder des Mastdarms verbunden. Im ersteren Falle besteht Auftreibung des Leibes, öfteres Drängen, zuweilen auch Kolikschmerz und die Thiere sind im Allgemeinen vielmehr angcgrilfcu; bei den Verletzungen des Affers und Mastdarms findet man die Spuren dieser Verletzungen an den genannten Theilen.
Die Prognosis ist in den meisten Fällen bei diesen Entzündungen sehr günstig zu machen, da fast nirgends am Körper Entzündungen und Verletzungen so leicht leilen, als an diesen Theilen. Einfache Entzün­dungen nach oberflächlichen mechanischen Verletzungen, nach Anätzun­gen zertheilen sich gewöhnlich in 4 —8 Tage und die miasmatische oder epizootische, mit Bläschenbildnng verbundene Entzündung heilt in den meisten Fällen in Zeit, von 8—14 Tagen. Nur bei gleichzeitig vorhandenen grosseren Verlelzungen oder bei Complicationen mit Ge­bärmutterentzündung wird der Zustand mehr gefährlich.
Die Behandlung. Bei oberllächlichen Entzündungen der Scham-lefzen und der Scheide reinigt mau diese Theile zuerst mit lauwarmem Wasser, oder bei vorhandenen scharfen Subtsanzen mit einer schleimi­gen Flüssigkeit und wendet dann Waschungen mit lauwarmem Blei­wasser, oder mit einem schwachen aromatischen Infusum täglich einige Male an. Bei heftigen Entzündungen macht man einen massig starken
') Diese Entzündung stimint bei Stuten mit der sogenannten Beschälkrank­heit bei Hengsten (Siehe Capitcl X) übercin, und da oft beide zu gleicher Zeit bei Thiercn vorkommen, die sich mit einander begattet haben, hält man sie ebenfalls für ansteckend. In vielen Fällen ist jedoch der Beweis hierüber sehr zweifelhaft.
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166nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Entzündung der Lymphgefässe.
Aüerlass, giebt salzige Abfiihmngsinittel, befordert laquo;lie Kotlienlleeruugen durch schlciuiige Clyslierc, und weim durch za starke Anschwellung der Schleimhaut in der Scheide die Urinentlecrung gehindert ist, führt man dieselbe vemittclst des Katheters herbei. Oertlich wendet man kalte Umschläge von blossem Wasser, von Bleiwasser, oder von Wasser und Essig, bei heftigen Schmerzen aber von Infusionen narkotischer Mittel an. Bei mehr astheuischem Charakter di:r Entzündung dienen Infu­sionen von aromatischen Kräutern mit Zusatz von Brandwein oder mit Zusatz von Kiipfervilriol oder Alauu, — Ist die Entzündung durch miasmatische EinlUissc erzeugt, so genügt in der Regel die Anwendung imierlicher entzündungswidriger Mittel, zu denen mau namentlich auch das Calomel und den Brechweinsteiu rechnen muss; äusserlich wendet man entweder gar nichts an. oder man bestreicht die Schamlefzen bloss mit verdünnter grauer Merkurialsalbe täglich einmal.
Die Diät muss mager sein und ausserdem ist dafür zu sorgen, dass die Thiere die entzündeten Theile an andern Gegenstäuden nicht reiben.
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Vierzehntes Capitel. r
Die Entzündung der Lymphgefässe.
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Bei Pferden und zuweilen auch bei dem Rindvieh findet sich die Entzündung der Lymphgelasse an verschiedenen Körpertheilen, nament­lich in und unter der Haut der Vorderfüsse und der Brust, und an der inneru Fläche der Hinterschcukel. Diese Entzündung äussert sich durch Anschwellung der Lymphgefässe, welche bald mehr bald weniger lange, bindfaden- oder schnurförmige Stränge bilden, die in der Richtung nach den nächsten Lymphdrüsen, z. B. den Bugdrüsen oder Leistendrüsen koncentrisch hinlaufen und mit vermehrter Wärme, so wie mit grossem Schmerz begleitet sind. Die betretrenden Lymphdrüsen zeigen sich dabei bald vom Anfange her, bald erst später angeschwollen, vermehrt warm und schmerzhaft. In der Umgegend der Lymphgefässe und besonders an den niedrigeu Stellen der Glieder oder des Leibes bilden sich ödeina-töse Anschwellungen. Dabei ist die Bewegung des Theils sehr erschwert, so dass die Thiere die betrefTende Gliedmasse schleppend, halbsteif und unvollständig vorwärts bringen- Oft ist mit diesem Zustande Fieber verbunden. Im weiteren Verlaufe des Uebcls bilden sich zuweilen an mehreren Stellen der Lymphgefässe Knoten, welche bald früher bald später entweder in Zertheilnng oder in Abscesse übergehen.
Die Ursachen bestehen in Unterdrückung der Hautausdünstung, in Störung des Verdauungsprozesses, und in dein Genuss verdorbenen oder zu reichlich nährenden Futters; in verdorbener dunstiger Stallluft, am meisten aber in örtlicher Reizung der Lymphgefässe durch öfters wie-
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Entzündung der Lymphgefässc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 167
derholte oberflächliche Verlelzungen, z. B. bei den sogeuanntcii Streifen oder Streichen mit dem Hufeisen, — durch Aufnahme von Eiter oder Jauche bei vorhandenen Abscessen oder Geschwüren und dcrgl.
Der Verlauf dieser Lymphgefässcntzündung ist gewöhnlich auf 8 —14 Tage beschränkt, zuweilen aber auch bis 4 Wochen ausgedehnt. In den meisten Fällen trilt Zerthcilung ein, zuweilen bildet sich, wie bereits angedeutet, Eiterung, und die hierdurch entstandenen Geschwüre nehmen leicht einen bösartigen Charakter an, indem entweder verjau­chende Zerstörung des Zellgewebes und der Haut zuweilen in bedeu­tendem Umfange dabei entsteht, oder auch schwielige Verbärtuug und Fislelbildung die Folge davon ist.
Die Krankheit hat mit dem sogenannten Wurm die grösste Aelin-lichkeit und unterscheidet sich von demselben nur dadurch, dass keine Dyskrasie bei ibr nachzuweisen ist, während dieselbe bei dein Wurm immer besteht, und ferner, dass bei ihr der Eiter in der Regel keinen Ansteckungssloff in sich trägt, wäbrend dies bei dem Wurm der Fall ist. Allein beide Merkmale sind äusserlicb durch bestimmte Symptome nicht ausgesprochen, und es ist deshalb die Unterscheidung beider Zustände in der Praxis sehr schwer, ja zuweilen gar nicht mög­lich. Es muss dabei immer der Habitus des Tbiercs im Allgemeinen, die Beschaffenheit des Haars der Thicre, der bisherige Verlauf des Uebels und die Ausbreitung desselben und die etwa bestandene Gele­genheit zur Ansteckung berücksichtigt werden. Jedenfalls ist es zweck-massig, ein mit Lymphgefiissenlzündung behaftetes Pferd von anderen Pferdeu abzusondern, ihm einen besonderen Wärter zu geben und überhaupt es so zu betrachten, als ob es an einer ansteckenden Krank-beit litte. Zuweilen scheint sich aus der einfachen Lymphgefässentzün-dung das dyskrasischc Leiden der sogenannten Wurmkrankheit wirklich zu entwickeln.
Die Behandlung ist auf Beseitigung der Ursachen und auf Zerthei-lung der Entzündung gerichtet. In erster Hinsiebt giebt man dem Thiere einen warmen, von Zugluft freien und mit reiner Luft versehe­nen Stall, dazu gesundes Futter in massiger Menge und von leichter Qualität, wenn es zuhaben ist, am besten Grünfulter; ausserdem sucht man durch fleissiges Putzen und warmes Bedecken die Hautausdünstung zu befördern. Innerlich verabreicht man schwefelsaure Salze und Ca­lomel in angemessenen Gaben bis Laxiren erfolgt, und äusserlich wen­det man bei frischer Entzündung lauwarme Waschungen von schleimi­gen und narkotischen Mitteln an, später macht man Einreibungen von grauer Merkurialsalbe, welcher m:in bei grosser Empfindlichkeit der Theile Extr. Belladonuac oder Extr. Hyoscyami (1 Theil zu 16 bis 20 Theilen) hinzufügen kann; ist der Zustand mehr torplder Art, so kann man diese Salbe mit Kali carbonicum oder mit grüner Seife ver­binden; und wenn der Zustand chronisch wird, kann man selbst Ung. Cantharidum auf die Haut im Verlaufe der angeschwollenen Lymph­gefässc und auf die Gegend der Lymphdrüsen streichen. Bilden sich an einzelnen Stellen Knoten, so kann man auch diese schon bei Zeiten mit der Kantharidensalbe bestreichen, oder auch mit dem glühenden Eisen oberflächlieh brennen, und wenn ein Abscess entstanden ist, den­selben zeilig öffnen und ebenfalls seine Umgegend mit Kantharidensalbe
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Einschuss oder heisse Schenliclgcschwulst.
zu wiederholten Malen bestreichen. Sind grösscre Geschwüre eulslau-den, so wendet man auf dieselben von Zeit zu Zeit wiederholt den Lapis infernalis, oder bei grosser Torpidität auch wohl das glühende Eisen an und sucht dann durch warme Umschläge, oder dergleichen Fussbäder von gelind aromatischen Mitlelu gutartige Eiterung herbeizu­führen. Zuletzt befördert man die Veruarbung durch Bestreichen der Geschwürsflächen mit einer Auflösung von Cuprum sulphuricum oder durch Aufstreuen von Eichenrinden- oder Tormcntillwurzelnpulver.
Breitet sich das Leiden der Lymphgefässe von dein zuerst afüzir-ten Theil auch auf andere Theilc des Körpers aus, bilden sich an den Lymphgeiassen immer neue Knoten oder Beulen und Abscesse, finden sich dazu noch Symptome von gestörter Verdauung und Ernährung etc., so muss man den Zustand als die wirkliche, bösartige Wurmkrankheit betrachten und die weitere Kur mit spezifisch umstimmenden Mitteln, namentlich mit Sublimat, mit Antimonium, Conium und dergleichen nach den Regeln der speziellen Therapie zu bewirken suchen.
Fünfzehntes Capitel.
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Der Einschuss oder die heisse Schenkclgeschwulst.
Mit dem Namen Einschuss oder heisse Schcnkelgeschwulsl bezeichnet man eine bei Pferden häufig vorkommende cigenlhümliche Entzündung der Schenkelveneu und der Lymphgefässe an der innern Fläche der Hinterschcukel. Diese Eulzündung fandet sich am häufig­sten bei Arbeitspferden von gemeiner Ka^el,und bei solchen, welche leicht schwitzen, verschont aber auch Pfertle ^ou edleren Ra(,cn nicht. Die Krankheit entsteht in der Regel plötzlich, meistens während der Nacht, und äussert sich auf folgende Weise: die Thiere schonen selbst beim Stillstehen einen oder den andern Hinterfuss, indem sie denselben mehrentheils nur mit der Zehe auf den Boden setzen, und beim Gehen bewegen sie denselben steif und unvollsländig nach vorwärts; sie nei­gen dabei gewöhnlich mit dem Körper nach der entgegengesetzten Seite und vermeiden jede starke Dehnung im Knie- und Ilüflgelenk. Bei der örtlichen Untersuchung findet mau den leidendon Fuss an seiner iuuern Fläche in der Leistengegend bald mehr bald weniger geschwollen, ver­mehrt warm und bei der Berührung sehr schmerzhaft, so dass bei stär­kerem Druck das Glied rückwärts und nach ausscu tu die Höhe geworfen wird. Die Geschwulst ist unmittelbar unter der Haut von ödematö-ser Beschaffenheit, mehr iu der Tiefe aber mehr gespannt und man fühlt hier die Vene angeschwollen und derb, und zuweilen auch vor und hinter der Vene einzelne Lymphgefässe ebenso angeschwollen. Fast immer erstreckt sich die Geschwulst auch auf den Hodensack oder auf das Euter der leidenden Seite, so dass diese Theile zuweilen um das Doppelte ihres normalen Umfanges vergrössert werden; diese An-
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Einschuss oder heisse Schenkelgeschwulst.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 169
scLwcllung ist jedoch fast ganz üdematös uud wenig schmerzhaft, sehr oft aber ündcl sich, selbst bei nicht trächtigen Stulcn, in dein Euter eine lymphalischc, gelbliche riüssigkcit, welche ausgeinolken werden kann und zuweilen auch von selbst auslriipfelt. Sehr häufig besteht ausser der Geschwülst an der iimeru Seile des Dickbeins, auch an den unleru Theilen der Gliedmassen, und zwar bald nur unmittelbar über dem Fesselgele.uk, zuweilen auch bis über das Sprunggelenk Iiiuauf eine ödematöse Anschwellung. In den nicislcn Fällen ist die Krankheit mit Fieber, zuweilen auch mit Gelbfärbung der Conjunctiva und der Maul­schleimhaut und mit Störung des Appetits begleitet.
Bei der Euterenlzüudung der Kühe findet sich zuweilen eine ähn­liche Anschwellung an der Innern Fläche des Dickbeins, jedoch stets im minderen Grade als bei Pferden.
Der Verlauf der Entzündung bei dem sogenannten Einschuss ist in der Regel akut, so class in 8 — 14 Tagen Zcrtheilung und Heilung er­folgt ; in einzelnen Fällen neigt jedoch die Krankheit mehr zu einem chronischen Verlauf uud erstreckt sich auf 3 — 4 Wochen. Zuweilen bilden sich Abscesse, welche leicht Senkungen des Eiters unter der sehnigen Ausbreitung und hierdurch bedeutende Zerstörungen erzeugen uud durch dieselben ein anhaltendes Reizfieber und selbst den Tod herbeiführeu können. Eben so hat man in einzelnen Fällen beobachtet, dass die Entzündung von der Schcnkelvenc sich selbst in das Becken auf die hier liegenden Venen verbreitet und eine tödllichc Bauchfell­entzündung herbeigeführt hat. In solchen Fällen, wo Abscesse, weit verbreitete Ausschwitzung oder Eiterung unter der sehnigen Ausbreitung, oder auch die bezeichnete tiefere Entzündung in der Beckenhöhle enl-slanden ist, besteht das Fieber in gleicher Heftigkeit fort oder es stei­gert sich noch von Zeit zu Zeit; die Thicre zeigen ausserordentliche Schmerzen, schwitzen Augstschwciss, versagen das Futter, kratzen mit den Füsscn, werfen sich auf die Streu und stöhnen fast wie die an heftiger Kolik leidenden Pferde. Der Schenkel ist unter diesen Um­ständen über uud über geschwollen, die Geschwulst an der innern Seite des Fusses sehr gespannt und schmerzhaft, und bei genauer Untersu­chung findet sich auch zuweilen eine lluktuireude Stelle, welche beim Einschneiden eine lymphatisch-eiterige Flüssigkeit entleert. Unter diesen Erscheinungen erfolgt zuweilen in 8^—14 Tagen der Tod. — In ande­ren Füllen verliert sich nur ein Thcil der Entzündungszufälle, während ein geringer Grad von entzündlicher Reizung und die Anschwellung fortdauern. Die Thicre gehen dabei allmälig weniger gespannt und lahm, aber die Geschwulst wird immer derber und das Zellgewebe verdichtet sich, so dass es in manchen Fällen eine speckartige Derbheit erhält; in eiuzdnen Fällen nimmt auch die Haut an dieser Verdickung Antheil. — In denjenigen Fällen, wo die Lymphgefässe vorherrschend ergriflen sind, kann vollständige Zertheilung eintreten oder es können sich auch, wie im vorhergehenden Capltel angedeutet ist, einzelne Kno­ten oder Beulen und Abscesse bilden, welche mitunter gut vernarben, in anderen Fällen aber die BesclialTeuheit der Wurmgeschwürc anneh­men. In diesem Falle tritt die Krankheit ganz in die Kategorie der VVurmkrankhcit und erzeugt in dem Eiter der Geschwüre den dieser Krankheit eigenthümlichen Anstcckungsstoff.
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Einschnss oder heisse Schenkelgeschwulst. Kur.
Die Ursachen des Einschusses sind fast genau dieselben, wie die Ursachen der Lyniphgefasseiiizündung. Am häufigsten eidsieht das Uebel durch Erkältung, und es findet sich daher nicht selten bei meh­reren Pferden fast gleichzeitig, wenn eine nasskalte Witterung besteht oder ein oftmaliger Wechsel der Temperatur stattfindet. Ausscrdem scheint die Krankheit durch schlechtes Futter, namentlich durch ver­dorbenes Heu oder multrigen Hafer vorbereitet zu werden. Sehr häu­fig nimmt das üebel seine Entstehung von einer kleinen verletzten Stelle, welche an der itmern Seite der Fesselgelenkes durch das gegen­seitige Streifen der Füsse entstanden ist. Strauss hielt das Uebel für eine Anthraxentzündung und in einer eigen!Immlichen Entartimg der ßlutmasse begründet.
Die Kur. Zuerst sucht man die etwa noch fortdauernden Ürsa-cneh'zu beseitigen und unwirksam zu machen und giebt demgemäss den Thicren einen warmen, reinen Stall mit guter trockner Streu; zur Nahrung giebt, man blos Kleie oder Gras. Innerlich verabreicht mau Calomel mit Natruin sulphuricum oder Kali sulphuricum, und wo Gelb­färbung besteht, auch selbst mit Zusatz von kleinen Gaben der Aloe, bis reichliches Laxiren eingetreten ist. Oertlich macht man bei grossen Schmerzen Waschungen mit schleimigen oder narkotischen Flüssigkeiten, oder vvo diese nicht mit dem gehörigen Flciss fortgesetzt werden kön­nen, bestreicht maq die innere Fläche des Oberschenkels mit einem iremenge von grauer Merkurialsalbe (1 Theil und gekochten Bilsenkraul-61s 2 Theilen), oder mit einem Gemenge von grauer Merkurialsalbe gj, Rüböl sect;ij und Bilsenkraut- oder Bclladonnacxtr. 3ij. Mindern sich hier­bei die Zulalle nicht und sind die Thierc kräftig und vollblütig, so kann man auch einen Adcrlass machen. Ist die Empfindlichkeit massig, so sind Waschungen mit einer Auflösung von Kali carbonicum, oder mit warmem Seifenwasser, oder Einreibungen von grauer Salbe mit. grüner Seife oder mit Campherlinimcnt nützlich, eben so kann man hierbei Waschungen mit. aromatischen Kränlcririfusionen für sich allein oder mit Zusatz von Potaschc, und bei noch mehr asthenischem Charakter des Uebcls auch Waschungen mit zusammengesetztem Oxykrät oder mil verdünntem Weingeist täglich mehrmals wiederholt anwenden lassen. Entsteht an einer Stelle Fluktuation, so muss hier bei Zeiten an dem niedrigsten Punkte derselben ein Einschnitt durch die Haut und selbst durch die sehnige Aiisbreilung gemacht und die Flüssigkeil ausgeleert werden, worauf man die Gescluvürshöhlc mit einer Auflösung von Cu­prum sulphuricnm oder mit Digestivwasser fans Terpcnthin, Eigelb und Kalkwasser bestehend) einige Male befeuchtet, und wenn hiernach nicht in wenigen Tagen gute Eiterung entstellt, muss man eine Einreibung von Kanlhandcnsalbc in der ganzen Umgegend der eiternden Stelle machen. — Knoten oder Beulen an den entzündeten Lymphgefässen bestreicht man ebenfalls mit Kantharidensalbe, oder man berührt sie mit dem Glüheisen, und wenn sie in Abscessc übergehen, öffnet man sie zeitig und brennt dann die Höhle dieser Absccsse, oder man kautcrisirt sie mit Lapis infernalis. — Wo die Entzündung einen chronischen Charakter annimmt, sind von Zeit zu Zeit gegebene Purgirmittcl ab­wechselnd mit diuretischen Mitteln zu benutzen; äusserlich wendet man die grüne Seife für sich oder mit Zusatz von Jodkali, oder auch mit
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Mauke, der Pferde.
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Zusatz von kleinen Quanlitälen des Aetzsublimates (3/J zu giij Seife), oder ein Liniment aus grüner Seife (giij), Potasclic (g|S) und Tcrpcn-Ihinöl (sect;j) auf die verdickien llautstellen an und umwickelt ausserdem dieselben noch, wenn die Tliicrc im Stall stehen, mit massig fest ange­legten wollenen Binden. Dabei lässt man den Tbicren täglich mehr und mehr Bewegung machen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;_
Wegen des möglichen Ucberganges der Krankheit in die Wurm-krankheit nmss man die Thiere beständig in strenger Aufsicht halten und sie bei dem Entstehen von Beulen von den übrigen Pferden ab­sondern.
Scchszelmfes Capilel.
Die Mauke, Paronychia erysipelatosa serosa et herpetica.
Mit dem Namen Mauke bezeichnet man bei Pferden und bei dem Rindvieh rothlaufartige Entzündungen, welche ihren Sitz an dem untern Ende der (iliedmasseu, vorzüglich an den Fessein haben, und bei bei­den Thieren einige Verschiedenheiten zeigen.
1. Bei dem Pferde tritt die Krankheit in zwei Hauplformen A. als exanthemalisehe oder Ausschlagsmauke und B. als bran­dige Mauke auf, und die erstere unterscheidet sich wieder a. in die Scliulzmaukc und b. in die Schrnndcumaukc.
a. Die Schntzmauke, (von Jenner und E. Viborg zuerst so genannt, weil die bei ihr ansgesehwitzle Lymphe (welche Jeuner als Equine bezeichnete), wie die Lymphe der Kuhpockeu, durch Ein­impfung bei Menschen und bei Rindvieh eine, der wahren Vaccine ganz analoge, Aussehiagskrankheit zu erzeugen und dadurch die Anlage zu den ächten iMensehenpocken zu vernichten oder doch bedeutend zu vermindern vermag), lindet sich gewöhnlich mit einem ^elhiden Fieber ein, welches den Charakter eines gewöhnlichen Reizfiebers, zuweilen mit bilioser Complicalion, zeigt. #9632; Dabei schwellen ein oder mehrere Füsse am Fessel, namentlich an der hintern Seite desselben, massig an, die Geschwulst ist wärmer, als die umgebende Haut, und wo sie von Natur weiss ist, findet sich dunklere Röthung hinzu, die Haut, wird gespannt und bei der Berührung schmerzhaft. Die Geschwulst setzt sich in kurzer Zeit sowohl nach der Krone, wie auch bis auf das Schienbein, ja oft noch bis über das nächste Gelenk desselben hinauf fort. Mit der Zunahme der Geschwulst vermindert sich die Spannung und die Schmerzhaftigkcit immer mehr, doch gehen die Pferde dabei bedeutend lahm, indem sie den Fuss im Fessel- und Kronengelenk steif halten. — Nach etwa 24 Stunden sträuben sich die Haare an der hin­lern Seite des Fcssels, es bilden sich kleine Bläschen von gelblich-weisser Färbung, welche schnell bersten und an ihrer Stelle rosenrothe
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172nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Mauke, der Pferde.
Fleischvvärzchen erscheinen lassen, aus denen kleine Tropfen einer klebri­gen weissen oder gelblichen Flüssigkeit ausschwitzen. Die ausge­schwitzte Flüssigkeit hat einen eigenlhiimlichen faden, etwas süsslichen Geruch und vertrocknet zu braunen Krusten, unter den sich entweder nach kurzer Zeit eine neue Epidermis wiederbildet und somit die Hei­lung in etwa 10 — 14 Tagen erfolgt, oder es bilden sich unter den Schorfen tiefere und breitere Geschwüre, welche eine übelriechende weissliche oder mit Blut gemengte Jauche absondern, im weiteren Ver­lauf verdickte schwielige Ränder bekommen und sehr lange dauern können. Zuletzt erfolgt die Heilung gewöhnlich mit Verdickung der umliegenden Haut oder mit Bildung einer hornigen Oberlläcbe auf der Granulation der Geschwüre. Zuweilen entstehen auch warzeniilmliche Auswüchse oder auch Fisteln.
Die oben bezeichneten Bliischen werden von den meisten Schrift­stellern über diesen Gegenstand beschrieben; ich habe aber dieselben bei sehr sorgfältiger und oft wiederholter Untersuchung bisher in kei­nem Falle entdecken können, obgleich ich Gelegenheit hatte, die Mauke gewissermassen unter meinen Augen entstehen zu sehen und sie somit vom Anfange zu beobachten; wohl aber habe ich Ablösung der Ober­haut durch Ausschwitzung unter derselben und dann die Anschwellung der Hautwärzchen in Form von kleinen Pocken erfolgen sehen, jedoch waren dieselben niemals bläschenartig hohl. Die Ausschwitzung und die Ablösung der Oberhaut erfolgte fast regclmässig zuerst und immer am stärksten in den kleinen Querfalten an der hintern Fläche des Fes­seis, sie findet jedoch auch an jeder andern Stelle statt, soweit die ery-sipelatöse Anschwellung reicht. Neben dieser Anschwellung besteht häufig ein Oedem in bedeutendem Umfange, zuweilen bis zum Leibe hinauf, und oft bleibt dasselbe noch für einige Zeil nach der Heilung der Mauke zurück.
b. Die Schrundenmauke entsieht auf ganz ähnliche Weise, wie die Schutzmauke, und ist auch oft von Fieber begleitet. Die ört­lichen Symptome zeigen sich von der Schulzmaukc nur darin verschie­den, dass bei ihr die Bläschen fehlen, die Oberhaut abgelöst, die Le­derhaut stark gereizt, stellenweise fleischroth gefärbt und die ausge­schwitzte Flüssigkeit nicht klare Lymphe, sondern dünn, eiweisshallig und schmierig ist. Im weiteren Verlaufe bilden sich auch hier stellen­weise tiefer gehende Geschwüre, mehrenlheils in den Falten an der hintern Seite des Fesseis und unter demselben nach dem Ballen zu. Die Geschwüre verhalten sich in ihrem Verlaufe und in ihren Zufällen ganz ähnlich denen bei der Schutzmaukc. Bei beiden Formen der exanthematischeu Mauke setzt sich die Entzündung zuweilen auch über das Fesselgelenk hinauf fort, verändert hier wie am Fessel die Haut durch Verdickung und Bildung von Schwielen, dadurch werden die Ilaare gleichsam aus einander gespreizt und in die Höhe gerichtet, und in diesem Zustande pllegt man das Leiden mit dem Namen Straub-fuss oder Igelsfuss zu bezeichnen. In dieser BeschalTenheit wird die Mauke sehr oft chronisch ').
i) Ich bin in der Annahme zweier Varietäten der exanthematischen Mauke den Autoren, namentlich Veith und Strauss, gefolgt, ohgleich ich selbst, wie
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Mauke, der Pferde.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 173
B. Bei der Brandmauke Ireten plölzlich an dem Fessel eines Fusses, oder auch an mehreren Fassen zugleich die Erscheinungen einer bcgränzlen aber heftigen Entzündung der Haut ein, worauf gewöhnlich schon bald nach 24 Stunden an der am meisten leidenden Stelle die Haut bläulich oder bleifarbig wird, sich in einem gewissen Umfange erweicht und sich hier von den übrigen Thcllen mit einem scharf be-gränzten Rande ablöst. Dies geschieht meistens um den 3.—6. Tag. Die Trennung geht mitunler erst au einer Seite des abgestorbenen Stückes von Stalten, und es vergehen zuweilen 'l — 3 Tage, ehe die ganze Ablösung des Stückes geschieht; hierauf bleibt ein unreines, viel stinkende Jauche produzirendes Geschwür zurück. Während dieses Prozesses ist in der Regel, aber doch nicht in jedem Falle vom An­fange an bis zum llerausfalleu des Hantstückes ein Fieber zugegen, welches meist den Charakter der Synocha an sich trägt. Die Entzün­dung und Absterbung kommt, wieder wie bei der Schutzmauke, mei­stens an der hintern Seite des Fesseis vor, in manchen Fällen aber auch an der vordem oder an den Seitenflächen dieses Theils, zuweilen auch an der Krone, sehr selten über dem Fesselgelenk; sie bildet sich in sehr verschiedenem Umfange aus, so dass zuweilen das absterbende Hautstück nur gegen einen halben Quadratzoll, in manchen Fällen aber auch entgegengesetzt bis gegen 2 Quadralzoll gross ist. Die Absterbung dringt immer bis in das Zellgewebe unter der Cutis, in manchen Fäl­len aber auch bis auf die hier liegenden Sehnen und Bänder, selbst bis auf die Hufknorpcl und die Knochen. Im Verhältniss zu dem Um­fange und dem Orte der Eutzündung zeigen die Thiere auch bald mehr bald weniger heftigen Schmerz und Lahmheit, welche beide fast immer sehr nachlassen, wenn das abgestorbene Stück abgestossen ist und wenn gute Eiterung sich einstellt. Die letztere iindet sich bei einer zweck-mässigen Behandlung zuweilen schon nach 2 — 3 Tagen. Zu der Zeit tritt dann auch gewöhnlich ein reineres Aussehen des Geschwürs und gute Granulation ein, welche, wie gewöhnlich nach Brand, in kurzer Zeit sehr lebhaft wird und au einzelnen Stellen in üppige Granulation ausartet. In einzelnen Fallen entstehen cariüse Geschwüre an den Hufknorpeln (KnorpcHisteln), zuweilen Fisteln unter der Haut und bis unter die Krone des Hufes. In den meisten Fällen erfolgt die Heilung mit Zurücklassung einer haarlosen Narbe, die nicht selten einen horn-artigen Ueberzug erhält.
Die Ursachen der Mauke siud speziell nicht recht bekannt; man weiss nur, dass die Krankheit in niedrig gelegenen, feuchten Gegenden und in nassen Jahren, so wie bei gemeinen Landpferden häuliger vor­kommt, als in trockenen, hohen Gegenden, bei trockener Witterung und bei edlen Pferden. Am häufigsten erscheint die Krankheit nach langem
aus dem Vorstehenden zu ersehen, den Unterschied der Schutz- und der Schrun­denmauke eigentlich nicht anerkenne. Denn Fieber und AnsteckungsstofP kann bei jeder Mauke sein und die Existenz der Bläschen bei der Schutzmauke ist mir noch zweifelhaft. Uebrigens sind die Schriftsteller aus jener Zeit, wo die Schutzmauke zuerst bekannt wurde, in ihrer Beschreibung höchst unsicher, und selbst aus Jenners Abhandlung ist schwer zu ersehen, welchen Krankheitszu­stand er eigentlich gemeint hat.
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174nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Mauke, der Pferde.
schneereichca Winter, bei und bald nach dem Aufthauen des Schnees, wo sie nicht selten in einer Gegend während 3 — i Wochen seuchen­artig herrscht und dann wieder gänzlich verschwindet. Es scheint also, dass Unterdrückung der Haulausdünstung, die Anhäufung wässeriger Excrclionsstofle im Blute, und örtlich die Einwirkung des Schneewas-sers und des Strassenkothes wesentliche Ursachen sind. Ob noch eine eigene atmosphärische Conslilntion die Entstehung einer besonderen Krankheitsaulage, wie z. B. nach Strauss die Anlhrasanlage, und da­durch die Krankheit erzeuge, ist noch nicht recht, erwiesen, aber auch nicht unwahrscheinlich, da mau zuweilen auch Thierc von dem Uebel befallen sieht, welche gar nicht der Nässe und dem Strassenschmutz ausgesetzt, sondern beständig im Stall geblieben sind, und da man an­dererseits sehr viele Pferde täglich diesen örtlichen Einwirkungen aus­gesetzt, aber dennoch von der Krankheit frei bleiben sieht. Sehr oft wird auch das Abschneiden der Ilaare an dem Köthengelenk als Ur­sache der Mauke betrachtet, weil hiernach die dünne Haut an der hin­tern Seite des Fesseis ihren Schutz verloren hat; iudess ist diese An­sicht eben so wenig wie die entgegengesetzte erfahrungsmässig er­wiesen.
Die Bemtlicilung der Mauke des Pferdes ist in den einzelnen Fäl­len nach den angedeuteten Verschiedenheiten sehr verschieden zu machen. Oberflächliche Entzündungen im gelindern Grade, sowohl bei der Schutz- wie auch bei der Scbrundenmaiikc, heilen oft in 8—10 Ta­gen, während die tiefer gehenden und mehr ausgebreiteten Entzündun­gen zuweilen 4 — 6 Wochen Zeit zur Heilung bedürfen. Ist das Uebel chronisch geworden, so dauert es auch selbst bei einer zweckmässigen Behandlung zuweilen bis 3 Monate und führt dann auch gewöhnlich die oben bezeichneten Veränderungen der Haut herbei. Bei der Brand­mauke sind die leichteren Fälle in etwa 14 Tagen zur Heilung zu brin­gen, wo aber grosse Hautstücke ausgefallen sind, vergehen in der Regel 4 Wochen, ehe die Vernarbung erfolgt, und zuweilen findet sich, namentlich wo Fistelgänge oder Callosiläten der Hautränder entstanden sind, ein wirkliches Vernarben mit Haut in 2—3 Monaten nicht. Wo die Gelenkbänder, die Hufknorpel oder selbst Knochen mitangegrifien sind, kann die Hellung erst nach erfolgter Abblätteruug dieser Theile erfolgen. In einzelnen Fällen der Art magern die Thiere bei dem an­dauernden Reizfieber bedeutend ab und gehen wohl selbst daran zu Grunde.
Die Behandlung ist bei der Schutz- und Schrundenmauke auf Minderung der Reizung und Beschränkung der Entzündung gerichtet. Es muss deshalb zuerst der leidende Fuss mit lauwarmem Wasser oder mit schwachem Seifenwasser sanft gereiniget und dann das Thier in einen reinen trocknen Stand auf weiche Streu gestellt werden. Ausser-dem beleuchtet man den leidenden Theil mit lauwarmen schleimigen Flüssigkeiten und umwickelt ihn in der Zwischenzeit mit lockerem Werg oder mit Watte. Mit dieser Behandlung kann man in den leich­teren Fällen bis zu dem Abtrocknen der ausgeschwitzten Flüssigkeit fortfahren. Bei heftiger Entzündung sind Fussbäder von schleimigen oder von narkotischen Mitteln und zur Abendzeit gelinde Einreibungen der verdünnten grauen Merkurialsalbe zu machen. Dabei giebt man
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Mauke, der Pferde.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;175
innerlich Abführungsniiliel und Iiiiit die Tliiere in magerem Fulter und unter Decken. Ist bereits Jaucheabsonderung eingetreten, so sind Fuss-bäder oder Waschungen von starkem Seilenwasser, oder von einer schwachen Auflösung des Chlorkalks, oder auch des Alauns, des Kup­fer- oder Zinkvitriols täglich 2 Mal in Anwendung zu bringen; ist da­gegen blos Schrundenbildung mit geringer Absonderung zu bemerken, so bestreicht man die Schnindcn mit Terpenthinsalbe, Königssalbe oder einer andern Harzsalbe, oder bei grosser Reizlosigkeit selbst mit Ter-penthinöl. Nach eingelretcner guter Eiterung und guter Granulation kann man gclind austrocknende Mittel, wie vorstehend schon genannt, ebenfalls anwenden. Finden sich starke Oedenie, so verabreicht man innerlich diuretischc Mittel. — In einzelnen Füllen ist die Empfindlich­keit und Spannung in der Haut und vielleicht selbst in den Sehnen so bedeutend, dass die Thierc bei jeder Ucrülirung und im Anfange des Gehens ihre Füsse heftig zuckend nach aussen werfen, so dass sie zu­weilen nach der entgegengesetzten Seite umzufallen drohen. In diesen Fällen sind Fussbäder von narkotischen Mittelnj oder Einreibungen mit Feit oder Ocl im erwännten Zustande, oder mit Zusatz von narkoti­schen Extrakten zu benutzen.
Bei der chronischen Mauke giebt man innerlich abwechselnd Pur-sfirmillel und diuretische Mittel und macht örtlich fleissig Fussbäder von Seifenwasser, Waschungen mit dem phagedaenischen Wasser, Einrei­bungen mit der grauen Merkurialsalbe, und wenn diese Mittel nichts fruchten, kann man selbst Terpenlhinöl in die leidenden Theile einrei­ben, um eine üeberreizung und Umsfimmung herbeizuführen. — Bei der Brandmauke macht man nach geschehener Reinigung des Fusses Brei­umschläge um denselben von schleimigen und fetten Substanzen, wie z, B. von Lcinsaamen, von Leiukuthcu, von Weissbrod mit Zusatz von Butter, Fett oder Ocl und dergl. Ist erst die Trennung des brandigen llautslücks zu bemerken, so kann man Fussbäder von warmer Heu-saamenbrühe, oder Umschläge von llcusaamcn oder, wie es häufig vom quot;Volke geschieht, Umschläge von Sauerkohl appliziren. bis die Abstos-sung des Hautslückes geschehen ist, worauf Digeslivsalben, Aloe- oder Myrrhenlinktur, der Holzessig und dergleichen Mittel angewendet wer­den, bis gute Granulation entslaudeu ist, worauf die weitere Heilung wie bei einem einfachen Eitergeschwür geleitet wird. Nach erfolgter Ausfüllung des Geschwürs mit guter Granulation sucht man die Bil-dungsthätigkeil der Hautränder dadurch mehr anzuregen, dass man die­selben von Zeit zu Zeit wiederholl, d. i. etwa jeden vierten Tag einmal gelind mil Lapis infernalis und in der Zwischenzeit mit gelinden Di-gestivsalben bestreicht. Wo die Granulation zu üppig ist, nimmt man sie mit dem Messer weg und beschränkt ihre Bildung durch gebrannten Alaun, oder Lapis infernalis und dergleichen Mittel. Fisteln werden aufgespalten und dann je nach ihrem Charakter mit Fussbädern von Seilen wasser, oder mit Aloctinktur, oder selbst mit Aelzmitteln weiter behandelt.
Da sich in den Maukegeschvvüreu ein AnstcckungsstolT erzeugt, der auf dünner oder verletzter Haut in dem menschlichen Körper eine Im­pfung, und in Folge dessen heftige Entzündung der Lymphgefasse, zu­weilen einen den Kuhpocken ähnlichen Ausschlag und ein bald mehr
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176nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Mauke, des Rindviehes.
bald weniger heftiges Reizfieber erzeugt, so muss der Tliierarzt sich vor Besudelung mit der Maukenmatcrie möglichst in Acht nehmen und auch die Wärter der Thiere mit dieser Eigenschaft bekannt machen, damit sie sich ebenfalls vor der Ansteckung schützen. Auf Pferde scheint die Materie nicht ansteckend zu wirken.
2. Bei dem Rindvieh findet sich an den Hinlerfiisscu, zuweilen auch an den Vorderrussen eine crysipelatöse Entzündung, welche der Mauke der Pferde in mancher Hinsicht sehr ähnlich ist und mit dem Namen Mauke, Fussräude, Träbera usschlag des Rindviehes bezeichnet wird. Sie beginnt gewöhnlich in der Haut des Fcssels der Hinterfüsse, bleibt aber hier in den seltensten Fällen beschränkt, sondern verbreitet sich mehreutheils bis über das Schienbein zum Unterschenkel, ja selbst bis über diesen hinauf an den Leib, das Euter, das Kreuz etc. Zuweilen nimmt das üebel seinen Anfang an der Krone, oder am Sprunggelenk; viel seltener beginnt es an den Vordcrfüsscn und breitet sich an diesen allmälig höher bis zu dem Leibe und bis zu den Schul­tern. — Die Thiere zeigen zuerst in den betrellenden Füssen Schmerz durch abwechselndes Aufheben und Niedersclzen derselben, die Bewe­gung der Füsse geschieht mit Spannung, oft zuckend: dabei lassen die Thiere während einiger Tage im Fressen nach, wiederkäuen nicht re-gelmässig und zeigen Fieber mit wechselnder Temperatur an den Hör­nern, Ohren und am Maule. Ocrtlich findet man die Haut am Fessel oder über dem Ballen und am vordem Ende des Klaueuspaltes ge­schwollen und vermehrt warm, bald darauf finden sich die Erscheinun­gen auch über dem Fessel. Wo die Haut von Natur weiss ist, er­scheint dieselbe gerölhet, zuweilen sträuben sich auch die Haare. Nach einigen Tagen bilden sich an den geschwollenen Stellen Bläschen, welche eine gelbliche, klebrige Flüssigkeit aussickern und wonach häufig das Haar ausfällt. Die ausgeschwitzte Materie vertrocknet zu Borken. Die Thiere sind dabei an den Füssen sehr emplindlich und so steif, dass sie sich entweder nicht niederlegen, oder sich mit dem ganzen Körper umwerfen und dann von selbst nur schwer oder nicht wieder aufstehen können. Nach etwa 6 — 8 Tagen wird die Haut allmälig dicker, hart und spröde; es entstehen Risse und Schrunden in ihr, aus denen eine stinkende Jauche sickert. Bei Kühen bildet sich oft zugleich am Euter eine ähnliche Eulzündung mit Bläschen; andere Kranke bekommen auch einen Ausschlag von zuerst klebriger Ausschwitzung und dann von trockenen Schuppen am Kopfe, am Halse, oder auch am Rücken.
Beim weiteren Verlauf verdickt sich die Haut zuweilen bis zu einem unglaublichen Grade, so dass die Thiere wie mit Elephanten-füssen begabt erscheinen; in anderen Fällen bilden sich in den Schrun­den Fisteln, die sich mehr oder weniger unter der Haut verbreiten und zuweilen Absterbungen des Zellgewebes herbeiführen. Die Thiere ma­gern dabei sehr ab, verlieren auch an der Menge und Qualität der Milch, und einzelne, besonders alle und magere Thiere, gehen dabei zu Grunde. Die Dauer des Uebcls ist in der Regel auf mehrere Monate ausgedehnt.
Die Ursachen dieser Entzündung finden sich hauptsächlich in dem fortgesetzten Genuss von Branntwcinschlempe aus Kartoffeln, na­mentlich aus gekeimten und verdorbenen Kartoil'eln, wenn neben den-
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Mauke, des Rindviehes. Behandlung.
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selben nicht eine hinreichende Quantität von gutem Rauffutter verab­reicht wird. Die Krankheit ist iu manchen Gegenden noch unbekannt, in der neueren Zeit aber mit der Verbreitung der Kartoirelbrannlwein-Brennereien viel häufiger zum Vorschein gekommen. Ob das Solanin in den gekeimten Kartollelu zu einer Veränderung des Blutes, oder ob die Art der Nahrung überhaupt zur übenuässigen Säurebildung und hierdurch zum Entstehen der Krankheit beiträgt? ist noch nicht entschieden. Zu­weilen trägt auch die grosse Nässe in solchen Ställen, wo Branntwein­schlempe gefuttert wird, und wo es an hinreichender Streu fehlt, zum Entstehen und zur Verschüinmerung des Uebels mit bei. Ansserdem sind auch nasse, sumpfige und sauere Weiden zuweilen am Entstehen des Uebels schuld. Ansteckung hat man bisher niemals beobachtet.
Die Beurtheilung des Uebels ist im Allgemeinen günstig zu machen, da dasselbe, wenngleich langsam, doch in den meisten Fällen sicher zur Heilung zu bringen ist; nur in den Fällen, wo die Thiere sehr entkräftet sind, wo das Uebel mit Fisteln und mit ulcerativer Zer­störung im Zellgewebe koinplizirt ist, und wo es an den Mitteln zur Abänderung der Ernährung fehlt, gehen einzelne Stücke an Zehrfieber und Erschöpfung zu Grunde.
Die Behandlung muss zunächst auf Abänderung des bisherigen Futters, namentlich auf Verminderung oder gänzliche Weglassung der Schlempe und Ersatz derselben durch Gras oder Heu, Kleie und der­gleichen gerichtet sein. Dabei sorgt man für Reinlichkeit im Stalle durch reichliche Streu, oder durch Einstreuen von Sand oder Gerber­lohe und dergl. Bei gut genährten Thieren macht man einen massigen Aderlass. Innerlich giebt man Glaubersalz mit bitteren Mitteln, oder auch mit Schwefel, bis gelindes Laxiren erfolgt, hiernach aber lässt man, um die überllüssige Säure des Urins zu binden, Kalkwasscr mit dem Getränk verabreichen und zwar von klarem Kalkwasser täglich 2—3 Quart. Aeusserlich wendet man nach geschehener Reinigung der mit Ausschwitzuug oder mit Borken bedeckten Theile das Bleiwasser an, oder bei reichlicher Absonderung das Kalkwasser, oder eine Auflö­sung von Schwefellebcr (3ij zu 1 H. Wasser). Sind harte Krusten entstanden, so kann man dieselben mit einer Schwefelsalbe bestreichen (Schwefelblumeu sect;j, Schweineschmalz giij). Zur Nachkur giebt man den Thieren von Zeit zu Zeit ein Abfiihrungsmittel, abwechselnd mit bitteren und gelind aromatischen Mitteln; und wo die Urinsekretion übermässig reichlich besteht, verabreicht man kleine Gaben von Blei­zucker mit Campher und bitleren Mitteln. Vorhandene Fisteln spaltet man auf und sucht dann ihren Grund durch Aloe- oder Myrrhentiiiktur, Kalkwasser u. s. w. umzustimmen.
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178nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Eiilzfinduna; der Beu?eäelinen.
Siebzehntes Caphel.
Die EutzQiuluug der Beugcschncu.
Die an der liinlcrn Seile des Schienbeins und des Fesseis der Pferde liegenden Bcugesehnen (die Sehne des Kronen- und Hufbein-beugemuskels und der sogenannle Fessclbeinbeuger oder das Aufhänge-band der Sesanisbeine) und deren Sdieiden sind der Entzündung sehr liäullg und mehr als alle übrigen Sehnen unterworfen. Die Krankheit entstellt hier oft in Folge kii starker Austrcngung, namentlich beim Lef-ligen Springen unter dem Reiter und bei übermässiger Anstrengung vor sclmerneladencn Wagen, ferner durch nngleicbe Tritte auf unebenem Hoden, wobei das Durchtreten im Fessclgelerik zn stark geschieht, oft auch in Folge von Slössen und Schlggeu, in anderen Fällen durch Kheumalismus, und hei der sogenuuuten Influenza durch eine Mefaslasis. Wenn die Krankheit durch inechanisclie Einwirkung enlslanden ist, ent­wickeln sich ihre Symptome in der Hegel sehr alhnälig und bleiben fast immer nur auf einen Fuss beschränkt, wenn aber das Ucbei auf die zuletzt erwähnte Weise erzeugt wird, tritt es immer sehr plötzlich ein, ergrcill oft mehr als einen Fuss oder wechselt auch eben so oft von einem Fnss auf einen andern. Die Erscheinungen im ersteren Falle sind: Das Tliier tritt beim Stillstehen nicht gehörig im Fesselgelenke durch, sondern es licbl den Fessel bald mehr bald weniger steil, und ebenso beim (.'eben; dabei schwellen die genannten Sehnen, bald nur eine, bald zwei, oder alle drei an irgend einer Stelle von den Hallen bis zu dem Knie- oder Spranggelenk etwas an, die Wärme an der be­treuenden Stelle ist im Anfange nur unbedeutend vermehrt, aber beim Drücken mit den Fingern auf die Sehne zucken die Thiere und zeigen Schmerz. Im weiteren Verlauf nehmen die Zufälle alhnälig au Heflig-keil. mehr zu, so dass die Thiere dann stark lahmen, fast gar nicht mehr im Fessel durchtreten und die Geschwulst im Verlaufe der Seh­nen, eben so die vermehrte Wärme und der Schmerz einen hohen (raquo;rad erreichen. In manchen Fällen findet sich ein massiges Heizfieber hiii7,u. Die Schneneulziindimg hat stets eine Neigung zum chronischen Verlauf, und es bilden sich dabei leicht Ausschwitzungen, Verdickungen und Verhärtungen. Die Yerdiekungen erstrecken sieh bald nur auf kleine Strecken der Sebnensebeide oder der Sehnen, in anderen Fällen auf die ganze Länge derselben. Oft entstehen auch Verwachsungen der Sehnen unter einander, so dass sie stellenweis oder ganz eine zu­sammenhängende dicke Masse darstellen. Eiterung und Brand finden sich als Ausgänge der Entzündung ausserordentlich selten. Wenn die Enlzündaug durch längere Zelt gedauert hat, und besonders wenn da­bei die eben angedeuteten Veränderungen eingetreten sind, verkürzen sich gewöhnlich die Sehnen, und das oben bezeichnete unvollständige DurcJdrelen im Fessclgclenk, so wie die zu steile Stellung des Fesseis werden dauernd. Man bezeichnet dann das Leiden in Beziehung auf die verkürzten Sehnen als Conlraclnr der Sehnen, und in Beziehung auf
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Entzündung der Bcugeselinen. Kur.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;179
die felilerhafle Stellung des Fessels mit dem Naiiica Stclzfuss und zwar speziell Sehnenstelzfuss.
Die Seliueiientzünduiig als Metastasis bei der Influenza entsteht gewöhnlich zu der Zeit, wenn die letztere Krankheit grösstentlieils oder gänzlich vorüber ist. Die Thiere schonen dann plötzlich den einen oder den andern Fuss, so dass sie nur mit der Zehe den Boden be­rühren, durchaus nicht durchtreten und selbst den Fuss oft zuckend in die Höhe heben. Bei der Untersuchung des Fusses findet sich am Hufe und am untern Ende des Fesseis nichts Krankhaftes, aber am Fesselgelenk und unmittelbar unter demselben besieht an der hintern Seile vermehrte Wärme, etwas Anschwellung und Spannung, und bei jeder Berülmiug zeigen die Thiere heftigen Schmerz. Die Beugesehnen selbst sind zwar dabei mitleidend, am meisten aber sind ihre Scheiden ergriffen. Wenn mein- als ein Fuss affizirt ist, zeigen sich die Thiere fast immer sehr angegriffen, sie liegen sehr viel, stöhnen laut und ihr Puls ist bald mehr bald weniger fieberhaft beschleunigt. Die Erken­nung dieses Zustandcs und seines Ursprunges ist aus dem Bestehen der Influenza bis zum Hervortreten der Sehnenentzündung, oder aus der kürzlich erst erfolgten Rcconvalcsccnz von dieser Krankheit, sowie aus dem Mangel anderer Gclegenheitsursachen immer mit Sicherheit zu erlangen. Auch diese Selnicnentziinduug neigt immer zum chronischen Verlauf, ist schwerer zu beseitigen als die durch mechanische Ursachen erzeugte und führt nicht selten für längere Zeit Unbrauchbarkeit oder Verkuppelung der Thiere durch Verkürzung und Verwachsung der Sehnen herbei.
Die Prognosis ist bei den Sehnenentzündungen überhaupt nach dem mindern oder höhern Grade des Uebels, nach der Dauer desselben und nach den etwa schon bemerkbaren organischen Veränderungen der leidenden Tlicile, so wie nach der zu erwartenden guten Pflege des Thieres bei der Kur nach allgemeinen Regeln zu machen. Zu bemer­ken ist nocli, dass Sehnenenlzündungen oft eine Anlage zur Wiederkehr desselben Hebels hinterlassen.
Die Kur ist bei solchen Sehnenenlzündungen, welche durch me-chanische Einwirkungen entstanden und noch frisch sind, einfach anti-pblogistisch. Man giebt den Thieren Ruhe, legt auf den Huf ein Eisen mit etwas erhöhten Stollen, macht unausgesetzt Umschläge oder Fuss-bäder von kaltem Wasser, von Blciwasscr, von Oxykral, oder am besten von Aschenlauge, und bei heftigen Entzündungen entzieht man Blut und giebt innerlich kühlende Salze bis zum Abführen. Dabei ist ma­geres Futter durchaus noting. Ist auf diese Weise die Entzündung in 8 Tagen nicht zu beseitigen, so kann man zu warmen Fussbädern von llcusamenbrühe mit Asche oder mit Potasche, oder zu warmen Brei­umschlägen von narkotischen Mitteln übergehen und des Abends Ein­reibungen der Merkurialsalbe in Verbindung mit grüner Seife an­wenden. Wird die Entzündung chronisch, oder sind bereits. Verdickun­gen, Verhärtungen, Verwachsungen oder Verkürzungen der Sehnen ent­standen, so ist nur entweder die von Zeit zu Zeit wiederholte Anwen­dung der Kantharidensalbe oder die Applikation des Glüheisens in Stri­chen oder Punkten über die kranken Sehnen noch Hülfe zu bringen im Stande. Auch nach der Anwendung dieser Mittel, und selbst wenn
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llufontziinJung, traumatische.
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Besserung eingelreten ist, müssen die Thiere noch sehr geschont und in magerer Diät gehalten weiden, bis alle Spuren der Krankheit ver­schwunden sind.
Bei der in Folge der Inllueuza entstandenen Seimenentzündung hat die Anwendung der Kälte stets geschadet und die Anwendung der mil­den Zerlheilungsmittel sehr wenig genutzt. Man giebt auch hier, wenn der allgemeine Zustand des Thieres es gestaltet, von Zeit zu Zeit wie­derholt eine Purganz und hält die Thiere in magerer Diät. Oertlich kann man, wenn das Uebel in einem gelinden Grade besteht, die graue Merkurialsalbe mit Zusatz von Jodkali (Sjïaufgj) anwenden, am besten aber ist es in allen Fällen der Art sogleich die Kantharidensalbe auf die leidenden Theile zu streichen und dies nach etwa 8 Tagen zu wie­derholen. (Ueber Sehnenverkürzung und Stelzfuss siehe in der zehnten und eilften Classe.)
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Achtzehntes Capitel.
Die Huf- und Klauenentzündung. Inflammatio ungularura
s. Panaritium.
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Die Weichgebilde in den Endgliedern der Extremitäten, nämlich das Gewebe der Fleischblättchcn in der Fleischwand und das der Fleisch­sohle sind bei den verschiedenen Haussäugethieren der Entzündung häu­fig unterworfen, namentlich aber bei Arbeitsthieren und ganz besonders bei Pferden. Die Entzündung dieser Theile erscheint hinsichtlich ihres Entstehens entweder a. als eine traumatische oder 6. als eine rheu­matische oder c. als eine metastatische.
a. Die traumatische Huf- und Klauenentzündung kommt bei sämmtlichen Haussäugethieren vor. Sie entsteht durch andauerndes und schnelles Laufen auf hartem, unebenem Boden, durch Druck von zu trockenem und übermässig dick bewachsenem Horn, durch Druck von ungleichen, zu engen, zu sehr auf der Sohle liegenden Hufeisen, durch Einklemmen von Steinen und anderen harten Körpern zwischen das Hufeisen und die Sohle, oder in die Furchen des Strahls u. s. w. Sie befallt in den meisten Fällen nur einen Fuss, zuweilen aber auch mehrere Füsse, und sie betrilïl zuweilen die ganze Sohle, oft aber auch nur einzelne Theile derselben. Leidet nur ein Fuss, so zeigt dies das Thier dadurch an, dass es diesen Fuss öfter von einer Stelle zur an­dern auf den Boden setzt, dabei, je nach dem vorherrschenden Sitze der Entzündung, bald die Zehe, bald den Ballen, bald die eine oder die andere Seite des Hufes schont und nicht so fest mit diesen Theilen gegen den Boden tritt wie mit den übrigen. Beim Gehen tritt es auf den dem kranken Fussc gegenüberslehenden Fuss schneller und kräftiger auf, als auf den kranken, welchen es nur langsam und mehr oder we­niger vorsichtig gegen den Boden setzt; dies geschieht auf hartem Bo-
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Hufentzündung, traumatische. Kur.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ]8l
den deutlicher bemerkbar, als auf weichem, und mau sieht auch hier, dass die eine oder dip andere Seite des Hufes mehr geschont wird als die übrigen Theile. Zuweilen treten die Thiere im Fesselgelenk nicht gehörig nach unten durch, sondern sie halten den Fessel senkrecht wie bei einer Verrenkung desselben. Bei der örtlichen Untersuchung findet sich stärkeres Pulsiren der Fessel- und Schienbeinarterien, vermehrte Wärme im Hufe, und zwar je nach der Ausdehnung der Entzündung bald an der ganzen Sohle und der Wand, bald auch nur begränzt an einer kleinen Stelle. Zuweilen ist die Krone oder es sind die Ballen angeschwollen. Beim Druck mit einer Zange an verschiedenen Punk­ten rund um die Wand und die Sohle zeigen die Thiere bald nur an einer Stelle, bald auch im ganzen Umfange des Hufes Schmerz. Ist das Horn von Natur weiss oder gelblich, so zeigt sich dasselbe gerö-thet oder mit rothen Flecken versehen, und selbst bei dunkelfarbigem Horn findet sich die Röthung wenigstens an der sogenannten weissen Linie in der entzündeten Umgegend. Bei heftigen Entzündungen besteht gewöhnlich ein Reizfiebcr, bei welchem die Thiere häufig zugleich an Appetitlosigkeit leiden.
Der Verlauf der traumatischen llufcntzünilung ist bald nur sehr kurz, auf 3 — 6 Tage beschränkt, bald auch wieder auf 14 Tage und darüber ausgedehnt; ersleres ist der Fall hei oberflächlichen und be-gränzten Entzündungen, wenn die Ursachen beseitigt werden und das ïhicr einer zweckmässigen Behandlung uulerworfen wird; dagegen ist die Krankheit immer mehr langwierig, wenn sie im ganzen Hufe ver­breitet und tief eingedrungen ist, so dass ausser den Weichgebilden selbst auch die Knochen au der Eulzündung Theil nehmen. Trauma­tische Hufentzündungen können sich zertheilen oder sie gehen in Aus­schwitzung, häufig in Eiterung und zuweilen auch in Brand über. Durch die erstcre können, wenn der Eiler nicht bei Zeiten entleert wird, Lostrennungen der Horngebilde von den Fleischgebilden im wei­len Umfange und mehr oder weniger bösartige Fislelgeschwüre erzeugt werden, und durch den Brand geht zuweilen die Hornkapscl theilweis oder ganz verloren, und ersetzt sich nur unter sehr günstigen Umstän­den wieder.
Die Kur verlangt die Beseitigung der Ursachen nach ihrer ver­schiedenen Art. Ausserdem müssen die Thiere ruhen und wenig Futter erhalten. Bei heftiger Entzündung und bestehendem Beizfieber macht man einen Aderlass aus der Drosselvenc oder auch aus den Fesselvenen, oder an der Fleischsohle selbst. Letzteres hat in vielen Fällen eine starke Anschwellung und das Hervorquellen der verletzten Fleischsohle zur Folge gehabt, wodurch im weiteren Verlauf der Krankheit die Heilung sehr gestört und die Thiere ausserordentlich belästiget worden sind, daher dies Verfahren nicht besonders empfohlen werden kann. Dagegen ist das tiefe Ausschneiden der Sohle überall da, wo das Horn sehr dick und trocken in derselben ist, nöthig. Ausserdem macht man Umschläge oder Fnssbäder von kaltem Wasser unausgesetzt bei Tage und bei Nacht, so lange bis die Zertheilung erfolgt oder ein anderer Ausgang zu erkennen ist. Die Zertheilung giebt sich, wie immer, durch das Verschwinden der Entzündungszufälle kund. Tritt sie bei der be­zeichneten Behandlung in Zeit von 3 bis höchstens 4 Tagen nicht ein,
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1S3nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; llufenlziiiiduiig, triiuiiiiitisühc. Kur,
nehmen sogar vielleicht die Zufiillc au Ilcfligkeil noch zu, pulsiren ua-meullicli die Fesselarlericn stärker, oder treibt die Krone an einer Stelle sliitker auf, so muss mau au der schmcrzhafleii Stelle der Sohle oder der weissen Linie das lloru bis auf die Fleischsohle weguehmen, um enlslaudeue Ausschwilzungen oder den Eiter zu entleeren. Die Oeffuuiig muss immer vollständig so gross gemacht werden, wie weit die Ilorusohle vou der Fleiscbsohlc getrennt ist, so dass nirgends hohle Stellen zwischen beiden bleiben, denn nur hierdurch wird die weil ere Trennung und das Hervorquellen tier Fleiscbsohlc verhütet. Der Eiter im Hufe der Pferde findet sich vou zweierlei Beschaffenheit, nämlich entweder von dunkclgrauer, oder von weissei- Farbe. Der erstere er­hält seine Färbung durch die Auflösung des Epitheliums, welches sich zwischen der Uorusohlc und der Flcischsohle auf der letztem befindet, und deutet hierdurch immer auf einen nur obcrllächlicben Silz und auf eine gutartige Natur des Uebels, während der weissc Eiler stets durch eine Auflösung des Gewebes der Flcischsohle selbst eulslehl und somit durch seine Farbe auf eine tiefere Zerstörung und eine grüsserc Bös­artigkeit des Uebels deutet. Zuweilen kann man im letzteren Falle mit der Sonde in die Fleiscbsohlc, oder auch an der Fleischwand mehr in die Tiefe cindriugoii und im Grunde selbst das Ilufbein stellenweis cnl-blösst oder rauh fühlen. Die Behandlung nach dem Biossiegen der ei­terigen Stellen ist in der ersten Zeit, ganz ohne Rücksicht auf den Ei-teraugsprozess noch einfach eulzündungswidrig durch kalte Fussbädcr oder Umschläge zu bewirken, dies ist dringend niUhig, wenn das Iluf­bein cntblösst und überhaupt mitleidend ist; und erst nachdem die Schmerzen grösstenthcils verschwunden sind, kann man zu lauwarmen Fussbäderu oder Umschlägen von lleusamenbriihc, oder vou aromati­schen Kräiilcriufusioncii übergehen, um den Eitcruugs- und Granula-tiousjirozcss zu befördern. Ucbrigcns leitet man die llcilnng hierbei ganz nach allgemeinen Kegeln, mit Berücksichtigung der vitalen Tbätig-keit au den leidenden Stellen. Ist die Granulation bis zu der Oeffunng im Horn hervorgewachsen, so sucht man die Vernarbuiig durch aus­trocknende und gelind adstringirendc Mittel zu befördern, wie nament­lich durch Auflösungen vou Zinkvitriol, Kupfervitriol, Aloetiuktur, Kreo­sot und dergleichen.
Wenn bei der Iraumalischcn Hofentzfindung Brand entsteht, so ist dies au der bis zu einem hoben Grade fortschreitenden Steigerung der Zufälle und dabei eintretenden Ablösung des Saums an der Krone, so wie durch Ausschwitzung einer blutigen, sehr slinkeuden Feuchtigkeit und an dem Einsinken der Krone zu erkennen. Die Trennung geht vom Saume aus im Verlaufe der Fleischblättchen gewöhnlich in kurzer Zeit tiefer und breitet sich auch nach den Seiten mehr aus. Dabei lässt in vielen Fällen der Scbmerz auffallend nach. Die Kur besteht hier in der baldigen Entfernung der abgetrennten Horutheile, und in der Belebung der Weichgebildc im Umfange der abgestorbenen Thcile durch aromatische Infusionen, durch Chlorkalkauflosung, Holzessig und der­gleichen Mittel, bis gute Eiterung und Abstossung der abgestorbenen Theile eingetreten ist, worauf die weitere Behandlung wie bei der Ei­terung zu besorgen ist. Bei diesem Zustande muss man den Thieren
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lluIunUtiiidmig, rhcuiualischc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1SJ
stels elue reichliche, weiche Slrcu geben und beim Stellen sie miltebt eines lliiiigegnrles milcrsliilzcn.
Bei dem Kiudvieli und den übrigen mil Klauen versehenen Tlüerm kommen tramnalischc Entzündungen dieser Tlicile yeit seltener vor und sie erreichen auch gewöhnlich nieht den hohen (irad , wie bei dem Pferde; doch erfolgt zuweilen Aiisschwilzimg. Eiterung oder 13raud, und in Folge dieser Ausgänge findet in einzelnen Füllen das Aiisschuhcn der Klauen Stall. Die Erscheinungen dieser Enlziindungeu stimmen im Wesentlichen mit denen der Hufentzündung bei Pferden iiberein. Die Beniiheilang und die Behandlung der in den einzelnen Fallen dem Grade und der Ausbreitung, so wie den Ausgängen nach verschiedenen Zulalle ist wie bei der traumatischen llulculzündung der Pferde einzu­richten.
h. Die rheumatische Hufentzündung entsteht durch Er­kältungen jeder Art, besonders bei heisser Witterung, wo die Thicre stark ausdiinsleu, und bei einer zu reichlichen Ernährung mit sehr nahr­haften Köineiiuller, besonders wenn die Thicre au dasselbe nicht ge­wöhnt sind. In dieser Hinsicht ist namentlich das Füllern der Pferde mit Roggen, und wieder ganz besonders bald nach der Ernte, und fast ebenso das Füllern mit Gerste und Weizen, und einlgermassen auch mit frischem Klee oder mit anderen saftreichen Pflanzen zu beschuldi­gen. Längeres Sieben im Stalle ohne Bewegung disponirt die Tliiere auch sehr zu dieser Krankheit und scheint sie in manchen Fällen auch ohne Mitwirkung anderer Ursacbeu erzeugen zu können. Zuwei­len entsteht die Krankheit noch durch Metastasen von anderen Krauk-heiteu, namenllich von DarmeutZündungen, Brustfell- und Lungenent­zündungen und von akutem Rheumatismus. Die rheumatische lluf-enlzündung, vom Volke mit den Namen Rhehe, Verschlag, Ver­fangen belegt, hat nach den angedeulelen verschiedenen Ursachen in den einzelnen Fällen auch spezielle Benennungen erhalten, wie z. IS. VViiidihehe, wenn das Laufen gegen kallen Wind . Wasserrhche oder das Vertränken, wenn der Genass von kaltem Wasser bei er-hitztem Körper, Futtcrrbehe oder das Verfuttern, wenn uugewolmte Nahrungsmittel in zu reichlicher Menge, und Stallrhehe, wenn träge Ruhe die Veranlassung dazu gewesen sein soll.
Die Krankheit besieht zuweilen einfach, ohne Complikationen, zu­weilen aber auch mit akutem Rheumatismus, mit Lungenentzündung a. dgl. verbunden. Sie befällt iu den meisten Fällen die beiden Vordcrfüsse, oll auch die llinterfüsse zugleich, selten die letzleren allein. Je nach­dem die vorderen Füsse allein, oder die hinteren allein, oder auch alle 4 Füsse leiden, ist das Benehmen und die Slcllung des Thieres in den einzelnen Fällen etwas abweichend. Leiden nur die Vordcrfüsse, so stellt das Pferd dieselben etwas mehr geslreckt nach vorwärts, so dass es hauptsächlich auf den Rallen ruht, die llinterfüsse stellt es dagegen weiter nach vorn unter den Leib, um hierdurch die Last des Körpers mehr auf diese Gliedmasseu zu nehmen; sind die llinterfüsse allein er-gtilfen. so setzt es zwar dieselben auch mehr uacb vorn und ruht mehr auf den Ballen derselben als auf der Zehe, die VordeiTüsse aber setzt es weiter nach rückwärts unter die Brust und hängl mit dem Halse und Kopf vorn über; leiden alle 4 Füsse. so sind die vorderen möglichst
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Hufentztindung, rlieumalische.
weit vorwärts gestreckt und die hinteren ebenso recht weit unter den Leib gesetzt. Klussen die Thiere gehen, so ist die Bewegung äusserst gespannt, die Glicdinassun werden nur mit grosser Mühe von dem Ho­den in die Höhe genommen, und die Füsse werden mit in die Höhe gehaltener Zehe fast nur allein oder hauptsächlich auf die Ballen und auf die Trachtenwand aufgesetzt, — was besonders deutlich beim Gehen im Trabe zu bemerken ist und ganz deutlich zeigt, dass die Thiere den grössten Schmerz am vordem Theil des Hufes fühlen und deshalb die­sen Theil schonen wollen. Oertlich findet man starkes Pulsiren und oft grosse Anfüllung der Fessel- und Schienbeinsarterien, vermehrte Wärme am Hufe, und bei angebrachtem Druck mit einer Zange an der Sohle, besonders im Umfange des Zehentheils des llufbeins grossen Schmerz, während dagegen am Strahl und an den Tracbtenwänden kein Schmerz wahrzunehmen ist. Dabei bestellt mehr oder weniger heftiges Fieber, wobei es der Krankheit cigenlhümlich ist, dass alle Arterien sehr ausgedehnt und gespannt zu fühlen sind. Zugleich ist das Athrncn et­was vermehrt, kurz und angestrengt, besonders aullallend, wenn die Hintcrfüsse mitleiden. Die Schleiinhäiite sind dunkler gerölhet, die Ohren vermehrt warm, dabei zeigen aber die Thiere fast durchgehends guten Appetit. Nach 3—5 Tagen, je nach der Heftigkeit der Entzün­dung, senkt sich sehr oft die Krone etwas ein, so dass rund um sie, namentlich über der Zehe, hinter dem Saume eine Kinne entsteht; noch später findet sich oil Trennung des Saums und etwas Ausschwitzung von lymphatisch seröser Flüssigkeit. Während der Krankheit liegen die meisten Pferde andauernd, bis Besserung einlrilt, andere legen sich ab­wechselnd nieder und stehen wieder auf, wonach sie gewöhnlich mit den Beinen zittern und schneller atinnen als während des ruhigen Ste­hens oder Liegens. Bei recht heiliger Eiilziindung, namentlich wenn die llinlerlüsse mitleiden, schieben die Thiere beim Stehen beständig ungeschickt nach vorn, so dass sie sich den Hals oder die Brust an der Krippe quelschen, das Athrncn durch Druck auf die Luftröhre er­schweren und, wo ein Aderlass gemacht ist, darch Comprimirung der Drosselveuen iNachblulungen an der Aderlassstelle hervorrufen. Solehe schwerkranke Pferde geben ihren Schmerz durch lautes Stöhnen, und ihre Angst gewöhnlich durch andauernden Sehweiss zu erkennen.
1st die Krankheit mit Khcinnalisnius komplizirt, so zeigen die Thiere neben jenen Symptomen auch grosse Spannung in den Muskeln an verschiedenen Theileu, steife Haltung des Halses,'und Knacken in den Sehnen und Gelenken beim Gehen. Ist Lungenentzündung gleich­zeitig vorhanden, so atinnen die Thiere weit mehr beschwerlich, legen sich nicht nieder, zeigen beim Druck gegen die Brust Schmerz und ausserdem hört man bei dem Auskulliren an einer oder der anderen Stelle der Brust kein Blüsehengeräusch.
Der Verlauf der rheumatischen Hufenlzündung ist gewöhnlich akut auf 5 —14 Tage beschränkt, indess hat die Krankheit auch eine grosse Neigung zum Chronischwcrdcn, und dehnt sich dann zuweilen auf mehrere Monate aus. Auch hiuterlässt sie immer eine Anlage zur leicht erfolgenden Wiederkehr.
Die Ausgänge sind Zertheilung, plastische und seröse Ausschwiz-zung und Brand. Eiterung habe ich bisher noch niemals bei dieser
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Hufentzündung, rheumatische,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Ï8*
Entzündung eulstehen sehen, wenn dieselbe nicht mit mechanischen Verletzungen komplizirt worden war; letztere können in #9632;versclnedener Weise, namentlich aber mittelst des örtlichen Aderlassens au der Fleisch­sohle herbeigeluhrt werden, und nur in solchen Fällen tritt dann auch zuweilen Eiterung ein. Die Zeitheilung ist zu hoffen, wenn die Zu­fälle allmälig nachlassen; die Ausschwitzung ist immer als wahrschein­lich schon YOrhandcn zu betrachten, wenn die oben bemerkte Einsen-kung der Krone hinter dem Saume erscheint, — und Brand äussert sich, wie bei der traumatischen Hufenlzündung. durch Abtrennung des Sau­mes und Ausschwitzung einer stinkenden, rothlichen Jauche. Die baldige Zertheilung entsteht bei einem massigen Grade der Krankheit, bei mageren Thiercn und wenn zeilig zweckmässige lliilfe gebracht wird. Dagegen ist die Krankheit immer mehr zu anderen Ausgängen geneigt, oder die Zertheilung erfolgt sehr langsam, wenn die kranken Thiere recht gut bei Leibe und von schwerem Körperbau, wenn alle 4 Füsse ergrill'en sind und wenn die Krankheit entweder schon mehrere Tage gedauert hat, ehe die Behandlung eingeleitet wurde, oder wenn sie nicht zum ersten Male vorhanden ist, und wenn die Hufe durch andere Krankheiten oder fehlcrhallc Bildung verkrüppelt oder entartet sind. Unter solchen Umständen erfolgt gcwölmlich eine sehr reichliche plastische Ausschwilzung zwischen der Fleisch- und Hornwand, beson­ders in der Umgegend des Zehentheils des Hnfbeins. Diese ausge­schwitzte Materie verdichtet sich und verdickt die Hornwand sehr be­deutend, so dass sie zuweilen an der Zehe mehr wie einen Zoll dick wird und hierdurch das Ilufbein allmälig mehr nach unten und hinten verdrängt, während die Wand allmälig mehr nach vorn und oben steigt. Auf solche Weise wird durch den Druck des llufbeins nach unten die Flcischsohlc und die Hornwand ebenfalls nach abwärts ge­drückt, die Fleischsohle an der gedrückten Stelle durch liesorption ver­dünnt und die llornsohle iu Form eines Kugelabschnittes über den Tra­gerand der Hornwand hervorgcdrängl. Der so entartete Huf wird als Voll hu f bezeichnet. (S. denselben.) In anderen Fällen bilden sich in Folge der Einsenkung der Krone, ringförmige Erhöhungen und Vertie­fungen rund um die Hufwand. Diese Ringe beginnen immer an dem Saume, wachsen allmälig mehr nach abwärts und werden mit der Zeit durch neue am Saume gebildete Ringe mehr und mehr hcrunterge-drängt. Sehr oft bemerkt man bei der Bildung eines neuen Ringes ge­linde Entzündung und Lahmheit, welche wieder verschwinden, wenn der Ring eine gewisse Breite erreicht hat und vom Saume gleichsam abge­wachsen ist. Die Bildung neuer Ringe ist in manchen Füllen durch fortgesetzte cnlzündungswidrige Behandlung, magere Diät und Ruhe zu verhindern, in anderen Fällen aber fruchten alle diese Mittel nichts, sondern die abnorme Bildung dauert fort, so lange das Thier lebt. — Durch wiederholte Hufentzündimgeu entsteht bei manchen Pferden auch Zwanghuf', bei anderen grosse Mürbigkcit und Brüchigkeit des Horns, Anlage zu Hornspalten u. s. w. — Wenn die Tliiere in Folge der hef­tigen Schmerzen in der ersten Zeit der Entzündung andauernd liegen, und besonders wenn sie dabei sehr nuruhig sind, erfolgt an den her­vorstehendsten Punkten ihres Körpers, durch Druck auf den Erdboden, sehr leicht das Durch- oder Wundliegen, besonders an den Hüften, auf
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llurenlzündung, rheumatische. Behandlung.
den Ripperaquo; u. s. w. Es bilden sich Qaetsdmugen der Haul, der Muskeln und Bänder und selbst der Knochen, weilerliin Brand und jnuchetHle Cesclnviiie. und die Tbiere gehen zuweilen an diesen Complikalionen zu Grunde. Diese üblen Zulalle sind innner um so inebr zu befürch­ten, je schwerer die Thicre sind und je weniger eine sorgfSltige War-tuog derselben durch Uinwendcii des Körpers von einer Seile zur andern und durch Erneuerung der Streu aiigcwendet wird. — Auch durch Brand, LuDgencutziindung und befliges Fieber kann der Tod cifolgeu
Die Behandlung. Kaum eine andere Enlzündung verlangt so allgeinein, wie die eben in Hede steheude, die streng anÜphlogistischc Methode. Mau macht demgeinäss einen der Constitution des Thicres entsprechenden reichlichen Aderlass. (d. i. bei Pferden von mittlerer Grosse und Stärke 10 —12 Pfund) ans der Drossdvene, oder auch aus den Fesselvenen oder Vorarmsvencn der leidenden Füsse. Die älte­ren Praktiker wählten hierzu auch die Fleischsoble; allein es entstehen hierbei dieselben Nachlheilc, welche bereits im Vorhergehenden beider traumatischenHufenlzfindung angedeutet worden sind, ohnedassgerade ein besonderer Yortheil aus diesem örtlichen Aderlass entsteht; ich halte denselben nach meiner vieljäbrigcn Erfahrung für vö% unnülz. Man hat auch die Artcrioloniie an den Fesselarterien ausgeführt, allein eben­falls ohne besondern Nutzen. Mindern sich die Zufälle nach dem ersten Aderlass in Zeit von etwa 8—12 Stunden nicht, so mass die Blutent­leerung wiederholt werden, und uölhigenfalls so auch zum dritten Mal nach etwa 24 Stunden. Innerlich giebt man bei recht kräftigen Tbic-ren den Salpeter mit Glaubersalz oder Doppdsalz in grossen Gaben, bei weniger kräftigen Thieren, oder wo zugleich allgemeiner libcuma-tisinus besteht, den Brechweinslcin mit jenen Salzen, bis Minderung in der Fülle der Arterien und bis Laxiren erfolgt. Oertlieli schneidet man die llufsoble recht dünn aus, und macht Fnssbäder von kaltem Wasser, oder applizirt Umschläge von Kleie und Wasser, oder von Lelnn und
Wasser, oder auch von Kgut als jene Substanzen
Letzterer eignet sich hierzu weniger weil er eiue zu sehr gebundene Masse dar-
stellt und das Eindringen des kalten Wassers auf den Huf niclil gut gestaltet, daher die kühlende Wirkung desselben hemmt; es ist deswe­gen zweckmässig, den Kuhmist mit Lehm oder Erde gemengt zu den Breiumschlägen zu benutzen. Ist die Entzündung nur in einem massi­gen Grade zugegen, und können die Tbiere anhaltend stehen, so sind Fassbäder bis über die Fesselgelcnke hinauf den Umschlägen an Wirk­samkeit vorzuziehen. Mau sieht die Tbiere für diesen Zweck in Eimer oder Wannen mit kaltem Wasser, oder wo es zu haben ist, in clueu Fluss, oder einen Teich, eine Pfütze u. dgl. Besitzt ein Thicr einen vorher schon kranken Huf, namentlich einen Vollhuf, oder einen Huf mit ausgebroehenen schwachen Wänden, so legt man unter diesen Um­ständen nach dem etwa geschehenen Ausschneiden des Hufes ein gut passendes und hohlgerichtetes Hufeisen auf denselben und wendet dann die kühlenden Mittel an. — Sind bei dieser Behandlung 5 — 8 Tage verflossen, ohne dass Besserung eingetreten ist, so kann man nun den Salpeter und den Brechweinstein weglassen, dafür aber die Aloe mit dem Glaubersalz in Verbindung anwenden, um Purgtren und hierdurch eiue Ableitung von deu Füsscu zu bewirken. Ausscrdcm muss mau
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Eigentliches Panaritium.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 187
outer diesen Umständen, wenn die Krone stark einsinkt, die Sohle an der weissen Linie im Umfange der Zehe bis auf die Fleischsohle vor­sichtig durchschueiden, um etwa ergossene Flüssigkeiten zu enlleercn, worauf die kalten Umschläge oder Fussbädci' noch fortgesetzt werdelaquo; können, bis die Entzündung vollständig beseitiget ist. — Trennt sich der Saum nur in einem geringen Umfange, so verlangt dies keine be­sondere Behandlung. Erstreckt sich aber die Trennung mehr in die Tiefe und ist sie von reichlicher Aus.schwiUmig begleitet, so muss man die gelreuntc Parlhic der Wand erfindlich wegnehmen und zur Minde­rung der entzündlichen Ausschwitzung das Bleiwasser anwenden. — Entsteht Brand, so ist ebenfalls die baldige Entfernung des abgelrenu-len Horns in seinem ganzen Umfange noting, ausserdem macht man Scarilikationcu an der Krone und wendet aromatische Fussbädcr, Auf­lösung von Chlorkalk u. s. w. an, wie bei dem Brande im Allgemeinen angegeben ist.
Zeigt die Enlzündung eine Neigung zum chronischen Verlauf, so ist neben der fortgesetzten Anwendung der Pargirmittel in den gelinde­ren Füllen äusserlich der Gebrauch von Fussbädern aus Aseheulauge oder einer Auflösung von Polasche, und des Abends die Einreibung der grauen Mcrkurialsalbc in die Krone nützlich; besteht aber die Krankheil in einem hohen Grade über die gewöhnliche Zeil fort, so ist die Einreibung der Kantharidensalbc am untern Ende des Fesseis und an der Krone, etwa alle 6 Tage einmal wiederholt, allen anderen Mitteln vorzuziehen. Zur Nachkur kann man dann noch die Jodsalbe oder die graue Merknrialsalbe um die Krone einreiben.
In diätetischer Hinsicht verlangen diese Patienten während der gan­zen Kur recht mageres und weniges Fuller, dabei eine weiche und reichliche Stren und massig wanne Bedeckung des Körpers. Liegen die Tliicrc viel, so muss ganz besonders darauf gesehen werden, dass die Streu mehr als gewöhnlich reichlich unter dem Körper erhalten wird, und laglich wenigstens 5 — 6 Mal müssen die Tliicrc von einer Seile zur andern umgewendet werden.
c) Das eigentliche Panaritium oder die met aslalishe llufenl-zündung besteht in einer spezifischen Entzündung entweder 1) bloss in der Haut der Krone oder 2) in der Fleischkronc oder Fleischwand oder 3) der Sehnen des Kronen- und des Ilufbeinbeugers, oder 4) auch in der Knochenhaut des Ilufbeins und des Kronenbeins. Diese Ent­zündung bat immer eine vorwaltende Neigung zum Uebergang in Ei­terung, nimmt gern einen langwierigen Verlauf und entstchl in Folge eines biliöseu, anthraxartigen Zuslandcs des Blutes. Sie kommt zu man­chen Zeilen in mehreren Fällen, in andern Zeiten äusserst selten vor. Die Erscheinungen sind, je nach den verschiedenen Orten der Enlzün­dung, in den einzelnen Fällen etwas verschieden, im Allgemeinen aber darin charakteristisch, dass das Uebel stets an der Krone beginnt und sich hier zuerst durch einen liefen Sehmerz äussert, den das Thier durch vorsichtiges Auftreten auf die Erde und Lahmgehen mit sehr kleinen Sshrillen zeigt, während man durch Druck mit den Händen auf den ganzen Huf und auch auf die Krone in der Regel keine auflai-'ende Empfindliehkeit erzeugt. Nach 2 — 3 Tagen schwillt die Krone au der afficirtcu Steile etwas an, wird vermehrt warm und selbst bei
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Eigentliches Panaritium.
massiger Bemliruug sehr selimerzliafl. — Wenn der Sitz des Uebels bloss in der Haut ist, so Iritt auch der Schmerz bei jeder Berührung heftig hervor; dagegen slellt das Thier beim ruliigen Stebeu den Fuss noch ziemlich fest aulquot; den Boden. Nach 5 — ö Tagen schwitzt zwischen der über- und Lederhaut ein gelblicher Eiler aus, die Oberhaut trennt sicli an einer oder mehreren Stellen, und die bezeichnete Flüssigkeit ent­leert sieb. Wird jetzt eine zweckmassige Behandlung eingeleitet, so trocknet die Fläche bald wieder ab, die Entzündung lässt nach und ebenso verliert sich die Lahmheit; wird aber das Leiden vernaclüässigt, so lösst sich der Saum immer mehr und mehr von der Fleischkrone, der Eiter senkt sich in die Tiefe, entartet, das Horn trennt sich immer weiter und die Entzündung pflanzt sich auf die Fleischwaud und die Flcischkrone fort.
1st der Sitz der Eutzündung in der Fleischkrone und in der Fleiseh-wand, so hebt das Tliicr beim Stehen den kranken Fuss öfter auf, aber man kann erst durch stärkeres Drücken auf die kranke Stelle Schmerz hervorrufen. Die Fesselarterien pulsiren stärker, und nach etwa 5 #9632;— 8 Tagen lindet sich an der geschwolleueu Krone eine weiche Stelle, die sich bald darauf öllhet und ein Geschwür mit blauen zer­risseneu Bändern, | — 2 Zoll Tiefe und verschiedener Richtung hin-terlässt, aus wlt; Iclieiu mehr oder weniger mit Blut vermischter Eiter lliesst. Auch diese Form des Panaiitiums kann bei zweekmässiger Be­handlung in 3 — 4 Wochen heilen, indem dabei die Zufälle sich njiu-dern, der Eiter reiner und der Menge nach weniger wird, die Oeffnung des Geschwürs eine gesunde Farbe annimmt und das Geschwür sich endlich scliliessl; bei uuzweekinässiger Behandlung verbreitet sich die Eiterung immer weiter, die Weichgebilde lösen sich immer mehr von der Ilornvvand und der Eiter dringt an andern Stellen der Krone her­vor, wobei die letztere immer mehr anschwillt und sich über die Saum-vvand hinweglegt, und so dauert das Uebel fort gewöhnlich bis der Huf gänzlich gcl rennt ist und abfällt. Zuweilen gehen auch die Thiere an dem zugctrelcnen Zehrfieber zu Grunde.
Eutslcht das Panaritium in den Sehnen, so berührt das Thier in der eisten Zeit kaum mit der Zehenspitze den Boden und zeigt auch beim Druck auf die Sehnen über die Ballen des Hufes sehr hef­tigen Schmerz; zuweilen ist der ganze Fessel ödematös angeschwollen. Die Entzündung verläuft hier langsamer und es vergehen gegen 14 Tage, ehe Eiterung stattfindet; es tritt immer erst Entzündung der Krone hinzu und dann bildet sich an den Ballen eine weiche Stelle, an wel­cher das Geschwör, wie in dein vorigen Falle, durchbricht; zuweilen bildet sicli aber auch zuerst au einer Seitenfläche der Krone ein Ge­schwür, durch welches man aber gewöhnlich mit der Sonde tief und selbst bis zu den Sehnen eindringen kann, während in anderen Fällen dies nicht möglich ist, sondern erst späterhin Geschwüre an den Ballen liinzukommco. Im weitem Verlaufe heilen einzelne Geschwüre zu, wäh­rend neue au andern Stellen wieder hervorbrechen, bis die Entzündung der Sehnen ganz gehoben ist. Da das Thier während der Dauer der Entzündung den Fuss immer stark nach hinten gebogen hält, so verkür­zen sich die Beugesehnen hierbei sehr leicht, und ausserdem wer­den dieselbeu durch die Entzündung verdickt, verhärtet und selbst
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Eigentliches JPanaritium.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;189
stellenweis verknöchert, oder auch durch die Eiterung angegriffen. Im leztern Fall nimmt der Eiler eine schlcohlc Beschafl'euheit an, das Ge­schwür wird kaliös, und die Heilung erfolgt äusserst langwierig; in andern Fällen entsteht üppige Granulation au den Sehnen selbst und die Heilung erfolgt ebenfalls sehr schwer. Zuweilen pflanzt sich die Entzündung über den Fessel hinauf bis zum Kniegelenk fort und es bilden sich dort einzelne Geschwüre, die jedoch leichter heilen.
Hat die Entzündung ihren Sitz in der Knochenhaut, so giebt sie sich zuerst durch dieselben Symptome kund, wie die vorhergehenden Formen, und verläuft auch eben so langsam. Die Geschwüre kommen hier mehr im Umfange der Krone vor und scheinen zuerst nicht ganz bis auf den Knochen zu dringen, doch kann man sie allmälig bis auf denselben verfolgen. Zuweilen heilt das zuerst entstandene Geschwür bald wieder zu, aber es bildet sich bald ein neues, und so fort, dass zuweilen 3, 4 und mehrere Geschwüre entstehen, von denen einzelne heilen, andere noch fortbestehen, während sich [neue entwickeln. Ist die Entzündung bloss auf die Beinhaut an einer Seitenfläche des Huf­heins beschränkt, so ist auch die Lahmheit nach entstandener Ocffnung des Geschwürs vermindert, setzt sich aber die Entzündung auch auf die Gelenkfläche fort, so bleibt dieselbe während der Eiterung eben so be­deutend wie vorher, das Thicr setzt oft den Fuss gar nicht auf die Erde und zeigt bei jeder Berührung und beim Bewegen desselben die grössten Schmerzen; die Krone nimmt immer mehr an Umfang zu, wird gespannter und härter und der Huf trocknet gewissermassen zusam­men. Obgleich hier, wie angedeutet, die Geschwüre in der Kegel an der Krone sich zuerst zeigen, so kann doch auch der Eiter in der Fleischsohle zuerst entstehen und allmälig bis zum Durchbruch an der Krone emporsteigen.
In diesen Fällen zeigt das Thier schon früh beim Druck auf die kranke Stelle der Sohle sehr heftigen Schmerz, und man findet beim Weg­nehmen des oberflächlichen Horns in den lieferen Schichten desselben rothe Streifen und Flecke, und beim Durchschneiden bis auf die Fleisch­sohle, findet man gelblich seröse oder lymphatische Ausschwitzung. Die entstandenen Geschwüre werden hier zuweilen kaliös und geben wenig Eiter; leidet aber der Knochen selbst mil, so nimmt der Eiter ganz die Beshaffenheit des Knocheneiters an, der Knochen zeigt mit der Sonde eine rauhe Oberfläche, und die Heilung erfolgt erst, nachdem die kranke Stelle des Knochens abgeslossen ist. Eeidet die Gelenkfläche des Huf-beins durch Entzündung oder Eiterung mit, so verwachsen die Gelcnk-flächen allmälig und der Fuss wird steif und gerade nach unten gerichtet.
In Folge des heftigen Schmerzes bei dein Panaritium fressen die Thiere fast gar nicht, magern bedeutend ab und haben bis zur Minde­rung der Schmerzen ein geringes Fieber; in den meisten Fällen ist kon-sensucll vermehrtes Alhmen, Gelbfärbung der Schleimhäute, dunkelge­färbter Koth und eben so sehr gesättigter Urin zugegen.
Die Dauer des Panaritiums ist bei der ersten und zweiten Form und bei zweckmässiger Behandlung 2 — 3 Wochen, bei der dritten Form gewöhnlich 4 — 6 Wochen und bei der vierten gegen 3 Mo­nate. Bei unzweckmässiger oder vernachlässigter Behandlung können
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Eiffentlielics Panarilium. Kur.
die Iciclitereu Formen in die schvrêi'éreu übergehen und dadurch das Ucbel bedeutend verlängert werden, und bei der drilteu und vierten Form dauert es unter solchen Verhältnissen zuweilen bis über ein Jahr.
Bei der ersten Form verliert sich die Fiitzündung und Eiterung bloss durch Nachlassen der aufgeregten Thäligkeit, ohne dass weitere Veränderungen der Theilc einlrelen_, bei der zweiten Form bleibt zu­weilen das Horn vom Saume ab etwas uneben, oder selbst mit ring-lormigcn Erhabenheiten verschon; in der dritten Form kann durch gulai'tige Eilcmng und Graualation eine einfache Vernarbung erfolgen, hei ungünstigem Verlauf aber können auf die oben angegebene Weise die Seimen verändert und verkürzt weiden und iladurch das Thier für immer lahm bleiben. In der vierten Form degeucrirl die Krone und der Saum dos Hufes jedes fllal und os dauert desshalb selbst bei er­folgender Heilung lange, bis das nachwachsende Horn sich wieder re-gelmässig bildet und das Thier wieder zur Arbeit benutzt werden kann. IJei Caries dos Ilufboinos kann letzteres völlig zerstört werden, oder Ihoilweise verloren gehen, und dadurch die Brauchbarkeit des Thieves in den moisten Fällen für immer aufgehoben werden, — obgleich es einzelne Fälle giebt, wo das ilufbcin, wenn auch nicht in normaler Form, wieder ersetzt und das Thier nach erfolgler Heilung wieder gang­bar wird.
Die Kur des Panariliums muss in allen Fällen mit einer Ableitung durch den Dannkanal mittelst Aloe und Glaubersalz beginnen und das Thier muss in massigem Futter und auf guter, weicher Streu erhallen werden. Die örtliche Behandlung ist bei allen Formen des Leidens zuerst auf dieMiuderung der Enlzündnng und Beförderung der Eilerung gerichtet, weil eine streng antiphlogistische Behandlung, den bisherigen Erfahrungen zufolge, nichts genutzt, sondern den Verlauf verzögert bal. Man macht daher warme Umschläge von Leinsamenbrei oder von Kleie, oder bei übergrossen Schmerzen, oder bei deutlich ausgesproche­nem asthenischen Zustande, von Kamillen, oder Quendel, Hcusamen, n. dgl.; wo die Thiere den Umschlag nicht dulden, macht man Fuss-bäder oder begiessl den Fessel und die Krone mit lauwarmen Flüssig­keilen von den bezeichneten IMilleln, zu welchem Zwecke man auch vorher eine Binde locker um den Fessel und die Krone gelegt haben kann. — Hai sich bereits Eiter gebildet, so enlferut man die bei der ersten Form des Leidens losgetrennte Oberhaut und wendet täglich 5 — 6 Mal ein Kamilleninfusum mit einem schwachen Zusatz von Zink­vitriol oder von Kupfervitriol an und reiniget ausserdem das Geschwür täglich 2 Mal. Durch diese Mittel wird die Entzündung vollständig ge­hoben, die eiternde Fläche trocknen und die VVicdcrbildung der Oberhaut und des Ilorns am Saume erfolgt schnell. Hat sich aber der Eiter tiefer gesenkt, so muss das losgelrenntc Horn des Saums mit dem Messer weggenommen und dann sogleich das Kamilleninfusum mit Ziukvitriol angewendet werden. Bei entstandenen Eiterkanälcn nimmt man das Horn der Wand bis auf die Fleischwand am uulcrsteii Ende des Ka­nals weg, reiniget das Geschwür mit der bezeichneten Flüssigkeit und füllt die gemachte Furche mit Werg dergestalt aus, dass ein gelinder glcichmässiger Druck auf die Fleiscliblättchen entsieht und diese nicht
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Eigentliches Panaritiiim. Kur.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 191
licrvorquellcii. Die Mittel können dann bis zur neuen Hornbildung fortgesetzt werden. Hei Abweichungen der Eiterung und Crnnulation vom normalen Zustande, vcri'ährt man nach allgemeinen Kegeln.
Bei der zweiten Form ist die Behandlung im Anlange während der Entzündung so, wie eben angedeutet. Hat sich Eiter gebildet, so öilnet man den Abscess recht bald; hiernach, oder wenn er von selbst geöllhet ist, wendet man umstimmende gelind erregende Mittel an, wie namentlich eine Aullösimg von Chlorkalk, oder von Kupfervitriol, oder von Höllenstein, und macht Fussbäder von aroinalischeu Mitteln, bis gute Granulation eingetreten ist, wo dann gewöhnlich das Geschwür sich von selbst schliesst. Sind bereits mehrere Geschwüre entstanden, so ist deren Behandlung im Einzelnen, mit Kücksicht auf die Beschaf­fenheit der Ränder und des Grundes eben so zu leiten. Nach Eber­hards Emplehlmig kann mau auch hier die graue Quecksilbersalbe mit narkotischen Extrakten einreiben; ich habe jedoch von der wiederhol­ten Einreibung der Kantharidensalbe bessern Erfolg gesehen. Trennun­gen des Horns beseitiget mau überall, so weit sie sich erstrecken, mit dem Messer, schützt die blossgolcgtcn Theile durch einen Verband mit Werg und bestreicht sie von Zeit zu Zeit mit einer Auflösung von Zinkvitriol, oder mit einer Abkochung von Eichenrinde, um hierdurch die Hornbildung zu befördern. Andere Complikationen, namentlich durch VVciterverbreilung der Geschwüre bis auf den Knochen, behandelt man nach ihrer Art. — Bei dem Schnonpanaritium ist die erste Behandlung die oben angegebene, doch kann man hier auch durch Einreiben der Kantharidensalbe oder durch Brennen einiger Punkte über den Ballen eine Ableitung der Entzündung zu bewirken suchen. Oelfnet sich der Abscess, so spaltet man die hintere Wand desselben bis auf ihren Grund und wiederholt dann die scharfe Einreibung, während das Geschwür nur mit einem einfachen aromatischen Infusum täglich 2 Mal gereiniget wird, Leiden die Sehnen von der Eiterung, so wendet man Chlorkalkauf-lösinig, Kreosotanl'lösung oder auch die harzigen Tinkturen an, um die Ablilällerung zu befördern. — Bei der vierten Form ist während der Knlzündimgsperiüde wieder die Behandlung, wie bei der ersten Form, ausserdem aber sind Blulenlziehungcu sowohl örtlich an der Fleiscb-sohle, wie auch im Allgemeinen zu machen. Mindert sich die Entzün-ilung hiernach nicht in kurzer Zeit, so reibt man die Kantharidensalbe um den Fessel ein, bleibt damit jedoch einen Finger breit von dem Saume entfernt und streicht auf diesen freigelassenen Thcil zum Schulz des Saumes Fett oder einfaches Gerat. Ist ein Geschwür entstanden, so wird es in der oben angegebenen Weise mit gelind aromatischen Mitteln behandelt und bei entstandener Caries das Kreosot, oder das Tcrpcnthinöl oder die harzigen Tinkturen, oder auch selbst das glühende Eisen angewendet. Zeigt sich das Uebel an der Sohle, so ölliiel man hier recht zeilig und schneidet selbst, die Fleischsohle durch, um etwa vorhandenen Eiter zu entleeren. Leidet das Gelenk, so zieht man ein Haarseil durch den Strahl. Im Uchrigcn richtet sich die Behandlung nach der Form und Eigenlhümlichkeit der Complikalion.
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Knochciientziindunj'.
Nennzelintes Capitel.
I
Die Entzündung der Knochen und der Beinhaut (Osteitis und Periosteitis) und ihre Folgen.
i
Die Knoelicn und die Bciuhaut sind der Entzündung ebenso unter--werfen, wie die W eichgebildc. Die Veranlassungen hierzu sind ebeu-lalls dieselben, welche bei den Enlzünduugeu überhaupt als Ursachen beschuldiget werden können, also nanientlicb mechanische Verletzungen aller Art, welche bis auf die Knochen durch Druck oder Erschüt-
terung einwirken.
chemische Substanzen, welche die Beinhaut zerstören
oder nach Entfernung derselben die Knochensubstanz berühren, und unter diesen auch die atmosphärische Luft, ranzige Fette und verdorbener Eiter oder scharfe Jauche; ebenso Erkältungen und hierdurch erzeugte Meta­stasen oder Dyscrasieeu, wie namentlich die rheumatische. Oft besteht eine besondere Anlage zu Knochcucutzündungeu, welche angeboren oder auf mehrerlei Art erworben sein kaiiini. namentlich durch saure Nah­rung, öftere Erkältungen u. s. w.
Die Entzündung kann entweder bios die Knochensubstanz oder nur die Beinhaut, oder auch beide (iebilde ergreifen und ebenso können an den Gelenkcnden die Knorpel uiyi in den Uöhrenknochen die Markhaut mitleiden. Es sind, nach ihrer sichtbaren Wirkung, drei Formen der Knochenentzündung zu unterscheiden, nämlich: a) die condensi­rende K. E., bei welcher das Gewebe dichter und dicker wird; — b) die rarificirende, welche das Gewebe auflockert, die OefTnungcn, Furchen und Kanäle erweitert; und — c) die ulcerirende K. E., welche mit Scliwärung und reichlicher Eiterung begleitet ist.
Die Symptome der Knochcnentzündung sind im Wesentlichen die­selben, welche die Entzündungen überhaupt charakteresiren; die­selben entwickeln sich gewöhnlich weit langsamer, aber einmal entstan­den, sind sie weil hartnäckiger und in der Regel auch weit heftiger als bei einem gleichen Grade der Entzündung in den Weichgcbilden und namentlich ist der Schmerz immer sehr heilig. Da die Knochen durch die Weichgebilde bedeckt sind, treten die Erscheinungen der Ent­zündung in den meisten Fällen, namentlich beim Beginnen des Leidens nicht recht deutlich hervor, so dass es zu der Zeit zuweilen schwer wird, die richtige Diagnosis zu machen. Man kann jedoch immer auf das Vorhandensein einer Kuochenentzündung scliliesscn, wenn bei dem Bestehen von vermehrter Wärme die VVeichgcbilde an der leidenden Stelle wenig oder gar nicht angeschwollen oder gespannt sind, sich über dem Knochen verschieben lassen, und wenn beim Druck auf den letztern der Schmerz deutlich hervortritt. Wenn die Beinhaut haupt­sächlich mitleidet und nur wenig Weichgebilde den Knochen bedecken, kann man in einzelnen Fällen eine Anschwellung derselben durch die Weichgebilde fühlen; im weiteren Verlaufe der Knochenentzündungea findet sich eine solche Anschwellung nicht bloss in der Beinhaut, son-
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Knochenentzündung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;193
dem auch häufig der Kuochensubstanz selbsl. Aussei' diesen örtlichen Erscheinungen sieht man in den meisten Fällen auch die Bewegung des mit Knochenentzündung behafteten Theils erschwert, daher bei dem Leiden in den Knochen der Gliedmassen die Thiere mehr oder weni­ger heftig lahmen, und oft besteht auch Fieber. Ist ein entzündeter Kno­chen blossliegend, wie z. B. bei Wunden oder Geschwüren, so sieht man denselben auch und ebenso die Beinhaut dunkel geröthet und die letztere mit Gefasscn reichlich versehen.
Die Ausgänge der Knochenentzundungen sind Zertheilung, Aus-schwitzung, Eiterung, Ulceration oder Caries und Absterbung oder Brand.
Die Zertheilung erfolgt, wenn die Entzündung noch neu und nicht in einem zu hohen Grade ausgebildet ist, in den meisten Fällen; sehr heftige Knochenentzündungen, und wo die erste günstige Zeit zur Zer­theilung nicht benutzt worden ist, oder wo die Beinhaut zerstört und der Knochen entblüsst ist, oder wo öfters wiederholte neue Reizungen auf den schon entzündeten Knochen einwirken, gehen eher in einen andern Ausgang über. Eben so sind Knocliencntzündungen, welche mit grossen Quetschungen der Weichgebilde, mit Zerreissung der Sehnen oder Gelenkbänder, oder mit Brand der Weichgebilde komplizirt sind, in den meisten Fällen schwer zur Zertheilung zu führen; und in porö­sen Knochen, namentlich an den Gelenkenden sind die Entzündungen immer hartnäckiger, als in den mehr kompakten Knochen.
Plastische Ausschwitzungen kommen sowohl bei traumatischen, wie auch durch Erkaltungen entstandenen Knochenentzündungen sehr häufig vor. Die ausgeschwitzte plastische Flüssigkeit wird in kurzer Zeit gal­lertartig, dann knorpelartig und zuletzt knochenhart und steht in der Regel mit der entzündeten Fläche des Knochens in festem Zusammen­hange, so dass auf diese Weise Knochenauswüchse in verschiedener Grosse und Form entstehen. Man pflegt diese Knochenauswüchse mit dem Namen Ueberbeine (Exostoses oder Hyperostoses) zu bezeich­nen. An Gelcnkflächen entstellt hierdurch oft Verwachsung der Ge­lenke (Anchylosis) und in Knochenwunden und Knochenbrüchen wird durch dieselbe Substanz die Vereinigung der getrennten Theile durch die Natur bewirkt. Zuweilen ist die Ausschwitzung zugleich mit Auf­lockerung des entzündeten Knochens, weit häufiger aber entgegengesetzt mit Verdichtung seiner Substanz verbunden.
Eiterung entsteht bei Knochenentzündungen im Ganzen weit selte­ner als die Ausschwitzung und mehrentheils lindet sie sich nur bei blossgelegtcn und verletzten Knochen. Sie entsteht ganz in derselben Weise, wie in den Weichthcilen und zeigt auch dieselben Verschieden­heiten hinsichtlich der guten und schlechten Beschaffenheit. Mit ihr ist auch der Granulationsprozess wie in den Weichgebilden verbunden, aber am Grunde der neugebildcten Masse geht fast immer ein Theil dersel­ben in Knochensubstanz über, so dass zuweilen Lücken von verloren­gegangener Knochensubstanz auf diese Weise allmälig ausgefüllt und regenerirt werden.
Die Ulceration oder Schwärung der Knochen findet sich sehr häufig, namentlich bei und nach solchen Entzündungen, wo das Gewebe der Beinhaut oder des Knochens auf mechanische oder chemische Weise zer-
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Knochenentzündung.
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stört, der Knochen der Luft exponirt oder wo eine krankhafte Ernäh­rung und Säftebildung zugegen ist. Es wird dabei eine scharfe, stinkende, bräunliche oder schwärzliche Jauche abgesondert, welclie reich an Phosphorsiiure ist und hierdurch silberne Instrumente schwarz färbt; zuweilen sind in dieser Jauche eine Menge kleiner Knochenkörnchen enthalten. Die Knochensubstanz selbst wird dabei allmälig mehr und mehr aufgelöst und zerstört, was man beim Berühren mit der Sonde an der rauhen, unebenen porösen Oberfläche, sowie an dem allmäligen Tieferwerden des Geschwürs erkennt. Nicht selten ist die kranke Stelle des Knochens mit üppiger Granulation bedeckt. Man bezeichnet die fortschreitende Zerstörung des Knochens mit dem INamen Bein- oder Knochenfrass (Caries). Nicht selten besteht mit der Ulceration und dem Beinfrass zugleich an anderen Punkten des leidenden Knochens Eiterung und gute Granulation, und durch eine verbesserte Thätigkeit in dem Geschwür kann der cariöse Zustand in ein gutartiges eiterndes Geschwür umgewandelt werden. Hierbei muss aber immer der quot;vom Beinfrass bereits ergriffene Theil des Knochens durch die gute Granu­lation von dem übrigen Knochen abgestossen und entfernt werden, was als die Abblälterung (Exfoliatio) oder als der Abblätterungs-prozess bezeichnet wird.
Der Brand in den Knochen (Necrosis, Osteonecrosis, Ostcogan-graena) besteht in dem Absterben eines Knochenslücks oder auch eines ganzen Knochens in Folge aufgehobener Ernährung an den betreffenden Stellen. Dieser Zustand ist ganz analog dem trocknen Brande der Weichtheile und ist in der säflearmen Beschafl'enheit der Knochen haupt­sächlich begründet. Nur äusserst selten findet sich auch ein dem feuch­ten Brande ähnlicher Zustand in den Knochen (Osteolyosis). Der er-stere entsteht gewöhnlich auf die W eise, dass die Beinhaut sich von einem Knochen, theilweise oder ganz lostrennt, sich verdickt und da­bei gewöhnlich eine neue Knochenschicht über den abgetrennten Theil des Knochens bildet, so dass derselbe von der neuen Masse, wie von einer Kapsel oder einer Scheide, umgeben wird. Man nennt den ab­gestorbenen Knochen oder Knochentheil den Sequester (Sequestrum) und die umgebende neue Masse die Kapsel oder Scheide des Sequesters (Capsula s. Vagina sequestri). In der Scheide befmdea sich immer mehrere Oeffnungen (Cloacae), durch welche theils die Beinhaut nach einwärts dringt und bei Röhrenknochen mit der Markhaut in Verbin­dung tritt, theils aber auch die durch allmälige Auflösung des allen Knochens entstehende Flüssigkeit nach aussen dringt und hier gewöhn­lich Fistelgänge erzeugt. In manchen Fällen erfolgt aber die trockene Absterbung eines Knochenstücks auch ohne dass sich eine Scheide über ihn bildet. In diesem Falle erhält das absterbende Knocheustück ge­wöhnlich ein ganz weisses, mattes Ansehen, wird ganz trocken, roürb und sehr leicht. Die weiche Absterbung des Knochens iindet sich fast nur in den schwammigen Knochenenden und giebt sich durch eine schnelle Auflösung der Knocheusubstanz mit vieler Jaucheerzeugung kund.
Eine eigenthümliche krankhafte Bildung in Folge von Knochenent­zündung ist noch der sogenannte Wind dorn (Spiua ventosa) oder Knochenwurm, eine Auftreibung des Knochens mit Auflockerung sei-
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Knochenentzündimg.
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nes Gewebes, so dass eine Menge erweiterter blasenartiger Zellen be­stehen, in welchen Eiter und Jauche enthalten sind. Die Oberfläche des aufgelriebcucn Knochens ist rauh, selbst mit Spitzen und anderen Aus­wüchsen versehen, und im Innern linden sich aussei- den Zellen Fi­stelgänge und selbst grössere Höhlen; zuweilen ist auch an einer oder der andera Stelle die Subslanz kuorpclartig erweicht oder auch von Caries oder Necrosis ergriffen. Das ganze stellt also gleichsam eine Complikation der verschiedenen Ausgänge der Knochenenlzündung mit gleichzeitiger unrcgelmässiger Bildungsthäligkeit und mit schleichender Knocheuenlzünduiig dar.
Die Prognosis ist bei den Knocheuentziindungen in den einzelnen Fällen, je nach dem bestehenden speziellen Znstande, sehr verschieden. Die Zerthcilung kann unter den bereits oben angedeuteten Umständen in Zeit von 8 Tagen bis zu 3 Wochen erfolgen; wenn aber die ange­zeigten ungünstigen Verhältnisse bcsleheu und die Entzündung einen akuten Charakter besitzt, so ist Eiterung oder Ausschwitzung sehr zu fürchten, und es können dann die übrigen angedeuteten Folgekrauk-heiten, wie Exostosen in verschiedener Form, Grosse und Ausdehnung, oder Verwachsung, selbst Eiterung und Brand nicht immer vermieden werden. Sowohl die Exostosen, wie auch theilweise oder gänzliche Verwachsungen erzeugen Lalnnheitcn und machen die Patienten, je nach dem Orte der Entzündung und nach dem Dienstgebräuche des ïhieres, für einige Zeit oder für immer zum schnellen Laufen und zu schwerer Arbeil untüchtig. Eiterung, Caries und Brand in den Knochen sind zwar heilbar, machen aber fast immer langwierige und schwer zu heilende Uebel, bei welchen die Thicre einerseits durch den täglichen und lange Zeit fortdauernden Verlust von Säften, anderntheils durch die leicht entstehende Aufsaugung von cariöser und brandiger Jauche sehr bald abmagern und zuweilen in Zehrlieber oder auch in Dyskrasieen ver-lallen, welche beim Pferde oft den Rotz und Wurm zur Folge haben. — Chronische Entzündungen der Knochen führen die verschiedeneu Ausgänge zwar seltener herbei, sind aber immer an uud fik- sich sehr hartnäckig.
Die Kur der Knochenentzündungen beruht auf der Erfüllung der bei der Behandlung der Entzündungen überhaupt (S. 31) aufgestellten Indikationen; doch muss hier noch mehr als bei der Entzündung der Weichgebilde im Allgemeinen der Ernährungsprozess herabgesimrot und örtlich in der ersten Zeit die Kälte recht fleissig uud intensiv angewen­det werden. Demgemäss macht man, nachdem die Ursachen beseitigt sind, in allen Fällen einen der Constitution entsprechenden Adcrlass, giebt innerlich abführende Mittel und unter diesen besonders das Calo­mel, und wendet äusserlich Urnschläge, oder Waschungen, oder Fuss-bäder (je nach dem Orte) von eiskaltem Wasser, von Schnee oder klein zerklopftem Eis, oder auch von recht kaltem Bleiwasser, oder von einer Auflösung der Potasche an. Diese Behandlung findet auch selbst bei den rheumatischen Knocheuenlzündungeu ihre Anwendung. Liegen die entzündeten Knochen nahe unter der Haut, so kann man auch bei sehr heftiger Entzündung, namentlich an kleinen Thieren einige Blutegel auf die Haut daselbst ansetzen, oder bei fortdauernd sehr hef­tigen Schmerzen auch die Beinhaut auf der leidenden Stelle subeulan
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Knochenentzändung.
aufspalten. Dabei fiudel ruhiges Verlialleu und sehr magere Diät statt. Mindert sich die Intensität der Entzündung, so kann man Eireibungen der grauen Quecksilbersalbe täglich 2 — 3 Mal, oder der Jodsalbe eben so oft machen. Dauert die Entzündung bei solcher Behandlung über 8 Tage fort, so ist es am besten, zu Einreibungen mit Kanthariden-salbe überzugehen und dieselben in Zwischenzeiten von 5 — 6 Tagen mehrmals zu wiederholen, bis die Entzündung gänzlich beseitigt ist. Bei wirklich chronischen Enlzündungcu ist nur allein von dem letztern Mittel oder von der Applikation des Glüheisens in Form von Strichen oder von zahlreichen Funkten in der ganzen Umgegend der entzünde­ten Knochen noch Hülfe zu erwarten. Wenn durch Zunahme des Umfanges des entzündeten Knochens auf eine Ausschwitzung an dessen Oberfläche zu schlicssen ist, so ist die Behandlung in der Hauptsache noch eben so wie bei der Eulzündung selbst fortzusetzen und dann durch die graue Quecksilbersalbe, die Jod- oder die Kantharidensalbe in Verbindung mit starker Reibung oder mit einem andauernden Druck auf die ausschwitzende Stelle, so wie durch das Glüheisen und den Beinhautschnitt die Resorption soviel wie möglich anzuregen. Bei schon verhärleten Exostosen kann man dieselben Mittel anwenden, oder wenn die Form der Auswüchse es gestattet, auch die operative Abtra­gung derselben bewirken. (Siehe Ueberbeine).
Eiterung wird nach allgemeinen Regeln behandelt, aber man ver­meidet fetthaltige Digeslivsalben und sucht lieber den Eiterungsprozess durch warme Breiumschläge anzuregen, wenn dies für- nöthig erachtet wird. Knoehengcschvvürc verlangen vor Allem einen möglichst freien Abflugs der Knochenjauche, die Entfernung der bereits quot;von Beinfrass ergrilfenen Knochenthcile und die Umwandlung der Ulceration in gute Suppuralion. Der erste Zweck ist nur durch geschickten Gebrauch des Messers, mit Berücksichtigung der Lage und Beschalfenheit des Theils, zu erreichen. Für den zweiten Zweck dienen alle Mittel, welche die Vitalität in den Geschwüren anregen, wie namentlich aetherische Oele, warme aromatische Breiumschläge, die Aloe-, oder Myrrhen-, oder Asa foctida-Tinktur, der reclifizirte Weingeist und vor allen das glü­hende Eisen. Diese Mittel genügen auch oft der dritten Anforderung, doch kann man neben dem Gebrauch des einen oder des andern Mit­tels auch noch warme Breiumschläge von schleimigen Mitteln benutzen. Zuweilen, namentlich da, wo bereits in den Weichgebilden neben dem kranken Knochen gutartige Eiterung besteht, kann man auch durch das Messer den cariösen Knochenlheil entfernen und hierdurch das Ge­schwür schneller in einen reinen Zustand versetzen. — Bei der Necrosis muss man im Wesentlichen nach den eben angedeuteten Grundsätzen verfahren und dann, wenn das abgestorbene Knochenstück sich abge­trennt hat, dasselbe nölhigenfalls durch angemessene Schnitte in den Weichgebilden, oder auch durch Anbohren oder Aufmeissein der Se­questerscheide künstlich zu entfernen suchen.
Ist Winddorn entstanden, so muss zunächst untersucht werden, ob nicht im Innern der aufgeblähten Masse ein abgetrenntes Knochen­stück, eine lockere Zahnwurzel u. dgl. besieht, was dann durch An­bohrung mit dem Trepan entfernt werden muss. Ist kein solcher fremder Körper zugegen, so genügt es, die Fistclgänge von aussen her
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Ueberbeine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;197
mit einem spitzigen Glüheisen zu erweitern und an ihren Wänden zur Abblälterung zu bringen, worauf in den meisten Fällen die Heilung er­folgt; doch kann man ausserdem noch Einspritzungen oder Einpinse­lungen von harzigen Tinkturen, oder von Terpenthinöl, oder von dem sogenannten Digestivwasser machen.
I. Die Ueb erbeine. Exostoses.
Ueberbeine sind Auswüchse aus der Substanz eines Knochens und mit der Beinhaut desselben bedeckt. Sie entstellen, wie im Vorherge­henden angedeutet, durch entzündliche Ausschwitzung von zuerst flüssi­ger Knochenmaterie, welche allmälig dichter und bald schneller, bald langsamer knochenhart wird. Sie kommen an allen Knochen vor und erlangen eine verschiedene Grosse und Form, mitunter eine pyramida-lische, so dass sie mit einer breiten Basis und nach aussea mit einer Spitze versehen sind, zuweilen sind mehrere Spitzen vorhanden und nicht selten bildet sich auch au der Spitze ein mehr oder weniger breiter oder runder Knopf, so dass das Ueberbein gestielt erscheint; zuweilen wächst ein Ueberbein über naheliegende Sehnen, Gefasse oder Nerven in schiefer Richtung oder hakenförmig gebogen hinweg, so dass diese Gebilde gleichsam in einer Furche oder in einem Halbkanal lie­gen. In anderen Fällen berühren sie diese Theile mehr oder weniger mit ihrer Spitze. Durch den Druck auf die umgebenden Theile erzeu­gen die Ueberbeine. Reizung, Schmerz, Entzündung und hierdurch Störung in der Funktion der betrelfeuden Theile; diese Zufälle sind jedoch gewöhnlich in der ersten Zeit des Bestehens eines Ueberbeins grosser als nach einiger Dauer desselben. Obgleich die Ueberbeine an allen Knochen entstehen können, so sind sie doch besonders am Unter­kiefer und an den Füssen der Pferde häufig bemerkbar.
a) Am Unterkiefer finden sich die Exostosen am häufigsten am hintern Rande in der Gegend von dem Hakenzahn bis zum zweiten Backenzahn. Sie entstellen hier wahrscheinlich durch oft wiederholten Druck des Randes der Krippe auf deu Kinnbacken bei dem Fressen des Futters, haben zuweilen eine kuopfförmige, in anderen Fällen eine pyramidalische Gestalt, und verursachen während ihrer Entwickelung an der betreffenden Stelle grossen Schmerz, nach ihrer Ausbildung aber gar keine üblen Zufälle, so dass sie nur als sogenannte Schönheitsfehler gelten. Man erkennt sie au ihrer Form, an ihrer Härte und au ihrem festen Zusammenhange mit dem Kiefer.
Ihre Beurtheilung ist günstig zu machen, da sie sich selbst über­lassen, niemals Störungen erzeugen, sondern nur zuweilen Veranlas­sung zum Reiben der Haut geben, und da ihre Entfernung durch Ope­ration leicht zu bewirken ist.
Die Behandlung dieser Ueberbeine kann während des Entstehens derselben auf Resorption der ausgeschwitzten Knochenmaterie gerichtet sein, während bei den vollkomincn entwickelten Ueberbeinen nur allein die operative Entfernung derselben übrig bleibt. Für den ersteren Zweck wendet man die graue Quecksilbersalbe, die grüne Seife, die Jodsalbe, oder auch die Kantharidensalbc an. — Die Operatiou kann, je nach der Form des Ueberbeins auf verschiedene Weise ausgeführt
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Ueberbeine.
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werden. Ist dasselbe gestielt, so schneidet man dicht am Rande des Kinnbackens die Haut und die Beinhant rund um die Wurzel des Ueber-bcius durch und sägt dann dasselbe mit einer feineu Säge ab oder mau setzt dann in den Hautschnilt einen s.'.harleu Moissel, oder ein Iluf-messer und treibt diese Instrumente durch einen kurzen Schlag mit einem Hammer durch das Uebcrbein hindurch, so dass dasselbe mit der auf ihm sitzenden Haut amputirt wird. Hat aber das Uebcrbein eine breite Basis, so macht man in seiner Längenrichluug über das ganze TJeberbein in der Mittellinie einen Hautschnilt, präparirt die Haut-räuder von beiden Seiten bis auf den Kinnbacken an der Basis des Ucberbeins los, durchschneidet liier mit einem Kreisschnilt die Beinhaut und meisselt dann das Uebcrbein von dem Kinnbacken ab. Hierauf wird die Haut in diesem Falle mit ein Paar Heften der Knopfnalh mög­lichst genau vereiniget und das Thier im Stalle so gestellt, dass es sich nicht reiben kann. Die etwa eintretenden Enlzündungszufiille werden durch Anwendung des kalten Wassers besciligt. Die Heilung erfolgt dann gewöhnlich mit Zurücklassimg einer nur sehr unbedeutenden Hautnarbe.
6) Die Ueberbeine an den Gliedmassen (Exostoses, und un­richtig auch mit dem in der Mcnscbenheilkumle für einen ganz anderen Zustand gebräuchlichen Namen Ganglion bezeichnet, Iranz: Suros) linden sich hauptsächlich an der innern Seile der Schienbeine der vor­deren Gliedmassen, seltener an der äusseren Seite derselben und ebenso nur selten an den Schienbeinen der Ilinterfüsse. Sie haben ihren Sitz vorzüglich an der Grenze zwischen den Schien- und Griffelbeinen in der Gegend von der Mitte der Länge der Schienbeine bis zum Knie­gelenk, weit weniger unter der Mitte des Schienbeins1), und er­scheinen bald länglich, bald rundlich, knopilormig oder häufiger mit einer oder auch mit mehreren Spitzen versehen; dabei slehcn sie zu­weilen nur gegen eine Linie weit über die Oberfläche des Schien­beins hervor, während sie in anderen Fällen bis zu einer Länge von 6 Linien hervorragen. Ihre Richlung ist ebenso verschieden, bald mehr nach vorn, bald mehr nach hinten, so dass sie im letztem Falle die Bcugesehuen bei gewissen Stellungen des Fusses bald mehr bald weni­ger berühren und drücken. Sie sind ferner noch hinsichtlich der Dauer ibres Bestehens sehr verschieden, bald eben noch in der Entvvickelung begriffen, bald eben ausgebildet, aber nocli mehr oder weniger weich und mit Enlzündungssymptomen versehen, und in anderen Fällen sind sie veraltet, hart und ohne Entzündung.
Die Erkennung der Ueberbeine ist, wenn dieselben bereits ausge­bildet sind, ziemlich leicht. Man sieht, nachdem man die Haare an der innern und äussern Flüche beider Schienbeine ganz glatt gestrichen hat und sich dann etwa 2 Schritte weit vor das Thierquot;stellt, an der innern Fläche des mit einem Uebcrbein behafteten Schienheins eine Er­höhung, welche beim Befühlen knochenhart ist und mit dem Schien-
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') Man hüte sich, das untere Köpfchen des Griffelbcins, wenn es ein we­nig über die gewöhnliche Grosse entwickelt oder vom Schienbein abstehend ist für ein Ueberbein zu halten.
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Ueberbeine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 199
beiii oder Griffelbeiraquo; in fester Verbindung steht. Bei recht kleinen Ueberbeinen kann man das Dasein derselben durch das BeFdhlen dann am besten bemerken, wenn dein Thiere der Vorderfnss im Knie auf­gehoben (gebeugt) ist und dadurch die Beugesehnen erschlafft sind; man kann dann mit den Fingerspitzen gleichsam zwischen den Sehnen und dem Griffalbein eindringen und eben dadurch kleine Erhöhungen an demselben erforschen, während dieselben bei angespannten Sehnen durch die letzteren verdeckt und unzugänglich sind. Die frisch ent­standenen und noch mit Entzündung begleiteten, oft auch die mit scharfen Spitzen versehenen Ueberbeine veranlassen beim Druck mit den Fingern dem Thiere Schmerz, so dass es mit dem Fusse zuckt; doch ist auch diese Untersuchung mit einiger Sicherheit des Resultates nur bei anfgehobenem Fuss zu unternehmen, weil sowohl sehr gut-müthige, willfährige, wie auch sein- empilndliche und widersetzliche Pferde den Fuss zuckend in die Höhe heben, wenn man sie nur mas­sig stark au irgend einer Stelle desselben drückt, während sie mit dem Fuss frei auf dein Boden stehen; sie thun dies aber nicht, wenn ihnen der Fuss aufgehoben ist, sondern sie zucken bei dieser letztern Stel­lung nur dann in Folge des Drucks, wenn sie an der gedrückten Stelle wirklich Schmerzen erleiden. Zuweilen findet sich auch die Haut an der Stelle, wo das Ueberbein sitzt, vermehrt warm, ohne dass eine Verletzung an derselben besteht, und man kann dann um so mehr auf das Vorhandensein einer Knochen- oder Beiuhautentzündung an der Stelle des Ueberbeins schliessen. —
Die eben noch in der Enlwickelung begriffenen Ueberbeine lassen entweder an der betreffenden Stelle keine oder nur eine ganz unbedeu­tende Erhöhung, die in diesen Fällen auch nur flach und gleichsam eine Auflockeruug der Beinhant ist, erkennen; aber erhöhte Wärme und beim Druck grössere Empfindlichkeit ist wahrzunehmen. — Ein­zelne Ueberbeine bilden in der eisten Zeit ihres Bestehens zwar eine bald kleinere bald grössere Erhöhung, aber dieselbe ist noch nicht knochenhart, sondern gleichsam sehnenartig anzufühlon, so dass man das eigentliche Ueberbein aus dieser Beschaffenheit nicht erkennen könnte, wenn nicht der Ort, der feste Zusammenhang mit dem Knochen und die in der Tiefe bestehende Entzündung darauf deutete, und die Er­fahrung nicht diesen Entwickelungsgang mancher Ueberbeine nachge­wiesen hätte.
Die meisten Ueberbeine sind zur Zeit ihrer Entwickelung und in der ersten Zeit ihres Bestehens, manche auch in späterer Zeit noch öfters wiederholt mit Lahmheit begleitet, diese Lahmheit trägt jedoch nur zu wenig Eigenthümliches an sich, um aus ihr das Vorhandensein eines Ueberberbeins erkennen zu können, und es ist deshalb die Diagno­sis dieser Lahmheit hinsichtlich ihrer wirklichen Ursache zuweilen sehr schwierig, besonders so lange das Ueberbein noch gar nicht als eine Erhöhung bemerkbar hervorgetreten ist. Man bemerkt nur, dass die Thiere beim Aufheben des Fusses, und ebenso bei dem festen Nieder­treten denselben bald mehr bald weniger schonen, dass sie auf har­tem Boden stärker lahmen, als auf weichem, und dass sie mitunter plötzlich während einiger Minuten weit stärker lahmen. Bei der örlli-lichea Unlersucliung des Fusses findet sich an keiner anderen Stelle
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Ueberbeine.
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ein krankhafter Zustand, der eine Veranlassung des Lahmgehens sein könnte, aber bei dem Drücken gegen das Griffclbein und den zunächst desselben liegenden Theil des Schienbeins, bald nahe am Kniegelenk, bald #9632;weiter nach abwärts, zeigen die Thiere Schmerz und vermehrte Wärme; zuweilen sind an der schmerzhaften Stelle einige Haare abge stossen, oder es ist wohl auch die Haut selbst etwas mit verletzt. Die Art des Lahmgehens, so wie der negative Befund am ganzen übrigen Fusse bis auf die affizirte Stelle am Schienbein, und die hier vorgefun­denen, wenn auch nur geringen Symptome müssen die Diagnosis be­gründen und die Lahmheit als eine von dem Ueberbein abhängige er­klären lassen. Man hat hierzu um so mehr Grund, wenn ein schon ausgebildetes Ueberbein mit scharfen Spitzen versehen und gegen die Beugesehnen gerichtet ist, oder wenn, wie im Vorstehenden angedeutet, an der affizirten Stelle die Haare oder die Haut verletzt sind. Der Schmerz und die Lahmheit entstehen nämlich bei den Ueberbcinen aus einer dreifachen Quelle, und zwar: 1) aus der Entzündung der Knochen­substanz und der Beinhaut bei und unmittelbar nach der Entwickelung eines Ueberheins, was man als die akute Periode des Ueberbeins be­trachten kann; 2) aus dem Druck des Ueberbeins auf die naheliegenden Weichtheile, was ein bald längere bald kürzere Zeit dauerndes Lahm-
f ehen erzeugt, und 3) aus momentanen Verletzungen, welche sich die 'ferde durch das sogenannte Streifen oder Streichen von Zeit zu Zeit wiederholt, an der Stelle des Ueberbeins zuziehen. Das Lahmgehen­aus der ersten Ursache ist bei manchen Pferden ausserordentlich heftig, bei anderen nur unbedeutend und verschwindet bei allen zur Zeit des Hartwerdens des Ueberbeins. In Folge der zweiten Ursache lahmen bei Weitem nicht alle mit Ueberbeinen behaflete Pferde, son­dern uur diejenigen, bei welchen das Ueberbein entweder sehr spitz und scharf, oder zu stark gegen die Sehnen gerichtet ist; die Lahmheit ver­liert sich hier gewöhnlich nach einiger Zeit, wenn entweder die Ueber­beine durch Resorption ihre scharfen Spilzen verloren, oder wenn die naheliegenden Theile sich an den Druck gewöhnt haben. In Folge der dritten Ursache findet sich die Lahmheit bei Ueberbcinen nur von Zeit zu Zeit, wenn die Thiere durch iibermässige Anstrengungen oder in Folge von Krankheilen u. s. w. matt geworden sind und in Folge dessen einen wackeligen, unregelmässigen Gang annehmen, oder wenn sie zu schnell laufen müssen und hierbei ebenfalls uuregelmässig gehen und zuweilen wenn ihnen der Huf zu gross gewachsen ist, oder wenn sie zu breite Hufeisen tragen müssen.
Die Ursachen der Ueberbeine sind im Wesentlichen, wie oben schon angedeutet, in einer Entzündung der Beinhaut und der Schien­beine und Griffelbeine zu suchen, als veranlassende Ursachen aber muss man mechanische Verletzungen, besonders durch das Streifen mit den Hufen, durch das Koppeln der Weidepferde, durch Stösse und Schläge betrachten, da man nach solchen Einwirkungen sehr häufig die Ueber­beine entstehen sieht und ihre Entwickelung verfolgen, ja sie sogar künstlich erzeugen kann. Havemann1) bestreitet zwar diese Art des
') Anleitung zur Beurtheilung des äussern Pferdes. Hannover 1805. S. 93.
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Ueberbeine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;201
Entstehens der Ueberbeine und erklärt sie ausschliesslich als Folge des ungleichen Drucks bei Fehltritten, wo das kleine keilförmige Bein von oben her mit der ganzen Körperlast auf dem Kopfe des inuern Griffel­beins ruht und die zwischen dem Schien- und Griflelbein befindliche Bandfascm zerreisst und dadurch eine Ergiessung von Kuochenmaterie herbeiführt. Obgleich oft auch auf solche Weise ein Ueberbcin an der innern Seile des Schienbeins entstehen kann, so passl doch für die meisten Fälle und an anderen Stellen diese Erklärung nicht. Ausserdem sind zuweilen akute Rheumatismen als Ursachen zu bezeichnen. Sehr häufig haben die Pferde eine grosse Anlage zum Entstehen dieser Exostosen; denn man sieht sehr oft, dass dieselben nach ausserordentlich geringen Veranlassungen, selbst bei Füllen, welche noch nicht zur Arbeit benutzt werden, an mehreren Füssen fast gleichzeitig zum Vorschein kommen. Diese Anlage ist in vielen Fällen, wie dies durch mehrere Generationen mancher Pferdefaroilien beobachtet worden ist, angeboren, in anderen Fällen durch Erkältungen und schlechte, saure Grasnahrung u. s. w. erworben. Pferde von gemeiner Ka(;e mit lockerem Knochengewebe sind desshalb den Ueberbcinen weit mehr unterworfen, als Pferde von edler Ralt;;e.
Die Beurthcilung. Die meisten Ueberbeine an den Schienbeinen sind als blossc Schönheilsfehler zu betrachten, namentlich diejenigen, welche an der äussern Seile der Schiciibeine liegen, so wie auch die­jenigen , welche an der innern Seite vor den Grilfelbcinen ihren Sitz haben, klein, rund und glatt sind und olinc Entzüuduugssyinptome be­stehen; dagegen sind die an der innern Seile, nach den Sehnen zu liegenden, rauhen, spitzen und noch mit Entzündung begleiteten Ueber­beine, ebenso die sehr stark hervorstehenden, oft die Veranlassung zum Lahmgehen. Die Lahmheit verliert sich jedoch, wie bereits im Vor­hergehenden angedeutet, mit der vollständigen Ausbildung der Ueber­beine und mit dem Verschwinden der Beinhaulenlzündung in der Regel gänzlich und sie kehrt nur bei den sehr grossen Üeberbeinen leicht wieder, wenn die Thierc sich au dieselben slosscu. Frisch cnlslandenc, kleine Ueberbeine sind zuweilen gänzlich zu beseitigen, alle aber sind durch geeignete Mittel zu verkleinern, und die meisten vermindern sich mit der Zeit von selbst.
Die Kur. Etwa noch bestehende Ursachen werden beseitigt und so lange eine wirkliche Enlzündung der Beinhaut und des Knochens noch zu bemerken ist, gewährt man den Thieren Ruhe; späterhin ist dieselbe jedoch, so wie überhaupt eine besondere Diut nicht erforder­lich, sondern die Thiere können in jeder Hinsicht wie gesunde Pferde gehalten und benutzt werden. Die eigentliche Kur besteht während der Entzündungsperiode in der anhaltenden Anwendung kalter Fuss-bäder oder Umschläge von Wasser, oder Bleiwasser, oder Oxykrat, oder Aschenlauge. Sind die Schmerzen etwas gemindert, so kann man die graue Quecksilbersalbe, oder die Jodsalbe täglich 2 Mal auf das Ueberbein streichen. Als von ganz vorzüglicher Wirksamkeit in jeder Periode der Ueberbeine ist die Kantharidensalbe, auch das Kathariden-pllaster (das sogenannte scharfe Pilaster) und das glühende Eisen zu betrachten. Die Salbe kann einfach aus Kautharidenpulver und Fett oder Theer bestehen, und es ist nicht nöthig, die in früheren Zeiten
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üeberbeine.
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(z. B. von Kersting) empfohlenen Zusätze von Arsenik oder Subli­mat zu machen oder die aus diesen Substanzen Oj) und Fett (sect;(S) bestehenden Salben anzuwenden, besonders bei theuren Pferden, weil durch diese scharfen Substanzen leicht haarlose Stellen und selbst häss-Hche Narben entstehen. Man bestreicht die Haut auf dem Ueberbeiu, allenfalls nachdem die Haare vorher abgeschoren sind, jeden 6ten oder 8tcn Tag wiederholt mit der Kantharidensalbe, bis die Lahmheit ver­schwunden, oder das Ueberboin selbst bedenieiid verkleinert ist. — Man legt auch sehr zweckmässig das sogenannte scharfe Pflaster (Seite 48) im frisch geschmolzenen flüssigen Zustande in der Dicke eines Messerrückens auf die Haut an dein Ueberbeiu und drückt eine Schicht kurz geschnittenes Werg auf die äussere Flüche des Pflasters, um demselben mehr Haltung zu geben. Das Clüheiscn wendet man auf kleine Ueberbcinc in einem Punkte, auf grössere mit mehreren Punkten oder mit 1 — 3 Strichen an, wobei man jede Stelle mit leiser Berührung so oft wiederholt, bis Ansschwilzung an allen Punkten ent­standen ist. — Ist das Ueberbeiu wenig oder gar nicht schmerzhaft, so kann man auch durch täglich wicdcrliolte Reibungen desselben mit einem harten, aber glatten Körper, oder durch festes Aufbinden einer Bleiplatte oder eines äliulidien harten Körpers eine verstärkte Resorp­tion und hierdurch die Zerthellung des Auswuchses zu bewirken suchen. Eine vorzüglich wirksame Behandlung allei', besonders aber sehr schmerz­hafter Uebcrbeine und solcher, welche nahe am Fusswurzclgelenk liegen, ist noch vermittelst des von S e we 11 empfohleneu Beinhaul-schnittes (Periostotomie).
Diese Operation besieht darin, dass man an dem hierzu niedergelegten Pferde die Haare an und unter dem Ueberbeiu abscheert, am untern Ende des Ueberbeins einen etwa 4 — 5 Linien langen Schnitt durch die Haut bis auf die Beinhaut macht, die sehnige Ausbreitung von der letzteren mit­telst einer Hoblsondc oder schmalen Haarscilnadel von dem Ueberbeiu trennt, dann ein für diesen Zweck von Scwell angegebenes, convexes Knopfbistouri (Pcriostolom) in die Höhle einführt und die Beinhaut auf der Mittellinie des Ueberbeins in der Läugenrichtung des Knochens bis auf den letztern durchschneidet. Ob dieses vollständig geschehen sei, davon überzeugt man sich durch eine in die Beinhautwunde ge­führte Sonde, und trennt hierauf die etwa noch unzersehnittenen Stel­len nachträglich vollständig durch. Hierauf schiebt man mittelst der Sonde eine etwa 2 — 3 Linien dicke Wiecke von Werg oder Charpie in den Kanal, lässt das Thier aufstehen und wartet das Eintreten der Eiterung ab, wo dann die Wiecke entfernt wird und die Heilung bei blosscr Reinigung erfolgt. Oder man macht, nachdem die Beinhaut ge­spalten , über dem Ucberbein eine zweite kleine Hautwunde und zieht ein dünnes Band durch beide Oeffnungen, bestreicht es mit Digestivsalbe, iässt es acht Tage liegen und behandelt es wie ein Haarseil. Durch das Spalten der Beinhaut wird die übennässige Spannung derselben augenblicklich gehoben, hierdurch der Schmerz sehr vermindert und die fernere Ernährung des Ueberbeins gestört, so dass hiernach nicht nur die Lahmheit sieh bald verliert, sondern auch das Ueberbeiu nach und nach verkleinert wird.
Sehr grosse und gestielte Uebcrbeine kann mau auch hier auf
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Schale.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;208
dieselbe Weise, wie am Unterkiefer, amputiren, doch geschieht dies äussersl selten, weil man zuweilen weit üblere Folgen als dort, uaineut-lich verjaucbcude Eiterung und langwierige Lahmheit davon sieht.
II. Die Schale, der Leisl und das Ringbein. (Franz. Forme.)
Mit den vorstehenden Namen bezeichnet man Knochenauswüchse und Wucherungen der Kuochenmasse an dem Kronenbein und am Fes-selbeiu, nameullich an dem untern Ende des letztern. Diese Auswüchse finden sich bei allen und jungen Pferden, besonders bei den letzteren und am meisten bei Pferden von gemeiner Rat-c; doch sind auch edle Pferde von ihnen nicht ausgenommen. Die Auswüchse kommen bald nur an einem Fusse, bald an mehreren zugleich und häufiger an den Hinterfüssen als au den vorderen vor. Häufig erscheinen sic blos als ein einzelner Auswuchs (Leist genannt), ganz ähnlich einem Ueber-bein am Schienbein, und sind bald mit einer scharfen Spilzc, bald mit einem Knöpfchen versehen; in anderen Fällen bilden sie eine ringför­mige Erhöhung in der Mitle der vordem Fläche des Fesseis von einem Seitenrande bis zum andern und heissen dann Ringbeine; und in noch anderen Fällen breitet sich die ringförmige Erhöhung mehr breit nach unten bis über das Kronengelenk aus und treibt die Krone mehr oder weniger stark in die Höhe, oder entgegengesetzt der Auswuchs beginnt vom Kronenbein und steigt nach aufwärts über das Fesselkronengelenk, so dass er diese ïhelle wie eine Schale oder Rinde bedeckt, — daher der Name Schale.
Die Erkennung dieser Auswüchse ist, wenn dieselben vollkommen ausgebildet sind, ziemlich leicht, besonders bei Pferden im ausgewachse­nen Zustande und bei trockenen mageren Füssen. Man findet dann an einer oder der andern Stelle am Fesselbein, besonders an dein scharfen Rande, der die Seiten von der hintern Fläche scheidet, oder an der vordem Fläche des Fesselbeins, oder auch au der Krone ungleiche Erhöhungen von verschiedener Ausdehnung, aber mit dem Knochen in fester Verbindung, dabei knocheuharl und die Haut auf der Erhöhung verschiebbar. Zuweilen ist auch vermehrte Wärme, beim gelinden Druck Schmerz und Lahmheit zugegen. Die letztere trägt keinen be­sondern Charakter an sich und ist daher mehr durch den negativen Befund hinsichllich des Mangels anderer pathologischer Zustände, welche sonst Lahmheiten bedingen können, als von diesen Auswüchsen entste­hend zu betrachten. Ist jedoch die Entvvickeluug der Auswüchse noch nicht vollendet, sind die Thiere jung oder haben sie dicke, aufgelockerte Haut, ödematösc oder andere Anschwellungen an den Füssen, so ist die Erkennung der Schale, des Ringbeins oder des Leists sehr schwer; man kann dann nur eine an den Knochen hin und wieder vorkommende Verdickung der Beinhaut oder eine Auflockerung eines Knochens selbst, dabei wohl auch Schmerz beim Druck und Lahmgehen finden, aber daraus noch nicht mit völliger Sicherheit das Entstehen der Schale diagnostiziren.
Die Ursachen dieser Auswüchse sind weit seltener als bei den Ueberbeinen am Schienbein in mechanischen Verletzungen zu suchen, doch tragen diese in einzelnen Fällen, besonders bei ausgowachseneo
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204nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Schale. Behandlung.
Pferden, zu ihrer Entstehung mit bei, wie namentlich unvollständige Verrenkungen, Hnfschläge und dergleichen. Bei Jungen Pferden ist in den meisten Fällen eine eigenthümliche Anlage zu Knochenauswüchsen, bedingt durch zu reichliche Ernährung mit schwerem Körnerfutter, so wie durch die Gewächse auf sumpfigen und sauren Weiden zu beschul­digen. Ob hierdurch eine Dyskrasie, ähnlich den Skropheln, oder der Gicht und dergleichen entsteht? — ist nicht entschieden, aber sehr wahrscheinlich. Zuweilen ist auch akuter Rheumatismus, und in ein­zelneu Fällen tief gehende Mauke die Veranlassung zum Entstehen des Uebels.
Die Prognosis ist bei der Schale im Ganzen weniger günstig, als bei Ueberbeineu am Schienbein, da sie, und auch die einzelnen Aus­wüchse, weit mehr Lahmheit veranlassen und unterhalten und selbst durch die dem Thierarzt zu Gebot stehenden Mittel schwerer zu besei­tigen sind als jene Ueberbeine. Dies gilt besonders von solchen Aus­wüchsen, welche sich au oder unter der Krone befinden, indem diesel­ben der Einwirkung kräftiger Heilmittel entzogen sind. Je mehr aus­gebreitet die Auswüchse erscheinen, und je mehr sie das Gelenk be­decken, um desto übler sind sie zu beurtheilen. Im letztern Falle erfolgt häufig Verwachsung des Fesselbeins mit dem Kronenbein, wonach zwar häufig das schmerzhafte Hinken aufhört, allein der Fuss steif bleibt und daher die Bewegung doch nicht regelmässig wird.
Die Behandlung der noch in der Entwickelung begriffenen und mit Entzündung begleiteten Schale und Ringbeine geschieht durch anhaltende Fussbädcr von kaltem Wasser oder Bleiwasser, und hiernach durch Einreiben der grauen Merkurialsalbe; ist aber der Zustand ohne Ent­zündung, so fruchtet nur die Kantharideiisalbe oder das glühende Eisen. Die Salbe muss in der Regel mehrmals in Zwischenzeiten von etwa 6 oder 8 Tagen wiederholt werden und man hat bei ihrer Anwendung die Haut unmittelbar am Saume etwa einen halben Zoll breit vorher mit Gerat oder mit Fett zu bestreichen. Auch bei der Anwendung des Glüheisens muss dieser Theil der Haut gänzlich verschont werden, weil sonst sehr leicht Abtrennung des Saumes und tiefer gehende Ul-ceration erfolgt. Uebrigcns kann man ganz glcichmässig entweder Punkte oder senkrechte Striche, einen vom andern einen halben Zoll entfernt, auf der kranken Fläche brennen, und zwar mit einem nur rothglüheud erhitzten Eisen und mit der Vorsicht, dass man jede Slelle in einzelnen Momenten so oft wiederholt berührt, bis Ausschwitzting eiuer serösen Flüssigkeit au den gebrannten Stellen stattfindet.
Bleiben die genannten Mittel fruchtlos, haben die Auswüchse eine ungewöhnliche Grosse erreicht, oder leidet selbst das Fesselkronengelenk mit, so kann man gegen die fortdauernde Lahmheit noch den Nerven-schuitt in Anwendung bringen, um durch denselben die Leitung der schmerzhaften Empfindung zu dem Sensorium zu unterbrechen. In vielen Fällen solcher, sonst völlig unheilbaren Knochenausvvüchse hat die Operation ganz vortrcllliche Dienste geleistet. Dieselbe kann an dem Schienbein, über dem Fesselgelenk oder unter demselben unternonimen werden, je nachdem man die Aufhebung der Empfindlichkeit am ganzen Fussc, oder nur an einer Seite desselben bewirken will. Ersteres ist nöthig, wenn die Knochenauswüchse rund ura den Fessel oder um die
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Hufgelenhslahmheit, chronische.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 205
Krone herum verbreitet sind, während das Durchschneideu nur eines Zweiges des Miltelnerven au oder unter dem Fesselgelcnk genügt, wenn nur eine Seite des Fesselbeius oder der Krone durch die Auswüchse leidet. Das Thier muss zur Operation niedergelegt werden, und zwar so, dass die zur Operation bestimmte Stelle am Schienbein oder am Fcssclgelenk oder am Fesselbein nach oben zu liegen kommt; der Fuss wird entwe­der entsprechend auf die übrigen Füssc lestgebuuden, oder mittelst eines sogenaimlen Spaunstocks über die übrigen auf einen Punkt zusammen­gezogenen Füsse hervorgestreckt gehallen. Man scheert dann an der Operationsstelle auf einer Fläche von circa 2 Quadratzoll gross die Haare rein ab und enifemt sie, macht dann auf dem Nerveu einen circa 1 Zoll langen Hautscbuitt, nimmt das den Nerveu etwa bedeckende Zellgewebe von demselben mittelst Messer und Pinzette rein weg, führt nun unter den Nerveu eiue llohisonde quer durch und durchschneidet mittelst eines schmalen Bistouris, in der Rinne der Hohlsonde geleilet, den Nerven. Hierauf präparirt mau das untere Ende desselben gegen 4 — 6 Linien lang von den umgebenden 'fheilen ab und schneidet es dann vollständig heraus. Die Wunde wird mit etwas lockern Werg bedeckt und der Theil mit einer Cirkelbimle umgeben. Bei der nach 2 Tagen eintretenden Eiterung löst man diesen ersten Verband, reinigt die Wunde und fährt mit dieser Behandlung bis zur erfolgten Hei­lung fort. (S. Chirurg. Anat. u. s. w. v. Gurlt und Hertwig S. 194).
III. Die llut'gelenks- und chronische Hufgelenks-Lahmheit, oder Strahlbeinslahmheit, Strahlbeinslühmc.
Unter dem Namen: chronische Hufgelenkslahmheil, Huf-gelenkslähme versteht man eine dem Pferde eigenthümlichc, in Ent­zündung und weiterer Entartung des Hufgelenks und der an der untern und hintern Seite dieses {ielenks beflndlichen Theile, des Sirahlbeins, des hier liegenden Schleimbeulcls und der Hufbeinbeugesehne begrün­dete Lahmheit. Wegen des beständigen und in den meisten Fällen hauptsächlichen Mitleideus des Strahlbeius oder schiffformigen Beins be­zeichnen die englischen und französischen Thierärzle das Leiden als die Krankheit des schiffformigen Beins, Navicular-disease, Navicular lameness, Maladie navicnlaire; Brauell1) nennt es, da dass Slrahlbein gleichsam eine Rolle für die Ilufbeinsbeugesehne ist, chronische Fuss-rollenentzündung (Podolrochilitis chronica), und Percivall 2) hat es ebenfalls zur Bezeichnung des entzündlichen Leidens des Strahlbeiu-gelenks Navicularthritis genannt.
Dieser krankhalle Zustand des schiHfürmigen Beins ist zwar ein­zelnen Thierärzten schon in früherer Zeit zum Theil bekannt gewesen 3), allein die wirkliche Kenntniss des Uebels und namentlich der hieraus entstehenden chronischen und eigenthümliehen Lahmheit haben wir seil
') Magazin f. d. ges. Thierheilk. v. Gurlt u. Hertwig, Jahrg. 1845. S. 1.
raquo;) The Veterinarian, Vol. XX., p. 121.
•) Z. B. Bridges, in seiner Schrift ,,No Foot no Horsequot;. Lond. 17amp;2. — Gibson, Treatise on the diseases of horse. Lond. 1751, Vol. 11., p. 372. — Lafosse, Dictionnaire d'Hippiatrique, Vol.11., p. 226 und Cours d'Hippiatrique.
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1816 erst durch James Turner *) erhaUen, worauf Sewell 2), Goodwine 3), Renner*), Braueil, W. Percivali u. A. den Ge­genstand weiter bearbeiteten.
Sämmtliche Schriftsteller haben bis auf Renner das Leiden in dem ganzen Ilufstrahlbeinsgelenk für einerlei gebalten, obgleich sie wussten, dass der Anfang an verschiedenen Punkten desselben gesche­hen kann; aber Renner unterscheidet (a. a. 0.) ausdrücklich a. die eigentliche oder vordere Hufgelenkslahniheit und — b. die Strahlbeins- oder hintere Hufgelenkslahniheit.
a. Die erstere ist eine durch Verstauchung hervorgebrachte Ent­zündung des Kronenbciuhufgoleuks, welche an den Vorderfüssen selten, an den Hinterfüssen häufiger vorkommt, weil in dieser die steilere Rich­tung der kürzeren, stärkeren Hinterfessel die Stauchung des Kronbeins nach vorn auf das Huibeiu bei Fehltritten begünstiget. Die Krankheit äussert sieh dadurch, dass das Pferd nicht ordentlich durchtritt, mehr die Zehe gebraucht, ja im veralteten Zustande nur allein mit ihr auf­tritt; dabei ist an der Krone, oft auch am ganzen Hufe etwas crhöhele Wärme bemerklich; Druck mit der Untcrsuchungszauge auf die dünn geschnittene Sohle erzeugt Schmerz, aber an den Wänden nicht. Spä­ter zeigen sich in manchen Fällen Knochenauftreibungen an der Krone, die am Gelenkrande des Kronbeins oder auch an der Anhcftungsstelle der Hufbeinsbeugesehnc ihren Ursprung nehmen. In diesem Zustande gehen die Pferde zuweilen im Anfange schlechter als wenn sie erst or­dentlich im Gange sind.
Veranlassung zum Entstehen dieser Lahmheit geben Fehltrille, be­sonders wenn dabei die Trachten höher zu sieben kommen als die Zehe, da hierbei die ganze Last nach vorn fällt und gleichsam gegen den vordem Theil des Hufgelcnks geschoben wird. Dabei kann zugleich die Fleiscbsohle gequetscht, oder selbst das Kronbein oder das Hufbein zerbrochen werden, und, indem das Pferd sich im nächsten Moment bemüht, schnell und mit Kraft eine entgegengesetzle Stellung einzuneh­men ? — selbst eine Zerrung der ßeugeselme und Quetschung des Strahlbeins erfolgen, somit eine Komplikation mit Slrahlbeinslahmheit entstehen.
Der Ausgang kann, wenn die Verstauchung einfach besteht, bei Ruhe und zweckmässiger Behandlung die Zertheilung, sonst aber Ab-glältung der Gelenkflächen oder auch Verwachsung derselben (Slelzfuss) oder Auftreibung der Knochen sein. Im ersteren Falle verliert sich die
Paris 1772, p. 167 u. 234 mit Abbild. (Auch die deutsche Ucbersetzung des letzteren Werkes, von Knobloch. Prag 1797.) — iMoorcroft im Veterinarian, Vol. XIX., p. 449.
') In einer kurzen Abhandlung, welche er der Thierarzneischule in London übergab und später im Bande XX. des Veterinarian Seite 125 veröffentlicht wor­den ist.
,) In seinen Vorlesungen.
raquo;
#9632;]
The Veterinarian, Vol. III., p. 145.
Abhandlungen für Pferdeliebhaber und Thierärzte. Mit 1 Steindruck-
tafel
. Weimar 1844, S. 267 u. f.; — und Veterinär-Atlas, Heft 1. Wei-
mar 1828.
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Hufgelenkslahmlieit, chronische.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;207
Lahmlieil bald, bei den letaleren Aiisgjingeu aber gewöhnlich nie mehr gänzlich.
Die Behandlung beslehl iu strenger Kulie bei magerem Futter, und in der Anwendung zuerst der anliphlogistischen, später der ableitenden Mittel.
b. Die Slralilbeinslahmheit besteht in einer plötzlichen Aus­dehnung oder (Quetschung oder Enlisündung der Hufbcinbeugcsehne an ihrem untersten Ende, in Quetschung oder Entzündung der untersten Fläche des Strahlbeins und des hier liegenden Sehnenscheidenbeutels, wozu in späterer Zeit eine winddornartige Anftreibung des Strahlbeins und oft auch krankhafte Knochenbildung in der Sehne u. s. vv. kommt.
Das Uebel entsteht fast nur an den Vorderfüssen, und zwar bald nur au einem, bald au beiden, und in letzterem Falle entweder zugleich oder nach einander; es kommt auch hauptsächlich nur bei Reitpfer­den vor.
Dasselbe ist in den meisten Fällen im Anfange schwer zu erken­nen, weil gewöhnlich der pathologische Zustand iu der Sehne und im Strahlbein zuerst nur in einem geringen Grade ausgebildet ist und dess-halb auch die Symptome nur sehr geliud hervortreten; doch giebt es ausnahmsweise auch solche Fälle, wo z. B. nach der heftigen Einwir­kung der Ursachen bei sehr reizbaren Pferden das Uebel mit mehr akuten. Zufällen auflreten kann. Es kommt aber im Ganzen nur selten vor, dass ein Pferd nach einem Sprunge, nach einem heiligen Auftreten auf hartem, unebenem Boden plötzlich so stark lahmt, als ob es sich einen Nagel eingetreten oder sich die Ballen gequetscht hätle; die Tliierc stehen dann mehr auf der Zehe, treten mit den Ballen nicht fest auf, richten auch wohl das Fesselbeiu mit dem Kronengelenk nach vorn, heben aber beim Gehen die Gliedmasse gehörig auf; dabei ist der Huf unverändert, bei dem Drücken besonders der Ballen nicht schmerzhaft, und die Fesselartcricn pulsireu nicht stärker als an einem gesunden Fusse '); nui' dann findet sich ein stärkeres Pulsiren dieser Arterien, wenn ausser dem Gelenk noch andere Theile, z. B. bei einem Nageltritt der Fleischstrahl u. s. w. verletzt und leidend sind, oder wenn das Pferd eben kurz vor der Untersuchung in Bewegung war. — Die be­zeichneten Zufälle dauern einige Zeit, verlieren sich dann, kehren aber nach Anstreugungen leicht wieder. Gewöhnlich ist aber der eigentlich erste Anfall des Uebels so gelind, dass er mehrentheils übersehen wird; denn man bemerkt nur, dass die Pferde beim Traben auf hartem Boden bald mehr bald weniger hinken oder auch nur blöde gehen, oder dass sie auch beim Stillstehen im Stalle! mit dem afiizirten Fuss eine andere Stellung annehmen, nämlich in der Art, dass der gesunde Schenkel perpendikulär auf dem Boden fest aufgesetzt ist und der kranke Schen-
l) Ueber das stärkere Pulsiren der Fesselarterien sind die Beobachtungen sehr verschieden; z. B. Hausmann (Ueber Entzündung, Seite 8) sagt: „Die­ser Mangel der Pulsation hei Schale und Hufgelenkslahmheit ist so konstant, dass er dem Thierarzt zum diagnostischen Kennzeichen dient,quot; und nach J. Turner ist aber das Pulsiren dieser Arterien ein wichtigeres Merkmal, als die erhöhte Wärme (The Veterinarian, Vol. III. p, 34.) Ich habe in beiderlei Hinsicht Beobachtungen gemacht.
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kei mehr vorwärts gestellt und mil mehr erschlafften Muskeln zwischen Beugung und Streckung gehalten wird; oft wechseln auch die Thiere mit dieser Stellung, setzten dabei aber den kranken Fuss stets vorsich­tig auf den Hoden und vermeiden ein festes Auftreten. Beim Gellen des Thieres im Schritt oder Trabe bemerkt man ebenfalls, dass die Ballen und Trachten beim Auftreten geschont, das Knie- und Fesselge­lenk nicht gehörig angestrengt werden. Bei der Untersuchung des Fusses selbst findet sich in dieser Periode keine vermehrte Warme. Weiterhin zeigen die Thiere beim Gehen im Anfange eine gewisse Spannung oder Gebundenheit in den sämintlichen Muskeln der Glied­masse, so dass man sie wohl für rheumatisch affizirt halten könnte; allein das vorsichtige und unvollständige Niedertreten mit den Ballen, den Trachten und dem Strahl spricht sich noch mehr aus, als zuerst angegeben, dabei stolpern die Thiere leicht und ermüden selbst nach kleinen Anstrengungen. Lässt mau das Thier nach einer kleinen Be­wegung anhalten, so stellt es den Schenkel ganz lax mit gebogenem Knie und mit steilem Fessel vorwärts auf die Zehe, zittert mit demsel­ben und zieht ihn von Zeit zu Zeit zurück, um ihn bald uachher wie­der vorzustrecken. Gönnt man dem Thiere eine längere Ruhe von 1—2 Wochen, so vermindert sich die Lahmheit bis auf undeutliche Spuren, sie kehrt aber nach einiger Zeit wieder und unter diesem Wechsel von Zu- und Abnahme kann eine Zeit von mehr als einem Jahre veriliessen, bis der Huf sich iu seiner äussern Beschaffenheit ver­ändert und dann auch gewöhnlich das Uebel gleichmässig dauernd wird; doch erreichen die Entzündungssymptome niemals die Höhe, wie bei der Entzündung der Fleischtheile oder bei der sogenannten Rhehe. — In einzelnen Fällen iindet man beide Vorderfüsse zugleich mit dem Uebel behaftet, und der Gang des Pferdes leidet dann noch weit mehr, jedoch sind die Erscheinungen abwechselnd an dem einen und dem andern Fussc die nämlichen, wie im quot;Vorstehenden angedeutet.
An dem Hufe findet sich, wie bereits erwähnt, während einiger Zeit in der Regel keine erhöhte Temperatur und erst lange nachher, nach vielen Monaten, oft erst nach Jahresfrist bemerkt man zuweilen an der Krone eine geringe, mit erhöhter Empfindlichkeit und Tempe­ratur begleitete Anschwellung. Der Huf wird allmälig kleiner und zieht sich besonders au den Seitenwäudeu mehr zusammen, besonders an der innern; zuweilen entstellen auch kleine ringförmige Erhöhungen an der Wand, und darüber oder darunter kleine Furchen. Beim Zusammen­drücken des aufgehobenen Fusses giebt das Pferd etwas Schmerz zu erkennen, wenn der Druck vom Strahl gegen das Hufbein zu, oder im Verlaufe der Bcugesehue stattfindet. In Gemeinschaft mit diesen krank­haften Veränderungen tritt zuletzt auch eine massige Abmagerung der Schullcrmuskcln ein
Die Diagnose der chronischen llufgelenkslahmheit ist nach den angeführten Erscheinungen oft und besonders im Anfange des Leidens sehr schwierig. Um einigermassea sicherer zu Werke zu gehen, ist folgendes von Branell vorgeschlagene Verfahren zu benutzen: „Hat man Grund, aus der beobachtetca Stellung des Schenkels im Stalle, aus der eigenthümlichen Bewegung in den verschiedenen Gangarten, aus etwa vorhandenen örtlichen Symptomen, so wie auch aus ander-
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Hufgelenkslahmheit, chronische.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 209
weitigen negativen Keunzeichcn und aus dem auamnestischen Berichte zu sehliesseii, dass man es mit Fussiolleueutzündung zu thun habe, so lasse man, wenu das Pferd beschlagen ist, von dem leidenden Fasse das Eisen abnehmen und den Huf auswirken, die Sohle und den Strahl so viel wie möglich niederschneiden und, nachdem man sich durch nochmalige genaue Untersuchung des Hufes mittelst der Zange Cewiss-heit darüber verschafft hat, dass Fleischwand, Fleischsolde und Slrahl unsclnnerzhaft sind, so lasse man einen anhaltenden Druck auf den Slrahl wirken und bcobachlc, ob bei diesem fortdauernden Druck die Lahmheit zunimmt oder nicht. Um einen solchen anhaltenden Druck auf den Strahl zu bewirken, schlage man auf den kranken Fuss ein in seinen Stollenden geschlossenes Hufeisen, welches so aufgerichtet weiden muss, dass der Querarm desselben auf den Strahlpfcileru aufliege und hier einen Druck ausüben könne. Der Querarm mass in seiner Mitte mit einem Stück angenielelen Filz versehen sein und nach vorn, nach der Spitze des Strahls zu, in einen Schnabel auslaufen, dessen Spitze gegen die Vereinigungsstcllen der Slrahlschcnkel gelichtet ist. Die Lähme pflegt in Folge dieses anhaltenden Druckes, wenn Fussrollen-entzündung zugegen ist, zuzunehmen; man erwarte aber nicht, dass diese Folge immer sogleich eintrete; es geschieht oft erst im Verlaufe einiger Zeit, was darin seinen Grund hat, dass die hornigen Theile nicht immer gleich so weit nachgeben, als es noting ist, um den Druck höher hinauf fortzupflanzen. Man lasse daher das Pferd mehrere Tage lang mit dem angegebenen Eisen gehen und beobachte es wo möglich täg­lich, um auch den kleinsten Unterschied, der sich in der Bewegung des affizirten Schenkels zeigt, zu entdecken. Während dieser Zeit kann man, um doch etwas zu thun und Zeit zu gewinnen, Umschläge von Lehmbrei anwenden, welche in jedem Falle, es möge nun Fussrollen-entzünduug zugegen sein oder nicht, Nutzen schaflen. Anstalt des eben besprochenen geschlossenen Eisens kann man sich in gleicher Absicht auch eiuer Zange von der Form eines Papageieuschnabels bedienen, deren einer vorderer Arm Ä nicht wie bei der gewöhnlichen Visitir-zange in einem Bogen gegen den andern, sondern in einer geringen Biegung von demselben abwärts gerichtet, nicht rund ist, sondern eine Breite von einem halben Zoll besitzt, und kürzer scia muss, als bei der gewöhnlichen Visilirzange, während der andere vordere Ann B, ent­sprechend der obern Hälfte des Papageienschnabels und daher in einer massigen Biegung gegen den andern Ä gerichtet, noch ein halbmal so lang wie bei der gewöhnlichen Visilirzange und in demselben Verhältniss stärker sein, an seinem Ende aber eine einen halben Zoll breite und eben so lange ebene Fläche haben muss. Die hiulern Arme, nämlich diejenigen, welche den Druck der Hand aufnehmen, müssen länger als 1nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; bei der gewöhnlichen Visilirzange, stärker und gut gehärtet sein. Diese
'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Zange setzt mau nun so an, dass der Arm A seinen Slülzpunkt auf
\nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; der Zchenwand iindet, während der andere B mit seiner Endfläche auf
der Stelle angesetzt wird, wo sich die Sirahlschenkel vereinigen, und nun wird, während man dafür sorgt, dass der Schenkel im Fesselgelcnk nicht gebeugt wird, ein ziemlich starker, anhaltender Druck, welcher nach und nach zunehmen muss, auf die hinteren Schenkel der Zange ausgeübt, wobei das fussrolleulahuie Pferd Schmerz zu erkennen geben
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210nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Uufgelenkslahmbeit, chronische.
wird. Zuweilen ereignet es sich aber, dass dies nicht geschieht, obgleich Fussrolleiieulzi'mdung zugegen ist, was dann der Fall zu 'sein pflegt, wenn eine zu harte llornsohle, ein harter, zusannneugezwängter Strahl dem Druck der Zange nicht erlauben, bis zur afflzirten Stelle hinzu­wirken, ein Umstand, welcher jenem Eisen den Vorzug vor dieser Zange giebt.quot;
In der lelzlcn, mehr entwickelten Periode der Krankheit ist die oft aufTallende Verkleinerung des Hufes neben den übrigen Merkmalen für die Diagnosis der in Rede stehenden Krankheit sehr entscheidend, für sich allein aber ohne besondern VVerlh, da es auch Fälle giebt, wo ein Huf von Natur kleiner ist, als es die übrigen sind. In der ersten Periode der Krankheit fehlt nalürlich dieses Merkmal gänzlich. Um die abweichende Grosse des verdächtigen Hufes sicher kennen zu lernen, kann man mittelst eines um die Krone, und einen Zoll unter der Krone um die Wand angclcglcn Bandes messen, oder auch hierzu den von Stick er empfohlenen Pedometer benutzen, indem man dieselben Mes­sungen auch au dem gegenüberstehenden Fuss, genau an den nämlichen Stellen, unternimmt.
Die Ursachen der chronischen Hufgelenkslahmheit, sind a. in vielen Fällen eine Anlage zu dem Uebel, welche oft in zu grosser Härte, Trockenheit und Mangel au Elaslizilät des Hufes beruhet und dadurch entsteht, dass die Pferde oft in zu langer Buhe auf trockner Streu im Stalle stehen; in andern Fällen auch darin, dass die Sohle und der Strahl zu stark ausgeschnitten und die Eckstieben durchgesehnilten werden, so dass die llufwände sich zusammenziehen und auf die Aeste des Hui'beins drücken, während der Slrahl von unten und die Beuge-sehnc bei dem Niedertreten keine Unterstätzung linden und daher ruck­weis Prellungen der Seime gegen das Strahlbein cnlstehen. Pferde mit hohen Wänden und mit Zwanghuf haben desshalb eine Mehranlage zu diesem Uebel als andere, b. Gelegenheitsursachen können alle diejenigen Umstände werden, durch welche die auf das Sirahlbein fallende Last abnorm vergrössert, die Friktion des Strahlbeins und der Beugesehne auf einander, oder der Druck der Sohle von unten übermässig verstärkt wird, z. B. heftige Anstrengungen, besonders unter dem Reiter, Sprünge über Gräben, Hecken und dergleichen, plötzliches Pariren aus schnellem Lauf, Traben auf unebenem, hartem Boden, besonders auf neu aufge­schütteten Chausseen, gefrornem, holperigem Wege; Fehltritte, bei denen nur die Zehenwand einen Stülzpunkt findet, und die Trachten sich zu tief senken müssen und dergleichen. Grobe mechanische Verletzungen des Strahls, namentlich das Eintrelcn von Nägeln, können auch Veran­lassung zu dem Uebel geben. In manchen Fällen scheinen auch innere krankhafte Zustände, wie Rheumatismus, Druse und dergleichen durch Metastasen eine Veranlassung gegeben zu haben.
Die Prognosis ist bei diesem Uebel im Ganzen wenig günstig zu machen, weil die meisten Patienten dem Thierarzt erst in der spätem Periode der Krankheit zugeführt werden, wo bereits organische Verän­derungen im Hufe entstanden sind, namentlich Auflockerung des Sirahl­beins, Ausschwilzungen von Knochcusubstanz und Exostoscnbildiing am Strahlbein, am Schleimbeutel, oder an der Beiigcsehne, Absorption der Gelenkknorpel oder selbst A'ervvachsung des Hufgelenks. Die Erfahrung
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Hufgelenkslalnnheit, chronische. Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 211
zeigt, dass unter diesen Umstäadeu eine radikale Heilung gevvölmlich iiiclit mehr, sondern nur eine Milderung des Uebels zu bewirken ist, oder dass das Uebel in bald kürzerer bald längerei' Zeil wieder Recidive macht, und dass die Lahmheit nur mit Palliativinitlelu, namentlich durch die Neuroloinie, beseitigt werden kann, wobei aber leicht andere Nach-theile für den leidenden Fuss enlstcbcu. Einigenuassea günstig ist die Prognosis, wenn die Krankheit noch neu ist und mau dalier vermuthen kann, dass man es nur mit der Entzündung selbst noch zu Ihun habe, und wenn dabei die äusseren VcrLältuisse von der Art sind, dass sie den guten Erfolg einer zweckmässigen Behandlung unterslützen, z. B. wenn das Thier für langere Zeit anhaltend in Ruhe bleiben, oder auf weichem Boden langsam licrunigehcn kann a. s. w.
Die Prognosis ist auch in denjenigen Fidlen ungünstig, wo der Huf schon von früher her sehr eng, schief oder ein sogenannter Zwanghuf ist, ferner sehr schlecht in denjenigen Fallen, wo das Uebel an beiden Vorderfüssen zugleich besteht, weil dann das Pferd die leidenden Theile nicht gehörig schonen kanu, sondern dieselben unvermeidlich in bestän­diger Anstrengung erhalten muss.
Die Behandlung ist 1) auf die Beseitigung und Abhaltung der Ur­sachen, 2) auf die Beseitigung der Entzümluug, 3) auf Erregung der Resorption der ausgeschwitzten Knochcnmalerie gerichtet, und, wo durch Erfüllung dieser Indikationen das Uebel selbst nicht gehoben werden kann, sucht man 4) seine Wirkungen und die davon abhängende Lahm­heit zu beseitigen und dadurch das Thier so lauge, wie noch möglich, brauchbar zu machen.
Zur Erfüllung der ersten Indikation gehört anbalteude Ruhe des Thieres bei massigem und leichtem Futter; zugleich nimmt man etwa noch vorhandene drückende Hufeisen ab, schneidet das übermässige Horn an der Sohle und dem Strahl weg und legt dann ein recht gut passendes, recht hohl gerichtetes, nicht zu kurzes Hufeisen mit massig hohen Stollen auf, letzteres, um das starke Durchtreten des Thieres im Fesselgelenk und die hiermit verbundene Spannung der Hufbeinsbeuge-sehne zu vermeiden. Der zweiten Indikation entsprechend macht man . bei gut genährten Thieren einen allgemeinen Aderlass und zugleich einen örtlichen an der Zehe; die gemachte OefimiDg bedeckt man mit Werg und wendet kalte Fassbäder, oder eben solche Umschläge von Lehm­brei oder Kleie mit Wasser an und begiosst dieselben wenigstens alle halbe Stunde ein Mal mit kaltem Wasser. Innerlich giebt man Laxinnittel, später Purgirniittcl, etwa alle 8 Tage ein Mal. Diese Behandlung wird 3—4 Wochen fortgesetzt. Nach dieser Zeit kann man entweder ein Haarseil unter dem leidenden Gelenk hinweg durch den Strahl ziehen, oder auch über der Krone am Fessel und an dem Ballen das Ung. Cantharidum einreiben, und letzteres nach Zwischen­zeiten von 6 —10 Tagen 2 — 3 Mal wiederholen. Bei diesen Einrei­bungen muss jedoch die Vorsicht beobachtet werden, dass die Haut am Saume etwa einen Finger breit von der scharfen Salbe frei bleibt, weil sonst Ablösung des Saumes zu fürchten ist; es ist desshalb zweckmäs-sig, diesen Theil der Haut zuerst mit einfacher Wachssalbe etwas dick zu bestreichen. Das Haarseil applizirt man mit einer hierzu von Sewell vorgeschriebenen gekrümmten und mit scharfer Spitze versehenen Haar-
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Hufgelenkslahmheit, chronische. Behandlung.
seilnadel auf folgende Weise: Man scheert unmittelbar über dem Ballen an der Stelle, wo die Beugesehncu eben hinler dieselben treten, in der Mitte die Haare kurz ab, durchschneidet dann die Haut, entweder mit oder ohne eine vorher gebildete Längcnfailc gerade in der Mitte zwi­schen den Ballen, so dass eine fast 1 Zoll lange Querwunde entsteht. Hier­auf giebt man dem Fuss im Krongelenk eine nioglichst gestreckte Stel­lung und erhält ihn in derselben mit der linken Hand, mit welcher er an der Zehe gehalten wird; mit der andern Hand führt man die Haar­seilnadel, ihre konvexe Fläche gegen die Beugesehnen gerichtet, in die Hautwände und drückt sie in der Richtung des Verlaufs der Hufbeins-beugesehne in gerader Linie vorwärts. Wenn man mit der Spitze der Nadel bis gegen die Milie des Strahls gekommen ist, erhebt man ihren Handgriff ein wenig gegen die Beugesehnen, drückt dadurch die Spilze mehr gegen die äussere Fläche des Strahls und führt sie ungefähr am vordem Drittel des letzlcrn aus demselben hervor. Das Heft der Nadel wird nun entfernt, das mit Terpenthinöl getränkte Band eingezogen, und darauf die Nadel an ihrer Spitze erfasst und vollständig aus dem Strahl gezogen, so dass das Band daselbst zum Vorschein kommt; die Enden des Bandes werden hierauf so zusammengebunden, dass zwischen dein Bande und dem Hute ein circa 2—3 Zoll breiter Kaum bleibt. Dcrllorn-rand um dieOell'nung kann noch etwas beschnitlen werden. DasBand bleibt 10—14 Tage liegen, wird täglich ein Wenig weiter bewegt und gereinigt.
Für die dritte Indikation dienen zum Tbcil die eben genannten Mittel, ausserdem aber kann man nach Entfernung des Haarseils noch die graue Merkurialsalbc, oder Jodsalbe, oder grüne Seife mit Kali car-bonicum versetzt täglich 2 Mal über der Krone an den Ballen und am Fessel einreiben und Fussbäder von Kali carbonicum, bei den Pferden armer Leute von blosser Aschenlaugc machen und damit durch 3 bis 4 Wochen lang fortfahren.
Die Palliativbehandlung der chronischen Huigelenkslahmheit besieht hauptsächlich in der von S e well hierzu empfohlenen Neurotomie an den Fesselnerven, von denen man die hinteren Zweige unter dem Fes­selgelenk durch- und etwa ein 4 Linien langes Stückchen von dem untern Ende selbst herausschneidet. Es verschwindet hiernach für das Thier der Schmerz von den gereizten Stellen aus, indem die Fortleitung
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der Reizung an der verletzten Nervenstelle unterbrochen ist; allein nach einiger Zeit, zuweilen erst nach einem Jahre kehrt die Empfindlichkeit allmälig theilweis wieder und mit ihr auch die Lahmheit. Da durch die Operation überhaupt die Empfindlichkeit in dem hintern Theile des Hufes verloren geht, so fühlt das Thier auch zufällige Verletzungen, z. B. das Eintreten eines Nagels in den Huf nicht, weshalb bei solchen Verletzungen zuweilen durch die Eiterung bedeutende Zerstörungen er­folgen, ohne dass das Thier dies durch bestimmte Merkmale kund giebt. Ausserdem treten so operirte Pferde wegen Mangel des Gefühls ge­wöhnlich zu ungeschickt und hart auf und ziehen sich dadurch zuwei­len Brüche des Hufbeins zu. Dieser üblen Folgen wegen unternimmt man die Neurotomie bei dem in Rede stehenden Uebel nicht gern, so lange noch von den entzündungswidrigen Mitteln etwas zu hoffen ist; sie bleibt jedoch in manchen Fällen das einzige Mittel, um Pferde noch für einige Zeit brauchbar zu erhalten. Nach ihrer Anwendung ist es
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Spat.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 213
immer noch zweckmässig, den Huf, wie oben angegeben, fortgesetzt mit kühlenden und erweichenden Mitteln zu behandeln und das Thier nur auf weicheiu Boden arbeiten zu lassen.
IV. Der Spat oder Späth. Spavanus. (Französisch Esparvin.)
Als Spat bezeichnet man jeden Knochenauswuchs an der innern Seite des Sprunggelenks der Pferde. Solche Auswüchse kommen sehr häufig -vor, mchrentheils nur an einem Hinterfusse, oft aber auch an beiden. Sie betreffen am häufigsten zuerst das grosse und kleine schiff-förmige Bein, erstrecken sich aber sehr häufig nach allen Richtungen weiter, so dass nach unten gewöhnlich das obere Ende des Schienbeins, nach hinten auch oft der Kopf des Griffclbeins und nach vorn der vor­dere Rand der erst genannten Knochen davon ergriffen wird; zuweilen setzt sich das Uebel auch bis auf das Rolibcin u. s. w. fort. Die Aus­wüchse können auch sogar an anderen Stellen stärker entwickelt wer­den, als an den schifffönnigen Beinen. Mit diesen Auswüchsen entsteht auch zugleich, oder doch nach einiger Zeit eine Verwachsung der be­treffenden Knochen au ihren Geleukflächen, und sowohl hierdurch, so wie durch den Druck, welchen die Exostosen auf die mit ihnen in Be­rührung kommenden Bänder und Sehnen ausüben, und hauptsächlich durch den mit der ursprünglich vorhandenen Knocheneutzündung ver­bundenen Schmerz lahmen die mit dem Spat behafteten Pferde in ei-geuthüinlichcr Weise. In einzelnen, aber seltenen Fällen werden auch die Gelenknächen der Sprunggelenksknochen unter sich oder auch gegen das Schienbein zu rauh und verwachsen, ohne dass Exostosen an der Oberlläclie der Knochen hervortreten; und auch in diesen Fällen be­sieht die eigenlhiimlichc Lahmheit. Man hat den Spat, je nachdem er mit Exostosen, oder ohne dieselben auftritt, mit den Namen sichtbarer und unsichtbarer Spat bezeichnet. Auch der erstere ist in der Regel während seines Entstehens, bald kürzere bald längere Zeit, als unsicht­barer Spat zu betrachten, indem zwar während dieser Zeit die Spat­lahmheit vorhanden ist, aber die Auswüchse noch nicht wahrnehmbar sind. In diesem Unistande liegt es, dass der noch in der Entvvickelung begriffene Spat sehr häufig nicht erkannt wird. Um die Diagnosis die­ses wichtigen Gebrechens möglichst richtig zu macheu, ist es nöthig: 1) die Entzündung des Sprunggelenks, welche der Spatbildung zum Grunde liegt, 2) die Spatlahmheit und 3) die Spaterhöhungen einzeln zu betrachten.
1) Die Entzündung des Sprunggelenks besteht entweder in einer akuten Entzündung der Gelenkbänder, besonders des Kapselbandes, und der Knochen selbst, oder sie ist eine chronische Entzündung hauptsäch­lich der letzteren. Die akute Entzündung kommt nur in den selteneren Fäl­len vor, entsteht gewöhnlich durch äussere Verletzungen, welche das Sprunggelenk betreffen, wie z. B. durch Hufschläge, durch das Sitzen­bleiben mit einem Fuss auf dem Latierbaum und dergleichen und giebt sieh durch Anschwellung im Umfange des Sprunggelenks, sehr ver­mehrte Wärme, heftigen Schmerz und zuweilen selbst durch ein kon-sensnelles Fieber zu erkennen. In den allermeisten Fällen ist jedoch die Entzündung nur eine sehr geringe und chronisch verlaufende, so
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214nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Spat,
dass man nur aus der Schoming des Gelenkes bei dem Stehen und Gehen des Thieres, aus der nur etwas vermehrten Wärme und aus geringem Schmerz bei slärkerem Druck auf die innere Seite des Ge­lenkes auf das Vorhandensein der Entzündung schliesscn kann. Hat man Gelegenheit, ein solches Sprunggelenk anatomisch zu untersuchen, so findet mau beim Vergleich mit dem andern gesunden Sprunggelenk die Knochen in jenem mehr geröthet, mehr blutreich und mehr porös, die Beinhaut etwas verdickt und zwischen ihr und dem Knochen etwas gerinnbare Flüssigkeit. Diese Entzündung dauert zuweilen 1 — 5 Mo-uale, bald etwas stärker werdend, bald etwas nachlassend, bis endlich die Spatauswüchse an der iunern Fläche des Sprunggelenks fühlbar werden, wo sie dann in manchen Fällen bald verschwindet in anderen Fällen aber noch während einer unbcsliminlcu Zeit fortbesteht.
^2) Die vorhin erwähnte Stellung des leidenden Fusses ist so, dass dasïbier längere Zeil, während es im Stalle sieh!, abwechselnd oder fort­während den Huf nur auf die Zehe aufsetzt, mit der Zehenwand, auch wollig mit der Krone und dem Fcsselbein ein wenig nach vorn neigt, das Fesselgelenk und das Sprunggelenk in halber Beugung hält und die Hüfte ein wenig lierunicrsenkl, — alles, wie es scheint, um durch die Erschlaffung der Muskeln und Sehnen den gegenseitigen Druck der Knochen im Sprunggelenk und die Schmerzen zu mindern. Manche Pferde heben auch den Fuss während einiger Minuten in die Höhe. Lässt man ein solches Pferd von einer Seile zur andern herumtreten, so bemerkt man, dass dies nach dem kranken Fusse zu leicht und fast rc-gelmässig geschieht, während das Herumtreten nach der gesunden Seite zu mit einem deutlichen Zucken des leidenden Hinlerfusses geschieht. — Beim Geben im Scluilt zeigen die mit Spat behafteten Pferde sehr wenig oder gar kein Lahnigehcn; lässt man aber ein solches Tlncr im Trabe von der Stelle gerade aus laufen, so lahmt es mit dem betreffen­den Hinlerfuss während etwa 100 — 200 Schritt in der Art, dass es den Fuss mit etwas steifgehaltenem Sprunggelenk zuckend in die Höhe zieht (ähnlich wie bei dem sogenannten Hahnentritt) und dabei die Hlifle der leidenden Seite ebenfalls stärker, als es gesunde Pferde thun, bei jedem Schritt nach auf- und abwärts bewegt. Ist das Thier eine Strecke gegangen, so verliert sich in der Rcijel das Lahmgehen allmalig immer mehr und mehr, so dass es für den Niehlkenner zuwei­len gänzlich verschwindet: doch linden sich hiervon auch einzelne Aus-nahinen, namentlich wenn die Entzündung im Gelenk einigermassen hef­tig ist, wo das Lahmgehen gleichniässig fortdauert, sogar bei forlgeselz-tem Gehen noch zunimmt, oder auch selbst beim Gehen im Schritt bemerkbar wird. Ist das Lahmen nur sehr gering und nicht charakte­ristisch genug für die Diagnosis hervortretend, so kann man es auf folgende Weise mehr sichtbar machen: Man lässt den betreffenden Fuss (oder auch einen nach dem andern) entweder wie zum Beschlagen auf­heben und während 2 — 3 Minuten hallen, oder man lässt ihn mit stark gebogenem Sprunggelenk in die Höhe hallen und dann das Pferd im Trabe wegführen. Hierbei lahmt, es in der oben bezeichneten Art sehr stark, kann oft kaum mit dem lahmen Fusse den Boden erreichen, springt mehrere Schrille auf 3 Beinen n. s. w.
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Spat.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 213
3) Die Knochenauswüchse bei dem Spat sind zuweilen sehr schwer zu erkennen, weil a. das Sprunggelenk bei Pferden von verschiedenem Bau ist, selbst im gesunden Zustande bei den einzelnen Thiercn eine sehr abweichende Form besitzt, bald von dem innern Knorn des Unterschen­kelbeins bis zum Kopfe des innern Grillelbeins eine schräge, aber glatte Fläche darstellt, bald von jenem Punkte fast senkrecht heruntersteigt und dann einen mehr oder weniger dicken Absatz nach dem Schienbein zu bildet, bald auch massig abgerundet und voll erscheint, oder auch ent­gegengesetzt ausgeschnitten und hohl ist; und b. weil die Exostosen selbst in den einzelnen Fällen weder eine gleiche Grosse, noch eine überein­stimmende Forin, noch einen beslinnnlcn Sitz haben; und c. weil zu­weilen noch andere krankhafte Zustände, z. B. sogenannle Gallen, Nar­ben und Verdickungen der Haut und dergleichen zugegen sind. Kleine Exostosen, namentlich solche, die ein wenig weit nach vorn an der Beugesehne des Gelenkes ihren Silz haben, sind am allerschwcrsten zu erkennen. Um die Untersuchung liier recht genau zu machen, lässt man das Thier auf ebenem Boden, mit dem Kopf gegen das Licht ge­kehrt, so stellen, dass die innere Fläche beider Sprunggelenke gleich-massig beleuchtet ist; den Schweif bindet man entweder in die Höhe oder man lässt ihn von einem Gehülfen nach der Seite in die Höhe halten und dann streicht man an beiden Sprunggelenken die Haare gleichmässig au die Haul. Hierauf stellt man sich etwa zwTci Schritte weit gerade hinter das Pferd und betrachtet und vergleicht beide Sprung­gelenke an der Mitte der innern Fläche^ dann wechselt man den Stand­punkt, indem man sich in derselben Entfernung zuerst hinler den rech­ten und dann hinter den linken Hintcrfuss stellt und beide Sprungge­lenke in schräger Richtung an dem hinlern und vordem Ende der innern Fläche betrachtet. Hiernach unternimmt man diese Betrachtung auch von vorn, indem man sich etwa 2 Schritt von dem Kopfe ent­fernt in die Mittellinie des Thieres und dann abwechselnd vor den rechten und linken Vorderfuss stellt und beide Sprunggelenke von die­sen verschiedenen Standpunkten aus genau betrachtet und vergleicht. Die Vergleichung lässt jede an dem einen Sprunggelenk etwa vorhan­dene, sichtbare Erhöhung, welche an demselben Orte des andern Sprung­gelenkes nicht vorhanden ist, wahrnehmen. Um aber bestimmt zu er­kennen . dass eine solche Erhöhung eine Spatexostose, aber nicht eine Galle, eine verdickte Narbe oder die stark ausgedehnte Vene sei, muss man die Erhöhung noch befühlen, wobei die Exostose durch ihre Härte und durch ihren Zusammenhang mit dem Knochen sich charakterisirt. Etwa vorhandene Gallen fühlen sich elastisch weich an, sind sogar in manchen Fällen theilweis zu verdrängen, — und die über das Sprung­gelenk verlaufende Vene ist deutlich als solche durch ihren Verlauf, so wie auch dadurch zu erkennen, dass man sie durch einen starken Druck auf sie über dem Sprunggelenk zum stärkern Anschwellen, durch einen Druck unter dem Sprunggelenk aber zum Verkleinern, ja selbst zum Verschwinden bringen kann.
Bei dem sogenannten unsichtbaren Spat findet man, wie oben schon bemerkt, keine Exostosen, sondern nur die Spatlahmhcit, und zwar entweder für immer oder nur für einige Zeit. Denn in manchen Fällen entwickeln sich die Exostosen eist dann, nachdem die Pferde schon
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216nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Spat.
lange Zeit au der Lahmheit gelitten haben. In solchen Fällen hat das Uebel au den Gcleiikllächen oder selbst im Gewebe der Knochen seinen Anfang genommen.
VVo Knoclienauswiichse cutsteheu. erreichen dieselben gewöhnlich in sehr kurzer Zeit diejenige Grosse und Ausdeluiung, welche sie durch die eben vorhandene Entzündung erhalten können, und sie bleiben dann, wenn nicht neue Entzündungen eintreten, für immer in gleicher Be-schalfeiiheit, oder sie vermindern sich sogar nach längerer Zeit, jedoch nur in einem geringen Masse; wenn aber neue Entzündungen von Zeit zu Zeit enlsteheu, wie dies in Folge grosser Anslrengungeu oft der Fall ist, so vergrössern und vermehren sich die Auswüchse nicht seilen, so dass zuletzt ein grosser Theil der Sprunggelenkskuochen von ihnen be­deckt wird, oder dass die kranken Knochen mit einander verwachsen. Zu welcher Zeit und in welcher Ausdehnung dies geschieht? ist äusser-lich an keinen bestimmten Merkmalen zu erkennen. Gewöhnlich nimmt man au, dass die Verwachsung eingetreten sei, wenn die oben bezeich­nete Lahmheit nachlässt oder gänzlich verschwindet, und Haveman, und nach ihm Dieterichs u. A. glauben, auf diese Ansicht gestützt, dass durch künstliche Herbeiführung der Verwachsung die alleinige Hülfe bei diesem Uebel gebracht werden könne; allein dies ist nicht
f snügend erwiesen, da auch durch das Aufheben der schleichenden ntzundung und durch die Beseitigung oder Verminderung der scharfen Spitzen an den Auswüchsen der Schmerz beseitiget und dadurch die Lahmheit gehoben werden kann, ohne dass gerade eine Verwachsung der einzelnen Knochen dabei nothwendig erfolgen muss. Es ist über­haupt noch nicht ermittelt, in wie weit die Auflösung der dünnen Knorpelschichten auf den Gelenkflächen und das Rauhwerden der letz­tern zur Erzeugung der Lahmheit beiträgt, da ich bei vielen Sectionen in den Sprunggelenken solcher Pferde, welche niemals spatlahm gingen, die Gelcnkknorpel, besonders am Kollbcin und Untcrscheukclbein, theil-weise aufgelöst oder abgerieben und dadurch die Gelenklläche rauh ge­worden gefunden habe ').
Wenn die Spallahmheit durch einige Zeit gedauert hat, tritt an der Kruppe der leidenden Seite ein Schwinden ein, ohne Uücksicht darauf, ob Spatauswüchse vorhanden sind oder nicht. Ucberhaupt sind die Erscheinungen auch hinsichtlich der Lahmheit bei Weitem nicht immer im Verhältuiss zu der Grosse der vorhandenen Auswüchse, so dass oft bei kleinen Auswüchsen die Lahmheit sehr gross, und umge­kehrt in manchen Fällen bei grossen Exostoseu die Lahmheit nur ge­ring ist. Mehr scheint der Sitz der Auswüchse hierauf von Einlluss zu sein; denn man sieht gewöhnlich bei denjenigen Exostoseu, welche weit nach vorn gegen die Beugeseite des Sprunggelenks zu sitzen, die Lahmheit weit heftiger als in den Fällen, wo sie sich an der innern Fläche weit nach hinten zu befinden.
Die Ursachen des Spates sind sehr oft heftige Anstrengungen bei dem Ziehen schwerer Lasten, bei dem Springen, dem Galoppireu
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') Ich berufe mich hierbei auf das sachkundige Zeugniss meines Cotlegen. des Herrn Geheimrath Dr. Gurlt.
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Spat.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;217
und ähnlichen Gangarten, bei welchen die Hinterfiisse die Last des Pferdes und zugleich noch oft die des Reiters allein zu tragen haben, ferner heftige Prellungen bei dem plötzlichen Pariren, so wie starke Dehnungen der Spruuggelenksbänder bei plötzlichen und heftigen Wen-duugeu, bei dem Uebersteigeu mit eiucm Hinterfuss über die Deichsel oder über den Latierbaum und dergleichen, dann Hufschläge und ähn­liche Verletzungen des Sprunggelenkes; eben so heftige Rheumatismen, und ausscrdcin auch eine eigenlhümliche Anlage zu Krankheiten der Knochen, bedingt durch eine eigenthündiche Ernährung und Säftebildung uud oft auch durch zu lockeres Knochengewebe eines Thieres, welche auch -von den Eltern ererbt sein kann. In diesem Sinne kann mau allerdings den Spat als eine erbliche Krankheit bezeichnen, wie dies häufig geschehen ist, keinesweges aber ist die Erblichkeit in einem so­genannten schwachen Sprunggelenk begründet; denn man findet sehr häufig Pferde mit einem dünnen, schwachen, selbst ausgeschnittenen Sprunggelenk bei schwerer Arbeit bis in das hohe Alter mit spatfreiea Fassen, während entgegengesetzt eben so häufig Pferde mit starkem Knochenbau selbst bei massiger Arbeit und bei guter Behandlung den Spat, sehr leicht auf einem, ja selbst auf beiden Füssen erhalten 1).
Die Beurlheilung des Spates kann 1) hinsichtlicli der augenblickli-cheu oder der in Zukunft zu befürchtenden Störung der Dienstbrauch-barkeit uud 2) hinsichtlich der Heilbarkeit des Uebels sowohl in Betreff der Lahmheit, wie auch in BctrefT der Knochenauswüchse nöthig wer­den. Hinsichtlich der Störung der Dieustbrauchbarkeit eines Pferdes durch den Spat ist ein bestimmtes Urtheil in den meisten Fällen gar nicht oder nur dann zu geben, wenn man das Thier, seitdem es mit dem Spat behaftet ist, bei uud nach verschiedenartigen Leistungen be­obachten konnte; denn die Eriahrung zeigt, a. dass das üebcl bei manchen Pferden, bei denen es uur in einem gelinden Grade zu bemerken ist, so lange sie leichte Arbeit verrichten, sehr bedeutend zunimmt, wenn sie einmal über diesen massigen Grad hinaus angestrengt werden; b. dass es da­gegen andere Pferde giebt, welche selbst schweren Dienst durch län­gere Zeit fortgesetzt verrichten können, ohne dass die Lahmheit grosser wird; und c. dass entgegengesetzt manche Pferde, besonders in der ersten Zeit des Bestehens des Uebels so stark lahmen, dass sie kaum zu irgend einem leichten Dienst verwendet werden können. An den örlliclien Erscheinungen des Spates ist, wie bereits oben angedeutet, kein Merkmal, welches diese verschiedenen Abstufungen der Lahmheit oder die Dauer derselben andeutet, und es bleibt desswegen nur die Beobachtung über den durch einige Zeit fortdauernden oder von Zeit zu Zeit wandelbaren Grad des Uebels übrig. — Bei jungen Pferden ist gewöhnlich die Spallahmheit heftiger und mehr an­dauernd, als bei alten. —#9632; Hinsichtlich der Heilbarkeit des Uebels ist die Prognosis ebenfalls nicht mit Sicherheit zu machen. Eine gründliche Heilung ist nicht möglich, da die Knochenauswüchse und die Vcrwach-
') Solche Pferde, welche den Spat bei kaum bemerkbarer äusserlicher Ver­anlassung bekommen, sollten von der Zucht ausgeschlossen bleiben, während diejenigen, bei welchen das Uebel in Folge bestimmter örtlicher Verletzungen am Sprunggelenk entstanden ist, unbedenklich dazu verwendet werden können.
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218nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Spat. Behandlung.
sungen der Sprunggelenksknochen auf keine Weise gänzlich wieder zu beseitigen sind; aber doch zeigt die Erfahrung, dass in einer Menge von Fällen viele Pferde den spatlahnien Gang durch eine zweckmässige Be­handlung nieder verlieren, viele andere bedeutende Besserung hiernach zeigen und nur etwa die kleinere Hälfte von den mit dem Uebel beliaf-teten Pferden ganz ohne Besserung bleiben. Bei manchen ist die Bes­serung dauernd, so dass die Thiere selbst Strapatzen ertragen können, ohne dass Rückfalle entstehen, bei andern aber treten diese nach star­ken Änstrengunsen und Fehltritten ein. Die Besserung des Ganges findet sogar oft von selbst slatt, wenn die Thiere Ruhe geuiessen und wenn sie alt geworden sind. Auch in dieser Hinsicht ist der Silz der Exostosen zu berücksichtigen, wie vorhin angedeutet worden.
Behandlung. Obgleich man nicht im Stande ist, die schon ausge-bildclcn Spatexostoscn vollständig zu beseitigen oder die rauhen Gelenk-Jlächen mit Sicherheit zur festen Verwachsung zu bringen, so lässt sich doch in beiderlei Hinsicht bis zu einem gewissen Grade Hülfe schaffen und ausserdem kann man die Entzündung hier, wie in anderen Fällen, mindern oder beseiligen. In der ersleu Zeit, und so lange noch ver-hiciirtc Wärme au dem Sprunggelenk wahrzunehmen ist, ist die Einrei­bung der grauen Quecksilbersalbe mit Kali carbonieuni oder mit Jodkali täglich 2 Mal gemacht, bei ganz ruhigem Stehen der Pferde in mehre­ren Fällen binnen 3 — 4 Wochen zur Beseitigung der Entzündung und Lahmheit hinreichend gewesen. Ist aber die erste Zeit unbenutzt vor­übergegangen, oder hat das eben genannte IMiltel nicht gefruchtet, so ist die Einreibung der Kantharidensalbe in Zwischenzeit von etwa 6 oder 8 Tagen einige Male wiederholt zu benutzen. Man hat diese Salbe mit Sublimat, mit Brechweinstein, mit Aurpigment und mit, Eu-phorbiumharz verstärkt, allein durch diese Zusätze werden die Haar­zwiebeln an den bclreffenden Stellen zerstört und es bleiben dann oft haarlose Flecke übrig, ohne dass gerade die Heilwirkung bedeutend ver­mehrt ist. Auch das Kantharidenpflaster oder schwarze scharfe Pflaster ist in den leichteren Fällen mit gutem Erfolge angewendet worden, bei heftiger Lahmheit leistet es aber zu wenig. Seine Applikation muss, nachdem die einmal aufgetragene Schicht von der Haut abgefallen ist, noch mehrmals wiederholt werden. Zwcckmässiger und daher auch mehr im allgemeinen Vertrauen stehend ist das Glüheisen. Man wendet dasselbe in den leichteren Fällen in Punkten, welche möglichst nahe an einander über die ganze inwendige Fläche auf die Haut des Sprungge­lenkes applizirt werden, an, oder in Strichen, welche bald senkrecht, bald schräg oder selbst quer u s. w. angebracht werden. Ich betrachte nach einer sehr zahlreichen Erfahrung die senkrechten oder Längen­striche als die zwcckniässigslen, weil sie am besten mit Haaren über-wachsen und somit am wenigsten sichtbare Narben hinterlassen und doch dem Zwecke eben so gut wie die in anderer Richtung entspre­chen. Die Querstriche platzen bei Bewegungen der Füsse leicht voll­ständig durch, veranlassen dann tief gehende Eiterung und hässliche Narben, auch bedecken sie sich weniger vollständig mit Haaren. Uebri-gens ist es unwesentlich, iu weicher Richtung oiler Form die Striche gebrannt werden, aber wesentlich und wichtig ist es, a. dass man die Striche in der entsprechenden Entfernung, d. h. gegen ^—| Zoll einen
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Spat. Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 219
vom andern anbringt; 6. dass die ganze kranke Fläche, so weit eine Spur von Auftreibung der Knochen oder von Auswüchsen wahrzuneh­men ist, mit den Strichen überdeckt werde, und dass dcsshalb die lelz-leren nicht nur in einer hinreichenden ArizahJ, sondern auch in der ge­hörigen Länge gebrannt werden; C. dass in den Fällen, wo man irgend eine Figur mit konvergirenden Strichen erzeugen will, die Slriche nir­gends in einander übergehen dürfen, sondern wenigstens 2 — 3 Linien weil von einander entfernt bleiben miissen, weil sonst bei eintretender Eiterung zuweilen ganze Hautlappen aus dem Zusammenhange mit den übrigen Theilen gelrennt werden und absterben; d. dass man die über die innere Fläche des Sprunggelenkes verlaufende Iluutvene mit dem Clühcisen verschont, weil sonst eine Venenentzündung entstehen kann und e. dass das Brennen nur mit dem rolligliihenden Brenneisen, mit leiser Berührung der Haut und in einzelnen Intervallen auf jeder Stelle so oft wiederholt geschieht, bis daselbst eine seröse Ausschwitzung statt­findet. Fin Verbrennen der Haut bis zur A'crkohlung und ein völliges Durchbrennen derselben darf' niemals geschehen ').
Zwerkmässiger als die im Vorhergehenden genannten Mittel ist für die meisten Fälle ein Eiterband an der Innern Seite des Sprunggelen­kes, und wo möglich gerade über die hier vorhandenen Exostosen ge­zogen. Das Thier muss zur Applikation dieses Haarseils so niederge­legt werden, dass der kranke Fuss der untere wird; der oben liiigende gesunde Fuss wird auf den Vorderfuss aufgeburiclen. Darauf macht man mit Berücksichtigung der Spriinggelcnksvene am Anfange des Schien­beins unter dem kranken Sprunggelenk einen Einschnitt durch die Haut gegen einen Zoll lang und einen zweiten solchen Schnitt neben dem inuern Knorrn des Unterschenkelbeins über dem Sprunggelenk und führt dann durch die Oefl'nungcn mit einer gewöhnlichen llaarseilnadel ein ent­sprechend breites, mitTerpenthinöl getränktes Band. dessenEnden man ent­weder mit Knebeln versieht oder auch mit einander zu einer Schleife verei­nigt. Das Band bleibt durch 10—14 Tage liegen, wird täglich gereiuiget und ein wenig hin- und hergezogen. Im Uebrigen müssen die Thierc hier und nach dem Brennen wenigslcns durch 14 Tage Buhe erhalten. Die Heilung erfolgt nach der Entfernung des Bandes in kurzer Zeit und mit Zurücklassung von 2 kleinen unbedeutenden Narben, so dass gerin­gere Spuren als nach dem Glüheisen zurückbleiben. Die Heilwirkung hat, sich in sehr vielen Fällen als ganz vorzüglich bewährt und scheint aus dem Grunde günstiger zu sein, als bei den übrigen Mitteln, weil das Eilerband den kranken Gebilden näher liegt.
In der neueren Zeit hat man auch versucht, miltelst Durchschnei­dung der zum Sprunggelenk gehenden Nerven die schmerzhafle Em­pfindlichkeit dieses Theiles aufzuheben und hat zu diesem Zwecke den
') Einige französische Thieiärzte haben, um sichtbare Narben nach der Applikalion des Glüheisens zu vermeiden, empfohlen: dass man eine von allem Fett befreite Speckschwarte mit der Narbenseite auf das Sprunggelenk legen oder binden und das Brenneisen in beliebiger Gestalt auf die Schwarte applizi-ren soll, wie man es ohne sie auf die Haut anwendet. Die Erfahrung hat ge­zeigt, dass auf solche Weise eine genügende Wirkung des Brenneisens nicht herbeigeführt wird.
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220nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Rehbein.
Innern und äussern Sohlennerv an der innern Seite des Unterschenkels, etwa eine Hand breit über der Spitze des Sprungbeins, an der äussern Seite daselbst aber den langen llaiitncrv durchscunilten, — jedoch bis jetzt mit nur wenig gutem Erfolge. — Abildgaard hat die innere Sehne des Schienbeinbeugers uumittclbar am Sprunggelenk durchschnit­ten, um die zuckende Bewegung zu beseitigen, und Scwell hat die an der innern Seite des Sprunggelenkes auf den Exoslosen liegenden Bän­der und die Beinhaut durclischuiltcn, aber ebenfalls ohne die Heilung besser, als durch die oben genannten Mittel zu erreichen.
V. Das Hehbeln.
Unter dem Namen Rehbein versteht man denselben krankhaften Zustand an der auswendigen Seile des Sprunggelenkes, wie derselbe bei dein Spat, an der inwendigen Seite dieses Gelenkes besteht. Die Knochcnauswüchsc haben bei dem llchbcin ihren Silz hauptsächlich an dem Würfelbein, am Kopfe des äussern Griffelbeins, des Schienbeins, oder auch an den beiden schilïïormigen Beinen; sie sind auch hier zuweilen mit kranken Gelenkflächen veibunden, häutig aber ohne die­selben und entstehen durch Entzündungen ganz nach denselben Ursa­chen, welche auch den Spat erzeugen. Im Ganzen ist jedoch das Reh­bein eine seltenere Krankheit als der Spat. Zuweilen ist es mit dem letztern, oder auch mit Hasenhacke komplizirt.
Man erkennt das Rehbein an einer Jlach gewölbten Erhöhung, welche an irgend einem Punkte der auswendigen Seite des Sprungge­lenkes in abnormer Weise hervortritt und dabei knochenhart und un­beweglich ist. Dass die Erhöhung eine abnorme ist, kann man nur durch Vergleichung mil der auswendigen Seite des andern Sprungge­lenkes bestimmen; denn liier wie an der inwendigen Seile finden sich bei verschiedenen Pferden auch verschiedene Formen des Gelenkes, und man kann daher nur, wie bei dem Spat, aus der Ungleichheit beider Sprunggelenke an ihrer äussern Seite auf einen kraukhaften Zustand desjenigen Gelenkes schliesscn, welches mit einer Erhöhung versehen ist. Zur Untersuchung hierbei stellt man sich zuerst etwa 2 Schritt gerade hinter das eine Sprunggelenk und dann eben so hinter das an­dere und betrachtet dann noch beide Gelenke von vornher. Gewöhn­lieh ist mit dem Rehbein ein ähnliches zuckendes Lahmgehen verbun­den, wie mit dem Spat, jedoch äussert sich dasselbe in einem weit geringern Grade, als bei dem letztem, es hat aber dieselbe Eigenthüm-lichheit, wie bei dem Spat, dass es nur bei den ersten Schrillen auf­fallend hervortritt und beim Weitergehen sich fast gänzlich verliert, wie auch dass es stärker erscheint, wenn man den kranken Fuss auf­heben, durch einige Minuten halten und dann das Thier im Trabe von der Stelle weg gehen lässt.
Das Rehbein stört den Dienstgebrauch eines Pferdes im Ganzen weit weniger als der Spat, so dass man in den meisten Fällen die da­mit behafteten Thiere fortwährend gebrauchen kann; doch giebt es auch einzelne Ausnahmen, in welchen die Störung durch diesen Fehler eben so wie bei jenem ist.
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llasenhacke.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;221
Die Behandlung ist eben so wie bei dem Spat, indem man an der äussern Seite des Sprunggelenks in der ersten Periode des Uebels die graue Salbe, später die Kanthaiidensalbe, oder das Glüheisen, oder auch das Haarscil benutzt.
VI. Die Hasenhacke, Courbe.
Die Hasenhacke ist, der äussern Erscheinung nach, eine Auschwel-lung an der hintern Seite des Sprunggelenks und unmittelbar unter demselben, so dass man bei der Betrachtung der damit bcbafleteu Hin-terfüsse nicht wie im normaleu Zustande derselben eine gerade Linie #9632;von der Spitze des Fersenbeins zu den Beugesehnen an der hintern Seite des Schienbeins die hintere Fläche dieser Parthie begränzen sieht, sondern statt derselben eine konvexe Linie, daher der französische Name Courbe. Dem eigentlich pathologischen Zustande nach ist die Hasen-backc entweder 1) eine Ausdehnung und AufJockeruug des auf der hintern Fläche des Sprunggelenks liegenden Theils der Sehne des Huf­beinbeugers oder auch des grossen Sprungbandes, welches am Kopfe des Sprungbeins beginnt und bis zum Kopfe des äussern Gntlelbeins herabsteigt und alle Theile zwischen diesen beiden Knochen verbindet und ausfüllt, — und gewöhnlich auch zugleich ein solcher Zustand in den übrigen Bändern an der hintern Seite des Sprunggelenks: oder 2) der Zustand ist eine Wucherung von Knochenmasse auf der hintern Seite des Sprungbeins, des pyramidenförmigen und würfelförmigen Beins, herbeigeführt durch Entzündung der Beinhaut dieser Knochen.
Die erslere Art von Hasenhacke kommt nicht selten vor und ent­steht bei Reitpferden, besonders bei Jagdpferden durch heftige Anstren­gungen beim Springen über Gräben, beim Galloppiren und Courbetiren, beim Niederstürzen mit unter den Leib gebogenen Füssen, unter ande­ren Umständen beim Ziehen schwerer Lasten u. s. w. Die so betrof­fenen Pferde gehen gewöhnlich gleich nach stattgefundener Verletzung lahm, und zwar so, dass sie vermeiden, im Fesselgelenk stark durch­zutreten, und dass sie beim Aufheben des Fusses das Sprunggelenk mehr steif halten und jede starke Dehnung an der hintern Seite des­selben vermeiden. Zuweilen lahmen sie auch zuckend mit der Hüfte, ähnlich wie bei dem Spat. Beugt man das Schienbein stark unter den Leib, so widersetzen sich die ïhiere. Einige Stunden nach ge­schehener Verletzung entwickelt sich auch Entzündung, das Gelenk schwillt mehr und mehr an, wird heiss und beim Druck in der Ge­gend des Kopfs der Gritfelbeine zeigt das Thier in der Tiefe einen ge­linden Schmerz. Zuweilen setzt sich die Geschwulst auch weiter fort bis auf die Beugesehne des Hufbeius und Kronenbeins. Erhält ein sol­ches Thier die erforderliche Ruhe, so verlieren sich die geringen Ent­zündungssymptome nach 8—14 Tagen, und die Lahmheit zeigt sich beim Schrittgehcu nicht mehr, aber beim Trabgehen findet sie sich bei den ersten Schritten in den meisten Fällen noch wieder ein. Die Ge­schwulst mindert sich im Laufe der Zeit ebenfalls, aber sie verschwindet nie gänzlich.
Die mit einer Knochenwuclierung verbundene Hasenhacke kommt weit seltener vor als die erste und über ihr Entstehen ist etwas Be-
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222nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Hasenliacklaquo;.
stimmtes nicht bekannt. Die Geschwulst tritt hiei' zuerst ebenfalls an der oben bezeichneten Stelle ein, wird aber allmälig grosser und härter und man kann in der spätem Zeit die Kuochenwucherungen neben dem Sprungforlsatz bald meur bald weniger deutlich sehen und noch mehr fümen; dabei besteht vom Anfange her eine deutlich erkennbare Ent­zündung mit starkem Lahmgehen, welches letztere dem bei dem Spat völlig älmlich ist.
Die Prognosis ist bei der ersteren Art von Haseuhacke günstig, wenn bei Zeiten eine zweckinässige Behandlung eingeleitet und dem Pferde während derselben eine andauernde Ruhe gegeben wird; beider zweiten Art der Ilasenhackc ist dagegen die Vorbersagung ungünstig, selbst weit ungünstiger als bei dem Spat in schweren Fällen.
Die Behandlung muss in der ersten Zeit eine antiphlogistische sein. Man stallt die Tbiere auf gute Streu, giebt ibnen weiebes und weniges Futter, jeden 4ten, Sleu Tag eine Aloepilic, und macht äusserlich fleissig kalte Umschläge, Waschungen oder Fassbäder von kaltem Wasser oder Bleiwasser. Ist die Entzündung hierdurch gemindert, so sucht man durch Einreibungen der grauen Salbe mit Kamphorliniment, oder der grünen Seile mit Kampherlinimcnt mit Tcrpenlliinöl oder Steinöl ver­setzt, später durch wiederholte Einreibungen der Kantharidensalbe, oder durch Waschungen mit einer Auflösung des Quecksilberälzsublimats (3j in Weingeist %ß) die Resorption möglichsl anzuregen. Das letztere Mittel soll vorsichtig so angewende! werden, dass man die Auflösung bloss mit einem Kork in geringer Menge auf die kranke Stelle bringen, eine Minute lang einreiben und dies den dritten Tag einmal wiederho­len lässt. Es entsteht hiernach eine intensive Entzündung der Haut, nach welcher die Haare ausfallen, aber später wieder wachsen. — Ausserdcm ist auch hier das Brennen von Punkten oder Strichen auf veralteten Hasenhacken mit gutem Erfolge angewendet worden. Die Punkte werden, ähnlich wie bei dem Spat, einer vom andern -iZoll entfernt auf der ganzen Fläche zerstreut gebrannt, die Striche aber einer bis zwei an jeder Seite neben der Beugesehne und, so lang wie die Geschwulst ist, angebracht,
(Instruct, vetétrinaires Bd. V. p. 289, mit Abbild. — Renner, Ab­handlungen für Pferdeliebhaber und Thicrärztc etc. Jena 1841. S. 325. Mit Abbild raquo;).
') Ich besitze ein Sprunggelenk, welches die Knochenhasenhacke in ganz gleicher BeschafTenheit wie das abgebildete zeigt.
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Zweite Classe.
Uuetschungen, Contusiones s- Conquassationes.
Erster Abschnitt.
Von den Quetschungen im Allgemeinen.
Als Quelschuugcn bezeiclmet niati diejenigen meebanischen Ver­letzungen, welche (lurch die Einwirkung eines stumpfen Körpers mit bald mehr bald weniger starker Gewalt aul den Thierkörper entstehen. Diese Verletzungen sind. je nach dem Grade der Gewalt und anderer­seits nach dem Grade des Widerstandes, welchen der Tliierkörper da­bei leistet, sehr versrliieden, indem a) bei einem gelinden Grade der einwirkenden Kraft und des Widerstandes die belrolfenen Gebilde nur oberiïachlich gedrückt, die Haut u. s. w. massig ausgedehnt und die Blulgefiisse in ihrem Zusammenhange geschwächt werden. In Folge dieser Reizung entsteht Entzündung, welche je nach der Disposition des Körpers einen oder den andern der bekannleu Charaktere anneh­men kann und sich im Wesentlichen von anderen Entzündungen nicht unterscheidet. — b) Bei einer mehr heftigen Gewalt oder bei starkem Widerstände des Thicrkörpers werden die betroffenen Gebilde sehr stark ausgedehnt und durch die Ausdehnung geschwächt, ihr Zusam­menhang wird theilweise aufgehoben, und in Folge dessen sickert durch dieGefässwände Blut, oderlilutserum, und aus den Lymphgefässen Lymphe in die umgebenden Theile aus. Auf solche Weise entstehen im Zellgewebe unter der Haut und in der letzleren selbst kleine Ergiessungen von Blut, Serum u. s. w. in den Zwischenräumen dieser Gebilde. Diese Blutergies-sungen geben sich äusserlich durch rüthliche oder bläuliche Flecken zu erkennen und werden mit dem Namen Ecchymosen oder Sugillationen bezeichet. — c) Bei einem noch stärkeren Grade der gewaltsamen Ein­wirkung werden die belroflcnen Gebilde wirklich zermalmt und zerris­sen , in Folge dessen sie zum Theii oder yollsiändig gelähmt erscheinen
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224nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Quetschungen im Aligemeinen.
und aus den milbetroffenen Blutgefässen Ergiessungen von Blut in gros­seren Massen statttluden. Mau nennt solche inasseubafte Blutergiessun-gen Exlravasate. In manclien Fällen sind bei diesen höhereu Graden der quetschenden Einwirkungen auch Erschütterungen innerer Organe und dadurch bewirkte Lühmuugeu oder auch selbst Zerreissungen und an den Knochen Brüche derselben vorhanden.
Nach diesen Verschiedenheiten im Grade der Verletzungen bei den Quetschungen sind auch die Erscheinungen in den einzelnen Fällen sehr verschieden. Bei den Quetschungen des ersleren Grades findet man im frischen Zustande derselben nur die Erscheinungen einer obei-nächiichen Reizung und später die Zufälle der Entzündung mit verschiedenem Charakter je nach der Disposition des Thierkörpers. Bei den Quet­schungen des zweiten Grades bemerkt man im frischen Zustande der­selben eine, nach der veranlassenden Gcwaltthätigkeit plötzlich eingetre­tene Auschwellung. jedoch ohne die eigenlichen Entzimdungssymptome; die letzteren bilden sich erst allmälig aus und tragen deutlich den Cha­rakter der asthenischen Entzündung. Sehr häutig finden sich auch in der Haut die Suglllalioneu, welche an weisser Haut uud an weissem Horn nach und nach eine Veränderung der Farbe in der Art zeigen, dass sie aus dem Hothen ins Bläuliche und später in das Gelbliche übergehen und sich zuletzt wieder verlieren. Bei dem dritten oder höchsten Grade der Quetschungen erscheinen die betreffenden Gebilde zuweilen an der Oberfläche noch im gehörigen Zusammenhange, in der Tiefe aber, besonders in der Nähe von Knochen, mehr oder weniger erweicht, zerrissen und ohne die gehörige Beweglichkeit; zuweilen fehlt auch der normale Grad der Empliiidlichkeit, in anderen Fällen besteht eine elastische Geschwulst von dem ergossenen Blut und die Funktion der Thcile ist im hohen Grade gestört oder gänzlich aufgehoben. Hatte der Druck durch längere Zeit auf eine Stelle eingewirkt, so stirbt an derselben die Haut trocken ab und bildet einen sogenannten Brandfleck, der sich dadurch charakterisirt, dass die Haare auf ihm ganz trocken und mehr oder weniger an die Haut angedrückt erschei­nen und die Haut selbst lederartig hart und ohne Empfindlichkeit ist. Im weitern Verlauf entsteht unter dem Brandfleck Eiterung oder Ver­jauchung und zuweilen ist schon vom Anfange an kalter Brand nnter ihm entstanden. Der letztere tritt überhaupt bei heftigen Quetschun­gen, wenn dieselben durch einige Zeit andauern, leicht ein und ver­schont selbst die Knochen, Knorpel und Bänder nicht, so dass in Folge dieser pathologischen Veränderung der Gebilde nach Quetschungen sehr oft bedeutender Substanzverlust und langwierige Geschwüre mit Bein-frass und langwieriger Exfoliation entstehen, in denjenigen Fällen von Quetschungen eines höhern Grades, wo die Verletzung mit grosser Kraft und Schnelligkeit in der Bewegung des verletzenden Körpers ent­standen ist, findet man durch die hierbei erzeugte Erschütterung Läh­mungen des Gehirns, des Rückenmarkes und anderer Organe, wobei mangelhafte Einpfindlichkcit und mehr oder weniger aufgehörle Beweg­lichkeit die Haupterscheinungen sind. Bei Quetschungen des höhern Grades findet sich häufig eine entzündliche Reizung des Gefass-Sy­stems ein.
Zuweilen wird bei Quetschungen auch die Haut getrennt, so daslaquo;
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Quetschungen im Allgemeinen.
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offene Wunden entstehen; man bezeichnet dann diese Verletzungen als Quetscb wunden oder gequetschte Wunden. In anderen Fällen entstellen Zerreissungen von Muskeln, Sehnen und anderen Theilen unter der Haut; diese Verletzungen gelten als Zerreissungen oder Ruptu­ren; und in noch anderen Fällen entstehen Knocheubrüche, die dann als die Ilauptverletzungen betrachtet, und wovon bei tien Knochenbrüchen das Nöthige gesagt wird.
Die Ursachen der Quetscliungen können alle Einwirkungen sein, welche vermittelst einer gewissen Kraft und durch stumpfe Körper den Thierkörper treffen, wie z. B. Schläge und Slösse mit Kniltdn, mit den Hufen, Stösse mit den Hörnern, mit der Deichsel, das Goeenlau-fen gegen Mauern, Bäume u. dgl.. das Niederstürzen auf harten Boden, das anhaltende Liegen auf demselben, die Einwirkung von nicht pas­senden Sättelu und Geschirren, der Druck von ungleich geschmiedeten und nicht passenden Hufeisen u. dgl.
Die Ausgänge der Quetschungen sind in den einzelnen Fällen, je nach ihrem Grade und der Disposition der Thiere, sehr verschieden. Die gelindern Quetschungen enden in der Regel mit Zerlhellung der Entzündungszufalle und ohne Hinterlassung irgend eines Nachlheils. Bei den Quetschungen dos zweiten Grades erfolgt zwar auch häufig Zertheiluug, eben so häufig entsteht aber auch Eiterung, welche bei der Schwächung und Ausdehnung der Theile nicht selten einen zerstö­renden Charakter au sich trägt und zuweilen schwer zu begränzen ist. Bei den Quetschungen des dritten Grades besteht in den meisten Fällen eine grössere Gefahr, weil Lähmung, verjauchende Eiterung und selbst Brand unvermeidlich sind. Doch ist in den einzelnen Fällen noch einige Verschiedenheit, je nach dem Umfange der Quetschung, nach der Dauer ihres Bestehens und nach den bereits eingetretenen Zufällen zu bemer­ken. Solche heftige Quetschungen in einem geringen Umfange oder nur auf die Haut beschränkt, können in kurzer Zeit und vollständig heilen, selbst wenn ein Thail der Haut und des Zellgewebes durch brandige oder ulcerative Zerstörung verloren gegangen ist; erstreckt sich aber die Zerstörung bis auf die Knochen, Knorpel und Sehnen, müssen die Thiere anhaltend liegen, oder sind sie den quetschenden Einwirkungen überhaupt beständig von Neuem ausgesetzt, sind sie sehr jung oder entgegengesetzt sehr alt und dabei durch Nahrungsmangel, durch Strapalzen oder Krankheiten schon sehr geschwächt, so erfolgt zuweilen durch Säfleverlust, fortdauernde Reizung und Zehrfieber der Tod. Erschütterungen und Lähmungen wichtiger Orgaue sind stets sehr gefährliche Zustände. Zerreissungen von Blutgsfässen können in sehr kurzer Zeit durch innere Verblutung den Tod herbeiführen.
Die Behandlung der Quetschungen im Allgemeinen muss den an­gedeuteten Verschiedenheiten entsprechend eingeleitet werden. In jedem Falle muss man die etwa noch fortwirkenden quetschenden und druk­kenden Ursachen enlferncn. Bei den gelinderen Quetschungen findet die Kur ganz so wie bei Entzündung statt. Bei den Quetschungen des zweiten Grades ist in den ersten 24 — 48 Stunden ebenfalls eine küh­lende und überhaupt entzündungswidrige Behandlung sowohl allgemein, wie auch örtlich, in Anwendung zu bringen; so wie aber die Symp­tome der Entzündung sichtbar vermindert erscheinen, muss man die
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226nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Quetschungen im Allgemeinen.
Resorption der entsiandenen Ergiessungen und den Tonus in den ge­schwächten Gcfässen und Fasern zu befördern suchen. Für diese Zwecke benulzt man an den verletzten Theileu ileissig wiederholte Waschungen mit dem sogenannten zusammengesetzten Oxykrat (S. 38), oder mit verdiiuntem Brandwein, oder mit einem aromatischen lufu-suni, namentlich von Armcablumen, von Baldrian, Kalmuswurzel, An­gelika und dergl. Diese Infusionen kann man bei bedeutenden Blut-austretnngen mit Essig, oder mit Alaun verstärken, bei Verdickungen der Theile durch ausgeschwitzten Faserstoff mit Potasche oder in Er­mangelung derselben mit Holzasche verselzen und bei grosser Torpidi-tät durch Zusatz von Spiritus rectilicatus wirksamer machen. — Bei den Qaetsclmngen des drillen Grades sind die eben genannten Mittel gleich von Anfange an zu benutzen; ausserdem macht man bei bedeu­tenden Blutextravasateu zu der Zeit, wenn die Blutung in ihnen nicht mehr statlfi idet, d. i. gewöhnlich nach 2—3 Tagen, kleine Einschnitte durch die Wände der von dem Extravasal gebildelen Höhlen und ent­leert das ergossene Blut nach und nach; wo dies jedoch wegen grossen Gefässen, welche auf der Blutbeule liegen und dergleichen anderen Ur­sachen nicht angeht, sucht man dasselbe vermittelst warmer Um­schläge von aromalisclien BreiunischlSgen, durch Einreibungen mit Kampherliniment, Ammoniaklinimcnt, oder Kaulharidensalbe zur Re­sorption zu bringen. Dieselben IMiitel benutzt man auch bei Läh­mungen, gegen welche man auch innerlich gelind aromalische Mittel, und bei Thieren, die sich erbrechen können, auch BrechmÜtel anwen­det. Wo Brandflecke entstanden sind, löst man dieselben entweder sogleich mittelst des Messers und der Pinzelte ab, oder man sucht sie durch warme Breiumschläge vermittelst der unter ihnen entstandenen Eiterung zur Abslossung zu bringen und bei tiefer gehendem Brande macht man Scarilikalioneu und verfährt übrigens so, wie dies beim Brande angegeben ist.
Geschwüre und Fisteln, welche sich nach tiefer geilenden Quetschun­gen oft bilden, müssen Iheils nach ihrem Charakler, Iheils nach der Lokalität des Leidens in den einzelnen Fällen mit den geeigneten Mit­teln behandelt werden.
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Zweiter Abschnitt.
Von den Quetschungen im Besondern.
Erstes Capitel.
Die Genickbeule, Maulwurfsgeschvvulst und die Geuick-fistel (Talpa, Fr. Malde taupe, Engl. Pol-Evil).
Die Maulwurfsgeschwulst oder Genickbeule ist eine im Umfange des Genicks, also am Hinterhaupte, zwischen und hinter den Ohren und am obersten Theile des Halses sitzende Geschwulst. Das Uebel kommt fast ausschliesslich bei Pferden vor, soll aber auch nach Cha-berls Angabc zuweilen bei dem Rindvieh beobachtet worden sein. Die Geschwulst befindet sich entweder in der Mittellinie auf dem Genick und erstreckt sich gleichmässig nach beiden Seilen, oder sie nimmt nur eine Seite des Genicks ein und sie sitzt entweder oberflächlich unter der Haut oder tiefer zwischen den Muskeln im Zellgewebe und unter den Muskeln und den Bändern, namentlich unter dem Nackenband. Delabere ßlaine hat zuerst nachgewiesen, dass der Sitz dieser tiefen Genickbeulen in den Schleim- oder Selmenhautbälgen zwischen dem Kopf und Halse ist.
Diese Geschwülste sind in manchen Fällen sehr schnell entstan­den und dann gewöhnlich fluktuireud und in der ersten Zeit wenig schmerzhaft; im weiteren Verlauf tritt aber Entzündung hinzu, das Zellgewebe verdickt sich und die ganze Geschwulst erhält ein derberes Ansehen, grössere Empfindlichkeit und vermehrte Wärme. In anderen Fällen bildet sich die Geschwulst sehr langsam aus, die Entzündimgs-zufälle finden sich dann erst nach 6 — 8 Tagen ein. In diesen Fällen zeigen die Thiere zuerst nur eine geringe Spannung im Genick, bei welcher die Bewegung desselben erschwert wird. Die Pferde halten den Kopf niedrig, zuweilen schief nach einer Seite, lassen den Kopf ungern in die Höhe heben, zeigen aber bei dem Druck auf das ange­schwollene Genick sehr wenig Empfindlichkeit
Ist in dem einen oder anderen Falle die Entzündung wirklich aus­gebildet, so ist die Bewegung im Genick und Halse, und zuweilen selbst das Kauen sehr erschwert und der Schmerz bei der Berührung bald mehr bald weniger heflig, so dass die Thiere selbst bei leiser Berührung gewaltsam ausweichen, nach rückwärts drängen und laut stöhnen. Einzelne Pferde scheinen dabei selbst im Sensorium ergriffen zu sein, indem sie mit halbgeschlossenen Augen, den mit Dummkoller behafteten Pferden ähnlich, fast unbeweglich stehen, die Ohren breit
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228nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Genickbeule.
auseinander halten, das Futter versagen und in manchen Fällen selbst Fieber zeigen. Oeffuet man in der ersten Zeit eine schnell entstandene Geschwulst, so sickert aus dem Zellgewebe und aus den Muskeln Serum; später und bei den langsam entstandenen Geschwülsten ist dies gewohnlich nicht der Fall, aber das Gewebe der Muskeln ist durch geronneneu Faserstoff mehr weisslich und derb geworden. Noch spä­ter, jedoch in völlig unbestimmter Zeit, zuweilen erst nach 3 — 4 Wo­chen , bildet sich bald oberflächlich, bald in der Tiefe Eiter, welcher nach einiger Zeit sich durch kleine Ocffnungoa der Haut entleert und dann der Zustand die sogenannten Genick fisteln darstellt. In den spät zum Durchbrach gelangten Gcnickfisleln und in veraltelen Genickbeulen llndet man nicht seilen in dem kranken Nackenbandc, so wie in der häutigen Scheidewand unter demselben und in dem SelmenbeiUcl Verdickungen des Gewebes und Ablagerungen von Knochenerde, in Form von Körnern und Blättchen, welche an der Oberfläche der genannten Thcile ziemlich lose anliegen; zuweilen ist auch die Oberiläche des ersten Halswirbels, be­sonders am vordem Rande mit Knochenauswüchsen besetzt und der bandig-faserige Ueberzug daselbst ist. mehr oder weniger verdickt. Zu­weilen findet sich das Nackenband stellenweise eingerissen und ungleich verdickt. Die Fisteln erstrecken sich in verschiedenen Richtungen bis auf das Nackenband, oder auch bis in den Sehnenbentel darunter, oder auch bis auf den ersten und zweiten Halswirbel, oder nach oben nach dem Hinterhauptsbein zu.
Die Ursachen. Zunächst nmss man bei Pferden eine in dem Bau des Genicks begründete Anlage zu diesem Uebel erkennen, wie dies be­sonders Blaine und Prinz nachgewiesen haben. Diese Anlage beruhlin der Beschaffenheit des strickRi'migen Theils des Nackeubandes, in des­sen Ansatz an den Sehnenhautbcutel auf dem Genick und in der grossen Spannung der hier liegenden Muskeln, ausserdem auch zuweilen in wiederholt bestandenen rheumatischen Affectionen und einer hierdurch bedingten rheumatischen Dyskrasic. Die veranlassenden Ursachen be­stehen in Gewaltthätigkeiten und dadurch herbeigeführten Ouetschun-gen und Zerrungen des Nackenbandes mit den benachbarten Muskeln, z. B. die Anstrengung der Nackcnparthie des Halses durch das Weiden, besonders bei solchen Pferden, die dasselbe nicht gewöhnt sind; ferner durch zu starke Biegungen des Genicks bei forcirter Dressur, durch Zerrungen mit der Halfter, wenn Pferde sich dieselbe mit Gewalt ab­streifen wollen, eben so wenn Pferde im Stehen schlafen und sich da­bei mit der ganzen Last ihres Körpers in die Halfter legen, wo dann der Druck des Nackenriemens Qoelschungen und Entzündungen des Nackenbandes erzeugt. Sehr oft sind auch direkte Quetschungen durch Schläge mit dem Peitschenstocke, durch Gegenstossen, des Genicks ge­gen die Krippe u. s. w. die Veranlassung. Endlich hat man auch die Genickbeule noch metastatisch bei und nach Druse, nach Rheumatis­men, nach plötzlich unterdrückten Ilautausschlägcn u. s. w. entstehen sehen.
Die Beurtheilung der Genickbculen ist nur mit grosser Vorsicht zu machen, da dieses Uebel, nach allen Beobacbtungen, mit zu den langwierigsten und hartnäckigsten gehört, besonders wenn es bereits über 8 Tage gedauert hat; iudess gelingt bei einer zweckmässigen Be-
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Genickbeule, Behandlung.
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handlung doch die Heilung zuweilen in 3 — 6 Wochen. Ist Eiterung entstanden, so sind auch fisleln gewöhnlich nicht zu vermeiden und die Heilung ist dann ebenfalls sehr schwierig; zuweilen entsteht sogar für die Thieie Lebensgefahr, indem der Eiter entweder die Halswirbel und deren Bänder zerstört, sich in den Wirbelkanal ergiesst und dann das Thier plötzlich unter Convulsionen tödtet, oder indem durch langdauerndc Eiterung ein Zehrfieber, oder ein dyskrasischer Zu­stand entsteht, welchem das Thier endlich unterliegt. In einzelnen Fäl­len hat man auch Verwachsung der Halswirbel unter einander oder mit dem Hinterhauptsbein und dadurch bald mehr bald weniger Steiiig-keit des Halses entstehen sehen. In Folge der bei den Fisteln uoth-wendigen Schnitte bleiben zuweilen bedeutende Narben am Genick und am Halse zurück.
Die Behandlung, sacheu bcseiliget werden
erst müssen die etwa noch #9632;vorhandenen Ur-iiulem man die mit dem Uebel behafteten
Pferde nicht mehr auf die Weide schickt, sondern im Stall futtert, sie im Stalle nicht an die Halfter, sondern an einen Halsriemcn bindet und sie so stellt, dass sie das Genick nicht reiben oder scheuern können u. s. w. — Die frisch entstandenen Genickbeulen behandelt man küh­lend und zerlhcilend, indem man Waschungen mit Bleiwasser, oder mit Oxykrat, oder mit einer Auflösung von Polaschc, und bei geringer Empfindlichkeit mit einem Irifusum von aromalischen Mitteln mit Zu­satz von Potasche oder Salmiak fleissig befeuchtet, bis die Entzündungs-zutlille und die Geschwulst beseitigt sind. Gelingt dies nicht innerhalb 8 Tagen, oder ist die erste Zeit unbcnulzt verflossen, so applizirt man die Kantharidcusalbe auf den ganzen Umfang der Geschwulst und wie­derholt das Mittel, je nach dem Grade seiner Wirkung und nach dem Grade des Uebels nach 2—6 Tagen, so dass entweder Zertheilung oder Eiterung entsteht.
War die Geschwulst schnell entstanden, ist sie erhaben, rundlich und elastisch, so kann man ohne Zeitverlust einen bis zwei Einschnitte in senkrechter Richtung in die 31ittc der Geschwulst durch die Haut und bis in den durchfloehtenen Muskel macheu, um die ergossenen Flüssigkeiten zu entleeren, worauf die kühlenden Mittel und weiterhin die Kantharidensalbc angewendet werden können.
Zeigt sich in dem einen oder in dem anderen Falle eine fluktuirende Stelle, so öffnet man dieselbe, ohne dass man die völlige Ausbildung eines Abscesses abwartet, weil, wenn letzteres geschehen sollte, eine grössere Zerstörung in der Tiefe des Genicks unvermeidlich sein würde. Man kann den Einschuitt selbst dann schon unternehmen, wenn nach einem Ficberanfalle irgend ein Punkt, der Geschwulst nur etwas stärker hervorgetreten ist. Die Einschnitte müssen in solchen Fällen an dem betretrenden Punkt sich bis auf das Nackenband erstrecken und stets gegeu 1 Zoll lang gemacht werden, ohne Rücksicht und ohne Furcht #9632;vor den daselbst etwa liegenden Blutgefässen, die hier niemals sehr bedeutend sind1). Nach solchen Einschnitten kann man dann die
') Es sind vorzüglich Zweige der Oberhautsarterie (Arteria occipitalis) und der Oberhauptsvene (Vena occipitalis); erstere treten durch das vordere äussere Loch des Trägers zur obern Fläche und geben den stärkeren Ast zur
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Genickbeule, Behandlung.
scharfen Einreibungeu einmal oder wiederholt, wie im Vorhergehenden angedeutet ist, anwenden.
Bilden sich bei dieser Behandlung dennoch tiefer gehende Fisteln, oder waren sie schon vor der gesachten Hülfe entstanden, so er­weitert man dieselben vom Grunde aus, so dass dor Eiter überall einen freien Abfluss erhält. Es ist dabei durchaus nüthig, die Schnitte voll­ständig zu machen, und selbst wenn dieselben im Laufe des Nacken­bandes sich auf mehrere Zoll weit erstrecken sollten. Findet sich in den Fistelkanälen bloss entartetes Zellengewebe, ohne d.iss das Nacken­band, der Sehnenbeutel oder die Halswirbel irgendwie mitleidend sind, so bestreicht man die Geschwürsflächen mit einer schwachen Auflösung von Höllenstein (10 Grau auf gij dest. Wassers) oder mit einer Auf­lösung von Chlorkalk (g/? auf gvj Wassers), oder mit Aloetinktur, oder mit dem Digestivwasser, füllt die Wunden mit Werg locker aus und erwartet hiernach das Eintreten guter Eiterung und guter Granu­lation, bei welcher dann die Heilung, wie bei den Abscessen angegeben ist, erfolgt. — Finden sich aber am Nackenband erweichte Theile, oder Ablagerungen von erdigen Substanzen an ihm oder in dem Sehuen-beutel, oder biossliegende, rauhe Stellen au den Wirbeln, so nimmt man die erdigen Substanzen und die aufgelösten Theile des Bandes mit dem Messer weg und betupft die zurückbleibenden kranken Stellen mit dem glühenden Eisen, oder mit Höllenstein, und macht dann warme Breiumschläge von erweichenden oder von aromatischen Mitlein, je nach der Emplindlichkeit der verwundeten Theile, bis die kranken Theile sich abgestossen haben und das Geschwür einen reinen Grund und gute Eiterung darbietet; zuweilen findet sich diese gute Umänderung nur au einzelnen Stellen und man ist dann genöthiget, die übrigen, noch jau­chenden oder mit schlechter Granulation versehenen Stellen mit den genannten Mitteln weiter zu behandein, bis auch an ihnen eine gute Umstimmung entstanden ist. Findet sich an einer Stelle trotz der ein­getretenen guten Granulation dennoch die Verwachsung des Nacken­bandes mit den umliegenden Theilen und die Schliessung der Fistel nicht ein, so muss man annehmen, dass hier das Nackenband, wie ein fremder Körper, gleich einem Strange bei jeder Bewegung Reibung und Abglättung erzeugt und dadurch eben die Heilung hindert. In diesen Fällen ist das quere Durchschneiden des freiliegenden Nacken­bandes in der Regel das geeignetste Mittel, um die Heilung der Fistel schnell zu Stande zu bringen. Dieses von Langenb acher in seinen Vorlesungen zuerst empfohlene Verfahren kann bei ruhigen Pferden im Stehen, bei anderen aber sicherer im liegenden Zustande ausgeführt werden.
Das Pferd wird auf die gesunde Seite niedergelegt und gehörig an den Füssen befestiget; die an dem Nackenbande bestehende Fistel wird bis zu ihrem niedrigsten Punkte vollständig mittelst Durchschneiduug
äussern Haut des Sehnenbeulels und zu der häutigen Scheidewand unter dem Nackenbande, so wie zu den hier liegenden Muskeln; die Venen kommen durch das Oberhauplsloch und nehmen die Zweige, welche von den Streckmuskeln des Kopfes und vom obern Theil des Nackenbandes entspringen, in sich auf. Die hier liegenden Nerven gehören zum obern Ast des ersten Halsnerven, zum Theil auch zum obern Ast des zweiten Halsnerven.
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Druckschäden.
der sie bedeckenden Muskeln u. s. w. blossgelegt, dann unter das Nackenband der Zeigefinger der linken Hand oder eine Hohlsonde in querer Richtung untergeschoben und hierauf das Band mit einem Knupf-bistouri quer durchschnitten. Geschieht diese Durchschneidung am Genick selbst, so bleibt man soweit als möglich von dem Oberhaupts-bein entfernt, und in jedem Falle vermeidet miin das Durchschneiden der Haut auf dein Nackenbande so wie der Muskeln an der enlgeeen-quot;cselzten Seile desselben; auch muss man genau darauf sehen, dass Sas Band vollständig durchschnitten werde, damit nicht einzelne Seh-nenbüudel die Spannung, welche früher das ganze Band auszuhalten halle, erfragen dürfen. Die entstandene Wunde wird mit kallem Was­ser gereinigt und mit Werg locker ausgefüllt. Letzteres bleibt etwa 2 Taquot;e lang in der Wunde, wird dann entfernt und diese fernerhin, wie eine eintache eiternde Wunde behandelt Die Heilung erfolgt in Zeit von 3 — 5 Wochen. Die Bewegung und Haihing des Kopfes und Halses erleidet keine dauernde Störung durch die.-es Durchschneiden des Nackeubandes, aber zuweilen bleiben Einscnkuugcn und kleine Nar­ben an der betreffenden Stelle zurück.
Literatur: Ilertwig, über Genickfisteln etc. Mag. f. Th. I. S. 71.— Prinz, die Maulwuifsgeschwuist etc., Zeitschr. f. Thierh. IV. S. 171.
Zweites Capilel.
Die Sattel-, Kummt- und Geschirrdrücke am Widerrüst und dem Rückeu.
Es kommen im ganzen Umfange des Rückens, besonders aber am Widerrüst sehr bänlig Quetschungen und deren Folgen vor, die man im Aligemeinen mit dem Namen: .,Druckschäden'-, oder nach der sie gewöhnlich veranlassenden Ursache mit dem Namen: „Sattel-, Kummt- und Geschirrdruckquot;, und wenn sie sich am Widerrüst befinden, mit dem Namen: ..Widerrüstschädenquot; bezeichnet. Diese Verletzungen sind bald oberflächlich, so dass sie nur die Haut betref­fen, oder sie dringen tiefer bis auf die Muskeln, oder bis auf das Nackenband am Widerrüst und an den übrigen Wirbeln, oder endlich selbst bis auf die Stachelforlsätze. Dem patholorischen Zustande nach sind uiese Verlelanngen entweder 1) Que'schuugen in gelindem Grade und Entzündung der betroffenen Theile. oder 2gt; es ist feuchter oder trockener Band', 3) es sind Abscesse, oder 4) Fisteln oder ö) Caries zugegen. In manrhen Fallen, und namentlich in der ersten Zeit nach dem Entstellen eines solchen Drucfeschadens ist bloss einer der drei zuerst genannten Zustande zugegen, in den meinen Fällen abe- ist das Leiden komplizirt, indem mehrere der genannten pathologischen Zu­stände gleichzeitig neben einander bestehen,
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Druckscbäden,
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1) Isl bloss oberflächliche Quetschung, mit oder ohne offene Ver-lelzung der Haut von dem sogenannlen Durchscheuern derselben und Entstodung entstanden, so finden sich folgende Symptome: Gleich nach
dein Abiieliiuen des Sattels oder des Geschirres xeigt sich das Thier an den betreffenden Stellen etwas vermehrt empfindlicti und sucht sich in den meisten Fällen durch Reiben an anderen Gegenstanden oder auch mit den eigenen Zähnen das gelind schmerzhafte Gefühl zu beseitigen. gewöhnlich ist aber Geschwulsl und vermehrte Wärme in dieser ersten Zeit noch nicht wahrzunehmen und desshalb gewährt, die bei Kavallerie­regimentern hin und wieder bestehende Vorsicht: die Pferde gleich nach Beendigung des Marsches hinsichllich entstandener Druekschäden zu untersuchen, nicht für alle Fälle genügende Sicherheit, sundern es ist noting, die Unlersuchung nach einigen Stunden und selbst am andern Tage vor dem Wiederanfbrechen aus dem Quartier noch einmal zu wiederholen, da ersl gewöhnlich nach 6 —12 Slunden die Enlzün-dungszufälle deutlich erkennbar hervortreten. Die Entzündung kann, je nach dem Grade des stallgefundencn Drucks, wie vorstehend erwähnt, oberflächlich oder auch mehr in die Tiefe gehend sein und sie gieht sich hiernach, so wie auch hinsichllich ihres Grades durch eine bald geringere, bald grösscre, weniger oder mehr schmerzhafte heisse Ge­schwulst zu erkennen. Die Geschwulst ist in manchen Fällen gleich-massig derb, zuweilen fluktuirend (von extravasirtem Blut oder Serum), und in den meisten Fällen ist sie an dem unlern Rande oedematös. Das Ocdem senkt sich allmälig tiefer herab und kommt so von dem Widerrüst auf die Schullerblätter u. s. vv., während die eigentliche Enlzündungsgeschwulst ihren Ort behält und sich allenfalls nur bei zu­nehmender Heftigkeit noch etwas vergrössert. Mau kann aus der Stärke der derben Anschwellung in den Muskeln einigerraassen auf die Tiefe der eingedrungenen Quelschung schlicssen, mit Sicherheit hierüber aber nicht artheilen. Wenn jedoch am zweiten, dritten oder den fol­genden Tagen schnurformig angeschwollene Lymphgcfässe von der ge­drückten Stelle aus nach der Buggegend vcrla'ufend, sich in der Haut zeigen , so deutet dies stets auf ein sehr tiefes Eindringen der Verletzung hin. An dem obern Rande des Widermstes zeigt sich die Geschwulst in der ersten Zeit, immer weit geringer, als an den darunter befindli­chen Parthieen, obgleich auch an diesen obersten Punkten des Wider-rüstes die Quelschung sehr stark eingewirkt haben kann; später jedoch treibt auch das Nackenband, so wie der die Spitze der Stachelfortsätze bedeckende Knorpel allmälig immer mehr auf und die Eulzündung ent­wickelt; sich in diesen Theilen, so wie in den Slachelfortsälzen selbst eben so heftig, wie in den Weichgebilden. — Aussei- diesen Zufällen sieht man zuweilen, namentlich wenn der Sallel zu locker gelegen hat, die Haare und wohl auch die Haut abgescheuert. — Die Entzündung verliert sich bei oberflächlichen Quetschungen, und wenn der Druck nicht erneuert wird, nach einigen Tagen gewöhnlich von selbst; aber bei tieferen Quetschungen entsteht leicht Eiterung oder Verjauchung, oder selbst Brand, wenn nicht eine energische Behandlung diese Aus­gänge verhütet. Solche heftige Entzündungen dauern circa 8 —14 Tage, und an einzelnen Stellen selbst noch länger, ehe es zu einem Ausgange kommt, weil durch die Quetschung die Fasern und Gefässe theilweis
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Druckschäden.
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gelähmt und daher nicht mit der zu einem akuten Verlauf erforderlichen Energie versehen sind. — Wenn das Durchscheuern vom Kummt oder Geschirr am obern Rande des Kammes entstanden ist, findet sich hier­zu oft noch eine ausserordentlich grosse Empfindlichkeit der leidenden Theile, so dass die Thiere sich nicht au dieselben kommen lassen, sondern sich selbst widersetzlich benehmen.
2) Feuchter Brand und in Folge dessen unmiltelbare Zerstörung oder auch nachfolgende Verjauchung finden sich bei Druckschäden nicht selten, wie es scheint, dadurch bedingt, dass der drückende Körper die belrolTenen Gebilde lähmte und den Rücklluss des venösen Blutes hin­derte. Die Säfte stocken in Folge dessen in den gelähniten Fasern und Gefässen, und es entsteht dadurch Auflösung des Gewebes. Man er­kennt diesen Zustand an der breiweichen Beschaffenheit der Theile, welche oft dem gekochten Fleisch ähnlich und ohne Empfindung sind. Die Absterbung ist bald nur oberflächlich, bald auch in die Tiefe ge­hend. In einzelnen Fällen entsteht aber der Brand bei den Druckschä­den auch mittelbar in Folge der heftigen Entzündung. — Der trockene Brand ist fast durchaus auf die Oberfläche beschränkt und wird in die­sem Falle mit dem Namen Braudfl eck bezeichnet. Derselbe ist zu erkennen an der dem Suhlenleder ähnlichen Härte und an der gänz­lichen Unempfindlichkeit eines Hautstückes, auf welchem die Haare ihren Glanz verloren haben und in verworrener Richtung stehen, oder viel­mehr an die Haut anliegen. Im Umfange dieses Hautsfücks ist in der ersten Zeit eine geringe Entzündung zu bemerken, später fehlt dieselbe; dafür zeigt sich aber am Rande des abgestorbenen Hautslückes an ein­zelnen Stellen Trennung und etwas Eiterung, während jedoch das Hautstück mit seiner untern Fläche mit dem darunterliegenden Zell­gewebe sehr fest verbunden ist. Ein solches Hautstück wird durch die eigene Naturthätigkeit immer nur sehr spät abgestossen (zuweilen erst nach 2 — 3 Monaten), und hinterlässt dann ein Eitergeschwür, welches meistens gut vernarbt, aber sehr oft auf der bedeckenden Haut weisse Ilaare mit sich bringt. — Wenn der liefergehende Brand durch eine heftige Entzündung entsteht, bildet sich die letztere etwa in 24 Stun­den nach der statlgefundenen Einwirkung zu einem hohen Grade aus, die Schmerzen werden sehr heftig, die Lymphgefasse der Haut schwellen an, die Haut selbst wird oedematös und bricht an einer Stelle auf, wonach eine stinkende braune Jauche aussickert und Stücke des Zell­gewebes und der Muskeln herausfallen. Die letzteren sind erweicht, bläulich, völlig unempfindlich und faulig stinkend. Mit der Sonde kann man leicht in verschiedenen Richtungen eindringen und zuweilen selbst bis auf die Knochen gelangen. Bei dem durch Druck unmittel­bar veranlasstcu Brande findet man dieselbe Bcschafleuheit der Theile bald nach der statlgefundenen Veranlassung. Dieser Brand begränzt sich gewöhnlich da, wo der Druck aufgehört hat, so dass das Leiden oft eiu rein örtliches bleibt; aber es geheu Muskelparlhiecu, Stücke vom Nackenbande, selbst Theile von Knochen bald mehr bald weniger verloren; es entstehen durch unvollständiges Absterben dieser Theile sehr oft langwierige Ulceralion und Fisteln, so dass diese Folgeleiden nicht selten während 5 — 6 Monaten und noch länger fortdauern und hierdurch die Druckschäden in solchen Fällen sehr langwierige Uebel
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Druckschäden.
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werden. Während dieser langwierigen Dauer verlieren die Thiere so viel Säfte durch die fortdauernde Eiterung und Verjauchung, dass sie gewöhnlich abmagern, zuweilen in Cachexie oder auch in Dyskrasie, namentlich in Rotz und Wurm verfallen und dann oft verloren gehen. Wahrscheinlich wird ein solcher übler Ausgang durch Aufsaugung des Eilers befördert In denjenigen Fällen, wo sich Fisteln bilden, welche sich zwischen die Wirbel oder zwischen das Schulterblatt und die Rippen erstrecken, kann auch durch Versenkung des Eiters iu den Wirbelkanal oder zwischen die Rippen noch Entzündung der Riicken-markshäute, des Rippenfells u. s. w, Lähmung, Brustwassersucht und der Tod herbeigeführt werden.
3) und 4) Eilerang, Abscess- und Fistelbildung entsteht bei den Druckschäden häufig, und zwar nach dem verschiedenen Charakter und dem verschiedenen Grade der durch den Druck erzeugten Enliündung bald schneller bald langsamer. Oberflächliche Abscessc geben sieh durch die den Abscessen überhaupt zukommenden Symptome kund und sind leicht zu erkennen. Sie öll'ncu sich in der Regel von selbst und hinter­lassen Geschwüre, welche bei einer zueckmässigen Behandlung in der Regel leicht heilen, doch machen die an der Spilze der Slaclielforfsälze befindlichen Abscesse hiervon zuweilen eine Ausnahme, weil hier die Knorpel, Bänder und Knochen leicht mitleiden. Die tiefer entstehenden Abscesse sind in ihrer ersten Zeit weniger leichl zu erkennen und wer­den daher während dieser Zeit in den meisten Fällen nicht zweckmässig behandelt. Man kann auf Eiferbildung in der Tiefe der Muskeln schlics-sen, wenn trotz der entzündungswidrigen Behandhing nach 6—8 Tagen die Geschwulst beständig zunimmt, mehr rundlich hervortritt, die Wärme, die Spannung und die Schmerzen grosser werden, die Lymph* gefässe in der Haut stärker anschwellen oder nun erst sichtbar werden und das Thier einen oder mehrere Frostschauer zeigt. Die tieferen Abscesse öllhen sicli in der Regel sehr spät und mehrentlieifs durch einzelne kleine Oeffnungen, in deren Umgebung das Zellgewebe und die Muskeln durch plastische Ausschwifzungen sehr bald verdichtet werden. Die entstandenen Oeffnungen führen oft direkt zu dem Eiler-heerde, aber auch nach verschiedenen anderen Richtungen, so dass man gewöhnlich ein Holilgcschwür im Grunde und verschiedene Flslcl-gänge findet. Zuweilen besteht und erhält sich die Eiterung nur an einer Seite des Widerrüstcs oder des Rückens, in anderen Fällen er­streckt sie sich aber auch auf die andere Seite und zwar entwe­der wegen ursprünglichen Drucks beider Seiten oder dadurch, dass die Entzündung oder auch nur die Eiferung sich auf die andere Seite verbreitet. Letzteres kann hinsichtlich des Eiters an mehreren Stellen des Widerrüstes auf mechanische Weise durch die Zusammenpressung der hier befindlichen Muskeln geschehen, namentlich so am oberu Rande, im Verlaufe des grossen Slachclbandes, in welchem der Eiter beständig nach vorwärts (in recht bösen Fällen zuweilen mehrere Zoll weit) am Halse in die Höhe getrieben wird. In den Abscesshöhlen und Fislel-gängen findet sich gewöhnlich alles verbindende Zellgewebe zwischen den Muskeln und Rändern oder den Knochen zerstört, die letzteren, so wie die Ränder sehr oft theilweise ulcerirt oder cariös, und daher die Eiterung an verschiedenen Steilen von verschiedener Beschaffeaheit.
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Druckschäden.
Der Zustand wird nun im gewöhnlichen Leben schlechthin als Widerr iist fis tel bezeichnet. Derselbe ist in der Regel sehr hart­näckig und langwierig, und es können dabei durch Verlust der Säfte, durch Resorption oder Senkung des Eilers alle üblen Folgen entstehen, welche im Vorhergelienden bei dem Brande angedeutet worden sind. Ueberhau|)t haben die nach dem Brande entstehenden oder zurückblei­benden Ulcerationcn in ihrer spätem Periode uiit, den Widerrüstfisteln völlige Uebereinstiinmung.
5) Caries entstellt bei den Druckschäden zuweilen an den Spitzen oder an dem untern Ende der Slachelforlsätze, oder auch selbst an der gassern Fläche des obern Endes der Rippen, zuweilen unmittelbar durch Druck des Salteis, in den meisten Fällen aber durch ulceralive Eiterung oder durch Brand der Weichtheilc als eine häufige Complikation bei den Widerrüslschäden und macht dieselben stets langwierig, da in der Regel die Heilung nicht eher stattfindet, bis vollständige Abstossung der kariösen Theile slatlgefunden hat. Alan erkennt den Beinfrass^ an der rauhen Oberfläche der Knochen und an der stinkenden, mit Kno-chenkönu-hen verscheuen Jauche des Geschwürs. In den späteren Pe­rioden desselben sieht man sehr oft, dass, wenn gute Granulation in dem ganzen Geschwür erfolgt, plötzlich einige Fleischwärzchen dunkler gerölhet und bedeutend grosser werden, als die übiigen, und dass nach 12 — 24 Stunden an der Spitze des grösslen Wärzchens Eiter von schlechter Beschaffenheit und in grösserer Menge erscheint, als in der Umgebung; wenn man dann mit einer Sonde die Spitze des Wärzchens untersucht, findet man einen kleinen Kanal und an dessen Grunde den Knochen auf einer kleinen Fläche rauh. Dies kann sich an einer und derselben Stelle mehrmals wiederholen.
Die Ursachen dieser verschiedenen Verletzungen können zwar auch Bisse von anderen Pferden, Stösse und Schläge u. dgl. auf den Wider-rüst, oder auf den Rücken und die Seilentheile desselben sein; in der Regel aber entstehen dieselben durch Druck von Sätteln, Geschirren, oder vorn Gepäck. Die Veranlassung zum Druck durch diese Gegen­stände ist darin zu suchen: dass 1) entweder die Sättel und Geschirre nicht für die Grosse und den Bau des Rückens u. s. w. passend oder schlecht gearbeitet oder durch verschiedene andere Umstände fehlerhaft geworden sind1); 2) oder darin, dass diese Gegenstände und das Ge­päck fehlerhaft auf den Körper der Thicrc aufgelegt worden, oder 3) dass der Reiter fehlerhaft auf- und absteigt oder schlecht silzt.
In ersterer Hinsicht findet man a) oft den Sattel für das Widerrüst
') Der deutsche, englische und französische Sattel besieht aus dem Gerüst, dem Kissen und der oberen Bekleidung. Letztere ist hinsichtlich der Druck­schäden ohne wesentliche Bedeutung. Das erstere ist aus dem vordem Sat­telbaum oder dem Kopfe, dem hintern Sattelbaum oder dem Aefter und seillich aus den beiden Stegen zusammengesetzt. Die zwei Hälften des vordem Baums heissen auch die Trachten. Diese Theile müssen aus gut ausgetrocknetem, festem Holz gehauen, an den äusseren Enden oder Flügeln etwas schiliformlg, an den Rändern gewölbt, auswärts gerichtet, an den Flächen glatt gearbeitet sein. Die Entfernung der beiden äussern Enden von einander giebt die Weite des Sattels. Jeder vordere Baum besteht aus einer rechten und linken Hälfte, welche in der
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Oruckscbaden.
und den Rücken eines Pferdes zu eng, und es entstehen dadurch Quetschun­gen an der Seite des letzteru, an den Schultern und hinter denselben, wobei die Haut, der Schulterhautinuskel, die tiefer liegende Muskeln und zuweilen auch der Knorpel des Schulterblattes leiden; in anderen Fällen ist der Sattel zu weit oder zu flach für ein schmales, mageres oder hohes Widerrüst, wodurch die Haut auf dem letztern, das Stachelband und die Spilzen der Stachelfortsätze selbst gequetscht werden, ßeach-lenswerlh in dieser Hinsicht ist es, dass sehr oft der Sattel für ein Pferd vortrefflich passend ist, so lange dasselbe sieh in einem gut ge-
Mitte möglichst genau mit einander verbunden und an ihrem untern Rande mit einem über die Verbindungsslelle gehenden eisernen Bande bekleidet sind. Aus-serdem ist noch das ganze Gerüst behäulet (mit Leinwand oder dünnem Leder überklebt). Das Kissen soll von Leinewand oder noch besser von Flanell und mit Rosshaaren gleichmässig gepolstert sein. Zwischen der rechten und linken Hälfte des Sattelkissens ist, oben am vordem und hintern Ende ein, schon durch die Wölbung der Bäume gebildeter hohler Raum, #9632;welchen man als die vor­dere und hintere Kammer des Sattels bezeichnet. Die vordere Kammer soll dem Widerrüst entsprechen und daher stets höher sein als die hintere, welche für die Aufnahme des Rückens bestimmt ist. — Der ungarische oder Bocksattel hat weder Kissen noch Ueberzug, sondern besteht nur aus den bei­den Sattelbäumen, den Stegen (hier Schaufeln genannt) und aus dem Grund­sitz von Leder und Gurten. Die Bäume sind höher, von sogenannten Zwieseln oder von krumm gebogenem Holz, und müssen mit noch grösserer Akuratesse gearbeitet sein als bei dem deutschen und französischen Sattel.
Jeder Sattel ist als brauchbar zu betrachten, wenn er: 1) in allen Theilen stark gebaut und fest verbunden ist, so dass er die Last des Reiters und des Gepäcks tragen kann, ohne sich zu verbiegen: 2) wenn er genau auf das Pferd passt, so dass die untere Fläche der Bäume gleichmässig auf den Seitentheilen des Rückens aufliegen und sich unter ihnen die Schulter- und Rückenmuskeln ge-wissermassen nach und nach verlieren; ferner, dass die Kammern so hoch sind, dass sie, wenn der Sattel fest gegürtet ist und der Reiter darauf'sitzt, einen freien Raum von circa 1 Zoll zwischen dem Widerrüst, und eben so am Rücken, las­sen , so dass sie selbst bei heftigen Bewegungen diese Theile nicht berühren, reiben oder drücken; und 3} wenn die untere Fläche des Sattels eben, gleich­mässig gepolstert, die Bäume ohne Erhöhungen, ohne Kannten und ohne Ver­tiefungen sind.
Das deutsche Kummt ist aus dem Gerüst und dem Kissen zusammengesetzt. Ersteres besteht aus den beiden hölzernen Kummtleisten, oder Gerüstsäulen, welche gut gewachsen oder gehörig zugehauen und am obern Ende fest mit einander verbunden, mit starken, gut in einander versteckten Schüttstroh, be­sonders am vordem Rande bekleidet sein müssen. Das so gebildete Gerüst wird mit gutem Rossledcr überzogen und mit dem sogenannten Dächel verse­hen, der das Kummt an seinem obern Theile schliesst und die beiden Gerüst­säulen fest mit einander verbindet. Darüber liegt der Kummtdeckel. Das Kissen soll aus Leinwand oder Zwillich bestehen, mit Rossharen gleichmässig gefüllt sein und die innere Seite des Kummts auskleiden. Das englische Kummt be­steht nur aus fest zusammengelegtem und gebundenem Stroh, welches mit glat­tem Leder überzogen ist. Jedes gute Kummt muss die dem Baue des Halses, der Brust, des Widerrüstes und der Schuftern entsprechende Weite und Länge, auch eine gute Kammer haben, an seinem hintern Rande gut abgerundet und ausgeschweift sein, und es muss eigentfich nur auf den Schultermuskeln auf­liegen. Das englische Kummt entspricht diesen Anforderungen weniger als das deutsche.
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nährten Körperzustande befindet, aber nicht passend wird, wenn das Thier abmagert. Dies ist sehr häufig der Fall bei Mililärpferden, welche in der Garnison musterhaft gepflegt, plötzlich angestrengte Märsche machen müssen. Manche Pferde haben in ihrem Baue eine grössere Disposition zu solchen Beschädigungen, namentlich diejenigen, welche ein sehr hohes Widcrrüst, entweder eine sehr schmale oder entgegen­gesetzt eine sehr breite Brust, oder auch einen Karpfenrücken, oder entgegengesetzt einen eingesenkten Rücken besitzen, und die, welche mit Narben von frühern Wunden oder Druckschäden auf dem Widcrrüst oder Rücken versehen sind; ferner diejenigen, welche beim Gehen von einer Seite zur andern eine wiegende Bewegung machen. — Oder 6) der Sattel ist fehlerhaft in seiner Beschaffenheit, z. B. nicht gleich-massig gepolstert, oder mit schlechtem Material gepolstert (mit Kälber­haaren, mit Werg, mit Seegras, Heu u. dgl.), welche Materialien sich leicht, besonders wenn sie feucht werden, zusammenballen, Knoten bil­den und dann drücken; oder der Sattelbaum ist ungleich und nicht glatt behauen, oder das eiserne Band, welches die beiden Stücke des Sat-lelbaums an der Zusammenfügung unterstützt, ist schwach, verbogen oder gebrochen1). — Eben so können die Kummte zu eng, die Kissen unter dem Geschirr ungleich und sonst schlecht gepolstert sein, das Sichlenzeug kann gedickt, von ungleicher Dicke, mit groben Nähten oder Knoten versehen, und sonst das Geschirr, soweit es von Lcder ist, hart getrocknet und dadurch drückend sein.
In Belrell' des zweiten Punktes, des schlechten Auflegens der Sättel und Geschirre liudct sich der Fehler sehr oft darin, dass entwe­der die unter den Sattel gelegte Decke ungleich zusammengelegt, mit Falten versehen ist, oder dass der Sattel zu weit nach vor- oder rück­wärts, oder dass er nicht gehörig fest aufgelegt worden ist. In Betreff dieses letzteren Punktes kann das Versehen entweder aus Unkennlniss, Schwäche oder Trägheit geschehen sein, oder es entsteht dadurch, dass manche Pferde sich beim Zuschnallen des Sattelgurtes durch Zurück­balten des Athems künstlich aufblähen und dann später bei dem dünn gewordenen Leibe der Sattel zu locker wird und rutscht, wodurch Falten in der Decke oder in der Haut entstehen und hierdurch Druck bereitet wird. Manche Pferde weiden auch, wenn sie einige Meilen hintereinander gehen müssen, theils durch öfters wiederholte Ausleerun­gen des Kothcs, theils durch die Arbeit schnell dünn im Leibe, und ihnen dann der Sattelgurt zu weit, wodurch ebenfalls Verschiebung des Sattels und Druck entsteht. In beiden Fällen kann dieser Nachtheil durch ein gehöriges Nachgurten vermieden werden.
Als dritte Veranlassung ist häufig der Reiter selbst zu betrachten, nämlich wenn derselbe keinen festen Sitz hat, daher namentlich wenn er auf dem Pferde sitzend schläft und dabei seine Körperschwere un­gleich auf dem Sattel vertheilt, sich von einer Seite zur andern wiegt
') Man erkennt einen entstandenen Bruch des Sattels am leichtesten, wenn man den Sattel umgewendet, d. h. mit dem Sitz nach unten, auf einen Tisch legt, dann mit heiden Händen die Sattelbäume ergreift und sie stark auseinan­der hiegt; es wird dann, wenn die Sattelbleche oder Bäume zerbrochen sind, ein Knarren und Voneinandergehen der Bäume zu bemerken sein.
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238nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Druchschäden. Behandlung.
und dadurch ungleichen Druck und Quetschungen erzeugt; ferner wenu der Reiter beim Auf- oder Absteigen den Sattel durch zu heftiges Ge-geuzicliea nach einer Seite verschiebt und so in der Decke oder in der Baut Fallen erzeugt und dergleichen. In diesen Fällen tritt jedoch mehrcntheils eine der vorhin erwähnten Veranlassungen gleichzeitig ic Verbindung, namentlich zu lockeres Satteln. Unter allen Urnständen entsteht der Druck eher, wenn die Pferde stark schwitzen oder über-linujit nass geworden sind.
Die Druckschäden lassen sich durch genaue Kenntniss ihrer Ver­anlassungen und durch Vermeidung derselben in den meisten Fällen verhüten. Um diesen Zweck möglichst sicher zu erreichen, ist vor allen Dingen der Sattel und das Geschirr von passender und guter Be-schalFenheit zu wählen, und die gehörige Vorsicht bei dem Auflegen desselben, mit Rücksicht auf den Bau des VViderrüstes, des Rückens und der Brust, so wie öftere Untersuchung dieser Verhältnisse, beson­ders bei fortgesetzten Märschen erforderlich.
Die Behandlung. Wie immer, so müssen auch hier zuerst die veranlassenden Ursachen entweder gänzlich entfernt, oder wo dies nicht möglich ist, wenigstens unwirksam gemacht werden. Es ist dabei nicht immer noting, dass Pferde, welche nur massig gedrückt sind, ganz aussei- Thätigkeit gesetzt werden, sondern dieselben können, wenn der Sattel oder das Geschirr in der Weise abgeändert sind, dass diese Ge­genstände die gedrückte Stelle ferner nicht berühren, sehr gut noch zur Arbeit benutzt werden. Alan lässt daher statt des bisherigen drücken­den Sattels und Geschirres einen gehörig passenden und gut gearbeite­ten Sattel auflegen, oder man lässt den bisher gebrauchten dadurch unschädlich machen, dass man, je nach seiner Weite und Beschaffenheit, entweder a. aR der Stelle des Sattelpolsters, welche auf die gedrückte Stelle des Körpers trilft, die Füllung herausnehmen, die hohl gemachte Stelle rund herum mit einem feinen Faden annähen und dadurch eine sogenannte künstliche Kammer bilden lässt, oder b. dass man die übri­gen Theile des Sattelpolsters neu auffüllen lässt; oder c. man lässt flache Kissen im Umfange der gedrückten Stelle unter den Sattel legen, oder endlich d. man legt eine dicke Filzdecke unter den ganzen Sattel, nach­dem man dieselbe an der Stelle, welche auf den Druckschaden trifft, mit einem entsprechend grossen Ausschnitt versehen hat. — In älinli-cher Weise mass auch das Geschirr, wenn das Thier noch fortarbeiten soll, verbessert, werden, indem man vor und hinter der gedrückten Stelle an die bclrcffcniien Theile des Geschirres Kissen von weichem Leder oder von Leinwand mit Rosshaaren gefüttert anbringt, um so durch Hohllegen des Geschirres an der gedrückten Stelle den Druck zu ver­hüten. Das gewöhnlich gebräuchliche Bekleiden der drückenden Ge-schirrstücke mit Flanell oder mit behaartem Rehfell nutzt wenig oder gar nichts. —• Stark gedrückte Pferde dürfen nicht weiter zur Arbeit benutzt werden.
Die eigentlich chirurgische Behandlung muss sieh nach den oben angedeuteten pathologischen Zuständen richten. Besteht nur die sehr massige Entzündung, so ist das Befeuchten der gedrückten Stellen mit Wasser, Esgt;igvva3scr, Oxykrat, Bleiwasser oder mit einer Auflösung von Potaschc, das Auflegen eines Stücks nassen Rasens oder das fin-
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Druckschäden. Behandlung.
gersdicke Aufsireichen eines Lehmbreies und das oft wiederholte Be­feuchten desselben zur Zcrtheilung fast immer ausreicliend. Bei tiefem Druck und sehr hcfliger, zum Brande neigender Entzündung kann man in der ersten Zeit dieselben Mittel benutzen; mindert sich dabei aber in 48 Stunden die Entzündung nicht bedeutend, so kann man Einschnitte in die am meisten geschwollenen Stellen durch die Haut bis an die obersten Muskelschichlen inachen und das Ausbluten durch oft wieder­holtes Abwischen der Scarifikationswuuden befördern und dann Um­schläge von jenen Mitteln fleissig appliziren. Mindert sich hierbei die Entzündung, verschwindet sie aber nicht, gänzlich, oder nimmt sie einen astheuischen Charakter an, so ist das Goulardsche Bleiwasser, oder eine Auflösung des Wund- oder Hcilsteins •) zum fleissigen Befeuchten der leidenden Stellen nützlich. Neigt die Entzündung zum chronischen Verlauf, so ist das Bestreichen der leidenden Stellen mit grauer Merku-rialsalbe, oder mit grüner Seife, welche mit dieser Salbe, oder bei ge­ringerer Emgfindlichkeit mit Campherliniment, oder selbst mit Terpen-thlnöl versetzt ist, zu empfehlen. Sowohl bei solchem astheuischen Entzündungszuslaude, wie auch da, wo Eiterung im Beginne ist, und wo man die letztere entweder noch verhüten oder schnell zu einer vollkommenen Ausbildung eines Abscesses führen will, ist nach der Er­fahrung von Rohlwess. Schrader i) u. a, Thicrärzte als das beste Verfahren die Anwendung der Kautharidensalbe zu benutzen. Die Ein­reibung muss gewöhnlich, wenn sie nicht recht stark wirkt, am andern und dritten Tage wiederholt werden. Nach solcher Einreibung der ganzen Quetschungsgcschwuht wird sehr häufig die Entzündung in der Art modifizirt, dass Aiillcsnng und Zertheilung der ausgetretenen Säfte und in kurzer Zeit Beseitigung aller Zufälle erfolgt. In anderen Fällen bildet sich nach der Einreibung in kurzer Zeit Eiterung im ganzen Um­fange der Quetschungsbeule, jedoch in vielen Fällen ohne dass Oeff-nnng an der Haut hinzutritt, sondern der entstandene Eifer wird resor-birt, die Geschwulst mindert sich und verschwindet in etwa 14 Tagen gänzlich. Man darf sich daher niemals mit der künstlichen Erölliiung eines auf diese Weise beförderten Abscesses übereilen, selbst wenn voll­ständige Fluktuation unter der Haut wahrzunehmen ist. Hält man viel­leicht bei übermässiger Anhäufung von Eiler die Eröffnung für noting, so mache man sie nur mittelst eines einfachen Einstichs an der niedrig­sten Stelle des Abscesses. Ist jedoch eine Oelfuiing bereits an einer höhern Steile vorhanden, so führe man von ihr durch einen niedrigen Punkt der Absccsswämle ein Haarseil. Uebrigens ist der Abscess ganz einfach wie ein gewöhnlicher zu behandeln und zur Heilung zu führen. In ähnlicher Weise wirksam, jedoch weniger zweckmässig hat sich bei schleichenden und tiefsitzenden Entzündungen die Anwendung des glü-
') Man bereitet denselben nach verschiedenen Vorscbrilteh, am einfachsten nach Kers ting aus blauem Vitriol und Alaun, von jedem ein halbes Pfund, Salmiak Jüj, puiverisirt laquo;ml in einem irdenen Topfe über Feuer zusainincngc-sdimolzcn und dann mit sect;/j pulverisirtem Campher versetzt. Nach dem Erkal­ten der Masse nimmt man —3J auf 1 Quart Wasser oder eines aromatischen Infusum.
quot;J S. Busch, Teutsche Zeitschrift f. Thierheiikunde. Bd. I. Heft 1. S. 19.
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Druckschäden.
Lenden Eisens gezeigt, wenn man mit demselben Punkte oder Striche, einen vom andern gegen 1 Zoll entfernt und so ofl wiederholt gebrannt hat, bis Ausschwitzung entstanden ist.
Die Behandlung des feuchten Brandes verlaugt zunächst Ausleerung der Brandjauchc durch gehörig liefe Einschnitte, und dann sucht man durch tonische und erregende Mittel die Vitalität zu erhöhen und da­durch der weitern Aullösung entgegen zu wirken. In dieser Absicht wendet man Waschungen und Befeuchtungen der leidenden Thcile mit einer Abkochung von Weiden- oder Eichenrinde oder Tormentillen-wurzel mit Zusatz vou spiriluöseu Mitteln oder von animalischen Infu­sionen, oder von Chlorkalk und dergl. (S. 70). Besteht dabei reichliche Erzeugung einer stinkenden Jauche, so kann man auch Pulver von aromatischen und adslringirenden Pflanzenmitteln mit Zusatz von Koh-lenpulvcr, oder auch vou Chlorkalk, einstreuen, wobei übrigens eine fleissige Reinigung nicht fehlen darf. Mit solcher Behandlung fährt man fort, bis entweder gute Eiterung eingetreten ist, oder bis eine andere Form des Schadens, welche eine anderweitige Behandlung verlangt, entstanden ist.
Bei dem trockenen Hautbrande muss man sich durch das Sondiren, durch die Art und Menge der ausfliessenden Feuchtigkeit und durch die Beschaffenheit der umgebenden Theile zuerst unterrichten: ob der Brandfleck allein besteht oder ob auch unter ihm Abscesse, Fisteln oder Brand vorhanden sind. Im ersteren Falle kann man den Brandfleck durch Bestreichen mit Fett und durch Einreibungen der umgebenden Haut mit gelind reizenden Salben, z. B. der Althaeesalbe, der Terpen-thinsalbe, der Elemisalbe und dergl. zur Erweichung und das darunter befindliche Zellgewebe zur Eiterung bringen, oder man macht für diesen Zweck auch, wo es ansführhar ist, warme Breiumschläge von erweichenden Mitteln. Da aber bei dieser Behandlung sich der Brand­schorf gewöhnlich nur sehr langsam ablöst, zuweilen erst nach mehre­ren Wochen, und da unterdessen durch den unter dem Schorf befind­lichen Eiter eine weitere Zerstörung erfolgen kann, so ist daher immer am gerathensten, den Brandfleck sogleich mittelst des Messers und der Pinzette von den umgebenden Theilen zu lösen, und dann die darunter befindliche Geschwürsfläche ihrer Beschaffenheit gemäss weiter zu be­handeln. — Ist, die Zerstörung nur bis in das Zellgewebe vorgedrungen, und zeigt sich dasselbe nach Ablösung des Schorfes von gesunder Be­schaffenheit, so ist es hinreichend, die entblösste Stelle mit einfachem Cerat zu bestreichen und dies später, etwa jeden zweiten Tag einmal zu wiederholen. Ist aber die Fläche unter dem Schorf kallös, so ist das Bestreichen mit Lapis infernalis zweckmässig, und nach dem Ab-stossen des hierdurch entstandenen Aetzschorfes benutzt man die soge­nannten Digestivsalben, z. B. Ung. flavum. Finden sich Fisteln, so spaltet man diese auf und verfährt, wie weiter unten angegeben werden wird, und bei Brand nach allgemeinen Regeln. Haben sich bereits Abscesse gebildet, wenn man zur Behandlung eines Druckschadens gerufen wird, so sucht man, je nach ihrer Beschaffenheit, die vollständige Reife der­selben herbeizuführen, ehe man an die Eröffnung geht. Für diesen Zweck kann man entweder nach allgemeinen Regeln die erweichenden Mittel in Form von warmen Breiumschlägen anwenden, oder, wie be-
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reits oben bei der Behandlung der Entzündung angegeben, das Ung. Canthaiidum einmal oder wiederholt auf die Haut streichen und dann abwarten, ob der Abscess sich -von selbst öffnet, oder ob noch Re-sorpliou des Eiters stattfinden wird.
Im ersteren Falle hat man hauptsächlich darauf zu sehen, dass der Eiler guten Ablluss erhält. Man erweitert desshalb die etwa zu kleine Oell'nung oder mau macht eine Gegenöffnung an der niedrigsten Stelle der Abscesshöhle, and übrigens verfährt mau nach der Beschaf­fenheit der Eiterung und der Granulation. Ist die letztere nur eiuiger-musspn gutartig, so vermeide man es, zu viel zu thun, namentlich mit fetten Salben und mit reizenden Einspritzungen zu fleissig zu verbinden, weil hierdurch leicht üppige Granulation und anderweitige Entartung herbeigeführt wird. Dagegen kann man sehr zweckmässig das von L und empfohlene Verfahren (Veterinär Selskab. Skrifter, 2 Deel, S. 362) benutzen, nämlich: man reiniget das Geschwür, füllt es mit Werg glelchmässig bis zu den Haulräudern aus und bedeckt es mit einem auf welches Leder gestrichenen Pflaster, welches aus schwarzem Pech und dickem Terpeulhiu zusammcugeschmolzeu ist. Das Pflaster muss rund herum gegen 1 bis 1| Zoll über die Ränder des Geschwürs hinweg­reichen, und letzlere müssen von Haaren befreit sein; es bleibt 5 bis 6 Tage liegen, wird dann behutsam vom untern Rande her, wo es sich gwöhnlich durch den Eiter schon etwas von der Haut getrennt hat, abgenommen, wieder neu mit der Pllaslerinasse bestrichen und dann wieder aufgelegt, nachdem das Geschwür gereinigt und zum grössten Theile mit neuem Werg ausgefüllt worden ist. Nach etwa vierzehn Tagen wird dieser Verband in derselben Weise erneuert und ebenso weiter bis zur gänzlichen Heilung fortgefahren. Bei dieser Behandlung können die Pferde, wenn übrigens der Sattel in der oben angedeuteten Weise entsprechend eingerichtet worden ist, so dass er auf die kranke Stelle keinen Druck macht, selbst massig gebraucht werden. Das Pflaster wird in dem Verhältniss, wie die Geschwürsöffnung allmälig kleiner wird, durch Beschneiden der Ränder ebenfalls allmälig ver­kleinert.
Fisteln werden stets bis auf ihren Grund aufgespalten und dabei aber besonders diejenigen Theile durchschnitten, welche eine Spannung oder Strictur bilden; und ausserdem werden alle entarteten Theile, z. B. kallöse Massen, halbaufgelöste Theile des Nackenbandes u. dergl mit dem Messer weggenommen, hierauf das Ganze mit Werg ausge­füllt und die nachfolgende Eiterung abgewartet. Zeigen sich dann noch cariöse Stellen, welche schlecht eitern, so kann man dieselben entweder mit dem Glüheisen oberflächlich brennen, oder von Zeit zu Zeit wie­derholt mit einer harzigen Tinktur, z. B. Aloe- oder Myrrhentiuktur, oder auch mit Terpenthiuöl oder Creosot befeuchten, und übrigens nach dem Charakter der Vitalität und nach dem Grade der Bildungs-thätigkeit Breiumschläge vou schleimigen oder entgegengesetzt von aro­matischen Mitteln anwenden, überhaupt nach den bei der Eiterung im Allgemeiuea angegebenen Grundsätzen verfahren.
Bei den Fisteln, welche sich vom Widerrüst bis weit herunter auf oder unter das Schulterblatt erstrecken, und wo man nicht die ganze Wand durchschneiden kanu, macht mau eine Gcgenöiruung, zieht auch
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Üruckscbftden.
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wohl ein Eiterband durch den Kanal oder man macht Einspritzungen von Cupr. sulphuricum (g(S zu gvj Wasser), oder von Quecksilber-Sublimat (9jj zu gvj Wasser), oder von Höllenstein (5J zu gvj Wasser): oder mau wendet das Ung. Cautharidum auf die Haut über dem Ver­laufe der Fisteln und deren Umgegend an, und wiederholt dies so oft, als die Ausschvvitzuug auf der Haut abtrocknet. Hierbei ist es stets sehr zweckmässig, den Thleren nur mageres und weniges Futter zu reichen und ihnen etwa jeden fünften, sechsten Tag eine Purganz zu geben, damit durch Ableitung die Eiterbildung in der Fistel so be­schränkt wie nur möglich werde.
Die Heilung erfolgt bei dieser Behandlung mit Kantharidensalbe in manchen Fisteln weit schneller, als bei den zu oft wiederholten Ein­spritzungen reizender Mittel.
Während der ganzen Kur muss man dafür sorgen, class die Pferde sich die kranken Stelleu nicht selbst reiben, wozu sie immer, beson­ders aber wenn die Granulation bis gegen ilie Haut hervorgewachsen ist, eine grosse Neigung besitzen. Es ist desshalb zweckmässig, den Thieien jetzt oft wiederholt Bewegung zu machen, sie im Stall hoch und kurz anzubinden, so dass sie sich nicht zu jeder Zeit niederlogen und mit dein Rücken keinen Gegenstand erreichen können. Das Nie­derlegen gestaltet man ihnen nur jeden zweiten oder dritten Tag ein­mal. Dabei kann man, um die Empflndlichkeit und die Spannung der Theile zu vermindern, die Hautränder im Umfange des Druckschadens mit einfachem oder mit Bleicerat bestreichen. Ausserdem sorgt man für Reinigung des Thieres, besonders im Umfange der gedrückten Stelle.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; b
Bleiben nach Widerrüstschäden Verdickungen der Haut, ungleiche Narben, oder schwammige Geschwülste, kalte Abscesse (Lymphge-schwüre) zurück, so kann man auf die zwei ersten pathologischen Folgen die graue Merkuiialsalbe oder die Jodsalbe anwenden, um die Resorption und Zertheilung auf milde Weise zu bewirken: aber die schwammigen Geschwülste reibe man sogleich und wiederholt mit Ung. Canlhaiidum ein. Alan hüte sieh, diese schwammigen Verdickungeli. welche sich nicht selten auf dem Rücken, besonders am hintern Ende desselben nach Druckschäden vorfinden, mit dem Messer zu ölfnen, oder zu exstirpiren; denn es entstehen hierdurch in der Regel sehr schwer heilende Wunden und bei der Heilung derselben mehr oder weniger dicke Narben.
Nach erfolgter Heilung eines Druekschadens muss jeder neue Druck durch den Sattel oder das Geschirr mit noch grösserer Vorsicht vermieden werden, als dies im Allgemeinen schon erforderlich ist; und müssen die Thiere dennoch mit denselben Utensilien wieder arbeiten, so hat man auch hier die Hülfsmitlel, welche oben zur Verhütung des wiederholten Drucks bei schon bestehender Quelscbung empfohlen sind, in Anwendung zu bringen.
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Die Brnstbeuie.
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Drittes Capitel.
Die Brustbeulc (Anticoeur1).
Ais Brustbeuie bezeichnen die Schrlftsleller eigentlich zwei ihrem Silze und ihrer Beschallenheit nach verschiedene Leiden der Zugpferde, nämlich: 1. als oberflächliche Brustbeuie eine mehr oberilächliche Ge­schwulst an der vonlern Fläche der Brust, die von mehr oder weniger bedeutendem Umfange ist und sich oft bis zwischen den Vorderbeinen unter die Brust, ja bis an den Bauch erstreckt, dabei anfanglich an einem Theil gespannt, am untern Thcil ödematös ist, grösslentheils aus ergossenem Blut und Blulwasser besteht, und in Zertheilung oder in Eiter- und Janchebildung übergeht. Oft ist die Geschwulst sehr schmerz­haft und im Verhältnisse zum Schmerze ist auch gewöhnlich mehr oder weniger Hitze und zuweilen auch Fieber zugegen; und 2. als eigent­liche oder scirrhöse Brustbeule eine über und ueben dem Buggelenk, in und unler dem gemeinschaftlichen Kopf-, Hals- und Armbeinmuskel sitzende Geschwulst, die anfänglich von geringem Umfange ist, auch in späterer Zeit sich nicht so weit ausbreitet als die erstere, aber in der Tiefe als eine harte, begränzte, knotenartige Masse sich darstellt. Auch bei dieser Geschwulst ist ausser dem Schmerz mehr oder weniger Wärme zu bemerken, sehr selten ist aber, selbst bei buhen Graden dieser Symptome, auch Fieber zugegen. Die letztere Geschwulst ent­wickelt sich in der Regel nur sehr langsam bis zu einem Durchmesser von circa 4 bis 5 Zoll, während die erstere Geschwulst gewöhnlich schnell entsteht; bei beiden gehen die, Thiere gespannt und bei der zweiten Form oft bedeutend lahm mit dem Fusse der leidenden Seite, fast wie bei Buglahmheit; auch wollen sie bei beiden Formen nicht gern im Geschirr anziehen. — Der Sitz dieser Geschwülste ist bei der ersten Form mehrerentheils nur in der Haut selbst, im Zellgewebe unter ihr und, jedoch weniger, in den Muskeln; bei der zweiten ist er immer in dem gemeinschaftlichen Kopf-, Hals- und Armbeinmuskel, oder auch zugleich in einer der neben dem Buge liegenden Lymphdrüsen.
Die Ursachen dieser Geschwülste sind solche Einwirkungen, welche Quetschungen an der Brust hervorbringen können; daher entsteht dieBrust-beule am leichtesten bei solchen Pferden, die eine stark hervorstehende Brustbeinsspitze, eine sogenannte Uabichlsbrust haben, weil bei diesen, wenn sie mit der Brust an einen harten Gegenstand laufen oder von einem solchen getrolfen werden, das Bruslbein entweder, oder die hier liegen­den weichen Theile weit, leichter gequetscht werden, als bei anderen,
') Mit dem ganz unpassenden Namen „Anticoeurquot; bezeichnen -die fran­zösischen Thierärzte fast allgemein eine Form des Milzbrandes oder des An­thrax, bei weieher Carbunkeln an der Brust zum Vorschein kommen. Tn diesem Sinne ist der Name bier nicht angewendet,
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244nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Bnistbeule.
deren Brustbeinsspitze mehr zurücksteht. Auf diese Weise entsteht gewöhnlich die erstere Form der Brustbeule, während die zweite Form durch den Druck zu hoch liegender Seitenblätter oder Brustblätfer und zu enger Kummte entsteht. In manchen Fällen scheint die letztere zu­gleich eine Folge innerer Ursachen zu sein; ich sah sie z. B. metastatisch nach schnell geheilter Hodenentzündung entstehen.
Ausgänge und Prognosis. Die Brustgeschwülste der ersten Art gehen meistens in gutartige Zertheilung und Heilung über, wenn nicht etwa das Brustbein mitgelitten hat oder entzündet ist, und wenn zur rechten Zeit ein zweckmässiges Heilverfahren eingeleitet wird. Geschieht Letzleres aber nicht, hat das Uebel schon seit einiger Zeit bestanden, oder haben die Ursachen sehr stark eingewirkt, so ist oft Eiterung und Verjauchung unvermeidlich. Ohne genaue Aufsicht und künstliche Hülfe tritt dann zuweilen Ergiessuug und Senkung des Eiters ins Zellgewebe zwischen die Muskeln, selbst bis in die Brusthöhle ein, wodurch üble Hohl- und Fistelgeschwüre, die sehr lange dauern und auch ge­fahrlich werden können, entstehen. Dies ist vornämlich der Fall, wenn das Brustbein durch die ergossene Flüssigkeit aiigcgrilfen und in Mit­leidenschaft gezogen worden ist, weil die Textur dieses Knochens sehr locker und schwammig ist und in allen solchen Knochen die einmal entstan­dene Caries sehr schnell um sich greift und schwerer zu heilen ist, als in mehr compakten und festen Knochen. — Die Bruslbeule der zwei­ten Art lässt. sich sehr selten zertheilen, sondern geht fast immer in Eiterung über. Bei zeitiger Oetfnuug des Abscesses kann die Heilung in 3 bis 4 Wochen erfolgen; bei Vernachlässigung entstehen leicht Fisteln, Senkungen des Eiters und speckartige Verhärtungen des Mus­kels; die Thiere lahmen längere Zeit und sind nur mit verändertem Geschirr und unvollständig zu benutzen.
Die Behandlung der Brustbeulen richtet sich zunächst nach ihrem Zustande, und zum Theil auch nach ihren Ursachen. 1st bei der ober­flächlichen Beule die Geschwulst noch in frischem Zustande, ohne be­deutende Ergiessung von Blut oder Serum und ist sie in Folge äusserer Ursachen entstanden, so ist immer die Anzeige zur Zertheilung dersel­ben vorhanden. Um dieser Anzeige zu genügen, macht man in den ersten 2 — 3 Tagen Umschläge von kaltem Wasser, Oxykrat, Bleiwas­ser u. dg!., aber nach dieser Zeit warme Bähungen von diesen Mitteln oder von zertheilenden Kräutern, die in Essig gebrüht sind. — Haben Ergiessungen von Blut oder von Blutwasser stattgefunden, so müssen diese durch gemachte Einstiche sofort entleert werden, um die Ent­artung dieser Säfte und die dadurch leicht mögliche Zerstörung der be­nachbarten Theile, besonders des Brustbeins zu verhüten. Ist die Ge­schwulst von bedeutendem Umfange und herabhängend, so muss man an der tiefsten Stelle derselben förmliche Gegeuöflhungen machen. Auch nach dem Entleeren der ausgetretenen Flüssigkeiten müssen die Bähun­gen mit wannen Infusen aromatischer Kräuter noch ileissig fortgesetzt werden. Bei grosser Empfindlichkeit kann man zu diesen Mitteln noch schleimige, bei grosser Erschlaffung aber adstringirende oder auch wein­geistige Mittel fügen.
Ist aber der erste Zeitraum solcher Geschwulst schon vorüber und die Eiterbildung im Beginne, was mau aus den diesen Ziustand beglei-
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Die Brtutbeule,
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tenden Symptomen wahrnimmt — so befördere man diesen Uebergang durch das Einreiben milder Fette oder Salben, oder durch fleissig fort­gesetzte warme Bähungen mit schleimigen Abkochungen, bis man an irgend einer Stelle den schon gebildeten Eiler bemerkt. Ist dieses der Fall, so säume man nicht mit der Entiernung desselben durch eine hin­reichend grosse Oettnung, welche man dann mittelst einer in sie geleg­ten lockern Wergwiccke einige Zeit offen erhält, bis die Eiterung sehr vermindert ist und die Oeffnung sich zusammenzieht und von Innen aus­füllt. Durch lauwarme Bähungen mit gelind aromalischen Kräuterauf-güssen bewirkt man dann noch die Reinigung und Heilung des Ge­schwürs. Sind jedoch in Folge von Vernachlässigung Fisteln und Hohigeschwüre entstanden, so müssen diese bis auf den Grund gespal­ten oder wenigstens nach Möglichkeit erweitert und dann je nach der Beschaffenheit ihrer Oberfläche und nach dem Grade ihrer Thätigkeit weiter behandelt werden, — in der Art, wie dies bei der Eiterung im Allgemeinen angegeben ist.
Ist das Brustbein angegriffen, so muss dieses, soweit die Muskeln getrennt von ihm sind, blossgclegt, dann der schadhafte Theil mit einem starken Skalpell entfernt, oder gebrannt und dann die Heilung durch gute Eiterung befördert werden.
Die Brustbeule der zweiten Art behandelt man in der ersten Zeit ihres Bestehens, wenn die Entzündung heftig ist, ebenfalls enlzündungs-widrig, jedoch nicht durch Umschläge von kaltem Wasser, Essigwasser, Bleiwasser, sondern durch Bähungen mit Salmiak, Kochsalz oder Pot-asche und durch Einreiben der grauen Merkurialsalbe, um die Zerfhei-lung der Geschwulst zu bewirken. Doch halte mau sich nicht lange damit auf, wenn nicht grosse Besserung sichtbar wird, da man durch diese milde Mittel den Zweck doch kaum noch erreicht, wenn die Ge­schwulst hartnäckig in gleichem Grade fortdauert. In diesem Falle kann die Zertheilung möglicherweise nur noch durch das Ung. Cantharidum
nach Zwischenzeiten von 5 bis 6 Tagen auf die
zwei-
bis dreimal
Beule gestrichen, oder durch ein Pflaster aus 12 Th. Terpenthin und 1 Th. Sublimat, — oder durch folgendes Mittel bewirkt werden: man nimmt Quecksilbersublimat 3j, pulv. Kanthariden und Euphorbiumharz, von jedem 3ij, rauchende Salpetersäure 3iij, und conzentr. Schwefelsäure 3vj; die Pulver werden in ein trockenes irdenes oder gläsernes Ge-fäss1) gethan, dann die beiden mit einander gemengten Säuren tropfen­weis hinzugegossen, das Ganze gut umgerührt und hierauf die, einer dünnen Salbe ähnliche Masse mit einem Span oder einem Spatel etwa in der Dicke eines Strohhalms auf die Beule gestrichen. Sind daselbst die Haare sehr lang, so schneidet man sie vorher dicht an der Haut ab, und unter die Beule kann man vorher etwas Gerat oder Fett auf die Haut streichen, obgleich die Masse nicht von der Applikationsstelle abfliesst. — Es entsteht daselbst in der Regel nur eine schwache Ent­zündung und oft kaum bemerkbare Ausschwitzung, aber die Oberhaut
1) Bei dem Zusammenrühren der Säuren mit den Pulvern erhitzt sich die Masse, steigt in die Höhe und fliesst aus dem Gefäss, wenn letzteres^ nicht noch einmal so gross ist, wie das Volumen der Mittel, — was daher bei der Wahl des Gelasses zu beachten ist.
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24Gnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Die Brustbeule.
stirbt ab, wird ganz trocken, löst sich nach etwa 8 Tagen vom Rande her allmälig mehr und niehr ab und kann nach und nach abgeschnitten werden. Zuweilen entsteht mit etwa 3 — 4 Tagen nach der Anwen* dung ein starkes (Jedem unter der Applikalionsstelle. Die Beule ver­kleinert sich langsam und verliert sich zuweilen erst nach 4 Wochen; ist in einem Falle die Wirkung des Mittels nur gering und besteht nach 3 Wochen noch eine bedeutende Härte au der Geschwulst, so kann man dasselbe noch einmal wiederholen. Die Thierc können bei dieser Behandlung, wenn die erregte Enlzündung vorüber ist, in einem pas­senden Geschirr arbeiten.
Wird die Zertheilung nicht erreicht, oder zeigt die Geschwulst schon von selbst eine Neigung zur Eiterung, so bewirke mau dieselbe so schnell als möglich. Dies geschieht sehr zweckmässig, wenn mau die Geschwulst täglich einmal mit Altbaeensalbe oder mit Fett, zu wel­chen beiden iMilteln man, um sie etwas erregender zu machen, den dritten Theil Lorbeeröl, oder Terpcnthinöl oder Tcrpenthin zusetzt, be­streicht, und dann, um sie immer in einer etwas erhöhten Temperatur zu erhalten, mit warmen Breiumschiiigcu oder mit einem wollenen Lappen oder mit einem Stück Feil bedeckt. Geht nun die Geschwulst in Eiterung über, so darf man nicht die Oefihung derselben so lange auf­schieben, bis die gewöhniieben Zeichen der Reife der Abscesse äusser-lich deutlich wahrnehmbar sind; — denn wegen der tiefen Lage der Geschwulst treten diese Zeichen nur sehr undeutlich, zuweilen gar nicht ein und nur in den wenigsten Fällen kann man den Eiter durch gegen­seitigen Druck beider Hände in der Tiefe wirklich fühlen. — 1st die Geschwulst über 7 — 12 Tage deutlich vorhanden, hat sie im Umfange und in ihrer Spannung zugenommen, so dass keine Eindrücke von den Fingern mehr auf derselben bleiben, ist die Wärme und der Schmerz zugleich vermehrt, ist vielleicht ein Fieberanfall vorausgegangen, so kann man früher schon das Vorhandensein des Eiters vermuthen, und muss desshalb zu einer baldigen Entleerung schreiten. — Zu diesem Behufe muss das Pferd in den meisten Fällen geworfen werden. Ist dies geschehen, so scheert man zuerst auf der Geschwulst die Ilaare soweit weg, als man den Schnitt machen will; dann spaltet man die Haut mit einem über die grösstc Hälfte der Geschwulst reichenden Schnitte von oben nach unten, geht darauf mit dem Finger in die ge­machte Oelfnung, um sich von der eigentlichen Lage und Beschaifen-heit der Geschwulst und der etwa über ihr liegenden Theile nochmals deutlich zu unterrichten uud schneidet dann neben oder durch den ge­meinschaftlichen Kopf-, Hals- und Armbeinsmuskel immer nach den Fasern desselben auf die Geschwulst dreist ein, bis man auf den Eiter­sack selbst kommt, welchen man durch das nachgebende, flukluirende Gefühl bei der Untersuchung mit dem Finger erkennt. Diesen öll'net man durch einen Stich mit dem Skalpell oder mit der Lanzette, so dass der Eiter frei ablliesst, bringt, nachdem man das Thier hat aufstehen lassen, eiue mit Degestivsalbe bestrichene Wergvviecke in die Wunde und hält diese so lauge offen, bis der Gruud sich von selbst mit ge­sundem Fleisch erfüllt und verschliesst. Bei dem Einschneiden darf man sich durchaus nicht durch die bedeutende Tiefe des Schnittes ab­schrecken lassen, in welcher man zuweilen denselben machen muss,
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Stollbeuleii.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;247
ehe man auf deu Eilev koiiinit. Die Behandlung tlei' hiernach etwa entsleheudeu Zulallc und die Nachbeliaudluug überhaupt gründet sich auf die allgemoincn Grundsätze.
In denjenigen Fällen, wo eine solche Brustbcule in eine ganz harte, scirrhöse Masse entartet ist. — es mag dies nach staltgcfundcner un­vollständiger ErölTnung der Beule oder ohne dieselbe geschehen sein,— gelingt die Auflösung und Zcrtheilung dieser Masse gewöhnlich auf keine Weise und es bleibt desshalb hierbei nichts anders übrig, als die Aus­schälung des krankhaften Theils des gemeinschaftlichen Muskels. Die Operation ist aber wegen der Nälie der Carolis und der Drosselveue uud einiger kurzer, starker Zweige derselben elwas schwierig und ver­langt grosse Vorsicht. Das Pferd muss hierzu niedergelegt werden. Nachdem die Haare an der Opcrationsslellc abgeschoren sind, sucht mau zuerst die Lage der genannten Gcfässe durch das Befühlen und durch den Druck auf das unterste Ende der Vene (um sie sichtbar zu niacheu) zu erforschen, uud führt dann über die Mitte der Beule in ihrer ganzen Länge von oben nach unten einen Schniit durch die Haut und deu Hautmuskel, dann präparirt man die Hautränder von dem ent­arteten gemeinschaftlichen Muskel, so weil wie die Verhärtung reicht, — trennt darauf den vordem Rand dieses Muskels und zugleich die etwa verhärtete Bugdrüse vou den angrenzenden Theilen, führt von diesem Rande um die verhärtete Masse einen fast halbkreisförmigen Schnitt durch die gauze Dicke des Muskels, zieht nun die Masse ver­mittelt eines durch sie gezogenen Fadens hervor und löset sie theils mit dem Finger, theils mit dem Messer von den darunter liegenden Theilen Eulsteheude Blutungen müssen immer sogleich durch die Un­terbindung der verletzten Gefässe gestillt werden. Bleibt an einer Stelle noch etwas vou der verhärteten Masse zurück, so kann man die­selbe mit dem Glüheisen brennen. Die Wundhöhle wird mit massig festen Tampons (Ballen) von Were ausgefüllt und geheftet. Man lässl das Thier vorsichtig aufstehen, stellt es umgekehrt in den Stand, giebt ihm bis zur eingetretenen Eiterung einen Wächter, nimmt den ersten Verband nach 3 Tagen ab und heilt die Wunde durch Eiterung.
Viertes Capitel.
Die Stollbeulen und Stollschwänunc').
Mit diesen Namen belegt man Geschwülste, die ihren Sitz an der hintern Seite uud auf der Spitze des Ellenbogens haben und von ver­schiedener BeschalTenheit, Grosse und Form sind. Die Grosse dersel­ben kann sich von der einer Haselnuss bis zum Umfange eines Kindes­kopfes erstrecken. Die Form ist oft nicht genau begränzt, sondern
') Da die hier abzuhandelnden Beulen und Geschwülste, die mit diesen Namen belegt werden, eben so oft von anderen Ursachen als von den Stollen der Hufeisen erzeugt werden, wie weiter unten gelehrt werden wird, so ist diese Benennung nicht ganz richtig, und es wäre besser, dafür diese Geschwülste, nach ihrem beständigen Sitze, Eilenbogen beulen zu nennen,
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Stollbeulen.
mehr ausgebreitet unter den allgemeinen Decken im ganzen Umfange des Ellcnbogengclenks; eben so oft aber ist sie vollkommen begränzt und dann flach aufsitzend, halbrund, ganz rund, birnförmig u. s. w. Die Beschallenheit der Stollbeulen ist grösslenlheils nach der Zeit ihres Beslehens verschieden; hiernach sind sie entweder frisch entstanden oder veraltet. Erstere sind immer mehr oder weniger stark entzün­det und zuweilen mit Ergiessung von Blut wasser verbunden; letztere aber sind meist sogenannte kalte Geschwülste ohne deutlicb bemerkbare Entzündung (wenigstens ist keine reine aktive Entzündung in ihnen zu­gegen), obgleich sie im Innern mit einer sehr geringen chronischen Entzündung verbunden sind. Daher flndel man bei den schon seit einiger Zeit bestehenden Stollbeulen meistens krankhafte Erzeugnisse solcher chronischen Entzündungen C Pseudo-Organisationen) und zwar von der verschiedensten Art. indem sie entweder weich und schwam-migt, oder fest und knorpelartig, ja selbst knochenarfig sind, mit oder ohne Balg bestehen und in demselben Lymphe, Jauche, Eiter, eine breiige, käsige Materie, auch sogar Haare enthalten. Ausserdem sind diese Beulen entweder fest mit der Haut verbunden oder auch an den Ellenbogen gewachsen, oder sie hängen frei und beweglich im Zellgewebe und lassen sich dann hin und her bewegen. Endlich sind die Stollbeulen auch in ihrem Entstehen und Verlaufe verschie­den, denn manche entstehen sehr schnell, binnen wenigen Stunden, in einer Nacht, und andere entstehen allmälig, erst in mehreren Tagen.
Die Ursachen. Alle Pferde haben gewissermassen eine Anlage zu Stollbeulen in einem, am Ellbogen unter der Haut und der sehnigen Ausbreitung sitzenden Sehnenscheidenbentcl, welcher, durch äussere Ein­wirkungen gedrückt, sich entzündet und dann in verschiedener Weise entartet. Doch muss ausdrücklich bemerkt werden, dass nicht bei jeder Stollbeule dieser Schlehnbeutel leidet, sondern die Quetschung und deren Folgen oll bloss auf die Haul und das Zellgewebe beschränkt sind. Die wichtigsten Veranlassungen zum Entstehen der Stollbeulen bestehen in aussein Veranlassungen, namentlich Quetschungen. Am gewöhnlichsten entstehen sie bei Pferden, die in engen Kastenständen, auf schlechtem, holperichtem Boden ohne hinreichende Streu stehen und liegen müssen, so wie bei denen, welche zu kurz angebunden sind, zu kurze Nacht-ketlen haben, so dass sie sich beim Niederlegen nicht gehörig aus­strecken können, und bei solchen, welche die üble Gewohnheit haben, sich wie die Kühe niederzulegen, so dass der Ellenbogen auf den einen Stollen des Hufeisens zu liegen kommt. Haut, Schlehnbeutel und Ellen­bogen gedrückt, entzündet und zur Bildung eines After-Produktes ge­stimmt werden, was dann die allmälig entstandene Geschwulst ist. Doch muss der Druck nicht grade vom Stollen herrühren, denn bei Pferden, die sich so niederlegen, entstehen Stollbeulen, auch wenn ihre Hufe nicht beschlagen sind; — der Druck des harten Hufes ist somit allein hinreichend zur Erzeugung derselben.
Nicht selten entstehen hierbei die Beulen aus einer Innern Dispo­sition und Wal dinge r sagt mit vollem Recht, dass bei Pferden, die häufig an Stollbeulen leiden, gewöhnlich die Lunge und die Leber nicht gesund sind und daher schlechte Säfte im Körper bereitet werden; — schon das Liegen der ïhieie auf der Brust deutet auf ein Leiden dieser
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Stollbeulen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 249
Art hin •). Ausserdem spricht noch für diese innere Disposition der Umstand, dass man die Stollbeulen bei Pferden mit starken Knochen und sthlall'em Bau, und die auf letlem, -wässerigem Boden erzogen worden sind, weit häufiger findet; wesshalb man auch das Uebel vor­züglich nur bei Holsteinischen, Holländischen und anderen Pferden aus niedrigen Gegenden antrifft, sehr wenig aber bei Thieren aus trockenen Gegenden, z. B. bei den Türken, Arabern u. s. w. Aus den angeführ­ten Ursachen findet man sie im Allgemeineu häufiger bei grossen Pfer­den, bei den Kürassicrpferden als bei den kleinen, bei Stadtpferden mehr als bei Landpferden. Man hat auch bemerkt, dass Wallachen mehr als Stuten, und diese mehr als Hengste Anlage dazu haben. — In manchen Fällen entslandcn die Stollbeulen nach inneren Krankheiten förmlich metastatisch und kritisch, mit auffallender Besserung des pri­mären Leidens. In manchen Jahren kamen sie iast epizootisch, plötzlich, oft nach Druse oder mit derselben zugleich, auch mit biliösen Leiden vor und ihr Sekret war gelblich.
Die Vorhersagung ist bei diesen Geschwülsten sehr unbestimmt in Hinsicht ihrer Entfernung und Heilung, — indem in vielen Fällen selbst bei den erst neu entstandenen doch alle Blillcl zur Zerlhcilung vergeb­lich sind, sondern die Geschwülste in Verhärtung übergehen und chro­nisch werden, wo dann oll ihre Entfernung sehr schwierig ist und sie auch bei der besten Fliege dcnuocli wiederkommen. In Hinsicht ihres Einilusses auf das Wohlsein der Tbiere und deren freien oder gehin­derten Gebrauch, ist aber die Prognose günstig, weil sie gewöhnlich nur beim ersten Entstehen das Thier etwas lahm machen, in der Folge aber ganz ohne Einfluss sind und nur als bedeutende Schönheitsfehler gelten.
Die Behandlung der Stollbeulen ist verschieden nach ihrer Beschaf­fenheit und hiernach kann man also für die Praxis folgende verschiedene Arten von Sloll- oder Ellenbogenbeuleu unterscheiden und darnach die jeder Art entsprechende Behandlung einleiten:
1) die frisch entstandenen Stollbeulen, die in Form einer mehr oder weniger ausgebreiteten Entzünduugsgeschwulst erscheinen und da­bei durchaus von gleichmässiger Spannung und Härte sind, ohne ergos­sene Flüssigkeit in sich zu enthalten;
2 ) diejenige Art, wo zwar gar keine Entzündung in der Geschwulst deutlich zu bemerken ist, dieselbe aber entweder ergossene Flüssigkeil in sich fühlbar enthält, oder wo die Geschwulst wie ein lockerer, gleich­mässiger Schwamm ohne bedeutende Höhlen und Abtheilungen im In­nern zu fühlen ist;
3)nbsp; sackartige und deutlich umgränzte, fühlbare Stollbeulen, die fest oder locker mit dem Knochen und den übrigen Theilen zusammen­hängen und irgend eine Flüssigkeit in ihrem Sacke enthalten, aber auch mit Wärme und einiger Empfindlichkeit verbunden sind;
4)nbsp; sehr harte und in ihrem ganzen Continuum fest anzufühlende speckartige Geschwülste.
') Ich glaube nicht, dass sie direkte Folge eines Lungenleidens etc. sind, sondern sie entstehen mittelbar aus der Art des Liegens, weil lungenkranke Pferde mit untergeschlagenen Fiissen liegen.
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230nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Stollbeuleii.
Aus dieseu angegebenen üutcrschieden der Stollbeulen wird man sehr leicht einsehen, dass es keine spezifischen Mittel zur Heilung der­selben geben könne, wie manche Leute dies glauben; doch aber haben aucli hier die augezeiglen Mittel immer mehr oder weniger Vorzüge vor einander, die jedoch so bedeutend nicht sind. Mehr als durch die ge­ringen Vorzüge des einen oder des andern einzelneu Büttels einer und derselben Art kann man durch ihre geschickte Anwendung und durch einzelne kleine Vortheile bei der Behandlung dieser Geschwülste über­haupt ei'reiclien. Die Praxis giebt dazu die beste Anleilung. Bei allen Arten der Stollbeulen kommt es bei der Belnndlung vorzüglich darauf an, dass man die veranlassenden Ursachen aulsuchc und beseitige und zunächst alle fernere, drückende, quetschende Einwirkung vermeide. Kann mau dies nicht bewirken, so gelingt es auch höchst selten, eine baldige und völlige Heilung herbei zu führen, indem das üebel sich immer wieder erneuert und somit oft wahrend der Anwendung der zweckniiissigslen Heilmittel täglich vergrössert, anstatt sich zu verklei­nern. Dies ist auch der Grand, dass manche Thierärzte bei übrigens gleicher Behandlung dennoch einen so ungleichen Erfolg ihrer Behand­lung sehen, indem der eine, der auf die Ursachen und überhaupt auf alle Umstände Rücksicht nimmt, recht glücklich in diesen Kuren ist, da hingegen der andere, der dies nicht that, gewöhnlich auch nicht von der Stelle kommt.
Um also diesen Zweck, die Verhinderung des Drucks für die Zu­kunft zu erreichen, muss man zunächst das Hufeisen des leidenden Fusses untersuchen und hierbei besonders seheu, ob die Stollen zu hoch oder zu spitzig sind, oder ob sie zu sehr nach der inuern Seite stehen. 1st einer dieser Zustände zugegen, so muss er zweckmässig abgeändert und wenn es die Umstände erlauben, muss das Eisen, wäh­rend der Uciluug wenigstens, abgenommen werden. — Findet man am Hufeisen keine Schuld, so erforsche man die Art, wie das Thier des Nachts liegt, und wenn man es mit untergeschlagenen Fassen liegend findet, so sehe man zunächst, ob das Thier durch einen engen Stand zu dieser Lage gezwungen ist, oder ob es freiwillig dieselbe wählt. Hiernach richtet sich die Abhülfe: im ersteren Falle durch einen grös-sern Stand und im letzteren durch ein ledernes Band, das mit vielen J- Zoll langen spilzigen Nägeln versehen ist und dem Pferde um den Fessel oder um den untern Theil des Schienbeins in der Art bei Nacht­zeit angeschnallt wird, dass die Spitzen der Nägel auswendig am Bande, an der hintern oder innern Seile des Fusses zu liegen kommen, damit das Pferd die Lage mit unter den Leib geschlagenen Füssen nicht aus­halten kann, weil die Nägel in die Brust stechen. Wo die Thiere we­gen kranker innerer Organe diese Lage haben, da nutzt solches Band nichts, sondern quält das Thier. Will oder kann man ein solches Band nicht anwenden, so muss man einen Ledersichuh, dessen hinterer Theil rund um die Ballen mit Rossharen gefültert und mit weichem Leder überzogen ist, jede Nacht anschnallen oder den Huf und Fessel alle Abende mit Stroh oder Heu gut umwinden lassen, um somit we­nigstens die Härte des Hufes zu mindern. Dieses Mittel ist auch nach der Heilung als Präservativmittel gegen die Stollbeulen so lange als möglich anzuwendeu. Ist von diesen Mitteln keins wegen Mangel an
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.SkiULieulen, Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; -^l
FJeisä und gehöriger Aufnierksamkeit vou Seilen der Pferdewärter an­zuwenden, so ist das sicherste Mittel zur Erreichung des genanuten Zweckes, dass mau während der Heilung das Thier so lange als mög­lich gar nicht niederlegen, sondern immer kurz angebunden stehen lässt. Aber auch dieses Mittel wird der Thierarzt nicht immer nach seinem Wunsche in Anwendung bringen können, weil die Pferdeelgenthümer und die Kutscher aus Liebe für ihre Thicre es nicht leicht tlmn wer­den, ein Pferd durch 8 oder mehrere Tage gar nicht niederlegen zu lassen, in dem Glauben, das Thier hält es so lange ohne Liegen nicht aus.
Was die Behandlung der Geschwülste selbst betrillt, so ist bei denjenigen, welche frisch entslanden und noch enlzündet sind — bei welchen öflers ein Thcil des Vorarms mit angeschwollen ist—, die An­zeige zur Herbeiführung der Zerlheilung vorhanden. Dieser sucht man zu genügen durch kalle Anstriche von Thon, Lehm oder Bolus, durch Umschläge von Oxvkrat, von Seifensicderlaugo mit Kochsalz, oder wenn die Geschwulst etwas ödemalüs ist, durch warme Bähungen mit Aufgüssen von aromatischen Kraulern iu Verbindung mit Sala oder Salmiak u. dgl. Die kühlende Behandlung darf nur so lange gesclie-hen, als wirlaich aktive Entzündung besteht, weil sonst leicht Verhär­tungen sich bilden.
Geht aber die Entzündung einer solchen Slollbeule mit Zurücklas­sung einer kallen, schmerzlosen Geschwulst vorüber, so ist sie wie die folgende Art zu behandeln: gehl sie in Eiterung über, so behandelt man sie wie einen gewöhnlichen Abscess. Der letztere Ucbergang ist ofl recht günstig, weil er häufig die gründliche Heilung bewirkt.
Kalte, schwammige Stollbeuleii ohne Höhleu in denselben sind ebenfalls noch ofl zur Zertlieiluiig zu bringen. Man wendet zu diesem Zwecke Einreibungen von stark erregenden Milleln, z. B. in der er­sten Zeit läglich ein Paar Mal von grüner Seile oder von einem Lini­ment aus Wasser und gemeiner Seife, später von Kantharidentinktur mit Lorbeeröl oder für sieh, oder von Slein- oder Terpentbinöl, vou Amtnoniumliniment mit oder ohne Kamphec, Merkurialsalbe mit Kampher oder mit Terpenlhiuöl, Terpenlhin mit Kali- oder Ammoniumverbindun-gen u. dgl. Besser als alle diese Mittel ist eine Zusammensetzung von schwarzer oder eigentlich grüner Seife mit Salmiak, Steinöl und Kanlha-ridentinklur iu folgendem Verhältnisse: schwarze Seife sect;iv, Salmiak sect;j, Steinöl und Kantharideutinklur äa g/S— 5^)- Dies giebt ein mitlelmüs-sig konsistentes Liniment, welches von ausscrordentlich kräftiger Wir­kung ist und dennoch die Haare nicht zerstört. Ganz ähnlich ist fol­gende Zusammensetzung: Kali carbon, gij, 01. tcrebinthin. giv, Liq. ammon. caust. giij, wozu man allenfalls noch etwas Kantharidentinktur oder Brandtweiu (sect;vj) hinzusclzt. Man wendet es läglich einmal durch tüchtiges Einreiben in die Geschwulst an und setzt jeden drillen oder vierten Tag damit aus, und an dem folgenden Tage wäscht man vor dein Einreiben das in den Haaren sitzende Liniment mit lauwarmem Seifenwasser ab. Die Geschwulst wird bei dem Gebrauche dieses Mit­tels massig entzündet, warm und schwitzt täglich etwas Lymphe in Gestalt eines Dunstes aus; wird jedoch das Ausschwitzen sehr stark, •so dass die Haare auf der Geschwulst zusamineukleben, so muss man
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Stollbenlen, Behandlung.
das Abwaschen mit warmem Seifenwasser noch öfters wiederholen. Das Ausschwitzen ist übrigens ein günstiges Zeichen von der beginnen-nenden Zerlheilung. Ist aber die Geschwulst, zu alt und sehr harluäckig, so kann man die Salbe durch sliirkern Zusatz von Salmiak, Steinöl und Kanlhariden in ihrer Wirkung noch erhöhen. Sicherer und schneller bewirkt man die Zerlheilung durch von Zeit zu Zeit wiederholte Ein­reibung der Kautharidensalbe, — oder durch das in einzelneu Streifen erfolgende Bestreichen der Haut auf der Beule mit Aciduin uitricum oder Acidum sulphuiicum, — oder durch das Aufstreichen des im vorigen Capitel angegebenen Gemenges aus Sublimat, Kanlhariden, Euphorbium, Schwefel- und Salpetersäure. Letzteres Mittel ist hier ein wahres Spe-zilikuin und verdient um so mehr Beachtung, weil die Thiere in etwa 6 Stunden nach der Anwendung wieder arbeilen können und die An­wendung gewöhnlich nur einmal nölhig ist. — Zulelzl bleibt eine schlalfe, oft bculelforniigc Haut zurück, die man durch stärkende Mittel, Kampher—. Salmiakgeist, Eichcnrindendekokt mit Alaun und ähnliche Mittel behandelt, um sie zu stärken und zu verengern.
Bei der dritten Art der Stolibculcn (die gleich vom Anfange ihres Bestehens oder erst nach eiuigou Tagen irgend eine Flüssigkeit, gewöhn­lich eine Art Blutwasser mit Lymphe gemischt enthalten, die mehr oder weniger deutlich begrenzt und mit, Wärme und Empfindung verbunden sind) darf man sich trotz ihres frischen Zustande^ und ihrer cnlzünd-lichcu Symptome dennoch keine Hollhung auf Zerlheilung machen, son­dern man muss sie baldigst durch einen Einstich, welchen man massig erweitert, ölliien und ihren Inhalt entleeren. Gewöhnlich findet man nach dem Oellhen eine Hohle, deren Wände sich etwas derb anfühlen und die in den meisten Fällen durch quer verlaufende sehnenarlige oder gefässarligc Fäden mit einander in Verbindung stehen. Diese Fä­den schneidet oder reisst man heraus, und reibt dann äusserlich die Kanlharidensalbe einigemale ein, um dadurch guiartige Eiterung und Verminderung der in der Umgebung der Höhle noch übrigen Härte zu bewirken. Fette Salben sind schädlich, weil sie die Erzeugung von schwammigem Fleische begünstigen. Bei guter Eiterung erfolgt die Hei­lung bald. Am Ende wendet man austrocknende Pulver von Enzian­wurzel, Eichenrinde u. dgl. mit Alaun an.
Die vierte Art der Stollbeulen sind die wirklich veralteten Balg-geschwülste. Die Behandlung derselben ist nach der Beschaffenheit des Balges und seines Inhaltes verschieden. Zerlheilung ist hier nicht mehr möglich, sondern es ist die Indikation zur Entfernung der Beule gegeben. Diesem Zwecke entsprechen viererlei Heilmelhoden, nämlich 1) das Abbinden der Geschwulst; 2) die Ausschülung derselben durch das Messer; 3) die Zerstörung durch eine in ihr erregte heflige Ent­zündung und Eiterung; oder 4) die Tödtung derselben durch einge­brachte speeifische Zerstörungsmittel.
Das Abbinden kann nur bei solchen Stollbeulen stattfinden, welche locker in einem langen Beutel herabhängen oder wie auf einem langen Stiele sitzen. Zum Abbinden bedient man sich zweierlei Methoden, a. indem man vor dem Anlegen der Ligatur die Haut um den Grund der Geschwulst durchschneidet; b. indem das Anlegen der Ligatur ohne vorhergegangene Hauttrennung erfolgt; das
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Stollbeulen, Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 233
erstere Verfahren hat den Voiiheil, dass ein schnelleres Absterben der Geschwulst dadurch herbeigeführt wird. In beiden Fällen legt man die Ligatur am Grunde der Geschwulst an, um alles Krankhafte mit zu entfernen, und zwar so fest, bis das Thier keinen Schmerz melir empfin­det. Zur Unterbindung gebraucht man am besten einen recht biegsamen, zähen und nicht zu dicken Messingdrath oder eine seidene gut ge­wichste Schnur; die Enden beider müssen nach aussen zu liegen kom­men, nach 24 Stunden fester zugezogen werden und so täglich, bis die Geschwulst abfällt. In der ersten Zeit nach der Unterbindung schwillt gewöhnlich die ganze Umgebung bedeutend an; das Thier hat mehr oder weniger Schmerzen, welche sich jedoch bald wieder verlieren. Die Geschwulst wird immer kleiner, stirbt zuletzt ganz ab und fallt von dem Ellenbogen los; vortheilhafler ist es, dieselbe, wenn sie halb ab­geeitert, wegzuschneiden. Dieser endliche Eintritt der Heilung richtet; sich nach der Dicke des Stieles der Geschwulst, der Stärke und Zahl der in denselben gehenden Gcfasse. nach dem Anlegen der Ligatur und nach mehreren anderen Umständen.
Die Entfernung der Stollbeulen durch das Messer ge­schieht nach dreierlei Variationen: 1) indem man von oben nach unten einen einfachen Schnitt über die Geschwulst durch die Haut macht, die Hautlefzen von einander zieht und die Geschwulst mit gänzlicher Scho­nung der Haut von den sie uingebeudeu Theilen lospräpadrt und aus­schält; 2) indem man einen Sclmitt macht und sowie vorher verfahrt; 3) indem man einen eiförmigen oder Zirkelschnitt mehr oder weniger nach dem Grunde der Geschwulst zu um dieselbe durch die Haut führt, dann die Geschwulst von allen unter oder neben ihr liegenden Theilen los­trennt und sie so zugleich mit einem auf ihr sitzenden Hautslück ent­fernt. Hierbei ist jedoch zu berücksichtigen, dass nicht zu viel Haut mit entfernt werde, weil sonst diese durch ihr Zusammenziehen nach der Operation zur Bedeckung und Vernarbung nicht hinreicht und die Heilung dadurch unnöthig in die Länge gezogen wird.
Die erstere Methode verdient wegen der darnach entstehenden we­niger grossen Wundfläche den Vorzug in denjenigen Fällen, wo der Umfang der Geschwulst nicht zu gross und diese nicht mit ihrer gan­zen Umgebung sehr verwachsen ist. Bemerkt man bei dem Ausschälen der Stollbeule, dass dieselbe mit breiter Basis fest auf dem Ellenbogen sitzt, so muss die ganze Beule entfernt werden, doch mit grosser Sorg­falt, um nicht die da liegenden sehnigen Theile und grossen Gefässe zu verletzen. Gelingt das reine Ausschälen nicht, so ätzt man die Ueber-reste mit Kali causlicum, Höllenstein, oder brennt sie mit dem Glüh­eisen, um sie theils durch das Brennen selbst, Iheils durch die darnach erfolgende Entzündung gänzlich zu zerstören. Dies ist um so mehr nothwendig, da die Erfahrung uns täglich lehrt, dass solche zurück­bleibenden krankhaften Theile iu einiger Zeit wieder zu einem grossen Schwämme anwachsen. Entslehen bei dem Ausschälen heftige Blutun­gen, so unterbindet man die blutenden Gefasse, wenn sie gross und leicht zu erreichen sind, oder man brennt sie mit dem Glüheisen. — Nach der Operation verbindet man die Wunde mit lockerem Werg, das mit einer gelinden Digestivsalbe bestrichen ist, und legt einen pas­senden Verband an. Nach eingetretener Eiterung ist es zweck-
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25laquo;
quot;-loliluiuleii. ßchandtung.
massig, bloss austrockaendc Pulver in die Wunde zu streuen und vor­her dieselbe jedes Mal mit warmem Wasser zu reinigen; hierdurch wird jeder beschwerliche Verband erspart, Wucherung und Eiterung beschränkt und das Zusammouziehen dpr Wunde befördert.
Die Zerstörung der Slollbcule durch eine in ihr her­vorgerufene Eiterung erfolgt nach dem Einbringen heflig reizender Mittel in die Höhle derselben. Man brennt entweder das Innere der Höhle oder man zieht ein Haarseil durrh und bestreicht nötbigenfalls dasselbe mit reizenden Milleln, Terpenlhinöl, Kantharidcnsalbe u. dg\. Zugleich macht man täglich mehrmals Bähungen mit schleimigen Ab­kochungen und sorgt für die griissle Reinlichkeit. Die Heilung erfolgt hierbei langsam und selten sründlich.
Die Tödtung dei Mittel, durch Arsenil
Stoliboiilen kann durch spezifische oder durch andere Sau ren und durch
Kupfervitriol geschehen. Sie gründet sich auf die Beobachtung, dass die mit einem Balge oder Sacke verseheneu Geschwülste, und so­mit auch die Slollbeulen dieser Art, sieh nach Anwendung der Säuren
allmälig iu ihrem ganzen Umfange lostrennen und zuletzt, völ
lig abster-
ben und ausfallen. Um dies zu bewirken, sticht man bis in die Mitte einer solchen Geschwulst mit einem Messer oder einer Lanzette eine massige Oell'nung, oder man brennt eine solche mit einem spitzigen Glüh-eisen bis in die Mitle der Geschwulst so gross, dass man mit dem Finger in dieselbe kommen kann, bringt auf einem Myrlhenblattc ohngefähr 5j weissen Arsenik in das Innere der Geschwulst und legt in die Oelfnung der­selben eine Wergwiecke, um das Herausfallen des Arseniks zu verhindern Hierauf enlslehl in der Geschwulst ein spezifischer Entzündungsprozess, die Beule wird massig warm, vergrössert sich bedeutend und eitert. Etwa nach 8 oder 10 Tagen bemerkt man am Rande der sehr gross gewordenen Oelfnung ein Lostrennen der Geschwulst, welches in 14 — 20 Tagen voll­ständig erfolgt und die Geschwulst darauf ausfällt. Auch die Schwefelsäure, Salpetersäure und selbst der konzentrirte Essig bewirken das Absterben der Stollbeulen, und als eins der allerbesten Mittel dieser Art kenne ich die Zusammenmischung von Kantharidenpulver mit der Schwefel- und Salpetersäure zu gleichen Theilen1). Etwas von dieser Mixtur wird auf ein Stückchen Holz gestrichen und dann dasselbe, wie bei dem Anlegen eines Fontanells, in die Oelfnung der Geschwulst gebracht. Bei allen Thieren erfolgt auf diese Weise weit seltener die Entfernung der Beulen, als bei jungen, weil ersteren die gehörige Kraft zur Erzeugung eines pas­senden Entzündungsgrades fehlt. Zur Verkürzung der Kur kann die Beule, wenn die Trennung derselben bcreils im ganzen Umfange ge­schehen ist, und sie nur noch im Grunde der Höhle wie an einem Stiele hängt, mit dem Messer losgetrennt und dann der Ort, wo dies geschehen, mit einem knopfförmigen Eisen gebrannt werden. Darauf wird die Höhle taglich einmal mit, Seifenwasser gereiniget und mit einem austrocknenden Pulver, zu dem man nach Bedürfniss selbst etwas
') Diese Mixtur muss unmittelbar vor der Anwendung bereitet werden, wenn sie wirkssm sein soll: daher braucht man niemalraquo; grosse Quantitäten in bereiten.
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Kniebeiilt;.
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Alaun, Vitriol u. dgl. reizende, üusammeuzichende Mittel hinzufügen kann, ausgefüllt, bis die gänzliche Heilung erfolgt.
l)ie melastatischen Stollbeulen ändern die Behandlung im We­sentlichen nicht, sondern dieselbe richtet sich nach der Beschallen heit der Geschwülste. Da diese Art meist von dem Ergüsse einer Flüssig­keit, begleitet sind, so ist von Anfang au auf die Eulleerung derselben mehr, als auf Zerlheilung Uüeksicht zu nehmen.
Im Allgemeinen kann bei allen Arten von Stollbeulen während der Behandlung das Pferd anhaltend gebraucht werden, wenn nicht ausser-ordenllichc Zufälle, wie z. ß. nach dein Ausschälen heftiges Fieber, zu starke Eiterung u. s. w. eintreten, wo bis zur Beseitigung derselben das Thier geschont werden niuss. — Bei Ochsen kommen zuweilen verschiedene Arien von Ellcnbogenbeulcu vor, welche ihrer Natur und Beschall'enheit gemäss auf dieselbe Weise behandelt werden miissrn. wie so ehpii bei denen der Pferde gelehrt worden ist.
Fiinl'tes Capitet.
Die Kniebenle und der Knieschwamm.
Bei Pferden und zuweilen auch bei Rindern kommen auf dem Knie der Vorderbeine und um dasselbe herum Geschwülste vor, die in allem, was die Ursachen, Entstehung, verschiedene Beschaflenheit und Grosse, und die Behandlung belrifft, mit den Ellenbogenbenlen die grösste Aehnlichkeit haben. Sie entstehen nur aus Quetschungen der um das Knie liegenden Theile und vorzüglich bei solchen Pferden, die oft stolpern und auf das Knie niederslürzcn, welche sich wie das Rind­vieh niederlegen und eben so wieder aufstehen, welche auf unebenem, mit spitzigen Feldsteinen gepflasterten Boden ohne gehörige Streu liegen müssen u. s. w.
Ihrem Sitze nach befinden sich diese Beulen entweder nur unter der Haut, oder tiefer zwischen den Sehnenscheiden, in diesen selbst, namentlich in der Scheide des Schienbeinstreckers oder zwischen den Bändern, und hängen dann mit diesen Thcilen, ja selbst mit den Kno­chen mehr oder weniger fest zusammen. — Ihrer Beschaffenheit nach sind sie entweder noch im frischen Zustande und dann mit den Zu­fallen der Entzündung, vorzüglich mit Schmerz verbunden, oder sie sind veraltet und daun fehlen diese Zufalle. In beiden Fällen bestehen zu­weilen Ergiessungen von Blut und Serum, zuweilen auch Eiterung.
Die Prognosis ist bei diesen Geschwülsten hinsichtlich der gründ­lichen Heilung weniger günstig, als bei den Ellenbogenbeulen, da die oberflächliche Lage des Gelenkes bei ersleren die Anwendung der bei den letzteren angeführten kräftigen und eingreifenden Mittel (das Brennen,
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Die Piephacken.
Vereitern, Ausrotten der Geschwulst durch das Messer) nur mit der grössten Vorsicht gestattet, und weil wegen der grösseru Bewegung des Kniegelenks, wegen der slralT anliegendRii Haut die bei der Ope­ration gemachten Wunden schwerer heilen. Uebrigeus ist ein solcher Schwamm der freien Bewegung des Kniegelenks und somit der Brauch­barkeit des Thieres selten sehr schädlich und desshalb meist nur ein grosser Schönheitsfehler.
Die Behandlung dieser Geschwülste richtet sich nach der Beschaf­fenheit und den damit verbundeneu Umständen. Sind die Beulen frisch entstanden, noch sehr warm und schincrzhaft, so sucht man sie durch anhaltende Anwendung von Infusionen aromatischer Kräuter oder von aromatischen Breiumschlägen, oder von einer Auflösung des Kochsalzes oder des Salmiaks in Essig m zerlheilcn. Erfolgt die Zertheilung der Geschwulst nur unvollkommen, d. h. verlieren sich die Eutzündungs-zutiille, während die Anschwellung noch zurückbleibt, so wendet mau die bei der zweiten x\rt der Stollbeuleu und bei den Verhärtungen em­pfohlenen Mittel au. Gelingt es auch dadurch nocli nicht, so kann man auf die Geschwulst die Kantharitlensalbe streichen und dies nach 5 — 6 Tagen wiederholen, oder man brennt die Haut auf ihr, jedoch nur ganz oberllächlich mit vielen Punkten, immer einen von dem an­dern einen Zoll weit entfernt. Zuweilen ist Blut oder Blulwasser in beträchtlicher Menge in die Beule ergossen, und wenn diese Flüssig­keiten beim Gebrauche zeiiheilender Mittel in einigen Tagen durch Re­sorption nicht entfernt werden, muss die Beule mittelst eines Einstiches von denselben entleert werden. Durch die gemachte Oeffnung unter­sucht man das Innere der Geschwulst, ob blossc Trennung der Theile oder auch krankhafte organische Veränderung derselben schon vorhan­den ist. Im ersteren Falle behandelt man dann die Beulen wie eine gequetschte Wunde, indem man sie durch warme Breiumschläge oder Bähungen von schleimigen, später aromatischen Pflanzen zur Eiterung und Heilung bringt. Im zweiten Falle muss man stärkere Reizmittel in die Wunde und äusserlich auf die kranken Theile bringen, wie die rothe Quecksilbersalbe, Einspritzungen einer Auflösung von Kali causti-cum u. dgl., um kräftige Eiterung in ihnen und hierdurch ihre Entfer­nung zu bewirken. Am wirksamsten ist auch hier die Kanthariden-salbe. — Dem Thier muss während der Behandlung durchaus Ruhe gegeben werden.
Sechstes Capitel. Die Piephacken. Capelets.
Geschwülste von verschiedener Beschaffenheit und Grosse, die über dem hintern Theile der Fusswurzcl oder dem sogenannten Sprung­gelenk und zwar auf der Spitze oder Beule des Sprungbeins ihren Sitz
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Fiephacken.
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haben, nennt man im Allgemeinen Piephacken. Man bemerkt dieselbeu am besten', wenn man sich zur Seile des Pferdes stellt und den be­zeichneten Ort befraclilet: denn hier kann man vornämlich erkennen, ob die über das Sprunggelenk verlaufenden Sehnen, wie die Sehne der Zwillingsmuskeln und des Kronbeinbeugers nur stärker entwickelt sind, was zuweilen der Fall zu sein pflegt, oder ob wirklich eine Piephacke vorhandeuj ist. Ihrem Bestehen nach sind diese Geschwülste entwe­der frisch entstanden oder veraltet; im ersteren Zustande sind sie ge­wöhnlich mit Schmerz und Wärme verbunden, im letzteren ohne diese, verhärtet oder schwammig anzufühlen. Beide Arten kommen mit Was-serergiessungen im Zellgewebe und in der Sehnenscheide vor.
Die gewöhnlichsten Ursachen dieser Geschwülste sind äussere Ver­anlassungen, welche Druck und Quetschungen der Haut auf dem Sprunggelenke oder der hier liegenden Sehnen, Sehnenscheiden und Sehnenscheidenbeutel bewirken; daher bemerkt man sie besonders oft bei solchen Pferden, welche die schlechte Gewohnheit haben, sich den Schweif zu reiben, wobei sie sich jedoch zugleich das Sprunggelenk drücken und quetschen, bei kitzlichen und lückischen Pferden, die häu­fig mit den Hiuterlüssen schnell ausschlagen und dabei mit dem Sprung­gelenk an harte Cegenslände kommen. Pferde, die in Schiffen über's Meer gefahren werden, zeigen oft nebst Quetschungen anderer Thcile frisch entslandene Picphackeu. — Ansscr diesen äussern veranlassenden Ursachen ist jedoch in manchen Pferden eine innere Anlage zum leich­tem Entstehen dieser Geschwülste vorhanden, besonders bei Stuten, denn mau findet sie viel häufiger bei schlaffen Pferden, als bei edlen und denen von trockener Constitution. In vielen Fällen, besonders während und nach überstandeuen fieberhaften Krankheiten sah man Piephacken ohne jede äussere Veranlassung gleichsam metastatisch entstehen.
Die Prognosis ist sehr ähnlich wie bei den Ellenbogenbeulen zu machen. Wenu die Piephacken noch frisch und mit Entzündung ver­bunden sind, verursachen sie in einzelnen Fällen dem Thiere Schmer­zen und Hinken; die schon einige Zeit bestehenden schaden dem Thiere sehr wenig oder gar nichts und gelten daher nur als widrige Schön­heitsfehler, die jedoch dadurch noch vergrössert werden, dass ihre völ­lige Beseitigung und gründliche Heilung oft sehr schwierig, ja unmög­lich ist, weil ihre Zertheilung wegen der Eigenthümlichkeit der Ge­schwulst selbst und mehr noch wegen der geringen Lebenskraft der sehnigen Theile, in denen sie ihren Sitz haben, gewöhnlich nicht leicht zu erfolgeu pflegt — ausserdem aber auch noch, weil diese Theile iu einer beständigen Spannung bleiben und sehr oft die Gelegenheit zu neuen Quetschungen nicht ganz vermieden werden kann. — Ist die Geschwulst schon sehr veraltet, ganz schwammig und verhärtet, so ist sie oft mit der grössten Mühe nicht, und bei sehr unruhigen und alten Pferden gar nicht zu entfernen.
Die Behandlung der Piephacken ist nach der Dauer und Beschaf­fenheit derselben verschieden. Die noch mit Entzündung verbundenen Geschwülste behandelt man im Allgemeinen wie frische Quetschungeu mit zertheilenden Mitteln, z. B. mit dem einfachen oder zusammenge­setzten Oxykrat, mit dem Bleizuckerwasser u. dgl. Verliert sie aber ihre Wärme und Empfindlichkeit, und bleibt nur nocli eine kalte, wässrige
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Piephacken.
oder schwammige Geschwulst zurück, so wende man um die Resori)-Hon zu befördern, Waschungen und Einreibungen mit Kampbergeist oder Seifengeist, Jodsalbe, flüchligcm Liniment, mit Tcrpenlhinöl, die graue Quecksilbersalbe mit Terpenthinül, überhaupt mit reizenden Mitteln fleissig an. Von ausgezeichnetem Erfolge war auch hier das bei den Slollbeulen beschriebene Liniment von grüner Seife, Salmiak, Kantha-ridenllnktur und Stcinöl, eben so das von Hinz sogenannte Linim. am-mon. alkol. aether. (Kali carbon. sect;ij, 01. terebinth, giv, Spir. sal. am-mon. giij, Spir. vin. sect;viij). Zuweilen ist eine blosse Èrgiessung von Lymphe ins Zellgewebe unter der Haut zugegen, mit wenig Ent­zündung, aber viel Spannung; hier soll nach Binz mit einer krummen Nadel ein Seidenfaden durchgezogen werden. Vergeht jedoch die Piep-hackc auf die Anwendung flieser Miltel auch nicht, so sind Einreibun­gen von noch mehr reizenden Milleln, den sogenannten scharfen, und das Brennen anzuwenden. Von den scharfen Mitleln sind von den praktischen Tliierärzlen verschiedene Pilaster und Salben vorgeschlagen worden, so das scharfe englische Pflaster, welches im frisch geschmol­zenen Zustande auf die Picphaeke, nachdem die Haare abgeschoren sind, aufgetragen wird. Es erfolgt bierauf Entzündung an der Ober­fläche der Geschwulst, Ausschwitzung von Lymphe, welche sich zu ei­nem Schorf verdichtet und nach einiger Zeit mit dem Pflaster zugleich abfallt. Oft muss dieses Pflaster nach einiger Zwischenzeit zum zwei­ten oder auch selbst zum dritten Mal angewendet werden, ehe man diesen Zweck erreicht In den Fällen, wo die scharfen Mittel nölhig sind, kann man mit diesem Pflaster allein ausreichen: hat man dasselbe aber nicht vorräthig, so können Einreibungen mit einer einfachen Kan-tharidensalbe, welche jedoch öfters wiederholt werden müssen, seine Stelle vertreten. Von einigen praktischen Thierärzten wird bei sehr hartnäckigen Piephacken auch die Spiessglanzbntter (Butyrum antimonii) als Einreibung mit Nutzen angewendet; die ganze Piephacke entzündet sich darauf heftig und schwitzt an ihrer Oberfläche viel Lymphe aus, welche zu einem Schorf eintrocknet und dann mit der zum Theil zer­störten und abgestorbenen Haut zugleich in Form von Schuppen ab­fallt. Ich sah jedoch nach der Anwendung dieses Mittels jedesmal kahle Flecken zurückbleiben, die gewöhnlich erst nach vielen Monaten, auch gar nicht wieder mit Haaren bedeckt wurden. Ich kann dabei' dieses Mittel nicht empfehlen.
Das Brennen der Piephacken mit dem Glüheisen muss so gesche­hen, dass seine Wirkung nicht zerstörend, sondern mehr der Wirkung der scharfen Mittel ähnlich sei; es muss daher in Punkten über die ganze Piephack everbreitet, zwar nur oberflächlich, aber doch so anhal­tend und eindringend angewendet werden, dass an den gebrannten Stel­len Entzündung mit vieler Ausschwilzung erfolgt.
Das Ausschälen der grossen schwammigen Piephacken ist durch­aus nicht anzurathen, weil wegen der grossen Spannung der Haut an dieser Stelle und wegen der nicht zu verhindernden Beugung des Ge­lenkes, wobei die Wunde jedes Mal wieder aus einander gezogen wird, die Heilung nach der Operation sehr schwer und langsam erfolgt.
Eben so ist das Eröffnen und das ScariQziren der mit Wasserer-giessungen.verbundenen Piephacken, wie es von mehreren Schriftstel-
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Quebcb. der Fiissc von dem Uebertreten der Halflerkette.
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lern empfohlen wird, am besten zu unterlassen, da es oft böse Wunraquo; ihn, Lässliche Narben und Verhiirlungen giebt und durch die Wirkung der reizenden und scharfen Mittel fast ganz entbehrlich gemacht wird. Glaubt mau in einem Falle ohne die Eröllhung eine grosse, fluktuirendc Piephacke nicht beseitigen zu können, so wende man sogleich nach dem Einstich die Kantharidensalbe an, und wenn die Entzündung zu heftig wird, wiederhole man das Mittel noch ein oder mehrere Mal.
Nach der Heilung der Piephacken bleiben zuweilen bemerkbare Spuren derselben, als Schwielen, einzelne verhärtete Stellen, Narben etc. zurück, welche man zwar nur sehr langsam, am besten durch öfters wiederholte Einreibungen mit aufgelöster Seife, oder mit warmem Ocl oder Thran. zu denen man noch etwas Jod-Kali zusetzt, beseitiget.
Siebentes Capitel.
Quetschungen der Eüsse von dem uebertreten über
Ilalftcrkette.
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Es kommt häufig vor, dass Pferde, aus Mnthwillen, Spielerei, oder mu sich mit den Ilinterfi'issen am Halse und Kopfe zu kratzen, — über die Halflerketle oder den Half!erstrick treten, durch einige Zeit über diesen Gegenständen mit dem Fusse sitzen bleiben und sich dabei bald mehr bald weniger quetschen und anderweitig beschädigen. An den Vorderfüssen bleiben die Pferde entweder nur einfach mit der hintern Seite des Fesseis oder der Ueugeschuen bis zum Knie auf dem Strick etc. sitzen, oder sie umwickeln sich bei diesen Veranlassungen zuweilen den Fuss gänzlich, und schnüren sich, um loszukommen, die genannten Theile förmlich ein. Im erslcreu Falle fiudeu sich die Symptome der Quetschung, der Entzündung oder auch selbst oberflächliche Hautver­letzung nur an der hintern Seite des Fesscls, der Beugcsehnen oder des Kuiees, im letztern Falle aber erstrecken sich die Zufälle mehr oder weniger rund um den betroffenen ïheil. An den Hinterfüssen verhält es sich im Allgemeinen eben so. Bei diesen Verletzungen an den Vor­derfüssen findet sich ausserdein in einzelnen Fällen eine starke Zerrung im Ellcnbogeugeleuk, wenn die Pferde bei dem Bemühen, aus dem Stricke zu kommen, grosse Anstrciiguugcn gemacht haben; au den Hinterfüssen findet sich häufiger eine starke Ausdehnung der in'nern Seite des Sprung­gelenks und in manchen Fällen entwickelt sich hiernach der Spat. Zu­weilen geschieht es noch, dass Pferde mit einem Hinterfuss sich der-massen iu dem Halfterstrick verwickeln, dass der Kopf und Hals nach der betreffenden Seite mit Gewalt hiugezogeu wird, dass dabei die Pferde niederstürzen, mit dem eingeschnürten Fuss heftige Bewegungen machen und sicli dadurch die Muskeln oder Bänder am Genick und Hals über-mässig ausdehnen, ja sogar unvollständige Verrenkungen der Halswirbel
und hierdurch lähmungsartige Zufälle herbeiführen
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Quetsch, der Fusse von dem Uebertreten der Halfterkette.
Die Erkennung dieser verschiedenen Verlelzuugen ist au den sie begleiteuden Symptomen der Entzündung, der enlzündlichen und der oedematösen Anschwellung, oft auch an den fehlenden, abgescheuerten Haaren, an der verletzten Oberhaut, so wie an der gcstüvlcn Funktion der Theile, leicht zu machen.
Die Beurtheilung ist je nach der oberflächlichen oder tiefer gehen­den Quetschung, nach der Ausbreilung derselben^ nach den ander­weitigen Zufallen u. s. w., in den einzelnen Fällen verschieden zu machen. Oberllächliche Quelschungen am Fessel oder an den Beuge­sehnen heilen gewöhnlich in 4—0 Tagen; sind aber die Sehnen bedeu­tend mit betrollen, oder ist die Haut durchrissen, ist Absterbung der Haut durch andauernden Druck entstanden, besieht Lähmung der Hals-mu.-keln u. s. w., so ist die Prognosis weniger günstig, denn unter diesen Umständen erfordert die Heilung eine Zeit von 14 Tagen bis 4 Wochen und zuweilen bleiben für lungere Zeit Verdickungen der Haut oder selbst der Sehnen, haarlose Stellen oder selbst dicke Narben wie von der Mauke übrig.
Die Behandlung. Im frischen Zustande ist die Anwendung des kalten Wassers, des Bleiwasscrs oder, bei nicht offenen Hautwunden, des einfachen Oxykrals am zweckmässigsten. Ist durch diese Mittel die erste Entzündung gemindert, so kann man bei grosser Empfindlich­keit lauwarme Bähungen oder Waschungen von narkotischen Mitteln mit Zusatz von Asche oder Potaschc, bei sehr geringer Empfindlichkeit aber von aromatischen Kriiuteraufgüsscn mit Potasche anwenden. Mit diesen Mitteln ist man gewöhnlich im Stande, die asthenische Entzün­dung und die gleichzeitigen Ergiessungcn von Serum im Zellgewebe und in den Sehnenscheiden zu beseitigen. In manchen Fällen bleibt aber auf der Haut ein Schorf zurück, welchen man mit Fett, oder bei be­stehender Auflockerung mit Bleisalbc täglich 1 — 2 Mal bestreicht und ihn so zum Abheilen bringt. Bleiben einzelne Parthieen verdickt, so macht man Fussbäder oder Umschläge von lauwarmem Seifenwasser und reibt des Abends die graue Mcrkurialsalbe ein. — Besteht in einem Theile nach Beseitigung der Entzündung noch Schwäche und Erschlaf­fung, so sind hiergegen Abkochungen von adstringirenden Mitteln in Verbindung mit aromatischen Pflanzeuinfusioncn oder mit Spiritus zu benutzen. Sowohl hier, wie auch bei den zurückbleibenden Verdickun­gen und immer wiederkehrenden oedematösen Anschwellungen kann man ausserdem noch mit besonderem Nutzen die leidenden Theile mit Binden einwickeln.
Sind Schrunden entstanden, so macht man lauwarme Fussbäder von Heusamenbrühe. oder bei grosser Empfindlichkeit der Theile von schleimigen Mitteln, bis gutartige Eiterung eingetreten ist, wo dann bloss die Eiterung mittelst lauwarmen Wassers bewirkt wird. Will aber gute Eiterung nicht erfolgen, so kann man die Quetschwunde mit einer Digestivsalbe während etwa 2 — 3 Tagen bestreichen und mit einem Wergpolster bedecken, wo dann gewöhnlich guter Eiter sich bald zeigt. Bilden sich hierbei weiterhin Verdickungen der Wuudränder, so ist das Bestreichen der Umgegend derselben mit grauer Quecksilber­salbe nützlich.
Die etwa bei diesen Verletzungen entstandenen Ausdehnungen am
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Quetsch, der Füsse durch das Streifen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;261
Ellenbogengelenk, am Genick u. s. w., werden in der ersten Zeit am zweckmassigsteu mit Bleiwasser, späterhin wenn örtlich keine erhöhte Reizbarkeit mehr besteht, mit aromatischen Infusionen oder mit Spiri­tuosen Mitlein, oder mit Campher— oder Ammoniakliniment behandelt. In diatetisclier Hinsicht ist nur zu bemerken, dass die Thiere, so lange die Schnierzeu bedeutend sind, Ruhe erhalten müssen, dass die­selbe in den Fällen, wo offene Schrunden bestehen, wo möglich bis zur eingetretenen Vernaibung fortgesetzt werden muss, dass aber in den Fällen, wo bloss (Quetschung beslanden hat, die Thiere nach Be­seitigung der Enlzündungszufälle gelinde Bewegung erhalten können.
Achfes Capitel.
Quetschungen der Füsse durch das Streifen oder Streichen.
Viele Pferde verletzten sich bei dem Gehen, namentlich bei dem Trabgehen das untere Ende ihrer Gliedmassen dadurch, dass sie mit dem Hufe des einen Fusses gegen die innere Seite des anderen Fusses mehr oder weniger heftig gegcnschlagen und sich dadurch Quetschun­gen und selbst oll'ene Verwundungen zuziehen. Dies geschieht an den lliuterfüssen häufiger, als an den vorderen und es wird dabei beson­ders die innere Steite des Fesselgelenkes, zuweilen aber auch die innere Seite des Schienbeins, oder der ßeugeschnen, oder auch unter dem Fesselgelenk der Fessel oder die Krone beschädigt.
In Folge dieser Quetschungen entstehen an den betroflenen Stellen entzündliche Anschwellungen. Blutexlravasale, oberflächliche oder tiefer gehende Qnerwunden, Entzündungen der Beinhaut, der Sehnen und der Gelenkbänder: dabei ist die Empfindlichkeit dieser Theilc in der Regel sehr gross, zuweilen bis zu dem Grade, dass ein Reizfieber hin­zutritt und die Pferde bald mehr bald weniger heftig lahm gehen. Zu­weilen schwillt von der verletzten Stelle aus die ganze innere Seite des leidenden Fusses oedematös an, die Lymphgefässc treten in dicken Strängen im Zellgewebe hervor und selbst die Leistendrüsen und bei Stuten das Euter nehmen an der Anschwellung Theil.
Die Erkennung dieser verschiedenen Zustände ist im Allgemeinen leicht. Im frischen Zustande findet man an der verletzten Stelle ent-weder nur die Haare gesträubt oder auch fehlend, die Haut ist dabei etwas angeschwollen, vermehrt warm und beim gelinden Druck schmerz­haft. In anderen Fällen ist die betroffene Stelle blutig, und im veral­teten Zustande ist dieselbe entweder etwas feucht von Eiter oder sie ist mit einem Schorf bedeckt. Die vorhin bezeichnete Anschwellung ist durch das Gesicht und durch das Befühlen zu erkennen; sie erstrekl sich zuweilen nur einige Zoll hoch über die veilelzle Stelle, in anderen Fällen bis über das Knie- oder Sprunggelenk u. s. w., ist aber fast
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Quetsch, der Fiisse durch Streifen.
ituniet' nur auf die iunere Seile dos Fusses beschränkt. In seltenen Fälleu entwickelt sich an der gequetschten Stelle au der iuiicru Seite des Fesselgelenkcs eiu wirklicher Abscess, bei welchem die Thiere ausser-ordentlieh heftige Schmerzen zeigen, selbst auf der Streu wenig stehen, Sündern mehr liegen, beim Gehen Angstschwciss schwitzen, selbst das Fuller versagen und dabei ein gelindes Fieber zeigen. — Die Lahmheil bei diesen quot;Verletzungen spricht sich selbst bei dem Gehen im Schrill durch gespannte und steife Haltung des betreffenden Gliedes aus, noch mehr aber bei dem Gehen Im Trabe, doch ist die Lahmheil dem Grade nach in den einzelnen Fällen sehr verschieden und nicht immer mit der Grosse der örtlichen Verletzung im richtigen Yerhältuiss: denn manche Pferde lahmen selbst bei grossen Qnetschbeulen oder Quetschwunden sehr unbedeutend, andere dagegen bei nur geringen örtlichen Zufällen sehr heftig. Ob diese Verschiedenheit darin begründet ist, dass in manchen Fällen einzelne Hautnerven besonders betroffen und entzündet werden, oder ob sich in manchen Fällen durch die bei dem forteeseiz-teu Laufen des Thieres unzählige Male wiederholte Verlclzung und Heizung derselben Stelle ein hoher Grad von Erelhisinus in der Um­gegend der verletzten Theile ausbildet ? — ist noch nicht gründlich cr-mitlelt, die letztere Ansicht aber die wahrscheinlichste. In nianchen Fällen ist es bei kleinen Vcrlctzmigcn dieser Art sehr schwer das Lahm-gehen eines Pferdes gerade nur als Folge derselben zu erkennen; man kann aber dies als sicher annehnien, wenn man 1) an dem aufgeho­benen Fusse 1) bei gelindem Druck an der verletzten Stelle den Schmerz in dem Grade erregt, dass das Pferd mit dem Fusse zuckt und dies jederzeit wiederholt, so oll mau den Druck daselbst erneuert, während bei dem Drücken mit derselben Kraft an anderen Stellen kein Zucken veranlasst wird; und 2) wenn dabei überhaupt au einer andern Stelle des Fusses keine Ursache des Lahmgehcns zu entdecken ist.
Die Ursachen des Streifens sind a. zu grosse, namentlich zu breite Hufe, besonders mit ungleichen zerbrochenen Wänden; b. zu breile, über den Huf hervorstehende Hufeisen, zerbrochene und thcilweis abgclöslc Hufeisen, zu stark hervorstehende Stollen, und auch eben solche Nieten
der Hufnägel; c,
fehlerhafte Stellung der Gliedmassen: d. fehlerhafte
Bewegung derselben
Die Beurlheilung des Streifens ist zum Thcil auf die eben vorhan­denen Verletzungen wie auch auf die Bescilignng der dem Streifen zum Gründe liegenden Ursachen und somit auf die müglichc oder nicht mög­liche radikale Beseitigung dieses Fehlers zu richten. Was nun zunächst die oben bezeichneten Verletzungen betrifft, so sind dieselben bei einer zweckmässigen Behandlung sämmtlich heilbar, jedoch nach ihrer Grössc
') Es ist bei dieser Untersuchung, mittelst Drückens den Schmerz und das Zucken des Thieres zu erregen durchaus nothwendig, dass der Fuss hierzu durch einen Gehiilfcn aufgehoben gehalten werde, weil gutmülhige oder auch sehr empfindliche Pferde bei völlig unverletztem Zustande ihrer Füsse dieselhen sogleich in die Höhe heben, wenn man dieselben etwas drückend befühlt, und weil hierdurch leicht Täuschungen entstehen können, während dies nicht der Fall ist, wenn der Fuss aufgehoben gehalten wird.
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und laquo;ach ihrer Dauer ist die Heilung bald leichter bald schwieriger zu bewirken. Oberflächliche Verletzungen sind gewöhnlich in 4—8 Tagen zu beseitigen, tiefer gellende und ältere bedürfen gewöhnlich einer Zeit #9632;von 10—14 Tagen. Zuweilen bleiben dicke Hanlnarbcn zurück, sehr häufig entstellen Ucberbchic. in manchen Fällen auch Verdidiangen der Sehnen. — lliusichllich des zweiten Punktes der Beuitheiluug ist zu bemerken: dass zu grosse Hufe sich bis auf einen gewissen Grad durch das Beschueiden des überflüssigen llorns verkleinern lassen und dass daher, -wenn der Huf uur eben durch Verwahrlosung zu gross gewor­den, dieser Fehler und das durch ihn vcranlassle Streifen beseitigt wer­den kann, dass aber wirklich zu gross gebildete Hufe eine solche künst­liche Verkleinerung nicht gestatten und dcsshalb bei ihnen das Streifen gewöhnlich für immer bleibend ist. Liegt der Fehler uur im Hufbe-schlage, so ist er am leichtesten und gründlichsten zu beseitigen. Feh-lerhafle Stellungen der Gliedmassen liegen oft schon in dem Bau der Brust, in anderen Fällen in der Richtung des Armbeins, oder des Vor­anns, der Kniec oder auch des Fesseis. Diese Abweichungen von der regelmässigcn Stellung sind bei der Betrachtung des Pferdes von voru und von hinten leicht zu erkennen, ihre Beseitigung ist aber in der Kegel nicht möglich und es ist daher auch das Streifen aus dieser Ur­sache niemals gründlich zu entfernen, sondern nur durch Palliativmittel zu mindern. Doch mnss man sich hüten, aus der fehlerhaften, nach einwärts gerichteten, engen Stellung der Füsse ohne weitere Prüfung des Ganges selbst auch auf fehlerhaften Gang und auf das nothwendige Entstehen des Streifens zu sehliessen; denn die Erfahrung zeigt, dass es sehr viele Pferde giebt. welche mit den Hinlerfüssen am untern Ende derselben sehr eng stehen und sich doch niemals streichen. Es ist daher nöthig, in solchen Fällen das Pferd auch in seiner Bewegung zu beob­achten. Zu dieser Untersuchung kann man dem Thier die innere Seite der Hufe mit Kreide reichlich bestreichen und dann dasselbe im Trabe durch einige Zeit laufen lassen, wo es sich dann, besonders bei Wen­dungen leicht wahrnehmen lässt, ob an einer Stelle des Hufes die Kreide abgewischt und an irgend einem Punkte der irinern Seite des andern Fusses angewiseht ist. Manche Pferde streifen sich mit der Zehenwand, andere mit der Seitenwand, und noch andere mit der Trachten wand des Hufes und im letztern Falle, wenn ein Hufeisen auf demselben liegt, streifen sie sich mit dem Stollenende desselben; gewöhn­lich geschieht dieses bei denjenigen, welche vom Fesselgclenk ab mit der Zehe nach auswärts gerichtet stehen (zehenweite oder französische Stellung): dagegen erfolgt das Streifen mit dem Zehcntbeil des Hufes oder Hufeisens, wenn die Thiere mit der Zehe nach einwärts stehen (sogenannte Zehentrefer)-
Die fehlerhafte Bewegung der Füsse als Veranlassung zum Streifen liegt entweder in fchlerhaller Stellung der Knochen und in ungleicher Ausbildung und ungleicher Thätigkeit der Muskeln der innern im Ver-haltniss zu denen der äussern Seite des Gliedes, oder in Mattigkeit und Schwäche des Thieres, welche letzlere durch die Jugend desselben, durch übermässige Strapazen oder auch durch Krankheiten bedingt sein kann. Die zuerst bezeichneten Ursachen der fehlerhaften Bewegung
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Quetsch, der Fiisse durch Streifen.
erkennt man theils aus der Stellung und Bescliairenhcit der Glied-massen, Iheils aus dem kräfligcn Bcnelnnen des Tliieres und aus der Abwesenheit der zuletzt bezeiclinetcn Zustände. ilinsichliich dieser zeigt die Erfahrung, dass sehr junge Pferde, wenn sie eben in Arbeit genommen werden, sowohl bei dem Reiten als auch bei dem Ziehen sich in der ersten Zeit sehr häufig streifen, späterhin aber, wenn sie erst an die Arbeit gewöhnt und bei gutem Futter kräftiger geworden sind, sich das Streifen gänzlich verliert. Eben so sieht man nicht selten, dass gut gebaute Pferde, welche sonst einen regelmässigeu Gang be-sassen, nach Krankheiten sich während einiger Zeit streifen, dann aber wieder regelnlässig gehen, wenn die Krankheitsschwäche verschwun­den ist.
Die Verhütung des Streifens ist durch Beseitigung der genannten Ursachen, soweit dies möglich ist, zu bewirken, und wo dies nicht ist, muss man wenigstens die der Verletzung unterworfenen ïheile durcli geeignete Schutzmittel gegen die Verletzungen selbst verwahren. In ersterer Hinsicht ist ein zerbrochenes Hufeisen zu entfernen, ein ver­schobenes zu befestigen, ein zu grosser Huf in dem richtigen Verhält-niss durch Beschneiden und Bcraspeln zu verkleinern, die fiufeisen sind in genau passender Grosse anzufertigen, oder selbst mit ihrem innern Arm ein wenig nach einwärts, d h. so unter die Wand zu legen, dass die letztere ein wenig über den Rand des Eisens hervorsteht, — der Rand des Hufes und des Eisens müssen recht glatt bearbeitet, die Nie­ten der Nägel gehörig in die Hornwand eingesenkt und an der Ober­fläche geglättet werden. Bei fehlerhafter Stellung und Bewegung hat man die Art derselben zu berücksichtigen und dafür zu sorgen, dass sowohl die Bewegung der Füsse, wie auch die Stellung derselben mehr nach auswärts erfolge. Demgemäss muss man denjenigen Pferden, welche mit der Zehe nach einwärts stehen, ein solches Eisen auflegen. dem der äussere Stollen fehlt, so dass hierdurch die innere Seite des Hufes mehr gehoben, die Zehe mehr nach auswärts gerichtet und hier­durch auch die erste Bewegung des Fusses in derselben Richtung an­geregt wird. Stehen die Pferde mit der Zelft nach auswärts, so lässl man den innern Stollen fehlen oder ihn niedriger machen. In jedem Falle muss der innere Stollen, wenn er am Eisen bleibt, abgerundet und etwas nach einwärts, unter den Huf gerichtet werden; und wenn das Streifen dennoch stattfindet, kann man auch den Stollen ganz fehlen lassen, dafür aber den ganzen Arm des Hufeisens dicker machen, ihn dann aber recht glatt abrunden. Fruchtet diese Aenderung der Huf­eisen nicht oder streift sich das Pferd mehr mit dem miltlcrn Theile der Wand als mit dem Rande derselben, so kann man auch die Nägel an der innern Seite des Hufes gänzlich weglassen. Erfolgt das Streifen mit dem Zehenthcile der Wand, so lässt man das Eisen an dieser Stelle schmäler machen oder auch seinem aussein Rande die Rundung nehmen und ihm dafür eine schräge Richtung geben u. s. w. Nicht selten lässt sich aber die Art des Beschlages nach keiner dieser Regeln im Voraus bestimmen, sondern nur die praktische Anwendung der ver­schiedenen Beschlagsarten zeigt es, bei welchem Beschläge das Pferd am besten gehen kann.
Ausserdem sucht man ferner die Verletzungen vom Streifen da-
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Quetsch, der Fflsse durch Streifen.
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durch zu verhülen, dass man einen sogenannten Streifriemen •) um denjenigen Fuss legt, gegen welchen das Thier schlägt, also nöthigen-falls um heide Füsse.
Die Behandlung der Verletzungen selbst geschieht im Wesentlichen nach allgemeinen Regeln (S. 225.), jedoch in den einzelnen Fällen nach den speziellen Erscheinungen etwas verschieden. Leichte oberflächliche Quclschungcu und eben solche Ilautvcrletznngen heilen gewöhnlich bin­nen wenigen Tagen von selbst; bildet; sich aber eine heftigere schmerz­hafte Entzündung aus, und gehen die Thierc dabei lahm, so sind kalte Fussbäder oder Umschläge von Wasser, oder Bleiwasser oder auch, bei sehr grossen Schmerzen, von einer schleimigen oder narkotischen Flüssig­keit fleissig anzuwenden, bis diese Zufalle beseitiget sind. Bei recht hefliger Entzündung und bei entstandenem Reizfieber ist ein Aderiass, die Anwendung antiphlogistischer Salze, magere Diät, und in allen Fäl­len strenge Ruhe noting. Entwickelt sich ein Abscess, so sind lau­warme Fussbäder oder Umschläge von narkotischen und schleimigen Mitteln noting, bis der Abscess reif geworden ist und geöffnet weiden kann. Letzteres darf jedoch nicht bis zur völligen Erweichung der Haut verschoben werden, sondern es kann geschehen, sobald man deut­lich Fluktalion auch nur in der Tiefe wahrnimmt; denn die Erfahrung zeigt, dass diese Abscesse immer erst sehr spät nach aussei! ihre Reife erhalten, sich dagegen oft unter die Sehnen ausdehnen und dass dabei die Thierc durch mehrere Tage unnütz an Schmerzen leiden; deun die letztern ändern sich immer augenblicklich nach Eröffnung des Absces­ses und die oben angedeuteten üblen Zufälle verlieren sich. Nach der Eröffnung eines solchen Abscesses am Köthengclenk lässt mau die warmen Fussbäder oder Umschläge noch so lange fortselzen, bis die
') Man bat drei Formen dieser Schutzbandage, nämlich den breiten Riemen, den Riemen mit der Kappe, und den runden oder vvurstförmigen. Der erslerc ist aus derbem aber weichem Leder gemacht, zuweilen mit Tuch gefüttert, ge­gen 3 bis 4 Zoll hoch (breit) und so lang, dass er fast um das ganze Fessel-gclenk reicht: an einem Ende ist er mit l Schnallen, am andern mit 2 Riemen versehen. Er wird am das Fcsselgclenk geschnallt. — Der 2te Streifriemen besteht aus einem ungefähr I Zoll breiten Riemen mit Schnalle und Strippe, und ist um die .Mitte des untern Randes auf einer Länge von circa 4 Zoll mit ei­nem fast halbkreisförmigen Schilde oder einer Kappe von starkem Lcder ver­sehen; er wird unmittelbar über dem Fesselgelenk so angelegt, dass Letzteres an seiner Innern Seite durch das Schild bedeckt wird. Damit das Schild sich gut um das Gelenk füge, kann es an seiner innern Fläche durch Klopfen mit dem Hammer hohl getrieben sein. — Die 3te Form besteht aus einem unge­fähr J Zoll dicken Cylinder von weichem Leder, im Innern mit Rosshaaren massig derb ausgestopft, an einem Ende mit einer Schnalle, am andern mit ei­ner Strippe versehen. Er wird über das Fesselgelenk angelegt. — Die erste Form drückt, scheuert und erhitzt die betrolfenen Theile und giebt auch zum Festsetzen von Schmutz, Sand u. dgl. die meiste Gelegenheit; die letzte Form hat diese üblen Nebenwirkungen am wenigsten. Alle Streifriemen müssen durch tägliches Reinigen und Einschmieren mit Fett recht weich erhalten und sie dürfen nur massig fest und mit der Schnalle an die äussere Seite des Fusses gelegt werden. — In neuerer Zeit fertiget man die dritte Art auch recht zweckmässig von Gummi clasticum.
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VcrMlIen,
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AbsccssliölilL- si('li mit guter Grauulalion gelullt und die Gescbwulst an den Rändern sich grösslcnlhcils verloren hat, worauf bei Hulie des Tlderes die Vernai-bnng leicht erfolgt. Wird aber der Eiler dünnflüssig, bleiben die Ränder dick oder werden sie idlmälig noch dicker, so be­stellt iu den leidenden Theileu eine schleichende, asthenische Enlzün-dung, gegen welche man am zwcckmässlgsteu die Kantharidensalbc iu dem Unifaugc, in welchem die Ycrdickung sich wahrnehmen lässt, auf die Haut applizirt und dies allenfalls nach einigen Tagen wiederholt, wenn die Wirkung von der ersten Applikation nicht stark genug ein­getreten sein sollte. Späterhin kann man die graue Quecksilbersalbe täglich 1—2 Mal auf die verdickte Haut in der Umgegend des Absces­ses einreiben. Iu den Abscess selbst bringt mau bei diesem Zustand kein Medikament: wenn sich jedoch üppige Granulation in demselben bildet, sucht mau diese durch Lapis infcrnalis zu beschränken. — Wun­den vom Streifen heilen stets nur durch Eiterung: und um die letz­tere zu befördern, ist das Befeuchten der Wunden mit lauwarmem Wasser, so wie das Bestreichen mit einer milden Digeslivsalbe gewöhn­lich hinreichend. — Verdickiiugcu der Haut sucht mau durch Fussbä-der oder Umschläge von Seifenwasser oder Auflösungen von Kali car-bonicum. so wie durch Einreiben der grauen Quecksilbersalbe oder der Jodsalbe zu beseitigen. Auch bei diesen verschiedenen Folgeleideu nach dem Streifen ist es zweckmässig die Thicrc erst dann wieder zu an­strengender Arbeit zu verwenden, wenn die Verletzungen geheilt sind, und immer müssen die Hufe zuerst zweckmässig beschlagen oder bear­beitet, und ein oder der andere Streifriemen angelegt sein.
iVeunles Capiiel. D as Verhalle n.
Pferde und andere Thicre quetschen sich auf harten unebenen Wegen den hintern Thcil ihrer Fiissc, die sogenannten Ballen, sehr leicht, wenn sie längere Zeit und schnell auf denselben gehen müssen, und nicht etwa durch einen guten Hufbescblag hiergegen geschützt sind. Bei Jagdhunden kommt dieser Fehler zuweilen im Winter vor, wenn sie auf der hart gefroruen Erde zu lange und anhaltend gebraucht wer­den ; Pferde, Rinder und Schafe verfallen aber gewöhnlich in denselben, wenn diese ïhierc auf harter Chaussee weit transportirt werden. Es leidet zuweilen nur ein Fuss und an diesem nur ein Ballen oder es leiden beide Ballen und oll auch mehrere Fiissc zugleich.
Das Uebel ist rein örtlich und änssert sieh durch folgende Sym­ptome: Das Thier steht mehr auf den Zehen als auf den Baileu und tritt nur gezwungen auf die letzteren, dabei wird das Fesselgelenk ent­weder nach vorn fibergeknickt oder der Fessel steht steil auf der Krone; beim Gehen lahmt das Thier und zwar auf hartem Boden mehr als auf
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Verballen. Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 267
weichemj und auch hierbei bemerkt man, tlass es mit den Baileu den Boden nieht gern berührt; dabei sind ferner die Ballen vermehrt wann, beim gelinden Druck mit den IJändeu schmerzhaft und zuweilen am Saume etwas aufgetrieben, oder der letzlere ist auch slellemveis ge-Iremit und aueb feucht. Leiden zwei llinterlusse zugleich, so hebt das Thier bald den einen, bald den andern Fuss abwechselnd in die Höhe; übrigens steht es dabei mit mehr nach hinten gestreckten Füssen, wäh­rend es, wenn beide Vorderfüsse leiden, dieselben mehr unter die Brust setzt, also entgegengesetzt der Stellung bei der llufenlzündung. Zuwei­len besteht auch, wenn mehrere Fiisse zugleich leiden, ein gelindes Fieber.
Bei Pferden culsleht zuweilen eine dem Verballen ähnliche Ver­letzung der Ballen auch durch Ouelschungcn von oben her, wenn sie sich entweder selbst mit den Zehen der llintcrfüsse auf die Ballen der VordciTüssc treten, oder -wenn sie von den zu nahe hinler ihnen ge­henden Pferden getreten (oder, wie man es nennt, aufgerilten) werden. In diesem letzteren Falle entstehea nicht nur (Quetschungen der Ballen, sondern zuweilen auch Quetsch wanden an und über denselben.
Die Beurthcilung dieser Quetschungen ist im Allgemeinen günstig zu machen; denn in den meisten Fällen erfolgt, bei der vorausgesetzten Ruhe und Schonung der Thicre und bei zweckmässiger Behandlung in 2 — 4 Tagen Zertheilung, und in den übrigen Fällen entsteht Eiterung, bei welcher zwar das llorn der Ballen sich mehr oder weniger, zu­weilen selbst bis zum Strahl bin von den VVeichgcbilden trennt und verloren gehl, aber dennoch die Heilung gewöhnlich in etwa 14 Tagen stattfindet
Die Behandlung der Verbällungen ist in der ersten Zeit stets eul-zündungswidrig, vermittelst kalter Fussbäder oder Umschläge, wobei die Thicre in magerer Diät, ruhig und auf weichem Lager erhalten werden. Ist der Saum weich, gespannt oder fluktuirend, so kann man ganz zweckmässig einen Einstich in die weichste Stelle machen und die er­gossene Flüssigkeit entleeren, hierauf aber die enlzündungswidrige Be­handlung so lange fortsetzen, bis die Zufalle gäuzlich beseitiget sind, oder bis Eiterung eingetreten ist. Zeigt sich die letztere, oder lindet man dieselbe schon bei dem Einstechen in den Ballen, so nimmt man alles logt;c Horn gründlich weg und macht lauwarme Fussbäder von Ileusamcnbrübe, oder man befeuchtet die offene Stelle mit einer schwa­chen Auflösung von Zinenm oder Cuprum sulphuricum. Besteht eine Fistel in dem Ballen und führt diese bis zur Sohle oder bis zum Strahl, so nimmt man auch hier alles getrennte Horn weg, spaltet die Fistel in der Richtung nach hinten vollständig auf und behandelt dann dieselbe nach der in ihr bestehenden krankhaften Tliäligkeit, so dass man bei guter Eiterung nur die Reinigung mit lauwarmem Wasser und einen trockenen einfachen Wergverband besorgt, — bei zu geringer Tliäligkeit aber aromatische Fussbäder, die harzigen Tinkturen, den VVundbalsam, Terpenthinöl, Creosot und dergleichen anwendet.
Sind die Thicre nur an einem Fuss und überhaupt nur im massi­gen Grade leidend, so können sie, wenn die Nolh es gebietet, wohl selbst noch kleine Märsche machen, sie müssen jedoch für diesen Zweck mit gehörig langen und gut gerichteten Hufeisen, oder mit gehörig lau-
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Steingallen.
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geu geschlossenen Hufeisen beschlagen und ausserdem mit einem schiiz-zenden Verbande au den Fiisseu bekleidet werden. Bei denjeDigen Pferden, welche sich mit der Zehe der Hinlerhufe greifen, ist ausser­dem noch desshalb besondere Vorsorge zu treffen; namentlich muss man die Zehe der Hinterhufe so viel wie möglich verkürzen, das Eisen daselbst recht gut abrunden und es ein Wenig hinter den Zchenrand der Wand legen, so dass diese um ein Paar Linien darüber hervorsteht. Auch kann man das Eisen statt des sonst gebräuchlichen Aufzuges au der Zehe mit zwei kleinen seitlichen Aufzügen verschen.
Zehntes Capital.
Von den Steingallen und den rolhen Sohleuflecken.
Die deu Huf mit bildenden weichen Theile können eben so gut, wie alle übrigen, bei einwirkenden Gelegenheitsursachcu gequetscht werden; da hier jedoch die allcrmeislcn Gelegcnheilsursachen zu Druck und Quetschnug nur allein auf die untere Flache des Hufes, nämlich auf die Sohle desselben IrcITen, so findet man auch fast nur hier allein die Quetschungen desselben, die man im Allgemeinen wegen ihres Anse-licus. da sie rothe oder blaue Flecken in der Ilornsohle bilden, mit dem Namen rotlic oder blaue Mählcr belegt. Am allcrhäufigslen kom­men solche blaue Mähler in den Winkeln zwischen den Trachtenwän­den und Eckstreben vor und hier nennt man sie Steingallen, weil sie häutig durch Qiielsclmng von daselbst eingeklemmten Steinen ent­stehen; doch kommen diese an der Innern Seile des Hufes weit häufiger vor als an der äussern , an den Iliulerfüssen selten.
Die Ursachen zur Entslchiing der Steingallen und der blauen Mäh­ler im Allgemeinen sind alle diejenigen, welche einzelne Stellen der Sohle drücken und quetschen, also namentlich: zu schwache, oder solche Hufeisen, die im Schusse (am Zehentheil) wegen zu langen Liegens sehr abgenulzt sind, bei welchen beiden sich leicht die Stoilenenden uach innen biegen und mm die Ilornsohle und die innerhalb derselben liegenden Theile quetschen. — ferner solche Hufeisen, die zu kurz, schlecht gerichtet sind, ungleich aufliegen und zu hohe und schlecht gerichtete Stollen haben n. s. w. So können auch fremde, harte Kör­per, Steine und dergleichen, welche sich zwischen das Hnfeisea und die Hornsohle oder zwischen die Eckslreben einklemmen, Ursachen die­ser Quetschung sein. Eben so viel wie in diesen genannten äusscreu Gelegenheilsursachen ist das Entstehen der blauen Mähler und vorzüg­lich der Steingallen auch in der Beschaffenheit des Hufes selbst begrün­det; denn man findet die meisten Steingallen nur an unregclmässigen. in einer oder der andern Art krankhaften Hufen, und namenllich bei sehr trockenen, zusanunengezogeueu, sogenannten Eng- und Zwang-hnfen, deren Wände sich am untern Rande anstatt nach aussen zu er-
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Steingallen,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;269
weitem, nach iimcn, nach der Sohle zu neigen und umlegen und welche dann so in Ycrbiudung mit der gewöhnlich sehr in die Höhe gezogeneu Uorusohlc die Fleischsolilc drücken und quetschen. Dasselbe ist der Fall bei sein' hohen, geraden, sogenanuteii Stock- oder Eselshufeu. Weil diese krankhaften Hufe gross!entheils durch zu grosse Trockenheit erzeugt werden, desswegen findet man die Steingallen meistenIheils aucli nur an den Yorderffissen und zwar im Allgemeinen mehr bei den Stadt­pferden als auf dem Lande, indem die letzteren mehr feucht, die erste-ren aber gewöhnlich trocken zu stehen pflegen.
Es ist liier aber noch die Frage, warum die Steingallen in solchen harten, hohen und hohlen Hufen eher entstehen und eher vorkommen als bei niedrigen, weichen, da doch dem Scheine nach es umgekehrt sein sollte, indem bei den hohen hohlen Hufen die Sohle weit mehr beim Auftritt geschiilzt sein sollte, als bei der entgegengesetzten Art? Hieran reiht sich noch die Frage, warum können Steingallen entstehen, ohne dass Druck von aussen auf die Sohle gewirkt hat und warum •^ind die Sleingalleu bei iinbeschlagcnen Füsseu weit, seltener als bei be­schlagenen? — Diese Fragen beantworten sich von selbst aus der Bauart des Hufes, namentlich aus der Verbindung der Hornsohle mit den Sei-lenwänden u. s. w. Man wird hierbei einsehen, 1) dass die Erhaben­heiten der Hornsohle an deren inneren, nach der Fleischsolilc zu ge­kehrten Flache bei trockenen, zusammengezogenen Hufen weit höher, schärfer, selbst spitzig werden und die Fleischsohle drücken und quet­schen müssen; 2) dass die Ecken oder Winkel der Sohle desswegen der Ort seien, wo Steingallen am häufigsten entstehen, weil daselbst die Fleischsolilc durch die Erhabenheit der Hornsohle am meisten ge­drückt wird; 3) dass die Slciugallen au der innern Seite des Hufes am häufigsten sind, weil beim Niedertreten der stärkste Druck jedesmal auf dieselbe wirkt: 4) dass unbeschlagenc Pferde aus zwei Ursachen seltener als beschlagene Steiugallen haben, nämlich, weil jenen a. das tiefe Aus­schneiden, b. die schlechten, oben angegebenen Eisen fehlen.
Die Erkennung der Steiugallen ist nicht immer ganz leicht, denn zuweilen lahmen die Pferde bei diesem Üebel, zuweilen auch nicht; eben so ist zwar oft Wärme und Schmerz der Hufe zugegen, oft aber auch nicht. Um die Steiugallen aufzufinden, muss zuerst untersucht werden, ob der Huf warm und beim Druck mit der Hand oder mit der Zange an irgend einer Stelle schmerzhaft sei; dann muss das Huf­eisen vom Fusse genommen und die Sohle mit leichten Spänen so aus­geschnitten werden, dass man die Farbe der Steingallen deutlich au ihrer Oberfläche erkennen kanu, nämlich an deu rothen Flecken. Hat das Pferd Schmerz an irgend einer Stelle beim wiederholten Untersu­chen gezeigt, und es linden sich beim Ausschneiden der Sohle keine rothen Flecke, so lasse man sich dadurch nicht irre machen, sondern schneide an dieser Stelle bis auf das Lebendige, wo man dann gewöhn­lich irgend eiue ergossene Flüssigkeit, Blut, Blutwasser oder Eiter findet
—nbsp; wenn dies auch oft nur sehr wenig ist. (Ich möchte daher die Steingallen in äusserlich sichtbare uud in äusserlich uusichtbare theilen).
—nbsp; Ob das Pferd an der Stcingalle lahm gehe, hängt von der Grosse und Beschaffenheit derselben und von der Gestalt des Hufes ab. Daher lahmen die Thiere gewöhnlich: 1) wenn die Steingalle gross ist und
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Stuiii quot;itllcn.
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eine dunkelrotlic Farbe bal; wenn das abgcschnidoue volhe Horn sehr locker ist und gleichsam wie verdicktes Blut aussieht, oder aber wie vertrocknetes Blut sicii zerreiben Jiissl; 2) wenn die Wände des Hufes sehr eingezogen sind; 3) wenn die Ilornsohle oder mehr noch die Hornwand sich von ihrer Verbindung trennen. Dahingegen hinkt das Pferd nicht 1) wenn die Steingalle einen kleinen Umfang oder eine blassrolhe oder nur gelbe Farbe hat; 2) wenn die abgeschnittenen Horn-späne zähe und beinahe dem gesunden Horn ähnlich sind; 3) wenn der Huf eine gute Gestalt hat, wenn dessen Wände stark, nicht ein­wärts gebogen und nicht getrennt sind. — Dass aber ein Pferd an den Sleingallen und nicht aus anderen Ursachen lahm gehe, erkennt man daran, 1) dass das Thier im Gehen nicht dreist auf den Ballen tritt (es tritt nicht durch); 2) dass beim Druck mit der Zange oder einem harten Körper das Thier Schmerz zeigt, zuckt; 3) dass vermehrte Wärme in den meisten Fällen zugegen ist und 4) dass man beim Nach­schneiden der schmerzhaften Stelle die blauen, rothen oder gelben Flecke oder auch Flüssigkeiten ihulet.
Die Prognosis der Steingallen ist sehr verschieden, namentlich darnach, ob dieselben neu entstanden, oder alt; mit heftiger Enlzündung hegleitet siud, oder ohne dieselbe bestehen; ob Eiterung zugegen ist, und zwar blos an der überlläche der Floischsohlc oder auch tiefer im Fleischgewcbe: ferner ob die Flcischwand mit gequetscht; ob die Horn­wand von derselben getrennt und darnach, wie der Huf beschaflTcn ist? In letzterer Hinsicht zeigt die Erfahrung, dass Steingallen in gut geform­ten, an den Trachten gehörig breiten Hufen in den meisten Fällen we­niger tief eindringen und auch weniger bösarlig sind, als in Zwang-liufcn und überhaupt bei verkrüppelten Hufen; ausserdem heilen sie auch in jenen leichter und sind in Zukunft sicherer zu beseitigen, als in diesen. Frisch enlslandene Steingallen sind zwar gewöhnlich mit Entzündung und desshalb häufig auch mit Lahmheit begleitet, allein sie sind leichter zu heilen als die veralteten; eiternde Sleingallen sind stels bedenklich, doch richtet sich ihre Wichtigkeit, wie bereits angedeutet, darnach, ob der Eiter bloss oberflächlich zwischen der Horn- und Fleisch­sohle sich befindet, oder am Gewebe der letzteren und der Fleischwand selbst. Im erstereu Falle ist die Sleingalle ohne Gefahr, besonders wenn der Eiter entweder nur dünn, dem Blutwasser ähnlich, oder wenn er von schwärzlicher Farbe (wie bei Jlufenlzündung); im lelztc-ren Falle dringt der Eiter gewöhnlich gegen das Hufbein und den Huf­knorpel in die Höhe, zerstört das Zellgewebe und kann leicht Caries am Hufbein und Knorpel und in Folge dessen die sogenannte Kuorpel-listel erzeugen. In günstigen Fällen dringt der Eiter äusserlich zwischen der Fleischwand und der Hornwand in die Höhe, einengt am Saume eine weiche Stelle und bricht daselbst in kurzer Zeit durch. In der Regel sind dabei die Pferde von befligen Schmerzen ergriffen und sein-lahm, doch erfolgt die Heilung nach der Eröffnung des Abscesses am Saume in kurzer Zeit, wenn übrigens au der betreffenden Stelle der Sohle eine gründliche Gegenöffnuug gemacht worden ist. Weun Stein­gallen in der Zeit, wo eben die sogeuauute Braudmauke herrschend ist, entstehen, so nehmeti dieselben auch sehr häufig ebenfalls einen brandigen Charakter an und veranlassen nicht selten bedeutende Zer-
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Steingallcn. Behandlung.
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slorungcu im ganzen Hufe, besonders auch Caries und in Folge des­selben die Knorpellistein.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.
Pferde mit obcrflächliclien, nicht mit heftiger Entzündung kompli-zirten Sleingallcn können fortwährend zu jedem Dienst benulzt werden, dahingegen sie bei lief gellenden, stark eiternden oder mit heftiger Ent­zündung komplizirlen Stcingallen geschont oder gänzlich in Ruhe ge­halten werden müssen. — Die Heilung und die Verhütung der Stcin­gallen hängt übrigens von einem zweckmässigen Ausschneiden und Be­schlagen der Hufe wesentlich ab.
Behandlung. Ist der mit einer Steingalle behaftete Huf unbcschla-gen, aber au seinen Trachtenwändcn zu hoch gewachsen, so schneidet man zunächst den Huf gehörig nieder. — ist er beschlagen, so wird das Eisen abgenommen und die etwa zu lange Trachtenwand ebenfalls bis zur richtigen Höhe niedergeschnitten; ausserdein schneidet man in jedem Falle mit einem Rinnmesser, oder mit einem Wirkmesser, oder mit einem Hufbobr das Horn in dem Winkel der Eckslrebelaquo; an der Sohle und an den letzteren so tief heraus, bis entweder ungefärbtes, d. h. nicht rolhfleckiges Horn zum Vorschein kommt, oder bis man auf die Floischsohlc gelangt ist und reines Blut zum Vorschein kommt. Nur auf diese Weise gelangt man zu der Ueberzeugung, dass tiefer unter dem Horn kein Eiter verborgen ist. Besteht bereits Eiler, so zeigt sich derselbe ebenfalls bei dem Ausschneiden des Hornes bis auf die Fleisehsohle. Findet sich hierbei unter der Hornsohle eine Höhle, so muss man, es mag Serum, Blut oder Eiter in derselben enthalten sein, alles getrcnnlc Horn gründlich wegnehmen, hierdurch die Höhle vollständig blosslcgeu und die umgebenden Ränder recht dünn schneiden. Ist der Eiter bereits an der Krone zum Vorschein gekommen, so muss ebenfalls an der Sohle das Horn durchschnitten und so verfahren wer­den, wie eben angegeben ist. Die weitere Behandlung richtet sich nach der Art und dem Grade der Zufälle. Besieht weder Eulzündung, noch bedeutende Lahmheit, so kann man nach geschehenem Ausschneiden der Steinsalle sogleich ein solches Hufeisen aufschlagen, welches auf dieselbe keinen Druck ausübt, sondern sie noch gegen denselben schützt; die Stcingalle selbst wird dabei zweckmässiger Weise mit et­was Baurawachs, oder mit Theer, oder mit Talg ausgefüllt, um das Eindringen fremder Körper und des Schmutzes zu verhindern und die Thierc können dann ohne Weiteres wieder zur Arbeit benulzt werden, —' Ist jedoch heftige Entzündung, Eiterung und Lahmheit zugegen, so kann zwar ebenfalls nach dem Ausschneiden der Stcingalle ein zweck-mässiges Hufeisen aufgelegt werden, allein das Wesenllichc ist hier: den Huf fortwährend kühl und feucht zu erhalten, bis diese Zufälle besei-liget sind. Für diesen Zweck macht man Fussbäder von kaltem Was­ser oder Bleiwasscr, oder Urnschläge von Lehinbrei, von Kuhmist und dei'gleicheu. — Ist ulceralive Eiterung zugegen, so macht mau warme Fussbäder von Hcusamcnbrühe oder von aromatischen Kräutern, oder bei sehr grossen Schmerzen auch von schleimigen und narkotischen Mitteln, bis gute Granulation auf der ganzen Fläche eingetreten ist. Die gegen die eiternden Steingallen so häufig angewendeten harzigen Tinkturen sind uur da zweckmässig, wo zu geringe Thätigkeit, über­haupt ein torpider Charakter in dem Geschwür besteht, oder aucli
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Ik
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Durchliegen.
wenn die Heilung bereits bis zur Oberfläche des Horns vorgeschritten ist, wo dann diese Millel die Vernarbung begünstigen, indem sie die Granulationen an der Oberfläche dichter und trockener machen. Für diesen Zweck kann man aber auch noch vorlheilhafter den Zinkvitriol, oder den Kupfervitriol, oder auch das Crcosot benutzen. — Die au dem Saume bei sogenannten durchgebrochenen Steingallen entstandenen Oeffnungen sind in der Regel blosse Trennungen des Saumes von der Krone und bedürfen daher in den meisten Füllen keiner künstlichen Behandlung; quillt jedoch die Krone an einer solchen getrennten Stelle stärker auf, oder sickert noch, nachdem an der Sohle eine hinreichende Gegenöffnung gemacht ist, beständig Eiter aus der oberen Oeirnung, so muss man das abgetrennte Horn des Saums in seiner ganzen Länge und bis zum Anfange der Fleischblältchcn mittelst eines Lorbeerblatt­messers wegschneiden, um so Druck und Reizung auf die Kronenwulst aufzuheben und den Auslluss des Eiters zu erleichtern.
Der Beschlag eines Hufes mit Steingallen muss immer so geschehen, dass das Hufeisen auf die Steingalle nicht drückt, sondern dieselbe frei lässt und auch sie gegen die Einwirkung des Bodens schützt. Das beste Hufeisen für diese Zwecke ist das sogenannte geschlossene oder runde Hufeisen, welches man entweder vor der Stelle der Steingalle nach abwärts richten oder, wie man es nennt, abkröpfen kann, oder man lässt den Arm des Eisens in gerader Richtung, schneidet aber die Trachtenwand, soweit die Steingalle sich erstreckt, gegen 2 — 3 Linien mehr nieder, als den Theil der Wand vor der Steingalle. Ein ebenfalls recht brauchbares Hufeisen ist hier noch das Eisen mit einem sogenann­ten Beistollen oder Nebenstollen. In Ermangelung eines andern Huf­eisens kann man von einem gewöhnlichen Hufeisen das hintere Ende desjenigen Arms, welcher auf die Steingalle trilft, vor derselben abhauen und es dann als sogenanntes Dreivierteleisen auflegen lassen.
Wenn eine Steingalle in die sogenannte KnorpelGstel ausartet, ent­steht Auftreibung der Krone, die Haare daselbst werden gesträubt und es bildet sich eine Oeflhung an irgend einer Stelle derselben, aus wel­cher beständig Eiter oder Jauche sickert, und in welche man mit einer Sonde bis auf den Knorpel eindringen kann. Das Weitere hierüber sehe mau bei den Geschwüren in der fünfzehnten Classe.
Eilftes Capitel. Das Durchliogcn oder Wundliegen. Decubitus.
Wenn Thiere, namentlich die grosseren, gezwungen sind, anhaltend zu liegen, so drücken sie sich an den hervorragenden Theilen bald mehr bald weniger heftig und bald oberflächlich, bald bis auf die Kno­chen durch und es entsteht auf diese Weise das sogenannte Durchlie­gen oder Wundliegen. Diese Verletznngen linden sich bei grossen
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Durchliegen. Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 273
Thleren, ihrer grössern Schwere wegen sehr häiiiig, besonders dann, weun die Thiere wegen Schmerz, oder wegen beständiger Aufregung oder auch wegen bösarligcn Naturells sehr unruhig liegen, wenn es an guter Streu fehlt oder wenn der Fussbodcn uneben ist. Ferner wenn die Thiere stark schwitzen oder wenn sie mit einem heftigen Enlziin-dungsfieber behaftet sind. Die am meisten betroffenen Theile sind da, wo die Knochen stark hervorragen, daher namentlich die Jochleiste, die Flügel des ersten und zweiten Halswirbels, der gewölbte Theil der Rippen, die Darmbeinswinkcl und die Erhöhungen an den Gelenken der Gliedmassen.
Die Erscheinungen des Durchliegens sind je nach der Dauer und der Art der Zufalle etwas verschieden. In der ersten Zeit besieht Ent­zündung, wobei sich Anschwellung mit vermehrter Wärme, mit Schmerz u. s. w. zeigt; weiterhin bilden sich Extravasate von Blutwasser, oder die Haut wird durchgescheuert, blutrünstig, oder es entsteht ein Brand­schorf oder Eiterung oder Brand. Die Eiterung ist gewöhnlich mit Verjauchung verbunden und zuweilen entsteht Caries. Fast immer wird durch diese Zufalle und durch die damit verbundenen Schmerzen das ursprüngliche Leiden bedeutend vermehrt und die Gefahr auch da­durch vergrössertj dass Eiter oder Brandjauche absorbirt wird. In günstigen Fällen erfolgt Heilung aller dieser Verletzungen, es bleiben jedoch in den meisten Fällen für längere Zeit kahle Flecke und zuwei­len auch hässliche Narben übrig.
Die Prognosis richtet sich zum Theil nach der Art und dem Grade der bezeichneten Zufälle, ausserdem aber hauptsächlich darnach, ob der ursprüngliche Krankheitszustand, durch welchen eben das Thier zum anhaltenden Liegen gezwungen wird, bald gehoben werden kann oder nicht, und ausserdem hängt sie von der Pflege des Thieres ab.
Die Behandlung. Zuerst muss man suchen das Thier bald wieder auf die Füsse zu bringen und es hierbei nötbigenfalls durch einen Hängegurt unterstützen, selbst wenn das Stehen abwechselnd auch nur während einzelner Viertelstunden zu bewirken wäre. Ausserdem sucht man dem Thiere durch Beseitigung der etwa vorhandenen Sehmerzen mehr Ruhe zu verschaffen, für diesen Zweck auch die Kolhauslecrung durch Klystiere und die Urinentleerung durch den Katheter zu erleich­tern, giebt ihm ein recht weiches gleichmässiges Lager, wendet es recht; oft (wenn möglich alle 2 Stunden) einmal auf die andere Seite des Körpers und unterstützt ausserdem die schon wund gelegenen Theile dadurch, dass man neben sie unter den Körper Kissen mit Stroh oder Heu legt. Die Therapie an den gedrückten Stellen erfolgt ganz nach allgemeinen Regeln, so dass man im Anfange kaltes Wasser, Bleiwas­ser u. s. w. anwendet, die Extravasate und Abscesse öffnet, die bran­digen Stellen scarilizirt und bei diesen Zuständen aromatische Kräuter­infusionen mit Chlorkalk und anderen, der Vitalität entsprechenden, Mitteln anwendet.
1laquo;
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j.
Dritte Classe.
Zerreissungen unter der Haut. Hupturae.
Erster Abschuitf.
Zerreissungen im Allgemeinen.
Die verschiedenen Weichgebilde besitzen, jedes in seiner Art, nach der Zähigkeit und Dichtheit seines Gewehes einen verschiedenen Grad von Ausdehnbarkeit, vermöge welcher sie äussern Gewaltthäligkeiten bis zu einem gewissen Grade Widerstand leisten, dann aber denselben nachgeben, sich dabei mehr oder weniger ausdehnen und bei dem höch­sten Grade der Ausdehnung zerrcissen. An Muskeln und Sehnen kann die Zerreissung auch durch die eigene übermässige Contraction der Muskelfasern bewirkt werden, besonders wenn die zu heftige Anstren­gung nur auf einzelne Muskeln eines Gliedes wirkt. Die meiste mecha­nische Ausdehnbarkeit besitzen die Haut und das lockere, langmaschige Zellgewebe, etwas geringer ist die Ausdehnbarkeit an den Sehnen und Bändern, an den Blutgcfässcn, an den Muskeln und Nerven und am geringsten an den straffen, sehnigen Ausbreitungen, welche an den meisten Stellen die Muskeln an ihrer äussern Überdache umkleiden. Je nach dieser Verschiedenheit der Ausdehnbarkeit sieht man auch die Zerreissuugeu an den verschiedenen Gebilden bald leichter und häufiger, bald seltener entstehen, und zwar an den sehnigen Ausbreitungen und an dünnen Muskeln am häufigsten, weniger häufig, aber doch eben nicht selten an Blutgefiissen, an dicken Muskeln und Seimen und am seltensten an der Haut. In manchen Fällen trägt jedoch 'nicht allein die Art des Gewebes zu dem leichtern Entstehen einer Zerreissung bei, sondern auch die durch die willkürliche Anstrengung der Theile oder durch die Stellung eines Gliedes während der Einwirkung der Gelegenheitsursachen erzeugte Spannung und Straflheit der Gewebe, und in manchen Fällen scheint die leichtere Zerreissbarkeit noch durch
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Zerreiasungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;275
eine besondere Anlage, welche in der Art der Ernährung und da­durch erzeugter Zartheit oder Mürbigkeit der Fasern begründet ist, begünstiget zu werden. Die äusseren Veranlassungen zu den Zerreis-sungen bestehen in Stössen und Schlägen mit harten, dicken Körpern, in Niederstürzen auf harten Boden und dergleichen, und die inneren Veranlassungen sind heftige Anstrengungen und Bewegungen der Glied­massen, z. B. bei dem Hintenausschlagen mit den Füsscu, bei dem Zie­hen schwerer Lasten, bei dem Ausgleiten u. dergl.
Bei solchen Veranlassungen können an yerschiedenen Theilen Zer-reissungen der Weichgcbilde entweder mit gleichzeitiger Trennung der Haut, oder ohne die letztere entstehen. Im erstercu Falle stellen solche Verletzungen die gerissenen Wunden dar und gehören als solche in die folgende Classc der chirurgischen Krankheiten; dagegen bilden die Zerreissungen ohne gleichzeitige Trennung der Haut eigenthümliche krankhafte Zustände, von welchen eben diejenigen, die in das Gebiet der Chirurgie zu rechnen sind J), hier betrachtet werden sollen.
1. Zerreissungen der sehnigen Ausbreitungen. Dieselben kom­men besonders an den Vorarmen, auf dem Schulterblatt und an den Hinterbacken vor und entstehen stets in Folge einer groben mechani­schen Verletzung, durch Einwirkung eines stumpfen Körpers, z. B. durch Gegenfahren mit der Deichsel, durch einen Hufschlag und dergleichen. Nach solchen Verletzungen schwillt der betroffene Thcil massig an und zeigt die Symptome einer frisch entstandenen Quetschung und gleich­zeitig schont das Thier den Theil beim Gehen. Nach einigen Tagen verliert sich entweder die Anschwellung gänzlich oder nur zum Theil und es bleibt im erstem Falle nur eine kleine Vertiefung an der ver­letzten Stelle übrig, in deren Umfange man unter der Haut sehr deut­lich die fast scharfen Ränder der zerrissenen sehnigen Ausbreitung füh­len kann; im letzlern Falle ist die zurückgebliebene Geschwulst lluktui-rend, und wenu man in sie einsticht, fliesst eine Quantität Serum und zuweilen mit ihm auch etwas Blut oder in Körnern oder Flocken ge­ronnener Faserstoff aus. In der geöffneten Höhle fühlt man die Rän­der der zerrissenen sehnigen Ausbreitung und ausserdem die darunter liegenden Muskelfasern. Nach dem Oeflheu entsteht in den meisten Fällen eine sclilechte Eiterung und die Heilung erfolgt oft nur schwer. Oeffnet man nicht, so wird, obgleich oft sehr langsam, nach und nach das Serum gänzlich absorbirt und es bleibt dann zuletzt nur, wie im erstem Falle, eine vertiefte Stelle übrig. Gewöhnlich drängt sich später­hin die Muskelsubstanz oder Zellgewebe und Fett durch die Oeffnung in der sehnigen Ausbreitung gegen 2 — 3 Linien dick hervor und bildet eine flache, schmerzlose Geschwulst, welche man mit den Fingern zu­rückdrücken und sie dadurch mit der sehnigen Ausbreitung in eine gleiche Fläche bringen kann, und in deren Umgränzung man wieder die Ränder der letztern fühlt. Wegen der Aehnlichkeit dieser An-
1) Auch innere Organe, namentlich der Magen, ein Theit des Darmkanals, das Gekröse, die Netze, das Zwerchfell, die Gebärmutter, die Harnbfase, die Leber, selbst das Herz zerreissen unter gewissen Umständen, und es entstehen hierdurch batd plötzlich tödtliche, bald mehr oder weniger gefährfiche Zufälle. Diese Verletzungen sind jedoch mehrentheils keiner Hülfe zugänglich und gehö­ren nicht in das Gebiet der Chirurgie,
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Zerrelssungen.
#9632; M #9632;
Schwellung mit einer Bruchgescliwulst hat man dieselbe mit dem Namen Muskelbruch bezeichnet. — Diese Zcrreissungen der sehnigen Aus­breitung wachsen geAvöhnlich nie wieder völlig zusammen, sie veran­lassen aber nirgends einen wesentlichen Nachtheil, sondern sind nur, wenn die ersten Zufälle der Verletzung vorüber sind, als unbedeutende Formfehler zu betrachten. — Die Behandlung ist daher auch nur auf die Beseitigung dieser ersten Zufälle gerichtet und besteht in der An­wendung zuerst kühlender und dann gelind erregender zertheilender Büttel, z. B. in Waschungen mit kaltem Wasser, mit Bleiwasser, mit Oxykrat, und zuletzt mit schwachem Branntwein oder mit einem aro-mafischen Infusum. Bei serösen oder blutigen Ergiessungen, welche nach der Beseitigung der Ueizzulullc zuweilen zurückbleiben, macht man einen oder einige kleine Einstiche und reibt dann das Ung. Cantharidum ein oder auch mehrmals ein, wie der Erfolg es etwa erfordert.
2. Zcrreissungen der Muskeln kommen im Umfange des ganzen Körpers vor und entstehen entweder durch ühuliche mechanisclic Ein­wirkungen von aussen oder auch durch zu heftige, ruckweise oder auch isolirte Anstrengung einzelner Muskeln, bei schweren Arbeiten, bei Affecten, bei Krämpfen u. dergl. Die Zcrreissungen erfolgen bald nur an einem, bald an mehreren Muskeln und zuweilen zugleich au sehnigen Ausbreilungen oder au Sehnen; ferner sind sie entweder nur zum Theil oder ganz und im erstereu Falle bald an der Oberfläche, bald mehr im Innern eines Muskelkörpers. Dabei werden immer bald mehr bald weniger Blutgefässe betroffen, und dadurch entstellt stets ein grösseres Extravasat als bei den Zerreissuugen der seimigen Aus­breitungen; die Zurückziehung der Muskelfasern ist an den verschiede­nen Muskeln in verschiedenem Grade bemerkbar. Je nach dem Um­fange der Zerrcissung und je nach dem Orte und der Funktion der verletzten Theile treten auch verschiedene Störungen und Complikatio-nen hiernach ein, namentlich entstehen bei Zerreissung der Bauchmus­keln Brüche (Hemiae), indem durch den Riss die Eingeweide aus der Bauchhöhle hervortreten und nur noch durch die ganz gebliebene Haut umkleidet werden; an den Gliedmassen entstehen Lahmheiten in ver­schiedener Art u. s. w.
Die Diagnosis der Muskelzerreissungen ist, je nachdem die verletzten Muskeln mehr der Oberfläche nahe oder mehr in der Tiefe liegen, und je nachdem die übrigen, eben angedeuteten Zufälle mehr oder weniger deutlich hervortreten, in manchen Fällen leicht, raehrenlheils aber schwierig zu machen und zuweilen gar nicht mit Sicherheit zu erlangen. Liegt der zerrissene Muskel nahe der Ober­fläche des Körpers, so sieht und fühlt- man an der verletzten Stelle unter der Haut eine Grube oder Lücke von verschiedener Grosse und Form und dabei in der ersten Zeit die Symptome einer geringen Ent­zündung oder Quetschung. Dies ist z. B. bei Pferden oft der Fall an dem gemeinschaftlichen Kopf-, Hals- und Armbeinmuskcl; dabei besteht Lahmheit an dem Fuss der leidenden Seite, namentlich mangelhaftes Aufheben und Vorwärtsbringen der Gliedmasse. Liegt der zerrissene Muskel tief unter anderen Gebilden, wie z. B. der Lendenmuskel, der ebenfalls den Zcrreissungen oft unterworfen ist, so kann man nur al­lein die gestörte Bewegung des Schenkels wahrnehmen und zum Theil
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Zcrreissungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;377
aus der letztem, so wie aus dem negativen Befund hinsichtlich anderer krankhafter Zustände und aus der vorausgegangenen Veranlassung, in­soweit diese bekannt ist, kann man immer nur auf eine möglicher Weise stattgefundene Ruptur eine unsichere Vermutlmng aussprechen.
Die Beurtheilung der Muskelrupturen ist je nach den angedeuteten Verschiedenheiten derselben in den einzelnen Fällen sehr verschiedeu zu machen. Oberflächliche und unvollständige Zerreissungen heilen gewöhnlich in kurzer Zeit, ohne dass Eiterung entsteht (welche über­haupt bei solchen subeulanen Yerlelzungen nur selten eintritt), mit Hin­terlassung einer bald mehr bald weniger sichtbaren Lücke in der Mus­kelsubstanz; dabei kann allerdings während der Zeil der Heilung und unmittelbar nach derselben eine Störung in der Brauchbarkeit des Thie-res herbeigeführt sein. Vollständige Zcrreissung eiues einzelnen Mus­kels veranlasst stets zuerst eine grosso Störung in der regelmässigen Bewegung, aber auch hier erfolgt oft eine ziemlich vollständige Ver­wachsung und nach einiger Zeit findet sich gewöhnlich auch die regel-mässige Beweglichkeil und Brauchbarkeit wieder ein, wenn a. die Zu­rückziehung der Enden des zerrissenen Muskels nicht zu gross und wenn eine gegenseitige Annäherung derselben nicht durch andere Um­stände, z. B. durch zu heftige Wirkung der Antagonisten, durch grosse Blutextravasale, hervorgetretene Eingeweide u. dgl. unmöglich gemacht wird, und b. wenn das Thier während der Heilungszeit die nöthige Ruhe erhält — Sind mehrere Muskeln zugleich zerrissen, so dass in einem grössern Umfange Oeffnungen oder Lücken zwischen den getrenn­ten Theilen bestehen, und wenn zugleich durch die entgegenwirkenden Muskeln diese Oeffnungen oder Lücken beständig offen gehalten wer­den, so erfolgt gewöhnlich keine oder nur eine sehr unvollständige Hei­lung, ja nicht selten gehen die Thicre in solchen Fällen an den hinzu­getretenen heftigen Zufallen, namentheh an heftigem Entzündungsfieber, an Entzündung der Eingeweide, an inneren Verblutungen u. s. w. zu Grunde. In denjenigen Fällen, wo keine bestimmte Diagnosis zu er­langen ist, kann natürlich auch die Prognosis nur unsicher gemacht werden.
Die Heilung erfolgt in den meisten Fällen an den verletzten Stel­len selbst nur unvollständig, weil die Ränder der Ruptur sehr un­gleich, faserig sind und zugleich weil dieselben vermöge der Contrac-lilität der Muskelfasern und vermöge der Wirkung der entgegengesetz­ten Muskeln immer auseinander gehalten werden; doch verlängern sich nach und nach die einzelnen Muskelbündel und die Ränder treten un­ter günstigen Umständen theilweis in gegenseitige Berührung, auch legt sich der Faserstoff des Blutes zwischen sie und es wird dadurch ein Verwachsungsprozess bald mehr bald weniger herbeigeführt. Dies ist besonders der Fall bei solchen Muskeln, welche entweder in einer aponeurotischen Scheide oder zwischen anderen Muskeln gleichsam ein­geschlossen sind.
Die Kur besteht hauptsächlich in ruhigem Verhalten und einer passenden Stellung des verletzten Theils während der Heilungszeit, in der Minderung der zu heftigen Entzündungszufälle und in der Besei­tigung der etwa bestehenden Complikationen. In ersterer Hinsicht muss man das Thier, wenn es ein Pferd oder Rind ist, mittelst eines Hänge-
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XeiTeissungen.
gurtes unlerslülzcn und bei Zerreissungen der Muskeln der Gliedmassen nodi durch Scliienen und Bandagen dem Gliede eine solcLe Stellung zu geben suchen, bei welchen die Enden des zerrissenen Muskels ein­ander genähert werden. In Bclrcff der zweiten Anzeige ist die An­wendung küblender Mittel, so lauge heftige Entzündungszufalle bestehen, nützlich, späterhin kann man gelind aromatische und selbst gelind ad-stringirende Mittel anwenden, lliusichtlich der dritten Anzeige muss man, je nach den besonderen Zufällen, z. B. bei Brüchen, bei heftiger Blutung u. s. w. die geeigneten Mittel und Verfahrungsweisen (S. Brüche und Zerreissung der ßlutgefässe) in Anwendung bringen.
3)nbsp; nbsp;Zerreissungen der Sehnen kommen fast nur bei den grosseren Hausthiercn vor und entstehen inebrentheils in Folge übermässiger An­strengungen durch die eigene Muskelcontractur, oder durch die eigene Schwere des Körpers, zuweilen auch bei ungeschicktem Niederstürzen und Ausgleiten; auch findet man sie fast ausschliesslich au den Sehnen der Gliedmassen. Ihre Erkennung ist, namentlich an den Gliedmassen in der Regel leicht; die Thiere gehen plötzlich sein- lahm, halten den Euss schlotternd, oft wie in zerbrochenem Zustande, oder auch nach der entgegengesetztcn Richtung gebogen; an der verletzten Stelle tritt plötzlich Anschwellung ein, welche oberflächlich oedematös, in der Tiefe mehr gespannt ist, und im Grunde derselben füblt man eine bald mehr bald weniger breite Lücke, welche durch die Enden der zerrissenen und von einander zurückgezogenen Sehne begränzt ist.
Die Beurlheiliing ist unsicher; in den meisten Fällen erfolgt zwar eine wirkliche Verwachsung der getrennten Selineutheile durch eine zwischen denselben neugebiidelc Masse und die Beweglichkeil und Kraft des Theils findet sich dann meiireutheils ziemlich vollständig wieder ein, allein zuweilen wird die neugebiidete Narbenmasse zu dick, gleichsam wuchernd, oder durch den vermittelnden Entzünduugsprocess entsteht Verwachsung der sämmtlicheu nebeneinander liegenden Theile und hierdurch wird die Beweglichkeit und der regelmüssige Gang zuweilen bedeutend gestört; in noch anderen Fällen ist aber die neugcbildcle Narbenmasse zu dünn, die Vernarbung erfolgt nur unvollständig und der leidende Theil bebäll hierdurch eine bleibende Schwächung; end­lich, in einzelnen Fällen runden oder glätten sich die Enden der zer­rissenen Sehne ab und verwachsen gar nicht und die Gliedmasse bleibt dann für immer lahm. Ob der Ileiluugsprozess in einem vorhandenen Falle auf diese oder jene Weise erfolgen werde? lässt sieh in der ersten Zeit nach der Verletzung nicht mit Bestimmtheit erkennen. Bei jungen und gesunden Thieren und bei gehörigem ruhigen Verhalten erfolgt die Heilung gewöhnlich in Zeit von 3—4 Wochen vollständig.
Die Kur besieht in ruhigem Verhalten, mit ciuer schickliehen Stel­lung des leidenden Theils und in der Minderung der Entzündungszu­fälle, ganz ähnlich wie bei den Zerreissungen der Muskeln.
4)nbsp; nbsp;Die Zerreissung von Blutgcfässen kann in Folge grober mecha­nischer Einwirkung an jeder Stelle des Körpers und der Gliedmassen, wo eben Gefösse liegen, entstehen, am häufigsten aber kommt sie an der vordem Fläche der Brust, am untern Ende der Drosselvene und an der innern Seite der Schienbeine vor, veranlasst durch das Gegen­fahren mit einer Deichsel und durch das Gegensclilagen mit dem Hufe.
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Zerreissungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;279
Bei einer solchen Zeneissung entsteM eine Ergiessuug von Blut in das Zellgewebe oder auch in das Gewebe von zerrissenen Muskeln, in die Sehnenscheiden etc. und in Folge dieser Ergiessung bildet sich ge­wöhnlich sehr scbnell eine Anschwellung, welche fluktuirend, wenig schmerzhaft und von verschiedener Grosse ist. Gewöhnlich nimmt die Anschwellung am ersten Tage nach und nach im Umfange noch et%vas zu und wird etwas vermehrt warm, ohne dass jedoch eigentliche Ent-zündungssymptome an ihr sich ausbilden. Zuweilen senkt sich die Ge­schwulst am folgenden Tage und weiterhin etwas mehr nach abwärts oder auch es bildet sich an ihrem untern Rande ein Oedem, welches sich dadurch charakterisirt, dass es sich leigähnlich anfühlt und bei an­gebrachtem Druck Vertiefungen erhält, welche durch einige Minuten andauern und sich dann allmälig wieder verlieren. Nach einigen Ta­gen verkleinert sich die Geschwulst etwas und wird auch zugleich et­was derber, indem ein Theil des Blutes resorbirt wird und in Folge dessen sich die Wände der Geschwulst mehr zusammenziehen können. Der übrige Theil des Blutes wird um diese Zeit, d. i. nach 5—8 Tagen, in seine natürlichen Bestandtheile zersetzt und der Cruor grösslentheils aufgesogen, während das Serum durch längere Zeit zurückbleibt und erst sehr allmälig schwindet. Zuweilen, jedoch nur selten, entsteht Eiterung, und die Geschwulst wird dann ähnlich, wie bei den Abscessen, an einem Punkt mehr spitz und weich. — Die Erkennung der Gcfäss-zerreissungen ist an diesen Erscheinungen und mit Berücksichtigung der vorausgegangenen Gelegenheitsursachen in den meisten Fällen bei ober-llächlich liegenden Gefässen leicht zu machen, bei tief unter anderen Theilen liegenden Gefässen ist dagegen die Diagnosis sehr schwierig und unsicher, indem hier die angefühlten Symptome in der Regel nur un­vollständig hervortreten und oft nur auf das Oedem beschränkt sind. In den meisten Fällen, sowohl bei oberflächlichen, wie auch lieferen Gefässzerreissungen bestellt auch Störung der Verrichtungen der mil den Gefässen gleichzeitig von der äussern Gewalt betroifenen Muskeln und Sehnen, z. B. Lahmheit und Schmerz an der verletzten Stelle; diese Erscheinungen geben jedoch keinen Anhaltspunkt für die Erken­nung der Gefässzerreissung. Dagegen deuten die Zufälle, welche bei der Zerreissung grosser Gefässe einerseits aus dem (zuweilen sehr plötz­lich) entstandenen Blutverlust, andererseits aus der Anhäufung des Blu­tes an einer Stelle hervorgehen, wie namenllich aus der Blässe der Schleimhäute, dem kleinen weichen Puls, der Erweiterung der Pupille, dem partiellen Schweiss, der Angst u. dgl., mit grossier Wahrschein­lichkeit auf eine solche Verletzung.
Die Prognosis ist in den einzelnen Fällen darnach verschieden, ob ein kleineres oder grösseres Gefäss, eine Arterie oder Vene, oberfläch­lich oder tiefliegend verletzt ist, in welcher Menge das Blut bereits er­gossen ist und welche Zufalle schon eingetreten sind, ferner ob das Thier ruhig und gutmüthig oder unruhig und widersetzlich ist. Zer­reissungen kleiner Gefässe haben in der Rege! wenig zu bedeuten, da die Blutung sich sowohl ans kleinen Arterien, wie auch aus eben sol­chen Venen leicht stillt, und die Heilung eben so leicht und vollständig erfolgt; grössere Gelasse veranlassen gewöhnlich heftige Blutungen, be­sonders wenn sie im lockeren Zellgewebe oder in freien Höhlen liegen,
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'Zeneissungeii.
und in jedem Falle ist die Gefahr inuuei' um so grosser, wenn die Ge­lasse tief unter anderen Theilen verborgen liegen und desshalb nicht gul zu erreichen oder wenn die Thicrc sehr unruhig sind.
Die Behandlung hat die Aufgabe: zuerst die Blutung zu stillen, die verletzten Gefässstelleu zu verschlicssen und dann das Exlravasat zu beseitigen. Die Blutung stillt sich sehr häufig dadurch von selbst, dass die um das Extravasat befindlichen Theile sich nicht ferner von dem Blut ausdehnen lassen, sondern drückend auf dasselbe und das verletzte Gelass zurückwirken und hierdurch Veranlassung geben, dass das Blut gerinnt und sich an der Vciletzungsstelle des Gelasses ein Blutpfropf bildet, unter welchem die Verlelzungsslelle vernarbt. Man kann an­nehmen, dass dieser Naturheilungsprozcss stattfindet, wenn, wie oben angedeutet, die Exlravasatgcschwulst nach etwa 4—6 oder mehreren Tagen kleiner und mehr gespannt wird und das Oedem an der untern Gräuze der Geschwulst sieh von der letztem so entfernt, dass zwischen beiden ein deutlicher Absatz entsteht. In der ersten Zeit kann mau jedoch nicht wissen, dass gerade die Heilung der Gefässruptur auf diese Weise erfolgen werde und es ist desshalb nötliig, bald nach der Ver­letzung die Käilc in Form von kaltem Wasser, von Eis oder Schnee, in Umschlägen, oder adstringirende Flüssigkeiten, z. B. Essig, recht ver­dünnte Schwefelsäure (1 Theil concentr. Schwefelsäure zu 100 Theilen Wasser), oder Auflösungen von Alaun, oder Eisenvitriol (1 Theil zu 40 bis 50 Theilen Wasser) recht lleissig anzuwenden und dabei zugleich einen massigen Druck auf die Yerlc(zungsslcllc dauernd einwirken zu lassen. Den letztem kann man rnitlelst eines Verbandes von Werg oder leinen Lappen und einer Binde, oder auch mittelst eines mit Sand gefüllten Beutels u. dgl. anwenden. Wenn bei dieser Behandlung das Exlravasat und die Geschwulst nicht weiter zunehmen, so kann man mit ihr durch etwa 2—3 Tage fortfahren und dann die Beseitigung des ergossenen Blutes durch verstärkte Resorption versuchen. Zu dem letztern Zwecke lässt mau Waschungen mit aromafischen Infusionen mit Zusatz von Kali carbonicum oder Waschungen von Kornbranntwein mit Kali carbonicum oder Einreibungen des Seifen spiritus und des Cam-pherspirilus u dgl. machen. Vergrössert sieh aber bei jener Behand­lung die Geschwulst immer mehr, und treten Gefahr drohende Zufälle, wie kleiner Puls, Blässe der Schleimhäute, Erweiterung der Pupille u. s. w. ein, so muss man, nachdem die nöthigen Vorbereitungen zur Blutstillung gelrollen sind, das Thier niederlegen, gehörig befestigen und es durch Gehülfen halten lassen, und dann einen Schnitt durch die Wand der Geschwulst macheu, das ergossene Blut entleeren, das ver­letzte Gefäss aufsuchen und unlerbinden, oder wenn dies nicht aus­führbar ist, wenigstens das Glüheisen auf die Verletzungsstelle so ap-pliziren,' dass dieselbe durch einen festen Schorf verschlossen werde, oder man füllt die Höhle mit Werg oder Charpie oder Baumwolle dermassen aus, dass die weitere Blutung durch den Druck dieser Sub­stanzen gehindert werde, — wie dies näher bei der Blutstillung bei Verwundungen in der folgenden Classe speziell angegeben ist. In ei­nem solchen Falle bleibt der Verband durch wenigstens 3 Tage unver­ändert liegen und wird dann mit der Vorsicht erneuet, dass die ver-
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Zerrelssungen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;281
letzte Gefässslelle nicLl gewaltsam wieder aufgerissen wird. Die wei-tere Heilung in einem solchen Falle muss dann durch Eiterung und Granulation erfolgen und das Thier muss wenigstens in den ersten g—10 Tagen fortwährend unter Aufsicht und möglichst ruhig gehalten werden; selbst das Niederlegen darf bei einem grossen Hausthiere nicht slattfiuden, so lange es irgend die Kräfte des Thicres gestatten. Um es hierbei zu unterstützen und den Zweck überhaupt sicherer zu erreichen, stellt man die Thiere während der Heilung in einen Hänge­gurt. — Wenn nach Anwendung der kühlenden und adstringirenden Büttel die Blutergiessung beseitiget, aber die Geschwulst sehr bedeu­tend ist und auch auf die Anwendung der resorbirenden Mittel sich nicht verlieren will, so kann man durch Einstiche die ergossene Flüs­sigkeit entleeren; dies darf jedoch niemals eher geschehen, als bis dasnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;? Oedem sich von der eigentlichen Blulbeule entfernt hat und die letztere selbst durch Zusammenzichung ihrer Wände etwas fester geworden ist, auch darf man niemals eine grosse Oeflhung, sondern nur einzelne Ein­stiche mit einer Lanzette oder mit einem spitzen Bistouri an der nie­drigsten Stelle der Geschwulst machen. Bei Unterlassung dieser Vor­sieht und namentlich bei zu früh gemachten grossen Einschnitten hat man stets eine gefährliche Blutung zu fürchten. Bleibt auch nach den Einslichen noch ein Theil der Anschwellung oder auch Verdickung oder Verhärtung der Theile zurück, so ist die Kanlharidensalbe das geeig­netste Mittel zur Beseitigung dieser übelen Folgen. — Wo Abscesse aus den Extravasaten entstehen, tiudet die Behandlung wie bei Absces-sen überhaupt statt, jedoch mit der Massgabe, dass man die künstliche Eröffnung nicht zu früh unternimmt.
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Die wichtigsten Zcrreisstingen im Besondern.
Zweiter Abschnitt.
Die wichtigsten Zerreissungen im Besondern.
Erstes Capiiel. Das Blulokr der Hunde.
i' •
Bei Hunden ohue Unterschied der Raye findet sicli nicht selten in Folge -von Zerrung und Quetschung der Ohrmuschel, z. ß. bei dem üblichen Strafen durch Kneifen und Zerren an derselben, bei dem Beisseu durch andere Hunde, bei dem Kratzen mit den Pfoten u. s. w, eine Anschwellung dieses Thcils, welcher elastisch-weich, an manchen Stel­len der Haut bläulich oder röthlich gefärbt, etwas vermehrt warm und schmcrzhafl ist. Die Thiere tragen dabei den Kopf nach der leidenden Seite zu herunter gebogen, kratzen sich zuweilen mit den Pfoten oder sie schütteln öfters mit dem Kopfe, und das leidende Ohr steht sack­förmig ausgedehnt und mehr oder weniger steif vom Kopfe ab. Diesem Zustande liegt eine Zerrcissuug einzelner kleiner Gelasse zwischen der Haut und dem Wuscbelkuorpel und ein liierdurch erzeugtes Extravasal zum Grunde. Das letztere belindet sieh iu den meisten Fällen zwi­schen der Innern Fläche des Knorpels und der inueru Haut der Ohr­muschel, seilen zwischen der äussern Haut und dem Knorpel und zu­weilen auch auf beiden Seiten des lelztereu. Dieses Extravasat bleibt sehr lange, zuweilen über 14 Tage, unverändert iu flüssigem Zustande, und verliert sich, wenn es sich selbst überlassen bleibt, immer erst in viel späterer Zeit. Durch Kunsthülfc ist es in Zeit von circa 14 Ta­gen zu beseitigen.
Die Kur kann in der ersten Zeit und bei einem geliuden Grade des Uebels durch Waschungen mit verdünntem Essig oder mit Goulard-schem Bleiwasser bewirkt werden. Besteht aber das Leiden in einem hohen Grade, so muss die Haut an derjenigen Fläche des Ohrs, unter welcher das Extravasat besteht, in der Länge von 1 — 1^- Zoll durch-sebnitten und das Blut ausgeleert werden. Belindet sich der Bluterguss an beiden Seilen des Knorpels, so müssen auch auf beiden Flächen des Ohrs solche Schnitte in die Haut gemacht werden: doch vermeide mau in jedem Falle das Durchschneiden des Knorpels selbst, weil die Verlelzungen dieses Tlieils sehr schwer heilen. Hierauf spritzt man zunächst die Höhle einige Male mit kaltem Wasser aus und streicht oder spritzt dann eine Auflösung von Lapis inferualis (Gr. X auf S'i dest. Wassers), oder die Kanthariden - oder die Jodtinktur in die Höhle, um eine aktive EuUüudung und hicrduvch Verwachsung zwischen Haut
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Zerreissung der schwammigen Körper im männlichen Gliedc. 28S
und Knorpel zu erzeugen. Nach der Anwendung dieser Mittel muss das Ohr mittelst einer Bandage nach dem Genick zu in die Höhe ge­halten werden, wie bei dem äussern Ohrwurm. Sollte die Verwachsung hiernach binnen 8 Tagen nicht erfolgen, so muss das Verfahren nach dieser Zeit noch ein- oder selbst zweimal wiederholt werden. Statt desselben hat man auch, um das Aufspalten der Haut zu vermeiden, mittelst einer Wundheflnadel einen Faden wie ein kleines Eiterband durch sie hindurchgezogen und ihn während 10 —14 Tagen liegen ge­lassen. Der Erfolg ist jedoch weniger sicher als bei jenem Verfahren, und ausserdem reissen sich die Hunde oft das Band aus.
Zweites CapUel.
Zerreissung der schwammigen Körper im männlichen Gliede; sogenannter Bruch des Penis.
Bei Zuchthengsten und Zuchtstiereu hat man in .einigen Fällen ein sogenanntes Zerbrechen oder Einbrechen des in Erektion befind­lichen münulichen Gliedes beobachtet. Die Verletzung besteht jedoch eigentlich in einem Querriss au der äussern Wand und zuweilen auch in einigen Zellenwändeu eines schwanimigeu Körpers, und verdient so­mit den Namen einer Zerbrechung nicht, da letztere nur an starreu Substanzen stattfinden kann. Dagegen ist diese Bezeichnung bei Thiereu, welche mit einem Rulhenkuochen versehen sind, wohl anwendbar, wenn derselbe zerbrochen ist, — wie auch hierüber einzelne, sell cue Beobach­tungen vorliegen.
Die Zerreissung eines schwammigen Körpers erfolgte iu den bisher beobachteten Fällen, wenn die Thiere zu hitzig auf das weibliche Thier sprangen und hierbei mit dem steifen Gliede heftig au das Beckeu stiesseu; oder, wenn sie wegen Schwäche im Ilintertheil zusammen­brachen und von dem Mullerlhiere herunteriielen, während der Penis iu der Vagina lag; oder, wenn während dieses Momentes das Mutler-thier plötzlich zusammenbrach oder sich niederwarf. In einzelnen Fäl­len waren auch Hufschläge gegen den erigirten Penis die Veran­lassung.
Die geschehene Verletzung giebt sich dadurch zu erkennen, dass gleich nach derselben das Glied eine Krümmung erhält, vor derselben schlaff wird und an der verletzlen Stelle bedeutend anschwillt. Die Anschwellung erfolgt durch ergossenes Blut, welches sich zum Theil innerhalb der ausgedehnten und zerrissenen Substanz der schwammigen Körper, grösstentheils aber in dem von der Vorhaut erhaltenen Ueber-zuge des Gliedes sammelt. Die Thiere zeigen dabei in der ersten Zeit sehr wenig Schmerz; sie haben noch Begattungslust und strecken bei
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Zerreissung der Beiigcschncn an den vorderen Gliedmassen.
Anregung ssu derselben (bei dem Vorführen weiblicher Thiere), selbst den Penis noch aus der Vorhaut hervor, zuweilen gestaltet dies aber die Geschwulst nicht, und es findet auch vollständige Erektion nicht mehr statt. Weiterhin senkt sich ein Theil des Extravasatcs gegen die Eichel und es schwillt desshalb das vordere Ende des Gliedes bald mehr bald weniger stark an, so dass dasselbe gewöhnlich aus der Vorhaut heraus gedrängt wird; auch linden sich nach 24 bis 36 Stunden an der verletzten Stelle Entzündungssymptonie hinzu, aber die Anschwel­lung an der Eichel ist dabei nur normal warm oder auch selbst etwas kälter, und sie zeigt ausserdem den Charakter des Oedems. Diese Zu­fälle verlieren sich nach circa 2 — 3 Wochen, aber an der verletzten Stelle bleibt in den meisten Fällen die Krümmung und eine Anschwel­lung, wenngleich im verminderten Grade, für immer zurück.
Die Prognosis ist inchrentheils ungünstig, denn die Thiere werden iu der Regel durch diese Verletzung für die Zukunft unfähig zur Be­gattung.
Die Kur besteht darin: dass man in den Fällen, in welchen die Thiere das Glied nicht vollständig in die Vorhaut zurückziehen können, zuerst dasselbe mit der Hand dahin zurück bringt, oder es, wenn dies nicht dauernd gelingt, mittelst einer Bandage von weicher Leinwand in horizontaler Richtung vor der Mündung der Vorhaut erhält. Dann sucht man der Entzündung durch fleissiges Befeuchten mit kaltem Blei­wasser, oder mit Essigwasser, Oxykrat, später mit einem Arnika-Auf-guss oder mit einem aromatischen Mittel entgegenzuwirken. Diese Mittel werden sowohl äusserlich am Schlauch, wie auch als Einspritzung iu denselben augewendet. Zuletzt kann man adstringirende Mittel auf gleiche Weise anwenden. — Die Thiere müssen während der Heilung in magerer Diät und ruhig, namentlich von weiblichen Thieren enlferut gehalten werden.
Drittes Capitel.
Die Zerreissung der Beugesehnen an den vorderen Gliedmassen bei Pferden.
Bei Pferden, und besonders bei Reitpferden hat man einige Fälle beobachtet, in welchen an den Vorderbeinen eine Beugesehne, und dann entweder nur die Sehne des Kniebeinbeugers, oder auch die Sehne des
Hufbeinbeugers,
in anderen Fällen aber diese beide Sehneu zugleich
und zuweilen auch die Scheiden derselben zerrissen worden sind. Bei einigen Pferden war diese Verletzung sogar an beiden Vorderfüssen zu­gleich entstanden. Das Uebel war immer durch grosse Anstrengungen im schnellen Lauf unter dem Reiter oder bei dem Ziehen schwerer Lasten erzeugt und äusserte sich auf folgende Weise: Im Augenblicke
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Zerreissung der ßeugeseimen an den vorderen Gliedmassen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;28ä
des Entstehens waren die Pferde plötzlich so lahm, dass sie im schnel­len Lauf nicht weiter fort konnten; sie hoben den Fuss schmerzhaft in die Höhe, setzten ihn beim Auftreten flach auf die Sohle, traten im Fesselgelenk sehr stark durch, so dass sie mit der hintern Seite des­selben den Erdboden berührten; einige stürzten auch beim Gehen un­geschickt nach vorn nieder und konnten sich mit Mühe nur wieder auf die Beine erheben. Bei der örtlichen Untersuchung fand man an der hintern Seite des Schienbeins, und zwar meistens in der Nähe des Fesselgelenkes in den hier liegenden Beugesehnen eine Anschwellung, welche elastisch weich, in der ersten Zeit wenig schmerzhaft, späterhin aber mehr gespannt und schmerzhaft war. Drückte man bei der Unter­suchung dieser Geschwulst die Fingerspitzen ein wenig in die Tiefe, so fühlte man, wenn die Zerreissung vollständig geschehen war, den Zu­sammenhang an der einen oder der andern der genannten beiden Seh­nen getrennt und die Ränder der getrennten Stücken mein- oder weniger weit von einander entfernt; war aber die Zerreissung nur unvollsländig geschehen, so fühlte man nur an einer Stelle eine Verminderang des Umfanges der betreffenden Sehne und die Ränder an dieser Stelle von ungleicher Dicke. Bei diesen unvollständigen Zerreissungen ist es übri­gens sehr schwer, den Zustand genau zu ermitteln.
Die Beurtheilung dieser Zerreissungen ist im Allgemeinen ungün­stig auszusprechen; verhältnissmässig ist der Zustand noch am günstig­sten, wenn die Zerreissung unvollständig, nur an einer Sehne, zugleich nur an einem Fuss mid bei einem jungen Thiere entstanden, und wenn dasselbe von gutmütbiger Natur ist. Unter diesen Umständen kann die Heilung und die Wiederherstellung zur Brauchbarkeit in Zeit von etwa 6 — 8 Wochen erfolgen; aber es bleibt doch mehrentheils eine Ver­dickung an der verletzten Stelle zurück. Unter entgegengesetzten Ver­hältnissen erfolgt die Heilung nicht oder nur ganz unvollständig, die Ränder an der Stelle der Ruptur verdicken sich, die Theile verwachsen von den Seiten her unvollständig und unregelmässig mit einander, und die Thiere bleiben für immer lahm.
Die Behandlung ist in der ersten Zeit darauf gerichtet, die zu heftigen Entzündungszufälle abzuhalten, das zu starke Durchtreten im Köthengelenk zu verhindern, und weiterhin die Verwachsung der ge­trennten Theile möglichst rcgelmässig und vollständig zu befördern. Für diese Zwecke giebt mau dem Thiere Ruhe, unterstützt es mittelst eines Hängegurtes, legt dann um den Fuss eine denselben vollständig und massig fest einhüllende Binde und macht kalte Umschläge von Wasser, Bleiwasser, Oxykrat u. dgl. Nach etwa 5 — 6 Tngen geht man zu gelind aromatischen und schwach Spirituosen Mitteln über, wen­det diese täglich 4—6 Mal an, um den Resorptionsprozcss gclind an­zuregen und der Haut etwas mehr Tonus zu geben, 15ci grosser Erschlaffung kann man in dieser Zeit auch Waschungen mit einer Auf­lösung von Alaun oder Eisenvitriol oder mit einer Abkochung von Eichenrinde u. dgl. machen lassen. Treten die Thiere zu stark in der Köthe durch, so kann man ihnen während der Heilung ein Hufeisen mit hohen Stollen auflegen oder anschnallen und ihnen ausserdem durch Schienen, welche nach der Richtung des gesunden Fusses gebogen, über die vordere Fläche des Schien- und Fcsselbcius bis zur Krone reichen.
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28C
Zerreisäung der Zwillingsmuskeln.
B.
an der hintern Seite aber eben so weit herabgehen, anlegen, oder auch diese Schienen mit dem Hufeisen sowohl am Zehenthcil wie auch am hintern Ende verbinden. Bleibt nach erfolgter Heilung eine den Gallen ähnliche Erweiterung der Sehnenscheiden, oder eine Verdickung der Sehnen und ihrer Scheiden, oder des Fesselgelenkes zurück, so kann mau sehr zweckmässig das Glüheisen in Punkten oder Strichen in der Art anwenden, wie dies bei den Sehnenentziindungcn angegeben ist. Literatur. Rodet, fils. D'une Rupture des Tendons üechisseurs
des membres aulerieurs etc. Journ. de mcd. vet. et comparée. T. III.
p. 96.
Maillet. Rupture complel du Tendon perforant etc. Recueil de
méd. vét. 1836. p. 402.
Viertes Capitel.
Die Zerreissung der Zwillingsmuskeln und der Achillessehne.
Diese Zerreissungeu kommen gewöhulich nur bei Pferden und Ria­dern vor1), und zwar die Ruptur der genannten Muskeln bald uur an einem, bald an beiden derselben und in manchen Fällen unvollständig, in anderen vollständig. Sie äussert sich dadurch: bei vollständiger Zer­reissung halten die Thiere den leidenden Fuss stark im Sprunggelenk gebogen, das Schienbein unter dem Leibe und können den Unterfuss nicht auf die Erde setzen: sie sind daher bei diesem Grade der Zer-
reissung auch nicht im Stande, ten zu schlagen
die Zerreissung
auf dem Fuss zu gehen oder nach liin-Erstere geschieht auf nur drei Beinen, an beiden Gliedmassen besteht (wie
Seh rader beobachtet hat), nur auf den Sprunggelenken. Dabei ist die Achillessehne ganz schlaff, weich und bildet Falten sowohl wenn das Sprunggelenk gebeugt, wie auch wenn es gestreckt gehalten wird; die Beugung in diesem Gelenk erfolgt mittelst der Hand sehr leicht und die Streckung bis zum normalen Grade kann man auch ohne grosse Mühe bewirken, über diesen Grad hinaus aber nicht. Hierdurch unter­scheidet sich diese Zerreissung von der im folgenden Capitel abgehan­delten Zerreissung der Schienbein- und Wadenbeinmuskeln. Neben diesen Erscheinungen bemerkt man in der ersten Zeit an der verletzten Stelle mehrentheils keine bedeutende Veränderung; aber nach. 5 bis 8 Tagen findet sich eine Anschwellung an der hintern Seite des
1 ) Im Verlaufe von fast 30 Jahren sah ich bei den kleinen Hausthieren nur einmal eine Zerreissung der Achillessehne bei einem Hunde. Dieselbe war dadurch entstanden, dass der betroffene Fuss über dem Sprunggelenk fest zwischen eine Thür geklemmt worden war.
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Zerreittung der Zwillingsmiiskeln.
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Unterschenkels, in der Gegend des üeberganges der Zwillingsmiiskeln in die Achillessehne; dieselbe ist oberflächlich etwas ödematös, in der Tiefe mehr gespannt, schmerzhaft, und senkt sich allmälig zum Sprung­gelenk herunter. Die Thicre verfallen in ein Reizfieber, der Puls und das Athmen ist beschleunigt. — Bei der unvollständigen Zerreissung sind alle diese Erscheinungen geringer, das Thier ruht mit der Zehe des leidenden Fusses auf dem Boden, hält aber den Fuss im Sprung­gelenk gebogen, es kann nicht im Fessel vollständig durchtreten, aber an der Verletzungsstelle ist in der ersten Zeit keine Geschwulst zu bemerken, und auch späterhin entwickelt sich dieselbe nur im geringen Grade. Auch hier findet man die Achillessehne mehr schlaiT, aber doch in einem geringern Grade als im ersteren Falle. Im Ganzen ist hier die Diagnosis mehr dunkel.
Bei der Zerreissung der Achillessehne sind dieselben Erscheinungen vorhanden wie bei der vollständigen Zerreissung der Zwillingsmuskeln; ausserdem aber fühlt man im Verlaufe der Sehne ganz deutlich eine, zuweilen bis 3 Zoll lauge Lücke, welche von den Enden der getrenn­ten Sehne begränzt ist.
Die Ursachen dieser Zerreissung sind heftige Anstrengungen beim Springen und Fallen von einer Höhe herab, beim Sitzenbleiben mit den Beinen in lehmigem Boden und bei den Bemühungen des Thleres hier­nach , sich die Füsse wieder frei zu machen; ferner das Niederstürzen mit unter den Leib gehaltenen Beinen u. s. w.
Die Prognosis ist bei einer vollständigen Zerreissung nicht günstig, da hier die Heilung mit Wiederherstellung des Tbieres zur Brauchbar­keit in der Regel nicht erfolgt; dagegen kann bei unvollständiger Zer­reissung die Heilung in etwa 6 Wocben erfolgen, wenn die Thiere während dieser Zeit Ruhe und entsprechende Fliege erhalten.
Die Kur besteht in der Unlcrslülzimg des Thieres vermittelst eines Hängegurtes während der ganzen Zeit der Heilung, in der Minderung der ersten Entzündungsznfülle durch die Anwendung einfacher kühlen­der Mittel und später in der Anwendung gelind erregender Mittel um die Resorption zu befördern. Nach circa 4 Wochen kann man die Thiere auf ebenem Boden gclind bewegen und sie so wieder allmälig an das Gehen gewöhnen. In diätetischer Hinsicht ist nur die Menge der Nahrung auf ein etwas geringeres Quantum, als das Thier sonst bei der Arbeil erhalten hat, herabzusetzen.
Tombs. Zerreissung des äussern Gastrogncmius bei einem Pferde. The Veterinarian 1839, September, Magaz. f. Thicrhcilk. Bd. VI. S. 350. G. W. Schrader. Zerreissung der Zwillingsmuskeln in beiden Hiu-terschenkeln einer Kuh. Magaz. f. Thierheilk. Bd. XV. S. 303,
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288 Die Zerreissung des Beugers des Schien- und Wadenbeinmuskeli.
Fünftes Capitel.
Die ZeiToissung des Beugers des Schienbeins und des dritten Wadenbcinmuskels.
Diese Zerreissungen, welche bei Pferden nicht selten und auch beim Rindvieh bcobachlel worden sind, kommen gewöhnlich gleichzeitig mit einander vor und verursachen immer eine eigenthümliche Lahm­heit des betrcfTciulen Hinterfusses. Das Leiden entsteht plötzlich durch irgend eine Veranlassung, bei welcher eine gewaltsame und übermässige Streckung des Hinterfusses im Sprunggelenk erfolgt, wie z. B. wenn Pferde auf die untere Seite des Leibes niederstürzen, und dabei der eine oder der andere Hinterfuss ausgestreckt bleibt, so dass er mit dem Knie zuerst den Boden berührt; oder, wenn ihnen beim Beschlagen ein Hin­terfuss mit dem Seil durch einen Hing an der Wand nach hinten in die Höhe gezogen und festgehalten ist, während sie heftig nach vorn springen oder niederstürzen. — oder eben so. wenn man sie bei aulge­hobenen und fest gebundenen Hinterfüssen im Nothstalle beschlägt und sie, während ihre Befestigung am Vordertheil nicht genügend geschehen ist, heftig nach vorn drängen; ferner wenn sie im Stalle über den La-tierbaum oder vor dem Wagen über das Achterholz schlagen, mit einem Fusse auf diesem Gegenstand sitzen bleiben und dann theils durch die Last des Körpers, theils durch die Anstrengungen, um sich aus der un­bequemen Lage zu befreien, den Fuss rückwärts heftig ausstrecken, Bouly und Böther sahen auch das Uebei bei niedergelegten Pferden in Folge heftiger Anstrengungen während des Operirens, und Andere sahen es selbst nach heftigem Hiutenausschlagen entstehen.
Die Symptome dieser Lahmheit sind folgende: Bei dem ruhigen Stehen setzt das Pferd den ganzen Huf gleichmässig und fest auf den Boden und tritt dabei auch im Fessel gut durch, aber das Unterschen­kelbein (die Tibia) macht mit dem Schienbein (dem Milfelfnss) einen viel stumpfem Winkel, als an dem gesunden Hinterbeine, d. h. diese Knochen stehen in der kranken Glicdmassc mehr gerade, zuweilen fast senkrecht über einander. Das Oberschenkel- und Backbein scheint mehr in die Höhe gezogen und festgestellt zu sein. An der Achillessehne be­merkt man etwa 1 — 3 Zoll über dem Fersen- oder Sprungbein eine kleine Wölbung ihrer obern Linie und bei dem Befühlen derselben eine geringere Spannung, ja selbst wohl eine wirkliche Erschlaffung. — Beim Gehen hebt das Thicr den Oberschenkel höher als sonst und wirft die Theile unter ihm schwerfällig nach vorn, wobei aber das Sprunggelenk nicht gebeugt und das Schienbein nicht aufgehoben wird. Alle diese Theile hängen gleichsam vom Schenkel herunter und wackeln oft hin und her, so dass es den Anschein erhält, als ob das Unter­schenkelbein gebrochen wäre. Während der Fuss so in die Höhe ge­hoben ist, erscheint die Achillessehne noch etwas mehr erschlafft, als vorher, indem sie über dem Sprungbein eine Falte bildet, welche leicht
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Die Zerreissung der Scluenbein- und Wadenbeininuskeln.
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hin und lier geschoben werden kann. Das Niedersetzen des Fusses auf den Boden geschieht etwas tappend mit der ganzen Fläche der Sohle, fast wie bei duminkollerigen Pferden, wenn es aber geschehen ist, nimmt das Pferd wieder die oben angegebeae Stellung an. Den leiden­den Fuss kann man sehr leicht und in dem Grade ausstrecken, dass die Gliedmasse vom Kuicscheibengelenk bis zum Fessel eine gerade Linie darstellt1), wobei die Achillessehne so erschlalft, dass sie eine gekräu­selte Falte bildet, die sich von selbst nach der einen oder der andern Seite legt. — la den allermeisten Fällen ist an keinem Theile des lei­denden Fusses Schmerz oder Geschwulst zu entdecken, doch findet sich zuwTeiIen am Tage nach dem Entstehen des Uebcls eine ödematöse An­schwellung um die Mitte der vordem und aussein Seite des Unterschenkels, welche sich alhnälig zum Sprunggelenk und liefer hinabsenkt. Wahr­scheinlich sind in solchen Fällen neben den Muskeln auch mehr Blut-gefässe zerrissen, und es ist ein grösseres Extravasat in das Zellgewebe erfolgt als in andern; einzelne Thiere zeigen in der Umgend des zer­rissenen Muskels bald mehr bald weniger Schmerz.
Bei der Seotion hat man den vordem Schienbeinmuskel und den dritten Wadenbeimnuskel, einzeln oder beide zugleich, quer oder schief zerrissen gefunden. Dass auch eine übermässige Ausdehnung dieser Muskeln durch dieselben Gelegenhcilsursachen entstehen und gleiche Symptome hervorrufen könne, wie Bother dies angiebt, ist zwar bis jetzt anatomisch nicht nachgewiesen, aber doch als höchst wahrschein­lich anzunehmen, weil eine solche immer erst der Zerreissung voran­gehen muss; der Ucbergang der erstem in die letztere hängt nur von dem Grade der einwirkenden Gewalt ab. In Bezug auf die Entstehung des Leidens halte ich es für ganz wahrscheinlich, dass bei der Ver­letzung durch Ausdehnung auch die an der vordem Fläche des Sprung­gelenks liegenden Bänder, das Ligameutum larsi laterale, L. deltoideum, das L. astragali obliquum und selbst das Kapselband sehr mitleiden.
Die Erscheinungen der eigenthiimlichen Lahmheit sind sehr leicht (bis auf die Erschlaffung der Achillessehne) ans der aufgehobenen Funktion der genannten Muskeln zu erklären. Dieselben ziehen be­kanntlich den Mittelfuss au den Unterschenkel in die Höhe, beugen somit das Sprunggelenk; da jedoch an diesem jene beiden Theile der Gliedmasse einen Winkel bilden, so befinden sich die genannten Mus­keln fortwährend in einem gewissen Grade von Spannung, vermöge welcher sie den Unterschenkel fisiren und das Anziehen und Aufheben der Gliedmasse unterstülzcn, wenn das Backbeiu au den Leib gezogen wird. Durch die Beugung werden zugleich die an der hintern Seite des Sprunggelenks angeheltclen Sehnen antagonistisch gelind angespannt und so erhält das Sprunggelenk eine feste Haltung, welche sofort schwin­det, wenn die Schienbein- und Wadcnbeiumuskeln ausser Aktion gesetzt werden. Die Erschlaffung der AchillcssGhnc scheint jedoch, namentlich in dem starken Grade beim Ausstrecken des Fusses nach hinten, auf den ersten Anblick nicht genügend aus der Zerreissung jener Muskeln
1) Durch dieses Gcvadcausstrecken des Fusses nach rückwärts unterschel-dcl sich die Verletzung hauptsamp;chlicb von der Zerreissung der Zwillingsmuskeln und der Achillessehne.
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Die Zerrcissung der Schienbein- und Wudenbeinmuskeln.
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erklärt werden 'in können: denn diese Sehne bewirkt nebst ihreu Mus­keln (den Gaslrogncmiis) im uonnaleu Zustande die Streckung des Sprunggelenks, wobei sie sich verkürzt und straffer wird. Dasselbe miissle auch der Fall sein, wenn ihre Antagonislen ausseiquot; Thüligkeit gesetzt werden; aber cnlgegcngesclzt — slalt Spanuaog der Sehne tritt, wie oben angegeben, Erscblall'ung derselben ein. Dies ist, wie ich denke, dadurch zu erklären, dass 1) durch die Vrergrösserung des Win­kels im Sprunggelenk nach slallgcbabler Zerreissuug die Achillessehne sich nicht mehr in ihrer natürlichen Anspannung belindel, — 2) dass bei der aufgehobenen Spannung der zerrisseneu Muskeln und wohl auch der ausgedehnten Bänder des Sprunggelenks bei dem Aufheben des Fusses nach rückwärts eine grösscre Streckung des letztem hervorge­bracht wird, als im normalen Zustande die Zwillingsmuskcln selbst bei ihrer stärksten Contraklion bewirken können und somit die Wirkung dieser Muskeln auf ihre Sehne notbweudig aufhört.
Die Diagnosis ist aus den angegebenen Syniploinen stets mit grosser Sicherheit zu machen, um so mehr, da der Krankheitszustand nur mit dem Bruch des Uiilcrscheukelbcins, mit Zerreissuug oder Ueberdebnuug der Achillessehne und mit Verstauchung im Sprunggelenk einige Aehu-lichkeit hat und von diesen Zuständen sich leicht unterscheiden lässt. — Mit ersterein erhält die Zerreissung der Schienbein- und Waden-bcinmuskeln freilich durch das schlaffe Herabhängen und die wackelnde Bewegung des untern Theils der Gliedmasse einige Aehnlichkeit, doch deutet bei einer genauen) Untersuchung der Mangel aller andern charak­teristischen Merkmale eiues Knochenbruches nur auf die Zerreissung jener genannten Muskeln. — Für eine übermässige Ausdehnung und dadurch bedingte Erschlaffung der Achillessehne spricht scheinbar die oben angegebene Beschaffenheit derselben, doch sichert hier die Art der Gelegenheitsursache die Diagnose. Die Ruptur der genannten Mus­keln wird durch eine übermässige Ausstreckung des Schienbeins herbei­geführt; die Ausdehnung der Achillessehne kann nur auf enlgegengcsetzlc Weise durch eine zu starke Beugung des Fusses im Sprunggelenk oder auch durch starke Quetschungen, welche dieselbe unmittelbar treffen, herbeigeführt werden. Bei der darauf eintretenden Erschlaffung der Sehne findet man sie nie in dem Grade weich, -wie bei der Zerreis­sung jener Muskeln; ausserdem zeigt das Sprunggelenk mehr Festigkeit und bildet stets einen grössern Winkel. — Eine Verstauchung des Sprunggelenks, bei welcher nur die Sehnen am Gelenk gedehnt und die Gelenkflächen der Knochen erschüttert oder gequetscht werden, ist gewöhnlich von Entzündung mit vermehrter Wärme, Schmerz und zu­weilen auch Geschwulst am Sprunggelenk begleitet, während diese Zu­falle bei der Muskelruptur fehlen.
Die Prognosis ist bei der Ruptur der genannten Muskeln durchaus günstig, da bisher die Heilung in allen Fällen erfolgt ist. Einzelne Pferde gingen schon nach 25 Tagen wieder ganz regelmässig, andere aber erst nach Verlauf von 6 — 8 Wochen, aber alle verrichteten spä­terhin schwere Arbeit, ohne dass eine Schwäche oder irgend eine andere üble Folge an dem betreffenden Fusse zu bemerken war.
Die Kur beruht auf dein Wiederzusammenwachsen der zerrissenen Muskelfasern, was; da die Verletzung hier subeutan besteht, sehr wohl
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Die Zerrcissung der Schienbein- und Wadenbelnmuskein.
2gt;gt;1
in Zeit von etwa 20 — 25 Tagen gesclieheü kauu. lu ilen Fälleu, welche ohne Geschwulst und ohne giosseu Schmerz an der Stelle der Zerrcissung bestehen, wird die Kur durch die eigene Nalurheilkraft des Thicrcs bewirkt, aber durch ruhiges Verhalten desselben in den ersten 3 — 4 Wochen befördert. Dabei kann man an der vordem Flache und den Seiten des Sprunggelenks Waschungen mit Goulardscbeni Bleiwasser anwenden, um die schleichende Entzündung in den zu stark ausgedehn­ten Gelenkbändern zu beseitigen. Ist viel Schmerz und Anschwellung zugegen, so sind in den ersten 3 — 4 Tagen Befeuchtungen der bctrol-fenen Theile mit eben solchem Bieiwasser, oder mit einer Auflösung von Salmiak in Essig und Wasser, später jedoch Waschungen mit aromati­schen Kräuterbriihen und mit einem Zusatz von Potasche sehr nützlich. Bouley empfiehlt (Becueil 1846, p. 524) eine scharfe oder reizende Einreibung auf die vordere und die Seitcnllächen des Unterschenkels zu machen, um einerseits die Resorption der ergossenen Flüssigkeiten zu befördern und andererseits durch den von der llauteutzündung ent-sleheudcn Schmerz die Bewegungen des Gliedes zu mindern und hier­durch die Verwachsung der gelremilcu Theile zu befördern. Sol leis el. Le veritable parfait Marechal. Genf 1677. p. 672. Bouley jeune. Ouelques cas d'ttue elaudicalion remarquable simu­lant la fracture du tibia etc. Recueil vclériu. Vol. X. p. 242. — Renault ebendas. p. 597. — Böther, in Vix Zeitscbr. f. d. gc-sammte Thierheilk. Bd. VJ. S. 430. — Cortwright, im Veteri­narian 1841. p. 273 und Magaz. f. Thierh. Bd. VIII. p. 502. — Riss, in Recueil 1838. p. 229. — Loiset, Journ. des Véterin. du Midi, 1840, Juin und Recueil 1840. p. 445. — Bouley ebend. 1846. p. 520. — Hartwig. Magaz. f. Thierh. Bd. XIII, p. 221. Mit Abbild, — Flotlmanii. Ebend. Bd. XIV, p. 243.
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A
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Vierte Classe.
Wunden. Erste Abtlicilung.
Von den Wunden im Allgemeinen.
Erstes Capitel.
Begriff, allgemeine Zufälle, Ursachen, Verschieden­heiten, Verlauf und Ausgänge, Beurtheil ung. Behandlung.
Eine Wunde fvulnus, to xqavfia) ist die Trennung der Weich­gebilde oder harten Theile durch mechanische Einwirkung, verbunden mit gleichzeitiger Trennung der Haut oder der Schleimhaut. Die Tren­nung der Haut ist immer zur Charakterisirung einer Wunde nüthig, weil es noch andere Verletzungen der organischen Gebilde giebt, welche keine Ha at Verletzung haben, so z. B. Zerreissungen der Weichgebilde, Brüche und Risse der Knochen etc., welche zwar gewöhnlich auch durch äussere Gcwaltthäligkeilen entstanden sind, aber keine Trennung der Haut zeigen, und desshalb auch nicht Wunden genannt werden.
Man bemerkt bei den Wunden im Allgemeinen folgende Erschei­nungen und Zufälle:
1)nbsp; nbsp;Trennung der Theile mit ihrer allgemeinen Decke,
2)nbsp; nbsp;Zurückziehung der getrennten Weichgebildc elc. von einander, oder das Klaffen der Wundränder,
3)nbsp; nbsp;Schmerz,
4)nbsp; nbsp;Ansniessen von Blut oder andern Ihierisrhen Särten, 5 ) Entzündung,
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Wunden im Allgemeinen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;293
6)nbsp; LähmuDg oder Störung der belroffencn Theile,
7)nbsp; nbsp;häufig auch ein Reizfieber (febris irritativa), welches hier auch „Wuudfieberquot; (F. trauraatica) genannt wird; endlich
8)nbsp; nbsp;Wundstarrkrampf.
Ueber die Umstände, unter welchen diese Anzeichen auftreten, ihre sonstigen quantitativen und qualitativen Verhältnisse ist in Kürze Fol­gendes zu bemerken:
1)nbsp; nbsp; Die Trennung. Sie erfolgt unmiltelbar auf die verletzende äussere Einwirkung, und zwar sehr verschieden, je nach Art und Rich­tung der letztern, bald mit scharfer, glatter Scheidung der belroffeuen Theile, bald mit Quetschung, Auseinauderdchnung oder selbst mit Zer-reissung der Fasern in der Längenrichtuug derselben, oder quer, schräge u. s. w, in allen Dimensionen, in abweichender Grosse und Tiefe, je nach der Kraft, welche die Haut, das Zellgewebe, die Muskelschichten, Sehnen. Gelenkbänder, Knochen und Knorpel verlelzte. Es entstehen hiernach: Querwunden, schiefe Wunden. Längswunden, Lappenwun­den und Wunden mit Substanzverlust. Unter den letzteren verstellt man solche, aus welchen Theile der Ihierischcn Organisation durch die Verwundung verloren gegangen sind. In Betreff, dass die verschiede­nen Gebilde zur nähern Bestimmung der Wunden dienen, spricht man von Hautwunden, Zellgewebswunden, Muskel-, Sehnen-, Knochen-, Gelenkwundcn etc.; und bei Mitverlelzung der Eingeweide: von Ge­hirnwunden, Gebärmutierwunden, Darmkanalwunden etc.
2)nbsp; Das Klaffen der Wundränder zeigt sich mehr oder weniger, je nach der Contraktilität und Expansionskraft der getrennten Theile. Schlaffe (z. B. Fett, weiches Zellgewebe) und eben so auch die starren Gebilde (Knorpel, Knochen) bedingen nur unbedeutende Zurückziehung, straffe Theile, nainentlich die meisten Muskeln und Sehnen, zum Theil auch die Blutgefasse ziehen sich dagegen sehr stark zurück. Doch be­stehen dabei noch Unterschiede in den einzelnen Gebilden und nach der Art der geschehenen Verletzung. So z. B. zieht in dem Spannmuskel der breiten Schenkelbinde eine mit einem schneidenden Instrumente be­wirkte einfache Trennung ein zollweites Klaffen der Wundränder nach sich; während man diese Erscheinung bei Verwundung anderer Mus­keln, z. B. des breiten Bmstmuskels, des breiten gezahnten, des Unter­schultermuskels nicht wahrnimmt, weil dieselben schlaff gelagert sind1).
Eben so klaffen Schuss- und Stichwunden unbedeutend; desgleichen diejenigen, in welchen durch den entsprechend eindringenden fremden Körper die Trennung der Fasern nicht vollständig geschehen, und ein Theil derselben unverletzt, vielmehr nur vermöge seiner Elasticität mo­mentan auseinandergespannt, seinen frühem Raum wieder eingenommen hat. Nach der Verwundung tritt, Entzündung ein, und mit dieser auch, (wenn die Wunde sich nicht mittelst des ausgeschwitzten Plasmas schlinsst), eine stärkere Anschwellung, durch welche das Klaffen der Wunde vermehrt wird.
') Durch diesen Umstand werden in dcrgleichc Muskeln eingedrungene fremde Körper der nur oberflächlich stattfindenden Untersuchung leicht ent­zogen.
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294nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Wunden im Allgemeinen.
3)nbsp; nbsp;Steter Begleiter der trennenden Gewalt ist der Schmerz, dessen Grad hauptsücliiicli von dem grössern oder geringem Nervenreichlhum der verwundeten Organe, zum ïhcil aber auch von der Beschaileuheil des verlelzendeu Werkzeuges und von der Schnelligkeit seines Eindrin­gens abhängig ist. Wunden der Haut sind, dementsprechend, schmerz­hafter als jene im Zellgewebe, in Sehnen, Knorpeln, Bändern und Kno­chen. Allein die Dauer des Schmerzes ist hierdurch nicht bedingt, sondern dieselbe ist grösstenlheils abhängig von der fortdauernden Ein­wirkung der verschiedenen anderen Eiullüsse, z.B. der atmosphärischen Luft, von dem durch selbige erfolgenden Trockenwerden und dem nian-uigfalligeu Verunreinigen der Wunden, von dem hierdurch mechanisch und chemisch verursachten Reiz- und dem cinlretendcn Entzüiidungs-zustande der blossgelegten Theile, von deren nun stattfindenden symp­tomatischen Spannung und dem Druck auf die betreflenden Nerven. Auch ist der erste Verwunduugsschmerz, von jenem der Entzündung wohl zu unterscheiden, und, nicht minder in beiderlei Hinsicht, Raum und Zeit zu erwägen. Es ist nämlich die Empfindung des Schmerzes über­haupt für das betrollenc Individuum, die Wunde mag einen grossen oder kleinen Raum des Körpers einnehmen, in dem Moment ihrer Zu-lügung und daher so lange der Verwundungsakt fortdauert, immer nur allein zugegen, — und mit Beendigung des Aktes der Verwundung cessirt dieser Schmerz. Nicht so verhält es sich mit dem Enlzündungs-schmerz, dessen Grad und Dauer von dem vollsländigcu Eintritt und Forlbestehu der Entzündunsssymptome abgeleitet wird. Ist später die Entzündung in Eiterung übergegangen, so lässt der Schmerz nach: dies gilt natürlich nicht von den neben den eiternden belindlichen Stellen, in denen die Entzündung ebenfalls eutslandcu ist, aber noch nicht die­sen Ausgang gemacht hat. Die Gradation des Entzündungsschmerzes ist verschieden. In Gebilden, in welchen der entzündete Theil einen harten Widerstand gegen seine Geschwulst erleidet, ist sie am höchsten, und zuweilen bis zu dem Grade gesteigert, dass die Patienten sterben, — was man der Erschöpfung ihrer Nervenkrafl: durch die fürchterlichen Schmerzen oder einer Ueberreiznng der Cenlraltheile des Nervensystems zuschreibt. Dies sehen wir z. B. bei tiefen Stichwunden im Hufe, in den Sehnen, so wie in den Fällen, in welchen durch Verwundung Nerven nur theilweise durchgerissen oder durchgeschnitten sind; wogegen der in Rede stehende Schmerz in Organen, welche ganz oder zum Theil von Weichgebilden umgeben sind, im Vergleich mit jenem, einen ge­ringern Grad hat.
4)nbsp; Anlangend das Ansfliessen von Blut oder von andern t hierischen Säften: so sind bekanntlich in der Haut und in den Muskeln die Blutgefässe so zahlreich vorhanden, dass man kaum eine Nadel einstechen kann, ohne eine Blutung zu erregen, eben weil mau überall auf Gcfässe trifft. Es werden aber bei Verwundungen nicht bloss die Kapillargefässe getroffen, sondern auch grössere, und es fliesst bald arterielles, bald venöses und zuweilen auch gemischtes Blut aus. Man bezeichnet hiernach die Blutungen als arterielle, als venöse und als parenehymatöse. Die ersteren entstehen, wenn Arterien oder auch die Lungenvenen oder die linke Hälfte des Herzens durchgehend bis in die Höhlen dieser Theile verletzt sind, und mau erkennt sie a. an
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der hellrotheu Farbe des Blutes, b. au dem spritzenden, im Bogen er­folgenden und ruckweis, mit dem Pulsiren der Arterien übereiustimmend verstärkten Ausfluss des Blutes, uud c. daran: dass der Auslluss schwä­cher wird oder eanz aufhört, wenn man einen Druck auf das blutende Gefäss zwischen der Wunde und dem Herzen anbringt. Hiervon ma­chen jedoch die zurücklaufenden und diejenigen Arterien eine Ausnahme, welche mit andern anastomosiren; diese erhalten nämlich ihr Blut auch von der entgegengesetzten Seite und sie bluten daher trotz des Druckes noch fort. Die venösen Blutungen entstehen aus verletzten Venen, aus der rechten Hälfte des Herzens und aus den Lungenarlerien; sie geben dunkelrothes Blut aus den Venen im gleichmässigeu Auslluss , uud derselbe hört, auf, wenn man das verletzte Gefäss zwischen der Wunde und der äusseren Peripherie des Theils zusanunendrückt. Bei den paren-chymatösen Blutungen sickert oder schwitzt arterielles und venöses Bliit gemengt aus dem ganzen Gewebe (Parenchyma) des verletzten Theils. Aussei- dem Blute sieht man oft noch andere Feuchtigkeiten, je nach der Art des betroffenen Organs, z. B. bei Speichelgangverlelzun-gen Speichel, bei Wunden am Schlünde Speichel, Schleim und gekau­tes Futter auslliessen; bei Verwundung der Luftröhre strömt Luft aus; aus den verletzten Lungen, neben letzterer, schäumendes Blut u. s. w. Diese verschiedenen Feuchtigkeiten geben, im Verein mit dem Orte, wo die Verletzung stattgefunden, die Merkmale ab, aus welchen wir auf die Verletzung eines oder mehrerer oberflächlich oder tieferliegenden Organe schliessen können.
5) Ferner die Entzündung. Da jede Verletzung der Nerven uud Gefässe durch Trennung des Zusanunenhaugcs schon mit Reizung verbunden ist und diese durch den Eintritt der Luft in die Wunde, das Austrocknen der blossgelegtcu Fläche, den Auslluss der Flüssigkeiten u. s. w. vermehrt .wird, so ist die Eutwickclung der Entzündung nach Verwundungen fast unvcrnicidlich. Sie beginnt in den ersten Stunden nach der Verletzung, erreicht gewöhnlich ihre Höhe binnen 30 bis 48 Stunden, macht dann Ausgänge, ist aber je nach der Reizbarkeit des Thieres, nach der Beschaffenheit und Glosse der Wunde, nach dem Einflüsse der Nahrung, der Luft, u, s. w. sehr verschieden, zuweilen bedeutend, zuweilen unbedeutend, so dass die Entzündung in einigen Fällen kaum bcmcikenswerth, in andern der wichtigste Zufall der Ver­letzung ist. Die VVuudentzüudung charaktcrisirt sieh durch dieselben Symptome, wie sie der Entzündung überhaupt gehören. Der Grad des Schmerzes, der erhöhten Wärme, der Anschwellung der Theile ist je­nem der Entzündung entsprechend; so wie der Verlauf, die Dauer und die Ausgänge dieser Entzündung, in derselben Weise, wie bei solcher, im gewöhnlichen Sinne, ebenfalls bemerkbar sind. Manche Verwun­dungsentzündungen zertheilcn sich nach kurzem Bestehen gänzlich, nach­dem sie eine ganz geringe Ausschwitzung von Faserstoff gemacht ha­ben; andere dauern mehrere Tage in grosser Heftigkeit fort und gehen in Eiterung oder sogar in Brand über. Eine gelinde plastische Aus­schwitzung ist häufig das organische Verbindungsmittel zwischen den Wundflächen und die Entzündung erscheint hierbei als Vermittelungs-prozess für die Heilung. Man nennt sie desshalb unter diesen Umstän­den nach Hunter die „adhaesive oder Verwachsungsentzün-
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dungquot;. Sic darf, wenn sie diesem Zwecke entsprechen soll, sich nur in einem geringen Grade entwickeln; denn bei einem hohen Grade bleiben entweder die • VVuiulfiäclien trocken oder es entsteht eine so reichliche und wiederholte Exsiulalion von Faser- und Eiweissstoff, dass durch die Menge der Flüssigkeit die Wundflächen auseinander gedrängt werden und daher ihre unmittelbare Verwachsung nicht erfolgen kann. Dafür bilden sich aber hierbei Eiter und vom Grunde der Wunde aus neue Zellen, und aus diesen die Granulationen oder Fleischwärzchen, durch welche die Vereinigung der getrennten und, bis zu einem ge­wissen Grade auch der Wiederersatz verlorner Theilc stattfindet. Es ist aber, wie bekannt, (S. 52 u. f.) nicht der Eiter, aus welchem die Granulation entsteht, sondern dieser scheint ein blosscs Schutzmittel für sie zu seiu, da nur unter seiner Decke i-ich die Fleischvvärzchcn bilden. Uebrigens kommen bei der Eiterung und Granulation in den Wunden dieselben Verschiedenheiten vor, welche man in den Abscessen hierbei iiudet. Eiternde Wunden können somit auch unter ungünstigen Um­ständen die Beschaffenheit der Geschwüre annehmen.
In einzelnen Fällen ist die Wundcntzüudung nicht zu beseitigen, sondern sie geht in Brand über und oft führt sie Lebensgefahr herbei. Dies ist besonders der Fall, wenn grosse Gefässe und Nerven durch­trennt sind, oder wenn die verwundeten Theile sehr gequetscht oder zerrissen sind, oder wenn heftige oder giftige chemische Einflüsse auf sie stattgefunden haben, oder wenn eine fehlerhafte Ernährung und Säftemischung im Körper besteht.
6) Das Wundfieber. Es tritt in der Begcl bei Verwundungen ein, welche einen grossen Umfang einnehmen und namentlich bei sehr reizbaren Thiereu und in sehr empfindlichen, zur Erhaltung des Lebens unbedingt nöthigen Theilen, gewöhnlich Innerhalb der ersten 24 Stun­den; eine bestimmte Zeit 1st aber in diesem Belang nicht iestzuselzcu. So ist bei sehr empfindlichen und somit leicht reizbaren Thiereu das Wundfieber oft schon 2 —3 Stunden nach der Verletzung, bei lorpiden nach 12 —15 Stunden beobachtet worden, während dasselbe bei andern Individuen gar nicht eintrat. Dasselbe erscheint demnach in dem durch die Verwundung herbeigeführten iJathologischcn Prozess nicht als durch­aus nothwendig zu sein. — Dieses Fieber ist ein gewöhnliches Reiz­oder Entzündungsfieber und seine Erscheinungen sind: das Thicr steht traurig und mit gesenktem Kopfe und gespreiizten Ohren, es zittert, die Haare sträuben sich längs der Wirbelsäule, die sichtbaren Schleim­häute sind blass, die Fresslast mangelt, und die Sc- und Exkretionen sind mehr oder weniger unterdrückt. Dieses Froststadimn, mit welchem das Fieber in der Regel beginnt, dauert bald längere, bald kürzere Zeit, f—1 — 2 Stunden. Hierauf folgt Hitze; die Haut wird am gan­zen Körper wärmer, das Maul wird heisser, ebenso der Athem, die Schleimhäute dunkel gerölhet, die llautausdiiustung vermehrt, der Urin ist dunkeler, als sonst bei demselben Thiere. Dieses Uitzestadium ist von verschiedener Dauer uud Stärke. Die erhöhte Temperatur dauert bald nur eine halbe, bald über eine ganze Stunde fort und dieser Zu­stand wechselt, zuweilen durch mehrere Stunden, worauf die Thiere wieder munter werden. Der Puls ist in der Frostperiode klein, hart, in jenem der Hitze voll und weich, bei Pferden in der Zahl von 48.
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50, zuweileu 60 und darüber in einer Minute. Diese Beschaffenheit des Pulses dauert auch, wenn die ebeu angegebenen Zufälle nicht mehr wahrgenommen werden, gewöhnlich mehrere Tage fort, als Ausdruck des Reizes im Gefäss- und Nervensyslem.
7)nbsp; nbsp; Die Funktionen sind, je nach der Art und Grosse der Ver­letzungen in den betroffenen Organen, mehr oder weniger gestört. So z.B. bei Verletzungen der Augen: das Sehen, bei jenen des Kehlkopfs: das Alhmen, bei denen des Schlundkopfs: das Schlingen. Verlclzte Gliedmassen sehen wir in veränderter Stellung, damit die Spannung etwas gemindert wird, und die Bewegung ist gestört oder auch gänz­lich aufgehoben, u. s. w.
8)nbsp; nbsp;Als ein zwar nicht gewöhnlicher, aber auch doch nicht selte­ner krankhafter Zustand, der sich zu Wunden der verschiedensten Art findet und desshalb hier bei der allgemeinen Bclraclilung der Zufälle der Wunden erwähnt werden muss, 1st der Wund Starrkrampf (Trismus et Tetanus traumaticus). Derselbe findet sich in jeder Periode der Wunden ein, am häufigsten aber in der Zeit der Granulation, und er äussert sich durch eine andauernde unwillkührlichc Contraktion der Muskeln, am Unterkiefer, dem Halse, dem Rücken u. s. w., je nach­dem die Krankheit sich eben nur auf einen Körperlheil beschränkt oder auf den ganzen Körper verbreitet hat. Letzleres geschieht bei dem Wundstarrkrampf gewöhnlich schneller als bei dem durch Erkältung entstandenen idiopathischen Starrkrampf, wenngloieh jeuer zuerst nur an einem Theile, namentlich au dem Kopfe, in den Kaumuskeln her­vorgetreten ist. — Die Muskeln werden dabei ganz derb, und so ge­spannt, dass ihre Beweglichkeit fast ganz verschwindet; die Ohren stehen steif in die Höhe; bei Pferden tritt die Nickhaut weit über den Augapfel, wenn man ihnen den Kopf plötzlich in die Höhe hebt; das Maul kann wenig oder gar nicht geöffnet werden, der Hals ist steif in die Höhe gerichtet; der Schweif steht etwas gekrümmt von dem Körper ab; die Beine sind steif u. s. w. Zuweilen nimmt das Gefässsystem an diesem Leiden keinen Antheil, oft ist aber Fieber und beschwerli­ches, kurzes Athmen zugegen. Der pathologische Zustand beruhet in einer eigenthümlichen Irritation des Rückenmarks, welche wahrschein­lich durch Fortleitung einer Nerveureizung von der Wunde her beginnt und sich dann als Reflexwirkung an den Muskeln offenbaret. — Er entsteht am häufigsten durch fremde Körper in der Wunde, durch Ein­wirkung der Kälte auf sie und dadurch verursachte Unterdrückung ihrer Sekretion, durch unvollständige Trennung der Nerven und einzelner Sehnenfasern und dadurch bedingter ungleicher Spannung derselben, und zuweileu durch unbekannte Einflüsse aus der Atmosphäre; denn das Uebel kommt, in manchen Zeiten bei dem Vorhandensein der übri­gen genannten Ursachen gar nicht, in anderen Zeiten dagegen mehr-fältig vor. — Der Wundstarrkrampf ist mehrenlheils eine sehr üble Complikation jeder Wunde, indem er gewöhnlich binnen kurzer Zeit den Tod durch Erschöpfung der Nervenkraft, oder durch Lungen- oder Hirnschlaglluss herbeiführt.
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Ursachen.
Die Verwundungen entstehen durch das gewaltsame Eindringen sehr vei-sdiiedcuartiger, scharfei', spitziger, oder auch stumpfer Körper in die organische Substanz, wie z. B. der Messer, Degen, Sensen. Beile, Lanzen, Bajonele, Mist- und Heugabeln, Nägel, Dornen, Holz­splitter, Knochen, spitziger oder lialbstuinpfer Stöcke, Deichseln, Ku­geln und Kugclstücke, der Zähne eines beissenden Thieres und dergl. Nach der Verschiedenheit dieser verletzenden Körper und zum Theil danach, ob diejenigen, welche mit einer Schneide versehen sind, blos mit gelindem Druck oder Zug, oder mit einem grosseren Schwünge gegen den Thierkörjier gefiilirt worden sind, erhalten die durch sie er­zeugte VVunden eine verschiedene Form, Beschaffenheit und Benennung, als: Schnittwunden, Hiebwunden, Stichwunden, als gerissene und ge­bissene Wunden. Die crslercn beiden stellen offene, (ausgenommen bei den subculancn Operationen), mehrenthcils einfache Trennungen in länglicher Gestalt, zuweilen in Form eines Lappens dar und haben freie Ränder und ebene Flächen. Die Stichwunden und Schusswunden sind in der Regel enge, oft mit Quetschung versehene Kanäle, die gerisse­nen Wunden sind ungleiche Trennungen, oft lappenförmig, stets mit Dehnung, Quetschung und Zcrreissung der Theile begleitet; die Biss-vvmidcu erscheinen oft eben so. oft nur in der Form den kleinen und seichten Stichwunden ähulich.
Verschiedenheiten und Benennungen der Wunden.
Die VVunden kommen in ausserordeutlichcr Verschiedenheit vor, und zwar: 1) nach der Richtung der Trennung in dem verletzten Ge­webe. Es giebt in dieser Hinsicht Längenwunden, wenn die Tren­nung mit dem Verlaufe der Fasern oder in der Längenachse derselben geschehen ist; — Qucrwuuden, welche die Fasern oder das Organ in querer Richtung freunen; schiefe VVunden, wo die Trennung mit der Längeuachse einen spitzen Winkel macht, und — Lappenwuu-den, wo die getrennten Gebilde nur noch zum geringen Theil mit dem Körper zusammenhängen. Die Form der Lappen ist winkelig, länglich u. s. w. Die Längeuwunden klaffen weniger auseinander, als Querwun­den, weil bei den letztern die Fasern sich nach ihren Beiestigungs-punkleu zurückziehen.
2)nbsp; nbsp; Dient der Korpcrtheil zur Bezeichnung der Wunden, und in dieser Beziehung nennt man sie Kopf-, Hals-, Brust- und Bauch-wunden etc.
3)nbsp; nbsp; Ebenso das Organ und die Art deê verletzten Gewebes, in­dem man so von Wunden der Haut, der Muskeln, der Gefässe, des Auges, der Zunge etc. spricht. Diese Bezeichnung ist in jedem Falle unvermeidlich, ohne Rücksicht auf die übrigen noch gebrauchten Bezeichnungen der Wunden; immer muss das verletzte Organ speziell benannt sein1).
raquo;) Wunden des Horngewebes, namentlich der Kapseln der letzten Zehenglieder, der Hörner, Geweihe sind ein Unding; denn es sind stets die da­runter liegenden blut- und nervemeichen Theile verwundet, auf welche die Untersuchung und Kur gerichtet werden muss.
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4)nbsp; nbsp; Hierzu tritt die Verscliiedenlieit der oberflächlich und tief gehendeu, oder der zum Tlieil oder ganz durch ein oder mehrere Or­gane durchgedrungenen Wunden. Es kano in dieser Hinsicht ge­schehen, dass l. B. eine Verletzung der Brust nur die Haut und die Muskeln betrifft, und sie ist dann nur oiue oberflächliche, weil die Höhle nicht geöilhet ist. Ist das Brustfell milgeöflnet, so ist dies eine cindritigcnde Wunde, und wenn der verletzende Körper die entgegen­gesetzte Wand durchdrungen hat, so ist dies dann eine durchdringende Wuude.
5)nbsp; nbsp; Es sind auch die Wunden in einfache Trennungen und in solche, die mit andern Beschädigungen, als: Quetschnngeu, Erschütte­rungen, Zerreissungen und mit zumckgebliebeueu fremden Körpern, oder mit Giften einen zusammen gesetzten Zustand darstellen, oder die mit einem allgemeinen Krauklicitszustande verwickelt (complizirt) sind, zu unterscheiden.
Hiernach giebt es: a. einfache Wunden,
h. zusammengesetzte Wunden, bei welchen mehrerlei Gebilde ge-Ircnut sind uud wo gleichzeitig Quetschungen, Blutergiessun-gen etc. bestehen, c. complizirte Wunden, bei welchen noch ein fremdartiges Lei­den vorhanden ist. z. B, Gaslrlcismus, nervöse Zufalle, Starr­krampf. Solche Zufälle sind zum Bestehen der Wunden nicht noting. ^
6)nbsp; nbsp;Wie bereits oben bei den Ursachen angegeben, sind die Wunden auch verschieden nach der Art des verletzenden Instruments, als Schnitt-, Hieb-, Stich-, Schusswunden, gebissene uud gerissene Wunden.
Der in dieser Beziehung bestehende grosso Unterschied in der Be­schaffenheit der Wunden ist sehr wichtig, weil sie eine besondere Be­handlung derselben bedingt. Deun während die einfache Schnitt- und Hiebwunde durch Zusammenkleben der getrennten Tbcile wieder zu-sammenheileu kann: so erfolgt dies bei den Biss-, Schuss-, oder an­deren mit Quetschung und Zeircissung verbundenen Wunden nicht, sondern hier muss Eiterung uud Granulation eintreten.
7)nbsp; nbsp;Nach ihrer Wichtigkeit unterscheidet man die Wunden a. in unbedeutende, oder nicht gefährliche;
6. in solche, welche unter gewissen Bedingungen gefährlich wer­den — also relativ gefährliche — und c. die unter allen Umständen lebensgefährlich sind, mithin abso­lut tödtliche. Der diesfällige Unterschied ist massgebend für die Prognose. Der­selbe wird begründet: theils durch die Art und Wichtigkeit des verletzten Organs, theils durch die Grössc, Tiefe und Art der Verwundung, theils durch die spezielle Beschaffenheil des betroffenen Thicres. theils durch Nebenunislände und äussere Einllüssc. (Siehe Prognosis).
Erkennung der Wunden.
Das Erkenuen des Daseins einer Wunde ist im Allgeineiucn leicht, doch machen kleine Stich- und Bisswuudeu, besonders bei reichlicher
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Wunden im Allgemeinen. Erkennung.
Behaarung des Körpers, zuweilen eine Ausuahine hiervon. Es ist aber nieht genug, bloss das Vorhandensein eiuer Wunde zu kennen, sondern mau muss auch erforschen: welche Theile in der ganzen Wunde ver-lelzt sind, daher wie lief und in welcher Richtung die Verletzung ein­gedrungen ist, wie die verlelzten Theile übrigens beschalfen, und ob fremde Körper zugegen sind? Im Allgemeinen ist eine Wunde, wie schon oben angedeutet, daran zu erkennen, dass man mehr oder weni­ger ein Auseinanderklaffen der Haut und anderer unter ihr gelegener Gewebe findet Es ist ein Auslluss von Blut oder andern Feuchtigkeiten sichtbar; man bemerkt die gestörte Funktion des verwundeten Theiles, und diese Erscheinungen sind auffällig genug, um sich über das Vorhan­densein einer W'uudc zu vergewissern. Um sich von der tiefern Be­schaffenheit der Wunde zu überzeugen, muss man, wenn dieselbe ge­räumig genug ist, sie mittelst des Zeigefingers untersuchen und dabei beachten: die verletzten Theile, die Richtung der Wunde in denselben, ob sie halb oder ganz lädirt, ob Lappen, ob fremde Körper vorhanden sind. — Sollte die Wunde zu tief oder zu eng sein, so dass sie mit dem Finger nicht gehörig untersucht werden könnte, so bedient man sich hierzu einer Sonde1) von Metall oder Fischbein.
Zum Soudiren müssen die Thicre feslgeliallen und, wenn sie sehr eniplindlich, furchtsam und widersetzlich sind, auch wohl gebremset werden, damit diese Untersuchung ruhig, gründlich und ohne grosse Reizung oder neue Verletzung der verwundeten Theile geschehen könne.
') Die Sonden sind cylindrische Stäbchen von Eisen, Stahl, Silber, Blei oder Fischbein, gewöhnlich gegen (i Zoll lang, eine halbe bis li Linien dick, und an den Enden mit einem Knöpfchen versehen, letzteres, um bei der An­wendung Nebenverlctzungcn zu vermeiden. Zur Untersuchung sehr tiefer Wun­den hat man sogenannte Doppelsonden, welche an dem einen Ende zum Zu­sammenschrauben eingerichtet sind. Alle Sonden müssen eine recht glatte, polirtc Oberfläche besitzen. Von den metallenen sind die von dichtem, gut po-lirtem Eisen angefertigten gut dazu geeignet, dass man sie gebogen, in krumme Wunden einführen und dann sie wieder gerade biegen kann. Sonden von Stahl sind wegen ihrer grosseren Sprödigkeit zu verwerfen. Die besten sind von Silber. Sie haben die gehörige Festigkeit und BiegsamUeit und werden von den Wund-Se-kretenj als Eiter, Jauche etc. nicht angegriflen. Auch hat man Sonden von Blei, wel­chen zwar ein Vorzug vor den eisernen eingeräumt wird; allein in Wunden zwi­schen sehnigen, fibrösen, Knorpeln und Knochen, oder in engen und Hohlwundcn oder schiefen verbiegen sie sich, und der Grund derselben ist nicht sicher erforscht. Die fisebbeinernen Sonden krümmen sich nach der Richtung der Wunden, in-dess erhält man durch sie, weil sie sich beim Herausziehen selbst wieder gerade richten, von der Richtung der Wunde keine genaue Kcnntniss. Wetallsonden sind hiernach und unler der angedeuteten Vorsicht die besten. — An das eine Ende einer Sonde lässl man zuweilen auch ein Oebr anbringen (Oehrsonden), um mittelst derselben einen Faden durch eine Fistel zu ziehn, damit diese mehr gereizt und hierdurch in heilbarere Thätigkeit versetzt werde. Manche Sonden sind durch kleine Querstriche, welche ebenfalls überpolirt werden müssen, in Zolle eingethcilt, um sogleich die Länge der Wunde genau bestimmen zu kön­nen, was in gerichtlichen Fällen nicht unterlassen werden darf, da dies hier bei der Beschreibung der Wunden nicht nach Gutdünken geschehen darf, sondern genau angegeben werden muss, wie lang und wie tief sie sind. Ausserdcm sind auch Sonden im Gebrauch, welche an dem einen Ende ein Köpfchen, an dem andern eine blattförmige Erweiterung des Stiels — einem Myrthenblatte ähnlich — ha-
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Dabei muss mau dem Tliierc oder dem verletzten Theil wo möglich diejenige Stellung oder Richtung geben, in welcher es sich befand, als es verletzt wurde; kennt man aber diese nicht, so muss das Sondiren bei verschiedenen Stellungen des Thieres geschehen, nölhigenfalls mit Zuziehung von Gehülfen. Denn da die verschiedenen Schichten der Muskeln, Sehnen und sehnigen Ausbreitungen sich bei veränderten Siel­lungen verschieben, so wird auch dadurch die Richtung und Tiefe einer Wunde geändert, z. B. anders wenn sie bei gestreckter Stellung ent­standen ist und sie nun bei gebogener Haltung des Theils untersucht wird. Es können hierdurch Täuschungen entstehen, welche man aber durch das Sondiren in verschiedenen Stellungen vermeidet. — Bei dem Sondiren hält man die Sonde zwischen dem Daumen und Zeigefinger, oder zwischen dem Daumen, Zeige- und Mittelfinger, ähnlich wie eine Schreibfeder und so lose, dass sie gewissennassen von selbst in den VVundkanal hineingelcitet; man fühlt dabei den etwa entstehenden Wi­derstand und sucht sie dann sanft nach einer andern Richtung, nach und nach im ganzen Umfange der Wunde, weiterzubewegen und so ihre Richtung, Tiefe, die Art der verletzten Theile und etwa vorhan­dene fremde Körper zu erforschen.
Fremde Körper in den Wunden können Ilaare, Sand, Horntheicl, Stücke von dem Sattel und Geschirr, Kugeln oder Kugelstücke, Nägel, Dornen, Holzsplitter, Glas, Knochcnsplillcr u. dgl. sein. Dieselben sitzen bald oberilächlich, bald in der Tiefe, locker, verschiebbar oder fest. Man erkennt sie bei ollcnen, weiten Wunden oft schon mit den Augen, in anderen Fällen grösstentheils durch das Fühlen mit den Fingern oder mit der Sonde an der Härte und iJeschatTenheit der Oberiläche der fremden Körper, — was aber bei weichen Gegenstän­den und wenn dieselben tief odor hinter Sehnen und Knochen sitzen, oft sehr schwierig ist. Zuweilen lässt auch die Art der Yerlelzung, z. II. bei Schusswunden mit nur einer Oefinnng, auf das Vorhandensein eines fremden Körpers schliessen; in anderen Fällen ist dieser Schluss und ebenso zugleich ein solcher über die Tiefe der Wunde, aus der Be­trachtung des verletzenden Instruments zu erlangen, z. B. bei Stich­wunden, wenn man sieht, wie weit der verletzende Körper mit Blut besudelt, oder wie weit seine Spitze frisch abgebrochen ist.
In sehr engen, sehr krummen und liefen Wunden gelingt die Er­kennung des Zustandes der Wunde nicht immer genügend, weil man bei manchen derselben auch mit der Sonde den Grund nicht erreichen kann. In solchen Fällen ist es noting^ die Wunde entweder äusserlich oder auch in der Tiefe, wenn sich hier Zellgewebe, Muskeln oder seh­nige Ausbreitungen vorlagern, mittels des Messers so viel zu erweitern, dass man hiernach mit einem Finger bis auf den Grund der Wunde eindringen kann. Solche Erweiterungen einer Wunde durch das Messer sind unter diesen Umständen durchaus nöthig, ausserdem durch Ver­minderung der Spannung in der Wunde nützlich und sollten daher
ben, und hiernach „MyrlheiiLlallsondcnquot; genannt werden. Das Ende mit dem Köpfchen benutzt man, um die Richtung der Wunde zu bestimmen; das Blatt dient dazu, um Eiter, Fett, Krusten oder andere Substanzen, welche oberfläch­lich auf der Wunde liegen, auf eine leichte Weise abstreifen zu können, auch um Salbe oder pulverige Substanzen in die Tiefe zu bringen.
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Wunden im Allgemciiieii. Prognosis.
niemals aus Furcht oder anderen Rücksichten uiilerlasscii weiden. Deberhaupt muss bei der ersten Untcrsochang einer VVriiiide alles mög­lichst vollständig geschehen, damit Irrtliumer vermieden und Wicderho-limgcu nicht nölhig werden.
Im Uebrigcn wird mau aus der Form und Tiefe der Wunde und der glatten oder entgegengesetzt aus der unebenen Beschaireuheit der Wundränder inehientheils erkennen: ob dieselbe durch ein schneidendes oder siechendes Instrument, oder durch einen stumpfen Körper ent­standen. — ob sie eine einfache Trennung oder mit Quetschung ver­bunden ist; der Ort und die Tiefe der Verletzung und die besondere Beschaffenheit des Ausdusses, auch die besonderen Zufalle lassen das speziell verletzte Organ erkennen.
Die Prognosis.
Bei Wunden im Allgenieinen ist a. mit Hinsicht au( die aus der Verletzung sogleich oder später entstehende Lebeusgefahr, und — b. hinsichtlich der Zeit und Art der Heilung, namentlich der Wie­derherstellung des Thieres für einen bestimmten Dienst, zu machen. Sie stützt sich auf folgciHie Punkte: 1) auf die Grosse und die Be-schatïenbeil der Wunde selbst; denn je geringer im Umfange, je ein­facher und reiner die Trennung der Theile ist, um desto eher und un­ter desto geringeren Zufallen heilt sie, entgegengesetzt, je grosser die Verletzung ist, je mehr die Theile gequetscht oder zerrissen sind, je mehr organische Substanz verloren ist, und je mehr fremde Körper in der Wunde sich befinden, um desto schwerer ist die Verletzung und um desto schwieriger und langwieriger erfolgt ihre Heilung; denn unter diesen letzteren Umstünden entstehen auch sehr leicht übelc Zufälle ver­schiedener Art, und Eiterung und Brand sind mehrcntheils unvermeid­lich und es bleiben oft Stöniugen der Verrichtung des verwundeteraquo; Thcils zurück. Daher sind gewöhnlich die Schnittwunden die gutartig­sten, die Hiebwunden sind, je nachdem sie mit mehr scharfen oder stumpfen Instrumenten erzeugt worden sind, im ersteren Falle den Schnittwunden ziemlich gleich zu achten, im letzteren Falle aber we­niger gutartig; — Stichwunden sind gewöhnlich bei gleichem Umfange weniger gutartig als die Schnittwunden, weil sie vermöge des bei ihnen bestehenden engen Wundkanals den AusHuss der Flüssigkeiten nicht gestatten und daher zu Versenkungen derselben, zu übermässigen An­häufungen und dadurch erzeugter Spannung der Theile, zur Entzündung und selbst zu Nervenzufällen, Schmerz und Starrkrampf Veranlassung geben. Ausscrdem sind die Blutungen in den engen Kanülen, besonders im lockeren Zellgewebe, zuweilen schwer zu stillen, weil man das verletzte Gefass nicht, leicht auffinden kann. Schusswunden sind in den ineisten Fällen verhültnissmiisslg die gefährlichsten, weil aucli bei ihnen in der Regel ein enger Kanal besteht, bei welchem die eben erwähnten übelen Verhültnisse wie bei den Stichwunden eintreten können, ausser-dem aber, weil sie stets mit Quetschung und Zerreissung der betrof­fenen Theile verbunden sind und sehr hüufig der verletzende fremde Körper in ihnen zurückgeblieben ist. — 2) die Richtung der Wun­den. Trennungen im Verlaufe der Fasern eines Organs sind stets mit wenig Klaffen der Wundränder begleitet und in Folge dessen ist eine
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Wunden im Allgcineiuen. Prognoslä.
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Vereinigung der letzteren sehr leicht möglich, ja dieselbe erfolgt sogar häufig ohne Mitwirkung einer künstlichen Hülfe, so z. B. selbst bei Verletzungen der Carotis. Querwunden sind dagegen stets mit grosser Ziurüclizlehung der Wundriiudcr begleitet und dieselbe ist in einzelnen Fällen so bedeutend, dass selbst durch Kunslhülfe eine Aneiuandcrfügung der Wuudräiider nicht möglich und dadurch auch das Wiederzusam-menheilen verhindert ist. — 3) die Wichtigkeit des verletzten ïheils. Je wichtiger ein Organ in physiologischer Umsicht für die Erhaltung des Organismus ist, um so gefährlicher ist auch die Verletzung dessel­ben, so dass in dieser IJezichuug hinsichtlich der Prognosis bei gleich grossen und bei gleichartig entstandenen Vcrlelzungen der verscliiedencn Gebilde ausscrordcnlliche Verschiedenheiten bestehen. Während z. 1raquo;. eine Verwundung der Haut, des Zellgewebes oder ejnes Muskels als anbedeutend beurtheüt werden kann, muss die Verletzung des Herzens, des Gehirns an der Basis desselben als lebensgefährlich betrachtet wer­den. Man unterscheidet daher in dieser Hinsicht die Wunden, beson­ders in gerichtlicher Beziehung in 3 Classen, nämlich 1) in absolut tödlliche, 2) in zufällig tödtliche und 3) in unter allen Umständen nicht tödtlicbe Verwundungen. Die der ersteren Classe sind auf keine W eise zu heilen, wie z. B. grössere Verwundungen des Herzens, der grossen Blutgefässe, des grossen und kleinen Gehirns und des verlängerten Mar­kes. Bei den Wunden der zweiten Classe ist die Heilung unter gün­stigen Umständen möglich, sie wird aber durch zufällige störende Um­stände verhindert, welche entweder in der individuellen Beschaffenheit des verletzten Thieves, in dein Mangel der Kunsthülfe zur rechten Zeit, oder in äusseren Verhälluissen, z. B, in der Pflege und Wartung, in der Witterung u. s. w. begründet sein können. So z. B. kann eine Verletzung der Carolis durch Unterbindung zur Heilung gebracht und die aus dieser Verletzung entstehende Verblutung vermieden werden; dieselbe tritt aber ein, wenn die Hülfe nicht in den ersten 10—15 Mi­nuten gebracht wird. Zu der dritten Classe gehören diejenigen Ver­wundungen, welche an und für sich niemals tödtlich werden können, wie 2. B. oberflächliche Verwundungen der Haut, der Muskeln, der Lippen, der Ohrmuschel u. s. w. — 4) Eben so viel wie auf die Wichtigkeit des verletzten Tlieils in physiologischer Hinsicht hat man auch auf die Wichtigkeit desselben für einen bestimmten Zweck des Besitzers zu sehen, so z. B. bei Reitpferden auf die Verwundung der durchsichtigen Hornhaut, auf die Verwundung einer Sehne an den Küssen u. s. vv.; denn diese Verletzungen werden bei einem solchen Thiere in ihren 'Folgen stets eine grössere Bedeutung haben, als bei einem Mastochsen u. s. w. — 5) Die Qualilät und Struktur der ver­letzten Gebilde. Die Erfahrung zeigt, dass einzelne Gewebe weit leichter sich im getrennten Zustande wieder mit einander vereinigen als andere, wie z. B. die Muskeln, die äussere Haut u. s. w., während Knorpel und Bänder nur schwer oder gar nicht zur Wiedervereinigung zu brin­gen sind. 6) Der Ort der Verletzung. In der Nähe von Gelenken und von Höhlen und an sehr beweglichen Thcilen sind alle Wunden immer weit übeler als eben so grosse Wunden an festen Theilen und in der Mitte des Körpers oder eines Gliedes; denn an jenen wird durch die Bewegung beständiges Auseinandcrzerren der verwundeten Theilc und
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Wunden im Allgemeinen. Heilung.
dadurch ein Hindcmiss der Heilung herbeigeführt, während an der Mille
der Theile die Heilung
iiugcslört von Slatlen gehen kann. 7) Das
Alter, die ConstUulion, das Gesuudheiisvcrhällniss und das Temperament des verletzten Thieres. Bei jungen, gul. genährten und völlig gesunden Thiercn besieht ein reger Bildungsprozess und hierdurch auch eine grosse Neigung zur Heilung verwundeter Theile, dagegen bei alten ab-gemagerlen oder kranken Thieren fehlt jene Bildungsthätigkeit oder sie besteht nur in einem sehr geringen Grade und die Heilung erfolgt dess-halb sehr langsam oder auch zuweilen gar nicht; namentlich sind Ca-chexieen, bei welchen seröse Anhäufungen im Zellgewebe bestehen, der Heilung immer sehr hinderlich. Dagegen scheinen die Dyskrasieen auf die Heilung der Wunden von keinem grossen Eintluss zu sein. — Ru­hige gutmüthige Thiere, welche sich die angelegten Bandagen oder Wundhefte ruhig gefallen lassen, werden unter allen Umständen eher und besser geheilt, als widersetzliche und bösartige Thiere, welche durch ihr unruhiges Benehmen die Heilung stören. 8) Die Dauer der Ver­letzung vor Einleitung der Hülfe und die Art der letztem. Je frischer eine Verwundung ist, um desto eher und um desto leichter ist sie zur Heilung zu führen und namentlich können einfache, frisch entstandene Wunden durch die schnelle Vereinigung geheilt werden, wenn die zweckmässige Kunsthiilfe zur Anwendung kommt, ehe die erste Wund­entzündung ihre Ausgänge gemacht hat; sind aber dieselben bereits er­folgt, so ist gewöhnlich die Heilung nur noch auf dein Wege der Ei­terung möglich.
Die Heilung der Wunden.
Dieselbe besteht in der organischen Wiedervereinigung der getrenn­ten Theile und diese ist der eigenen Tliätigkeit des lebenden Körpers auf einem doppeltem Wege möglich, nämlich a. durch das unmittelbare Zusammenwachsen der Wrundflächcn, durch die sogenannte schnelle Vereinigung (Conglntiuatio, oder Heilung auf erstem Wege, per prim am intenlionem), oder b. mittelbar, durch die dazwischen tretende Eiterung und Granulation (Heilung auf dem zweiten Wege, per sup-purationem s. per seeundam intenlionem).
a. Der ersterc Weg ist immer der vorzüglichere, weil er am schnellsten zur Heilung führt, die Heilung auch einfacher und mit Zu­rücklassung der kleinsten Spuren oder Narben erfolgt und weniger mit iibelen Zufällen begleitet ist, als die auf dem zweiten Wege vermittelte. Die Wunden heilen jedoch auf diesem Wege nur unfer folgenden Be­dingungen: 1) wenn sie einfach, ohne bedeutende Quetschung und ohne Verunreinigung durch fremde Körper irgend einer Art sind; 2) wenn die getrennten Theile in glcichraässiger Berührung mit einander erhalten werden; 3) wenn die Entzündung noch keinen Ausgang gemacht und 4) 'wenn sie während der Heilungszeit keinen zu hohen Grad erreicht. Wenn die Heilung auf diesem Wege erfolgt, so entstellt auf den Wund-flachen innerhalb der ersten 24 Stunden eine Ausschwitzung von Fa­serstoff in massiger Menge, durch welchen die Wundflächen und Rän­der znsamincuklebcu und, indem sich neue kleine Blulgcfässchcn bilden, oder auch die kleinsten Zweige der vorhandenen Gelasse von beiden
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Wunden im Allgemeinen. Blutstillung.
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Seiten sich verlängern, wird die Verbindung wirklich organisch und in 4—'8 Tagen vollkommen fest.
b. Der zweite Heiluugsweg ist gewöhnlich langwieriger und nicht selten auch beschwerlicher, auch mit mehr übclen Zulallen, namentlich mit bald mehr, bald weniger reichlichem Säfteverlust verbunden. Aul' ihm erfolgt die Heilung der Wunden, wenn die eben genannten günsti­gen Verhältnisse für den ersten Heiluugsweg nicht vorhanden sind, also namentlich bei allen Wunden, welche mit starker Quetschung, Dehnung und Zerreissung der Theile, mit zurückgebliebenen fremden Körperu, oder durch die Einwirkung ätzender Stolle oder von Giften komplizirt sind; ferner, wo grosser Substanzverlust besteht oder wo die getrennten Theile so stark zurückgezogen sind, dass eine gegenseitige Berührung derselben nicht möglich ist; und endlich in den Fällen, wo die erste Entzündung bereits eiuen Ausgang gemacht hat oder wo dieselbe in einem übermässig hohen Grade besteht und daher eher zur Eiterung als zur adhäsiven Ausschwitzung führt. In manchen Fällen erfolgt auch bei vorhandenen günstigen Bedingungen die Heilung auf jenem ersten Wege nicht, und es bleibt dann nichts anderes übrig als eben die Heilung auf dem zweiten Wege zu vermitteln. In allen solchen Fällen macht die Entzündung entweder sogleich den Ausgang in Eite­rung, oder die faserstoflige Ausschwitzung erfolgt so reichlich, dass die Theile dadurch nicht mit einander verbunden werden, und gewöhnlich bildet sieh dann diese Ausschwitzung nach 2—3 Tagen in Eiterung um und die Heilung erfolgt hiernach mit Granulationserzeugung wie bei den Abscessen. Die Eiterung und die Fleischwärzchenbiidung kann bei den Wunden durch verschiedene Ursachen eben so modifizirt werden, wie bei den Abscessen angegeben ist, so dass unter hierzu günstigen Umständen in manchen Fällen eine Wunde ganz die Beschaffenheit eines Eitergeschwürs annehmen kann.
Der Heilungsprozess in Wunden ist hiernach bei beiden Arten der Heilung ein wirklich organischer Vorgang, der wesentlich von der Stim­mung und Thätigkeit des Organismus abhängt. Die chirurgische Hülfe bei der Heilung der Wunden kann daher auch nur darin bestehen: 1) örtlich die Hindernisse und die übelen Zufälle, durch welche der Hei­lungsprozess gestört oder Lebensgefahr herbeigeführt werden könnte, zu beseitigen; — 2) die zur Heilung erforderliche Hülfe hinsichtlich der gegenseitigen Berührung der gelrennten Theile, des richtigen Grades der Entzündung und der Abhaltung störender Einflüsse zu leisten und —#9632; 3) innerlich durch Nahrungsmittel und Heilmittel die Bildungsthätigkeit entsprechend zu leiten.
In Beziehung auf die erste Anzeige ist besonders die Blutstillung und die Entfernung der fremden Körper zu erwähnen.
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Die Stillung der Blutung. Der wichtigste Zufall gleich nach der Verwundung ist bei deti
Sie erfordert immer grosse Aufmerksam-
meisten Wunden die Blutung.
keit und bei einiger Bedeutung schnelle und sichere Hülfe, weil sonst durch den Verlust einer grossen Menge Blutes die Kräfte des Thierea schnell schwinden und bei einem grösseru Verlust selbst Lebensgefahr
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Wunden im Allgemeinen. Blutstillung.
einlrilt. Dies isl um so mehr zu befiircliteu, wenn das verlelzle Ge-fiiss einen weiten Durchmesser besitzt, und wenn bereits die Erscbei-nungen einer beginnenden Verblutung zugegen sind, wie namentlich: Misse der Schleimhäute, kleiner, leerer Puls, erweiterte Pupille, par­tieller Schweiss, angestrengtes Albmeu und dergleichen. — In vielen Fallen stillt sich die Blutung von selbst, und zwar dadurch, dass das Blut vor der Mündung des verletzten Gefässes und in demselben ge­rinnt und einen sogenannten Blut pfropf (Thrombus) bildet, welcher den fernem Ausfluss hindert. Diese von der Natur bewirkte Blutstil­lung beruht somit auf der Gerinnbarkeit des Blutes und sie erfolgt um so schneller und sicherer, je grosser eben die Gerinnbarkeit des Blutes ist, d. h. je reicher an Faserstoff dasselbe ist. Ausserdem wird sie be-günsliget durch Einflüsse, welche die Gerinnung befördern, wie z. B. durch Kälte, die Luft, adsliiugireudc Substanzen, auch durch Weingeist und dergleichen; ferner durch solche Substanzen, welche dem Blute als Anhaltspunkte dienen, dasselbe in seine Zwischenräume aufnehmen und hierdurch die Gerinnung desselben befördern. In dieser Hinsicht ist auch eine unebene Beschaffenheit der verwundeten Theile, besonders der Gcfüssc selbst, dieser Blutstillung sehr förderlich, und dieselbe er­folgt desshalb bei völlig quer durchschnittenen Gefässen, deren Enden sich zwischen die übrigen Theile zurückziehen können (namentlich in ihre Zcllgewebscheide), sich dabei kräuseln, ihre Wände verdicken, das Lumen des Gefässes verkleinern und an der Innern Fläche kleine Quer­falten bilden, viel leichter als in solchen Gefässen, welche nur theilweis getrennt sind, desshalb gespannt und glatt bleiben. In denselben Um­ständen ist es auch begründet, dass aus zerrissenen Gelassen, und daher bei gerissenen, gebissenen und überhaupt gequetschten und unregehnäs-sigen Wunden die Blutung in der Regel geringer ist als die aus einer eben so grossen Schnitt- oder Hiebwunde. — Die Gerinnung des Blu­tes in einer Wunde beginnt gewöhnlich von aussen her und setzt sich in dem verletzten Gefäss bis zu dem nächsten massig starken Seiten­aste fort. Der Pfropf füllt den Raum des Gefässes nicht ganz voll­ständig aus und hängt mit dem Ende des letztem zuerst nur lose zu­sammen; sehr bald aber entsteht in dem Gefässe an der verletzten Stelle und bald mehr, bald weniger lief in dasselbe hineingehend eine Ent­zündung und hierdurch Ausschwitzung von Faserstoff. Dieser bewirkt eine Verbindung der Wuudränder unter einander wie auch des Blut­pfropfes mit der innern Fläche des Gefässes. Hierdurch wird eine feste Verwachsung in Zeit von 4 — 8 Tagen herbeigeführt und später schliesst sich gewöhnlich das Gefäss bis zu dem nächsten Seitenzweige gänzlich, nachdem daraquo; ergossene Blut wieder aufgesaugt worden ist. Geseliieht dies an einem grössern Gefässstamme, so dehnen sich fast immer die Scitenzweige in der Nähe der früher verletzten und nun verwachsenen Stelle allmälig mehr aus, treten mit den Seitenzweigen von dem andern Ende her in Verbindung und vermitteln hierdurch die Wiederherstellung des Kreislaufes, der Ernährung u. s. w.
Bei bloss theilweiser und kleiner Verletzung der Blulgeflisse geschieht es oft, dass ein Blutpfropf sich äusserlich auf die Gefasswuude legt, dieselbe verstopft und die Blutung stillt, und dass später die Heilung der Wundränder statt findet, ohne dass das Innere des Gefässes, wie
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WutiJeii im Allgemeinen. Blutstillung.
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eben beschrieben, bleibend verstopft wird. Diese Heilung erfolgt zu­weilen nur an der äusseru oder zelligen Haut der Gcfässe, während die innere grösstenlheiis offen bleibt. Es tritt dann oft noch Blut unter die äussere Haut, erweitert, dieselbe und bildet liierdurch die sogenann­ten falschen Puls- und Blutadergeschwülste.
Bei allen bloss durch einen Blutpfropfea verschlossenen Gefäss-wunden kann bei eingetretener Eiterung der Blutpfropf erweicht oder durch den Eiter abgelösst werden, und dadurch eine Wiederholung der Blutung, eine sogenannte Nachblutung eintreten.
Aus verletzten grosseren Gelassen, wenn die Wunde in ihnen nicht sehr klein ist, dann, bei queren und schiefen Wunden der Getasse, bei solchen, wo die Trennung nur unvollsläudig oder wo sie mit Substanz­verlust in den Gefasswäuden verbunden ist, und wo nicht dicke Mus­keln neben den Gelassen liegen, stillen sich in den meisten Fällen die Blutungen entweder gar nicht von selbst oder dies geschieht zu spät, nachdem die Thiere bereits durch den Blutverlust sehr geschwächt sind. Es ist desshalb nöthig, in allen solchen Fällen, wo die Blutung entweder wegen der Stärke des verletzten Gefässes oder wegen der Beschallenheit der Wunde und dem Orte derselben eine bestimmte Aussicht zur freiwilligen Stillung nicht gewährt, die künstliche Blutstil­lung ohne Zeitverlust zu bewirken. Die Mittel hierzu sind 1) Druck (Compression) an der äussern Fläche des verletzten Thcils im Verlauf der blutenden Gelasse; 2) kaltes Wasser; 3) die sogenannten styplischen Mittel; 4) die Tamponation; 5) die Unterbindung; 6) das Zudrehen der blutenden Gcfässe; 7) die Gefässdurchschlingung und 8) das Glüh­eisen.
Nach der Anwendung des einen oder des andern Blutstillungsmit­tels bildet sich in dem verwundeten Gcfässe ein Thrombus und dann Verwachsung, ganz auf dieselbe Weise, wie im Vorstehenden angege­ben ist. Im Besonderen ist Folgendes über sie zu bemerken:
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1.
Durch einen auf die Haut über dem verletzten Gcfäss ange-
brachten Druck hindert man den Zulluss des Blulcs in demselben zu der Wunde und ist somit im Stande, die Blulslilliing dadurch für einige Zeit zu bewirken. Es versieht sich dabei von seilist. dass man zunächst in der Wunde erforschen muss, von welcher Seite her die Blutung stattfindet und ob dieselbe aus Arterien oder Venen kommt, worauf man dann den Druck an der entsprechenden Seile der Wunde anbringt. Dies geschieht culweder auf die Weise, dass man um das ganze Glied bloss ein Band massig fest anlegt, oder auch, dass man unter das Band gerade über dem Gefäss einen Ballen von Werg oder Leinwand oder von einem ähnlichen Material legt, oder auch, dass man das sogenannte Tourniquet 1) applizirt, oder endlich, dass man
') Das Tourniquet oder die Aderpresse ist ein Instrument, durch wel­ches man, je nachdem es construirt ist, entweder nur auf den Stamm eines Gefässes oder auch zugleich kreisförmig um das ganze Glied einen Druck aus­übt. Die für die erstere Wirkung bestimmten bestehen aus einem Gestell von Metall mit einer Schraube oder mit Schnallen, aus einem Druckpolster (Pelotte) und aus einem starken Bande oder Riemen. Das Gestell ist nach den Angaben verschiedener Chirurgen (Petit, Savigni, Rust u. A.) in verschiedener Form
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itOSnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Wunden im Aligemeineh. Blutstillung.
mit den blossen Fingern den Druck au der betreffenden Stelle bewirkt. Auf die erstere Weise kann man besonders an den Gliedmassen sehr leicht in den Fällen, wo Gefahr im Verzüge ist, die Blutung sicher stillen, allein es wird durch das umgelegte Band nicht bloss das blu­tende Gefass zusammengedrückt, sondern dies geschieht auch mehr oder weniger an sätnmtlichcn übrigen Gefässen und an den Nerven, und in Folge dessen tritt Stockung in der ganzen Cirkulatiou, Erlüdtung des Gefühls und beim längern Liegenbleiben des Bandes der Brand ein. Dieser üblen Nebenwirkung wegen darf man dies Verfahren slets nur als ein vorübergehendes Nothmiltel benutzen, bis man anderweitige Hülfsmittel zur Biutsliilung in Anwendung gebracht hat. Zuweilen be­nutzt man dies Verfahren auch zur Verhütung störender Blutungen bei chirurgischen Operationen für die Dauer der letzteren, z. ß. bei der Ausschälnng des Hufknorpels. — Das Verfahren auf die zweite Weise ist weniger nachtheilig, als das eben besprochene, weil es neben dem unter die Binde gelegten Ballen einen Theil der Haut von dem Druck frei lässt; bei längerer Dauer freien aber auch hier die genannten üblen Folgen ein, und desshalb ist das Verfahren auch nur als augenblickli­ches Nolhmittcl brauchbar. — Die Benutzung der Tourniquets ist in der Thierheilkunde nicht gebräuchlich, allein dieses mechanische Hülfs­mittel verdient vor dem blossen Umbinden eines Bandes den Vorzug, weil es in der Regel die Compression nur an zwei Punkten des Glie­des bewirkt, die übrigen Theile desselben von dem Druck frei lässt, desshalb weniger Nachtheil bringt, selbst wenn dasselbe durch einige Stunden liegen bleiben müsste. Für die Dauer ist jedoch die Anwen­dung ebenfalls nicht zulässig. — Die Compression mit den Fingern ist bei ruhigen Thieren, und wenn man einige Cehülfen bei der Hand hat, welche sich gegenseitig ablösen können, zweckmässiger, als die vorigen Methoden, jedoch ebenfalls -nur ein provisorisches Mittel und ausserdem sehr ermüdend, so dass ein Gehülfe dasselbe nicht lange auszuführen vermag, und bei unruhigen, sehr empfindlichen und widersetzlichen Thieren ist dasselbe gar nicht zu benutzen. #9632;— Es lässt sich übrigens für alle Fälle nicht genau vorschreiben, wie stark der Druck auf die eine oder die andere Weise erzeugt werden soll, sondern man muss dies hauptsächlich nach dem blutstillenden Erfolge des bisher angewen­deten Drucks bemessen ,).
gearbeitet. Die Pelotte wird auf den Stamm des Llutendeii Gefässes, ihr gelaquo; geniiber das Gestell an das Glied gelegt, so dass das Band über die Pelotte im beiden Seiten des Gliedes zum Gestell geht, hier befestiget, und dann durch dos Drehen der Schraube kürzer angezogen, bis der erforderliche Grad des Drucks erreicht ist. — Die Tourniquets der zweiten Art bestehen aus einer Plattlaquo; von starkem Leder mit zwei länglichen Oeffnungen, aus einem starken Bande, einem Druchpolster und aus einem hölzernen Knebel. Das Polster wird auf das Gefäss, die Platte ihm gegenüber an das Glied, der mittlere Theil des Bandes über das Polster gelegt; die Enden werden seitlich um das Glied durch die Oeffnungen der Platte nach aussen geführt, hier zusammengebunden und mittelst des Knebels bis zum gehörigen Grade zusammengeschnürt.
') Ein durch Druck blutstillendes Jlitlel sind auch die Kluppen oder Klam­mern, welche jedoch nur bei dem Kastriren gebraucht werden.
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2.nbsp; nbsp; nbsp;Durch die auf die Verletzungsstelle applkirte Kälte wird die Gerinnung des Blutes beschleuniget, zugleich die Zusammenschrumpfung der Gefasswände und der umliegenden Weichgebilde hervorgerufen und dadurch die Blutstillung da, wo nur kleine Gefässe bluten, schnell be­wirkt; bei grossen Gelassen und bei grossen Wunden in denselben ist jedoch dieses Agens zur Blutstillung nicht ausreichend. Als das beste Vehikel der Kälte ist das einfache Wasser, oder allenfalls verstärkt durch Zusatz von Schnee oder klein zerklopftem Eis zu benutzen. Die An­wendung geschieht mittelst eines Schwammes oder Lappens, welchen man in dem Wasser tränkt und unmittelbar über der Wunde wieder ausdrückt, oder auch durch sanftes Aufgiessen des Wassers auf die Wundfläche. Das Mittel hat vor den in ähnlicher Weise wirkenden styptischen Mitteln den Vorzug, dass es die Reizung in den verwunde­ten Theilen vermindert, nicht aber wie die letzleren sie vermehrt und die Wunde verunreiniget. Das kalle Wasser verdient daher in allen Fällen, wo man die Heilung der Wunde durch schnelle Vereinigung bewirken will, den Vorzug vor den übrigen Mitteln, vorausgesetzt, dass die Blutung durch dasselbe zu bezwingen ist.
3.nbsp; nbsp; nbsp;Die styptischen Mittel sind solche, welche vermöge ihrer chemischen Eigenschaften eine schnelle Coagulation des Blutes und eine starke Zusammenschrumpfung der Gefässe u. s. w. bewirken können, wie z. B. die Säuren, die verschiedenen Vitriole, der Alaun, Gerbsäure, Creosot, das Rabclsche Wasser, Thedcns Schusswasser (die soge­nannte Arquebusade) und dergleichen. Diese Mittel wirken etwas kräf­tiger als das kalte Wasser, sind jedoch für sich allein zur Stillung grosser Blutungen nicht ausreichend und sie haben noch die unange­nehme Nebenwirkung, dass sie die Wunde verunreinigen und in einen abnormen Reizungszustaud verselzen. Sie passen desshalb nicht in den Fällen, wo die Wunde duich schnelle ATereinigung geheilt werden soll. Ihre Anwendung geschieht entweder auf die Weise, dass man sie un­mittelbar und bald mehr, bald weniger oft wiederholt in die Wunde giesst, oder dass man sie mit einem Wergballen in die Wunde bringt und so zugleich durch Druck mittelst einer Binde, durch Zunähen der Wände und dergleichen in der blutstillenden Wirkung unterstützt.
Zu den styptischen Mitteln rechnet man auch, obgleich nicht ganz mit Recht, einige pulverige Substanzen, welche durch Absorption des Blutes und durch Verdickung desselben die Bildung eines Blufpfropfes und das festere Ankleben desselben an die Wundfläche befördern, wie z. B. Stärkemehl, Mehl, arabisches Gummi, Colophonium, aus Gemen­gen dieser Substanzen mit Vitriolen und dergleichen, wie z. B. ein von Bonafoux empfohlenes Gemenge aus 2 Theilen pulverisirten Colo­phonium, aus arabischem Gummi und Holzkohle, von jedem 1 Theil. Diese Mittel sind nur bei Blutungen aus kleinen Gefässen, namentlich bei den sogenannten parenehymatösen Blutungen wirksam; sie müssen immer dick auf die verletzte Stelle aufgestreut und, wo es anzubringen ist, mittelst eines Verbandes von Werg und einer Binde in ihrer Lage erhalten und in ihrer Wirksamkeit durch gelinden Druck unterstützt werden. Bei solchen Wunden, welche durch schnelle Vereinigung ge­heilt werden sollen, sind diese Mittel im Allgemeinen nicht anwendbar; doch finden sich Ausnahmen hiervon, wenn die Blutung nach Anweu-
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Wunden im Allgemeinen. Blulstillung.
dung dieser Mittel bald sich stillt, und wenn die letzteren nach Verlauf etwa einer bis zwei Slunden durch kaltes Wasser wieder entfernl werden und die Wuude dann als eine reine Wunde zur Vereinigung ziemlich geeignet wird.
4. Die Tamp o nation bestellt darin, dass mau die vorher so viel als möglich gereinigte Wunde mit einzelnen Ballen oder Polstern (Tampons) von Werg oder Cbarpic, oder von Baumwolle, Lerchcuschwamm, Zun-derschwamm oder Bovist vollständig ausfüllt und diese Substanzen mit­telst einer um den verletzten Theil gelegten Binde festhält. Die Tam­pons müssen von reinem und weichem Material gemacht und massig fest zusammengewickelt oder zusammengedrückt werden, weil sie, wenn sie zu locker sind, zuviel Zwischenräume enthalten, durch welche das Blut nach ausseu hervoisickert, so dass der Zweck nur unvollständig oder gar nicht erreicht wird; denn die Wirkung beruht hier lediglich in dem Druck, welchen die Tampons auf die Wimdlläche und auf die verleizten Ccfässc ausüben. Zuweilen beabsichtiget man den Druck auf nur einen Punkt in der Wunde auszuüben. In diesem Falle legt mau auf die Stelle, aus welcher die Blutung stattfindet, einen kleinen Tampon, auf diesen einen zweiten, welcher etwas grosser ist, dann einen noch grössern und so fort bis zur Höhe der Hantränder, so dass die sämmtlichen Tampons in der Wunde einen auf seiner Spitze ru­henden Kegel darslellen. In manchen fällen befeuchtet man die Tam­pons mit den oben bezeichneten styptischen Mitteln oder mit einem klebenden Pulver, um so die blutstillende Wirkung noch sicherer her­beizuführen. — Die Tamponalion ist leicht ausführbar und mehrentheils in ihrem Erfolge sicher, besonders, wenn unter dem blutenden Gefäss ein harter Theil liegt; sie hat aber stets die üble Nebenwirkung, dass sie die Wunde durch einen fremden Körper verunreiniget und reizt und hierdurch die sclinelle Vereinigung hindert; sie findet daher ihre besondere Anwendung nur in den Fällen, wo die Blutslillung durch andere Mittel nicht schnell genug zu bewirken, namentlich das Blutende Gefäss nicht zu erreichen ist oder wo viele Gefässe bluten, und wo die Wunde ausseidem nach ihrer Bcschaflenheil durch Eiterung geheilt werden muss.
Wenn eine Blutung durch Tamponatiou gestillt worden ist, muss der Verband, je nach der Stärke der verletzten Gefässe und nach den übrigen Umständen, während 1—3 Tagen liegen bleiben und es darf während dieser Zeit nur die Binde lockerer gemacht werden, um die Nachtheile zu verhüten, welche durch ein andauerndes, zu festes Liegen derselben herbeigeführt werden könnten. Nach der angegebenen Zeit nimmt man die oberflächlich liegenden Tampons weg, erweicht die tie­fer liegenden mit lauwarmem Wasser und entfernt sie dann so sanft als möglich, mit Vermeidung jeder heiligen Zerrung, weil sonst der Blutpfropf gestört und eine neue Blutung veranlasst werden könnte. Dieser Ursache wegen darf auch die Wunde nicht sogleich gründlich gereiniget werden, sondern man verbindet sie mit neuen Wergtampons, fährt am andern Tage u. s. w. damit fort und erwartet dabei das Ein­treten des Eiterungsprozesses. Bei dem Abnehmen des ersten, des zweiten und zuweilen auch des dritten Verbandes findet man in tam-ponirten Wunden stets einen übclen. fauligen Geruch, bald mehr bald
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Wunden im Allgemeinen. Blulstillung1.
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weniger stark. Derselbe entstellt nur durch Zersetzung des in der Wunde hin und wieder in den Vertiefungen beilndlichen Blutes und hat daher keine üble Bedeutung.
5. Die Unterbindung (Ligatura s. Ligatio vasoruin) besteht in dem Zusammenschnüren der Wände eines Gefässes durch ein um das­selbe herumgelcgtes Band. Dieselbe kann in 'iweieilei Weise ausge­führt werden, nämlich a. als isolirte oder unmittelbare und 6. als die mittelbare Unterbindung oder die Unterbindung mit Sub­stanz. — Bei der erstem erfasst man das Ende des blulenden Gelasses mit einer Pinzette oder mit einem Aderhäkchen '} und zieht es hiermit sanll hervor. Ein Gehülfe führt dann, je nach der Grosse des Gefässes, einen einfachen Faden oder ein breiteres oder ein rundes Bändchen 2) über das hervorgezogene Gefäss, bildet aus dem Bündchen eine einfache Schlinge und schnürt dieselbe auf dem Gefäss so fest zu, dass die Wandungen sich im Innern gegenseitig fest berülireu und dass selbst die innere Gefässhaut dabei zerrissen wird. Oder man verfährt auf die Weise, dass man auf der Pinzette oder auf dem Haken eine oder einige Schlingen vorbereitet legt, ehe man das Gefäss ergreift, und schiebt sie dann,'wenn letzteres geschehen ist, auf das Gefäss herab und schnürt sie nun vollständig zusammen. Die Unterbindungsfädcn müssen dann noch einmal gegenseitig unter einander durchgesteckt und hierauf fest zugezogen werden, so dass ein fester Knoten auf der ersten Schleife entsteht. Hierauf wird das eine Ende nahe an dem Knoten abgeschnit­ten, das andere bleibt aber gewöhnlich in der Länge, dass es bis zu den Haulrändern der Wunde reicht. In manchen Fällen, namentlich bei der Unterbindung von Blutgefässen an Eingeweiden schneidet man beide Enden der Unterbiudungsfäden nahe am Knoten ab, weil hier die Schünge (Ligatur) nicht nach aussen abgestosseu werden kann.
Bei der Unterbindung mit Substanz ergreift man mittelst der Pin­zette oder des Hakens oder im Nothfalle miltelst der blossen Finger das blutende Gefäss zugleich mit den ihm cohärirenden anderen Weich­gebilden, z. B. Zellgewebe, Muskelfasern, Nerven u. s. w. und legt den Ünterbindungsfaden oder das Band um diese Theile sämmtlich herum, so dass dieselben von der Ligatur zugleich mit betroffen werden. In
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') Die Pinzetten können einfach oder mit einer Vorrichtung zum Schlies-sen, nach Graefe, Rust, Fricke u. A. versehen sein. Jede gut schlies-sende, aber nicht mit scharfen Zähnen versehene Pinzette ist dazu brauchbar.
Der beste AderhaUen ist der Bellsche, von Graefe verbessert. Er ist am Ende des Stiels fast in einem halben Kreise gebogen, an der Spitze haar­fein, an der vordem Fläche des Stiels mit einer kleinen, bohl aufliegenden Fe­der versehen, in welcher die Unterbindungssehlinge vorbereitet liegen kann. Die Pinzette macht jeden Arterienhaken entbehrlich.
') Man unterscheidet runde und platte Ligaturbändchen. Die ersteren sind einfache Zwirn - oder Seidenfäden, oder Bindfäden von verschiedener Dicke, — oder auch Darmsaiten; die anderen sind wirkliche Bändchen von Zwirn oder Seide, oder mehrfache platt zusammengelegte Fäden. Alle müssen glatt, ohne Knoten und am besten mit Wachs bestrichen sein. Die Darmsaiten hielt man besonders geeignet, weil sie aus thierischem Stoff bestehen; die Erfahrung hat gezeigt, dass diese Eigenschaft ohne besonderen Nutzen ist.
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Wunden im Allgemeinen. Blutstillung.
denjenigen Fällen, wo das blutende Gefäss nicht zu erfassen ist, weil es sieb zu sehr zwisebeu die Muskeln zurückgezogen bat, ist man ge-uöthiget, die Stelle, wo die Blutung stallfindet, mit einer krummen Wundbeflnadel und mit einem Faden zu umstechen, und dann die um-stochene Masse mit den Fadenenden zu umbinden und einzuschuüren, wo dann das blutende Gefäss in der Regel mit ergriffen und comprimirt wird. Bei der mittelbaren Unierbindung wirkt die Ligatur stets weniger sicher auf die Gefässwände, als bei der Unterbindung des isolirlen Ge­lasses, ausserdem werden aber auch sehr häufig Nervenfäden mit zu­sammengedrückt, dadurch heftige Schmerzen, Krämpfe und zuweilen selbst der Wundstarrkrampf herbeigeführt; auch entstehen leicht Nach­blutungen dadurch, dass bei eingetretener Eiterung die innerhalb des Bandes befindlichen Theile zusammenschrumpfen und dadurch die Schlinge locker wird und ihre Wirkung nicht mehr ausübt.
Hieraus ergiebt sich, dass die Unterbindung des isolirlen Gefässes stets vor der Unterbindung mit Substanz vorzuziehen ist.
In manchen Fällen ist das blutende Gefäss weder mit Instrumenten, noch mit den Fingern zu erereifen, weil entweder die Wunde zu eng, das Gefäss zu sehr in der Tiefe liegend, oder auch im Falle es ganz durehlrennt ist, seine Enden sich zu sehr zurückgezogen haben. Wenn in einem solchen Falle dennoch die Unterbindung geschehen soll, so ist es noting, durch geeignete Kunslschnille das Gefäss so weit bloss zu legen, dass man es erfassen und unterbinden kann. Wan muss hier­bei einerseits mit möglichster Schonung der umgebenden Theile, so wie andererseits mit Rücksicht auf die Form und Bcschairenheit der Wunde, in sofern dieselbe für eine Art der Heilung, besonders für die schnelle Wieder­vereinigung geeignet ist oder nicht, zu Werke gehen. In ersterer Hin­sicht wählt man, wenn nicht andere Umstände dem entgegenstehen, für den zu machendeu Einschnitt diejenige Seile der Wundränder, welcher das verlelzle Gefäss am nächsten liegt, und bei dem Schnitt selbst schont man hier liegende andere Gefässe, Nerven, Drüsen u. s. w., so dass soviel als möglich nur Haut, Zellgewebe und Muskeln getrennt werden. In Beziehung auf die zweite Rücksicht sucht mau bei diesen Schnitten zugleich der Wunde eine solche Form zu geben, bei welcher der Aus-tluss des Wundsekretes vollständig und leicht stattfindet, wobei zugleich die Spannung in halb getrennten Theilen aufgehoben wird und etwa vorhandene fremde Körper leicht entfernt werden können. Die Länge der zu machenden Sehnille lässt sich für alle Fälle nicht genau bestim­men, sie muss aber so sein, dass das blutende Gefässende sicher erfasst und gegen 4 — 6 Linien weit hervorgezogen werden kann.
In denjenigen Fällen, wo ein nicht völlig durchtrenntes Gefäss blutet und also dessen Enden sich nicht von einander zurückziehen können, ist es nötbig, nach angelegter Ligatur das Gefäss an der ver­wundeten Stelle völlig durchzuschneiden, damit eben die Zurückziehung der Enden geschehen könne und die sonst bestehende Spannung des Gefässes aufgehoben werde. Geschieht dies nicht, so muss man fürch­ten, dass zur Zeit der eingetretenen Eiterung die mit der Unterbindung versebene Stelle des Gefässes durchreisst, ehe noch eine vollständige Verwachsung im Innern erfolgt ist, und dass somit eine Nachblutung eintreten könne.
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Wunden im Allgemeinen. Blutstillung.
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Bei solchen Gefässeu, welche mit anderen anastomosiren, wie nament­lich die Carotiden, die Gaumenarterien, die Scliilddrüsenarterien, die Wir-belarterien, die Zwischenrippenartevien, die inneren Brustarlerien, zum Theil auch die vorderen und hinteren Bauchdeckenarterien, die umflochte­nen Arterien des Schullcrgelenkes, die Zwischenknoclienarlerien an den Gliedmassen, ist es noting, eine Ligatur vor und hinter der verwundeten Stelle an das Gefäss zu legen und dasselbe dann ebenfalls an dieser Stelle zu durchtrennen; wenn aber diese Durchtrennung schon bei der Verletzung selbst geschehen ist, muss jedes Ende des verletzten Gelasses für sich unterbunden werden.
Sind in einer Wunde mehrere Gelasse unterbunden, so lege man die Enden der sämmilichen Ligaturen in den einen oder in den andern Wundwinkcl; ist aber eins der Gefässe von besonderer Wichtigkeit, oder soll die Ligatur an ihm längere Zeit liegen, so bezeichnet man dasselbe, z. B. durch einen Knoten in dem heraushängenden Unterbin­dungsbande, oder man legt es an eine besondere Stelle für sich allein.
Die Wirkung der Ligalurbäuder ist nicht unter allen Unisländen ganz gleich, sondern sowohl von der breiten oder runden Form und von der Stärke des Bandes und zum Theil auch von der Kraft abhän­gig, mit welcher man dasselbe auf dem Gefäss zusammenschnürt. Runde Ligaturfäden schneiden stets mehr in die Gefässsubslanz ein, als die breiten, welche letzteren nur die Gefässwnnde auf einer, der Breite angemessenen Länge an der iunern Fläche in gegenseitige Berührung bringen; je feiner eine runde Ligatur ist, um desto mehr schneidet sie ein. Es wird dabei aber merkwürdiger Weise die äussere oder zelligc Haut der Gefasse nur sehr wenig eingeschnitten, dagegen bei Arterien stets die innere oder glatte Haut und gewöhnlich auch die mittlere oder fibröse Haut bald theilweise, bald vollständig durchschnitten. Je stärker die Kraft dabei in Anwendung kommt, um desto mehr geschieht dies. Nach einigen Stunden entwickelt sich an der ünterbindungsstelle Ent­zündung, welche sich eine kleine Strecke weit im Verlaufe des Gefas-ses fortsetzt und Ausschwilzung und Verwachsung zur Folge hat. Je nach der Grosse der Gefässe erfolgt die Verwachsung in Zeit von drei bis sechs Tagen. An der Unterbindungsstelle selbst entwickelt sich nach etwa 3 Tagen Eiterung, welche sehr ungleich, bei kleinen Gefäs­seu etwa bis zum fünften, bei grossen bis zum zehnten bis vierzehnten Tage dauert und dann mit Abstossung des ausserhalb der Unterbin­dungsschlinge liegenden Thcils des Gelasses und ebenso mit Ablösung dieser Schlinge selbst endet. Diese Entfernung ist durchaus nothwcu-dig ehe die Wunde sich schliesst, weil die letzlere sonst wieder auf­bricht und sich Fistelgänge bilden.
Die Ligatur ist auf die eine oder die andere Weise in den meisten Fällen ausführbar und die Unterbindung des isolirlen Gefässcs hindert die schnelle Vereinigung der Wunden nicht, da der Ligalurfadcn die­selbe nur sehr unbedeutend auf einer kleinen Stelle verunreiniget. Da­bei ist sie im Vergleich zu den übrigen Blutstillungsmitteln bei grossen wie bei kleinen Gefässen verhältnissmässig das sicherste; doch kommen auch mitunter Nachblutungen vor, und zwar, wie bereits oben erwähnt, bei der Unterbindung mit Substanz häufiger als bei der isolirten Unter­bindung. Sie enlslehen in manchen Fällen dadurch, dass die Unter-
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314nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Wunden im Allgemeinen. Blutstillung.
binduiigsschlinge nicht gehörig fest zusammengezogen ist und dann nicht genügend wirkt, oder dadurch, dass ein zu dünner Unterbindungs-faden die Gefässwiinde zu früh durchschnitten, oder dadurch, dass die Gefässwünde krankhaft mürbe sind und an der Unterbindungsstelle desshalb zu früh durchreisseu oder gleichsam durchbrechen; und zu­weilen reissen sich die Thicre auch die ünlerbindungsfädeu selbst ab.
6. Das Zudrehen oder Drillen (die Torsion oder das Torqui-reu) der Blulgefässc besteht in denraquo; Zusammendrehen getrennter Ge-fässenden um ihre Längenachse bis zu dem Grade, dass die Gefäss­wünde stellenweis in Spiralfalten eng in einander gedreht, dabei theil-weisc zerrissen und dadurch in ihrem Lumen verschlossen werden. Die Anwendung dieses Verfahrens zur Blutstillung gründet sich auf die Beobachtung, dass gerissene Wunden in der Regel viel weniger bluten als Wunden, welche durch Schneiden mit. Instrumenten erzeugt worden sind. Die Blutstillung kann hierdurch in allen den Fällen ausgeführt werden, wo die Unterbindung gemaehl zu werden pflegt, sie hat aber vor derselben den Vorzug, dass sie keine fremde Substanz iu die Wunde bringt, dass auch keine Eiterung zu entstehen braucht, dass somit die schnelle Vereinigung ohne irgend ein Hinderniss zu Staude kommen kann. Das Zudrehen kann in dreifacher Modifikation ausgeführt wer­den; nämlich 1) als einfache Drehung eines Blutgefasses, ohne weitere Vorbereitung und ohne Fixirung desselben; 2) als Drehung des Gefäs-ses mit Fixirung desselben durch eine quer über das Gefäss gelegte Pinzette oder Kornzange; und 3) als Drehung mit Fixirung des Ge-fässes und Zurückschiebung seiner innern und mittlern Haut. Ausser-dem tritt auch darin noch eine Verschiedenheit ein, dass man das Ende des ergriffenen Gefässes entweder bloss zusammendreht, oder dass man dasselbe vollständig abdreht.
Die erste Art der Zudrehung bewirkt man, indem man mit einer Pinzette das Gefässende in seiner Längenrichtung an zwei einander gegenüberstehenden Punkten der äussern Fläche ergreift, es möglichst stark zusammendrückt und es einige Linien weit hervorzieht, und dann es, wenn es ein grösseres Gefäss ist, von dem umgebenden Zellgewebe trennt, so dass es eine ganz reine Aussenfläclie zeigt. Bei kleinen und bei völlig frei hervortretenden Gelassen ist dieses Abtrennen nicht nö-thig. Hierauf dreht man die Pinzette mit dem Gelass zwischen dem Daumen und Zeigefinger beider Hände um die Längeuachse des Ge­fässes so lange, bis man ein gelindes Knacken, welches von der Zer-reissung der Gcfasshäute entsteht, hört; worauf man entweder das spi­ralförmig znsamniengediehle Gefässende während etwa einer Minute noch festhält und es dann frei lässt; oder man setzt das Drehen so lange fort, bis das Ende des Gefässes vollständig abgedreht ist. Bei diesem einfachen Verfahren wird zwar das Gefässende verschlossen und die Blutstillung bewirkt, allein die Drehung setzt sich immer zu tief an dem Gefäss entlang fort, gewöhnlich bis zum nächsten grossen Sei-lenzweigc und es entsteht dadurch Zerrung und Quetschung mehr als nölhig ist und desshalb wählt man lieber das zweite Verfahren. — Bei demselben wird das Gefässende mit einer Pinzette eben so ergriffen und hervorgezogen, wie angegeben ist. Hierauf legt mau eine zweite Pinzette etwa 6 — 8 Linien weit hinter der ersten, quer über das Gefäss, drückt
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Wunden im Allgemeinen. Blutstillung.
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dasselbe fest zusammen, fixirt es, und macht dann die Drehung mit der ersten Pinzette, wie angegeben ist. Durch das Fixiren mit der zweiten Pinzette erhalten die Drehungen des Gefässes an der letzteren eine Begränzung, 'so dass Drehungen und Zerrungen tiefer hinein ver­mieden werden; ausserdem legen sich die Spiralfalten des Gefässes hier­bei auch enger zusammen und die Verschliessung .desselben durch^ sie erfolgt fester; allein das Drehen verlangt mehr Kraft und dabei weniger Schnelligkeit als bei der ersten Methode, wenn der Zweck sicher er­reicht werden soll. — Bei dem dritten Verfahren benutzt man zu dem Fixiren eine Pinzette, deren Arme am vordem Ende fast prismatisch geformt oder an der inuern Fläche mit einer massig scharfen, hervor­stehenden Kante versehen sind, so dass das zwischen die beiden Arme gelegte Gefass von beiden Seiten gleichsam einen Eindruck erhält; mit einer zweiten Pinzelte findet das Drehen des Gefässendes um seine Lüngenachse eben so statt, wie vorhin angegeben ist. Während des Drehens zeneisst die innere und mittlere Gefässhaut an der Stelle, wo jene Pinzette quer über das Gefass liegt, und diese Häute stülpen sich bei dem fortgesetzten Drehen nach dem Lumen des Gefässes zu um und verschliessen dasselbe theilweis, so dass sich hier sehr leicht ein Blulpfropf bilden und die feste Verschliessung des Gelasses um desto schneller und sicherer erfolgen kann.
7. Die Durchschlingung der Blutgefässe. Dieselbe wird be­wirkt, indem man das völlig getrennte Gefässende mit einer Pinzette hervorzieht, es mit einer zweiten Pinzette etwa l — 1 Zoll vom Ende entfernt breit drückt, dann an einem Seilenrande des Gelasses einen, durch beide Wände desselben dringenden Längenspalt macht, durch diesen Spalt eine feine Pinzette oder ein Häkchen steckt, hiermit das zu diesen Instrumenten umgebogene Gefässende erfasst und es durch den Spalt vollständig hindurch und nach der entgegengesetzten Seite zieht. Dabei ist es wesentlich, dass jener Längenspalt im Gefasse von dem Endrande desselben wenigstens so weit entfernt sein muss, als das Gefass breit ist und dass die Länge des Spaltes selbst ein wenig kürzer 1st als die Breite des Gelasses. Der schmale Streif von Gelässwand, welcher neben dem Spalt an dem einen Seitenrande bleibt, bildet gleich­sam ein Band, durch welches die durch den Spalt hindurchgefühlten Gefässhäute zusammengeschnürt werden und wodurch die Blutung si­cher gestillt wird, wenn der Spalt nur die bezeichnete Grosse besitzt und die Operation überhaupt recht genau ausgeführt worden ist. Der Vorlheil dieses Verfahrens im Vergleich zu den übrigen Blutstillungs-mitlcln besieht darin, dass die Verschliessung der blutenden Gelasse mittelst ihrer eigenen Substanz geschieht und dass dabei die Vitalität der Gefässhäute äusserst wenig leidet, daher auch keine Eiterung ein­tritt und die schnelle Vereimgung sogleich statllinden kann. Allein die Gefässdurchschlingung verlangt bei der Ausführung die grösste Akura-lesse, wenn sie gelingen soll; letzteres ist oft vom Zufall, z. B. von der Unruhe des Thieres, abhängig, und bei in der Nähe ihres Stammes oder am Knochen durchtrennten Gefassen und eben so bei solchen Gelassen, welche weniger als 1—2 Linien dick sind, nicht ausführbar. (Siehe das Zudrehen der Blutgefässe und die Gefässdurch-
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Wunden im Allgemeinen. Blutstillung.
schliugung. Magazin f. d. ges. Thierheilkunde von Gurlt und Herlwig. Bd. I. S. 375.)
8. Die Blutstillung durch das Glüheisen berubt hauptsäch­lich auf der schnellen Umwandlung der organischen Substanz in einen an dein Gefassende und oft auch an den umgebenden Theilen fest­sitzenden Schorf, zum Theil auch auf der coagulirenden Wirkung des hohen Hitzegrades. Durch den letzlern wird das Blut zum Gerinnen gebracht und das Gelass etwas zusammengeschrumpft, durch den Schorf aber die Müudnng des letztem fest verschlossen. Dabei wird die Wunde in der Umgegend des getrennten Gefässes bald mehr, bald we­niger gereizt, durch den Schorf verunreiniget und die Eiterung fast immer herbeigeführt. Das Glüheisen ist, wenn die Applikation mit der nöthi-gen Vorsicht und Vollständigkeit geschieht, in den meisten Fällen ein sicheres Blutstillungsmittel, allein oft gelingt, es nicht oder nur sehr schwer, einen festen Schorf zu erzeugen und ausserdem hat man nie die Sicherheit darüber, wie fest der Schorf an allen Punkten des Ge-lassrandes silzt und wie schnell derselbe sich bei der eintretenden Ei­terung lösen wird? Geschieht dies zu früh, so tritt gewöhnlich eine Nachblutung ein. Trotz dieser Uebelslände wird das Glüheisen als Blutstillungsiniltel häufig benutzt, namentlich in den Fällen, wo Gelasse sich stark zurückgezogen haben, oder auch wo mehrere Gefiissc aus dem Parenchym eines Organs bluten und nicht zu erreichen sind und daher die Unterbindung nicht ausführbar ist, die Tamponaliou aber wegen der Lage und weichen Beschaffenheit der Theile nicht in An­wendung kommen kann. Man wählt zur Blutstillung stets ein weiss-glühendes Brenneisen, welches hinsichtlich seiner Form und Stärke der Weite und Form der Wunde entspricht und mit einer ganz glatten Oberfläche versehen ist. Um die letzlere sicher zu erhalten, ist es zweckmässig, das eben aus dem Feuer kornmeitdc Brenneisen vor der Anwendung auf das blutende Gefäss recht schnell an einem Stück Holz abzureiben und es hierdurch von den etwa anhaftenden Schlacken und von dem in der Hitze entstandenen Eisenoxydul zu befreien; denn nur ein weissgiüheiules Brenneisen verkohlt die organische Substanz schnell und bildet hierdurch einen an der Oberlläche trockenen Schorf, wäh­rend durch ein weniger heisses Eisen die organische Substanz gleich­sam laugsam gebraten und ein an der Oberfläche leuchler Schorf er­zeugt wird, welcher leicht an dem Eisen haften bleibt, besonders wenn dasselbe rauh und uneben ist. Bei dem Brennen muss die Wunde vorher mittelst eines Schwammes und durch Compression von aussen her gegen das blutende Gefäss möglichst gereiniget werden, damit man das blutende Gefäss sehen und die organische Substanz wirklich in den Schorf umwandeln könne, weil sonst nur allein das vorhandene Blut zu einem Gerinnsel gebracht, der Zweck aber nicht erreicht wird. — In manchen Fällen will es trotz aller Vorsicht nicht gelingen, einen festen Schorf zu erzeugen, trotzdem die Substanz des Geftisses und selbst der umliegenden Theile durch das glühende Eisen bei oft wie­derholter Berührung immer mehr und mehr schwindet. In solchen Fällen ist es zweckmässig, irgend eine Substanz, welche reich an Koh-lenstolF ist, z. B. kurz geschnittene Haare, fein geraspeltes Horn, pul-verisirten Zucker, oder desgleichen Colophonium, Harz, Pech, Oel oder
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Wunden im Allgemeinen. Entfernung fremder Körper.
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Talg und dergleichen gegen 1—2 Linien dick auf die blutende Stelle #9632;ia legen und dann das Eisen hierauf anzuwenden. Diese Substanzen bilden, indem sie verkohlen, in der Regel einen hinreichend festen Schorf. Etwa 3 — 6 Tage nach geschehenem Brennen findet sich am Kande des Schorfes Eiterung ein, welche allmalig unter demselben weiterschreitet und ihn in etwa 8—12 Tagen abstössl.
Die Blutstillung mag auf die eine oder die andere Weise bewirkt sein, so ist doch in allen Fällen hiernach die möglichste Ruhe des Thie-res nöthig, um örtlich das Abstossen oder Abrelsseu der entstandenen Blutpfropfe, der Ligaturen oder des Schorfes zu verhüten, und Orgasmus und Blutandrang zu der verletzten Stelle zu vermeiden.
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Die Entfernung fremder Körper aus den Wunden.
Die in eine Wunde etwa eingedrungenen fremden Körper verur­sachen in derselben, je nach Beschalfenheit und Grosse und nach der Art, der von ihnen berührten Gebilde, bald mehr, bald weniger Druck, Reizung. Schmerz, zuweilen sogar den Starrkrampf, sie vermehren und unterhalten die Entzündung und die Eiterung, geben Veranlassung zu üppiger Grannlalion, hindern oll die Heilung, oder, wenn dieselbe er­folgt ist, verursachen sie zuweilen später eine neue Entzündung und ein Wiederaufbrcchen der Wunde. In manchen Fällen senken sie sich in verschiedenen Richtungen und erzeugen dann später Beschwerden an anderen Stellen. Doch geschieht es auch zuweilen, dass ein frem­der Körper, namentlich eine glatte Kugel, von ausgeschwitztem Faser-stofï wie mit einer Kapsel eingehüllt, last unschädlich wird und dann iür immer ruhig im Körper bleibt; auch in Knochen eingedrungene Kugeln wachsen zuweilen in denselben fest. Jener übelen Wirkungen wegen müssen in der Regel die fremden Körper entfernt werden; die Entfer­nung geschieht entweder durch die Kunst oder durch die Natur, in letzterem Falle mittelst der Eiterung. Die künstliche Entfernung ist nöthig, wenn die Körper heftigen Schmerz und Krampf erzeugen, oder zu lange die Eiterung unterhalten. Die beste Zeit dazu ist immer ent­weder gleich nach der Verwundung, ehe Entzündung und Geschwulst eintritt, oder später, wenn diese Ziulalle vorüber sind.
Je nachdem die fremden Substanzen feste Körper oder flüssige, chemische, oder selbst giftige Substanzen sind, geschieht ihre Entfernung auf verschiedene Weise. Die letzleren werden entweder durch blosses Bcgiessen oder Befeuchten mittelst eines Schwammes mit kaltem Was­ser, oder wenn die Substanz ätzend ist, wohl auch mit schleimigen Flüssigkeilen, mit Milch, mit Seifenwasser und dergleichen ausgespült, oder auch durch Einspritzungen dieser Flüssigkeiten mittelst einer Spritze beseitiget. Eben so eingedrungene Haare, kleine Strohstückchen und Uhnliche leichte Substanzen. Sind es dagegen feste Körper, so kann man dieselben entweder mit einem Finger, oder wenn sie tiefer und in einem engen Kanal testsitzen, mittelst einer hakenförmig gebogenen starken Sonde, oder der Pinzette, oder einer Kornzange, oder mittelst einer Kugelzange oder auch eines Kugelbohrers herausnehmen. Mau sucht mit dem Finger oder mit diesen Inslrumenlen über und hinter die fremden Körper zu gelangen und zieht sie dann zu dem Eingange
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Wunden im Allgemeinen. Regulirung.
der Wunde hin. Dabei ist es zweckniüsslg, den vorlctzlen Tlieilen eine solche Stellmii; zu geben, bei welcher dieselben möglichst erschlallt sind. In manchen Fällen gelingt die Enlfernung der fremden Körper auf keine Weise, wenn nicht die Wunde vorher an einer oder der an­dern Stelle gehörig erweitert worden ist. Dies ist dann der Fall, wenn die fremden Körper eckig oder spitzig sind und sich irgendwo zwischen die Weichgebiide festgesetzt haben, oder wenn sie im Zellgewebe hinter Muskeln. Sehnen oder sehnigen Ausbreitungen sich nach abwärts ge­senkt haben, oder endlich, wenn bereits heilige Entzündungsgeschwulst der verletzten Theile eingetreten ist. Durch den später eintretenden Eiterungsprozcss werden die fremden Körper immer bedeutend lockerer und ihre Entfernung wird dadurch verhäilnissmüssig erleichtert, und oft werden sie durch die vom Grunde der Wunde hcrvorwaclisende Gra­nulation allmälig bis an die Oberfläche der Wunde gebracht und aus-gestossen. Wenn dies aber nicht geschieht, mnss später docli noch die künstliche Entfernung bewirkt werden. Die Schuilte zur Erweiterung der Wunde müssen unter diesen Umständen ganz nach denselben Rück­sichten unternommen werden, welche bereits S. 312 bei Gelegenheit der Erweiterung der Wunden für den Zweck der Blutstillung angedeutet worden sind; hinsichtlich dei Länge und Tiefe der Schnitte hat man aber die Grosse des Iremdcn Körpers zu beachten.
Die Regulirung der Form der Wunden.
Die Heilung der Wunden wird sehr häufig dadurch gestört und die übelen Zufälle werden dadurch oft sehr vergrössert, dass in man­chen Wunden die Weichgebiide in einander entgegengesetzten Richtun­gen durchtrennt sind, so dass hierdurch eine ungleiche Zerrung in ein­zelnen Muskel- oder Sehnenbündeln, in Gefässen oder Nerven unter­halten wird, oder dass sich hinter den sehnigen Ausbreitungen, oder hinter Wuskeln Höhlen befinden, in welchen Blut, Eiter u. s. w. sich ansammeln und durch ihre Menge oder durch veränderte chemische Beschaffenheit reizend auf die umgebenden Theile einwirken. In man­chen Fällen hat auch die Wunde eine so ungleiche Form, dass einzelne Theile der Ränder nur noch sehr unvollständig mit der übrigen Kör-pennasse zusammenhängen, in Folge dessen sie nur unvollständig er­nährt werden, erkalten, an der Oberfläche trocken und unempfindlich werden und hierdurch in kurzer Zeit gleichsam als fremde Körper auf die übrigen verwundeten Theile zurückwirken. Endlich sind auch die Wundränder zuweilen so uneben oder so verzerrt und umgebogen, dass eine gegenseitige Berührung bei dieser ßcschalfenheit unmöglich wird. In allen diesen Fällen ist es nöthig, vermittelst geeigneter Kunstschnitte die Form der Wunde in der Art umzuändern, dass alle unvollständig getrennten Fasern, namentlich wenn dieselben hohl auf anderen Theilen liegen, vollständig durchtrennt werden, mit alleiniger Ausnahme grösse-rer Gelass- und Nervenzweige; ferner dass bei bestehenden Höhlen die Ränder derselben an der abhängigsten Stelle so tief eingeschnitten wer­den, dass ein freier und leichter Auslluss der Wundsekrete hiernach stattfindet; eben so, dass grösstentheils abgetrennte und bereits völlig erkaltete oder trockene Lappen an der am geeignetsten erscheinenden
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Wunden im Allgemeinen. Nähte.
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Stelle vollsländig abgelöst und endlich, dass unebene Wuudränder so ausgeglichen werden, dass dieselben von beiden Seiten so vollständig als möglich sich mit einander vereinigen lassen. Die für diese Zwecke zu machenden Schnille lassen sicli in vielen Fällen mit den Erweite­rungen der Wunde, welche zur Entfernung fremder Körper oder zur bessern Erreichung der verletzten Gefässe bei der Blutstillung nöthig sind, verbinden.
Die Vereinigung der Wundränder.
Eignet sich eine Wunde durch ihre oben (S. 304) angegebene ßeschali'enheit zur schnellen Vereinigung, so kann man diese dadurch herbeiführen, dass man die Wundränder und Wundflächen in eine gleichmässige gegenseitige Berührung bringt und sie während der Hei­lungszeit in derselben erhält. Die Mittel hierzu bestehen vorzüglich: A. in den sogenannten blutigen Nähten, B. in Binden und klebenden Pflastern (der sogenannten trockenen Naht) und C. in einer zweckmäs-sigen Stellung und Richtung der verletzten Theile.
A. Die blutigen Nähte werden vermittelst Nadeln und Fäden oder Bändchen an den Wundrändern gemacht, und zwar entweder auf die W'eisc, dass man die letzteren entweder nur mit einzelnen für sich besiehenden Heften versieht oder auch mit einer wirklichen fortlaufen­den Naht zusammenfügt; durch die spezielle Art, wie man diese Zu­sammenfügung auf die eine oder die andere Weise bewirkt, sind meh­rere Formen von Nähten entstanden, von denen die wichtigsten folgende sind: 1) die Knopfnaht, 2) die Zapfennaht, 3) die Hasenschartennaht und — 4) die Kürsehnernaht.
1. Die Knopfnaht, Knotennaht oder Bundnaht (Sulura no-dosa) ist die einfachste und in den meisten Fällen ausreichende Naht. Die­selbe ist überall zur Ausführung geeignet, wo die verletzten Theile sich nicht zu stark von einander zurückgezogen haben, doch aber die Wunde in die Tiefe eingedrungen ist. Man braucht zu ihrer Ausführung bei massig tiefen Wunden nur eine, bei sehr tiefen Wunden aber zwei gekrümmte Heflnadeln'), welche noch einmal so lang, wie die Wunde tief ist, und angemessen breit, sein müssen, ausserdem so viele Heftbändchen, als man einzelne Hefte an die Wundränder anlegen will. Bei ihrer Anle­gung kann man in zweierlei Weise verfahren, nämlich entweder so, dass man eine Heflnadel quer durch beide Wundränder, den einen
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') Die Heftnadeln oder Wundhcflnadeln sind entweder krumm oder gerade. Letzlere sind nur zum oberflächliclien Heften, erstere aber sind bei Wunden von jeder Grosse anwendbar. Sie bestehen aus gehärtetem Stahl, sind gut po-lirt, nach dem Abschnitt einer Kreislinie gebogen, an ihrem vordem Drittheil zweischneidig, an der convexen Fläche glatt, an der coneaven in der Mittel­linie etwas verdicht und am Ende mit einer guten Spitze, an ihrem mehr cy-linderischen Hinterlheil mit einem Oehr versehen, dessen hinterer Rand an beiden Seiten eine Furche besit/.t, damit das Heftbändchen in derselben etwas vertieft liegen kann und somit bei dem Durchziehen durch die kleine, von der Nadel erzeugten Stichwunde weniger drückt. Sehr breite Nadeln müssen ein Queröhr mit ähnlich vertieftem hintern Rande besitzen. Die Grosse der Nadeln rnuss nach der Tiefe der AVunde, so wie nach der Dicke und Beschaffenheit
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Wunden im Allgemeinen. Nähle.
von aussen und den andern vou innen her durchsticht, oder so, dass die Nadel durch jeden Wundrand in der Richtung von der Wunde nach aussen hin durchgeführt wird. Auf die erstere Weise operirt man bei oberflächlichen, auf die letztere aber bei liefen und weit klaffenden Wunden. Die Ausführung im letzteren Falle geschieht folgenderrnassen: Mau drückt zuerst mit den Handen die beiden Wundrändcr sanft gegen einander, um zu sebcu, wie die verlelzten Theile zusammen passen. Dann niinint man die mit dem Heft bändchen ï) versehene Nadel in eine Hand, und zwar so, dass der Daumen auf die eingebogene oder concave, der Zeige- und Mittelfinger aber auf die convexe Seile zu lie­gen kommt. So gehalten slicht man sie in der Tiefe der Wunde durch den einen Wundrand von Innen nach Aussen hindurch, fädelt dann die Nadel an das enlgegengesctzte Ende das Bändchens und sticht, dem ersten Einslichpnnkt gegenüber, den zweiten Wundrand in derselben Weise von Innen nach Aussen durch. In gleicher Weise werden dann in der gehörigen Entfernung noch die übrigen Hefte, so viel deren je nach der Länge der Wunde nülhig sind, eingezogen, worauf man, nach­dem die Wunde noch einmal gereiulget ist, beide Wundränder durch Gehülfen zusammendrücken lässl, und nun die beiden Enden eines jeden Heftes auf der Haut zuerst in eine einfache Schlinge vereinigt und die­selbe entweder mit einer aufziehbaren Schlinge oder auch mit einem festen Knoten schliesst. — Bei oberllächlichen Wunden ist das Verfah­ren so, dass man die Nadel äusserlich in der angemessenen Entfernung von der Wunde in die Haut eines Wundrandes einslicht, sie in die geliörige Tiefe hineindrückt, durch den andern gegenüberstehenden Wund­rand stösst und sie in gleicher Entfernung von der Wunde, wie der gemachte Einslich geschehen ist, durch die Haut auf dem zweiten Wundrande wieder hervorbringt. Das Heftbändchen wird der Nadel
der Wundränder verschieden sein, z. B. an Wunden der Augenlider und der Därme nur I Zoll lang, 1 Linie breit, i Linie dick, dagegen zum Heften tiefer Muskelu'üncien und an der Bauchwand die sogenannten Bauchheftnadeln 4 — 5 Zoll lang, 4 — 6 Linien breit und am dicksten Theil 1—li Linie dick sein. — Die geraden Nadeln sind, bis auf die ihnen mangelnde Krümmung, eben so construirt. Man hat aber auch gerade Nadeln ohne Oehr aus Stahl, Messing oder selbst aus Silber, und zum Gebrauch bei der Hasenschartennaht bestinnnt. Man kann hierzu sehr zweckmässig gute Stecknadeln, besonders die bekannten Karlsbader Nadeln benutzen.
') Die Heftbändchen bestehen aus neben einander liegenden Zwirn- oder Seidenfäden, aus Spagatschnur, oder aus flachen Zwirn- und Seidenbändchen; sie müssen nach der Dicke und Zurückziehungskraft der Wundränder und nach der Stärke der Heftnadeln von angemessener Stärke sein, so z. B zum Heften schlaffer Hautränder einfache oder doppelte Zwirnsfäden, zum Heften von gros­sen Muskelwunden aber sind 8 — 12fache Fäden, die wie ein Bändchen neben einander liegen, erforderlich oder J — i Zoll breite Bändchen. Hunde Schnur ist überall weit weniger zweckmässig, weil sie einschneidet. Die Fäden der Bändchen sollen immer glatte Oberflächen haben, weshalb man sie mit Wachs bestreicht, wodurch zugleich die einzelnen Fäden zusammengehalten und gegen die Einwirkung des Eiters geschützt werden. Die Länge der Bänder ist nach der Art der Naht, so wie nach der Tiefe der Wunde und der Dicke der Wund­ränder verschieden.
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Wanden im Allgemeinen. Nähte.
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nachgezogen, hierauf die letztere entfernt und dann weiter verfahren, wie vorhin angegeben worden ist.
2.nbsp; nbsp; nbsp;Die Zapfennaht (Sutura clavata). Dieselbe ist, im Wesent­lichen mit der Knopfaaht übereinstimmend, aus einzelnen Heften beste­hend, jedoch mit dem Unterschiede, dass die Heftbändchen äusserlich nicht unmittelbar auf der Haut, sondern auf kleinen Stäbchen oder Cy-lindern, den sogenannten Zapfen liegen und daher auch nicht so sehr in die Haut einschneiden können, wie dies bei jeuer Naht der Fall ist. Die Zapfennaht ist daher besonders zur Anwendung geeignet bei gros­sen und liefen Wunden in weichen und muskulösen Theilen, die sich stark zurückziehen, und besonders bei Querwunden in denselben, wo das Ausreissen der Heftbändchen sehr leicht stattfindet, wie z. ß. bei Querwunden an den Bauchwänden. Man gebraucht zur Anlegung die­ser Naht ähnliche gekrümmte, aber etwas breitere und stärkere Heft­nadeln, wie zur Kuopfnaht, für jedes Heft ein dreifaches Heftbänd­chen und ausserdem die genannten Cylinder oder Zapfen. Die letzteren bereitet man aus fest zusammengewickelter Leinwand, oder aus Holz­stäbchen, mit Leinwand umwickelt; sie müssen die Länge der Wunde und bei grossen Thieren eine Dicke von circa 4—6 Linien, bei kleinen Thieren eine Dicke von 3—4 Linien besitzen. Bei der Anwendung fädelt mau in die Nadel ein dreifach liegendes Heftbändchen und legt die einzelnen Hefte hiermit ganz so an wie bei der Knopfnaht. Nach­dem die nöthige Anzahl der Hefte angebracht ist, legt man auf dem einen Wundrande zwischen diejenigen beiden Bändchen, welche am meisten nach einwärts, d. h. nach der Wundspalte zu liegen, einen Cylinder und bindet die Enden dieser Bändchen an den letztern fest, — und so an sämmtlichen Heften desselben Wundrandes. Hierauf lässt man durch Gehülfen mit den Händen die Wundränder gegen ein­ander drücken, so dass die gleichtnässige Berührung der Wundflächen stattfindet, und während dies geschieht, bindet man den Cylinder auch auf dem zweiten Wundrande zwischen die Enden der beiden am mei­sten nach einwärts liegenden Heftbändchen eines jeden Heftes fest, nachdem diese Bändchen und hierdurch der auf dem andern Wund­rande liegende Cylinder straff angezogen worden sind. Zuletzt werden dann auch die Enden des am meisten nach aussen liegenden Bändchens eines jeden Heftes über die Cylinder geführt und gegenseitig mit einan­der vereiniget, wie bei der Knopfnaht.
3.nbsp; Die Hasenschartennaht, umschlungene oder 8ter-Naht (Sutura circumvoluta) wird auf die Weise angelegt, dass man me­tallene gerade Nadeln in querer Richtung durch die beiden Wund­ränder, in angemessener Entfernung von der Wundspalte durchsticht} und dieselben statt der Heftbändchen in den letzteren sitzen lässt. Die einzelnen Nadeln werden, je nach der stärkern oder weniger starken Zurückziehung der Theile 1—l Zoll von einander eingelegt und sraquo; fort in der ganzen Länge der Wunde. Hierauf lässt man durch Ge­hülfen die beiden Wundränder sanft gegen einander drücken und windet dann um die über die Haut hervorragenden Enden einer jeden Nadel einen glatten Zwirns- oder Seidenfaden etwa 6—8 Mal herum und bindet dann die Enden des Fadens in einen Knoten zusammen. Die Um-wickelung kann entweder in einer runden Schlinge odor in Form einer 8
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Wunden im Allgemeinen. Wähle.
geschehen, so dass bei letzlerer sich die Fäden gerade auf der Wunde kreuzen. Zur Anlegung einer solchen Naht auf dünnen Wundtheilen, wie z. B. an den Augenliedern, kann man sich am zweckmässigsten der sogenannten Karlsbader Inseklennadeln bedienen, dagegen müssen bei Verletzungen gröberer Theile auch stärkere Nadeln angewendet wer­den, weil .sonst, wenn dieselben zu fein sind, Krümmung der Nadeln und hierdurch ungleicher Druck und Zerrung in den Wuudrändern entsteht. Die aus der Haut hervorragenden Spitzen der Nadeln kneift man mit einer Scheere oder einer Drathzange ab, damit die Thieie sich an denselben nicht verletzen können. Diese Naht bewirkt eine sehr gleichmässige Yereinigung und findet desshalb besonders in den Fällen ihre Anwendung, wo bei nicht tiefen Wunden die Haut und der Haut-muskel eine beständige Zerrung erzeugt und wo man gern eine mög­lichst glatte Narbe bewirken will (auch zur Schliessung der Aderlass­wunden); bei sehr liefen Wunden ist sie dagegen nicht anwendbar.
4) Die Kürschnernaht (Sutma pellionum), auch Darmnaht (Gastroraplie) oder Schlingennaht genannt, wird auf disse Weise ausgeführt, dass man einen emfachen oder mehrfachen Heftfaden, wel­cher gegen 3 mal so lang wie die Wunde ist, in eine krumme, bei recht oberflächlichen Wanden aber auch in eine gerade Heftnadel ein­fädelt und mit derselben die beiden Wundränder, an einem Winkel der Wunde anfangend, so durchsticht, dass der eine Wundrand in ange­messener Entfernung von der W'untlc, von ausseu nach innen, und der andere von innen nach aussen durchstochen wird; man bindet dann das Ende des Fadens mit dem aus dem zweiten Wundrande hervorge­gangenen Theile desselben fest zusammen, oder, wo der Faden mehr­fach ist, bindet man an das Ende einen Knoten und führt die Nadel zwischen den einzelnen Fäden hindurch, wie durch eine Schlinge, oder, was weniger zvveckmässig ist, man bildet am Ende des Heflbandes bloss einen dicken Knoten und zieht, denselben bis an die Haut an der Ein­stichsstelle heran. Hierauf durchsticht mau etwa -i—| Zoll an dem ersten Einstichpunkte entfernt in etwas schräger Richtung die beiden Wundränder wie zum ersten Male, zieht den Faden nach und wieder­holt dies in gleicher Weise so oft, bis die ganze Wunde mit einzelnen, aber zusammengesetzten Heften bis zum andern Wundwinkel versehen ist. Die einzelnen Helle bilden hier gleichsam eine Spirale, deren Axe sich in der Mitte der Längcnaxe der Wunde bclinden muss. Das Ende des Fadens wird durch den letzten Heft durchgesteckt und mit einer einer Schleife oder auch mit einem festen Knoten zugebunden und da­durch die Hcftung feslgeschlossen. Um das Heften bequem und leicht auszuführen, ist es zweckmässig. die beiden Wundränder mit den Hän­den gegenseitig zusammenzudrücken und sie ein wenig über die Flächen der übrigen Gebilde hervorzuziehen; man braucht dann nur die Nadel von einer Seite zur andern mit einem angemessenen Druck durch beide Wundränder zu treiben. Diese Naht eignet sich am meisten zur Zu-saramenfügung dünner und nachgiebiger oder dehnbarer Weichgebilde, wie z. B. an den Därmen (wesshalb sie auch als Darmnaht besonders bezeichnet wird) und bei oberflächlichen Wunden der Haut und des Hautmuskels. Sie hat vor den übrigen Nähten keinen Vorzug, wohl aber den Nachtheil, dass man bei ihr, nicht wie bei jenen Nähten, nach
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Wanden im Allgemeinen. Nähte.
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Erforderu der Umsfaude ein oder das andere Heft nachlasäca oder ent­gegengesetzt mehr fest anziehen kann. Denn bei der in Rede stehen­den Naht wirkt jede Veränderung an einer Stelle auch auf die übrigen Hefte. Sie wird daher Im Ganzen nur wenig benuUt.
Nachdem die eine oder die andere iSaht angelegt worden ist, rei­niget man die Wundränder und ihre Umgebung von dein etwa noch ausgeflossenen Blut und wendet dann zur Uutcistülzuiig der Naht noch Binden u. s. w. an, je nachdem der Ort der Verletzung und die ße-schaifenheit der Wunde es verlangen.
Welche Art der Naht man aucli anwenden mag, so muss man dabei folgende allgemeine Regeln beobachten:
1)nbsp; Je tiefer die Wunde ist, um desto länger muss auch die Heft­nadel sein, und zwar so, dass sie stets wenigstens zweimal so lang als die Wunde tief ist; denn man muss stets zicinlich den gleichen Raum vom Wandrande entfernt, wie die Wunde tief ist, den Einstich äusser-lich an dem ersten Wundrande machen, und an dem zweiten Wund­rande eben so weit von der Wunde entfernt die Nadel wieder heraus­führen, ausserdem aber muss nolhwcndig ein Theil der Spitze und des Oehrs der Nadel freibleiben, um sie mit diesen ïheilen halten und diri-giren zu können.
2)nbsp; Den ersten Heft legt man, wenn die Wundränder ganz eben sind und die Wunde regelmässig, auch nicht an dem Rande eines Thei-les ist, immer an einem Winkel der Wunde an, und zwar am besten an dem obern; hat aber die Wunde eine nnregclmässige, in Lappen gelheilte Form, so legt man am besten das erste Heft in die Ecke des grössten Lappens; und wenn die Wunde am Rande eines Theiles ist, z. B. am Augenlide, an der Lippe u. s. w., so legt man deu ersten Heft am äussern Rande an; weil man bei diesem Verfahren am besten ungleiche Zerrungen und Verschiebungen der verwundeten Theile be­seitigen und das Uebrigbleiben eines hervorstehenden Wuudrandes oder einer Falte verhindern kann.
3)nbsp; Die Entfernung eines Heftes vom andern und die Zahl der ein­zelnen Hefte hängt lediglich von der Grosse der Wunde, von dem stärkern oder geringern Zurückziehungsvcrmugeu der getrennten Theile und von dem ruhigen Betragen des Thieres ab, so dass man in einzel­nen Fällen einen Zwischenraum von 1^-, in anderen von kaum % Zoll frei lassen darf.
4)nbsp; nbsp;Wo mehrere Unterbindungsfäden in einer Wunde liegen, oder wo man Ansammlung von Flüssigkeiten in derselben zu erwarten hat, lässt man am untern Winkel, oder an der tiefsten und abhängigsten Stelle der Wunde einen kleinen Raum ohne Heft und offen.
5)nbsp; nbsp;Die Nähte oder die einzelnen Hefte dürfen weder zu fest zu­sammengezogen noch auch entgegengesetzt zu locker bleiben, sondern sie müssen immer mit Berücksichtigung des Umstandcs: ob schon Ent-Kündungsgeschwulst eingetreten ist oder auch nicht, so fest zusammen­gezogen werden, dass die Wundflächen sich an allen Punkten möglichst vollkommen berühren. Ist noch keine Entzündung eingetreten, so dür­fen die Hefte weniger straff angezogen werden, als in den Fällen, wo dieselbe schon besieht; denn im erslereu Falle hat man noch das Ein­treten der Geschwulst und somit auch eine grössero Spannung der Hefte
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Wunden im Allgemeinen. Nähte.
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zu erwarten, während entgegengesetzt im anderen Falle bei der eintre­tenden Abnahme der Geschwulst die Heftfäden schlaffer werden.
6)nbsp; nbsp;Die Knoten odi.- Schleifen von den Heflen müssen immer zur Seile der Wunde auf einem Rande derselben liegen, niemals aber aut der Wunde selbst, weil sie auf der letztem die Reizung und Entzün­dung vermehren und Eiterung veranlassen können.
7)nbsp; nbsp;In den Fällen, wo man nach dem Heften noch grosse Ge­schwulst und daher auch viel Spannung und Ausreissen der Hefte zu befürchten hat, wie auch da, wo man Thcile, welche unter den allge­meinen Decken liegen, nichl mit diesen zugleich, sondern für sieh allein heften muss, wie z. 15. mchrcnlheils Wunden am Bauche, da bindet mau die Enden der Heflbänder nicht in feste Knoten, sondern man macht zuerst einen einfachen Knotcii und legt darüber eine aufziehbarc Schleife, damit man, wenn die Geschwulst zu bedeutend wird, die ein­zelnen Hefte öffnen und lockerer machen könne.
8)nbsp; nbsp;Halte man zur Anlegung der blutigen Naht ein Thier nieder­gelegt, wie dies wegen der Schmelzen oll nöthig ist, so muss man noch während des Liegens des Thieres nach beendetem Ileflen die ver-lelzten Theilc mit einer Binde fest umgeben und dann das Thier so
vorsichtig
und ruhig als möglich aufstehen lassen. Durch die Binde
werden die bei dein Aufstehen der Thicrc unvermeidlichen heftigen Be­wegungen sehr bcsclnänkl und durch das ganze Verfahren wird das Ausreissen der Heflc verhindert.
9) Die eingelegten Hefte müssen bis zur vollkommenen Vereinigung der Wunde ruhig liegen bleiben. Die Vereinigung erfolgt jedoch in ver­schiedenen, von der Grössc der Wunden, von der Beschaffenheit und Funktion der verletzten Theile, von dein Alter und dem Zustande des Thieres abhängigen Zeiten, jedoch meistens in etwa 5 — 8 Tagen. Findet man um diese Zeil die Wundränder gegenseitig fest verbunden, so schneidet man mit einer Scheere die Heftbändchen, indem man jedes derselben zuerst mit der linken Hand ein wenig über die Haut her­vorgezogen, an einer Seile nahe über der letztern ab und zieht dann an den Knoten das Ende vollends hervor. Um das letztere möglichst leicht bewirken zu können, ist es in den Fällen, wo die Heftbändchen mit einer Kruste von geronnenen Säften an die Haut angeklebt sind, zyveckmiissig, sie zuerst mit lauwarmem Wasser zu befeuchten und die Krusten zu erweichen. Zeigt sich die Vereinigung nicht an allen Punk­ten der Wunde glcichmässig, oder weiden einzelne Hefte früher als andere mehr schlaff, so kann man zuerst nur diejenigen Hefte, welche diese Beschaffenheit zeigen, oder wo die Vereinigimg schon vollständig geschehen ist, entfernen, die übrigen aber noch durch einen oder einige Tage sitzen lassen.. Bei sehr grossen Wunden ist es der Vorsicht an­gemessen, nicht alle Hefte mit einein Male, sondern nur zuerst jeden zweiten Heft zu entfernen, und die übrigen ein Paar Tage hiernach.
B. Die Binden zur Vereinigung der Wunden heissen Vereini-gungsbinden (Fasciae unientes). Sie sind bei den Wunden der Thiere als Vercinignngsmittcl im Ganzen wenig anwendbar, weil sie auf der behaarten Haut und bei dem kräftigen Üautmuskel zum Theii auch bei dem nnriihigen Benehmen der Thiere gegen Alles, was ihnen Zwang und Schmerzen macht, nichl fest genug liegen bleiben und daher auch
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Wunden im Allgemeinen. Heftpflaster.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;32S
nur vveuig zu leisten vermögen. Sie passen daher auch nichrcntheils nur bei oberflächlichen Verletzungen und au solchen Theileu, wo man sie als Umwickelungen in glcichmiissigcr Lage anbringen kann, wie z. B. um den Leib, um die Brust und um die Gliedmassen. Jedoch bilden sie oft ein wichtiges Unterstülzungsmittcl der blutigen Naht, und sie sind hierzu um so mehr geeignet, wenn mau sie so anlegen kann, dass sie zugleich einen Druck gegen den Grund der Wunde ausüben und dadurch auch die verletzten ïheile in der Tiefe in gegenseitige Be­rührung bringen; ferner auch da, wo die Vereinigung mit der bluligennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; '.[v Naht nicht hinreicht, alle gegenseitige Beweglichkeit in den verletzten Thcilen auch mehr enlfernt von der Wunde zu beschränken. Eben so auch in den rällen, in welchen wegen der grossen Tiefe und des starken Klaflens qnergelrennler Muskeln die Vereinigung durch die blu­tige Naht unausführbar, die gegenseitige Annäherung der Wundflächen aber wünschenswerth ist und endlich in den Fällen, wo Lappen nicht nur an ihren Gränzcn, sondern auch an ihrer innern Fläcbe getrennt quot;i i sind, und namentlich wo solche Theile cntblösst sind, welcbe bei ein­getretener Eiterung eine Störung der Heilung bedingen, wie z. B. Ge­lenkbänder, Knochen und Selincn.
In einzelnen Fällen benutzt man unter diesen Umständen bloss eine einfache Binde, welche man entweder in Cirkel- oder Spiralwindungen um die verletzten Theile herumwickelt, oder man legt auch Polster von Werg oder von Leinwand unter die Binde auf diejenigen Stellen, auf welche man eben einen stärkern Druck ausüben will. Die Länge und Breite der Binden muss sich immer sowohl nach dem Umfange des Theils, wie auch nach der Länge der Wunde und nach der Zahl der bierdurch bedingten Umwickelungen richten Die Wergpolster werden von weichem Werg massig fest und der Form und Dicke des Theils, auf welchem sie eben liegen sollen, entsprechend zusammengewickelt und so auf die Haut gelegt, dass der entweder auf einen Punkt in der Tiefe oder auf eine ganze Fläche beabsichtigte Druck auch wirklich mittelst der Binde, herbeigefülni werden kann. Die Binden selbst wer­den entweder auf einen Kopf oder auf zwei Köpfe gerollt, um den ver­letzten Theil in der Art gelegt, dass ihr Druck immer der Zurückzie-bung der Theile entgegen, d. h. von dem Anhel'tnngspuukt der verletzten Theile gegen die Wunde hin wirkt und hierdurch die Wundränder einander nähert.
C. Die Vereinigung der Wunden mittelst sogenannter Heftpfla­ster ist bei den Haustbicicn noch weniger ausführbar und nützlich als durch die Binden, weil die behaarte Oberfläche des Körpers und die sehr starke Wirkung des Hautmuskcls die Anwendung, das Abnehmen und die Wirksamkeit dieses Ilülfsmiltcls sehr beschränken. Dasselbe wirkt ausserdem gewöhnlich nur auf die Obcrfläcbe, ausgenommen, wenn man Streifen von Heftpflaster mit ihrem mittleren Theile der Wunde gegenüber so um ein Glied legt, dass die Wundränder von diesem Mittelpunkte her gegenseitig durch die Enden des Pflasterstrei­fens einander genähert und durch dieselben zusammengehalten werden. Zu diesen Pflastern benutzt man das iu den Apotheken vorrätbige ein­fache oder auch das zusammengesetzte Harz- oder Heftpflaster (Em-plastrum resinae pini s. Empl. adhaesivum), welches man, nachdem
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Wunden im Allgemeinen. Heftpflaster.
es durch Bearbeiten zwischen den Fingern oder durch Erwärmen in warmem Waser etwas erweicht ist, auf feste Leinwand streicht und dann aus dieser die Streifen in der für den Theil erforderlichen Länge und Breite schneidet. Vor der Anwendung der Pllasterslreifen müssen die Haare im ganzen Umfange der VVunde mit einem Rasir-messer abgeschoren werden und bei der Anwendung lässt man durch einen Goliülfen die Wandränder gegen einander drücken, und legt dann die PJlastcrsIreil'en so an, dass auf jedem Wundrande ein solcher Strei­fen wenigstens in der Länge, wie die Wunde tief ist, angeklebt wird. Ist aber die Zurückziehung der verletzten Theilc sehr bedeutend, so führt man am besten, wie bereils im Vorstehenden angedeutet, einen laugen Pflasterstreifen rund um das Glied, so dass das rechte Ende des Streifens über die Wunde hinweg bis zur Länge der Tiefe auf den lin­ken Wundrand binüberreicht und eben so enfgegengeselzt von dem lin­ken Wundraud der Pflasterstreif auf den rechten hinüberreicht. Die Anzahl der anzulegenden Streifen richtet sich nach der Länge der Wunde und nach dem Coutrakliousvcrniögen der verlclzten Theile. so dass, wenn das letztere nur gering ist, ein etwa f Zoll breiter Streif von dem andern seeen 1 Zoll enli'ernt zu liegen kommt.
D. Durch die Stellung und Richlung des verletzten Theils kaun, wenn sie der Stellung und Bewegung desselben angemessen wäh­rend der Heilung erhallen wird, die Vereinigung der getrennten Gebilde ausserordenllich unterstützt und befördert werden, man mag auch übri­gens die eigenlliche Vereinigung durch Heften. Binden oder Heftpflaster bewirkt haben. Durch das eben in Rede siehende Hiilfsniitlel versucht man bei Verletzungen an der Beugeseile eines Theils die Annäherung der Wandflächen durch eine gebogene Stellung und Hallung, bei Ver­letzung an der Sireckseile aber durch eine völlige Streckung des Gliedes zu bewirken. Für diesen Zweck beugt man z. B. bei Halswunden den Kopf zur verwundeten Seile und hält ihn vermittelst eines an die Half­ter, oder bei kleineren Thieren an den Maulkorb befestigten Strickes, dessen anderes Ende an den Leibgurt gebunden wird, in dieser Stel­lung; bei Verletzungen an den Gliedmassen unterstützt man den Körper der grossen Hausthiere vermittelst eines Hängegurtes und giebt den Füsscn durch Schienen die eine oder die andere der bezeichneten Stel­lungen; den verletzten Schweif bindet man an eine Schnur, welche über an die Decke des Stalles befestigte Rollen hinweggeht und am andern Ende mit einem entsprechenden Gewicht versehen ist und durch welche man. je nach dem Befestigungspunkle der Rollen, dem Schweif eine Stellung nach rechts oder links u. s. w. geben kann. Im Ganzen ist auch dieses Hülfsmitlel bei den nnvernünftgen Hauslhieren viel we­niger wirksam und weniger anwendbar als bei verwundeten Menschen, weil die ersteren sich für die Dauer jedem Zwange widersetzen und eine abnorme Stellung überhaupt für längere Zeit nicht ertragen. Diese Umstände sind auch die Ursache, dass manche Wunden, welche bei dem Menschen durch schnelle Vereinigung heilen, bei den Thieren diese Heilung nicht gestatten, sondern durch Eiterung geheilt werden müssen.
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Wunden im Allgemeinen.
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Leitung des eigentlichen Heilungsprozesses.
Wenn die zur schnellen Vereinigung geeigneten Wundflächen durch das eine oder das andere geeignete Verelnigungsinlttel in gegenseitige Be­rührung gebracht worden, so hängt die Heilung weiter davon ab, dass 1) keine störenden Einflüsse von anssenher auf den verwundeten Theil wirken, 2) dass die Entzündung in der Wunde nur denjenigen Grad eireiehl, der zur Erzeugung einer plastischen Ausschwitzung geeignet ist; — und 3) dass andere üble Zufälle beseiliget und die Kräfte des Thieres angemessen unterstützt werden.
In ersterer Hinsicht muss daher das Thier in einem reinen Stall in völliger Ruhe gehauen werden, jede neue Untersuchung und jedes unniilze Betasten muss vermieden Averdcn, lästige Insekten sind durch das Kühl- und Dunkelhalten des Stalles abzuhalten, die etwa im Stall noch befindlichen anderen Thiere müssen in der gehörigen Entfernung von dem verwundeten gehalten und so angebunden werden, dass sie das verwundete Thier nicht erreichen und belästigen können, das Pulzen ist nur insofern zu gestatten, als dadurch die Wunde nicht gestört wird u. s. w.
Hinsichtlich des zweiten und drillen Punktes ist in allen denjenigen Füllen eine besondere Behandlung nicht nölliig, wo die Verletzung nur gering ist und wo die Reizbarkeit der verletzten Thiere nur auf einer geringen Stufe steht und wo die Entzünduiigssymptome sich nur lang­sam und in einem geringen Grade entwickeln. Man kann in diesen Fällen die Thiere ganz ruhig sich selbst überlassen und hat nur die im Vorhergehenden angedeuteten Störungen des Heilungsprozesses zu ver­hüten. Wenn aber die Verwundung sehr bedeutend ist, wenn die Thiere kräAig, vollblütig, sehr empfindlich und reizbar sind, wie namentlich Pferde von edlen Ragen, oder wenn bereits Entzündungszufälle oder ein Wundfiebcr mit sthenischem Charakter eingetreten sind, so ist eine örtliche und häufig auch, wenn die Zufälle einen hohen Grad errei­chen, eine allgemeine entzündungswidrige Behandlung noting. Jene wird durch Befeuchten der verwundeten Thcile und ihrer Umgebung mit kaltem Wasser während elwa 36 — 60 Stunden bewirkt, die allgemeine Behandlung aber durch einen der Constitution und Grosse des Thieres entsprechenden Adcrlass, durch innerliche Verabreichung der antiphlo-gistischen Salze, (welche man, um das Thier nicht durch gewaltsames Eingeben zu beunruhigen, am besten in Getränk verabreicht) und durch magere und kühlende Nahrungsmittel. In wiefern in den einzelnen Fällen diese entzündungswidrige Behandlung der Wunden länger ausge­dehnt oder verkürzt werden muss, lässt sich nicht genau bestimmen, sondern muss der Einsicht des Thicrarztes überlassen bleiben. — Wenn bei dieser Behandlung die Entzündungszufälle nur in einem geringen Grade fortdauern, so kann man in der Regel mit derselben aufhören und dann um den 6. bis 8. Tag, wie oben angedeutet, die Vereini-gungsmiltel von den verwundeten Theilen entfernen.
Eine besondere Beachtung verdient der zuweilen eintretende Wund­starrkrampf (S. 297). Bei dem Eintritt desselben muss die Wunde so­gleich, wenn Verdacht auf einen noch in ihr befindlichen fremden Körper besieht, vorsichtig untersucht und der letztere eulferut werdc:i.
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Wunden !m Allgemeinen. Behandlung.
nöthigenfalls mit Erweiterung der Wunde durch geeignete Schnitte. Ist ein Nerv oder eine Sehne nur zum Theil durchfrennt, so muss die vollständige Durchlrennung mittelst des Messers geschehen, oder, wenn dies nicht sicher ausführbar erscheint, kann man an manchen Stellen, wo der Stamm des verletzten Nerven zu erreichen ist, auch diesen durchschneiden. Die Wunde ist mit einem lauwarmen Brei von nar­kotischen Mitteln zu bedecken, oder man macht Fomentationcn von sol­chen Mitteln. Uebrigens muss das Thier, wo möglich in einem ganz ruhigen, dunklen Stalle gehallen, gegen Erkältung geschützt und nach den Regeln der speziellen Therapie über den Tetanus behandelt werden.
Behandlung der durch Eiterung zu heilenden Wunden.
Gelingt aber die schnelle Vereinigung einer Wunde nicht, oder ist dieselbe wegen der oben (Seite 305) bezeichneten Beschaffenlieit der Wunde nicht zu unternehmen, so muss die Heilung durch Eiterung und Granulation bewirkt werden. Auch in diesem Falle hat man zu­nächst die Blutung zu stillen, dann die fremden Körper so viel wie möglich zu entfernen, der Wunde eine solche Beschaffenheit zu geben, dass der Eiter einen freien und leichten Ablluss erhält #9632; und zu sehr in Spannung befindliche Theile vollständig getrennt werden. In manchen Fällen sind solche Wunden auch wenigstens theilweis zu heften, um die Umbiegung und das Betrocknen der Wundränder zu verhüten; im Ucbrigen aber sucht man solche Wunden, nachdem sie gereiniget sind, mit lockerem, weichem Werg zu bedecken oder auszufüllen und dann je nach der Beschaffenheit der Theile die Eiterung entweder der eige­nen organischen Thätigkeit des verwundeten Thieres zu überlassen oder man befördert sie durch Wärme und Feuchtigkeit, indem man warme Breiumschläge von schleimigen oder bei grosser Empfindlichkeit von nar­kotischen Mitteln macht. Den ersten Verband lässt man hier in der Regel so lange liegen, bis sich in der Wunde eine eiterige Ausschwitzung zeigt, welche das in der Wunde befindliche Werg durchdringt und es •von den Wundflächen ablöst. Nachdem dieses Werg enlfernt ist, füllt man die Wunde mit reinem Werg aus und so fort, bis sich etwa um den 3., 4. Tag guter Eiler und der Anfang der Granulation zeigt; tritt dieselbe aber nicht ein, bleibt die Wunde trocken, so verbindet man sie mit einer Digestivsalbe, z. B. mit der Tcrpenthinsalbe oder mit der Basili-cumsalbe, und bei sehr grosser Empfmdlichkeit nur mit reinem Fett oder mit reinem Oel, mit welchen Substanzen man das Werg bestreicht und so lange damit fortfährt, bis gute Eiterung eingetreten ist. Bei dieser Beschaffenheit der Wunde können auch die vorhin bezeichneten vyarmen Breiumschläge angewendet werden, bis die Eiterung vollständig eingetreten ist.
Wenn die Wunden, welche nach der oben angedeuteten Beschaf­fenheit nur allein auf dem Wege der Eiterung heilen können, mit starker Quetschung und mit Blutextravasaten verbunden sind, so kann man wohl zuerst die Aufgabe haben, während etwa 2 — 6 Tagen diese hef­tigen Wirkungen der Quetschung durch kühlende Mittel zu vermindern. Sind diese heftigen Zufalle beseitigt, so findet sich sehr. häufig von selbst ein entsprechender Grad von Eiterbildung und von Granulation
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Schnitt- und Hiebwunden-
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ein, sollte dieses jedoch nicht geschehen, so kann man die Eiterung durch die im Vorhergehenden genannten Mittel befordern und über­haupt so verfahren, wie dies bei der Eiterung und Granulation im All­gemeinen Seite 56 u. flg. angegeben ist. Ist die Granulation bis gegen die Hautränder gleichmässig hcrvorgewaclisen, so ist jode Behandlung durchaus überflüssig; man lässt die durch den zähen, plastischen Eiter entstandenen Krusten ungestört so lange sitzen, bis sie von selbst ab­fallen, was gewöhnlieh immer nach 2 — 3 Tagen zu geschehen pflegt. Uebrigens muss man in allen Fällen auch bei den eiternden wie bei den durch schnelle Vereinigung heilenden Wunden dafür sorgen, dass der Heilungsprozess durch äusserliche störende Einwirkungen nicht unterbrochen oder in seinem Gange plötzlich geändert werde. Man sucht desshalb Belästigungen des Thieres durch andere Thiere in der Nähe desselben zu verhüten, Insekten, Zugluft und grosse Kälte abzu­halten und ausserdem giebt man ihm das seiner Constitution und sei­nem Kräftezustande entsprechende Futter. Finden sich innerliche Krank-heitszustände, namentlich Gastricismus, heftiges Wundlieber u. dgl., so werden diese Zustände nach den Regeln der Therapie beseitigt.
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Zweites Capitel.
Die Wunden nach ihrer ursächlichen Verschiedenheit.
A. Schnitt- und Hiebwunden.
Die Schnittwunden entstehen durch Einwirkung eines schneidenden Instrumentes mit nur massigem Druck, die Hieb wunden entstehen durch ähnliche, gewöhnlich aber grössere Werkzeuge, wclclie in einer schwin­genden Bewegung und mit grösserer Kraft auf einen Theil des Thicr-körpers einwirken. Die ersteren stellen die reinsten und einfachsten Trennungen dar, die anderen sind ihnen ähnlich, aber gewölmlieh mit etwas mehr Quetschung begleitet als jene. Die Form ist bei beiden in den meisten Fällen eine längliche, zuweilen aber auch eine unregel-mässige oder lappige. Die Blutung ist bei den Schnitt- und Hiebwun­den stets stärker als bei gequetschten Wunden von ähnlicher Grosse, aber die Entzündungszufälle treten mehreutheils nur in einem geringen Grade ein. Dieses letzteren Umstandes wegen und da diese Wunden in der Regel nicht durch fremde Körper verunreiniget sind, haben sie immer die Eigenschaft, durch schnelle Vereinigung zu heilen, wenn übrigens hierzu die Zeit ihrer ersten Entzündung wahrgenommen wird. Hiernach ist die Behandlung hauptsächlich durch die Hülfsmittel zu be­wirken, welche im Vorhergehenden hinsichtlich der Vereinigung der Wunden angegeben sind.
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Stichwunden.
B. Stichwunden.
Dieselben entstehen durch das gewalisame Eindringen vrrschieden-arliger spilzci' Körper in den tliieiischeu Organismus und sind, je nach der Grosse dieser verletzenden Werkzeuge, so wie nach der runden oder breiten Form der Spitze, nacli deren Dicke und an der Ober­fläche glatten oder rauhen und unebenen Beschallcnheit derselben, in den einzelnen Fallen von sehr verschiedenartiger Tiefe, Weile und Be-schaflenheit. Solche Stichwunden, welche durch einen runden, dünnen Körper mit feiner Spitze und glatter Oberlläche entstanden sind, stellen einen sehr engen Kanal mit glatten Wänden dar, dessen Mündung an der Oberfläche sehr häufig durch die conlr^ktile elastische Haut und an den Hufen durch das mit gleicher Eigenschaft versehene Horn an der Sohle grösstentheils oder wohl auch gänzlich verschlossen ist, so dass es unter solchen Umständen nach kurzer Zeit sehr schwor wird, das Dasein einer Wunde zu erkennen. Gewöhnlich entsleht aber sehr bald Entzündung an den tiefer gelegenen, verletzten Theilen und in Folge dessen Schonung derselben bei der Bewegung, Lahmheit und bei der Berührung findet man an der verletzten Stelle vermehrte Wärme, mas­sige Anschwellung und bei gelinden) Druck zeigen die Thiere Schmerz. Die Blutung ist. bei solchen Verletzungen iimner, wenigstens nach aus-senhin, sehr nnbcdeulcnd, obgleich zuweilen in der Tiefe sich Blutextra-vasate bilden. — Stichwunden, welche durch einen platten, spitzen Körper erzeugt sind, z. B. durch ein Messer, haben gewöhnlich die Form und BeschofTenheit einer kleinen Schnittwunde, sind aber in den meisten Fällen im Vergleich zu ihrer Spalte unverhältnissmässig lief. Dergleichen Wunden bluten weit stärker als die im Vorhergehenden bezeichneten und sind auch durch die übrigen Zeichen der Wunden im Allgemeinen leicht zu erkennen. — Sind Stichwunden durch dicke und raube Körper erzeugt, so stellen sie immer eine gerissene Wunde mit starker Quetschung ihrer Wundflächen dar; die Blutung solcher Wun­den ist häufig trotz ihrer Grosse nur unbedeutend. Die Tiefe der Stichwunden überhaupt, ist in den einzelnen Fällen sehr verschieden, so dass zuweilen nur die Haut und der Hautmuskcl, in anderen Fällen die darunter liegenden Muskeln, Sehneu u. s. w. betroffen und an den Höhlen nicht nur die Wände derselben durchbohrt, sondern nicht sel­ten auch die in den Höhlen befindlichen Organe mit verletzt sind. Die Erkennung der Tiefe einer Stichwunde und solcher Complikationen ist zum Thcil durch die Untersuchung mit der Sonde oder mit dem Finger, in manchen Fällen auch an der Länge, in welcher das verletzende Werkzeug eingedrungen war, und aus den Zufällen, welche nach der Verletzung eingetreten sind, zu erlangen. Die letzteren bezichen sich auf die Funktion der verwundeten Theile und sind daher an den ver­schiedenen Organen verschieden (S. Wunden im Speziellen). Zuweilen sind diese Wunden auch durch in ihnen zurückgebliebene fremde Kör­per complizirt, indem die verletzenden Werkzeuge in Folge ihrer Zer­brechlichkeit und durch die heftigen Bewegungen, welche die Thiere im Moment der Verletzung machen, bald mehr bald weniger lief in der Wunde abbrechen. Die Bedeutung der Stichwunden ist nach den be-ïcichnclen Verschiedenheiten in deu einzelnen Fällen sehr verschieden-
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Schuss wunden.
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artig; oberflächliche Stichwunden heilen gewöhnlich in kurzer Zeit vollständig, aber wenn dieselben in Sehnenscheiden und Sehnen oder in die Beinhaut der Knochen eingedrungen sind, veranlassen sie stets eine heftige Entzündung dieser Theile und weit heftigere Schmerzen, als Schnitt- und Hiebwunden von ähnlicher Tiefe, was wahrscheinlich eine Folge der unvollsländigen Trennung einzelner Tasern in den fibrösen Theilen und eben so der hierdurch bedingten ungleichen Spannung und Zerrcissung derselben ist. Unter diesen'Umständen entsteht auch bei Stichwunden häufiger als bei grosseren Trennungen der Wundstarr­krampf, durch welchen in den meisten Fällen Lebensgefahr im hohen Grade herbeigeführt wird. Sind innere Organe mit verletzt, so hängt die Bedeutung der Wunde grösstentheils von der Wichtigkeit dieser Or­gane für den Organismus, von der etwa erstandenen Ergiessung von Flüssigkeiten in die geöffnete Höhle u. s. w. ab. — Die Heilung er­folgt, bei denjenigen Stichwunden, welche nur eng und mit glatten Wänden versehen sind, in den meisten Fällen durch schnelle Vereini­gung, in allen anderen Fällen aber durch Eiterung.
Die Kur ist bei den Wunden der ersteien Art darauf beschränkt, die etwa zu heftigen Entzündungsfällc und die Schmerzen zu mindern und dann die Wundflächen in eine gleichmässigc gegenseitige Berührung zu bringen. Für jenen Zweck sind gewöhnlich kalte Befeuchtungen der verwundeten Theile während der ersten 2—3 Tage ausreichend, wenn jedoch die Anschwellung und die Schmerzen sehr bedeutend werden, so ist es zweckmässig, die Wunde mittelst einer in sie ein­gebrachten Hohlsonde und eines schmalen Knopfbistouris zu erweitern und zwar so, dass dadurch die verletzten Fasern in querer Richtung vollständig durchtrennt werden, wodurch nicht allein die Spannung derselben aufgehoben, sondern zugleich die etwa hinter ihnen angesam­melten Flüssigkeiten einen Abfluss erhalten. Bei den Wunden der zwei­ten Art entfernt man zunächst die etwa vorhandenen fremden Körper, bedeckt die Oeffnung mit lockerem Werg, welches mit warmem Oel oder mit einer milden Digeslivsalbc bestrichen ist, und macht äusserlich warme Umschläge von schleimigen oder, bei heftigen Schmerzen, von narkotischen Mitteln.
C. Schusswunden.
Die Schusswunden sind durch das Eindringen einer Kugel oder eines Stückes einer Hohlkugel, oder auch durch andere fremde Körper z. B. Knöpfe, Papierpfröpfe, Ladestöcke u. dgl. durch die esplodirende Kraft des Pulvers aus einem Gcschoss geschleuderten Körper entstan­den und nach der Grosse und Beschaffenheit der letzteren, so wie nach der verschiedenen Kraft, mit welcher sie je nach der Ladung des Ge­schosses und nach der Entfernung des Thierkörpers von demselben an den letzteren gelangten, sehr verschieden; Gewehr- und Kartätschkugeln erzeugen fast immer runde Oeffnungen, Stücke von Granaten und an­dere fremde Körper machen mehr unregelmässig gestaltete und zugleich mehr gerissene Wunden; zuweilen sind diese Wunden nur oberfläch­lich, oder sie stellen einen tiefern Kanal, oder auch grosse, offene Wunden, zuweilen mit Substanzverlust dar; die Schusskanäle sind oft
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332nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Schusswunden.
nur mit einer Mündung versehen, in anderen Fällen sind sie mehr oder weniger tief durch verschiedene Gebilde eingedrungen, selbst bis in die Höhlen, oder sie sind durch den Körper oder durch eine Gliedmasse völlig durchgedrungen und haben dann eine Eingangs- und eine Ausgangs-öffuung. Die erstere ist gewöhnlich kleiner als die andere und oft sind aucli ihre Ränder ebener als bei der letztem. Nicht selten sind bei den Schusswunden auch Knochen durchdrungen und mehr oder weniger zersplittert. Alle Schusswunden sind stark gequetscht, zum Theil mit Zcrreissung, oft auch mit Erschütterung der betroifenen Theile compli-zirt. In denjenigen Fällen, wo nur eine Oeffnung besteht, sind immer fremde Körper in der Wunde vorhanden, und zwar constant diejeni­gen, durch welche die Wunde erzeugt ist, ausserdem aber häufig auch noch Gegenstände, welche zufällig dureli jene mit in die Wunde ge­drängt worden sind, wie z. B. Haare, Stücke von der Pferdedecke, vom Geschirr u. s. w. Diese fremde Körper sitzen bald zwischen den Theilen fest eingeklemmt, bald auch locker und sind im ersteren Falle in der Regel sehr schwer, zuweilen auch gar nicht zu entfernen, bis sie durch den Eiterungsprozess und durch die Auflösung der um die Körper herumliegenden Substanz beweglich geworden sind. Der Sehuss-kanal zeigt übrigens in seiner Beschaffenheit und Richtung in den ein­zelnen Fällen eine grosse Verschiedenheit; in ersterer Hinsicht findet sich in den meisten Fällen seine ganze Fläche mit einer Kruste oder mit einem Schorf bedeckt, der einem Brandschorf nicht unähnlich ist; zuweilen ist sie aber auch rauh von dunkelrothen trockenen Fasern. Hinsichtlich der Richtung erstreckt sich der Kanal zuweilen in der Linie tiefer hinein, in welcher eben die Kugel durch die Richtung des Gewehrs vorwärts getrieben worden ist, in anderen Fällen aber erhält dieselbe durch den Widerstand von Sehnen, Knochen oder selbst von Eingeweiden eine Abweichung und in Folge dessen wird der Kanal mehr oder weniger nach einer Seite gebogen und das Ende desselben befindet sich nicht gegenüber dem Anfange. Die Blutung ist bei Schusswunden häufig nur gering, weil theils die Gefässe von der Kugel zur Seite ge­drängt werden, hauptsächlich aber weil sie vor ihrer Trennung stark ausgedehnt werden und mit der vorhin bezeichneten Kruste bedeckt sind; wenn aber die letztere späterhin bei der beginnenden Eiterung sich ablöst, entsteht oft eine sehr bedeutende Blutung; in anderen Fällen ist dieselbe aber auch zur Zeit, der Verletzung in bedeutendem Grade und selbst lebensgefährlich vorhanden. Die Schmerzhaftigkeit ist bei Schusswunden im Moment ihrer Entstehung nur sehr unbedeuteud, wahrscheinlich weil die Verletzung mit grosser Schnelligkeit die Theile durchdringt, und auch weil durch die Erschütterung ein gewisser Grad von Lähmung in denselben erzeugt wird; mit dem Eintritt der Ent­zündung werden aber stets die Schmerzen sehr gross und viel grosser, als bei gleichen Schnittwunden.
Die Heilung der Schusswunden erfolgt stets nur durch Eiterung und Granulation. Die Beurtheilung ist nach der grossen Verschieden-artigkeit eben so verschieden. Im Allgemeinen sind die Schusswunden gefährlicher als die Hieb- und Schnittwunden, und selbst auch in den meisten Fällen gefährlicher als die Stichwunden, weil die Erschütterung der verletzten Theile, die Quetschung und Zerreissung derselben, die
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Vergiftete Wunden.
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Verunreinigung durch fremde Körper und im Schusskanal angeliiiufle Flüssigkeiten nicht, nur die Heilung erschiveren, sondern auch üble Zu­fälle erzeugen, welthe bei den übrigen Wunden nicht einzutreten pfle­gen. Einfache Schusswunden in der Haut und in den Muskeln sind noch am günstigsten zu beurtheilen, da ihre Heilung in Zeit von etwa 3 — 6 Wochen ohne üble Zufälle erfolgen kann; dagegen sind tiefere Schusswunden, bei welchen Sehnen, Bänder, Knochen, namentlich Gelenke, grösserc Blutgefässe oder Nerven und innere Organe ver­letzt sind, stets sehr bedenklich und durch den Blulverlust oder durch gestörte Funktion sind dergleichen Wunden oft lebensgefährlich. Sind fremde Körper vorhanden, so ist der Zustand stets gefährlicher als da, wo dieselben fehlen; sind die fremden Körper nicht zu entfer­nen, so dauert immer die Reizung von ihnen durch lange Zeit fort, die Schmerzen sind zuweilen ausserordentlich und es entsteht dadurch, in manchen Fällen selbst Wundstarrkrampf. Uebrigens verhält es sich mit diesen fremden Körpern so, wie dies oben bei der allgemeinen Be­trachtung über dieselben (S. 317) angedeutet worden ist. Die genauere Bcurtheilung der Seh usswunden hängt ausserdem noch von der Grosse der Wunden und hauptsächlich von der Wichtigkeit des verletzten Organs ab.
Die Behandlung der Schusswunden beruht im Wesentlichen auf der Erfüllung der bei der Behandlung der Wunden im Allgemeinen an­gegebenen Indikalion. In denjenigen Fällen, wo ein fremder Körper in der Wunde bestehtj sucht man denselben wo möglich bald nach ge­schehener Verletzung zu entfernen oder man wartet die eintretende Eiterung ab. Bei engen Schusskanälen ist zu dieser Entfernung zuwei­len eine Erweiterung des Kanals durch Einschneiden an einer hierzu geeigneten Stelle erforderlich. Diese Einschnitte sind mit Dreistigkeit ohne Verzug zu unlernehmen, indem sie zugleich die heflige Spannung der verletzten Theile und auch den Abfluss des Wundsekrets befördern. Befindet sich der fremde Körper in der Tiefe der Theile an der enfge-gengeselzten Seite des Gliedes nahe an der Haut, so ist es zweckmässi-ger, ihn durch eine dort gemachte Gcgeunflhung zu beseitigen, eben so wenn der fremde Körper sich an eine niedrigere Stelle gesenkt hat. Im Uebrigen streicht man in die Wunde mittelst einer Feder ein mil­des, erwärmtes Oel oder Fell und wendet warme Breiumschläge von erweichenden Mitteln auf die Wunde und deren Umgegend an, bis gute Eiterung eingetreten ist, worauf dann die weitere Heilung ganz in ähn­licher Weise, wie bei der Eiterung im Allgemeinen angegeben ist, bis zur eingetretenen Vernarbung geleitet wird. Erstreckt sich ein Schuss­kanal bis zu einem grössern Gefäss, so dass man befürchten muss, es könne bei dem Eintritt der Eiterung eine Nachblutung erfolgen, so ist es nolhwendig, zu dieser Zeit das Thier unter der Aufsicht eines Wär­ters zu lassen, damit, wenn die Blutung eintritt, sogleich die nöthige Hülfe gebracht werde.
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D. Vergiftete Wunden.
Vergiflele Wunden entstehen in der Regel durch Bisse von wuth-kranken oder mil einem spezifischen Gift in ihrem Maule versehenen
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334nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Vergiftete Wunden,
Thiereu, zuweilen auch durch Suche von Insekten und in einzelnen Fällen durch Uebcrlragung eines Krankheitsgifles dadurch, dass z. B. Hunde von den Kadavern der au Milzbrand krepirten Thiere fressen oder das Blut derselben lecken uud dann unmittelbar hierauf andere Thiere beissen, in einzelnen sclteneu Fällen auch dadurch, dass Inslru-nientc an Thiereu gebraucht worden sind, welche an einer anstecken­den Krankheit leiden, und dass diese lustrumenle wieder bei anderen Thieren gebraucht werden, bevor eine vollständige Desinfeclion dersel­ben slattgefunden hat.
Die Erkennung solcher Wunden beruht 1) auf der sichtbaren Ver­letzung, 2) auf den eigentbümlichen Zufällen, welche in der Wunde oder überhaupt am Körper des verletzten Tliiercs eintreten, 3) auf der Kcnntniss des verletzenden kranken oder gifligcn Tliiercs oder der übri­gen ursächlichen Verb all nisse. In ersterer Hinsicht sind die speziellen Merkmale, welche gerade auf die Eigenthüuilichkeit solcher Verletzun­gen als vergiftete Wunden hindeuten könnten, nur sehr unbedeutend; denn eine Bisswunde von einem mit der Wuthkrankheit behafteten Hunde, einem wulhkranken Fuchs u. s. w. zeigt entweder nur eine oder mehrere kleine Wanden von einzelnen Zähnen, oft in einer klei­nen Entfernung einander gegenüber, oder es sind grösserc gerissene Wunden, welche aber durchaus nicht verschieden vonder durch einen gesunden Hund erzeugten Bisswunde, und daher weder aus der Form, noch aus der Beschaffenheit derselben ein besonderer Charakter zu er­kennen ist. — Die Bisswunden von giftigen Schlangen1) sind stets nur sehr klein und daher au der behaarten Haut der Thiere kaum zu ent­decken, an unbehaarter Haut aber sieht man zwei oder mehrere ganz kleine, gewöhnlich mit Blut unterlaufene Stichpunkle, welche in dieser Beschaffenheit eben so gut von einer nicht giftigen Schlange entstanden sein können; uud eben so bleiben auch die Stiche von Insekten wegen ihres geringen Umfanges oft kaum deutlich wahrzunehmen, besonders an der bchaarlen Haut. — Bei dieser wenig eigeuthümlichen Beschaf­fenheit der vergifteten Wunden ist daher die Kenntniss der eigeuthüm­lichen Zufälle um so wichtiger; allein bei Ansteckung durch VVulhgift treten diese Zufälle immer nur spät ein, und wenn dieselben erscheinen, gewährt ihre Kenntniss für die Behandlung des Thieres keinen Nutzen mehr und es muss daher bei dieser Art von vergifteten Wunden haupt­sächlich die Kenntniss auf die Bcschafl'enheit des verletzenden Thiers gegründet sein. Anders verhält es sich dagegen bei Vergiftungen durch Amphibien und Inseklen, weil hier durch das Eindringen des Giftes in die Wunde heftige Zufälle erzeugt werden. Es schwillt nämlich nach einem Schlangenbiss sogleich das verletzte Glied von der 1! issstelle her mehr und mehr nach oben zu an, die Geschwulst ist elastisch, an ein­zelnen Stellen auch oedematös, das Glied wird kalt, die Schmerzen sind bedeutend, die Haut wird bläulich oder auch rotbfleckig und das Be­wegungsvermögen schwindet fast gänzlich. Dabei werden die gebisse­nen Thiere in kurzer Zeit sehr matt, diejenigen, die sich erbrechen
') Im nördlichen Europa kennt man nur eine giftige Schlange, die Kreuz­otter, Viper oder Natter (Vipera Berns L.).
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Vergiftete Wunden.
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können, leiden an Erbrechen, der Puls wird sehr klein und beschleu­nigt, nicht selten treten auch kalte Schweissc ein und zuweilen erfolgt binnen 36—48 Stunden der Tod. — Nach Insektenstichen schwillt die verletzte Stelle in Form einer Heule an und wird sehr schmerzhaft, oft vermehrt warm und wenn viele Stichwunden der Art nahe an einander sind, entsteht nicht selten auch eine grosse Anschwellung im ganzen Umfange derselben und es gesellt sich zuweilen ein Reizueber mit be­schleunigtem Pulse und beschleunigtem Athcm hinzu. Die Entzündungs­zufälle dauern nur durch etwa 10 —15 Stunden, mindern sich dann und verlieren sich in Zeit von etwa 3 Tagen gänzlich; nach dieser Zeit fühlen die Thiere zuweilen noch durch einige Tage ein heftiges Jucken au der verletzten Stelle und reiben sich desshalb diese in manchen Fällen so grob, dass eine neue Entzündung entstellt, welche dann zu­weilen Eiterung zur Folge hat.
Das dritte Moment zur Erkennung einer vergifteten Wunde, näm­lich die Kennlniss des verletzenden Tbiercs oder der übrigen ursächli­chen Verhältnisse, ist in allen Fällen, wo die Keuntniss desselben zu erlangen ist, von der griisslen Wichligkeil, aber leider ist dies nicht immer möglich. Denn sehr häufig entflieht ein Hund nach geschehenem Beisscn, ohne dass man weiss wohin, und die giftigen Nattern halten sich gewöhnlich unter dichtem Grase u. s. w. verborgen, bewirken ihren Biss in ausserordentlicher Schnelligkeit und enttliehcn meistens auch eben so schnell wieder.
Die Beurlheiluug der vergifteten Wunden hängt hauptsächlich von der spezifischen Eigenthümlichkeit des vergifteten Stoffes ab, welcher in dieselben gelangt ist; die Wunde als solche ist dabei von geringerer Bedeutung. Bisswunden von wuthkrankeu Thieren sind unler allen anderen die gefährUclislen, weil es bis jelzt kein sicheres Heilmittel der ausgebroebenen Wulhkrankhcit und eben so kein sicheres Verhütungs­mittel derselben giebt; allein da die Erfahrung zeigt, dass nicht, jede solche Wunde bei dem gebissenen Thier die Wulhkrankheit nothwendig zur Folge haben muss, sondern dass die wirkliche Infection von meh­reren, zum Thcil bekannten, zum Theil unbekannlen Bedingungen ab­hängig ist, so kann man in vielen Fällen bei den pflanzenfressenden Thieren auf die Möglichkeit des Ausbleibens der üblen Folgen holl'en und auch oft dieselben gonz verhindern, wenn eine zweekmüssige Be­handlung unmittelbar nach erfolgter Verletzung eingeleitet wird; bei Hunden und Katzen kann die Bcurtheilung solcher Wunden eben so ausgesprochen werden, allein dieselbe fällt eigentlich ganz weg, weil die Erhallung dieser Thiere im gebissenen Zustande aus sanitäts-polizei­lichen Rücksichten gesetzlich verboten ist. Sind die ßisswunden sehr tief und sind wichtige Theile dabei mit verletzt, so verlangen dieselben auch in dieser Hinsicht noch eine besondere Beurlheiluug, welche jedoch hier analog solchen Wunden unter anderen Umsländen zu machen ist. — Die durch giftige Nattern erzeugte Wunden sind im Allgemeinen als sehr gefährlich zu betrachten, da, wie oben angegeben, zuweilen der Tod binnen weniger als 2 Tagen erfolgt, allein bei einer frühzeitigen und zweckmässigen Behandlung erfolgt nicht selten eine Rettung und vollsländigc Wiederherstellung der gebisseneu Thiere; die HotlhuDg hierzu ist jedoch sehr gering, wenn bereits Lähmung und Pulslosigkeit
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336nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;t Vergiftete WundeM.
besteht oder wenn Zeicben eines typhösen Leidens hinzutreten. Stich­wunden von Insekten haben nur eine geringe Bedeutung, wenn sie einzeln und in weiter Entfernung von einander zugegen sind; bei einer grossen Anzahl derselben und besonders bei Stichen von Bienen und Wespen können durch die heftige Entzündung üble Zufalle, Brand u. s. w. entstehen und die Thierc selbst zu Grunde gehen. Wenn Thierc in grosse Schwärme von diesen Insekten oder auch von der so­genannten Kolumbatczer Mücke (Simulia reptans) gelangen, so leiden sie nicht allein durch die unzählige Menge von Stichen, sondern auch dadurch, dass ihnen die Insekten bis tief in die Nasenhöhle eindringen und hierdurch Erstickungsgefahr herbeiführen.
Behandlung. Dieselbe bezweckt zunächst, wenn es noch möglich ist, das Eindringen des Giftes in die Säfte zu verhüten. Für diesen Zweck sucht mau an den Stellen, wo sich ein Band zwischen der Wunde und dem Körper auf den Theil legen lässt, durch dasselbe eine feste Zusammendrückung der zurückführenden Gefässe zu bewirken, um die Zurückleitung der Säfte für einige Zeit zu hemmen. Für diesen Zweck legt man so schnell als möglich ein Band fest um das Glied. Dann bewirkt mau die Entfernung, oder wo diese nicht mehr vollstän­dig zu bewirken ist, wenigstens die chemische Zerstörung des Giftes. Die erstere erreicht man' durch möglichst frühzeitiges Auswaschen der Wunde mittelst Wasser oder Seifenwasser oder Lauge oder irgend einer anderen Flüssigkeit, welche mau zunächst erhallen kann; sehr häufig wird die Ausführung des Giftes durch die aus der Wunde kom­mende Blutung bewirkt, allein man darf sich hierauf niemals verlassen, selbst wen die Blutung reichlich stattfindet, sondern man muss die Ent­fernung des Giftes durch oft wiederholtes Eingiessen oder Einspritzen der genannten Füssigkeitcn bewirken. Zuweilen lässt sich die Reini­gung zugleich mit der chemischen Zerstörung des Giftes vereinigen, in­dem man in die Wunde eine etwas conzentrirte Auflösung von Kali causticum, oder eine massig verdünnte Säure, z. B. die Salzsäure (sect;(S zu sect;iv Wasser), oder eben so die Schwefel- oder Salpetersäure, oder massig starken Essig, oder Chlorwasser, oder eine massig conzentrirte Auflösung von Chlorkalk giesst. Die Anwendung dieser Mittel muss wenigstens 6—10 Mal wiederholt in Zwischenzeilen von circa 5 Mi­nuten geschehen. Ist die Verletzung nicht mehr ganz frisch, so muss man die Weichgebildc in der Wunde einige Linien dick durch Aetzung zerstören, was mit Kali causticum, oder mit conzenlrirter Salz- oder Salpetersäure, oder mit Chlorspiessglanz oder Chlorzink oder auch mit dem glühenden Eisen geschehen kann; oder auch man schneidet die ganze Masse im Umfange der Wunde und bis unter den Grund dersel­ben gegen ^—1 Zoll tief aus. Hiernach sucht man in jedem Falle, die erste Behandlung mag auf die eine oder auf die andere Weise gesche­hen sciu, bald eine reichliche Eiterung in der ganzen Wunde zu er­zeugen, und zu diesem Zweck verbindet man sie entweder mit Terpen-thinsalbe oder Basilicumsalbe, oder mit einem Zusatz von rothem Praecipitat zu diesen Salben, oder auch mit der Kantharidensalbe und bedeckt sie, wenn die Ocrllichkeit es sonst gestattet, mit Werg oder mit einem Stück Fell, oder man macht warme Breiumschläge. Die Wunde soll vorschriftsmässig 40 Tage lang iu Eiterung erhalten werden.
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Vergiftete Wunden.
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Dabei kann mau innerlich in der ersten Zeit die Kanthariden, oder die Belladounawurzel, oder das Calomel anwenden und die Tliiere ruhig und in magerer Diät halten. Trotz dieser Behandlung wird stets eine genaue Beobachtung des Benehmens der Thiere noting sein, um die etwa dennoch entstehende Wulhkrankheit recht zeitig wahrzunehmen und dann die betreHcuden Thiere von den übrigen zu sondern und in sichern Ver­wahrsam zu bringen.
Die Bisswunden von giftigen Nattern müssen mittelst Chlorwasser, oder mit einer Auflösung von Chlorkalk oder mit verdünnter Aetzam-raoniak-Flüssigkeit (1 Theil Spirit, sal. aminon. zu 2 Theilen Wasser), oder in Erinangelnng dieser Medikamente auch mit Seitenwasser, oder mit verdünntem Branntwein oder Essig möglichst bald ausgewaschen werden. Dabei, oder wo die Waschmittel nicht gleich zur Hand sind, schon vorher legt, man ein Band zwischen der Wunde und dem Kör­per um die verletzte Gliedmasse recht fest au, so dass die Zurückfüh-rung der Siiftc in den Venen und Lymphgefassen möglirhst gehindert werde. Nach dem Reinigen der Wunde wäscht man das gewöhnlich unterdessen stark angeschwollene Glied fleissig mit Essig und fährt da­mit bis zum andern Tage fort. Mindern sich bei dieser Behandlung die Zufälle binnen 3 — 6 Stunden nicht sichtbar, so kann man auch die Wunde gründlich ausbrennen, oder auch die Kantharidensalbe reichlich in sie streichen.
Die Stichwunden von Bienen und anderen Insekten lässt man ncbsl ihrer Umgebung mit Essig oder mit Bleiwasser waschen oder mit feuchter Erde bedecken und mit diesen Mitteln so lange fort­fahren, bis die schmerzhafte Entzündung beseitiget ist. Wo ein Reiz-iieber hierbei besieht, kann man, je nach dem Grade desselben einen Aderlass machen und innerlich den Salpeter, Glaubersalz und andere kühlende Salze verabreichen.
J. G. Wolstein, Das Buch für Thierärzte im Kriege über die Vei1' letzungeu, die dem Pferde durch Waffen zugefügt werden. Wien, 1788.
E. Viborg, Bemärkninger cm skudte Saars Bchandliug hos Hesten, (In Veterinär-Selskab. Skrift. I, Deel, S. 351.)
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Wunden am Schädel.
Zweiter Abschnitt.
Von den wichtigsten Verwundungen im Speziellen.
Erstes Capitel. Wunden am Schädel.
Die Wunden des Schädels sind entweder bloss oberllüchlich, wo nur die Wcichgebilde auf dem Schädel mehr oder weniger tief betrofien sind, oder eindringend, d. h. solche, welche bis durch die Knochen des Kopfes gedrungeu sind. Die Erkennung der grosseren, otfenen Wunden ist in der Regel leicht; die engen Slichwunden und die in der Tiefe, bei den eindringenden Wunden oft entstandenen anderweitigen Yerletzungen sind zuweilen schwer zu erkennen, um so mehr, da die Sonde hier nur mit grossier Vorsicht gebraucht werden darf und die Symptome der Gehirnverlelzungen und der Complikalionen oft in einan­der übergehen.
Es können bei den Schädelwunden aussei- der Haut- und den Muskelverlefzungen auch Wunden in der sehnigen Ausbreitung, in der Schädelbeinhaut (Pericranium 1, in den Knochen, in den Hirnhäuten und dem Gehirn bestehen. Grosse Wunden in der sehnigen Ausbreitung veranlassen gewöhnlicli keine besondere Zufälle, aber bei den engen Stichwunden entsteht grosse Spannung, heftiger Schmerz, und zuweilen Anhäufung von Serum oder Eiter unter der Aponeurosis. Sehr ähn­lich zeigen sich die engen Wunden an der Beinhaut. Diese Zufälle treten gewöhnlich erst nach 2—3 Tagen ein. Die Thiere erscheinen dabei traurig, senken den Kopf und versagen das Futter; örtlich findet man starke, heisse, sclimerzhafte Anschwellung in der Umgegend der Wunde, oft auch ein Oedem unter derselben, bei angewendetem Druck fliesst etwas Serum, Eiler oder Jauche aus, und mit der Sonde kann man bis auf einen festen Grund (ßeinhaut oder Knochen) eindringen. — Wunden an den Schädelknochen fühlt man mit der Sonde, oder, wenn sie olfen und gross genug sind, auch mit dem Finger; sind sie durch scharfe Instrumente entstanden, und nur eben bis auf die innere Platte eingedrungen, so können sie ohne besondere Zufalle bestehen; aber die durch mehr stumpfe Werkzeuge verursachten sind fast immer mit Erschütterung des Gehirns, zuweilen mit Splitterung der Knochen und dadurch enlstandener Reizung und Entzündung der Hirnhäute, und in manchen Fällen mit Blutergiessung complizirt. Die Gehirner­schütterung (Comraotio cerebri) besteht, wie das Wort es andeutet, in einer Erschütterung der Gehirnsnbslanz und dadurch erzeugter Be-
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Wunden am Schädel.
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läubung und Lähmung, ohne sichtbare materielle Vcräuderung im Ge­hirn. Sie entsteht immer augenblicklich bei der Verletzung und äussert sich durch Betäubung, Schmndcl, Niederstürzen, Verlust des ßewegungs- und Empfindungsvermügens; die Thiere liegen ganz ruhig, die Temperatur des Körpers ist gering, die Schleimhäute sind blass, der Puls ist klein und massig weich, das Atbmen geschieht ganz ruhig. Das Leiden kann in einem verschiedenen Grade bestehen; bei einem leichteren Grade gehen die Zufälle schnell vorüber, die Thiere erholen sich bald, bei den hohem Graden bestehen sie lange Zeit fort und gewöhn­lich sterben die Thiere dabei. — Splilterung der Knochen an der inneren Schädelfläche ist, wenn nicht in der Wunde selbst, äusserlich durch kein Symptom zu erkennen. Bei der duich sie erzeugten Ent­zündung der Hirnhäute oder auch des Gehirns zeigen die Thiere gewöhnlich erst am zweiten Tage oder noch später Eingenommenheit des Kopfes, wobei sie entweder ruhig liegen oder auch aufgeregt sind und namentlich Pferde immer vorwärts drängen, in die Hübe steigen u. s. w., sie haben einen slieren Blick, injicirte Bindehaut, dunkelrothe Schleimhäute, die Adern am Kopfe sind mehr voll, der Kopf ist heiss, der Puls hart und massig voll; zuletzt tritt Betäubung und unvollstän­dige oder vollständige Lähmung hinzu, und unter diesen Zufällen kön­nen die Thiere sterben. — Blutergiessuugen (Extravasate) entste­hen bei diesen nicht bis auf die inneren Theile (hingenden Verletzungen durch Zerreissung kleiner Blutgefässc der Hirnhäute oder auch in der Gehirnsubstanz selbst; sie bilden in der letztem oder zwischen ihr und den Häuten, oder zwischen diesen und den Schädelknochen kleine An­häufungen, welche sich allmäiig vergrössern und durch Druck auf das Gehirn Betäubung und Lähmung in verschiedenem Grade herbeiführen. Diese Zufälle entstehen nach der Verletzung allmäiig, in Zeit von 1 — 3 Stunden, wie eben die Ansammlung des Blutes sich nach und nach vergrössert. Bei dem höchsten Grade liegen die Thiere völlig bewusstlos, sie athmen schnarchend, ihr Puls ist voll, die Schleim­häute sind dunkel geröthet. Einmal entstanden, dauern die Zufälle ziemlich gleichmässig fort, bis sie entweder nach 2 — 3 Tagen sich all-miilig wieder mindern oder auch wirkliche Lähmung und den Tod her­beiführen.
Sind Wunden bis in die Sehädelhöhle gedrungen, so ist dies durch das Sondiren zu erkennen. Sind dabei die Hirnhäute verletzt, so ent­stehen zuweilen aus den Sinus heftige Blutungen nach aussen oder Extravasate im Innern. Oberflächliche Wunden der Halbkugeln des grossen Gehirns verursachen keine besondere Zufälle; tiefere Wunden, bis fast auf die Seitenhöhlen, führen Blindheit und Lähmung auf der entgegengesetzten Seite, — und Verletzung an der Basis des Gehirns führt Convulsionen mit sich. Bei Verletzung des kleinen Gehirns wird die Combination der Bewegungen für gewisse Zwecke gestört; Ver­letzungen des Hirnknolens veranlasst Convulsionen, oft mit Drehung des Körpers um die Längenachse, und Verletzung des verlängerten Markes macht augenblickliche Convulsionen und dann Lähmung an der­selben Seite, wo eben die Verwundung besteht.
Einfache Schnitt-, Hieb- und Stichwunden sind, wenn sie nur die äussern Bedeckungen des Kopfes betreffen, so wie leichlere Quctschungeii
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Wunden am Schädel.
mit den Wunden, hier wie an anderen Theilen, in der Regel ohne Ge­fahr und leicht heilbar; man behandelt sie nach den angegebenen allge­meinen Grundsätzen — so einfach als möglich. — Dringen dergleichen Wunden aber tiefer, so können die Zufälle, die Bedeutung und Be­handlung solcher Wunden nach dem Orte und nach den verletzten Theilen sehr verschieden sein. Stichwunden und Quetschungen sind wie in allen Fällen auch hier die schlimmsten. Betreffen sie die Äpo-neurose des Schädels oder das Pericranium, so entstehen häufig die bezeichneten schmerzhaften Geschwülste, und zuweilen gesellt sich Fie­ber dazu.
Im Anfange behandelt man diese Verletzungen mit kalten Umschlä­gen, und wenn dadurch die Anschwellungen nicht beseitigt werden, oder die Geschwulst gleich bei ihrem Entstehen schwappend, ilukluirend oder sehr gross war, macht man Einschnitte bis auf die Flüssigkeit selbst, entleert, diese und behandelt dann die Wunde nach den allge­meinen Grundsätzen, wie eine gequetschte Wunde. — Lappenwunden in den Bcdeckungca des Schädels, selbst wenn der Knochen eine grosse Strecke cntblosst, oder gar ein Stück Knochen mit abgehauen ist, das­selbe aber mit den Weicht heilen noch in lebendiger Verbindung stellt und keine Splitter zugegen sind, müssen immer, nach gehöriger Reini­gung des Lappens, durch blutige Hefte genau vereiniget werden. Auf den Lappen selbst legt man dann passende Wergpolster, um durch einen massigen Druck auf die ganze Fläche die gegenseitige Berührung der getrennten Tbeile noch mehr zu erzwecken. Diese Polster werden durch eine Binde in ihrer Lage erhallen und lleissig mit kaltem Wasser oder mit Wasser und Essig, oder mit Bleiwasser angefeuchtet. In vie­len Fällen heilt, der Lappen ganz, oft aber nur Iheilweise an, und unter den losen Stellen entsteht Eiterung. Hier muss man dem Eiter guten Abtluss verschallen und wenn eine fluktuirende Geschwulst entsteht, diese sogleich öffnen, und das Anwachsen der Lappen durch einen guten und geeigneten Verband befördern. Nur selten blättert sich nach reinen Hiebwunden bei dieser Behandlung der Knochen ab. Heilt jedoch der Lappen nicht an, wird der Eiter und der Knochen missfarbig, so gebe man zwar fürs Erste die schnelle Wiedervereinigung auf, schneide aber den Lappen nicht weg, sondern suche ihn auch während der Eiterung zu erhalten und behandele die Wunde ihrem Zustande ange­messen nach den allgemeinen Grundsätzen.
Reine Hiebwunden, die bis in die Substanz des Gehirns gedrun­gen sind, aber nur die Bindensubstanz desselben betreffen, sind nicht viel gefährlicher als andere Kopfwunden mit gleichzeitiger Knochenver­letzung; doch kann die durch Verletzung eines Sinus entstandene Blu­tung Gefahr verursachen und die nachfolgende Entzündung und Eiterung kann den Tod herbeiführen. Tief eindringende Hirnwunden veranlassen meistens ausser den genannten Zufällen auch Lähmung und Tod, be­sonders wenn sie die Höhlen des Hirns öffnen und die in oder unter denselben liegenden Theile betreffen.
Die Behandlung dieser Wunden muss im hohen Grade streng an-tiphlogistisch sein, sowohl örtlich durch kühlende Umsehläge, wie aucli im Allgemeinen durch reichliches Aderlassen, kühlende Salze und ma­gere Diät. Grössere Wunden vereinigt man, wenigstens oberflächlich,
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Verletzung des äuseren Ohres.
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durch die blutige Naht. Zeigt sich ein Hervordrängen der Hirnmasse durch eine nicht vereinigte Wunde, so ist in den Spalt des Schädels ein Tampon von weicher Leinwand zu legen und hierdurch das Her­vordringen möglichst zu beschränken. Ist Eiterung eingetreten, so muss man so viel wie möglich den vorhandenen Eiter mittelst eines lauwar­men Infusums von Kamillen oder von Arnika entfernen und die Eiter­bildung beschränken. Die Yernarbung kann durch neue Knochenbil­dung an den W'undrändern des Schädels vollständig erfolgen, aber mit dem äussern Zuheilen ist noch nicht alle Gefahr beseitiget, da der Er­fahrung zufolge in manchen Fällen noch später eine neue Entzündung und hierdurch plötzlich Lebensgefahr entsteht.
Bei Gehirnerschütterung haben sich kleine Aderlässe, kalte Um­schläge und Begiessungen, Abführungsrnittcl und Klystiere von Salz­wasser in der ersten Zeit nützlich gezeigt; wird aber dabei der Puls immer schwächer, so kann man das Opium in kleinen Gaben, in Er­mangelung anderer Mittel Branntwein oder Wein anwenden, muss aber mit diesen Mitteln aussetzen, wenn der Pnls voll wird und die Schleim­häute sich dunkler röthen. Bei Thieren, die sich erbrechen können, kann man auch, so lange der Puls klein und unterdrückt ist, ein Brech­mittel anwenden.
Reizung und Entzündung des Gehirns durch Sphtter oder auch durch die Verwundung unmittelbar erzeugt, verlangt stets eine strenge Antiphlogose mit reichlicher Blutentziehung und mit Ableitung durch Purgirmittel auf den Darmkanal; ausserdem würde, wenn man das Dasein der Splitter in der Wunde mit Bestimmtheit erkennt, deren Entfernung, nölhigenfalls mit Hülfe der Trepanation zu bewirken sein.
Extravasate sucht man durch Blutentziehungen und durch kalte Umschläge auf dem Kopf in ihrer Entwickelung zu beschränken und dann durch von Zeit zu Zeit gegebene Purgirmittel und hierdurch ver­stärkte Resorption zu beseitigen.
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Zweites Capitel.
Verletzungen des äusseren Ohres,
Die Verletzungen der Ohren sind theils einfache Trennungen mit schneidenden Instrumenten, z. B. Säbelhiebe, theils sind sie zugleich mit Quetschungen und Zerrungen verbunden, z. B. beim ungeschickten Bremsen dieser Theile bei Pferden oder bei der Dressur junger Hunde: bei Ochsen, Schweinen und Hunden kommen auch Bisswunden nicht selten vor. Auch werden zuweilen bei Hunden und bei Pferden absicht­liche Verwundungen dieser Theile vorgenommen, um durch Abschneiden die eingebildete oder wirkliche ungeschickte Grosse derselben au ver-
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Verletzung des Olirä. Kur.
nnudern und dem Thiere durch diese Verstüninielung ein besseres An­sehen zu geben.
Prognosis. Alle diese Verletzungen sind von sehr geringer Gefahr und -von gar keinem nachtbeiligen Einfluss auf das Leben oder die übrige Gesundheit des Thieres; jedoch veranlassen bedeutende Quetschungen des Obrknorpels, sie mögen mit oder ohne Wunde zugegen sein, bei Schweinen und Hunden, besonders bei laogohrigen Arten derselben, zuweilen langwierige Entzündiingcu und sebmerzbafte, um sich fressende und sehr langwierige Geschwüre, die schwer zu heilen sind. (Siehe Entzündung der Ohren.)
Kur. Einfache Hieb- und Schnitt wunden, wenn sie noch frisch sind, muss man sogleich durch Hefte vereinigen. Beim Anlegen von Heften an den Ohren bat man aber darauf zu sehen, dass 1) die Hef­tung an jeder Flüche des Obrs für sich geschehe und vom äussern Ende der Wunde her beginne; — 2) dass die Hefte nur durch die Haut ge­hen und dass man daher diese, da sie sich meistens sehr zurückzieht, und dadurch der Wundrand des Knorpels cntblösst wird, gehörig vor-ziebe, so dass beide entgegengesetzte Hautlefzen mit einander in Be­rührung kommen; — 3) dass dabei aber auch die Knorpelränder in glciclimiissige Berührung kommen und 4) dass die einzelnen Hefte nahe an einander, etwa in der Entfernung eines Yiertelzolles angelegt wer­den, damit durch die gleicbmässigc Berührung eine schnelle Vereinigung um so eher gelinge. Jm üebrigen gelten die beim Heften der Wunden angegebenen allgemeinen Grundsätze.
Bestellt aber die Verletzung schon seit längerer Zeit, so ist die Haut meistens schon sehr zmücligezogen und vernarbt, daher selten wieder über den enlblösstcn Rand des Knorpels hervorzuziehen. Soll in diesen Fällen die Vereinigung noch geschehen, so muss man mit ganz ober-fläcblichen Schnitten die Knorpclränder am Rande der zurückgezogenen Haut abschneiden und so eine frische Wunde bilden, welche man auf die angegebene Art beflc!. Dieses Verfahren ist jedoch nicht in allen Fallen anwendbar. Die Hefte können nach 3 — 4 Tagen, wenn mau sieht, dass die Vereinigung geschehen ist, entfernt werden.
Wenn eine Ohrmuschel in ihrer Breite grüsstentheils durchtrennt und die Wiederverwaebsung daher niebt wahrscheinlich ist, so kann man am einfachsten den Lappen vollständig ablösen und dabei dein zurückblei­benden Theilc durch Beschneidet] die Form des gesunden Ohrs zu ge­ben suchen. Zuweilen verkleinert man in solchen Fällen auch das letztere in angemessener Grössc und Form, um die Symmetrie herzu­stellen.
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Verletzung der Augenlider. Behandlung,
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Drittes Capitel.
Verletzungen der Augenlider.
Diese Verletzungen kommen ziemlich häufig vor, besonders bei Pferden. Die Gelegenheitsursacheu dazu sind sebr verscliiedcn, wie namenUich Bisse von anderen Tbiercn; das Einstechen, Einschneiden oder Einreissen scharfer und spilziger Blecbslücke, oder von Nägeln, wenn die Pferde sich an der Krippe reiben; das Gegenlaufen an harte Gegenstände, die Einwirkung verschiedener Wallen und dergleichen. Meistens belrcllen diese Verwundungen das obere Augenlid, weil dies grosser ist und mehr hervorsteht als das untere. Sie sind nach der Richtung entweder Längenwunden, schiefe oder Querwunden, d. h. die quer durch die Fasern des Kreismuskcls gehen, mit ebenen, glatten Rändern, oder sie sind gerissen, uneben, in Lappen, zuweilen mit Quet­schung und mit Substanzverlust verbunden. Sehr oft sind sie auch komplizirt mit Verletzungen des Augapfels selbst oder der umliegenden Theile, besonders mit Brüchen des Augenbogenfortsatzes, des Stirn­beins u. s. w.
Die Erkennung der Wunden der Augenlider ist bei der oberfläch­lichen Lage dieser Theile immer leicht an den im Allgemeinen angege­benen Erscheinungen der Wunden zu erlangen.
Beurtheilung. Einfache Hieb- und Schnittwunden der Augenlider sind nicht gefährlich und im frischen Zustande meistens durch die blu­tige Naht leicht zu heilen; sind sie aber gerissen, uneben, oder mit den genannten Nebenvcrletzungeu und Complikationen verbunden, so ist die lleilung und die Vorhersagung nach diesen Umständen weniger leicht und melucntheils nicht güuslig. Auch ist darauf Rücksicht zu nehmen, ob die Wunde frisch oder alt ist und ob sie hiernach durch die schnelle Vereinigung sogleich und gut zu heilen sein wird oder nicht? Längen­wunden der Augenlider haben im veralteten Zustande oft die üble Folge, dass entweder das Augenlid sich verkürzt und dann immer zu viel geöffnet bleibt, ein sogenanntes Hasenauge (Lagophtalmos) bildet, oder dass es sich verlängert, was am häufigsten geschieht, und dabei von dem Thiere nicht mehr nach Willkür geöffnet werden kann etc. Quetschwunden sind oft dadurch von grosser Bedeutung, dass das Auge selbst gequetscht und sehr erschüttert ist oder sogar Blutaustretungen in ihm slallfinden. (Siehe Wunden des Augapfels.) Dagegen sind bloss äusserliche Quetschungen der Augenlider und des Augcnbogens, selbst wenn Splitterungen seines Randes stattgefunden, für sich allein nicht gefährlich, indem sie, obwohl etwas langsam, nach Entfernung der Splitter vollständig heilen. Lappen, die nur an einem dünnen Theil hängen, heilen seilen wieder an, sondern vertrocknen ge­wöhnlich.
Behandlung. Einfache, reine Wunden, sie mögen quer oder senk­recht verlaufen, erfordern zu ihrer Heilung, wenn sie nur eiuigermassen
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344nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Verletzung der Augenlider. Behandlnng.
gross shul und von einander klaffen, die Anlegung der blutigen Naht, ein oder mehrere feine lleflc der Knopfnaht, oder der Hasenscharteonaht Beim Anlegen dieser Ilefle verführt man so, wie beim Heften der Wun­den im Allgemeinen angegeben worden; man legt den ersten lieft am Rande des Augenlides an und nach dem Grunde der Wunde zu den zweiten, um somit einen ebenen Rand des Augenlides zu erhalten. Ist die Verletzung von der Art, dass sie einen Winkel bildet, und dass ein Theil des verletzten Augenlides lappenartig über das Auge herab­hängt, so muss auch hier dieser Lappen zu erhalten und durch Hefte zu vereinigen gesucht werden, selbst wenn die Verwundung auch schon 1 — 2 Tage vorher erfolgt wäre. In diesem letztem Falle sind jedoch die Wundränder zu untersuchen, ob sie noch empfindlich und lebendig oder vielleicht schon an einzelnen Punkten vertrocknet sind? — Ist dieses letztere geschehen, so müssen sie vor dem Anlegen der Hefte erst wieder vermittelst einer feinen Scheere vorsichtig beschnitten und frisch gemacht werden. — Auf gleiche Weise müssen gerissene, unebene Wunden, sie mögen übrigens eine Richtung haben, welche sie wollen, vor dem Anlegen der Hefte erst durch Abschneiden der einzelnen Un­ebenheiten an den Wundrändern in ebene Wunden umgewandelt wer­den, um auf diese Weise eine genaue Vereinigung derselben vollkom­men zu erzwecken. Die Empfindlichkeit, Beweglichkeit und der geringe Umfang der Theile machen hierbei oft grosse Schwierigkeiten. Um mit Ruhe und Sicherheit operiren zu können, ist es in den meisten Fällen noting, das verletzte Thicr niederzulegen, Pferde und Ochsen zu brem­sen, Hunden und Schweinen einen Maulkorb anzulegen oder das Maul zu verbinden uud dann den Kopf von einer starken Person recht gut fixiren zu lassen. — Auch muss in jedem Falle vor dem Anlegen der Hefte das, Augenlid und das ganze Auge erst gut gereiniget und dann das Heften selbst so zart als möglich verrichtet werden, weil sonst darnach zu heftige Entzündung der Bindehaut entstellt. Die Hefte dürfen niemals durch das ganze Augenlid, sondern immer nur durch die Haut gelegt weiden, damit weder beim Anlegen der Hefte die Bindehaut oder das Auge verletzt oder zu sehr gereizt, noch durch die eingelegten Fäden das Auge gedrückt werde. Die einzelnen Hefte dür­fen höchstens nur 4 — 6 Tage liegen bleiben, weil bis dahin gewöhn­lich schon die Vereinigung der Wundränder erfolgt ist, ein längeres Zurückbleiben der Fäden aber nur unnöthige Eiterung um dieselben herum zur Folge hat. Ist die Zusammenheilung bis zum vierten oder sechsten Tage nicht erfolgt, oder ist der getrennte Theil des Augenlides sehr klein und schon kalt, so schneidet man nach herausgenoinmeneu Fäden den ganzen Lappen glatt weg; ist dieser aber gross und noch etwas warm, so beschneide man die Wundränder und hefte sie von Neuem zusammen — wo dann noch zuweilen die Vereinigung gelingt. — Die in Folge der Verletzung des Augenlides an demselben eintre­tende Entzündung, welche durch die Hefte noch verstärkt wird, muss durch anhaltendes Befeuchten mit ganz kaltem Wasser in ihrer Heftig­keit beschränkt weiden. — Stattgefundene Blutergiessungen werden durch einen Einslich mit der Lanzette entleert.
Während der Behandlung muss das Thier Ruhe haben und, damit
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Verwundung des Blinzknorpels.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 345
es sich nicht an dem verlelzten Auge reibe, andauernd im Stande um­gekehrt und zu beiden Seifen des Kopfes umgebunden stehen.
Da trotz der besten Behandlung die Anheilung der Lappen bei Augenlidmindcn sehr oft nicht erfolgt, die Behandlung mittelst des Hel'tens auch sehr mühsam, für das Thier lästig und bei Arbeitslhicren für den Eigenthümer mit Zeitverlust und Kosten verbunden ist, und endlich: da die Erfahrung zeigt, dass der Verlust eines Stückes aus dem Augcnlide in der Regel keinen wesentlichen ISachtheil mit sich führt, so habe ich sehr oft, namentlich an Arbeitsthieren armer Leute, den Lappen mittelst der Scheere gleich auf frischer That weggeschnit­ten und dadurch alle die bezeichneten Umständlichkeiten vermieden. Man bat nur darauf zu sehen, dass durch das Abschneiden ein mög­lichst ebener Rand des Augenlids erzeugt werde. Die Operation wird in der Regel im Stehen gemacht, nachdem das Thier gebremset ist. Die Blutung ist gering und durch kaltes Wasser bald zu stillen. Die Thierc können sogleich wieder arbeiten, bedürfen keiner INachbehand-luug, und die Heilung erfolgt schnell.
Viertes Capitel.
Verwundungen des Blinzknorpels.
Der Blinzknorpel (die Nickhaut, Vogelbaut, der Nagel, das dritte Augenlid) wird zuweilen durch dieselben Einwirkungen verletzt, welche die Verwundungen der Augerdider und des Augapfels erzeugen, zuwei­len wird sie aber auch absichtlich bei der Operation des sogenannten Hauk- oder Nagelschneidens herbeigeführt1), welche unwissende Personen hin und wieder unternehmen, um Krankheiten des Auges oder auch sogar in anderen Theilcn, z. B. Kolik, zu beseitigen, — was na­türlich nicht gelingt.
Man sieht diese Verletzungen, wie sie eben sind, frisch oder ver­altet, mit ebenen oder unebenen Rändern, zuweilen auch mit unvoll­ständiger Trennung. Es entsteht bald mehr, bald weniger Entzündung der Bindehaut, dunkle Röthung und Auflockerung derselben, Tluänen, Schliessen der Augenlider u. s. w., und man sieht besonders den ver­wundeten Rand des Blinzknorpels verdickt und dunkel geröthet.
Zuweilen erfolgt die Heilung bei allmäliger Verminderung der Ent­zündungszufälle und mit glatter Vernarbung des Knorpehandes; in an­deren Fällen entsteht jedoch an demselben eine chronische Sclnvärung und Verdickung oder ein schwammiger, wuchernder, bösartiger und zur Wiedererzeugung neigender Auswuchs. In diesen Fällen sieht man eine röthliche, mehr oder weniger dicke, gewöhnlich runde Geschwulst im innern Augenwinkel, es lliesst Eiter oder Jauche aus demselben, die
') Sie besteht in dem Abschneiden eines Stücks des Blinzknorpels.
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Verwundung des Blinïknorpels. Behandlung.
Augenlider kömieu nicht gehörig geschlossen werden, oft ist die ganze Bindebaut stark aufgelockert und reichlich mit ausgedehnten Gefässen versehen; die Thicre reiben sich oft das Auge und zu'wcilen ist auch das deullichc Sehen gestört.
Die BeurlheiluDg ist bei reinen Schnittwunden, und wenn zeilig eine zweckmässige Behandlung eingeleilet worden ist, ziemlich günstig, indem unter diesen Uinsländen eine gute Heilung zu erfolgen pflegt; bei un­ebenen Wundrändern, auch da, wo der Knorpelrand entblösst hervor­steht, oder bei gleichzeitiger Quetschung des Knorpels und wenn die Wunde bereils in ülceratiou oder üppig granulirend ist, erfolgt die Heilung sehr schwer und gewöhnlich nicht anders, als durch Abtra­gung des kranken Kiiorpclrandes oder durch Exstirpation desselben.
Die Behandlung besieht bei einfachen Wunden mit glalten Rän­dern bloss in der Anwendung des kalten Wassers, des Bleiwassers, oder bei grosser Reizbarkeit des Auges in der Anwendung schleimiger Mittel, um die Entzündung abzuhalten oder zu vermindern. Ist die erste günstige Zeit verwahrlost und die Wunde bereits in Eilerung, aber doch mit ebenen Rändern versehen, so sind gclind aromatische Augenwasscr mit Zusatz von Augenstein, Zinkvilriol und dergleichen zu benutzen. Wunden mit unebenen oder zu stark hervorstehenden Knorpclrändern und solche, wo die Trennung unvollständig geschehen ist, wandelt man durch glattes Abschneiden dieser abnormen Ränder in ebene Wunden urn und wendet dann die cnlziindungswidrigen Mit­tel an. Dieses Beschneiden des Randes des Blinzknorpels ist nur am liegenden Thierc ausführbar. Man erfasst, nachdem die Augenlider durch die Augenlidhaller, wie bei der Operation des grauen Staars, gehörig aus einander gehalten sind, den Knorpelrand mit einer Pinzelle oder einem Häkehen, oder man zieht mittelst einer Heftnadel einen Fa­den durch denselben und hält ihn mit demselben hervorgezogen fest und schneidet dann am betten mit einer Cooperschen Scheere ihn so weit ab, wie er krank erscheint. Die Blutung ist nur unbedeutend und leicht mit kaltem Wasser zu slillen. Die Nachbehandlung ist zu­nächst wieder die entzünduugswidrige — Bei dem Vorhandensein der oben bezeichneten Geschwulst verfährt man im Wesentlichen eben so, indem es der Erfahrung zufolge nicht hinreicht, dieselbe von dem Blinz­knorpel abzulösen, sondern es muss jederzeit die Stelle des Knorpels, auf welcher der Auswuchs sitzt, mit fortgenommen werden. — Findet man aber die Entartung des Knorpels bis zu seiner Basis hin verbreitet, so ist es am besten, ihn völlig herauszulösen. Zu diesem Zwecke wird derselbe ebenfalls mit einem Häkchen oder dergleichen ergriffen und so stark, wie die Dehnung der Bindehaut es gestattet, hervorgezogen, dar­auf aber mittelst der Scheere mit glatten Schnitten rund herum von der Bindehaut getrennt und entfernt. Die Blutstillung und die Nach­behandlung sind wie im Vorstehenden angegeben. — In jedem Falle muss man durch geschicktes Anbinden des Thieres u. s. vv. Reibungen aq dem Auge vermeiden.
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AVunden des Augapfels,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 347
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Fünftes Capitel.
Verletzungen des Auges und besonders der durchsichtigen
Hornhaut.
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Obgleich der Augapfel durch die liefe knöcherne Kapsel, in wel­cher derselbe zum giössern Theil liegt, dann durch die leichte und schnelle Verschlicssbaikeit der Augenlider und durch das eben so schnelle über den ganzen vordem Theil des Augapfels erfolgende Her­vortreten des Blinzkuorpcls bei jeder Annäherung von Gefahr drohen­den Gegenständen mehr als jeder andere äusserc Theil gegen Verwun­dung geschützt ist und obgleich wegen der convesen Form, wegen der grossen Beweglichkeit und wegen der elaslischen Beschaffenheit des Augapfels sehr viele auf denselben einwirkende Gewallthäligkeilen zum grossen Tbcile oder ganz ihre Kraft verlieren; so kommen dennoch Verwundungen dieses Organs nicht selten vor. — Die genannten Um­stände tragen jedoch dazu bei, dass die meisten Verletzungen des Aug­apfels nur oberflächlich bleiben.
Die Ursachen, welche Verwundungen des Augapfels hervorbringen, müssen daher entweder in scharfen, spitzigen, siechenden oder sehr schnell einwirkenden Körpern bestehen, z.B. ins Auge geworfene Glas-, Knochen- und Holzsplitter, hervorstehende INägelspitzeu, spitzige Stroh­halme, scharfes Heu, Disteln u. s. w.; ferner und sehr häufig sind Ru­then- und Peitschenhiebe, Bisse von anderen Thiereu, und bei Hunden Kratzen von den Krallen der Katzen die Ursache dieser Verletzungen. Dieselben wirken jedoch vorzüglich nur auf die vordere Hälfte des Augapfels und die Wunden desselben kommen daher meistens nur an der durchsichligen Hornhaut vor, da die hintere Hälfte durch die knö­cherne Augenhöhle, durch ein starkes Fettpolster, durch die hier zu­sammengedrängt liegenden Muskeln des Augapfels und durch die Festig­keit und Härte der Sclerotica für äussere Einflüsse sehr wenig zugäng­lich gemacht ist. — Ihrer Form und Beschaffenheit nach sind diese Wunden bald senkrecht, quer oder schief, eben oder winkelig, geschnit­ten, gehauen oder gerissen, mit oder ohne Quetschung verbunden, bald oberflächlich, in der äussern Lamelle der Hornhaut, bald durchgehend; oft sind es reine Wunden, zuweilen aber mit ins Auge gedrungenen und unter den Augenlidern verborgenen fremden Körpern vcrumeiuigt und haben in manchen Fällen schwammige Auswüchse oder Auflocke­rungen der Hornhaut im Gefolge. Zuweilen sind sie mit gleichzeitiger Verwundung der Augenlider, mit Verletzung derselben, mit Brüchen einzelner die Augenhöhle bildender Knochen, mit heftiger Erschütterung des ganzen Auges etc. complizirt. — Nach der Grosse und Art der Verletzung tritt auch gewöhnlich ein stärkerer oder ein schwächerer Grad von Entzündung hinzu und bei jedem etwas bedeutenden Grade derselben findet sich auch ein entsprechendes Fieber ein.
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348nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Wunden des Augapfels.
Man erkennt die Verletzungen der Hornhaut durch die genaue Be­sichtigung des geölTneten Auges an einem gehörig hellen Orte. -— Zu­weilen ist es nöihig, besonders wenn der Zustand schon einige Tage besteht, vor der Untersuchung erst das Auge durch lauwarmes Wasser mittelst eines Schwammes vorsichtig zu reinigen, damit man durch Schleim, der sich in feinen Fäden über die Hornhaut hinzieht und manchmal einer kleinen Wunde täuschend ähnlich ist, nicht irre ge-leilct werde. Die Thiere verhallen sich übrigens bei Verwundungen der Augen fast ganz so, wie bei Augenentzündungen; sie stehen etwes trau­rig, verschliessen das verletzte Auge durch die Augenlider und das Auge tliraut gewöhnlich dabei mehr oder weniger stark. — Hie Zeichen der Wunden selbst sind nach ihrer Verschiedenheit verschieden. Ausser der verschiedenen, ebenen oder unebenen, kleinen oder grössern Tren­nung der Hornhaut sieht man die letztere gewöhnlich nach kurzer Zeit trüb, bläulich oder weiss werden; wo Blutergiessungen im Innern be­stehen, erscheint sie röthlich; die Gefässe der Bindhaut werden injicirt; bei eindringenden grosseren oder mit unebenen Rändern versehenen Wunden ist stets die wässerige Feuchtigkeit ausgeflossen, die Hornhaut zusammengefallen, faltig; zuweilen ist die Regenbogenhaut in die Horn-hautwunde getreten (Prolapsus Iridis) und diese enthält daher einen braunen oder schwärzlichen Gegenstand. Tu anderen Fällen ist die Linse in die vordere Augenkammer getreten oder sie ist nebst dem Glaskörper gänzlich durch die Wunde herausgetreten und in Folge des­sen der Augapfel ganz zusammengefallen.
Die Vorhersagung bei den Verwundungen des Augapfels richtet sich 1) zum Theil nach dem Orte der Wunde, ob diese nämlich mehr nach der Mitte des Auges vor der Pupille oder mehr nach den Seiten derselben, nach dem Rande der Hornhaut zu sich befindet, — 2) zum Theil nach der Grosse und Beschaffenheit der Wunde, besonders ob sie bloss oberflächlich oder durchgehend ist und dann 3) zum Theil auch nach dem Alter des Thieres. — Obgleich die Hornhautwunden heilbar sind, so kann man doch nach jenen Verschiedenheiten bestimmen: dass nur oberflächliche und nur solche eindringende Wunden mit glatten Rändern, die sich ganz eben an einander fügen und die Wunde gleich nach ihrer Entstehung wieder verschliessen, wo zugleich keine Quet­schung, keine Erschütterung des Augapfels, keine Verunreinigung durch fremde Körper und keine Lösung oder Ausstossung der innern Theile staltgefuuden hat, mit einiger Sicherheit als heilbar zu betrachten sind. Unter entgegengesetzten Umständen erfolgt entweder die Heilung nur unvollständig oder gar nieiit. Dieselbe ist unmöglich, wenn der Glas­körper und die Linse aus dem Auge getreten sind oder wenn die Wunde mit Subslanzverlust besieht. Wunden in der Mitte der Hornhaut sind ungünstiger zu bcurtheilen als eben so grosse oder noch grössere Wun­den, wenn sie mehr nach der Seite des Auges zu vorhanden sind, weil die zurückbleibenden, undurchsichtigen Narben der ersteren gewöhnlich dem deutlicheren Sehen sehr hinderlich sind; denn jede eiuigermassen etwas grosse Wunde der Hornhaut hinterlässt eine mehr oder weniger grosse und undurchsichtige Narbe mit mehr oder weniger Verdunkelung. Entstehen Eiterung, Auflockerung der Hornhaut oder schwammige Aus­wüchse, so bleiben ebenfalls grosse, undurchsichtige und hartnackige
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Wunden des Augapfels. Behandlung.
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Narben zurück. — Wie die Verletzungen bei Jungen Thieien fiberhaapt leichter heilen als bei alten, so ist es auch hier am Auge, und die zu­rückbleibenden Narben werden bei jungen Thieren, bei denen der Wechsel der Stoße noch sehr schnell und kräftig vor sich geht, durch die Natur selbst, zum Thcil aber durch Ihierärzllichc, zweckmässige Behandlung weit leichter beseitigt, als bei altern Thieren.
Behandlung. Bei kleinen und oberflächlichen Verwundungen der durchsichtigen Hornhaut sind gewöhnlich die Zufälle so unbedeutend, dass man gar nicht nülhig hat, etwas anderes dabei zu thun, als dem Thiere täglich einige Mal das Auge mit kaltem, aber recht reinem Was­ser geliud und oberflächlich zu reinigen, und ihm durch Verdunkelung des Stalles allen Lichtreiz zu entziehen, welches lelztere überhaupt, so wie das vorsichtige Anbinden der Thiere, damit sie sich die Wunde nicht reiben können, bei jeder Augenverletzung geschehen sollte. 1st aber die Wunde gross, erstreckt sie sich mehr noch der Sclerotiea zu, ist diese selbst mit verletzt, ist die Wunde mit Quetschung verbunden, so tritt auch die Entzündung heftiger ein, welche als Hauptsache be­handelt weiden muss. Denn das sonst noch vorgeschriebene Auflegen einer Binde auf das Auge nutzt fast gar nichts, ftlan wendet also im Anfange fleissig Umschläge oder Befeuchtungen mit kalten Flüssigkeiten, z, B. mit reinem Wasser, mit milden, sclileimigcn Flüssigkeiten, und wo das Thier viel Schmerz äussert, mit Infusionen narkotischer Pflan­zen u. s. w. an. Ist die Entzündung heftig und slellt sich bedeutendes Fieber ein, so mache man einen den Zufällen und der Constitution des Thicres angemessenen Aderlass und gebe nur sehr wenig und wei­ches Fuller. Sickert aus der Wunde eine eiterige Flüssigkeit, so wende man die vorher envälinleu Bähungen lauwarm an, ganz warm und als Breiumschläge aber niemals, weil hierdurch die Eiterung zu sehr be­fördert würde, was nie gut ist, indem es die Narben noch mehr ver-grössert.
Ist aber die Eiterung sein- stark, so iiulzcii Augenwässer von ge­liud zusammenziehenden, massig reizenden Mitteln, welche man täglich 3 — 4 Mal entweder ins Auge eintröpfelt oder noch besser millelsl eines feinen Pinsels auf die Wunde bringt. Man bedient sich zu diesen Au­genwässern des Baldrian-, Chamillen- oder Ainika Infusuins, mit Zusatz des Opiums, des Augensteins, des Zinkvilriols, — eines Weiden- oder Eichenrindcndekokts, und in Fällen, wo die eiternde Fläche sehr gross ist und wo man also grosse Narben nicht mehr verhüten kann, auch der Bleimillel. Diese letzteren sind jedoch in allen Fällen, wo man mit anderen Mitlein ausreicht, zu vermeiden, weil sie nach vielen Be­obachtungen weisse und ganz undurchsichtige Narben hervorbringen. Die vorhin genannten Mitlei wendet man entweder einzeln oder meh­rere derselben zugleich in Verbindung mit einander an. — Gewöhnlich nimmt man vom Opium 6 —10 Gran aufgj Wasser; die verschiedenen Opiumtinkturen wendet man zuweilen ohne Verdünnung mit Wasser an, zu anderen Mitteln setzt man sie aber gewöhnlich nach Beschaflen-heit der Umstände in dem Verhältniss, dass ungefähr auf sect;j Flüssigkeit 10 — 30 Tropfen kommen; vom Zinkvitriol nimmt man auf dieselbe Quantität Wasser Gr. j—ij. — Dieselben Mittel und auf die-
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Verwundungen der Nase.
selbe Weise augewendet leisten auch gute Dienste bei seliwammigen Auswüchsen, die sich ia grosseren eiternden Wunden der Hornhaut zuweilen erzeugen. Weichen aber diese Auswüchse jenen Mitteln in flüssiger Form angewendet nicht, so brauche mau sie trocken, in Form eines ganz feinen Pulvers vermittelst eines feineu Haarpinsels; man macht denselben etwas feucht, taucht ihn so in das Pulver, damit et­was an demselben hiiugcn bleibt, und streicht dann dasselbe ins geölT-uete Auge. Fruchtet auch dies nicht, so ist eine Sublimatauflösung und zwar etwa i- bis höchstens 1 Gran desselben auf sect;j destill. Was­ser genommen zur baldigen Beseiligung dieser Schwäinmchen recht geeignet. Am allerbesten und schnellsten geschieht dies durch ein-oder mehrmaliges vorsichtiges Berühren des Auswuchses mit einem zu­gespitzten Slück Höllenstein. Hierbei muss man auf folgende Weise verfahren: Das obere Augenlid wird in die Höhe gezogen, der Schwamm mit dem Aetzmittel betupft, dann das Augenlid noch einige Minuten so ge­halten und dann erst die betupfte Stelle mit etwas Oel bestrichen, ehe man die Augenlider schliesseu lässt. — Die mit der Wunde vorhande­nen Complikalionen müssen jede nach ihrer Art behandelt werden. Ueber die Narben und Yerdunkelungen, welche hier zurückbleiben, siehe Seile 116 u. f.
Sechstes Capitel.
Die Verwundungen der Nase.
Die Verwundungen der häutigen, fleischigen und knorpeligen Theilc der Nase kommen nicht selten vor, sie werden aber gewöhnlich nur bei Pferden und auch bei diesen nur dann ein Gcgensland der thier-ärztlicheu Behandlung, wenn sie sehr gross sind oder wenn durch die­selben eine Verunstaltung eines Nasenloches herbeigeführt worden ist. Diese Wunden sind am häutigsten uneben und mit Quetschung, zu­weilen auch mit Subslanzverlust und mit Brüchen der Nasen- oder vor­deren Kieferbeinen verbunden; sehr selten sind es reine Schnitt- und Hiebwunden.
Diese Verletzungen entstehen mehrentheils durch Bisse von ande­ren Thieren, durch hervorstehende Nägel, an welchen sich die Thierc reissen und verletzen und dergleichen. Zuweilen wird bei vorhandenen Polypen und bei anderen in der Nasenhöhle befindlichen fremden Kör­pern der untere Theil der Nasenhöhlenwandungen absichtlich aufge­schlitzt, um jene Körper desto besser untersuchen und entfernen zu können, und die Tataren sollen dies thun, um ihren Pferden, wie sie sich einbilden, ein freieres, ungehindertes Alhnien und dadurch mehr Ausdauer im Laufe zu verschallen.
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Verletzungen am Maule.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 351
Die Prognosis ist fast bei allen diesen Verletzungen sehr günstig; sie sind ohne Gefahr, werden aber nicht immer leicht geheilt, besonders wenn etwa zu grosser Subslanzverlust zugegen ist oder die Wundrän­der uneben, lappig oder schon ausgetrocknet sind.
Die Behandlung dieser Wunden ist der bei den Augenlidwunden angegebenen ganz ähnlich; — frische, reine Schnitt- und Hiebwunden werden sogleich mit blutigen Heften vereiniget; unebene Wandränder bei gerissenen und gebissenen Wunden werden durch Hinwegnahme der Unebenheiten vermittelst oberflächlicher Schnitte vor dem Anlegen der Hefte geebnet und veraltete Wundränder werden ebenfalls vorher auf gleiche Weise in frische umgewandelt. Der erste Heft wird hier ganz dicht am Rande des Nasenloches eingelegt, von diesem etwa einen halben Zoll entfernt der zweite und in gleicher Enlfernung, wenn es noting ist, der dritte und vierte bis zum Grunde der Wunde. Die En­den der Hefte werden darauf ganz kurz abgeschnitten. Gleich nach dem Heften bindet man das Thier so an, dass es sich durchaus nicht an der Nase reiben kann; aus demselben Grunde lässt man es auch in den ersten 5—6 Tagen nicht niederlegen und futtert es aus einer Schwinge oder von einer ausgebreiteten Lciuvvaud. —#9632; Es ist nicht nölliig, die Helle länger als 4—5 Tage liegen zu lassen, weil in dieser Zeit die Vereinigung schon hinlänglich geschehen ist; man entfernt sie nach allgemeinen Re­geln, indem man sie an einem Ende durchschneidet und dann her­auszieht.
Eine besondere therapeutische Behandlung der gehefteten Wunde ist in der Regel nicht nölliig; viel wichtiger ist dagegen in jedem Falle die Sorge, die auf das übrige Verhalten des Thicres verwendet wer­den muss.
Da aber trotz der sorglaltigstcn Behandlung diese Wunden oft nicht durch die schnelle Vereinigung heilen, das fleflten und die Nach­behandlung mühsam und mit Zeilverlnst verbunden ist, so habe ich auch hier, besonders wieder bei Arbcitslhicren armer Leute, den Lap­pen so weggeschnitten, dass ein glatter Rand der Nasenölfnung entstand. Die Heilung erfolgte hiernach von selbst und recht gut.
Siebentes Capitel.
Verletzungen ain Maule.
Am Maule kommen Verwundungen der Lippen und der Maulvviu-kel bei Pferden häufig, bei den übrigen Thieren aber nur selten vor. Diese Verletzungen sind in den meisten Fällen gerissene oder gebissene Wunden. Die an den Lippen vorkommenden Hisswnnden sind manch­mal von bedeutendem Umfang und zuweilen von der Art, dass das abgerissene Stück lappenartig herabhängt.
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Verletzungen am Maule. Kur.
Die Ursachen der Vei-letzuugen der Maulwinkel bestellen zuweilen im unvorsichtigen Gebrauch der Slangen und Trensen, überhaupt im Gebiss der Zäumuiig, wenn nämlich dasselbe zu scharf, zu eckig, oder entgegengesetzt ganz olme Stange ist, wie z. B. bei den Stricktreuseu. Mit diesen verschiedenen mangel haften Zäumungsstücken werden die Maulwinkel vorzüglich bei harlmanligen oder bei juiigeu Pferden, welche noch nicht viel geritten sind und das Gebiss noch nicht kennen, ein plötzliches Anhalten nach schuellein Reiten oder, wenn sie widerspen­stig sind, auf einer oder auf beiden Seiten mehr oder weniger wund-oder gar durchgerissen.
Diese Verwundungen sind säininUich mit Quetschungen verbunden und zeigen sich entweder im frischen oder im veralteten Zustande, zu­weilen mit geraden, oft aber mit unebenen, auch mit kallosen, verhär­teten Rändern; inauchinal ist eine Lippe nach der einen oder der an­dern Seile verzogen.
Die Vorhersagung ist bei diesen Wunden in Bezug auf die Heilung im Allgemeinen günslig, obgleich dieselben wegen der grossen Beweg­lichkeil der Lippen und Backen und wegen der beständigen Verunrei­nigung der Wunde mit Speichel und Fuller manchmal schwierig her­beizuführen ist.
Kur. Obgleich diese Wunden in den allermeisten Fällen mit be­deutender Quetschung verbunden sind, so muss man dennoch zur Hei lung derselben immer die schnelle Vereinigung durch die blutige Naht zu erlangen suchen, weil sonst die gelrennlen Theile sehr unregelmüssig verzogen und stets verunreiniget werden, oder zum Theil absterben oder wenigstens entarleu. Wenn daher durch die. Naht auch nicht jedesmal die wirkliche Vereinigung an allen Punklen der Wunde erfolgt, so werden dennoch diese Uebelstände dadurch sehr vermindert. Wegen der starken Auseinanderziehung und der grossen Beweglichkeit der hier getrennten, grösslentheils muskulösen Theile bedient man sich zur Ver­einigung derselben am besten etwas starker und breiter Baudhefte. In Bezug auf die Vorbereitung der Wunden zur Heflung in den Fällen, wo sie uneben und veraltet sind, gelten auch hier die bereits angeführ­ten Regeln.
Beim Hellen selbst hat mau darauf zu sehen, dass 1) der erste Heft am äussern Rande der Wunde, daher auch in der Maulspalte da angelegt werde, wo der natürliche Spalt aufhört; 2) dass man, um eine recht genaue Vereinigung der Wundränder zu erhalten, jeden Heft von dem andern nur in einer geringen Entfernung von etwa einen halben Zoll anlegt; 3) dass man die Nadel nicht nur durch die äussere Haut, sondern auch durch die Muskeln führt; und 4) dass man die Enden der zusammengebundeneu Hefte ganz kurz abschneidet, damit sie nicht gezerrt werden können.
Nach dem Heflen isl die grösste Ruhe des Thieres und namentlich des verletzten Theiles nöthig. Man darf daher innerhalb der ersten 24—30 Stunden gar kein und später am zweiten und dritten Tage nur ganz weiches Futter, z. B. Kleienbrei, Heuhäcksel, geschrotenen Hafer oder Gerste u. s. w. geben. Getränk kann dem Thiere von Anfang an und zwar ein Mehltrank gereicht werden. Mit 5 — 6 Tagen ist die Verj einigung zum grösstcu Theil schon geschehen und man kann zu dieser
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Zeit die Hefte entfernen. Die gänzliche Heilung erfolgl aber erst mit 10 —14 Tagen, daher man bis dahin das Thier noch in der angegebe­nen Art verpflegen muss und nicht stark brauchen darf.
Acli(es Capitel.
Verletzungen der Ohrdrüse und ihres Speichelganges.
Zu den äusserlich am Kopf vorkommenden Verletzungen, die we­gen besonderer Zufälle und Behandlung bemerkenswerth sind, gehören auch noch die Verletzungen der Ohrdrüse und ihres grossen Ausfüh-ningsganges, des Stenoaschen oder Stensonschen Speichelganges (duetus Slenonianus). —• Dieser Gang entspringt bekanntlich aus vielen kleinen Gängen, die aus den einzelnen lappenförmigen Abtheilungen der Drüse hervortreten, durch ihre Vereinigung immer stärker werden und fast in der Milte des vorderen Randes der Ohrdrüse endlich in die­sen Hauptgang zusarmnenkommen. Beim Pferde und Schweine geht derselbe dann in den Kclilgang an der iunern Seite des Hinter-kiefers, zwischen dein iunern Kaumuskel und der Haut fort, beugt sich an dem untern Rande des Hinterkiefers nach aussen und oben und geht am vordem Rande des äussern Kaumuskels bis an den Backen­muskel, den er fast in seiner Mitte in der Gegend des dritten Backen­zahnes durchbohrt und sich im Maule endet. Auf seinem Verlaufe hat er zum grössten Theilc die äusserc Kinnbackenarterie und Vene neben sich. Bei den Wiederkäuern und den Hunden aber ist er viel kür­zer und hat nicht einen so gekrümmten, sondern einen geraden Ver­lauf von der Drüse quer über dem äussern Kaumuskel zum Backen­muskel, den er aber ebenfalls in der Gegend des dritten Backenzahnes durchbohrt und sich dann auf gleiche Weise im Maule endet. Bei siimmllichen Thieren liegt er nur allein unter der Haut und dem Kopf-haulmuskel. — Die Verlctzmigen der Ohrdrüse kommen in -verschie­dener Weise vor; sie sind entweder reine Schnittwunden oder mit Quetschung verbunden; sie sind entweder in der Mitte oder an einem Rande der Drüse, entweder bloss an- oder durchgeschnitten, oder sie betreffen die Drüse allein oder auch grössere Gefässe, die in ihrem Umfange oder unter ihr liegen. — Der Speichelgang ist entweder bloss angeschnilten oder völlig durchgeschnilteiiquot;, die Wunde ist quer, oder schief oder in der Längerichtung in demselben und mit oder ohne wei­tere Nebenverletzungen verbunden.
Die Ursachen der Verletzungen der Ohrspeicheldrüse und ihres Ausführungsganges sind sehr verschieden und man kann im Allgemeinen alle von aussen auf diese Theile mit Gewalt eindringende fremde Kör­per zu denselben rechnen. Zuweilen geschieht auch die Verletzung der Drüse bei dem unsinukeu Fcifelbrecheu und bei der Operation der
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Yerlelzuiigcn der Ohrdriise und ihres Speiehelganges.
Luftsäekeiiffnung; die Verletzung des Speiehelganges aber erfolgt ge­wöhnlich beim Herausiiebinen von Speiehclsteinen, die sich in diesem Gange zuweilen bilden, beim Ausschälen der verbarteten Lymphdrüsen im Keblgange, bei der Operation der Zahnßsteln und der dabei vor­kommenden Entfernung kariöser oder zu lang hervorstellender Zabnc, bei der Exstirpation von Knochenauswücbscn und Balggeschwülsten, die in dieser Gegend vorkommen, bei der Aubobrung des kariösen Hin-terkiefers u. dgl.
Die Erkennung solcber Verletzungen ist in den useisten Fällen sehr leiebt; schon der Ort der Wunde, ihre Tiefe und Kichtung geben sie zu erkennen; noch mehr aber wird diese Erkeuntniss durch das be­ständige Äuströpfelu einer klaren Flüssigkeit, des Speichels, aus einer bestimmten Stelle der Wunde befördert. Dieses bloss im ruhigen Zu­stande des Tbieres vorbandenc Auströpfeln wird bei der Bewegung und noeb mehr beim Fressen ausserordentlicb vermehrt und in einen so starken Ausfluss verwandelt, dass oft bei dem Genuss des Futters etlicbe Pfunde dieser Flüssigkeit ausgesondert werden und in der Krippe sich ansammeln. Dieser AusDuss ist verschieden nach dem Orte und der Art der Verletzung; am schwächsten ist er, wenn die Ver­letzung am oberu oder hintern Thcil der Drüse sich befindet; stär­ker, wenn der Hauptkanal bloss angeschnitten, oder wenn der vordere Theil der Ohrdrüse verwundet ist, weil liier gewöhnlich ein oder mehrere der stärkern Ausführungsgänge der Drüse mit verletzt sind und am stärksten ist er, wenn der Hauplkaual selbst durchschnit­ten ist. Hat der Zustand schon einige Zeit gedauert, so werden oft durch das beständige Ausfliessen des Speichels die Wundränder und besonders die Ränder des verletzten Speiehelganges kailös, hart, aufge­trieben oder die Umgegend selbst wird gereizt — und in diesem Zu­stande hat sich die Verletzung laquo;u einer Spei chclfistel umgewandelt.
Beurtheilung. Die einfachen Verwundungen der Ohrdrüse sind, selbst wenn dieselbe an einer Stelle ganz durchgeschnitten ist, gewöhn­lich ohne Gefahr, doch nicht immer ganz leicht zu heilen. Gefahrlich sind diese Wunden nur dann, wenn eins der unter der Drüse liegen­den starken Blutgefässc zugleich betrofl'en ist. Ist bedeutende Quet­schung mit der Wunde verbunden, so ist die Heilung langwieriger und oft starke Eiterung zugegen. Frische Wunden sind auch hier leichter und schneller zu heilen als. veraltete, weil die Ränder der letz­teren gewöhnlich kailös geworden sind. Wanden am vordem untern Theil der Drüse sind wegen des stärkern Ausflusses von Speichel schwieriger zu heilen als an andern Orten derselben. — Die Verletzun­gen des Speichelganges selbst sind zwar ebenfalls nicht lebensgefährlich, doch die Heilung ist oft sehr schwierig zu bezwecken, und bei dem län­gern Bestehen der oIFcnen Wunde oder der sich gebildeten Fistel ver­liert das Thier täglich eine grosse Menge seiner Säfte durch den Spei-chelauslluss, und sowohl durch diesen Verlust als auch durch die hier­durch verhinderte Einspeichelung der Nahrung und die daraus entste­hende schlechte Verdauung magern die Thiere endlich mehr oder weniger ab, verlieren ihr gutes Ansehen und ihre Kräfte. Unter ungün­stigen Umständen kann sich auf diese Weise selbst ein kachektischer Zustand entwickeln.
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Verletzungen der Ohrdriise und ihres Spcichelganges. Behandlung. 353
Die Behandlung dieser Verletzungen muss vor allen Dingen darauf gcriclitet sein, den Auslluss des Speichels aus der Wunde möglichst zu uilterdrücken, weil ohne diese Uiilerdruckung des Ausllusses eine völlige Heilung niehl leicht zu erwarten ist. — Es sind zwar einzelne Fälle vorgekoinmen, wo der verletzte Speichelgang von selbst geheilt ist, in­dem eine massige Entzündung in den wunden Stellen mit Erzeugung gesunder Fleischwärzchen sich bildete und hierdurch die Bereinigung erfolgte; diese Fälle sind aber sehr selten und die Natur Ibut dabei durch die zufällige Entzündung der Wundränder dasjenige, was wir mit der chirurgischen BehancUung zu erzwecken suchen. Dieser Zweck-, die Verhinderung des Speichelausflusses und die Heilung der Wunden und der Fisteln dieser Art kann nach verschiedenen Methoden er­reicht werden, nämlich: 1) durch die blutige Naht, 2) durch Erzeu­gung eines Brandschorfes, 3) durch die Unterbindung des verletzten Speichclgangcs und 4) durch innere Entzündung und dadurch bewirkte Obliteration des Ganges. Diese vier verschiedenen Methoden können jedoch nicht eine für die andere in allen Fällen ohne Unterschied an­gewendet werden, sondern die Anwendung der einen oder der andern muss nach ihrer eigenthiinilichen Wirksamkeit und nach der Beschaf­fenheit oder der Art der Verletzung bestimmt werden.
Um jedoch das Heilgeschäft mit einiger Sicherheil zu beginnen, mass man vor der Anwendung der zur Verschliessung der Wunde die­nenden Mitlei zugleich auch auf die Ohrdrfise selbst einwirken und deren starke Absonderung zu vermindern suchen, -weil sonst durch den beständigen Andrang des Speichels nach dem veilelzlcn Orte die da­selbst bewirkte Verschliessung zu früh wieder aufgehoben wird. Man er­reicht diesen Zweck am besten, wenn man immer vor der Anwendung einer jeuer Ileihncthodcn scharf reizende Mittel in die ganze Gegend der Ohrdräse und in diese selbst einreibt. In etwa 18 — 24 Stunden nach der Einreibung wird die Ohrdrüse in einen verhältnisstuässigen Enlzündungszustand versetzt und somit nach den in der allgemeinen Pathologie erklärten Grundsätzen ihre Absonderung sehr vermindert.
Die ersie der angegebenen Methoden, die blutige Naht, kann nur bei Verwinulnugen der Ohrdrüse selbst und bei den Längenwunden des Speichelganges in Anwendung gebracht werden. Die Ohrdrüse mag nach welcher Bichlung und wie lief auch immer verlclzt sein, so dür­fen die Helle doch nur durch die Haut und nicht durch die Drüse selbst geführt werden. Man legt dieselben etwa % — f Zoll weit von einander und lässt am tiefsten Winkel der Wunde einen kleinen olfenen Raum zum Auslluss des beständig abgesonderten Speichels. Mit 4 bis C Tagen ist die Vereinigung zum grössten Theil geschehen und man kann die Hefte entfernen. Der untere offene Raum schliesst sich etwas später und wenn der Speichclfluss aus ihm zu anhaltend oder zu stark sein sollte, so rnuss man diese Stelle öfter mit stark zusammenziehenden Mitteln, z. B. mit reinem Bleiessig, mit einer concentrirten Eichenrinden -Abkochung, wobei noch ein Zusatz von Alaun ist und dergleichen, be­feuchten oder mit kaustischen Mitteln bestreichen, um die Zusammeu-zielmng der Thcilc zu vermehren, die Absonderung aber zu vermindern. — Die blutige Naht wird auch bei Verletzungen des Speichelgauges selbst in der Absicht angewendet, um die getrennten Wände desselben
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wieder zu vereinigen, ohne ihn selbst zu verscliliesscn, — was bei den übrigen Heilmethoden immer geschieht. Man heftet bei Längenwunden des Speichelj^anges, wenn diese noch frisch sind, bloss die Hautränder über demselben mit einigen ganz dicht zusammealiegenden Stichen mit­telst einer feinen Nadel und eines gewachsten Seidenfadens oder mit­telst der Ilasenschartennabt. — Erreicht man durch das Heften der Speichelgangswundcn die Vereinigung, so ist die Heilung in kurzer Zeit, leichter und gründlicher bewirkt, als auf jede andere VVeise; denn die Ohrspeicheldrüse der leidenden Seite wird in ihrer Funktion und Inte­grität erhallen. Man mnss daher in allen den Fällen, wo der Speiche!.-gang auf die angegebene Weise frisch verwundet ist, diesen etwas müh­samen Versuch zur Heilung mnclien, der, wenn er auch nicht gelingen sollte, doch nichts schadet und in der Folge die Anwendung der übri­gen Methoden noch immer zulässt.
Nach dem Heften darf das Thier in den ersten 48 Stunden kein Fuller erhallen, sogar es nicht einmal sehen oder andere Thiere es verzehren hören, weil selbst das Gelüst nach Nahrung die Speichel­absonderung vermehrt und hierdurch die Heilung der Wunde gestört wird. Das Thier erträgt auch diese strenge Enthaltung ganz gut. Es darf erst nach 2 Tagen etwas Mchltrank zum Getränk erhalten. Hört das Ausfliessen des Speichels nach dem Heften ganz auf, wird die Wunde ganz trocken, so kann man mit etwa 6 — 8 Tagen die locker zusammengedrehten Enden der Hofte aufdrehen und sie dann vorsichtig herausziehen. Flicsst aber der Speichel bis zum achten oder zehnten Tage anhaltend aus der Wunde, so ist auf keine Verschliessung der­selben zu rechnen, sondern man muss, um diese zu erreichen, eine andere Methode in Anwendung bringen.
Die zweite der angegebenen Heilmethoden, die Verschliessung der Wunde durch einen erzeugten starken Schorf, kann durch das Brenn­eisen oder durch coagulirende und Aelzniittel aufgeführt werden. Diese Methode empfiehlt £. Viborg1), dem wir die ersten guten Untersu­chungen über die Heilung der Speichelfisleln und eine sichere Behand­lungsart derselben verdanken, — in den Fällen, wo nur kleine Aus­führungsgänge an der Drüse, oder der Hauplkaual nur an einer Seite verletzt ist und besonders, wenn die Verletzung nicht mehr neu, son­dern schon seit einiger Zeit behandelt worden ist, weil in diesem letz­tern Falle die Speichelabsonderung in der Drüse schon etwas vermin­dert, die Einsaugung des Speichels aber daselbst schon vermehrt, mithin der Andrang dieser Flüssigkeit zur verletzten Stelle und das Losreissen des Schorfes nicht so sehr zu befürchten ist. Denn bei frischen Ver­letzungen des grossen Speichclgangcs bringen wegen des zuletzt ge­nannten Grundes weder die Aelzmitlel, noch das Glüheisen eine völlige Verschliessung der Wunde zu Stande; sie nutzen nur so viel, dass durch den öfters auf einige Zeit gehemmten Auslluss die Einsaugung des Speichels in der Ohrdrüse vermehrt und dadurch die kräftige Hei­lung vorbereitet und erleichtert wird. — Nachdem, wie vorhin ange­geben, durch das Einreiben scharfer Mittel die Ohrdrüse gereizt und entzündet ist, berührt man die Wundränder des Speichelkanals und
') Siehe dessen Samml. etc. f. Thierärzte u. Oekonomen. Bd. 2, S. 33.
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Verletzungen der Ohrdrüse und ihres Speichelgangelaquo;! Behandlung. 857
dessen Umgebung mit dem weissglühmden Eisen uur massig stark und sucht, nach dem Rathe Viborgs, den hierdurch gebildeten Schorf durch darauf angewendete zusammenziehende Mille!, z. B. durch Be-feuchlen mit starkem Branntwein oder mit Alaunauflösung, Crcosot, Collodium, und durch Bestreuen des Ganges mit Mastixpulver, Kolo­phonium und ähnlichen Mitteln noch mehr zu erhärten und zu befesti­gen. Nach meiner Erfahrung ist es jedoch am zweckmassigsten, den gebildeten Schorf ganz unberührt zu lassen, da er durch jene Mittel leicht abgestossen und abgelöst wird. Der Höllenstein und alle ande­ren Aetzmittcl haben das Nachtheilige, dass durch den auslliessendea Speichel das Aetzmittel zum Theil abgespült und geschwächt wird, auch der Schorf sich überhaupt langsamer bildet. Dagegen ist das Aufslreichcu der Kantharidensalbe auf die ganze Backe sehr nützlich. Bleibt der Schorf durch 8 —10 Tage silzen, so findet man dann beim Abfallen desselben gewöhnlich die Wunde geschlossen und völlig ge­beilt; fällt er früher ab oder sickert noch vor dem Abfallen desselben Speichel aus, so ist dies nicht der Fall und die Applikation der Mittel muss wiederholt werden.
Es verstellt sich von selbst, dass hier ebenfalls alle Bewegungen des Hinterkiefers möglichst vermieden werden müssen, und dass daher das Thier in den ersten 48 Stunden gar kein Fuller, später aber nur weiches erhalten darf. Auch muss man strenge Aufsicht auf das Thier haben, damit es sich nicht den Schorf abreibe; daher muss es auch zu beiden Seiten ganz kurz und im Stande verkehrt angebunden wer­den und zwar nothigenfalls an einem Halsbandc.
Die dritte Methode, nämlich die Unterbindung des verletzten Spci-chclgangcs, ist zuerst von Viborg ausführlich bcsclirieben worden. Er emplieblt die Unterbindung als das einzig sichere Mittel zur Heilung, besonders in den Fällen, wo die vorigen lleilmetlioden schon fruchtlos angewendet worden sind. Vor derselben ist es ebenfalls nölhig, die Drüse auf die schon angegebene Weise zu entzünden und so ihre starke Absonderung zu vermindern. Ist dies geschehen, so wird das Thier niedergelegt^ und zwar, wie sich dies von selbst verstellt, so, dass die verletzte Seile des Kopfes nach oben liegt. Die Operation ge­schieht am besten auf folgende Weise: Um die Oeffnung des Spei­chelganges ohne viele Mühe auffinden zu können, lässt mau das Thier kauen, worauf sich durch das Ausüiessen des Speichels die verletzte Slelle bald zeigt. Der Rand der Ofeflhung wird nun mit einer anato­mischen Pinzette gefassl und der Kanal i—f Zoll, überhaupt so weit von den umliegenden Theilen gelrennt und bloss gelegt, dass man die Unierbindung nach der Speicheldrüse zu bequem machen kann. Sind die Ränder der Fistel sehr entartet, wulstig, aufgetrieben und hart, so nimmt man sie sogleich bei diesem Biossiegen des Kanals mit dem Blesser fort. Zur Unterbindung selbst empfahl Viborg eine mit Wachs beslrichenc Schnur von Flachs oder noch besser von Seide, weil letz­tere nicht so leicht fault und auch den Kanal nicht zu früh durch-sebneidet; das letzlere hat man bei zu dünnen Uulerbindungsfäden im­mer zu fürchten und daher ist es am besten, sich zum Unterbinden schmaler seidener oder leinener Bäiidchen, welche vorher in flüssiges Wachs getaucht sind, zu bedienen. Durch das Wachsen erlangt man
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auch, dass die Knoten der seidenen Fäden und Bändchen sich nicht so leicht wieder auflösen und locker machen, welches man jedoch auch durch doppeltes und festes Zubinden derselben verhütet;. Die Unter­bindung wird wie an Blulgelasscn gemacht.
Nach der Unterbindung darf man die verletzte Stelle bloss rein halten und die Heilung pflegt dabei in der Zeit von etwa 3 Wochen ohne weitere Zufälle zu erfolgen. Gewöhnlich fällt mit 10 —14 Tagen das Unterbindungsband los und der Kanal ist dann fest verschlossen; fällt das Band früher ab, ehe die Mündung des Kanals verwachsen ist, so muss die Unterbindung zum zweiten Male gemacht werden, wrelclic dann um so eher gelingt, da nun die Verrichtung der Drüse, nämlich die Speichelabsonderung schon sehr vermindert worden ist. — Zuweilen geschieht es jedoch, dass nach der Unterbindung wegen der verhinder-ten Ausführung des in der Drüse abgesonderten Speichels dieselbe und die unterbundenen Enden des Speichelganges sehr anschwellen. Um diese Geschwulst zu verhüten, oder wenn mc schon vorbanden ist, sie zu zertheilen, muss auch nach der Unterbindung noch durch einige Tage die Ohrdrüse mit stark reizenden oder scharfen Einreibungen in einem entzündlichen Zustande erhalten und hierdurch die Absorption möglichst gesteigert werden. Viborg empfiehlt hierzu das Kampheröl; jedes andere ätherische Oel, besonders das Therpenthinöl in Verbindung mit Kantharidenpulver, oder noch einfaclier ein Liniment von Seife und Terpenthinöl kann jedoch hierzu benatzt werden. Entstehen Aus­schwitzungen nach Anwendung dieser Mittel, so setzt man sie bei Seile und bäht uun die leidende Stelle täglich mehrmals mit warmem Sei-feuwasser, mit Auflösungen von Kochsalz, Salmiak und dergleichen in Wasser oder in Essig; sind schon Erosionen der Haut zugegen, so wendet mau Bähungen von Abkochungen der zerlhcilenden Kräu­ter an.
Die vierte Methode zur Schliessung des verwundeten Speiehel-kanals und zur Heilung der Speichellisteln besteht nach der von Haubner zuerst gemachten Mittheilang ') in der Verödung der Ohr-drüsc von Innen her, vermittelst einer in ihr erregten Entzündung und Verwachsung ihrer Ausführungskauäle. Man bewirkt dieselbe, indem man in den Sten on sehen Kanal, nach der Ohrdrüse hin, vermittelst einer Wundspritze circa 2 Drachmen Aetz-Ammoniakllüssigkeil (Salmiak­geist, Liq. Ammon. caustic.) einspritzt und unmittelbar hiernach wäh­rend etwa 5 Minuten die Mündung zusammendrückt, um den Rückfluss zu verbindern. Auch die Jodtinktur ist dazu verwendet worden. Nach der Injektion gerinnt der Speichel in den Kanälen und sein Ausfluss stockt, oder er findet nur noch in geringer Menge, und fadenziehend statt; zugleich schwillt die Drüse an. entzündet sich, verwächst und verödet; zuweilen bildet sich an einer Stelle ein Abscess, der geölfnet wird und leicht heilt. — Dies einfache Verfahren kann bei jeder ver­alteten Wunde des Speichelganges (Speichelfislei), besonders aber in den Fällen benutzt werden, wo die übris;laquo;! Methoden schon ver-
') Magazin für Thierhcilkunde. 1849. S. 248,
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Verletzungen des Zahnfleisches.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 'oo9
^ebeus angewendet worden sind und wo namenllich durch mehr­malige Unterbindung der Sjjcichelgang schon sehr verkürzt wor­den ist 1).
Neuntes Capitel.
Verletzungen des Zahnfleisches und der Laden.
Bei Pferden wird das Zahnfleisch auf den Laden nicht selten durch gewaltsame Einwirkung der Mundstücke von Trensen, noch mehr aber von Kandaren verletzt, und bei diesen Thieren, so wie bei allen übrigen cutslehen zuweilen Verletzungen des Zahullcisches durch zufällig in das Maul gekommene fremde Körper un verschiedenen Stellen. Jene er-stere Verwundungen sind bald obcrllächlich, bald bis auf die Knochen gehend und zuweilen ist der Rand der Laden selbst gesplittert. Mau erkennt diese Verletzungen daran, dass bei dem frischen Zustande der­selben den Pferden Blut oder blutiger Schleim und Speichel aus dem Maule fliesst, dass die Thierc bei der Berührung des Älaules mehr als sonst empfindlich und furchtsam sind, dass sie sehr vorsichtig das Fut­ter kauen und es zuweilen nur halb gekaut wieder aus dem Maule fallen lassen; im Maule findet man an der einen oder der andern Seite, zuweilen auf beiden das Zalindeisch der Laden verwundet, gequetscht und mit Blut unterlaufen, und die Tiefe der Wunde, so wie ihre innere Beschaffenheit hinsichtlich des etwaigen Mitlcidens des Kinnbackens er­forscht man mittelst der Sonde oder auch in manchen Fällen bei gros­seren Wunden mittelst des eingeführten Fingers. Ist eine solche Ver­letzung über 2 — 3 Tage all, so zeigen die Pferde, wie vorhin angege­ben, ein mangelhaftes Kauen und wenn man ihnen das Maul öffnet, bemerkt man einen üblen, fauligen Geruch; in der Wunde findet man nun Eiter, und gewöhnlich ist dieselbe durch Nahrungsmittel veruu-reiniget.
Die Beurlheilung dieser Wanden ist in den meislen Fällen günstig, da die oberlläehlichen Verletzungen des Zahnfleisches stets sehr leicht heilen und auch die tieferen in der Regel vollständig zur Heilung zu bringen sind, obgleich zuweilen erst nach mehreren Wochen und nach­dem die Abstossung der Knochensplitter erfolgt ist. In einzelnen Fäl­len entsteht jedoch eine chronische Eulzündung der Beinhaut und selbst der Knocheusubstanz an dem verletzten Aste des Kinnbackens; der
') In der Menschenheilkunst besteht als Hauplverfahren zur Heilung der Speichelfisteln das künstliche Durchbohren der Backe und das Einleiten des Endes des Speichelkanals in die so erzeugte Stichwunde, um das Einheilen des Kanals in die letztere und dadurch die Erhaltung der Funktion der Ohrdrüse zu bewirken. Bei Thieren ist, so viel mir bekannt, dies Verfahren nur in einem Falle von L. E. Hübner mit Erfolg in Anwendung gebracht worden. Siehe „Der Thierarztquot;. 1834. S. 86
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Verletzungen der Zunge.
Knochen treibt dann bedeutend auf, die Thiere haben heftige Schmerzen und zuweilen sind sie auch in ihrer Ernährung wegen mangelhafScn Kanons gestört. In anderen Fallen bildet sich an der verlelzteu Stelle eine Knochenfisfel, welche durch einige Monale besieht, aber zulelzt doch heilt. Zuweilen wird in Folge dieser Verletzungen der Rand einer Lade bedeutend niedriger, als er früher war und die Wirkung des Gebisses wird dadurch vermindert.
Die Behandlung. Zunächst und während der ganzen Heilungszeit muss bei allen solchen Wunden die Einwirkung neuer Verletzungen abgehallen werden, daher die Pferde nicht mit demselben Mundsliiek an der Zäumuug versehen werden dürfen, sondern sie müssen entweder nur mittelst des Kappzaumcs regiert oder sie dürfen nur ein mit Lein­wand oder Werg umkleidetes tïebiss von der Dicke eines Daumens in das Maul erhalten. Ausserdem giebt man den Thieren kein Körner­futter, sondern nur Kleie und Heu, auch täglich nur zwei Mal, und reiniget nach jeder Mahlzeit dem Thiere die Wunde, so dass von den Nahrungsmitteln nichts in derselben bleibt. In therapeutischer Hinsicht ist das ßestreicheu der frisch entstandenen Wunden mit Essigwasser oder mit einfachem Oxykrat, bei schon eingetretener Eiterung aber das Bestreichen mit einem Gemenge von 2 Thcilen Honig und 1 Theile Aloe oder Myrrhentinktur, täglich 2 — 3 Mal wiederholt, ausreichend. Wo Splitter in der Wunde lose zu fühlen sind, aber ihrer Crösse wegen nicht leicht aus der letztern gelangen können, erweitert mau die Wunde in der Längenrichtung und nimmt die Splitter mit der Pinzette weg. Ist eine heftige Knochenentzündung eingelrelcn, so wendet man die graue Quecksilbersalbe im Umfange der aufgetriebenen Stelle täglich 1—2 Mal an, oder wenn das Uebel hartnäckig ist, reibt man die Kan-tharidensalbe in längeren Zwischenzeiten wiederholt ein oder man applizirt das Glüheiseu.
Zehntes Capitel.
Verletzungen der Zunge.
Diese Verletzungen kommen bei Pferden häufiger, als alle übrigen am Kopfe vor, bei den anderen Thieren sind sie dagegen selten. Sie entstehen bei den ersteren besonders durch die Einwirkung des Gebisses, wenn dasselbe zu dünn, zu scharf oder gedreht oder auch ein soge­nanntes Sägegebiss ist, und zuweilen auch von den Slricklrensen, denen das Mundstück gänzlich fehlt; ausserdem enlstehen sie durch zulällig in das Maul gelangte spitzige Körper, Nägel, Nadeln, Glasslücke, Knochen, Holzsplitter und dergleichen. Sie finden sich daher bei Pferden, welche aus übler Gewohnheit das Holzwerk im Stalle benagen, ferner wenn das Futter unrein ist, oder wenn namentlich bei Rindvieh die Warte-
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Verletzungen der Zunge.
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linnen mit den an ihren Kleidern benutzten Steknadeln oder Nähnadeln uiclit vorsichlig umgehen; ferner zuweilen auf der Weide in der Nähe von Dornbüschen und dergl. Zuweilen sind auch scharfe Zahnspitzen iin ungleich abgeriebenen, zu langen oder schief gewachsenen Zähnen die Ursache dieser Verlelzungen; und in manchen Fällen erfolgen die­selben bei Pferden durch das rohe Feslhallen und Herausziehen der Zunge bei dem Aufzäumen der Thiere.
Die Verletzungen finden sich am häufigslen auf der Oberfläche der Zunge in der vordem ITälfle derselben, ausserdem aber auch an den Räudern, an der Spitze, am Zungenbändchen und zuweilen am Zungengrunde; sie sind von verschiedener Grosse und Tiefe, so dass zuweilen nur oberflächliche Risse, in anderen Fällen aber Durchtren-uungen durch mehr als die Hälfte der Dicke der Zunge bestehen und in einzelnen Fällen ist sogar die Zungenspilze gänzlich abgerissen; sie sind ferner noch darin verschieden, dass sie zuweilen fremde Körper, Nadeln, Nägel, Drahtslüeke, Holzsplitter, bei Pflanzenfressern am häu­figsten aber Hülsen und Fasern von dem genossenen Futter enthalten (cingefultert sind). Ausserdem sieht man sie als frische oder entgegen­gesetzt als veraltete Wunden.
Die Erkennung dieser Wunden ist im frischen Zustande derselben an dem zuweilen hierbei bestehenden Blutausfluss aus dem Maule, an dem Ausiluss einer abnormen Menge von Speichel und Schleim, an einem üblen Geruch aus dem Maule, am langsamen und unvollständigen Kauen und Schlucken der Nahrung und des Getränks und örtlich im Maule selbst au den Erscheinungen der Wunde zu erlangen.
Die Beurtheilung dieser Verletzungen ist je nach den Verschieden­heiten derselben und nach Verschiedenheit der sie veranlassenden Ur­sachen in den einzelnen Fällen verschieden. Im Allgemeinen sind Ver­letzungen der Zunge höchst selten und nur in ihren Folgen gefährlich und sie heilen mehrentheils leicht, da nirgens der Heilungsprozess so schnell von Statten geht wie hier; aber die Heilung erfolgt, namentlich bei Querwunden oft unvollständig, weil die Wundränder sich bedeutend zurückziehen und kallös werden. Die Heilung wird jedoch sehr oft durch das Eindringen fremder Körper aufgehalten, so dass man selbst massig grosse Wunden in Zeit von 14 Tagen noch nicht geheilt sieht. Die Wunden des Zungenbändehens sind weit schwerer heilbar als die Wunden an der Zunge selbst, weil sich zwischen die beiden Platten desselben beständig Futter eindrängt und dadurch die Wunde nicht nur in der Heilung gestört, sondern auch allmäüg immer tiefer wird, so dass man in Folge dessen bei Pferden nicht selten einen mehr als 1 Zoll liefen Wundkanal findet, während die Verletzung ursprünglich nur ein einfacher Quemss war. Diejenigen Wunden, welche sich an den Sei­len der Zunge vorfinden und durch spitzige Zähue entstehen, heilen selten eher als bis diese Veranlassung beseitiget ist. Wunden am Zun­gengrunde und durch eingedrungene spitzige Körper erzeugt, veranlassen zuweilen Fisteln in einer bedeutenden Länge, und Verdickung der Zun-gcnsubslanz; sie stören hierdurch die Beweglichkeit der Zunge, hindern das Hinabschluekcn des Futterbissens und führen dadurch Abmagerung und Entkrällung des Thieres herbei. In den Fällen, wo die Zungen­spitze abgerissen ist, sind die Thiere nur unvollständig zu kauen im
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Verletzungen der Zunge.
Stande und sie verstreuen wegen des erschwerten Hin- und Ilerbewc-geus des Futters im Maule immer einen grossen Theil der ihnen gege­benen Körner, wodurch ebenfalls mangelhafte Ernährung herbeigeführt wird. Die Hülfe ist in einem solchen Falle nur sehr beschränkt.
Die Behandlung. Zuerst müssen die etwa noch fortwirkenden Ur­sachen beseitiget und demgemäss ungleiche und scharfe Zahnspitzen mittelst der Zahnraspel oder des Zahnhobels weggenommen werden, die Gebisse müssen entweder gänzlich wegbleiben, namentlich die zu dün­nen, scharfen, gedrehten und Doppelgebisse, oder wenn die Nothwen-tligkeit es nicht anders gestattet, so müssen sie durch dickes Umwickeln mit Leinwand soviel wie möglieh in ihrer nachtheiligen Wirkung ge­mindert werden. Finden sich fremde Körper irgend einer Art in den Wunden, so müssen dieselben mit der Pinzette und nöthigenfalls nach einer kleineu Erweilerung der Wunde entfernt werden. Die fistelarti­gen Wunden in dem Zungenbändehen müssen ausserdein durch Auf­spalten des Kanals an der einen oder der anderen Seile in olFene Wun­den umgewandelt werden. Sowohl zur Entfernung der fremden Körper, wie aucli zu dein Aufspalten oder Erweitern der Wunden müssen die Tlüere gehörig festgehalteu, gebremset oder auch, wenn sie sehr wider­setzlich sind, niedergelegt werden. Man bringt ilmeu dann ein Maul­gatter zwischen die beiden Kinnbacken, zieht die Zunge sanft aus dem Maule hervor und führt dann die nöthigen Verrichtungen aus. Das Aufspalten der flslulüscn Wunden geschieht, wie in der Regel in sol­chen Fällen, am besten auf einer eingcbrachleu llohlsonde. — Sind die Wunden frisch und von einigem Umfange, so kann mau sie heften, — was mittelst der Knopfiiaht oder auch der Kürschnernaht geschieht, und mit einer feinen iVadel und nahe an einander gelegten Heften ausgeführt wird. In diesem Falle muss nach der Operation dem Thiere das Maul gcreiniget und dann für die Zeit der Heilung, d. i. circa 2 — 3 Tage zugebunden oder miltelst eines Maulkorbes geschlossen erhalten werden. In dieser Zeit dürfen die Thiere keine Nahrung, sondern nur alle 24 Stunden einmal Wasser oder dünnen Mehllrank zum Getränk erhallen. Ohne die strenge Diät erfolgt die schnelle Vereinigung nicht. Nach der angegebenen Zeit können die Thiere täglich 2 Mal etwas weiches Futter, nainentlicb einen Brei von Kleie, kleingeschnittenes Gras oder gebrühtes Heu erhalten. Nach dem Futter rauss ihnen aber das Maul durch Aus­spülen oder Ausspritzen mit Wasser gcreiniget werden. Die Hefte ent-lernt man erst nach Verlauf von 5 — 6 Tagen. — Sind die Wunden bereits in Eiterung, so kann man zur Beförderung der Granulation sie täglich 2—3 Mal mit einem Gemenge von Honig und Aloe- oder Myrrbentinktur bestreieheu, übrigens muss man sie rein halten und die Thiere täglich nur zweimal fullcrn. Bilden sieh Schwielen in der Wunde oder an deren Ränder, so ist das Bestreichen derselben mit Lapis in-lernalis in Zwischenzeilen von 4 — 6 Tagen wiederholt am besten ge­eignet, eine gute Granulation und Vernarbimg herbeizuführen. — Soll eine bereits mit harten Rändern versehene alte Wunde noch wo mög­lich geheilt oder wenigstens verkleinert werden, so kann man die kai­lösen Ränder abtragen und die Wunde heften, wie oben angegeben ist. Hierzu müssen die Thiere in der Regel niedergelegt, hiulerdrein aber
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Wunden des harten Gaumens.
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in diätetischer Hinsicht so behandelt werden, wie ebenfalls im Vorste­henden angedeutet worden ist.
Eilftes Capitel.
Wunden des harten Gaumens.
Die Verwundungen an diesem Thcile kommen am gewöhnlichsien bei Pferden vor. Sie entstehen zuweilen durch spitzige oder scharfe Körper, welche zufällig mit den Nahrungsmitteln in das Maul gelangen, zuweilen auch, wenn den Tbieren Getränk oder Medizin mit Gias-llaschen eingegeben wird und die letztem zerbrechen und die Scherben ins Maul fallen, am häufigsten aber bei der von Schmieden unternom­menen Operation des sogenannten „Gaumen- oder Kernslechcns.quot;
Dieselben befinden sich mchrcntheils in dem Räume zwischen den Schneidezähnen und bis zum ersten oder zweiten Backenzähne, bald in der Gegend der Mittellinie, bald mehr seitlich, und sind bald nur ober-llächlidi, bald bis auf das knöcherne Gewölbe eindringend, zuweilen dasselbe sogar durchdringend; sie sind von verschiedener Grosse, selten einfache Trennungen, sondern in den meisten Fällen mit Quetschung verbunden und oft durch eingedrungene Nabrungsstoffe verunreinigt.
Kleine, oberflächliche quot;Verletzungen, besonders in der Mitte des Gaumens, erzeugen nur ganz unbedeutende Zufälle, wie z. B. etwas vermehrte Speichelabsonderung und mehr vorsichtiges Kauen; die Blu-luug ist dabei sehr gering und wird, da die Thiere das aussickernde Blut fast gänzlich verschlucken, oft kaum bemerkt. Grössere Wunden und besonders solche, welche sich mehr seillich, in der Gegend der hier liegenden Blulgefässe befinden, machen sich im frisch entstandenen Zustande hauptsächlich durch eine bedeutende und oft durch 12—20 Stunden fortdauernde Blutung bemerkbar: es fliesst den Thieren ent­weder reines (oft ganz hcllrolhes) Blut, oder Blut mit Speichel und Schleim gemengt aus dem Maule, zuweilen auch (wenn das Gaumen­gewölbe durchbohrt ist) aus der Nase; die Thiere kauen dabei bestän­dig, machen mit der Zunge leckende Bewegungen und können gegebenes Futter nicht gut kauen; sondern lassen dasselbe zum Tbeil wieder aus dem Maule fallen; bei durchbohrtem Gaumengewölbe kehrt auch Gc-Iräuk, selbst klein gekautes Futter durch die Nase zurück. Wenn mau den Thieren die Maulhöhle untersucht, findet man die Wunden noch blutend oder ihre Ränder mit geronnenem Blut bedeckt und zuweilen ist auch ein fremder Körper vorhanden. Bei der Untersuchung sind die Thiere in Folge der Schmerzen häufig etwas kopfscheu. — Bei schon älteren Wunden fehlt die Blutung und die blutige Beschaffenheit der Wunde, aber die übrigen angegebenen Erscheinungen sind vorhan­den und ausserdem bemerkt man sehr oft auch einen üblen, fauligen Geruch (von faulendem Speichel und Futter) aus dem Maule; die
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364
Wunden des harten Gaumens. Behandlung.
Wunch-änder erscheiilen weisslich, zuweilen verdickt und die Wunden sind oft mit Fuücrsloflen. nanienllieh mit Hülsen von Gelreide und mit
kurzen Ileulialinen verunreiniget.
quot;Wo die Wunde das Gaumengewölbe
durchdrungen hat, kann mau eine gebogene Sonde durch sie aus dem
Maule in die Nasenhöhle führen.
Beurtheilung.
Ihr
grösstc Wichtigkeit erhalten diese Wunden
durch die Blutung, wenn dieselbe sehr
heftig oder anhaltend aus der
Gaumcnartcrie und den Gaumenvenen stallfindet, denn die Thierc können dadurch sehr geschwächt, selbst dem Tode nahe gebracht werden. Diese Blutung ist jedoch stets sicher zu stillen. Uebrigens heilen ober-flächlichc Wunden des Gaumens leicht, sebst wenn sie einen nicht ge­ringen Umfang besitzen; ist jedoch die knöcherne Decke des Gaumens mit durchslossen, so erfolgt wegen des beständigen Durcluhiiigeus des Futters die Heilung nur sehr langsam und zuweilen auch gar nicht, sondern es bleibt eine bald grössere bald kleinere OelTnung und der Ausfluss von gefärbten oder mit. Nahrungstheilen gemengten Schleims dauert fort. Hierdurch entstehen zwar direkt gewöhnlich keine grossen Nachtheile, allein solche Pferde sehen schlecht aus und zuweilen hat man sie irrllnimlich sogar schon für rotzkrank gehalten, und in man­chen Fällen entsteht Wucherung der Granulation oder auch Caries.
Behandlung. Dieselbe ist in den Fällen, in welchen noch eine Blutung besteht oder ein fremder Körper in der Wunde ist, zunächst auf die Entfernung des letztern und auf die Stillung der crslcren ge­richtet. Jene bewirkt man gewöhnlich mittelst der Finger oder einer Kornzange sehr leicht, nachdem das Maulgattcr eingesetzt worden ist. Die Blutstillung gelingt in manchen Fällen, wenngleich sie schon meh­rere Stunden gedauert, sehr leicht, wenn eine zweckmässige Behand­lung stattfindet. Erfolgt, die Blutung nicht in einem starken Strahl, so kann man auf die mildeste Weise folgendermassen verfahren: Man belegt mit der Hand die Wunde und die Oberfläche der Zunge finger­dick mit Roggen- oder Weizenmehl, oder mit Stärkemehl, bindet hier­nach dem Thiere sogleich das Maul fest zu, so dass es nicht kauen kann, und lässt es durch 6 — 8 Stunden ruhig stehen. Gewöhnlich stillt sich hierbei die Blutung schnell und dauernd. Ist aber dieselbe sehr stark, so kann man sie entweder a. durch Taraponalion, oder b. durch das Brenneisen oder — c. durch Unterbinden stillen. In der ersteren Absicht legt man einen Schwamm oder einen Ballen von Leinwand oder von Werg, in Essig, Branntwein oder andere styptische Mittel ge­taucht, auf die blutende Stelle gegen den Gaumen und hält ihn daselbst entweder mittelst einer breiten Binde1) fest, deren mittlern Theil man auf den Ballen legt, die Enden aber von beiden Seilen zu dein Nasen­rücken in die Höhe führt, sie hier kreuzt, dann die Gänge über den Ballen wiederholt und sie durch Nadelstiche befestiget; oder, man legt auf den Ballen äusserlich ein der Grössc und Form des Gaumens ent­sprechendes Stück Sohlledcr oder ein eben solches Breltchen, dessen Ränder aber recht glatt abgerundet sein müssen, und befestiget es mit­telst der Binde; oder man schneidet das Brettchen so breit, dass es
') In mehreren Fällen wurde ein zusammengelegtes Handtuch benutzt,
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Vcnvundunjrcn in der Rachenhöhle.
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genau zwischen die beiden Reihen der Backenzähne passt, und klemmt es dann zwischen denselben fest. Im letztem Falle muss aber das Brett noch an den Seitenräudern in der Gegend der Maulwiakel mit Seilenarmen versehen sein, an welche man Bänder befestiget und die­selben über der Nase zusammenbindet. Ein solcher Druckverband bleibt 8 — 12 Stunden liegen. — Das Brennen geschieht mit einem knopfför-migen Eisen, nachdem das Maulgatler eingesetzt und die Zunge gehörig zur Seite gezogen ist, ganz nach allgemeinen Regeln (S. 316); es ist oft schnell wirksam, zuweilen aber dauert die Blutung nach ihm doch noch fort. In diesen Fällen, oder, wo Gefahr im Verzüge ist, benutzt man die Ligatur, die hier wegen der Verbindung beider Gaumenarterien, stets vor und hinter der Wunde angelegt werden muss. Am besten unterbindet man mit Substanz, durch Umstechen mit einer krummen Wundheflnadel. — In jedem Falle dürfen die Thiere erst nach 12 Stun­den etwas weiches Futter erhalten und nach jeder Mahlzeit muss das Maul durch Ausspritzen gereiniget werden. Kleine Wunden heilen dabei von selbst, und bei den grosseren kann mau die Heilung durch Be­streichen mit einem Gemenge von Aloe- und Myrrhenlinktur mit Honig, befördern. Verhärtete Wuudränder kann man mit Lapis infernalis oder mit dem Glüheisen etwas beleben.
Zwölftes Capitel.
Verwundungen in der Rachenhöhle.
Diese Verletzungen betreffen zuweilen das Gaumensegel, oder das obere Ende des Kehlkopfes an verschiedenen Stellen, oder auch die hintere Wand des Schlundkopfes, und sie entstehen hauptsächlich bei dem ungeschickten Pilleneingeben vermittelst eines Stockes, zuweilen auch bei dem Abstossen der Spitzen der Backenzähne mittelst eines Mcissels, und in seltenen Fällen durch fremde Körper, welche zufällig bis in die Rachenhöhle gelangt sind. Ihrer Beschaffenheit nach sind es zum Theil gestochene, zum Theil gprissene Wunden, mehrentheils von geringem Umfange und oberflächlich, zuweilen aber auch durch das Gaumensegel oder durch die Häute des Schlundkopfes durchgehend.
Die Erscheinungen bestehen bald nach geschehener Verletzung in einer reichlichen Schleim- und Speichelabsonderung, so dass den Thieren der Speiche!, mehr oder weniger mit Blut gernengt, aus dem Maule flicsst; hierzu findet sich zuweilen Huslen, allmälig immer mehr beschwerliches, lautes, beim höchsten Grade selbst glehmendes oder brummendes Athmen und eben so wird das Schlingen beschwerlich. Bei Pferden iludet sich in Folge der letzteren Störung gewöhnlich ein Zuriickfliessen des von dem Thiere genosseneu Wassers durch die Nase. Dabei hallen die Thiere den Kopf und Hals mehr vorwärts gestreckt, zuweilen schwillt
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Verwundungen in der Rachenhöhle.
auch der Hals in der Umhegend des Kehlkopfes etwas an, und wenn man die Thiere daselbst gelind drückt, zeigen sie Schmerz. Bei tiefer Verletzung und bei einem üblen Ausgange derselben wird das Athmen beschwerlicher, es trilt Fieber hinzu und die Aufnahme der Nahrung cessirt gänzlich. Bei der Untersuchung der Rachcnhölile, welche na­mentlich bei grossen ïhieren am besten 3nit Hülle des Maulgatters un­ternommen wird, kann man in den meisten Fällen die Verletzung nur undeutlich sehen oder fühlen, wohl aber sieht man die hinzugetretenen Entziindungssymptome, namentlich dunkle Röthung und Anschwellung der verletzten Theile; wo ein fremder Körper noch zugegen ist, kann man diesen in der Regel deutlich wahrnehmen.
Der Verlauf und die Folgen dieser Verletzungen sind je nach dem Orte und der Art derselben in den einzelnen Fällen verschieden. Ober­flächliche Wunde am Gaumensegel heilen stets in kurzer Zeit und ohne Hinterlassung übler Folgen; grösscre Verlelzungen dieses Theils heilen zwar gewöhnlich ebenfalls, aber sie stören durch längere Zeit das Schlucken, so dass die Thiere dadurch in ihrer Ernährung gehindert werden und von Kräften kommen, und zuweilen bleibt eine Art von chronischer Bräune für immer zurück, in Folge deren Pferde beständig an einem mit Futterstollen gemengten Auslluss aus der Nase leiden.—#9632; Verletzungen des Kehlkopfes, sowohl des Kehldeckels wie auch der Stimmritzbänder oder der Kchlkopfstaschcn veranlassen gewöhnlieh eine
befti
ge Entzündung in diesen Theilcn,
wodurch Ausschwilzung und
Verdickung
derselben entsteht, und dadurch das Athmen erschwert
wird. Diese Athembeschwerde entsteht immer am stärksten bei dem Einalhmen und ist mit dein vorhin bezeichneten giehineuden oder brum­menden Tone begleitet; sie äussert sich während des Stillstehens der Thiere wenig oder gar nicht, beim Laufen in schnellen Gangarten oder bei dem Ziehen schwerer Lasten in weichem Boden hört man aber das laute Athmen sehr stark und zuweilen wird unter diesen Um­ständen die Athembeschwerde bis zu dem Grade gesteigert, dass die Thiere hierbei einen ängstlichen stieren Blick und Angstschweiss zeigen, die Nasenlöcher möglichst erweitern, den Leib und die Flauken mit grossier Anstrengung bewegen und endlich niederstürzen. In Zeit von 5 —10 Minuten oder noch später lassen diese Erscheinungen allmälig nach und die Thiere sind dann wieder völlig munter. Dieser Zustand stellt die sogenannte Hartschnaufigkeit oder das Kehlkopfspfei­fen oder den pfeifenden Dampf dar, welcher jedoch nicht iu der Verdickung oder Verknöcbernng des Kehlkopfes allein, sondern in an­deren Fällen auch in einer Lähmung der unteren Kehlkopfsnerven, in dem Schwinden der Giesskanncnmuskeln u. s. w. begründet ist. Der­selbe macht ein Arbeilslhier zu jeder anstrengenden Arbeit untauglich und kann bei einem hohen Grade der Enlwickehing selbst plötzliche Lebensgefahr durch Erstickung herbeiführen; dabei ist er in der Regel unheilbar und es sind nur seine Folgen dadurch zu mindern, dass man das Thier durch eine künstlich gemachte Oeffnung in der Luftröhre athmen lässt. — Verletzungen der hintern Wand der Rachenhöhlc und des Schlundkopfes sind, wenn sie nur die Schleimhaut in einem ganz geringen Umfange betreffen, heilbar und ohne Gefahr, aber grössere Verletzungen und solche, welche bis in die Muskeln eingedrungen sind.
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Verwundungen in der Rachenhöhle.
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führen immer dadurch grosse Gefalii' mit sieb, dass Getränk und Schleim in die Wimdeii eindringen und sieh zwischen den Muskeln und der Schleimhaut mehr und mehr in die Tiefe hinabsenken, so dass hier­durch Trennungen bis in die Brusthöhle und selbst bis zum Zwerchfell erfolgen. Hierbei entstellt jeder Zeit eine Enlzundimg des Brustfells mit Ausschwitzung, und der Tod tritt trotz aller angewendeten Mittel gewöhnlich nach Verlauf von 6—9 Tagen ein.
Die Behandlung. Zunächst nuisseii etwa vorhandene fremde Kör­per entfernt werden. Hierauf, oder wo fremde Körper nicht zugegen sind, auch sogleich lässt man eine gänzliche Enlhaltung von Nahrungs­mitteln und Getränk während etwa 3 Tagen stattfinden, und um diese Enlziehnng dem Thiere erträglicher zu machen, ist es zweckmässig, das­selbe ganz einsam zu halten, damit es nicht bei dem Verabreichen des Fullers an andere Thiere zu sehr aufgeregt werde. Die Wunden selbst werden auf keine Weise chirurgisch behandelt, sondern man sucht nur die etwa eintretenden Enlzündungszufälle durch Ableitung mittelst Anwendung der Kantharidensalbe auf die Haut in der Umgegend des Kehlkopfes und bis auf die untere Hüllte der Ohrdrüsen, zu be­seitigen.
Ist die Harlsclinanfigkeit in ihrer Entwickelung walirzuuelimen, so ist ebenfalls die Anwendung der Kantharidensalbe im Umfange des Kehl­kopfes, nach Zwiscbenzeilen von 5 — 6 Tagen mehrmals wiederholt, bis das Athmcn ruhiger wird, zu empfehlen. Ist aber dieser Fehler be-rcils vollständig ausgebildet und soll das Thier zur Arbeit benutzt wer­den, so bleibt nichts anderes übrig, als die Tracheotomie und das Ein­legen einer metallenen Röhre in die hierdurch in der Luftröhre gebildete Oeffnung.
Die Tracheotomie kann im Allgemeinen für den hier in Rede ste­henden Zweck nach zweierlei Methoden unternommen werden, und zwar a. entweder mit Durchbohrung der Luftrohie mittelst des von liayne angegebenen Troikarts, öder b. mit Spaltung oder Eröffnung der Luftröhre an ihrer vordem Fläche.
a. Nach der ersteren Methode lässt man den Kopf des vorher ge-bremseten Thicrcs etwas -vorwärts gestreckt halten , wodurch die Luft­röhre etwas mehr zwischen den Drossclvenen u. s. w. hervortritt; man stellt sich an die linke Seite des Halses, umfasst mit der linken Hand unter dem Kehlkopfe die Luftröhre, um sie zu fixiren und zugleich die Haut zu spannen, — setzt die Spitze des vorher mit Ocl bestrichenen Troikarts in der Gegend des dritten bis fünften Luflröhrenriuges auf die Mitte der linken Seitenfläche der Luftröhre und durchsticht in hori­zontaler Richtung die beiden Seiteuwände derselben, so dass die Spitze des Instruments an der rechten Seile durch die Haut wieder hervor-dringt und die Röhre des Troikarts mit ihrer mittleren Ocflnung gerade in der Luftröhre liegt. Nun wird das Stilet aus dem Troikart entfernt und auf die Enden quot;der Röhre werden die Stellringc so angeschraubt, dass sie an jeder Seite etwa \ Zoll weit von der Haut entfernt sind. Durch diese Ringe wird das Verschicben der Röhre und das Heraus­fallen derselben verhindert. Die Röhre bleibt, Tür immer liegen und wird von Zeit zu Zeit von dem etwa in ihr befindlichen Schleim quot;• s. w. mittelst ciaer hindurch gezogenen Feder gereiuiget. Das Thier
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Verwiinduiigcn in der Rachenhöhle.
atlimet durch die Rohre ziemlich leicht, so dass es mit derselben schnell laufen und anstrengende Arbeiten verrichten kann, aber es ent­steht bei jedem Athemzuge ein unangenehmes sausendes oder pfeifen­des Geräusch durch die Röhre, besonders wenn das Thicr laufen muss, und ausserdem bleibt zuweilen der Zügel oder die Leine an den her­vorragenden Enden der Röhre sitzen und veranlasst Zerrung. Dieser Unbequemlichkeit wegen benutzt man dies Verfahren selten.
b. Nach E. Viborgs Angabe verfährt man folgendennassen: Dem mit einer Bremse versehenen Thier wird der Kopf hoch aufgerichtet und ein Vorderfuss aufgehoben gehalten. Der Operateur sieht rechts und scheert etwa eine Hand breit unter dem Kehlkopf an der vordem Fläche des Halses die Haare auf einer Fläche von circa 4 Zoll Länge und 1 Zoll Breite ab, (bei kleinen Thieren eówa auf einer halb so grossen Fläche); — dann legt er mit Untersiiitzung eines Gehülfen die Haut da­selbst in eine Queifalte und durchschneidet dieselbe senkrecht so, dass eine 3 — 4 Zoll lange Hautwunde gerade auf der Mittellinie der Luft­röhre entsteht. Fehlt ein Gehülfe, so kann dieser Schuilt auch ohne Bildung einer Falte geschehen. Hierauf trennt man die unmittelbar an der vordem Fläche der Luftröhre liegenden Brustzungenbein- oder Brustschildmuskeln in der Mittellinie von einander, so lang wie die Hautwunde ist, und zieht sie mic stumpfen Haken, im Nothfall mit den Fingern, von einander, so dass hierdurch die Luftröhre selbst entblosst wird. Das etwa auf derselben liegende Zellgewebe wird mit Hülfe der Pinzette abpräparirt und entfernt. Dann sticht man ein gerades Bistouri flach zwischen die zwei obersten sichtbaren Knorpelringe und trennt dieselben quer über die Luftröhre, bei Pferden in der Breite von circa 1 —1| Zoll, wendet an der einen Seite die Schneide des Messers nach unten und durchschneidet senkrecht 2 Knorpelringe; hierauf setzt man das Messer am andern Winkel des ersten Schnittes wieder ein und durch­schneidet senkrecht dieselben 2 Knorpelringe, wie an der andern Seite; endlich wendet man das Messer am Ende dieses senkrechten Schnittes nach der andern Seite und trennt das auf 3 Seiten bereits gelöste Knor-
E elstück an seinem untern Rande vollständig ab. Um dies sicherer zu evvirken, hält man es zwischen den Fingern, oder mit der Pinzelte, oder mit einem Häkchen fest. Nach einer von Brogniez angegebenen quot;Veränderung schneidet man aus der entblössten Luftröhre das Knorpel­stück mit einem hierzu von ihm erfundenen zweischneidigen Messer (Tracheotom), welches nach der einen Fläche concav gearbeitet und so breit ist, wie eben die Oetlnung in der Luftröhre werden soll, heraus und erzeugt auf diese Weise eine rundliche Oclfnung.
Günther empfiehlt: ganz einfach die Luftröhre an ihrer vordem Fläche in der Mittellinie durch 3 — 5 Knorpelringe senkrecht zu spalten und so eine Oclfnung ohne Substanzverlust in ihr zu erzeugen. Dieses letztere Verfahren ist das einfachste und gewährt zugleich den Vortheil, dass die Luftröhre sich an der Operationsstelle nicht verengert, wie dies nach dem Herauslösen eines Knorpclstücks sehr häufig der Fall ist. Die nach der einen oder der andern Methode ausgeführte Operation ist stets ohne Gefahr und nur mit sehr geringer Blutung begleitet, so dass es in der Regel nicht nölhig ist, etwas gegen dieselbe zu than oder eine besondere Nachbehandlung einzuleiten; sollte jedoch in einem Falle
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Verwundungen In der Rachenhöhle.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;369
die Blutuug iu ungewöhnlicher Stärke bestehen, so kann man leicht das blutende Gefäss aufsuchen und zudrehen oder auch die Umstechung desselben ausführen.
In die Oellhung der Luftröhre legt man gleich wach der Operation eine der Weite der Luftröhre und der Grosse der Wunde angemessene Röhre von gut verzinntem Eisenblech oder von Messing, um die Wunde hierdurch beständig ollen zu erhalten und das Alhmeu durch dieselbe zu erleichtern1). Eine solche Möhre trägt durch den Druck auf die
ler Ue
1) Die hierzu benutzten Röhren müssen: 1) einen solchen Durchmesser haben, dass derselbe dem der Luftröhre, oder wenigstens dem der Stimmritze des betreffenden Thieres entspricht, um die zum vollen Athmen erforderliche Menge atmosphärischer Luft einströmen zu lassen; und 2) miissen sie so con-struirt sein, dass sie auch bei verschiedenen Stellungen und Bewegungen des Thieres nicht aus der Oeflnung der Luftröhre fallen. Für diesen letztein Zweck hat man sie auf verschiedene Weise eingerichtet. Die einfachste ist die von Barthelcmy d, ii. angegebene, welche cylindrisch, fast im 8. Theile eines Kreises gebogen, am untern Ende gut abgerundet und am obern Ende in die ihrem Durchmesser entsprechende Oeffnung eines viereckigen oder rundlichen Blechschildes im rechten Winkel angclöthet ist. Sie ist fur Pferde i — 5 Zoll lang und 1—1 i Zoll im Durchmesser, und das Schild gegen 4 #9633;Zoll gross. Letzteres ist an den vier Ecken mit länglichen Oefinungen versehen, zur Aufnahme von Riemen, mittelst welchen die in die Luflröbre gebrachte Röhre um den Hals befestiget wird. Diese Rühre ist leicht einzusetzen, leicht heraus­zunehmen, fällt aber auch von selbst heraus, wenn das Pferd den Kopf senkt und wenn das obere Ende des Halses sehr schmal ist. Ausserdem beleidigen die Riemen das gute Aussehen der Thiere. üamoiseau machte das obere Ende dieser Röhre etwas weiter und oval und legte einen, durch eine OelTnung in ihrer obern (hintern) Wand vorschiebbaren Zapfen in dasselbe. Vermöge dieses hervorgeschobenen und äusserlich mittelst eines Ringes an einen Knopf befestigten Zapfens hält sich die Röhre dann ohne Riemen in der Luftröhre fest. — Leblanc erfand eine Röhre, welche aus 2 im rechten Winkel gebo­genen Hälften in der Form ][ besteht, so dass sie, nachdem beide Hälften an einander gefügt sind, fast einem T ähnlich erscheint. Die feste Zusammenhal-lung der beiden Stücke wird durch einen aus 'l durch ein Charnier mit einan­der verbundenen Hälften bestehenden Ring, welcher auf das vordere Ende der Rühre gelegt und mittelst einer Schraube geschlossen wird, bewirkt Diebeiden Hälften der Röhre werden einzeln und so in die Luftröhre gelegt, dass die eine, mit ihrem im Knie gebogenen Querstück nach unten, die andere eben so nach oben in derselben gerichtet ist, und beide gleichsam Wiederhaeken bilden, durch welche sie sich fest in der Lage erhalten, nachdem der bezeichnete Ring am äussern Ende auf die zusammengefügten Stücke gelegt worden ist. —
Ausserdem hat noch Dieterichs eine solche Röhre mit einem platten Schieber, welcher in der Art wie der Zapfen in der Röhre von Damoiseau hervorgeschoben wird und einen Wiederhalt in der Luftröhre bildet, — und Brogniez eine solche Röhre, welche an ihrem inneren Ende mit 'l aufzieh-haren und im rechten Winkel gegen die Röhre zu stellenden Klappen versehen ist, an^ceben. Die letztere ist sehr schön construirt, aber auch am compli-zirtesten und theuersten. — Ich benutze eine sehr einfache aus '2 Theilen be­stehende Röhre. Die Röhre selbst ist 2i — 3 Zoll lang, nicht gebogen, hat ein elliptisches, circa 1^ Zoll hohes und 1 Zoll breites Lumen, am äusseren Ende einen im rechten Winkel abgebogenen i Zoll breiten Rand, welcher an der untern Wand ein wenig breiter und mit einem 2 Linien breiten Loch versehen
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370 Verletzungen der Luftröhre und des Kehlkopfs von aussen her.
Wundränder dazu bei, dass dieselben bald kalios werden und fest ver­narben. Bis dieses geschelieu ist. muss man die Röhre etwa alle 5 bis 8 Tage einmal aus der Wunde lierausnelimeu, beide reinigen, die letztere mit etwas ßleieerat bestreichen und die erstere dann wieder in die Luftröhre bringen. VVciin die Vemarbuug vollständig geschehen ist und die Eiterung aufgehört hat. kann die Röhre immer 14 Tage liegen, ohne dass man noting hat, sie zu reinigen. Pferde können mit derselben alle Arbeiten verrichlen.
Dreizehntes Capitel.
Verletzungen der Luftröhre und des Kehlkopfes von aussen her.
Die geuannlen Theile können durch Wallen, durch Horn- und Deichselstösse, oder auch zuweilen bei dem Aderlässen, bei der Aus­schälung hier liegender Geschwülste oder auch absichtlich bei der Tracheotomie, welche für verschiedene Zwecke unternommen wird, ent­stehen. Dieselben kommen oft für sich allein, in anderen Fällen mit gleichzeitiger Verletzung des Schlundes, der grossen Gefässe u. s. \v. vor und sind, je nach ihrer Grosse, bald leichter bald weniger leicht zu erkennen; grössere Wunden der Luftröhre und des Kehlkopfs sieht man deutlich und eben so hört und sieht man das Aus- und Einströ­men der Luft aus ihnen, zuweilen mit einem lauten Geräusch; kleine Wunden sind gewöhnlich nur an einem pfeifenden Geräusch von diesem Einströmen der Luft und an einer Lufigeschwulst (Emphysema) im Umfange der Wunde zu erkennen. Die Luftgesehwulst zeigt sieh als eine nur 2 — 3 Linien über die gesunde Haut hervorstehende Anschwel-
lst. Am Innern Ende bcsit/.t sie, 3 Linien vom Rande entfernt, an der untern Wand einen 1^ Zoll langen und 2 Linien breiten Querspalt und am Rande der obern Wand einen, im rechten Winkel abgebogenen t Zoll langen und ebenso breiten Fortsatz, dessen Ränder gut abgerundet sind. Nachdem diese Röhre in die Luftröhre eingebracht worden ist, und zwar so, dass der eben erwähnte Fortsatz in ihr nach oben zu steht, fuhrt man als 2. Theil den beweglichen Widerhalter in die Röhre. Dieser besteht aus einem 6 Linien breiten Stiel, welcher genau die Länge der Röhre vom vordem Rande bis zum Querspalt hat, am äussern Rande einen 6 Lin. langen, im rechten Winkel gebogenen und mit einem Loch versehenen Anhang und am Innern Ende ein eiförmiges, 1 Zoll langes, 10 Lin. breites, im rechten Winkel abgebogenes Blatt besitzt. Letzteres greift durch den Querspalt der Röhre, und durch das Loch ara vor­dem Ende und die ihm correspondive Oeffnung am Rande der Röhre zieht man einen Bindfaden oder einen Draht, und bindet beide Stücke zusammen.
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Verletzungen der Luftröhre und des Kehlkopfs von aussen her. 3?l
lung, welche beim Drücken mit den Fingern ein knisterndes Geräusch wahrnehmen und sich von einer Stelle zur andern im Zellgewebe unter der Haut durch Druck weiter treiben lässt; sie 1st zuweilen nur einige Quadratzoll gross im nächsten Umfange der Wunde vorhanden, in au-ren Fällen über den ganzen Hals, selbst bis zum Kopfe oder nach unten bis zur Brust hin verbreitet. Zuweilen besteht auch bei diesen Ver­letzungen Ausfluss von Blut oder blutigem Schaum aus der Wunde, aus dem Maule und aus der Nase und nicht selten sind die Thiere mit Husten geplagt. In denjenigen Fällen, wo der zurücklaufende Nerv mit verletzt ist, ist das Einathmen immer eigenthümlich brummend oder röchelnd. Bei den grössern Wunden kann man mit einem Finger, bei den kleinem mit einer Sonde bis in die Luftröhre eindringen und den freien Raum in derselben fühlen.
Die Beurtheiliiug dieser Verletzungen ist in den meisten Fällen ziemlich günsig zu machen; denn der Erfahrung zufolge heilen kleine Wunden der Luftröhre immer sehr leicht, wenn sie nicht mit Substanz­verlust verbunden oder sehr ungleich gerissen oder stark gequetscht sind, und selbst grosse Wunden heilen sehr häufig unter diesen Be­dingungen, zuweilen sogar durch die schnelle Vereinigung. Wenn aber Substanzveriust besteht, so erfolgt bei übrigens günstigen Verhältnissen zwar Heilung, aber die verlorenen Theile der Kiioipclriugc werden nicht wieder ersetzt, sondern es bildet sich von den Rändern der Wunde her eine Art dichter Zellgewehshaut, welche die Vernarbuug herbei­führt und die Oell'nung in den Knorpeltheilen der Luftröhre schliesst. Dies geschieht bei Pferden und nach Verlust von circa 1 Quadratzoll Knorpelmasse gewöhnlich in Zeit von 4 Wochen und ohne dass irgend ein Nachlheil davon zurückbleibt. In manchen Fällen ziehen sich aber die Enden der Knorpelringe nach einwärts in die Luftröhre, verengen dadurch dieselbe und bilden hierdurch für immer ein organisches Hinder-niss für den Durchgang der Luft, in Folge dessen Kurzathmigkeit und lautes Athmen (Hartschnauflgkeit, wie im vorhergehenden Capitel ange­geben ist) entsteht. Dieser als üble Eolgc der Luftrührcnverletzung ent-slehendc Fehler ist nur allein durch dieTracheotomie in seinen üblen Folgen zu mindern, nicht aber gänzlich zu beseitigen, da auch durch das Ausschnei­den der verkrümmten Rnorpelstücke der Zustand nicht beseitiget wird. In denjenigen Fällen, wo der n. recurrens mit verletzt ist, erfolgt zuwei­len Heilung desselben und Wiederherstellung des regelmässigen Athmens, wenn die Wunde in einer einfachen Trennung besteht und die Heilung durch schnelle Vereinigung stattfindet; ist aber der Nerv zerrissen oder aus seiner Lage gebracht, so dass eine Verbindung zwischen den beider­seitigen Enden nicht stattfinden kann, so ist in der Regel ebenfalls HartschHäufigkeit die Folge hiervon. Die Luflgeschwulst ist an und für sich stets eine gefahrlose Erscheinung, welche sich höchstens nach 4 — 6 Tagen wieder verliert und nicht die mindeste üble Folge zurück-lässt. Verwundungen des Kehlkopfes sind übrigens in jedem Falle schwerer zu heilen und gefährlicher als gleich grosse Verwundungen an der Luftröhre.
Die Behandlung. Einfache Stich-, Schnitt- und Hiebwunden ver­einiget man mittelst der blutigen Naht, am besten mit de? Hasenschar-teunahl und dann hält man die Entzündung durch Anwendung kalter
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372nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Verwundungen der Drouelvene und der Drosselarterie.
Umschläge ab. Besteht ein ReizQeber oder sehr beschwerliches Alhmeu, so ist ein Aderlass und die Anwendung von Salpeter und Glaubersalz oder Doppelsalz im Gel rank nothig. Bei gerissenen und stark ge­quetschten Wunden kann man die entblössten und zwischen den Weich­gebilden hervorragenden Enden der Luftrölircnknorpel an der Stelle abschneiden, wo die Grenze der sie bedeckenden Weichgebiide ist, weil sonst die Knorpel doch nur trocken werden und als fremde Körper wirken. 1st eine soiclic Wunde lappig oder biegen sich ihre Ränder zu stark nach aussen, so kann mau sie heften, wem; gleich die Hoff­nung auf schnelle Vereinigung dabei nicht vorhanden sein kann. Bei jedem Heften solcher Wunden au der Luftröhre dürfen nur die Weich­gebilde durchstochen werden, die Knorpel aber müssen unberührt blei­ben. Auch bei diesen Wanden kann mau am ersten Tage eine kühlende Behandlung anwenden, am folgenden und später bedeckt man die W nudc mit wollenem Zeug oder, wo ilcissige Abwartang des Palienleu zu haben ist, mit Breiumschlägen von schleimigen ftlittclu, um die Eite­rung zu beföi-dcm. Die Heilung erfolgt dann durch Granulation, und die weitere Behandlung muss, je uachdem dieselbe sich zeigt, bald auf blossc Reinigung beschränkt bleiben, bald auch durch Anwendung von Digcstivsalbcn bei zu geringer Thätigkcit, oder durch Anwendung aus-trocknender Mittel bei Üppiger Granulation u. s. w, geleitet werden.
Die Windgeschwulst wird in jedem Falle durch gelindes Drücken und Streichen auf derselben in dor Kichlung zu der Wunde hin, oder wenn die letzlere sehr klein isl, durch mehrere Einstiche in die Haut und gelindes Drücken und Streichen zu diesen hin, sehr vermindert oder auch gänzlich beseitiget.
Vierzehntes Capitel.
Verwundungen der Drosselvene und der Drosselarlerie.
Verwundungen dieser grossen Gefässe am Halse kommen zuweilen durch Waffen vor, häufiger aber bei chirurgischen Operationen, nament­lich bei dem Aderlässen, und zwar, bald nur in dem einen allein, bald in beiden Gelassen zugleich und auch mit gleichzeiliger Verletzung der naheliegenden Theile. — Sie bestehen entweder als einfache Trennun­gen in der Länge des Gefässes oder in schiefer oder querer Richtung, oder sie sind mit Quetschung und Zerreissung, selbst mit Substanzver-lust verbunden; die Trennung ist bald unvollständig, bald vollständig, und zuweilen geht eine Stichwunde durch die äussere (vordere) und die innere (hintere) Wand eines oder beider Gefässe. Besteht die Ver­wundung nur in einem Gcliiss. so bemerkt man, abgesehen von der Grosse und Form der Wunde selbst, folgende Erscheinungen:
Bei Verletzungen der Drosselvctic zeigt sich Ausfluss eines schwarz-
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Verwundungen der Drosselvene und der Drosselarterie.
rotliuu Biulcs, und dicscv Ausüuss Uört auf, wenn uiaii einen Druck über der Wunde im Verlaufe des verletzten Gefässes anbringt. Bei den Verletzungen der Carotis strömt scharlachrothes Blut, rauschend und gewöhnlich in einem Bogen oder auch stossweise verstärkt ans der Wunde und der Auslluss dieses Blutes hört nur dann auf, wenn man einen kräftigen Druck unter und eben so über der Wunde im Verlaufe des Gefässes anbringt; denn die Carotis erhält nicht allein Blut vom Herzen her, sondern auch durch ihre Anaslomosen von der Wir­belarterie und aus der Carotis der anderen Seite.
Wo beide Gelasse verletzt sind, sind auch die Erscheinungen an dem Blullluss zusammengesetzt.
Ist bei einer kleinen Hautwunde, wie dieselbe z. B. gewöhnlich bei dem Aderlassen entsteht, die Carotis bloss angestochen oder auch nur die hintere Wand der Jugularvene durchstochen, so entsteht eine Blutei'giessung in das lockere Zellgewebe neben und hinter den Ge­lassen, und in Folge dessen eine Anschwellung des Halses. Diese An-scbwellung nimmt gewöhnlich schneller zu, wenn die Hautwunde ge­schlossen und der Biutaustluss nach aussen verhindert wird. Zuweilen erreicht die Geschwulst einen enormen Umfang; sie pflegt sich in den folgenden Tagen zu senken und mit einem Oedem begleitet zu sein. Durch ihren Druck nach innen erschwert sie das Schlingen und oft auch das Athmen.
Mit der Verletzung der Carotis ist gewöhnlich auch eine Verletzung der neben ihr liegenden und mit einer Zellgewebsscheide verbundenen beiden Nerven, des grossen sympathischen und des Lungenmagennerveu verbunden. Die Verletzung des ersten Nerven erzeugt augenblicklich keine besonderen Zufalle und ist desshalb von aussen nicht zu er­kennen, wogegen die Verletzung des Vagus sich in der Regel sogleich durch ein brummendes oder giehmendes Éinathmcn, wie bei der soge­nannten Harlschuauligkeit, kund giebt. Haben die ïhicre bereits viel Blut verloren, so finden sich auch die Erscheinungen des Blutverlustes, kleiner schwacher Puls, Blässe der Schleimhäute u. s. w. hinzu und bei grossen Querwunden kann in Zeit von circa 10 —15 Minuten selbst der Tod durch Verblutung erfolgen.
Prognosis. Nach den angedeuteten Verschiedenheiten ist die Beur-llieiluug dieser Gefässverletznngen in den einzelnen Fällen sehr verschie­den. Kleine, d. h. nicht über 1 Zoll lange Wunden in der Längenaxe der Drosselvene und bei ebener und einfacher Beschaffenheit der Wund-ränder gestalten in der Regel die Heilung durch schnelle Vereinigung; bei grosseren Wunden, selbst wenn sie die bezeichnete günstige Be­schaffenheit besitzen, ist aber dieselbe gewöhnlich nicht zu erreichen, sondern das Gefäss muss unterbunden werden und geht für die Cirku-lalion des Blutes verloren, wodurch zwar in der ersten Zeit nach der Unterbindung nur unbedeutende Zufälle, namentlich Eingenommenheit des Kopfes wie bei dem Dummkoller und Mattigkeit entstehen, in der Folge aber der Nachtheil erwächst, dass man nur noch an einer Seite des Halses den Adcrlass verrichten kann und dass bei einer Entzündung der übrigbleibenden Vene das Thier In Lebensgefahr versetzt wird. Auch kleine quere und schiefe Wunden der Drosselvenen*können durch die schnelle Vereinigung gebeilt werden, wenn aber die Trennung bis
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Verwundungen der Drosselvene und der Drusselarierie.
über die Hälfte des Gerässumfangcs sich erstreckt, ist ebenfalls nur durch die Unterbindung die Verschliessung des Gefässes und die Heilung zu bewirken. Bei allen mit Quetschung und Zerreissuug verbundeneu VV undea der Drosselvcne ist das Eintreten einer Venenentzündung (S. 145) zu fürchten. #9632;— Kleine, d. b. nicht über A Zoll lange Wunden in der Längenrichtung der Carotis und mit glatten Rändern versehen, können durch schnelle Vereinigung heilen, besonders wenn dabei die äusserlich auf dem Oefäss liegenden Theile wenig verletzt oder künst­lich recht vollsländig vereiniget sind. Querwundeu, schiefe und un­gleich gerissene Wunden in diesem Gefäss verlangen stets die doppelte Unterbindung oder die Zudrchung der getrennten Gefassenden in grossier Schnelligkeit, weil sonst die oben augedeuteten üblen Zufälle oder selbst der Tod erfolgen. Eben so ist bei den die beiden Gefässwände durch­dringenden Wunden die Gelabr immer sehr gross, wenn die oben be-zeiebnete Anschwellung des Halses bei denselben eintritt. — Die gleicli-zeiiige Mitverletzung eines sympatlnscben oder eines Lungenraagennerven bedingt für sich keine besondere Gefahr und die oben bezeichneten Athembeschwcrden verlieren sich gewöhnlich im Verlaufe von circa 14 Tagen wieder ganzlich, in manchen Fällen aber machen sie sich oil bemerkbar, wenn das Thier angeslrcngt und im schnellen Laufe arbei­ten muss.
Behandlung. Einfache Wunden der Drosselveue an der äussern Wand derselben und in der bezeichneten geringen Grosso verschliessl man durch Zusammenheften der Ilaulwundränder vermittelst der Knopf-naht oder noch besser vermittelst der Hasenschartennaht, — wie dies letztere bei dem Vcrschliessen der Adcrlasswunden allgemein gebräuch­lich ist. Man verfährt dabei ganz nach den Regeln über das Anlegen der Nähte. Die Ränder der Venenwunde selbst werden dabei nicht von den Nadeln oder Heften berührt. Ist die Haut in einem grössern Umfange von den unter ihr liegenden Theilen getrennt, so legt man nach dem Heften noch Compressen von Leinwand über die Wunde und ihre Umgebung und erhält dieselben durch einen massig fest um den Hals gelegten Verband in ihrer Lage. Hierauf wird das Thier in seinem Stande massig hoch angebunden, so dass es mit etwas aufge­richtetem Kopfe stehen muss; es darf in den ersten 24 Stunden kein Futter, sondern nur Mehltrank in kleinen Quantitäten und in längeren Zwischenzeiten erhalten, weil bei dem Kauen der Blulzurückfluss vom Kopfe stets viel stärker erfolgt und dadurch die Verwachsung der Ge-fässwunde gestört; wird. Bei grossen Wunden wendet man ausserdem noch kalte Umschläge während 1 — 2 Tagen an. Entsteht oder bleibt im weitern Verlaufe eine fluktuirende Blntgeschwulst irgend wo im Um­fange der verletzten Stelle, so kann man nach 2 — 3 Tagen dieselbe an dem niedrigsten Punkt anstechen, ihren Inhalt durch gelindes Drücken entfernen und dann Umschläge von Essigwasser, Oxykrat u. dgl. an­wenden.
Grosse Längen- und Querwunden der Drosselvene und ebenso durch beide Wände dringende Wunden, welche mit einer innern Blutung be­stehen, müssen ohne grossen Zeilverlust unterbunden werden. Dies geschieht nur*an dem Theil der Vene über der Wunde und am besten mit einem schmalen Bändcheu, weil die runden Ligaturbänder die
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Verwundungen der Drossclvene und der ürosselarterie.
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schwachen Veuenhäule zu schnell durchschueideu. Nach der üater-biuduug wird das Geiiiss au der Stelle der Verletzung vollständig durch-sclmitteu, llieils um die Spannung in demselben und eine mögliche Zeireissung au der Uulerbiiiduiigsstclle, theils auch um das Eindringen der Luft in die Vene zu verhindern, da die letztere sich nach dem völligen Durchschneiden auch am untern Ende mehr zurückzieht und sich schliesst. Im Ucbrigeu verfährt man nach den allgemeinen Regeln der derässunterbindung. Das Verhalten der Thiere nach der Unternin-dung und die Behandlung der Wunde geschieht, wie im Vorstehenden nach dem Hefleu der Hautwunde angegeben ist.
An der Carotis werden kleine Läugenwunden, namentlich die bei dem Aderlässen zuweilen entstehenden Stichwunden, in den meisten Fällen ganz gut dadurch zur festen Verwachsung der VVundränder vor­bereitet, dass man die äussere Wunde möglichst genau verschliesst, und durch die Muskeln eiuen Druck auf die verletzte Gefässstelle bewirkt. Die Thiere müssen dabei mit in die Höhe gestrecktem Kopfe kurz an­gebunden und an der verletzten Seite des Halses recht ilcissig mit ganz kaltem Wasser beleuclitet oder mit Schnee oder Eis, wenn es zu haben ist, bedeckt werden. Entstellt bei dieser Behandlung keine weitere Anschwellung des Halses, so kann mau die Heiluug erwarten, die dann in etwa 4 — 5 Tagen erfolgt. Während dieser Zeit muss die eben an­gedeutete Behandlung unverändert fortgesetzt werden. Nimmt aber die Geschwulst zu, oder tritt von Zeit zu Zeit neue Blutung durch die Wunde ein, so ist es am besten, die Unterbindung des Gelasses zeitig vorzunehmen. Ist hierzu die äussere Wuude nicht gross genug, so muss sie allenfalls bis zu einer Länge von 3—4 Zoll mit dem Messer vorsichtig erweitert werden. Man zieht dann, wenn die Carotis bloss theilweise verwundet ist, dieselbe mit dem gekrümmten Zeigefinger sanft hervor, löset sie von den beiden Nerven, welche mit ihr zusammen in einer zelligeu Scheide liegen, unterbindet sie unter und auch über der Verletzung und schneidet sie dann an der verletzten Stelle vollständig durch. Ist aber durch die Verletzung selbst eine vollständige Durch-trennung geschehen, so müsste man, wenn man das Thier noch lebend findet, zuerst das untere Ende des Gefässes in der Wunde aufsuchen, es hervorziehen und es unterbinden oder zudrehen und hierauf mit dem obern Ende eben so verfahren. Die Unterbindungsfäden lässt man so lang an der Carotis sitzen, dass ihr äusseres Ende eben bis an die Haut reicht. Die äussere Wunde wird gcreiniget und oberflächlich oder voll­ständig durch die blutige Naht vereiniget, je nachdem ihre anderweitige Beschaffenheit es gestaltet. Die Thiere müssen, wenn sie nicht zu sehr vom Blutverlust erschöpft sind, nach geschehener Unterbindung anhal­tend und ruhig stehen und überhaupt völlig ruhig gehalten werden; sie dürfen auch nur weiches Futter erhalten. Die Ligaturfaden pflegen sich um den 6. bis 8. Tag abzulösen, und die Heilung der Wunde er­folgt dann, je nach ihrer Grosse und Beschaffenheit. Damit die Thiere sich am Halse nicht reiben, kann mau ihnen das sogenannte hölzerne Halsband oder den Haiskragen umlegen und während der ganzen Hei­lungszeit beibehalten.
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376nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Wunden des Schlundes.
Fünfzehntes Capitel.
Wunden des Schlundes.
Verwundungen des Schlundes durch verletzende Körper von aussei! her kommen im Ganzen selten vor; sie entstehen durch eindringende Kugeln, Lanzen, Gabeln u. dgl. und zuweilen werden sie auch ab­sichtlich bei der Operation des Schlundsrhniltes gemacht; dagegen kom­men Verletzungen dieses Organs von innen her, durch verschluckte spitzige Körper erzeugt, wie z. B. durch Fischgräten, Knochenspliller, Dornen, Nadeln u. dgl. nicht ganz selten vor. gehören jedoch nicht hierher, sondern in die 12. Classe. Die von aussen her entstandenen Scblundwunden sind wogen der tiefen Lage des Schlundes fast immer mit gleichzeitiger Verletzung der grossen Halsgefässe oder der Luftröhre verbunden; sie geben sich, je nach ihrer Grosse, bald leichler, bald weniger leicht zu erkennen. Bei grossen olfcnen Wunden sieht man zuweilen den Schlund entblösst und dann die Wunde in ihm ganz deut­lich, ausserdem bemerkt man auch das Ausfliessen von Speichel, von Getränk und von Futter, wenn das Thier eben schluckt, ruckweis erfolgen; bei kleinen, engen Wunden am Halse ist nur die letztere Erscheinung allein als Zeichen der besiehenden Schlundverlelzung wahr­zunehmen. Bei gehörig offenen Wunden lliessen die aus der Schlund­wunde aussickernden Materien frei nach aussen ab, bei kleinen engen Wunden senken sich aber dieselben in dem lockern Zellgewebe neben dem Schlünde und der Carolis allmiilig mehr in die Tiefe, erzeugen hierdurch äusserlieh oedemalüse Anschwellungen und durch Einsickern in die Brusthöhle veranlassen sie in spaterer Zeil zuweilen Pleuritis, oder auch Pneumonie und den Tod. Durch das Einsickern des Spei­chels in die Wunde und durch die leicht stattfindende faulige Zersetzung desselben nehmen diese Wunden in den meisten Fällen einen üblen, fauligen Geruch an.
Die Beurlheilung. Die Wunden des Schlundes sind an und für sich niemals lebensgefährlich und in der Regel heilbar, wenn die Wund­ränder in gegenseitige andauernde Berührung zu bringen sind; die Er­fahrung zeigt, dass selbst das vollständige quere Durchschneiden des Schlundes in manchen Fällen doch noch vollständige Heilung hat statt­finden lassen; doch sind dieselben nacli ihrer Grosse und nach ihrer Beschaffenheit von verschiedener Bedeutung hinsichtlich der leichtern oder schwereren Heilbarkeit und der durch das Ausfliessen des Spei­chels und der Fulterstolfe erzeugten Zufälle. Durch diese Zufalle werden die Schlundwunden allein lebensgefährlich. Längenwunden im Schlünde sind immer heilbar, je kleiner sie sind, um desto schneller erfolgt die Heilung; Querwunden heilen schwerer und Wunden mit Substanzver­lust oder mit ungleicher Zerreissung heilen am schwersten und lang­samsten. Enge Wunden und solche, welche eine schiefe Richtung von ausseu und oben nach innen und unten haben, führen leicht die ange­gebenen Einsickerungen in das Zellgewebe und dadurch jene üblen
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Wunden des Schlundes.
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Zufalle herbei, dagegen entstehen bei denjenigen Wunden, welche von innen eine schiefe Fläche nach aussen und unten bilden, die üblen Zu­fälle am wenigsten.
Die Behandlung. Nachdem die etwa vorhandenen fremden Körper entfernt und blutende Gelasse verschlossen sind, heftet man die Wun­den des Schlundes mittelst der Knopfnaht, und zwar so, dass man dabei nur die Muskelhaut durchsticht und dass man die einzelnen Heflc nur höchstens i- Zoll weit von einander entfernt anlegt. Zum Heften nimmt man hier doppelte, recht glatte Zwirns- oder Seidenfäden. Meh­rere Thierärzte haben vorgeschlagen, diese Hefle nicht durch Knoten zu vereinigen, sondern bloss die Enden eines jeden Hcfles für sich zu­sammen zu drehen und dadurch ihr Schliesscn zu bewirken; man soll dann dieselben bei dem Entfeinen bloss zurückdrehen und somit die Entfernung leichter bewirken, als wenn man die Enden zusammenge­bunden hätte; allein die Erfahrung zeigt, dass in diesem Verfahren keine wirkliche Erleichterung beruht, da die Heftfäden durch die thieri-sclien Flüssigkeiten zusaninicnkleben und sich nicht so leicht bis zu dem Schlünde hinwieder aufdrehen lassen, sondern dass dies mehr Reizung herbeiführt, als wenn man die Heftfäden ein wenig straff anzieht und sie dann mit der Scheere oder mit einem Knopfbistouri nahe am Schlünde abschneidet. Man kann daher die Hefle immerhin in ähnlicher Weise zusammenbinden, wie dies bei anderen Heften zu geschehen pflegt, oder man kann auch folgendes Verfahren in Anwendung bringen:
Nachdem die einzelnen Hellbänder durch die Wundränder gezogen sind, legt man auf den Schlund eine Darmsaite in der Länge, dass die beiden Enden derselben bis an die Hauträndcr reichen; auf dieser Darm­saite bindet man die Faden jedes cinzelneu Helles zuerst durch ein­faches Durchcinanderslccken zusammen und legt auf diese erste Zu-sammenfügung eine aufziehbare Schleife; die Enden der Hellbänder müssen gleichfalls bis zur Haut hervorreichen, und dasjenige Ende, welches mit der Schleife in unmittelbarem Zusammenhange steht, muss zu seiner Bezeichnung mit einem Knoten versehen werden. Sollen später die Hefte entfernt weiden, so kann man sehr leicht zuerst au dem mit dem Knoten versehenen Ende die Schleife aufziehen und dann, wenn dies an i-ämmtlichcn Heften geschehen ist, durch Hervorziehen der Darmsaite, wozu dieselbe aber an ihren beiden Enden ergriffen werden muss, auch die innere Schleife der sämmtlichen Hefte lösen und dann jedes einzelne Ilefl an dem mit dem Knoten versehenen Ende herausziehen. Nachdem die Schlundwunde geheftet ist, schiebt man den Schlund in seine normale Luge zurück, reiniget die Wunde in den Muskeln u. s. w., legt einen dünnen Werglampon in dieselbe und ver-scliiiesst sie äusserlich durch ein oder ein Paar blos oberflächlich ein­gezogene Hefle, da die vollständige Verschliessung erst später nach Entfernung der Schlundhcfle bewirkt werden kann, wenn übrigens die Wunde hierzu geeignet ist. Das Thier wird hierauf, wenn es ein Pferd oder Rind ist, hoch angebunden, so dass es mit gestrecktein Halse stehen muss, und es erhält während der ersten 24 — 36 Stunden weder Futter, noch Getränk; nach dieser Zeit kann man ihm etwas Heu oder Gras oder Kleie verabreichen und nach 2—3 Tagen die Hefte aus dem Schlünde auf die oben angegebene Weise enlfcraen. Ist dies
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Biustwuiidcn.
geschehen, nud eignet sieli die äussere Wunde bei einfacher und ebener BeschaU'eulieit ihrer Ränder zur schnellen Vereinigung, so kann man dieselbe noch versuchen und zu diesem Zwecke sie vollständig heften; ist sie jedoch uneben, gerissen oder stark gequetscht, so verbindet man sie mit einer Digestivsalbc und sucht recht bald gute Eiterung und Gra­nulation hcrbeizuluhren.
Ist durch das Ilelten der Schlundwunde in den ersten 2—3 Tagen die Heilung derselben nicht gelungen, ^o erfolgt sie auch später nicht durch die schnelle Vereinigung, sondern durch Eiterung und Granula­tion und eben so könuen auch nur die mit Zerrcissung und Subslanz-verlusl complizirten Schlundwundcu zur Heilung gelangen. Zu diesem Zwecke bedeckt mau sie mit einem der Wunde in der Grosse ange­messenen Tampon von weichem reinen Werg und bestreicht sie zu­weilen mit einer Auflösung von Lapis infernalis oder auch mit einer Anllüsuiig von Jodkali (von dem ersteren 10 Gran auf 3j Wasser, von dem letzteren 15 Gran auf eben so viel Wasser). Dabei muss man sorglällig daraufsehen, dass die aus dem Schlünde iliessenden Materien immer recht vollständig und leicht aus der Wunde von selbst ablliesseu und zu diesem Zwecke dem untern Wundwiukel eine trichterförmige Beschaffenheit geben, indem man ihn so durch das Messer erweitert, dass die Haut am tiefsten getrennt wird, die Muskeln weniger tief, und dass das Ganze eine schiefe Fläche darstellt. Ausserdem muss man die Wunde öfters reinigen und den Thieren fortwährend nur wenig Futter geben. Auch kann man, um zu heftige Bewegungen des Thieres und um das Reiben der Wunde zu verhüten, den hölzerneu Kragen um den Hals legen.
Sechzehntes Capitel.
Bi'ustwundeu.
Die Wunden im Umfange der Brust sind entweder nur oberfläch­lich, d. h. nicht das Brustfell durchdringend, oder sie sind auch ein­dringend in die Brusthöhe, oder selbst durchdringend durch dieselbe. Die oberflächlichen Brustwunden können einfach sein, zuweilen sind sie aber complizirt mit starker Quetschung, mit Erschütterung der Eingeweide, mit Zerrcissung derselben und innerer Blutung, mit Brustfell-oder Lun­genentzündung, mit Brüchen der Rippen. Die eindringenden Brnst-wundcu können auch als einfache Trennungen der Brustwände entstanden sein, aber sie verlieren diese einfache Beschaffenheit mehrentheils in kurzer Zeit dadurch, dass durch die in die Brusthöhle eingedrungene atmosphärische Luft eiue Pleuritis erzeugt wird; ausserdem aber sind sie häufig mit gleichzeitiger Verletzung eines Brusteingeweides compli­zirt, oder zuweilen auch durch eingedrungene fremde Körper, durch
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Brustwunden.
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Ergiessung von Blut u. dgl. in die Brusthöhle. Die die gauze Brust durchdringenden Brustwunden haben an der einen Seite der Brust eine Eingangs-, und an der anderen Seite ihre Ausgangsölliiung und sind stets complizirt.
Die oberflächlichen einfachen Brustwunden sind an den allgemeiuen Zeichen der Wunden, je nach ihrer Art, zu erkennen und nach den allgemeinen Grundsätzen zu beurthcilen und zu behandelu. Zuweilen sind sie aber mit einer bedeutenden Blutung aus den Zwischenrippen­arterien begleitet, wobei das Blut in einem doppelten Strahl, von oben und von unten, aus der Tiefe der Wunde hervorströmt. Diese Blutung ist zuweilen recht gut durch Torsion oder Unterbindung eines jeden Gcfassendes zu stillen, wenn dieselben leicht zu erreichen sind; ist dies nicht der Fall, so hefte man die Wunde und wende noch änsserlich einen Druckverband an. Sind die nicht eindringenden Wunden com-ponirt mit heftiger Quetschung und Erschütterung oder auch mit Brüchen der Rippen u. dgl., so erhalten sie hierdurch allerdings eine grüssere Bedeutung, ja zuweilen eine lebensgefährliche Beschaffenheit. Solche Wunden werden beurthcilt und behandelt, wie dies bei den Quetschungen im Allgemeinen und bei den Kippenbrüchcu gelehrt ist.
Dass eine Wunde an der Brust wirklich bis in die Brusthöhle sich erstreckt, erkennt man im Allgemeiuen 1) durch vorsichtige Unter­suchung mit dem Finger oder auch mit der Sonde, wobei man, na­mentlich mit dem erstcren, die Dicke der Brustwand, das Hineingleiten bis in dis Brusthohle, den freien Raum in derselben, die glatte innere Fläche der Brustwand, die entgegenstehenden Organe, besonders die beweglichen, elastiscbcu Lungen oder das in regelmässigen Abwechse-luugen sich zusammenziehende und erweiternde Herz fühlen kann; — 2) aus dem Ein- und Ausströmen von Luft durch die Wunde bei jedem Alliemzuge1), was zuweilen mit einem zischenden oder pfeifenden Ge-
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M Die Luft dringt bei dem Einathmcn in die Brusthöhle und bei dem Aus-alhmen aus derselben, — wie dies durch richtige Beobachtungen und Versuche hinreichend erwiesen und nach physikalischen und physiologischen Gesetzen auch zu erklären ist; denn nur durch die Erhebung der Rippenwände bei dem Einathmen entsteht in der Brust ein solcher Raum, dass Luft eindringen kann, und dieser Raum wird wieder aufgehohen und desshalb die Luft wieder heraus­getrieben, wenn bei dem Ausathmen die Rippen sich zurücklegen (senken). Die Lungen selbst besitzen kein eigenes Expansionsvermögen, sondern sie wer­den nur durch den Druck der cingeathmeten Luft ausgedehnt: wenn aber die Brusthöhle durch eine Wunde geöffnet und somit die ganze äussere Oberfläche der Lungen dem Druck der Atmosphäre ausgesetzt ist, so ergiebt sich von selbst, dass dieser äussere Druck mindestens dem Druck der cingeathmeten Luft gleich sein müsse und dass daher durch die letztere eine grosse Ausdehnung der Lun­gen nicht mehr erfolgen könne. Dieselben müssen im Gegentheil nun bis auf einen gewissen Grad zusammenfallen, — wie dies auch wirklich geschieht und von AVolstein (das Buch für Thierärzte im Kriege, S. 113} an lebenden Thieren richtig beobachtet worden ist und bei dem Durchstehen der Brustwand eines todten ïhieres leicht wahrgenommen werden kann. Ich würde diese Bemerkung für überflüssig gehalten haben, wenn nicht manche Schriftsteller, wie z. B. Dieterichs (Veter. Chirurgie, 6tc Aufl- S. 423) un'ichtige Ansich­ten über den Gegenstand verbreiteten.
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Brustwunden.
rausch geschieht und ausserdera an der Temperatur und an der Bewe­gung der Luft bei dem Vorhalten einer Hand oder einer Liehtilamme oder einer diiimen Feder vor die Wunde erkannt werden kann; — 3) durch die nach der verwundeten Seite hin eingebogenen Stellung des Thieres1); — 4) zuweilen auch aus einer Luftgeschwulst (Emphy­sema) im Umfange der Wunde8); — 5) an der sehr beschleunigten, erschwerten, unregclmässigcn Respiration, welche durch die in die Brust­höhle eingedrungene atmosphärische Luft und durch hiervon erzeugten Druck und Reizung entsteht, und daher auch bei grossen Wunden und bei längerem Ollenbleibeu derselben mehr bemerkbar wird als bei klei­nen Wunden und bei solchen, welche bald wieder geschlossen worden sind.
In der Regel mindert sich nach dem Entstehen einer eindringenden Brustwunde sehr schnell die Temperatur des Körpers und die Thiere werden schwach und mnthlos, und der Puls klein; aber nach einigen Stunden erhebt sich die Temperatur, die Herz- und Arlerienkraft wieder und es tritt das Rcaktionsstadimn des Wundrcizungszustandcs und des Fiebers ein.
In manchen Fällen besteht bei den eindringenden einfachen Brust­wunden nur eine sehr geringe Blutung, wobei sich, wenn das Blut aus Venen oder aus gemischten kleinen Gefässeu stammt, durch die aus- und einströmende Luft ein duukelrother Schaum auf der Wunde erzeugt; ist aber eine Zwischenrippenarterie oder die innere Brustarterie verletzt, so strömt das Blut im Strahl und hcllroth aus der Wunde, — zuweilen aber auch in die Brusthöhle.
Bei kleinen Thiereu ereignet es sich zuweilen, das der Rand eines Lungenlappens durch eine etwas grosse eindringende Bruslwunde her­vortritt (Vorfall der Lunge) und dann gewöhnlich zwischen den VVund-rändern eingeklemmt bleibt. In solchen Fällen sieht und fühlt man die Lungensubstanz in der Wunde und das Durchströmen der Luft durch
') Wolstein, der diese gelirümmte Stellung der Thiere bei seinen Ver­suchen in allen Füllen wahrgenommen hatte, wollte wissen: wie ein Thicr sich stellen würde, wenn es an beiden Seiten verwundet ist? Als er desshalb einem Pferde an heiden Seiten der Brust einen eindringenden Einschnitt ge­macht hatte, setzte das doppelt verwundete Thier seine vordem und hintern Schenkel näher an einander, hog seinen Rücken, schob seinen Körper zusam-incii und verengerte durch diese Richtung heide Wunden um einen merklichen Grad (A. a. 0. 114).
-) Manche betrachten das Emphysem, welches sich zu Wunden im Umfange der Brust gesellt, als eins der sichersten Merkmale, dass die Wunde eine in die Brusthöhle eindringende sei. Dies ist jedoch nicht für alle Fälle richtig; denn ich habe sehr oft eine recht ausgebreitete Luftgeschwulst hei solchen Wunden gesehen, welche sich unter das Schulterblatt erstreckten oder unter der Brust, an der Innern Flüche des Arms sich befanden und wo bei jeder Bewegung dieser Theile die Wunde bald auseinandergezogen, bald wieder zu­sammengedrückt und hierdurch die Luft förmlich in das Zellgewebe hineinge­pumpt wurde. Die genaueste Untersuchung, die Znlïilie und der Verlauf er­wiesen gleichmässig, dass die Wunden nicht in die Brusthöhle gedrungen waren.
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Brustvvunden.
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die letztere findet nicht statt. Bei grossen Thieren kommt dieser Vor­fall gar nicht oder nur äusserst selten vor.
Sind gleichzeitig Organe in der Brusthöhle mit verletzt, so treten zu den Erscheinungen der eindringenden Bruslwuuden auch noch die­jenigen hinzu, welche aus der Verletzung eines solchen Orgaus unmit­telbar entstehen und bald mehr bald weniger auch diejenigen, welche durch die Blutergiessung in die Brusthöhle oder nach aussen erzeugt werden. Es ist in dieser Hinsicht folgendes zu bemerken:
1)nbsp; nbsp;Verletzungen des Herzens. Die Kennzeichen dieser Verletzun­gen sind, wenn letztere nur einen geringen Umfang haben, sehr undeut­lich, so dass man sie oft nur aus der Gegend und der Richtung der äussern Wunde bei den eindringenden Brustwundeu bloss vermuthen kann. Oberflächliche Verwundungen des Herzens veranlassen gewöhn­lich nur etwas langsameren Herzschlag, — bis in die Vorkammern oder in die Kammern eindringende Wunden von etwa 1 — 2 Linien Weite verhalten sich in ihren Erscheinungen ebenso, — grösserc eiu-ilringendc Wunden im Heizen sind jedoch mit einer starken Blutung begleitet. In diesem Falle ergiesst sich, je nach der verletzten Seite des Heizens, dunkelrolhes oder hellrothes Blut in die Brusthöhle und wohl auch durch die äussere Wunde nach aussen; das Blut ist von gleichmiissiger Beschalïeaheil, nicht schäumend und es fliesst, ruckweis stärket' hervor; die Tliiere werden in kurzer Zeit sehr, malt, athmen nach und nach immer mehr angestrengt und beschleunigt, der Herz­schlag und das Pulsiren der Arterien wird immer schwächer und es treten überhaupt die Zufälle einer innern Verblutung ein, unter welchen die Thiere schnell unter hinzugetretenen Convolsionen sterben. — Auf­fallenden Schmerz zeigen die Thiere in Folge der Herzwundcu nie­mals.
2)nbsp; Verwundungen der grossen Gefässe in der Brusthöhle sind eben­falls zum Theil aus dem Orte der äussern Verletzung und aus der Richtung, in welcher das verletzende Instrument eingedrungen ist, so wie aus den eben angegebenen Symptomen einer innern Verblutung, mit einiger Wahrscheinlichkeit zu erkennen, mit Sicherheit aber nicht, von den Verletzungen des Herzens zu unterscheiden, da diese sich in ganz ähnlicher Weise zeigen.
3)nbsp; Verwundungen der Lungen charaktcrisiren sieh in den meisten Fällen sehr bestimmt durch den Ausfluss von schaumigem Blut sowohl aus der Wunde, wie auch häufig aus der Nase oder aus dem Maul; dabei husten die Thiere oft, die Respiration ist kurz, beschleunigt, beschwer­lich und gewöhnlich mit Röcheln verbunden. Sehr oft findet sich auch liier eine allmälig zunehmende Ergiessung von Blut in die Brusthöhle, durch welche das Athmen immer noch mehr erschwert wird und die Thiere in dem VerhälUiiss des aus den Gefässen verlorenen Blutes sich auch immer schwächer zeigeu. Sehr oft entstehen hier im Umfange der äussern Wunde auch Luftgeschwülste. — Wenn die Verwundung der Lungen durch ein rundlich spitziges und dünnes Instrument ent­standen ist, sind die zuerst angegebenen Zufalle, namentlich die Blu-•img, oft gar nicht wahrzunehmen, aber sie sind um so auffallender, wenn das verlclzciulc Werkzeug eine schneidende Spitze, oder einen
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3S2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Brustwiinden.
breiten Umfang halle und wenn von ihm grössere Bronchienzweige oder auch grössere Gefässc betroffen sind.
4)nbsp; nbsp;Verwundungen des Schlundes iu der Bruslhölile würden mit Sicherheit nur an dem Auslliessen von verschlucktem Futter oder Ge­tränk zu erkennen sein, — vorausgesetzt, dass das Thier nach der quot;Verwundung noch irisst oder säuft, und dass die Wunde eine für den Ausfluss günstige Lage und Grosse hat. Wo dies aber nicht der Fall ist, wird man aus dem Orte und der Richtung der äusscrn Wunde und aus einer sehr schmerzhaften Pleuritis höchstens nur eine Ver-muthung auf das Bestehen einer Scliluadverletzung aussprechen können.
5)nbsp; nbsp;Wunden am Zwerchfell verursachen ein sehr kurzes Athmen mit fast ganz fest gestellten Rippen; ausscrdem sind sie ans der Ge­gend der äusscrn Verletzung und aus der Richtung und Tiefe, in wel­cher das verletzende Instrument eingedrungen ist. zu vcnnulhen.
Bei grossen Wunden in den Brustwänden kann man auch gewöhn­lich mit dem durch die Wunde in die Brusthöhle geführten Finger die Verletzung des einen oder des aiuleni Organs fühlen und hierdurch die Diagnosis möglichst sicher machen.
Die Erkennung eines Blutergusses in die Bruslhölile ist aus den schon angegebeneu Symptomen des Blutverlustes, so wie ans der durch den Druck des Blutes auf die Lungen entstandenen Athembeschwerde. ausscrdem aber durch die Auskultation zu erlangen. Alan hört bei dem Anlegen des Ohrs an die Brnstwändc ein quatschendes oder lluktuiren-des Geräusch.
Das Vorhandensein fremder Körper in der Bruslhölile kann zum Theil aus der Art der Verwundung (so namentlich bei Scliusswundcn), und aus der BeschatTenheit des verletzenden und aus der Wunde wie­der zurückgezogenen Werkzeuges mil, einiger Sicherheit erkannt wer­den; in der Brusthöhle selbst sind sie selten mit dem Finger oder mit der Sonde aufzufinden, und durch charakteristische Merkmale giebt sich ihr Dasein nicht zu erkennen , sondern es werden nur die Sym­ptome des Drucks und der Reizung durch sie dem Grade nach ver­stärkt.
Die Bcuiiheilung der einfachen eindringenden Brustwiinden ist eini-germassen günstig zu machen, wenn die Verletzungen in einfachen Trennungen bestehen, wenn sie noch ganz frisch sind und wenn so­gleich eine zweekmässige Behandlung stattfindet; denn unter diesen (Jmsländen sind sie in den meisten Fällen durch die schnelle Vereini­gung zur Heilung zu bringen. Dagegen ist auch bei diesen cinfaehen eindringenden Bruslwunden immer wirkliche Lebensgefahr vorhanden, wenn sie durch längere Zeit dem Einlriil der atmosphärischen Luft aus­gesetzt waren, und die Gefahr ist. immer um so grosser, je grosser die Wunde selbst ist und je länger diese Einwirkung beslanden hat. Es entsteht in Folge dieser Einwirkung jeder Zeit eine sehr heftige Pleu­ritis, welche äussersl schnell in Ausschwitzung von Serum und Faser-stotl' übergeht und gewöhnlich zum Tode führt. Doch ist, die Empfind­lichkeit der Thiere von verschiedenen Gattungen gegen die Einwirkung der Luft nicht gleichmässig gross; Pferde zeigen dieselbe am grüssten, Ziegen und Schafe etwas geringer; Hunde und Katzen am wenigsten.
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Brustwunden
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Bei Pferden fand man z, B. schon nach 5 Slunden die Ersclieinungen der Pleuritis und der Tod erfolgte in 24 — 50 Stonden, wenn eine 1—2 Zoll lange Wunde während einer Stunde der Luft exponirt war. während eine eben so grosse Wunde heilte, wenn sie nach 5 Minuten wieder verschlossen worden war. Man kann daher so lange noch einige Hoffnung zur Heilung aussprechen, als eben noch keine Zeichen einer Brustfellentzündung oder Lungenentzündung zugegen sind. #9632;— Wunden mit starker Quetschung ihrer Ränder oder mit Zerreissung derselben oder mit Substauzverlust sind desshalb, weil sie durch Eite­rung heilen müssen und weil man während der Heilungszeit die Ein­wirkung der Luft auf die Brusthöhle nicht gänzlich abhalten kann, stets gefährlicher als die einfachen, ja sie sind desshalb sogar für gefährlicher zu erachten, als diejenigen eindringenden Brustwunden, welche mit einer einfachen Verletzung der Lungen oder des Zwerchfells zusammen­gesetzt sind.
Verwundungen des Herzens, welche entweder nur oberflächlich, oder wenn auch bis in die Kammern eindringend, doch nur durch dünne und spitze, nicht schneidende Inslrunicntc erzeugt worden sind, kann man im Allgemeinen als nicht gclährlich belrachlen, da der Erfahrung zufolge solche Verwundungen sehr oft geheilt worden sind und keine Spur von Störung zurückgelassen haben. Selbst die hiernach entste­hende Entzündung ist in der Regel nur gelind.
Viele Versuche und Beobachtungen haben überhaupt gezeigt, dass die Reizbarkeit des Herzens geringer ist als die der willkührlicheu Mus­keln. Wenn aber in ihm Verwundungen durch schneidende Instru-menle und bis in die Kammern oder Vorkammern eindringend bestehen,
#9632;
tritt immer Lebensgefahr ei-
weil bei diesen Wunden die getrennten
Fasern des Herzens sich zurückziehen, die ^ undränder auseinander­klaffen und dadurch eine bedeutende Blutung entstellt. Die Verblutung kann selbst aus den Kranzgelassen des Herzeus in kurzer Zeit tödtlich weiden. — Eben so sind Verwundungen der grossen Gefässe in der Brusthöhle immer sehr schnell und fast ohne Unterschied absolut tödtlich.
Wunden der Lungen von einem geringen Umfange und bloss das Parenchym dieses Organs helrcffend, können, je nach ihrer BeschaOen-heit, sowohl durch schnelle Vereinigung, wie auch durch Eiterung und Granulation, heilen, wenn übrigens nicht die Brustwunde im Ganzen durch andere Umstände vorher und schneller den Tod herbeiführt; sehr grosse Wunden der Lungen und solche, bei welchen grösscre Gefässe des Organs oder grösscre Zweige der Bronchien mit verletzt sind, enden aber gewöhnlich durch Verblutung tödtlich. In denjenigen Fällen, wo Heilung erfolgt, bleibt doch zuweilen durch die zur Verletzung hinzuge­tretene Entzündung bedingt, eine Verdichtung (Hepalisation) des Ge­webes, oder Verwachsung der Lunge mit den Rippenwänden oder mit dem Zwerchfell und in Folge dessen Kurzatlnnigkcit (Dämpfigkeit) zu­rück. Zuweilen gehen aurh die Thiere durch die Lungenentzündung oder durch den Uebergang derselben in Eiterung, Ulceralion oder Brand zu Grunde. Dies ist besonders dann der Fall, weun fremde Körper in der Lunge zurückgeblieben sind; doch finden sich auch hier einzelne
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3S4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Brustwunden.
glückliche Ausnahmeu, wenn die fremden Körper eine runde und glatte Oberfläche besiizen1).
Verwundungen des Schlundes- in der Brusthöhle sind stets absolut lödtlich, weil Speichel, Futter und Getränk durch die Wunde in die Brusthöhle sickern, und eine sehr hcfligc, tödtliche Entzündung der Pleura erzeugen oder die schon bestehende Entzündung bis zum tödt-lichen Grade verstärken,
Wunden des Zwerchfells können zwar, nach vielfacher Erfahrung, nicht wieder verheilen, sondern nur an ihren Rändern vernarben, aber sie bedingen, nachdem die erste Reizung vorüber ist, keine üblen Zu­fälle und die Thiere können bei dem Vorhandensein dieser Wunden sehr lange und ohne wesentliclie Störung fortleben; zuweilen jedoch drängen sich durch die oilene Wunde Tlicile der Baucheingeweide in die Brusthöhle und es bilden sich hierdurch die sogenanntcu Zwerch-fellsbriicbe. Diese Brüche scheinen in manchen Fällen lange Zeit zu bestehen, ohne dass sie gefährliche Ziilallc erzeugeu, aber, wenn die Masse der durchgelrctencu Baucheingcweidc gross ist, belästigen sie die Respiration und machen die Pferde zum schnellen Lauf nicht mehr geeignet, ausserdem können sie sich auch wie andere Brüche einklem­men, hierdurch Entzündung, Brand und Tod herbeiführen.
Complikationen durch Blutergicssung und Ansauimluiig in der Brust­höhle sind, so lange die Ergiessuugeu in geringer Menge bestehen, au und für sich zwar immer als bedeutend zu betrachten, aber doch nicht lebensgefährlich, da blosses Blut in der Brusthöhle schnell resorbirt wird; doch gehört als uolhwendigc Bedingung hierzu: dass die Wunde recht bald verschlossen werde, weil sonst bei forlgesetzter Einwirkung der Luft das Blut zersetzt wird, dann als eine scharfe Substanz auf die Pleura wirkt, die Entzündung derselben hervorruft und sie bösartig macht und den Tod dadurch in kurzer Zeil herbeiführt. — Grosse Blutanhäufungen bewirken aber auf doppelte Weise Gefahr, nämlich durch den Blutverlust im Gefässsyslem und durch Zusammendrückung der Lungen, und auf letztere Weise führen sie zuweilen schnell den Tod herbei. Die Beurtheilung dieser Ergiessungen in den einzelnen Fällen hängt daher hauptsächlich von der Grosse des verletzten Blul-gefässes, von der Sclinelligkeit und Fortdauer der Ergiessung ab. Je mehr daher die bezeichneten Zufalle im Grade steigen, um desto höher slcigl. auch die Gefahr.
Die Complikation durch fremde Körper, wozu auch die Aussicke­rung von Nahrungsmitteln und Getränk ans dem Schlünde und von
') Zum Beweise des Angegebenen kann ich folgenden von mir beobach­teten Fall in Kürze anführen: Das Reitpferd eines Herrn Lieutenants y. Hake wurde durch einen Pistolenschuss an der linken Seite des Leibes verwundet. Es stürzte sogleich hiernach nieder, sprang aber ängstlich wieder auf, athmete sehr kurz und zeigte einen reichlichen Ausiluss von schäumendem Blut aus beiden Nasenlöchern u. s. w. Eine Ausgangsölfnung der Kugel fand man nirgends. Das Pferd wurde geheilt, verrichtete noch mehrere Jahre den Dienst als Ca-valleriepferd und starb endlich am Rotz. Bei der Section fand sich die Kugel in dem vordem Ende der rechten Lunge in einer fast fingerdicken Kapsel von Fasorsloff.
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Brustvvunden.
38j
Chylus aus dem ftlilchbrustgang zu rechnen sind, ist immer eine Ver­anlassung zu grosser Gefahr, da durch diese Stoüc die Reizung im hohen Grade vermehrt und die entstehende Entzündung zur Ausschwilzung, Eite­rung oder selbst zum Brande dispouirt und hierdurch der Tod herbeige-Tuhrt wird; doch ist inden einzelnen Fällen die Grüsse und die äussere Beschallenheit der fremden Körper bald mehr bald weniger in der be-laquo;eichnelen Weise wirkend. Je mehrfaltig eine Brustwunde zusammen­gesetzt ist, um desto grosser ist natürlich die Gefahr.
In allen diesen Fällen ist die Prognosis zum Thcil auch aus dem Grunde sehr schlecht, weil man gegen die iunern Verletzungen auf di­rekte Weise durch Kunsthülfe niclits zu thun vermag.
Die Behandlung bei den eindringenden einfachen Brustwunden muss stets darauf gerichtet sein 1) dieselben so schleunig als möglich zu verschliessen und 2) die Entzündung auf ein Minimum herabzustimmen. Ersteres geschieht durch Anlegung der blutigen Naht und über die Wunde gelegte Compresscn von Leinwand und Binden; und die zweite Indikation wird erfüllt durch Aderlässe, je nach der Constitution des Thieres, durch innerlich gegebene antiphlogistische Salze bis zur Wirkung des Laxirens, durch strenge Ruhe und ganz mageres Futter, örtlich durch fleissige Anwendung des kalten Wassers auf die verletzten Theile und in einem grössern Umfange derselben. Bildet sich aber trotz dieser Behandlung eiue Entzündung der Pleura oder der Brusteiugeweide im höhern Grade aus, oder finden sich Symp­tome, welche aui' schon eingetretene Ausschwitzung deuten, so macht man an der verwundeten Seite der Brust Einreibungen der Kanthariden-salbe nnd giebt innerlich Calomel in Verbindung mit Digitalis, verfährt überhaupt, wie bei heftigen Brustentzündungen und den Ausgängen der­selben.
Ist die Wunde nicht zur schnellen Vereinigung geeignet, so ver-schliesst man sie dennoch möglichst bald durch die Naht oder auch durch auf die Wunde gelegte Heftpflaster, oder Comprcssen und Binden, wie es der Ort eben am besten gestattet. Bei eingetretener Eiterung verbindet man täglich 2 Mal, um das Einsiekern des Eiters in die Brusthöhle möglichst zu verhindern. Für diesen Zweck kann man auch die Wunde an ihrem untern Winkel äusserlich so erweitern, dass der AbHuss des Eiters von selbst recht vollständig erfolgen kann. Das Ver­binden muss immer möglichst schnell geschehen und es müssen daher die Verbandstücke immer vorbereitet zur Hand sein, damit die Wunde recht wenig der freien Einwirkung der Luft ausgesetzt bleibt. Im Uebri-gen wendet mau auch hier in der ersten Zeit eine streng antiphlogi­stische Behandlung an.
Auch bei den Complicationen ist die Kur in den meisten Fällen auf das hier Angegebene beschränkt. Die Blutergiessung aus Gefässen der Lunge oder auch aus den grosseren Gefassstämmcn und aus dem Herzen sind nur allein durch strenge Ruhe und die Anwendung der Kälte im Umfange der Brust zu mindern, gegen das bereits ergossene Blut aber ist eigentlich nichts zu thun, sondern dasselbe muss durch tlie Resorption beseitiget werden, wie dies in vielen Fällen wirklich auch geschehen ist. Das von Chabert, von Dieterichs und A. em­pfohlene Entfernen des ergossenen Blutes mittelst Saugespritzen oder
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386nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Bauchwundcii.
mittelst des Katheters ist stets nur sehr unvollständig zu bewirken und wegen der damit verbundenen Reizung, so wie wegen des längern Offenbleibens der Wunde weit mehr schädlich als nützlich. Auch in dieser Hinsicht ist es am besten, die Wunde recht bald und vollständig zu verschliesseu. — Ergiessungen von Nahrungsmitteln und Getränk, so wie eingedrungene fremde Körper sind gewöhnlich nicht zu errei­chen und man muss daher dieselben ruhig der Bewältigung der eigenen organischen Thätigkcit überlassen, durch welche diese Körper zuweilen einen plastischen üeberzug erhalten und dadurch weniger schädlich ge­macht werden. — Die verletzte Arteria inlercostalis oder Art. mammar. interna wird doppelt unterbunden. — Bei vorhandenen Rippenbrücheu wird die Einrichtung gemacht und lose Knocheusplitler werden entfernt, im Uebrigen aber ist die Behandlung der Wunde, wie im Vorstehen­den angedeutet worden. Ist bei kleinen Thiercn ein Vorfall eines Theils der Lunge entstanden, so wird die vorgefallene Masse zurückgedrängt, hierauf die Wunde verschlossen und ebenfalls die entzündungswidrige Behandlung eingeleitet. — Gegen die Wunden der einzelnen Brustorgane ist etwas Besonderes nicht zu than möglich.
J. G. Wolstein, Das Buch für Thierärztc im Kriege u. s. w. Seite 110.
H. Leblanc und Trousseau, Versuche über durchdringende Brust­wunden bei dem Pferde. Im Journ. de Med. vétérin. theorique et pratique. 1834. April bis September. — Auszug im Magaz. für Thierheilkunde. Bd. I. S. 259 u. f.
Siebzehntes CapUel.
Verletzungen am Hinterlcibe oder am Bauche.
Die Verletzungen am Bauche sind, wie die an der Brust, entweder 1) oberflächlich, nur in den Decken und Muskeln des Bauches, ohne Verletzung des Bauchfells, oder 2) sie dringen durch die Decken und das Bauchfell in die ISauchhöhle selbst. In beiden Fällen kann die Wunde wieder einfach oder zusammengesetzt sein, und zwar im erste-ren besonders mit heftiger Quetschung oder Zerreissung, im letzteren aber kann die Zusammensetzung A. mit Vorfall der Eingeweide; B. mit Verletzung derselben; C. mit Ergiessung und Ansammlung von Blut oder anderen Bestandtheilen in die Bauchhöhle.
I. Oberflächliche Bauchwunden.
Obgleich diese in den meisten Fällen nicht verschieden von ober­flächlichen W7unden anderer Theile sind, so treten doch bei ihnen zu
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BaUchwuhden.
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weilen einige Umstände ein, durch welche der Zustand sehr erschwert wird und welche dcsshalb hier erwähnt werden müssen.
Bei Verletzungen der sehnigen Scheiden der Bauchmuskeln, beson­ders durch schiefe Stichwunden, entstehen oft sehr heftige Entzündung und Geschwulst, die sich zuweilen über einen grossen Theil oder den ganzen Umfang des Bauches Terbreiten und dann nicht selten mit ei­nem starken Entzundungszustande verbunden sind. Wo solche Zufälle sich bei einer Bauchwundc finden, muss dieselbe genau untersucht werden, ob Ergiessung von Blut zwischen die Scheiden der Muskeln oder fremde Kürzer zugegen sind. Unruhige, sehr empfindliche Thiere müssen hierzu gehörig gefesselt oder selbst recht vorsichtig niedergelegt und die Wunde selbst muss zuweilen noch etwas erweitert werden. Bei diesen Erweiterungen ist jedoch immer die grössle Behutsamkeif nölhig, damit die Wunde nicht etwa zu gross oder zu lief gemacht und durch den auf diese Weise noch mehr gestörten organischen Zu­sammenhang der Bauchwandungen nicht Gelegenheit zu Brüchen und Vorfällen gegeben werde. Erfordern es nicht eben die Umstände. die Wunden nach der Mittellinie des Bauches hin zu erweitern, so Urne man dies an den Seiten lieber nach oben zu, weil dann der Druck der Eingeweide auf solche Wunden nicht so stark ist als auf jene, und daher die Vereinigung durch Hefte auch leichter und sicherer bewirkt wird. Auch hat man bei Wanden an der unfern hinfern Bauchgegend jedesmal auf den Verlauf der hintern Bauchdeckenarterie (art. epigastr. posterior) Rücksicht zu nehmen und dieselbe, wenn sie verletzt sein sollte, doppelt oder an beiden Enden (wegen ihrer Anastomose mit der innern Brust- und mit der Lendenarterie) zu unterbinden. Auf dieselbe Weise verfährt man, wenn die vordere Bauchdeckenarterie (das Ende der art. mammar. intern.) verletzt ist, wo man jedoch erst die Stillung der Blutung durch Druck vermittelst Compressen und eines gut ange­legten Gurtes versuchen kann.
Wunden des Hinterleibes mit starker Quetschung bringen durch
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die Erschütterung der
Eingeweide
zuweilen sehr bedeutende Zufälle
hervor, z. B. heftigen Schmerz, grosse Spannung des Bauches, Entzün­dung des Bauchfells und der Baucheingeweide, Fieber, selbst Zerreissun-gen einzelner Organe, Extravasat, Kolikzutalle und oft einen schnellen Tod (siehe Quetschungen und Zcrreissungeu). Hier ist die strengste antiphlogistischc Behandlung und Ruhe des Thieres angezeigt. — Zu­weilen zerreissen bei solchen Quetschwunden am Bauche die Muskeln in einem viel grössern Umfange, als die Haut äusserlich dabei verletzt ist. Hier muss aussei' dem Heften der Wunde eine zweckmässige Compression an der verletzten Stelle durch eine gute Bauchbinde, so weit es die Gegend des Bauches erlaubt, zu bewirken gesucht, das Thier in grösster Ruhe erhalten und streng antiphlogislisch behandelt werden. Das Anlegen einer Leibbinde ist überhaupt bei allen Bauch-wunden, welche durch die Muskeln dringen, anzuwenden, damit man den leicht entstehenden Bauchbrüchen so viel als möglich entgegen­wirkt.
Auch bei den oberflächlichen Bauchwunden muss man antiphlogi-stisch verfahren, weil die Entzündung sich leicht bis zum Bauchfelle fortpflanzt. Wenn Eiterung in der Wunde besteht, so kann sich der
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ßnuchwunden.
Eiter in den anoneurotischen Scheiden der'Muskeln, oder zwischen den letzteren und dem Bauclifell ansammeln. Es entsteht dadurch Schmerz bei der Berührung und eine mehr oder weniger tief sitzende, flache aber ausgedehnte Geschwulst, in welcher man gewöhnlich nur eine un­deutliche Spur von Fluktuation findet. Wird die nötbige Behandlung nicht zur rechten Zeit eingeleitet, so bildet sich nicht selten wässerige Anschwellung um diese Geschwulst. Hier muss die Wunde entweder auf die angegebene Weise erweitert werden, oder, was noch besser ist, man macht an der hervorragendsten Stelle der Geschwulst vorsichtig einen Einschnitt und entleert durch diesen den Eiter. Der Abscess wird dann nach allgemeinen Regeln behandelt.
II. Einfache eindringende Bauchwunden.
Bei grosseren eindringenden Bauchwunden überzeugt uns das Ge­sicht und das Gefühl von dem Eindringen der Wunde durch die ganze Bauchwand, indem man bei dem Einbringen eines Fingers den freien Kaum der Bauchhöhle und die vorliegenden Eingeweide fühlt. Ausser-dem tritt, wie bei durchgehenden Bmstwunden, die äusscre Luft beim Ein- und Ausathmen ein und aus, wodurch öflers ein zischendes, pfei­fendes Geräusch entsteht. — Wenn aber solche Wunden nicht gross sind und nicht in gerader Richtung eindringen, sondern erst eine Strecke zwischen den Theilen der Bauchwandungen schief verlaufen, und wenn das Netz oder die Därme nicht vorgefallen sind, so ist es zuweilen schwierig zu bestimmen, ob sie wirklich bis in die Bauchhöhle eindrin­gen oder nicht. Denn die Berücksichtigung der Tiefe und Richtung, in welcher das verletzende Instrument eindrang, so wie das vorsichtige Einfuhren einer Sonde geben nicht immer Gewissheit. Bei vielen ein­dringenden Wunden treten zwar einige allgemeine Symptome ein, z. B. kleiner, schwacher Puls, Kälte der Extremitäten, Schwäche, An­schwellung des Hinterleibes, Kolik, und bei Hunden Erbrechen. Aber auch diese Zufalle sind nicht immer sichere Zeichen, da sie in manchen Fällen als Folge der Quetschung und Erschütterung der Eingeweide entstehen, ohne dass eindringende Wunden vorhanden sind, dagegen aber nicht selten (besonders bei Schweinen und Wiederkäuern) ganz fehlen, wenn auch die Wunde durchdringend ist. Zuweilen ist die Form und Richtung der Bauchwunden äusserlich in den Bauchdecken ganz verschieden von der in den Muskeln, und dann ist die Erkennung des Zusfandes auf den ersten Blick auch nicht so ganz leicht. Diese Ungewissheit ist jedoch bei diesen kleinen einfachen Wunden von kei­ner grossen Bedeutung und darf daher auch nicht zu oft wiederholten Untersuchungen mit der Sonde verleiten. Denn wo die entscheidenden Zeichen des Eindringens einer Wunde in die Bauchhöhle nicht vorhan­den sind, da ist auch seilen Gefahr zu befürchleu.
Prognosis. Kleine Bauchwunden mit ebenen Rändern und von einfacher BeschalTenheit können bei einer richtigen und zeitigen Behand­lung in wenigen Tagen heilen. Grosse eindringende Bauchwunden, auch wenn sie ohne alle Complikatiou, sind immer mehr gefährlich. Die Grosse der Gefahr richtet sich aber zum Theil nach der Grosse und Art der Wunde selbst, zum Theil aber auch nach der Bauchgegend,
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Bauchwunden, Behandlang.
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wo die Verletzung ist. In letzlerer Hinsicht sind alle Wunden an der untern Wand des Bauches gefahrlicher als die mehr nach oben vor­kommenden. Äusserdein liegt ein Grund der Gefährlichkeit noch in der grössern oder geringem Reizbarkeit des Bauchfells bei den ver­schiedenen Thiergattungeu und auch darin, ob Hülfe, wie und zu wel­cher Zeit dieselbe gebracht worden ist? Bei Pierden ist jene Reizbar­keit sehr gross, die Entzündung vom länger dauernden Eindringen der Luft tritt schnell und heftig ein; beim Schwein, dem Hund, der Katze, dem Rind und bei Vögeln ist diese Reizbarkeit dagegen sehr gering und diese Thiere ertragen daher oll grosse Verletzungen ganz leicht. Wenn bei Pferden eine grössere Bauchwunde offen bleibt, erfolgt, wie dies Wolstein auch bei seinen Versuchen gefunden hat, der Tod ge­wöhnlich bis zum vierten Tage.
Behandlung. Kleine eindringe-ude Bauchwunden heftet man in ge­wöhnlicher Weise, legt eine Binde darüber, hält die Thiere ruhig und in magerer Diät und applizirt Klystiere. •— Bei grossen Bauchwunden ist stels die Verschliessuug derselben so schnell wie möglich zu bewir­ken. Mau wählt hierzu die Knopfoaht oder die Zapfennaht, macht sie mit breiten, sogenannten Bauchheftnadeln und breiten Heflbändchen und legt unruhige oder sehr empfindliche Thiere dazu nieder. Um bei dem Niederfallen des Thieres das W'citcrreisscu der Wunde und das Her­vortreten der Eingeweide zu verhüten, legt man demselben vorher ei­nen breiten Gurt um den Leib. Die Wunde muss immer oben zu lie­gen kominen. Darauf führt man zuerst den Zeigefinger der linken Hand durch die Wunde in die Bauchhöhle, fasst, indem man den Dau­men derselben Hand von aussen entgegenlegt, den Wundrand und zieht ihn etwas gegen sich; dann nimmt man die Nadel mit der rechten Hand so, dass man den Daumen in die concave, den Zeigefinger aber auf die convexe Seile derselben bis zur Spitze legt und diese dadurch bedeckt. Die so gefasslc Nadel führt man in die Wunde, setzt sie knapp und dicht neben dem Bauchfell in die Muskellläcbe auf, zieht nun den Zeigeliuger von der Spitze der Nadel zurück, legt ihn quer über die Convexität der Nadel und stösst dieselbe von innen nach aussen in einer Entfernung von wenigstens 1 — 1^- Zoll vom Wundrande, damit der Heft nicht ausreisse, durch die Haut hervor. Auf dieselbe Weise wird die zweite Nadel am andern Ende des Bändchens durch den entgegengesetzten Wundrand geführt und dies Verfahren nach Ver-hältniss der Grosse der W^unde, immer einen Zoll weit von dem zuletzt angelegten Hefte, wiederholt. Ist so die hinreichende Menge Hefte ein­gelegt, so bringt ein Gehülfe mit seinen zur Seile der Wunde flach an die Bauchwände gelegten Händen die Wundränder in gegenseitige Be­rührung und der operirende Thicrarzt knüpft nun selbst die gegenseiti­gen Enden jedes Bändchens in einen Knoten mit einer Schleife. Die Zapfennaht wird mit derselben Vorsicht und auf die S. 321 angege­bene Weise angelegt. —Nachgemachter Naht unterstützt man dieselbe, besonders bei Längenwunden, noch durch einen recht breiten und massig fest angelegten Bauchgurt, oder auch, wenn die W7unde am hintern Theile des Bauches ist, durch eine höhere Stellung des Thieres mit dein Hintertheile, indem man recht viel Streu unterlegen lässt. Die weitere Behandlung muss streng anliphlogislisch sein — durch
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390nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Bauchwunden mit Yodall der Eingeweide,
wiederholtes Bluieutziehea, durch ollere Gaben vou Calomel oder von Salzen mit schleimigen Mitteln, durch Ruhe und durch strenge Diät, indem man dein Thierc während der ersten Tage, so lauge Entzün-dungsfieber vorhanden ist, bloss Kleie oder, wenn es zu haben ist, nur Gras und reines Wasser giebt. Um alles Drängen auf den Mist zu vermeiden, gebe man ausserdem schleimige Klyslierc. #9632;— In der Regel schwillt nach dem Heften einer grüssern Wunde die Umgegend dersel­ben etwas an; geschieht dies in einem hohen Grade, so befeuchte mau die Anschwellung lleissig mit kallcin Wasser oder mit Oxykrat. •— Die Heilung kann bei günstigem Erfolge dieser Behandlungsweise in 5 bis 6 Tagen gelingen und man kann dann, um nicht eine zu lange Eite­rung der durchstochenen Stelleu zu veranlassen, die Hefle zu entfernen anfangen. Man soll jedoch hier mehr als au andern Stellen damit vor­sichtig sein und nicht alle Hefle auf einmal, sondern nur nach uud nach herausnehmen, damit, wenn ja die Wunde noch nicht fest ge­schlossen ist, man nicht das völlige Wiederaufbrechen derselben zu be­fürchten hat.
Die Wundränder des Bauchfells vereinigen sich zwar gewöhnlich nicht unmittelbar, aber sie vernarben neben einander und verwachsen sehr oft mit der ihnen zunächst anliegenden äussern Fläche eines Ein­geweides.
III. Eindringende Bauchwunden mit Complikation, und'zwar A. mit Vorfall der Eingeweide.
Bei durchdringenden Bauchwunden, wenn sie nur einigen Umfang haben und mehr nach der untern Seile des Bauches zu sich belindeu, pflegen Theile des Netzes oder der Därme selbst hervorzutreten und zwar zuweilen in beträchtlicher Grosse. Diese vorgefallenen Theile liegen entweder frei und beweglich in der Wunde oder fest von derselben umschlossen (eingeklemnit, incarcerirt), und befinden sich entweder im gesunden Zustande, oder sie sind mit verletzt, ent­zündet oder selbst brandig. Die Erkennung dieser Verhällnisse ist durch Sehen und Befühlen der Theile und der Wunde leicht zu erlangen.
Prognosis. Durch das Heraiislrelen der Eingeweide werden die Bauchwunden in den meisten Fällen viel gefährlicher, als sie schon an und für sich es sind; jedoch hängt die Gefahr von der Art des Thieres, von der Art des Eingeweides, von der Dauer des Vorfalls uud von den anderweitig schon eingetretenen pathologischen Veränderungen ab. Bei Pferden ist wegen der grossen Reizbarkeit des Periloneums die Gefahr immer am grössesten, dagegen bei den übrigen Thiercn im Verhältniss des Grades dieser Reizbarkeit viel geringer; denn in eben dem Grade, wie die Reizbarkeit bei den verschiedenen Thieren sich in einem verschiede­nen Grade zeigt, eben so bildet sich vcrhällnissmässig schnell oder we­niger schnell eine Entzündung des Bauchfells und der Eingeweide aus. Bei Hunden und Schweinen und auch beim Rindvieh ist es oft beob­achtet worden, dass Darmstücke in bedeutender Länge durch eine Wunde der Bauchhöhle hervorgetreten waren und selbst auf schmutzi­gem Erdboden geschleppt worden sind, und dass hiernach dennoch die Heilung und die Erhaltung des Thieres gelungen ist. Dagegen hat man
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Bauchwunden mit Vorfall der Eingeweide. Behandlung.
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bei Pferden oft, nachdem ein Darmlheil nur während kurzer Zeit her­vorgetreten war, eine heftige Darmentzündung und den Tod eintreten sehen. — Das Hervortreten eines Theiis des Dickdarms oder bei den wiederkäuenden Thiereu des Wanstes ist in der Regel nur mit gerin­gen üblen Folgen begleitet, dagegen durch das Hervortreten eines Theiis des Dünndarms oder des einfachen Wagens der Hunde, Katzen und Schweine gewöhnlich Erbrechen, heftige Kolikzufälle und Entzündun-
gen
entstehen. Das Hervortreten eines Theiis der Blase macht Harn-
verhaltung und kolikähuliche Zulallc, das Hcrvertrelen eines Theiis der Gebärmutter (gewöhnlich eines Horns derselben) ist mchreutheils ohne üble Folgen. — Ist das Heraustreten eines Eingeweides aus der Bauch-liöhle erst vor ganz kurzer Zeit erfolgt, so entstehen hierdurch nur uubedeutendc Beschwerden, wenn die Zurückbriugung bald geschieht; bei längerer Dauer des Vorfalls treten aber die bezeichneten Zufälle um so mehr ein, als hierdurch die Oberfläche der Eingeweide trocken wird, durch den Druck der Wundränder und durch die veränderte Lage der Eingeweide oft die Cirkulalion gestört; und somit Entzündung oder selbst Brand herbeigeführt wird. Wenn diese üblen Folgen schon wirk­lich eiugctreteu sind, so ist dadurch grosse Lebensgefahr erzeugt; doch darf man nicht die dunkclrothe und trockene Beschaffenheit der Einge­weide als wirklichen Brand belrachlen und desshalb eine unbedingt schlechte Prognosis stellen. Denn die Erfahrung zeigt, dass bei solcher ßeschaffenheit sehr häufig noch die Wiederherstellung gelingt, wenn uur erst die Zurückbringung der Eingeweide geschehen ist und übri­gens eine entsprechende Behandlung der Thiero stallfindet.
Behandlung. Die vorgefallenen Eingeweide müssen so schnell als möglich in die Bauchhöhle zurückgebracht und die Wunden geschlossen werden. Das Thier muss vorsichtig, wie schon bei der vorigen Art von Bauchwunden gesagt worden ist, auf ein weiches Lager und zwar so niedergelegt werden, dass die Wunde oben zu liegen kommt. Zu­gleich legt man noch unter den Vorderlheil und unter den Hintertheil des Körpers ein massig dickes Bund Stroh, damit diese Theile hoch, die Mitte des Bauches aber lief zu liegen komme und die Muskeln im Umfange der Wunde sich erschlaffen. Schon hierdurch wird es in manchen Fällen geschehen, dass die vorgefallenen Eingeweide durch die eigene Schwere der übrigen noch in der Bauchhöhle enthaltenen Theile zurückweichen. Sind die vorgefallenen Theile unrein, trocken, so reinige man sie vorsichtig mit lauwarmem Wasser und schiebe sie dann mit den Fingern allmälig und ganz gelind in die Bauchhöhle zurück. Man hat dabei zu beobachten, dass der Thcil, welcher zuletzt vorge­fallen ist, also der nächste an der Wunde, immer zuerst zurückgebracht werden muss; also das Gekröse früher als die Därme, und diese früher als das Netz. Ferner muss immer mit einem Finger der schon zurück­gebrachte Theil zurückgehalten werden, bis man mit dem andern Fin­ger eine andere Portion nachschiebt. Nach der Zurückbringung des Ganzen muss man noch einmal mit dem Finger iu die Bauchhöhle ge­hen und sich durch das Gefühl überzeugen, dass die Eingeweide wirk­lich in die Bauchhöhle und nicht in die Zwischenräume der Muskeln gekommen sind. Die Wunde wird dann geheftet und im Uebrigen
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392nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Bauchwnnden mil Vorfall der Eingeweide. Behandlung.
ganz so behandelt, wie bei den einfachen eindringenden Bauchwunden angegeben worden ist.
In den meisten Fällen ist es jedoch nicht so leicht die Därme zurückzubringen, weil sie entweder mit Kolh oder Luft angefüllt oder in zu grosser Menge vorgefallen sind und von den W'undrandern zu­sammengeschnürt werden. In diesen Fällen muss man erst durch sanf­tes Zusammendrücken der Därme ihr Volumen vermindern, den einge­schnürten Thcil dadurch, dass man ihn noch etwas aus der Wunde sanft hervorzieht, gleichsam lösen und dann auf die schon angegebene Art zurückbringen. Gelingt auch dies nicht, so erweitere man die Wunde, doch immer nur so viel, wie nölhig ist, um die Zurückbringung mög­lich zu machen. Diese Erweiterung geschieht immer am besten in dem einen Winkel der Wunde und auf folgende Weise: Man drückt mit der linken Hand die Därme von dem Rande des Wundwinkels nach der entgegengesetzten Seite etwas weg und mit der rechten führt man eine Hohlsonde, die eine stumpfe S|iilzc hat, zwischen den Därmen und dem Wundrandc in die Bauchhöhle, fasst dann die Sonde mit dem Zeigefinger und Daumen der linken Hand, senkt das obere, herausste­llende Ende der Sonde nach den vorgefallenen Thcilcu, zieht dieselben etwas heraus, um zu sehen, dass nichts von ihnen sich zwischen die Soude und den Wundrand gelegt hat, hält dann mit den übrigen Fin­gern derselben Hand die Därme zurück (oder lässt dies durch einen Gehülfen thun) und schiebt endlich mit der rechten Hand ein Knopf­bistouri oder auch ein gewöhnliches Bistouri mit stumpier Spitze auf der Sonde so in die Wunde ein, dass es mit der Sonde einen spitzen Winkel bildet. Indem man das Bistouri langsam vorwärts schiebt, schneidet man den Wundrand 1 — 3 Linien tief ein und erweitert da­durch die Wunde hinreichend. Hierauf zieht man die Sonde und das Bistouri zugleich, ohne sie aus ihrer gegenseitigen Lage zu bringen, zurück. Die Reposition der vorgefallenen Theile verrichtet man dann auf die oben angegebene Weise. — Ist die Einklemmung so bedeutend, dass man selbst eine Hohlsonde nicht zwischen die herausgetretenen Theile und den Wundrand einbringen kann, so drückt man mit der linken Hand die Eingeweide von dem einen Winkel der Wunde auf die Seite, damit der Winkel frei werde, — drückt die Spitze des Zei­gefingers der linken Hand fest in denselben, setzt auf sie das Knopf-bislouri und schneidet vorsichtig zuerst die Haut, dann die Muskeln und Aponeurosen ein; ist man so bis zum Bauchfelle gekommen, so versuche man, ohne es zu durchschneiden, die Zurückbringnng der vor­gefallenen Theile; — wenn aber dieselbe nicht gelingt, so setze man, wie vorher, eine Hohlsonde vorsichtig zwischen die Därme und den Wundrand und durchschneide ihn ferner so weit als nöthig.
Sind die vorgefallenen Theile heftig entzündet, welches durch die Einwirkung der Luft oder durch die Zusammenschnürung der Wund­ränder gewöhnlich sehr bald geschieht, — sind sie bläulich-rolh, haben sie aber ihren Glanz, ihre Wärme und ihre Festigkeit noch nicht ver­loren, so müssen sie ebenfalls auf das schnellste zurückgebracht wer­den; denn nur dadurch und durch eine nachfolgende antiphlogistische Behandlung im ausgedehntesten Grade kann dass völlige Abslerben die­ser Theile durch Brand verhütet werden. Ist aber der Zustand schon
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Bauchwunden, Magenverletzung.
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so weit gediehen, dass die Theile wirklich brandig sind — welches man daran erkennt, dass ihre Farbe dunkel violett, selbst schwarz ist, dass ihr Glanz, ihre Warme und ihre natürliche Festigkeit verloren ist —, so ist die höchste Gefahr vorhanden; doch ist auch hierbei die Zurück­bringung dieser Theile noch der einzig ausführbare Versuch zur viel­leicht möglichen Erhaltung des Thieres. Diese Zurückbringung muss aber auf die allergelindcste Weise geschehen, damit die Theile nicht zerrcissen oder auf eine andere Weise verletzt werden.
Wenn das Netz mit den Därmen vorgefallen ist und noch sein gesundes Aussehen hat, so bringe man dasselbe immer, wo es gesche­hen kann, erst nach zurückgebrachten Därmen zurück; hat es aber bei längerem Heraushängen oder bei vorhandener Einklemmung sehr gelit­ten, seine Struktur und Farbe bedeutend geändert, ist es strickförmig und fest zusammengerollt oder sehr zerrissen, so ziehe man zuerst das heraushängende Stück ganz sanft noch ein wenig hervor, um es aus der Slriktur zu lösen, breite es dann aus einander, suche die Gefässe desselben auf, unterbinde diese ganz einfach mit einem gewachsten Fa­den und schneide das ganze Stück ausserhalb der Unterbindung weg. Ist dies geschehen, so bringe man das übrige gesunde in die Bauch-liöhle zurück. Nachtheilige Folgen sind von diesem Verfahren bis jetzt noch nicht beobachtet, obgleich es schon oft ausgeübt worden ist. Auch hier erfolgt die Heftung der Wunde und die Behandlung überhaupt nach den vorher angegebenen Regeln.
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ß. Eindringende Bauchwunden, complizirt durch Verletzung der Baucheingeweide.
Bei den eindringenden Bauchwunden kann jedes Eingeweide mit verletzt werden, und zwar innerhalb der Bauchhöhle oder nach dem Heraustreten der Eingeweide. Die Erkennung dieser Zusammensetzung ist im letztern Falle ziendich leicht aus der Untersuchung der verletzten Theile selbst, im erstem Falle aber mehrentheils nur aus dem Eintreten abnormer Ausflüsse aus der Bauchwunde und aus der gestörten Funk­tion der Organe, mit Berücksichtigung des Ortes und der Richtung der Verwundung zu erlangen. Die Gefährlichkeit der Verwundung ist da­bei in den meisten Fällen sehr gress, in jedem einzelnen Falle aber ist sie zum Theil durch die Grosse und Art der Verwundung, zum Theil aber auch durch die Wichtigkeit des verletzten Eingeweides, selbst durch die Art des Thieres u. s. w. bedingt. Die noch hinzutretenden Zufälle sind gewöhnlich Ergiessungen von Chymns, Kolli, Blut, Galle u. s. w. und heftige Entzündung.
a. Verletzung des Magens.
Dieses Eingeweide wird bei Pferden wegen seiuer durch das Colon u. s. w. geschützten Lage nur selten verletzt. Beim Kindvieh, beim Schaf und bei der Ziege, wo ein Theil des vierfach zusammengesetzten Ma­gens unmittelbar an der Bauchwand oder in deren Nähe liegt, kommen Verwundungen au demselben leichter vor, und nicht selten wird der
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Bauchwunden, Magenverletziing.
erste Magen auch bei krankhaften Zuständen in Folge tier dabei uölhi-gen Operationen absichtlich verletzt.
Die Zeichen der Verletzung des Magens sind oft nicht deutlich genug, um sie sicher zu erkennen; manchmal bestimmt die Richtung der äussern Wunde und der Ausfluss von unverdauter, sauer riechen­der Futtermasse aus ihr noch das meiste; nach VV ölst ein soll das gewisseste Kennzeichen des vcrwundelcn Magens darin bestehen, dass die Pferde das Maul aufsperren, sich strecken, und dass oft Futter aus der Nase herauskommt. Diese Zufälle kommen aber auch bei anderen Zuständen vor und sind desshalb nicht so sicher. In anderen Fällen erfolgt auch blutiges Erbrechen durch die Nase, oft auch nur Anstren­gungen zum Erbrechen; bei Hunden und Schweinen erfolgt immer wirkliches Erbrechen von Blut und unverdauten Futterstoll'cn durch das Maul. Pferde werfen sich zuweilen nieder und geberden sich über­haupt wie an Entzündungskolik Leidende; doch fehlen oft bei kleinen Wunden alle cigenthümlichen Symptome. Gewöhnlich findet sich ei­nige Stunden nach geschehener Verletzung eine Auftreibung des Leibes und Schmerzhaftigkeit desselben ein; die Pferde stehen traurig, halten die Ohren aus einander gespreizt und haben einen schwankenden, mat­ten Gang; in der Folge werden sie auf dem ganzen Körper mit Schweiss bedeckt, und bei grossen Wunden stellt sich der Tod zuweilen in kur­zer Zeit unter heftigen Couvulsionen ein. — Dci den Wiederkäuern er­folgen auf die Verwundungen der ersten beiden Magen, wenn die Wun­den nicht zu übermässig gross sind, und wenn nicht Ergiessung von Futter u. s. w. staltfiadet, gewöhnlich gar keine oder nur sehr geringe Zufalle1) (wegen der geringen Empfindlichkeit dieser Theile). Wenn Futterbrei ausllicsst, ist er aus den beiden ersten Magen fast ganz roh, aus dem dritten mehr fein verdauet und trocken, aus dem vierten ganz flüssig und sauer. Der dritte und vierte Magen (das Buch und der Labmagen) sind auch sehr empiindlich, besonders der letzlere, und Verletzungen in ihnen bringen fast die nämlichen Erscheinungen hervor, wie die Verletzungen des einfachen Magens bei den übrigen Uaus-thieren.
Prognosis. Beim Pferde, Schweine und Hunde sind fast alle Ver­wundungen des Magens, welche sich an dessen unterm Rande befinden, tödtlich, weil aus ihnen Nahrungsbrei, Getränk und Magensaft in die Bauchhöhle sickern und Bauchfellsentzündung erregen; kleine Wunden au der nach oben (der Wirbelsäule) zu liegenden Hälfte sind heilbar (wie dies die nach Hay ne's Angabe gemachte Applikation desTroikarts beweist); aber jede nur etwas grosse Wunde kann auch an diesen hö­hern Stellen, und eben so au den beiden letzten Magen der Wieder­käuer fast immer für absolut tödtlich angeschen werden, theils wegen der Ergiessung von Nahrungsbrei u. s. w., theils auch aus dem Grunde, weil die Heilkunst dabei fast nichts Ibun kann. Wunden des Pansen
') Beweise hierzu finden sich in den Operationen des Pansenstichs und des Pansensrhnitts, so wie in den merkwürdigen Verletzungen, welche durch fremde Körper von der Haube aus durch die Wand derselben, durch das Zwerchfell und bis in das Herz sich erstrecken.
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Bauchwunden. Darmverlelzung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 395nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ós
und der Haube bei Wiederkäuern, besonders wenn sie die oberen Wan­dungen dieser Theile betreffen, sind fast immer ohne Gefahr.
Behandlung. Grosse Wunden des ersten Magens der Wiederkäuer (und bei grossen äusseren Wunden aucli möglicherweise des zweiten Magens) werden mit gutem Erfolge geheftet, die Hefte am Magen kurz abgeschnitten und dann die Bauchwunde gleichfalls durch die Naht ver­schlossen. — In allen anderen Fällen ist bei Magenwunden kaum ver­suchsweise etwas zu thun. Ist eine grosse äussere Wunde mit zuge­gen, so suche man, nachdem das Thicr auf den Rücken gelegt ist, ei­nige Hefte durch die Wundränder des Magens zu bringen und diese dadurch sich zu nähern. Es ist dies eiu verzweifeltes Mittel, aber auch nur das einzig mögliche 1). Die übrige Behandlung ist die antiphlogi-slischc, überhaupt ganz so, wie bei den eindringenden Bauchwunden mit vorgefallenen Eingeweiden gelehrt worden ist; besonders aber ist die strengste Enthaltung von Futter und Getränk durch mehrere Tage oder bis zur Zeit der Heilung iiülliig.
b. Ver letzung der Gedärme.
Die Gelcgenheilsursachcn zu Darmverlelzungen können zwar so verschieden sein, wie zu allen Verletzungen überhaupt; im Allgemeinen aber kommen sie noch seltener, als die zu den Magenverletzungcn vor. Nur der Mastdarm ist einigen besonderen Gelegenheitsursachen zu Ver­letzungen unterworfen, von denen im folgenden (18ten) Capitel die Rede ist. — Die Wunden beti-cUen den Dünndarm (selten), oder den Dickdarm und sind in der Längenrichtung, oder quer, oder schief, glatt-raudig oder uneben, und bei Quer- oder schiefen Wunden ist die Trennung bald nur theilweisc, bald durchgehend.
Die Kennzeichen der in der Bauchhöhle verletzten Därme sind mehrentheils noch geringer, als die des verletzten Magens. Das si­cherste Merkmal ist es, wenn aus der Wunde stinkende Luft oder koth-artige Materie tritt. Oft gebt Blut durch den After mit den Exkre­menten ab, und betrifft die Verwundung die dünnen Därme, so treten auch zuweilen ähnliche Erscheinungen wie beim verletzten Mageu ein; das Thier bricht Blut, der Leib treibt auf, wird schmerzhaft, gespannt, der Puls sehr klein, das Thier hat kalte Ohren und Füsse, schwitzt aber, zeigt Leibschmerzen u. s. w. Diese Erscheinungen treten oft erst spät ein, und in diesem Falle kann man wieder nur aus der Tiefe, bis zu welcher das verletzende Instrument eingedrungen ist und aus den sich etwa einstellenden allgemeinen Zufällen, aus der Beängstigung des Tbieres u. s. w. die Verwundung nur vermulhen. Befindet sich das verletzte Darmstück ausserhalb des Bauches, so kann man die Wunde sehen; gewöhnlich ist hier der Darm in einem erschlafften Zustande, und aus der Wunde sickert zuweilen Kolli oder Schleim.
Obgleich die Vorhersagung wegen der grossen Gefährlichkeit dieser Verletzungen im Allgemeinen immer nur misslich ist, so richtet sich
') Beim Pferde wird wohl in den allermeisten Fällen die vordere doppelte Krümmung des Grimmdarms mit verletzt und dadurch, aber auch ohne diese Verletzung, bei der tiefern Lage der Theile die Heftung sehr schwierig sein.
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396nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Bauchwunden. Darmverlelzung. Behandlung.
doch dieselbe in den einzelnen Fällen darnach: ob die Wunde im Dünn- oder Dickdarm, klein oder gross, der Dann bloss angeschnitten oder durchgeschnitten ist; ob der verletzte Tlieil innerhalb der Bauch­höhle liegt oder vorgefallen ist; ob schon Ergiessungen von Futterstof­fen oder Koth stattgefunden. Im Dünndarm sind die Wunden wegen der grösscru Empfindlichkeit dieses Theils gefährlicher als im Dickdarm. Kleine Wunden heilen an beiden Abtheilungen ziemlich gleiclunässi^, und besonders an der obern Wand; bei grossen Wunden tritt überall leicht Nahrungsbrei, Koth, Galle u. s. w. in die Bauchhöhle, wodurch Bauchfellentzündung und gewöhnlich der Tod herbeigeführt wird. Dess-halb sind grosse Wunden und völlig durchschnittene Därme bei und ohne thierärztliche Hülfe in der Regel ganz ungünstig zu beurtheilen, besonders aber dann, wenn man die verletzlen Darmstücke nicht aui der Bauchhöhle hervorholen und zusammenheften kann.
Behandlung. Wenn eine Darmwundc auch nur wenig aus einander klafi't, müssen ihre Wundränder vermittelst der Heftuug zusammengezo­gen werden. Mau bedient sich hierzu einer recht feinen, krummen Hcftnadel, oder eben so gut einer feinen Nähnadel und eines seidenen, oder anderen glatten, gewachsten Fadens. Die Heflung selbst geschieht mittelst der Knopfuaht oder in den meisten Fällen am besten mit dei' Kürschner- oder Darmnaht auf die S. 322 angegebene Weise, wobei jedoch zu beachten ist: dass man immer trachten muss, die äussere (seröse) Fläche der Wundrändcr mit einander in Berührung zu bringen, weil diese am schnellsten zusammenheilt. Die grössle Schwierigkeit bei dem ganzen Geschäft ist, wenn nicht etwa der verletzte Dann aus der Bauchwunde heraushängt, — das Auffinden der verletzlen Stelle. Oft ist dieses Auffinden innerhalb der Bauchhöhle ganz unmöglich und da­her natürlicher Weise auch die Hcftung nicht ausführbar. In einem solchen Falle kann mau überhaupt, aussei- durch allgemeine Behandlung, nichts thun, sondern muss die Wunde der Natur überlassen. Bei ganz durchschniltenem Darme tritt dieser Fall am häufigsten ein, indem mau hier fast immer nur ein Ende, oft auch keins herausfindet. Die Schwie­rigkeit des Auffindcns wird dadurch noch vermehrt, dass wir am stehen­den Thiere wegen der grossen, durch die Schmerzen erregten Unruhe und Widersetzlichkeit desselben, selten eine ordentliche Untersuchung der Wunde und noch viel weniger die Heftung des Darms unternehmen können (bei vorgefallenen, verletzten Därmen möchte es vielleicht mög­lich und rälhlich sein), und dass bei dem gewaltsamen Umlegen des Thieres sich die Eingeweide zurückziehen, verwickeln und ihre Lage verändern. Ist man jedoch so glücklich gewesen die verletzte Darm-slelie zu finden, so hefte man dieselbe sogleich nach einer der jetzt anzugebenden Methoden schnell zusammen: — Man zieht zuerst die Dannstücke vorsichtig aus der Wunde hervor, drückt den in ihnen enthaltenen Koth aus beiden Enden, reinigt sie mit lauwarmem Wasser und näht bei nicht ganz durchschnittenem Darme oder bei Längenwun­den desselben die beiden Wundränder mit der Kürschner- oder umwun­denen Naht zusammen; oder man macht einzelne Hefte, wie bei der Knopfnaht. Ist der Darm ganz durchschnitten, so soll man das vor­dere, vom Magen her kommende Ende in das hintere, nach dem Mast­darm zu gehende Ende einschieben und nun beide mittelst dieser Nähte
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Bauchwunden. Leber-, Gallenblasen- und Milzverletzung.
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iusainmeiiheften. Es ist jedoch gewöhnlich sehr schwer zu beslimmeu, welches das vonlere oder das hintere Ende des Darms sei; zuweilen kann man dies aus der wurmförrnigen Bewegung und daraus erkennen, dass aus dem vordem Ende Koth u. s. w. aussickert, aus dem hinlern aber nicht; eingespritztes Wasser und der in den Darm gcsteekle Fin­ger werden aus dem .vordem Ende herausgedrängt, aus dem hintern aber nicht. Das Einschieben des vordem Endes in das hintere soll die Fortleitung des Danninhalles begünstigen; aber das Zusammenfügen einer Schleimhaut mit anderen Gebilden ist der Verwachsung nicht günslig. In allen Fällen muss die äussere Wunde nach den angegebe­nen Kegeln locker geheftet und dann, wie schon angegeben, streng an-iiphlogislisch behandelt werden. Es wird jedoch nur selten gelingen, einen solchen Palieulen, wo die Verletzung sehr bedeutend ist, zu er­hallen. Erfolgt Heilung, so geschieht dies mit circa 14 Tagen voll­kommen. — In einzelnen Fällen legt sich ein verwundetes Darmslück so gegen die Wunde der ßauchwändc, dass die Oellhung beider in einan­der übergeht und dann der Darminhalt durch die äussere Wunde her-vorlrilt. Gewöhnlich entsteht dann sehr bald eine Verwachsung des Bauchfells mit dem Darmslück und letzteres wird hierdurch fest in dieser Lage erhalten: die Wuudränder aber ^erdicken sich und bilden bald mehr, bald weniger einen dem After ähnlichen Rand. Ist die Oelfnung sehr klein, fistelähnlich, und sickert nur wenig Nahrungsbrei oder Koth aus ihr, so nennt man den Zustand eine Darm- oder Kuthfistel (Fistula intestinalis s. stercoralis); ist sie aber so gross, dass der Darminhalt sich grösslentheils oder ganz durch sie entleert, so ist dies ein künstlicher After (Anus praeternaturalis s. artiücia-lis). Bei beiden Zuständen können die Thiere lange bestehen, aber sie magern doch dabei gewöhnlich sehr ab und gehen zuletzt zu Grunde. — Man sucht die Oelfnung am besten nach und nach durch gute Gra­nulation zu verschliesscn, und zu diesem Zwecke wendet man die har­zigen Salben — bei träger, harter Beschaffenheit der Wundränder aber das Glüheisen oder den Lapis infernalis ganz oberflächlich und von Zeit zu Zeit wiederholt auf dieselben an. Will man gründlich zu Werke gehen, so kann man die Oellhung vorsichtig mit dem Messer erweitern, den Darm von der Bauchwand lösen, die Ränder der Darmöffuung frisch wund machen und zusammenheften, oder, wenn das Darmslück entartet und verengert ist, es ganz herausschneiden und dann verfahren, wie bei völliger Durchtrennung des Darms angegeben ist. Ein solches Radikalverfahren ist jedoch mit grossier Gefahr begleitet und desshalb wenig zu empfehlen.
c. Verletzungen der Leber, Gallenblase und Milz.
Man erkennt die Verletzungen dieser Theile bei einer offenen Wunde durch den Ort und die Richtung derselben, durch den Ausfluss vou einer Menge schwarzen Blutes oder von Galle. Oft ist die Erken­nung wegen Mangel oder Undeutlichkeit dieser wenigen Symptome sehr schwierig.
Die Vorhersagung ist in den meisten Fällen sehr ungünstig, weil wan gegen die innere Blutung, Gallenergiessung und gegen die hieraus
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Bauchwunden. Nieren- und Gebärmiitterverletzunlt;;.
entstehende Bauclifcllentziiadung fast gar nichts thun kann. Es giebl wohl einzelne Fälle, wo Verletzungen der Leber- und der Milzsubstanz geheilt worden sind; doch ist auf solche Seltenheiten nicht Rücksicht zu nehmen, weil man nicht weiss, wie tief die gegenwärtige Wunde ist. und ob oder wann die dabei befindliche Blutung sich stillen werde. Oft bilden sich Estravasate in der Kapsel der Leber und es tritt dann, wenn die Kapsel zerreist, der Tod plötzlich ein.
Behandl
ung. Das einzige, was etwa noch bei den Wunden dieser
Theile anzuwenden ist, sind anhaltende kalte Umschläge oder Begies-sungen des Bauchs mit Wasser, Eis u. s. w. die strengste Ruhe, eine angemessene antiphlogistischc Behandlung und mageres Futter.
d. Verletzun gen der Nieren.
Ausser den gewöhnlichen Gelegenheitsursachen der Verletzungen überhaupt tragen zu denen der Nieren noch besonders bei, die unvorsich­tige Applikation des Troikars beim Rindvieh, und heftige Schläge auf die Lendenwirbel, wodurch die Querfortsätze derselben abbrechen und die Splitter in die unter ihnen liegenden Nieren dringen können.
Die allgemeinen Symptome dieser Verletzung sind, wie schon Wolstein ganz richtig bemerkt (Siehe dessen Buch f. Thierärzte im Krieg. S. 80), denen ähnlich, welche bei Verletzungen des Rücken­markes oder dessen Scheiden erscheinen; die Thiere können nicht ste­hen, der Harn ist mit Blut gemengt, oft ganz unterbrochen, die Hinter­schenkel werden fühllos und stumpf. Oertliche Symptome sind entwe­der eine in der Nierengegend befindliche Wunde oder eine Geschwulst mit sehr grosser Empfindlichkeit bei Berührung dieser Theile; die Thiere biegen sich ein, wenn man mit der Hand hingreift. — Die Vorhersa­gung ist unbestimmt, sehr oft misslich. — Die Behandlung ist anti-phlogistisch einzuleiten, durch Aderlässe, wenig schleimiges Getränk, kein Futter, kalte Umschläge und strenge Ruhe.
e. Verletzung der Gebärmutter.
In nicht schwangerem Zustande sind Verletzungen der Gebärmutter sehr selten, aber ihre Hörner werden zuweilen mehr betroffen. Ausser den gewöhnlichen aber seltenen Verwundungen durch Stiche und Schüsse (Hiebwunden dringen nie so tief ein), finden in der Gebärmutter am häufigsten Verletzungen während der Geburt durch ungeschickte Mani­pulation z. B. beim Abkneipcn und Ausreisscn der sogenannten Mond­kälber, oder durch verunglückte Operationen, z B. mit den scharfen Hacken statt. — Auch kann die Gebärmutter im tragenden Zustande bei einer recht stark einwirkenden Gevvaltthätigkcit entzwei bersten, eben so bei schwerer Geburt durch die Wehen. — Bei den grosseren Ver­letzungen dieses Theiles bemerkt man einen Blutausiluss aus der Scheide, und die Thiere stellen sich an, als ob sie gebären wollten. Sie drän­gen viel auf den Mastdarm. Kleinere Verletzungen sind sehr schwer zu erkennen, wenn nicht etwa gleichzeitig ein Vorfall der Gebärmutter zugegen ist.
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Bauchwunden. HarnWascnvcrletzung.
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Prognosis. Wegen des ziemlich niedrigen Grades der Empfindlich­keit dieses Organs bei Thicren, besonders bei den Wiederkäuern ist es fast immer der Fall, dass Verletzungen an demselben für sich selbst keine grosse Gefahr mit sich führen, aussei' zur Zeit der Brunst, wo durch die erhöhte Reizbarkeit und den reichlichem Blutzufluss aller­dings eine heftige Entzündung hinzutreten und Gefahr erzeugen kann. In den übrigen Fällen ist der Umstand günstig, dass die Verletzungen gewöhnlich entweder während oder gleich nach der Geburt geschehen, oder dass wenn sie bei noch schwangcrem Zustande erfolgen, sie den­selben durch eine zu frühe Geburt beenden, — class also in allen die­sen Fällen die Gebärmutter sehr ausgedehnt ist, sich aber sehr bald nach der Verletzung eben so viel wieder zusammenzieht und folglich auch die Wunde zugleich sehr verengert wird. Aus diesem Grunde ist es erklärlieh, wie sehr bedeutende Btulungen bei Verletzungen dieses Organs sich ohne alle Hülfe recht schnell stillten. — Auch das hat man häutig beobachtet, dass durch oberflächliche Verletzungen selbst die Trächtigkeit für die Zukunft höchst, selten gestört wird.
Behandlung. Auch hier ist' ein enlzündungswidriges Verfahren aus­zuüben. Man spritzt, so lange noch Zeichen von Entzündung vorhan­den sind, schleimige Abkochungen täglich mehrmals lauwarm durch die Scheide ein, und wenn Eiterung sich zeigt, so gehe man allmälig zu gelind zusammenziehenden und zu Gerbstoff enthaltenden Mitteln über. Selten ist es nöthig, einen Aderlass dabei zu machen. Innerlich Salze, besonders aber das versüsste Quecksilber und äusserlich Klystiere, um beständig den Mastdarm frei zu erhalten, sind meistens vollkommen ausreichend. (Von der Complikation mit Vorfallen der Gebärmutter oder der Scheide s. bei den Vorfällen.)
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f. VerletzungeH der Harnblase.
Diese Verletzungen ereignen sich sehr selten, sind schwer zu er­kennen und bei einiger Grosse gewöhnlich tödtlich, besonders an dem Grunde, an der untern Wand und an den Seitenflächen der Blase. Das sicherste Zeichen ist das verminderte, auch gänzlich ausbleibende Har­nen, ohne dass ein Hinderniss dazu in der Harnröhre zu entdecken wäre, zuweilen der Auslluss des Harns aus der Wunde, ferner der Ort der Verletzung. — Hülfe ist hier fast gar nicht möglich; bei Wieder­käuern erfolgt der Tod oft sehr spät. Bei kleinen Wunden iu der Blase könnte man das Heften derselben versuchen und hierzu nöthigen-falls die Bauchwunde hinreichend erweitern; dann aber entweder einen Katheter für 6 — 8 Tage einbringen oder den Harnröhrcnschnitt machen, damit der Urin beständig frei nach hinten ausiliesseu kann.
C, Eindringende Bauchwunden, complizirt mit Ergiessung von Blut, Darmkoth, Urin etc.
Sehr schlimme und sehr häufige Complikationen der durchdringen­den Bauchwunden sind die Ergiessungen von Blut, Darmflüssigkeit und anderen Stoffen. Obgleich diese Ergiessungen nicht selten sind, so ent­stehen sie doch nicht so leicht und so oft, als man nach der Beschaf-
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Bauchwunden mit Ergiessungen.
fenhcit der Umstände glauben sollte; der Grund hiervon liegt in dem wechselseitigen Drucke, welchen die Eingeweide und die Wandungen des Bauches gegen einander ausüben, so dass zwischen ihnen wenig Zwischenraum bleibt. Daher verbreiten sich auch diese Ergiessungen, wenn sie nicht zu gross werden, nicht immer nach allen Richtungen über die Oberlläche der Eingeweide, sondern sie sammeln sich mehren-theils an einem begrünzten Orte. Die Blutgefässe geben bei Verletzun­gen leichter solche Ergiessungen als die Därme; bei diesen letzteren erfolgen sie aus dem dünnen mehr als aus dem dicken, aus Längen-wunden mehr als aus Querwunden, aus gerissenen mehr als aus ein­fachen Stich- und Schnittwunden, am häufigsten und stärksten aber aus dem Magen. Die Zufälle nach solchen Ergiessungen mengen sich mit denen der Verletzungen selbst zusammen; sie sind: heftiges Fieber, grosser Durst des Thieres, Auflreibung des Bauchs, grosse Schmerz-hafligkeit desselben, Anstrengungen zum Erbrechen und bei einigen Thieren wirkliches Erbrechen, und deutlicher Ausdruck von Angst. Es entsteht Entzündung der Eingeweide, die sehr schnell in i'rand über­geht. Gewöhnlich stellen sich diese Zufälle noch am nämlichen Tage der Verwundung oder doch gewiss am nächstfolgenden ein. — Die Blutergiessungen in die Bauchhöhle entstehen entweder aus den ver­letzten Gefässen der Bauchwandung und zwar aus der untern Bauch­deckenarterie oder aus dem Ende der Brustarterie, wenn die Beschaffen­heit der Wunde den freien Ablluss des Blutes hindert, oder sie entstehen aus den grösseru Arterien und Venen, die oben in der Bauchhöhle liegen. Das Blut sammelt sich nach der verschiedenen Grosse und Verletzung des Gefasses in grösserer oder geringerer Menge und mehr oder weniger schnell an.
Die Erscheinungen der Blutergicssung in die Bauchhöhle sind da­her verschieden und im Allgemeinen bedingt durch den Blutverlust und durch die davon erzeugte Irritation. Das kranke Thier wird nach und nach schwächer, — in dem Maasse, wie die Blutergicssung zunimmt, schwillt der Bauch an der untern Gegend oder etwas zur Seite an und zuweilen kann man bei sehr genauer Untersuchung Schwappung fühlen; ferner treten Kolikznfülle ein, Erweiterung der Pupille und Blässe der Schleimhäute. Der Puls wird zuerst voller, doch weicher, dann aber immer kleiner, das Thier schwankt, lehnt sich an die Wand. endlich fällt es um, bekömmt Convulsionen und stirbt.
Die thierärzlliche Hülfe bei diesen Zufällen beschränkt sich bei deu Ergiessungen von Darmkoth auf die baldige Auffindung und Heftung der Darmwunde, wenn dies möglich ist, und bei den Blutungen aus den Gefässen der Bauchwandungen auf die Unterbindung der Gefasse. Gegen die Blutungen aus deu grosseren Gefässen haben wir kein di­rektes Mittel; Aderlassen und kalte Umschläge über den Bauch mögen als ein höchst selten gelingender dürftiger Versuch angewendet werden. Bei allen Blutergiessungen muss jedoch aus deu bei den Brustverletzun­gen mit Blutergicssung angegebenen Ursachen die äussere Wunde so bald als möglich geheftet werden. Nimmt man aus dem allmäligen Verschwinden der angegebenen Zeichen wahr, dass die Blutung stehe, so kann man am folgenden Tage die Bauchwunde noch einmal öffnen, oder eine neue Oeffnung ganz vorsichtig am abhängigsten Theile des
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Verletzungen des Mastdarms.
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Bauches iu der Nähe der bemerkten Anschwellung machen, um dadurch das geronnene Blut zu entleeren. Dies ist jedoch, wie die ganze Com-plikation überhaupt, jedesmal ein verzweifelter Fall. — Wie vorsichtig gemachte Sectioneu zeigen, sammelt sich das Blut immer zwischen den Därmen auf der untern Baiichwand; oft iindet man im Umfange des ßlutklumpens Entzündung und Ausschwitzung von gerinnbarer Lymphe, wodurch das Blut gleichsam von der übrigen Bauchhöhle abgeschie­den wird.
Achtzehntes Capitel.
Verletzungen des Mastdarms und des Afters.
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Die Verletzungen des Mastdarms sind Längen- oder Quer wunden, mehrentheils gerissen, die Wände des Darms ganz durchdringend oder nur die Schleimhaut oder die Muskelhaut mit dieser zugleich betreffend. Sie befinden sich an der oberen oder an der unteren Wand, oder an den Seitenwänden nahe am After, oder von demselben mehr entfernt; zuweilen sind sie mit gleichzeitiger Verwundung der Scheide und in anderen Fällen mit Vorfall des Mastdarms complizirt. — Die Wunden am After bestehen gewöhnlich in Trennungen nach der Längenachse des Darms, mehr oder weniger quer durch den Schliessmuskcl, und finden sich am häufigsten am untern Rande, namentlich bei weiblichen Tlueren. Sie sind auch zuweilen mit Verletzungen der Mutterscheide verbunden.
Die Gelegenheitsursachen zu den Verletzungen des Mastdarms ent-sleben bei Hunden durch zu harten Darmkoth, durch spitzige, unver­daute Knochensplitter (dieselbe Ursache bemerkte ich auch einmal bei einem Schweine); bei Stuten erfolgen diese Verletzungen zuweilen, wenn zu hitzige Hengste bei der Begattung gewaltsam mit der Ruthe in den Mastdarm anstatt in die Scheide eindringen; ausserdem entstehen bei den weiblichen Thieren zuweilen Verletzungen des Mastdarms gleich­zeitig mit Verletzungen der Scheide während des Gebarens, wenn die Fiisse der jungen Ttiierc sich in der Scheide feststellen oder wenn die Geburtshaken ausgleiten u. s. w. Bei allen Hausthieren können sie während der Beibringung eines Klystiers entstehen, wenn die Thiere dabei entweder sich zu unruhig oder widerspenstig betragen, oder wenn das Klystierrohr zu spitzig oder zu lang ist, oder ungeschickt angewen­det wird. Bei grosseren Hausthieren werden diese Verletzungen des Mastdarms auch durch das ungeschickte Ausräumen des Darmkoths aus demselben und bei Untersuchungen, welche durch den After vor­genommen werden, herbeigeführt.
Die Verletzungen des Mastdarms sind, je nach ihrer Grosse und nach den eintretenden Zufallen zuweilen leichter, in anderen Fällen nur
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Vcrlelzungen des Mastdarms. Behandlung.
sehr schwer zu erkennen; zuweilen ist bei dem frischen Zustande der­selben ein Hlutiluss aus dem Alter zugegen, zuweilen aber ist derselbe sehr gering und oft fehlt er ganz. — Die Thiere haben bei diesen Ver­letzungen einen etwas gespannten, steifen und zuweilen matten Gang, und sie stellen sich oft, aber meisteus vergeblich zur Kothentleerung an; die wirklich erfolgenden Ausleerungen sind mit Anstrengungen und Schmerzen verbunden und der enlleerte Koth ist zuweilen blutig. Bei Wunden, welche die Wand des Darms ganz durchdringen, wird in we­nigen Stunden nach der Verletzung der Hinterleib stark aufgetrieben. Das sicherste Mittel zur Erkenntniss des Vorhandenseins und der Art und Grosse dieser Verletzungen giebt die vorsichtige Untersuchung des Mastdarms mittelst des in denselben eingebrachten, vorher mit Fett und Oel bestrichenen Fingers bei kleineren Thicren oder mittelst eingebrach­ter Hand bei den grosseren. — 1st aber die Wunde mehr am Aller und an diesem selbst, oder besteht zugleich ein Vorfall des Mastdarms, dann ist die Erkennung derselben leicht. — Die üblen Folgen, welche durch diese Wunden entstehen, sind in manchen Fällen Blut- und Kother-giessung durch die Wunde in das Becken und die Bauchhöhle, heftige Entzündung und Brand des Mastdarms selbst und anderer Eingeweide, langwierige Eiterung, Koliken, und wenn der After durchgerissen ist. so bleibt ein beständiges Ausemanderklairen desselben und bei Pferden und Rindern ein sehr häufiges lautes Ausströmen der Luft, besonders bei schnellem Laufen der Thiere bemerkbar, zurück.
Die Prognosis richtet sich hierbei zum grössten Theil nach der Grosse und Beschaffenheit der Wunde selbst und nach dem Orte der­selben, zum Theil aber auch nach der Empfindlichkeit des leidenden Thieres. Hiernach kann man laut der Erfahrung bestimmen: dass im Allgemeinen alle nur etwas grössere durchdringende Wunden, nament­lich aber bei Stuten fast alle über 1 Zoll grosse Wunden des Mast­darms, welche in seinem Innern durch das Eindringen der männlichen Ruthe beim Beschälen entstanden, für tödtlich zu achten sind '). Wun­den in der oberen Wand des Mastdarms und nach dem After zu sind weniger gefährlich als die au der untern Wand befindlichen und vom After mehr nach innen entfernten. Kleinere Wunden, von iremden Körpern erzeugt, veranlassen oft eine langwierige Eilerung, Fisteln und Verhärtungen, sind aber an sich nicht lebensgefährlich. Je empfindli­cher und reizbarer ein Thier ist, je höher (lie Entzündung und die Schmerzen schon gesteigert sind, ein desto schlimmerer Ausgang ist zu befürchten. Bei gleichzeitiger Verletzung der Mutterscheide hängt die Vorhersage zum Theil von der Wunde dieser letzteren mit ab, immer aber ist die Mastdarmverletzung das Wichtigste dabei. Die Wieder­vereinigung ist hier oft schwer zu erreichen.
Die Behandlung dieser Verletzung muss darauf gerichtet sein, die verletzenden Körper, welche sich etwa noch im Mastdarm befinden, zu
') Schon B our gelat (Exterieur) hat diese Beobachtung mehrfältig ge­macht, und dieselbe ist auch von Anderen bestätiget, z. B. von Greve (Er­fahrungen und Beobachtungen. Bd. II. S. 8), von Gelle (Recueil de méd, vét. 1828. p. 49U) u. A.
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Verletzungen der Mutlerscheide und der Schaamlefzcn.
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entfernen, die durchgellenden Wunden bald zu schliessen und die üblen Zufälle, besonders die zu heftige Entzündung zu verhüten und zu be-seiligen. Bei Verletzungen des Afters ist es zweckmassig, vor der ei­gentlichen Behandlung und während derselben die Schweifhaare glatt cinzuflechten. Die Entfernung des fremden Körpers, ü. B. der Kno­chensplitter sucht man, nachdem der Mastdarm vorher durch ein Kly-stier von einer schleimigen Flüssigkeit dazu vorbereitet worden, mittelst eines eingebrachten Fingers oder, wo dieser nicht zureicht, mittelst einer Korn - oder Kugelzangc zu bewirken, — und, wenn der fremde Körper wegen seiner Grosse und bei der Anschwellung des Mastdarms im
Ganzen nicht ohne Gewalt zu entfernen ist, so suche man ihn
mittelst dieser Instrumente zu zerdrückeu und stückweis herauszubrin­gen. Gros.sc Gewalt darf man hierbei niemals anwenden, sondern lie­ber warten, bis die Entzündung und Anschwellung der leidenden Theile durch die angewendeten Mittel sich gemindert haben werden, wo man dann die Versuche zur Enlfernung des fremden Körpers wiederholt. In solchen Fällen ist magere Diät, ein allgemeines anliphlogistisches Heilverfahren, namentlich die Anwendung des Calomels bis zum gelin­den Laxiren, und die häufige Wiederholung schleimiger Klystiere in kleinen Quantitäten erforderlich. — Die Verschliessung der Wunden ist nur in dem Falle durch chirurgische Hülfe möglich, wenn dieselben recht nahe an dem Afler oder in demselben selbst sind. Die Anlage der Naht (Knopfnaht) ist aber in den meisten Fällen der Mastdarm­wunden sehr schwierig, weil der uölhige Raum zum Anbringen der­selben fehlt. Man kann nur einzelne Hefte der Knopfnaht einlegen und dieselben nicht zusammenbinden, sondern nur zusammendrehen. Ist gleichzeitig eine Verwundung der Mutierscheide vorbanden, so ist das Heften um so nöthiger, gewöhnlich aber auch leichter zu vollbringen. Immer wird dabei der Mastdarm zuerst geheftet. — Die üblen Zufälle nach dem Heften sucht man auch hier durch die im Vorstehenden an­gegebene Behandlung zu beseitigen, und übrigens verfährt man nach allgemeinen Regeln. (Ueber die Behandlung des Mastdarmvorfalleraquo; siehe bei den Vorfällen.)
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Neunzehntes Capitel,
Verletzungen der Mutterscheidc und der Schaamlefzen.
Die vorzüglichsten Gelegenheitsursachen zu diesen Verletzungen sind: unregelmässige und schwere Geburten und unzweckmässig oder zu roh dabei geleistete Hülfe, besonders wenn die Füllen, Kälber oder Lämmer sich mit den Füssen in der Scheide feststellen, oder wenn Knochenbrüche entstanden oder die Geburtshaken während des Ziehens an denselben von dem Foetus losgeeangen sind; ferner durch das so-
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404 Verletzungen der Alutterscheide und der Schaanüefzen. Behandlung.
genannte Ringeln, wo man, um den weiblichen Thieren die Begattung zu verwehren, mitlelst Ringe von Draht oder Blech, welche man durch die Schaamlippen zieht, die Scheide zum grössten Theil vcrschliesst; ferner wenn die Thiere sich mit den Hinlertheilen an spitzigen oder sonst wie hervorstellenden scharfen Körpern reiben und dabei verletzen oder von rohen Menschen aus Muthwilien gerieben und verletzt wer­den u. s. w. — Diese Verletzungen sind von verschiedener Grosse und Beschaflienheit, 'zuweilen durch gleichzeitige Verletzung des Mastdarms. der Gebärmutter und Harnblase, oder auch durch Vorfall der Scheide selbst oder der nahe liegenden Theile complizirt.
Man erkennt diese Verletzungen meistens sehr leicht im frischen Zustande an der stattfindenden Blutung, dann an den vielleicht einge­rissenen Schaamlippen, an der starken Enlzünduugsgcschwulst mit Wärme und Schmerz daselbst, oder an dem gespannten und etwas schmerzhaften Gange der Thiere. Bei solchen Rissen, welche sich bis in den After erstrecken, sieht man oft Darmexkremeute durch die Schaamtheile abgehen. — Sind die sämmtlichen Häute der Scheide durchgehend verletzt, so dringt gewöhnlich Luft in die Becken- und Bauchhöhle, und in Folge dessen wird der Leib gespannt, aufgetrieben, schmerzhaft, das Athmen kurz, der Puls schnell, klein und hart, und manche Thiere benehmen sich wie bei Kolik.
Die Vorhersagung ist bei den einfachen, nicht zu grossen Ver­letzungen der Scheide, selbst wenn sie deren Wände durchdringen sollten, im Allgemeinen nicht ganz nngüustig, indem die Gefahr bei die­sen Wunden nicht sehr gross ist; bei grosseren Wunden aber, oder wenn zugleich der Mastdarm oder die ürinblase mit verletzt ist, oder wenn die Gebärmutter, der Mastdarm und dergleichen vorgefallen, ist die Verletzung zum Theil wegen ihrer eigenen Grosse und der erfol­genden heftigen Entzündung, zum Theil wegen der Bedeutendheit dieser Complikationen und wegen deren schweren Beseitigung immer sehr ge­fährlich und nicht selten tödllich. Wenn der Leib sehr gespannt, der Puls klein und hart und das Thier unruhig ist, ist der Zustand als ge­fahrdrohend zu belrachlen. Bei unregelmässiger Verwachsung können die Thiere zur Zucht unbrauchbar werden.
Bei der Behandlung dieser Verletzungen hat man zuerst darauf zu sehen, dass die Schweifhaare glatt eingellochten werden, um somit den beständigen Reiz der Haare und das Aulrocknen derselben in der Wunde zu vermeiden. Hierauf reiniget man die frischen Verletzungen mit kaltem Wasser, und heftet sie, wenn sie sich hierzu eignen, und wenn man sie gut erreichen kann, mit nahe an einander gelegten Hef­ten der Knopfnaht, — besonders so die Wunden am obern Winkel der Schaam und die grosseren an den Rändern der Lefzen. Zuwei­len müssen die Wundränder erst geebnet oder, wenn sie schon be­trocknet sind, frisch wund gemacht werden. Alle andere Wunden befeuchtet man mit kaltem VVasser so lange, als noch bedeutender Schmerz und Wärme vorhanden ist. Verlieren sich diese Symptome und tritt Eiterung ein, so wende man das Bleiwasser warm an, und wenn die Eiterung sehr heftig wird, gehe man zu den mehr adstringi-renden Mitteln über und wende Abkochungen von ihnen lauwarm an. Werden die Anschwellungen ödematös, so verbinde man die letzteren
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Verletzungen der männlichen Ruthe.
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Mittel mit mehr reizenden. — Alle sonstigen Complikationen werden ebenfalls nach ihrer Eigenthümlichkeit und den allgemeinen Grundsätzen behandelt.
Zwanzigstes Capitel.
Verletzungen der männlichen Ruthe.
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Diese Verletzungen sind in den bis jetzt bekannt gewordenen Fäl­len immer nur dann entstanden, wenn das Glied ausgeschachtet war; so z. B. bei sprungfertigen Hengsten aus Neckerei durch Schläge mit Ruthen oder mit Peitschen, oder sie erfolgten durch einen Hufschlag von einem andern Pferde, oder, selbst beim Beschälen, wenn sich Schweifhaare von der Stute vor die Schaam legten, durch die Haare, oder bei geringelten Stuten durch die Ringe von Blech oder Draht.
Diese Wunden sind entweder einfache Längen- oder Querwunden, oder unrogehnässig gerissen und mehrentheils mit Quetschung verbun­den, bald nur oberflächlich oder bis zur Harnröhre und tiefer eindrin­gend. Man erkennt sie im frischen Zustande bei ausgescliachfeter Kuthe ziemlich leicht durch das Gesicht und Gefühl, bei zurückgezogenem Glicde aber durch Äusfluss von Blut aus der Vorhaut. — Oft bildet sieh in kurzer Zeit nach der Verwundung grosse Anschwellung der Ruthe und auch der Vorhaut, die sehr häufig ödematös ist und sich wurstförmig vor die Ruthe legt. Das Thler ist dabei nicht im Stande die Ruthe im Schlauche zu erhalten, oder wenn sie hervorgetreten ist, sie wieder zurück zu ziehen, sondern sie bleibt strotzend angeschwollen, herabhängend und schaukelt dann bei der Bewegung des Pferdes ge­wöhnlich unter dem Leibe hin und her. — Nach eingetretener Eiterung besteht ein bald mehr, bald weniger reichlicher Äusfluss von Eiter oder Jauche aus der Vorhaut, und man findet die Wunden bald mit guter, bald mit schlechter Granulation bedeckt.
Die Vorhersagung ist bei diesen Verletzungen immer sehr unbe­stimmt; denn obgleich die Wunden nur äusserst selten so gross sind, dass sie durch Verblutung aus den kavernösen Körpern die Lebens­gefahr herbeiführen, so ist es doch oft der Fall, dass die Thiere für die Zukunft wenigstens zur Zucht untauglich werden, indem die Wun­den sehr leicht entarten, in langwierige, unreine Geschwüre übergehen, oder zu schwammigten, warzigen und beständig Feuchtigkeit aussickern­den Auswüchsen Gelegenheit geben und wobei die Hülfe dann meistens nur allein in künstlicher Entfernung des leidenden und entarteten Theils besteht. Alle diese Zufalle sind im höhern Grade sehr übel, denn die abgesonderte Flüssigkeit verbreitet in der Umgebung des Thieres einen fauligen, aashaften Gestank und bei warmer VVitterung erzeugen sich zuweilen Maden in diesen Geschwüren. Querwunden sind auch hier schlimmer als Längenwunden, Ist die Harnröhre mit verletzt, so blei-
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Verletzungen der männlichen Rathe. Behandlung.
ben zuweilen Urinfisteln zurück, die sehr schwer, zuweilen auch gar nicht zu heilen sind.
Die Behandlung der verwundeten Käthe besteht bei frischen ge­ringeren Wunden derselben 1) bloss in der Reinigung der Ruthe und des Schlauches durch lauwarmes Wasser, wobei man zugleich die ge­wöhnliche in seiner ionern Fläche angesammelte schmierige Materie zu entfernen sucht, und 2) in der Verminderung aller dahin wirkenden Reize, um den Zufluss des Blutes und das Ausschachten zu vermeiden, weil dieses zur Verscblinimcrung der Zufalle beiträgt. Wenn sehr ge­spannte und heisse Anschwellungen der Ruthe und am Schlauche ent­stehen, so wende man Bähungen von kaltem, später von lauwarnicm Bleiwasser an; werden aber diese Aiiscliwcllungcu ödematös, wurst-förmig und sehr gespannt, so lasse man Biihungcn und Dunslbäder von aromatischen Kräutern, im Nothfalle von llcusamcn machen, aus-serdem auch das Thier oft bewegen. Vergebt auf die fortgesetzte An­wendung dieser Behandlung die Geschwulst noch nicht, so ist es no­ting, Einschnitte oder Einstiche in dieselbe zu machen, um das unter der Haut beiindlichc Serum zu entleeren. Da sich aber dieses in den meisten Fällen nicht bloss oberflächlich, sondern auch in den schwam­migten Körpern der Ruthe selbst ansammelt, so muss man die Ein­schnitte auch in diese machen. Die Schnitte oder Eiuslichc müssen, nach der allgemeinen Regel, immer in der Liiiigcniichtiing des Theiles gemacht werden. Diese kleinen Wunden und die ganze Anschwellung werden nun mit den vorgenannten Bäbungeii von zertheilenden Mitteln, zu denen man in der Folge, wenn sich starke Eiterung einfindet, auch noch Abkochungen von zusammenziehenden Mitteln, z. B. von Wei­den-, Rosskastanien- oder Eichenrinde, Kupfervitriol, Alaun und der­gleichen zusetzt, so lange lleissig lauwarm gebähet, bis die Heilung sich einstellt. — Zur Unterstützung solcher sehr grosser und schwerer Ge­schwülste kann man auch eine hierzu passende Aufhänge-Ban dage (Suspensorium) anzubringen suchen, welche nach vorn an einen um­gelegten Bauchgurt und nach hinten und oben an den Schweifriemen befestiget werden kann, — immer aber nur an dem leidenden Theil locker anliegen, niemals aber denselben drücken darf, weil odematösc Theile durch einwirkenden Druck sehr leicht spbacelös werden.
Sind die Wunden sehr tief in den Penis gedrungen und ist der­selbe in die Vorhaut zurückgezogen, so niuss er vorsichtig bis zur verwundeten Stelle aus der letzteren hervorgezogen und wenn die Blutung gestillt ist, die Wunde mit einem oder einigen ganz feinen Heften zusammengeheftet und wieder zurückgebracht werden. Die Blu­tung ist bei diesen tieferen Wunden oft sehr stark und der wichtigste Umstand der Verletzung. Um sie zu stillen, begiesse man die vorge­zogene Ruthe recht fleissig mit eiskaltem Wasser oder mit einem Ge­misch von Essig und Wasser. Ist sie hierdurch nicht zu stillen, so lege man oberhalb der Wunde ein etwas breites Band massig fest um die Ruthe, worauf die Blutung bald sich massigen wird; wenn dies geschieht, so ist dann das Heften der Wunde oft noch das beste Mit­tel zur völligen Stillung derselben. Sind jedoch alle diese Mittel frucht­los, so muss die Wunde mit einem weissglühenden, flachen Brenneisen gebrannt werden, bis ein fester Schorf sich auf der Wundfläche erzeugt
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Verletzungen des llodcnsacUcs und der Hoden.
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hat, wobei natürlicher Weise nicht mehr au die schnelle Wiederver­einigung der getrennten Theile zu denken ist. In solchen Fällen thut man bei sehr tiefen, bis durch die Harnröhre gehenden Querwnn-den am besten, sogleich die halb abgetrennten Theile noch vollends durchzuschneiden. Bei solchen tiefen Vcrlelzuugen, wo die Harnröhre mit belrollcn ist, muss nach gestillter Blutung und nach geschehenem Heften der Wunde eine dünne, glatte, metallene oder noch besser eine elastische Röhre in die Harnröhre bis über die verwundete Stelle der­selben so vorsichtig als möglich gebracht und auf die schicklichste Weise, z. B. durch das Befestigen ihres vorderen Endes an einen etwas nach hinten umgelegten Bauchgurt, in ihrer Lage erhalten werden. Diese Behandlung der grosseren und tieferen quot;Verwundungen kann stets nur als ein Versuch zur Erlangung der Wiederzusammenheilung betrachtet werden; — zuweilen wird sie gelingen, in anderen Fällen aber wird der unterhalb der Wunde befindliche Thcil innerhalb 8—10 Tagen brandig absterben. Mau erkennt dies besonders aus der Kälte und Gefühllosigkeit des leidenden Theils und aus dem Ausflicssen einer bräunlichen oder schwarzen, heftig stinkenden Jauche. Wo dies ge­schieht, oder wo die heftige Blutung aus den kavernösen Körpern oder aus den grosseren Gelassen der Kuthe bei sehr tiefen Wunden dersel­ben auf keine andere Weise zu stillen ist und Gefahr droht, — ferner wo eine Wunde am vordem Theile der Ruthc sehr entartet oder die­selbe zum grössten Theile mit starken warzigen oder schwammigten Auswüchsen veranstaltet ist, da bleibt nichts anderes übrig, als den halb gelrennten, oder abgestorbenen, oder entarteten Theil vollends durch die Amputation zu entfernen. (Siehe Krebs dieses Theiles.)
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Ein mul zwanzigstes Capitel.
Verletzungen des Hodensacks, der Hoden und deraquo; Saamen-
stranges.
Der Hodensack wird zuweilen durch Bisse von Hunden, durch Gegenfabren mit der Deichsel, durch Zaunpfähle u. s. w., wenn die Thiere über Zäune springen, zufällig verletzt, am häufigsten aber wird derselbe bei der Castration absicbllich verwundet. Die erslercn Ver­letzungen sind mehrentheils mit Quetschung, mit starker Zerrung und mit Blutextravasaten verbunden; sie sind ferner zuweilen nur oberfläch­lich, in anderen Fällen aber bis in die Höhle des Hodensackes eindrin­gend. Im letztem Falle kann der eine oder der andere Hode mit ver­letzt, oder zwischen die Wundränder des Hodensackes eingeklemmt, oder auch gänzlich aus dem letztern hervorgetreten sein. Verwundun-gen des Saamenslranges allein kommen, ausgenommen bei der Castra­tion, nur äusserst selten vor.
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lOSnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Verletzungen des Hodensackes und der Hoden.
Die ErkenmiDg dieser Verletzungen ist gewöhnlich leicht, indem
man sie deutlich sehen, fühlen, mit der Sonde oder auch selbst mit dem Finger untersuchen kann. Das Hervortreten eines Hodens ist eben­falls an der Form und Derbheit des Organs leicht zu erkennen; ist die Verwundung nicht mehr ganz frisch, so erscheint der eingeklemmte oder hervorgetretene Hode an der Oberfläche trocken und zusammen­geschrumpft. Dagegen ist es schwierig, bei engen, eindringenden Wun-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;*, den in jedem Falle mit Bestimmtheit zu erkennen, ob der Hode im Innern des Hodensackes mit verletzt ist oder nicht. Ausser den eigent­lichen Verletzungssymptomcn bemerkt man noch in den meisten Fällen eine bald eintretende mehr oder weniger starke Anschwellung des Scroti, welche grösstentheils oedematös, aber doch mit Symptomen der Entzündung im Umfange der verletzten Stelle verbunden ist. Aus-serdem stellen sich die Thiere mit den Hinlerbeinen breit, sie gehen zuweilen selbst hinkend, die Hoden werden stark in die Höhe gezogen, Hunde lecken sich viel an dem Scrotum, und zuweilen entsteht auch Fieber.
Die Beurtheilung der Wunden des Hodensackes ist je nach der Grosse, der Beschail'enheit und dem Orte derselben in den einzelnen Fällen verschieden. Einfache Schnittwunden, selbst wenn sie eine be­deutende Länge haben, heilen sehr leicht und selbst gerissene und ge­quetschte Wunden, welche nicht in die Höhle des Hodensackes eindrin­gen und nicht mit Verwundung oder mit heftiger Quetschung des Ho­dens und mit quot;Vorfall desselben verbunden sind, heilen hier schneller als fast am ganzen übrigen Körper; wenn aber bei grossen Hodensack­wunden die Luft durch längere Zeit auf den Saameustrang nnd den Hoden einwirkt, so entsteht heftige Reizung der Scheidenhäufe, Ent­zündung, plastische Ausschwitzung und Verdickung derselben und in Folge dessen behalten die Thiere zuweilen einen gespannten Gang für lange Zeit. Zuweilen entartet auch der Hode und verliert seine Funk­tion, was bei Zuchtthieren von grösserer Bedeutung ist. In einzelnen Fällen dringt durch die Wunde und weiter durch den Bauchring Luft in die Bauchhöhle und verursacht, wie bei eindringenden Bauchwun­den, Irritation des Bauchfells, Entzündung, Kolik, und unter begünsti­genden Umständen selbst den Tod. — Ist ein Hode aus der Scheiden­haut hervorgetreten, aber nicht zugleich verletzt, auch nicht zu sehr ausgetrocknet, so kann derselbe zurückgebracht und möglicherweise noch erhalten werden; doch gelingt dies nicht immer; bei der Heilung eines solchen Falles entsteht Verwachsung des Hodens mit der Schei­denhaut und zuweilen auch in der Folge Vergrösserung des Organs, aber die Funktion desselben geht nicht immer dabei verloren. Kleine Verletzungen des Hodens können heilen, verhalten sich aber in ihrem Verlauf ganz ähnlich, wie eben angedeutet; grosse Wunden, nament­lich aber solche, die mit starker Quetschung oder mit Zerreissung ver­bunden sind, führen in der Regel Zerstörung des Organs durch Eite­rung und dann Verlust desselben herbei.
Die Behandlung der einfachen oberflächlichen und eindringenden Hodensackwunden besteht in dem Zusammenheften der Wundränder und in der Minderung der hinzutretenden Entzündungsgeschwulst und des Oedems. Zum Heften kann man die Knopfnaht oder auch die
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Verletzungen des Hodensackes und der Moden,
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Küt'schnernalit benutzen. Sind einzelne Lappen grösstentheiis aus dem Zusammenhange der übrigen Masse gerissen, so kann man sie vollstän­dig wegsclineiden, hierbei die Wundränder ebnen und sie dann heften. — Herausgetretene Hoden befeuchtet man mit lauwarmem Wasser und schiebt sie dann in die Höhle des Hodensackes zurück. Zuweilen ge­lingt dies nicht, weil die Wunde sich über dem obern dünnem Theil des Hodens zu stark zusammengezogen hat und ihre Ränder denselben förmlich einschnüren. In diesenraquo; Falle drängt man mit der nöthigeu Vorsicht eine Hohlsonde zwischen dem Hoden in die Wunde und zwar am besten da, wo die Ränder einen Winkel bilden, und schneidet dann mit einem Kuopfbistouri, welches in der Rinne der Sonde geleitet wird, die Häute des Hodensacks noch einige Linien weiter durch, worauf dann die Zurückbriugung sich leicht bewirken lässt und hiernach das Heften der Wunde stattfinden kann. — Wenn ein Hode im bedeuten­dem Grade mit verletzt ist, so ist es am besten, denselben ganz abzu­tragen. Für diesen Zweck muss die etwa zu kleine Wunde im Hoden­sacke genügend erweitert, der Saamenstrang massig straff hervorgezogen, das Scrotum aber nach dem Becken hin zurückgestreift werden, worauf dann entweder die Saamenarteric isolirt unterbunden, oder nachdem sie durchsclinilten ist, zugedreht oder auch mit dem Glüheisen bis zur Schorfbildung gebrannt weiden kann, oder es findet auch die Unter­bindung des ganzen Saamenstrangcs oder die Compression desselben mit­telst der angelegten Casirirkluppen statt. In einem wie im andern Falle wird zuletzt der Saamenstrang etwa 1 — 2 Querfinger breit über dem Hoden völlig durchschnitten und der letztere entfernt. Das Heften der Wunde ist nach Entfernung des Hodens nicht zweckmässig, weil in jedem Falle etwas Eiterung an der Wunde des Saamenstrangcs oder an der Unterbindungsstelle eintritt. — Gegen die nach solchen Verletzun­gen entstehende Entzündungsgeschwulst wendet man in den ersten Ta­gen, so lange grosse Hitze und Schmerz an den verletzten Theilen wahrnehmbar sind, lauwarme Fomentationen von schleimigen Flüssig­keiten an; wenn aber die Geschwulst mehr einen asthenischen Charakter an sich trägt, benutzt man Bähungen mit gelind aromatischen Mitteln, denen man bei grosser Schlaffheit der ïheile selbst etwas Branntwein zusetzen kann.
Zuweilen hat sich bei solchen Wunden ein förmliches Eitergeschwür in dem Hodensacke, ein Uodensack-Abscess, gebildet. Man findet dann einen lange Zeit bestehenden Ausfluss von Eiter aus einer kleinen, mit kailösen, gewöhnlich nach innen umgebogenen oder eingezogenen Rändern versehenen Oeffnung, und bei der Untersuchung mit der Sonde findet man in dem Hodensacke eine bald grössere, bald kleinere Höhle, in welcher die Wände zuweilen glatt, mehrenlheils aber mit ungleicher Granulation bedeckt sind. Ist der Hode noch vorhanden, so findet man denselben mehrentheils geschwollen und von ungleicher Derbheit, den Saamenstrang aber mehrenlheils nicht verändert. Die Veranlassung zu solchen Hodensackabscesscn liegt häufig in den zu kleinen Wundöffnun-gen, zuweilen wohl auch in der Einwirkung der atmosphärischen Luft, in Reizungen der Scheidenhaut durch gemachte Einspritzungen, bei Hunden durch zu häufiges Belecken u. s. w. — Die Hodensackabscesse geben zur beständigen ßcschmutzung der innern Fläche der Hinter-
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410nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Verletzungen des Hodensackes und der Hoden.
schenkel, zu fortdauerndem Säfteverlust und im Sommer zur Herbei­lockung vou Insekten Veranlassung. In Folge des letztem Umstandes finden sich auch zuwcileu Maden in dem Geschwüre ein. Die Heilung dieses Uebels wird durch Naturthätigkeit allein selten bewirkt und selbst bei angewendeter Kunsthülfe erfolgt sie zuweilen erst nach mehreren Wochen.
Die Kur besteht in der Erweiterung der zu engen Oefluuug, in dem Ausschälen oder in der Zerstörung der entarteten weissen Hoden­sackhaut durch Aetzmittel oder durch das glühende Eisen und in der Erzeugung einer guten Eiterung. Für den ersten Zweck muss das Thier niedergelegt werden, worauf entweder auf einer eingeführten Uohlsonde oder auf dein Finger die Ränder der Oell'nung mit einem Knopfbislouri nach vorn oder nach liinlcn zu vollständig durchschnilleu und die entarteten Theile im Innern iniltclst Pinzelle und Messer oder Scheere entfernt werden; oder man brennt dieselben nach gesebehener Erweiterung der Wunde mit dem glühenden Eisen oder man bestreicht sie mit Lapis infernalis und wendet dann warme Fomentationen vou schleimigen Mitteln an, bis gute Eiterung eingetreten ist, bei welcher man sich auf blosses äusserliches Reinigen des Hodensackes beschränkt.
Nach Verwundungen des Hodensackes, besonders nach dem Ca-striren, entsteht zuweilen eine Entzündung des Saamenstranges mit zu reichlicher plastischer Aussehwitzung und dadurch bedingter Veidickung dieses Theils, oder auch mit Eiterung in seinem Gewebe und mit üppi­ger Granulation; besonders nehmen die Sclieidenhäutc an den Folgen dieser Entzündung Theil, indem sie sich oft um das Vierfache verdicken und mit den umgebenden Theilen fest verwachsen. In den meisten Fällen dringt in dem so entarteten Saamenstrange die Eiterung mehr tief in das Gewebe und stellt dann die sogenannte Saamenstrang-fistel dar.
Die Erkennung dieses Zustandes beruht auf dem beständigen Aus-fluss von Eiter aus der noch offenen, aber bis auf eine sehr kleine Stelle zusammengeschrumpften Wunde des Hodensackes, so wie auf der innerhalb des Hodensackes fühlbaren Verdickung des Saamenstran­ges, und auf dem Eindringen einer Sonde durch die Wunde in einen iistelartigen Kanal in dem entarteten Saamenstrange. Sowohl dieser Kanal, wie auch die Verdickuug des, Saamenstranges erstrecken sich bald nur eine kleine Strecke im Verlaufe des Saamenstranges nach oben, bald wieder bis nahe an den Bauchring. Wenn die Verdickung einen bedeutenden Umfang erreicht hat, oder wenn sie noch mit fortschrei­tender Entzündung verbunden ist und wenn die Thicre sehr empfind­lich sind, bemerkt man gewöhnlich einen gespannten oder selbst lahmen Gang mit dem Hinlerfussc derselben Seite, an welcher eben der Saa-menstrang angeschwollen ist.
Die Saamciistranglisteln entstehen gewöhnlich nach Verlauf von etwa 14 Tagen nach stattgefundener Castration oder anderweitiger Ver­wundung und zwar zum Theil bedingt durch die Einwirkung der At­mosphäre, in manchen Fällen aber auch durch wiederholte mechanische Reizungen bei dem Untersuchen und zu vielenraquo; Reinigen der Wunde, und in manchen Fällen auch durch andere reizende Einflüsse, wie z. B.
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Verletzungen des Hodonsacks. (Saainenslrangfislcl)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 411
durch Aetzmiüel, welche man mit deu Cashirkluppeu angewendet liatte II. s. w.
Die Beurtheilung der Verdickungeu und Fisteln des Saamenstran-ges ist im Allgemeinen günstig zu machen, denn in den allermeisten Fällen ist die Heilung sicher herbeizuführen; aber je mehr die Entar­tung im Saameiistrange sich nach dem Lcisteuringc hin erstreckt, um desto mehr schwierig ist die Heilung und um desto eher kann bei der nöthigen Operation ein übler Zufall eintreten, namentlich eine schwer /ai stillende Blutung.
Die Kur ist bei frisch enlstandencn Verdickungen des Saamenstran-ges darauf gerichtet, die schleichende Entzündung zu beseitigen und gute Eiterung an der verletzten Stelle herbeizuführen. Für diese Zwecke lässt mau die graue Merkurialsalbe am Scrotum im Verlaufe des Saa-menstranges täglich 2 Mal reichlich einreiben und macht warme Fo-menlationen oder Umschläge von schleimigen und narkotischen Mitteln. Ist aber eine wirkliche Saamenstrangfistel vorhanden, so muss dieselbe, am besten am niedergelegten Thiere, mit Hülfe der Hohlsondc und des Bi­stouris nach vorn und nach hinten hin soviel erweitert werden, dass man bequem einen Finger bis auf den Grund einführen kann. Hierauf brennt man mit einem entsprechend dicken cylindrischeu Eisen die Wände und den Grund der Fistel und wendet dann die warmen Fo-mentationeii von schleimigen Mitteln an, bis gleichmässige gute Eiterung wieder eingetreten ist, bei welcher in der Regel die Heilung bald er­folgt. Wenn aber die Enlarlnug des Saamenstrangcs weit vorgeschrit­ten ist, namentlich eine faustgrosse Verdickung und Verhärtung dessel­ben mit der Fistel verbunden ist, bleibt nur allein die Exstirpation dieses entarteten Theils zur Herbeiführung der Heilung übrig. Hierzu wird das Thier auf den Rücken gelegt und die Füsse jeder Seite wer­den mit einander zusammen gebunden. Man durchschneidet dann, wenn die Haut des Hodensackes nicht degenerirt ist, dieselbe einfach von der Fistelöffnung aus nach vorn und nach hinten so weit, wie man äusser-lich die Verdickung des Saamenstrangcs fühlt; ist aber die Haut ver­dickt, mit Geschwüren besetzt, so umschneidet man diese kranken Stellen und zugleich die FislelöfTnung mit halbmondförmigen Schnitten, so dass in der Mitte ein fast lorbcerblattähnliches Hautslück auf dem Ende des Saamenstrangcs sitzen bleibt. Die Hautränder und die Haut selbst werden hiernach rund herum von dem Saamenstrage abpräparirt bis dahin, wo der letztere eine weiche oder mehr normale Beschaffen­heit zeigt. Hierbei muss der Saamenstrang selbst hervorgezogen und in verschiedenen Richtungen, je nachdem man die eine oder die andere Fläche eben blosslegt, gebogen werden. Zu diesem Zwecke erfasst man ihn mit einem scharfen Haken oder man zieht mittelst einer grossen Heflnadel eiu Band quer durch ihn und bildet aus demselben eine Schleife, die man als Handhabe benutzt. Bei dem Ausschälen bleibt man so viel wie möglich in dem Zellgewebe, zwischen der Haut und der gemeinschaftlichen Scheidenhaut und die hierbei unter das Messer kommenden grosseren Blutgefässe unterbindet man sogleich doppelt und schneidet sie zwischen den beiden Ligaturen durch. Ist das Ausspülen bis zu der bezeichneten Stelle geschehen, so legt man um den Saamen­strang eine breite eiserne Klammer, presst dieselbe recht fest zusammen
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Verletzungen des Euters und der Zilzcn.
und hält sie daun mit der zu diesem Zweck angebrachteu Steilschraube fest. Ausserdem legt man zum Schulz gegen die Einwirkungen des zu adhibirenden Brenneisens noch nasse Compressen auf das Scrotum zu beiden Seilen des Saamenstranges, und schneidet daun mit einem messer-(ormigeu, weissglühenden Brenneisen den Saamenstrang etwa -£ Zoll ausserhalb der Klammer quer durch. Die Schnittfläche muss dann noch mit diesem Brenneisen oder mit einem weissglühenden knopflormigen Brenneisen so viel berührt werden, dass ein gehörig dicker Schorf ent­steht und die Blutung hierdurch vollständig gestillt wird. Um zu sehen, ob letzteres wirklich der Fall ist, üll'uet man nun die Klammer, legt aber vorher unter dieselbe die Finger der linken Hand um den Saamen­strang, damit derselbe nicht in die Tiefe des Leistenkanals zurückgezo­gen werden kann. Zeigt sich hierbei an der Schnittfläche noch Blutung, so muss das Brenneisen nochmals bis zur Erreichung des Zweckes applizirt werden; ist aber die Blutung gestillt, so wird die ganze Wunde gereiniget, mit festen Wergtanipons bis zu den VVundrändern des IIo-densackes angefüllt und die letzteren werden mit 4 — 5 Heften der Knopfnaht vereiniget. Das Thier wird entfesselt, in den Stall zurück­gebracht und hier während der ersten 4—6 Tage stehend erhallen. Die Hefte entfernt mau nach 2 Tagen und die Tampons nach etwa 3 Tagen. Fast in allen Fällen entsteht um diese Zeit ein sehr übler, fauliger Geruch in der Wunde, welcher jedoch nur eine Folge des in die Zwischenräume der Hodensackhöhle cingesickerlen und durch die Wärme zersetzten Blutes ist und daher keine üble Bedeutung hat; bei vollständig eingetretener Eiterung verschwindet derselbe ganz von selbst. Die Nachbehandlung besteht bloss in der Anwendung lauwarmer Fo-mentationen von Heusaamenbrühe oder gelind aromalischen Mitteln und die Heilung erfolgt gewöhnlich nach circa 3 — 4 Wochen fast von selbst.
Zwei und zwanzigstes CapHel.
Verletzungen des Euters und der Zitzen.
Die Verwundungen dieser Theile entstehen durch die gewöhnlichen Veranlassungen, zuweilen aber auch durch Bisse, durch Dornen u. s. w. — Sie sind entweder nur oberflächlich oder auch in die Drüsensubstanz, und an den Zitzen bis in den Kanal derselben eindringend und bald einfach, bald auch mit Quetschung oder Zerreissung complizirt; hin­sichtlich ihrer Form und Grosse finden sich Verschiedenheilen, wie bei anderen Wunden.
Diese Verwundungen sind durch die gemeiuschaftlicheu Zufällen der Wunden und bei milchgebenden Thicren sind die tiefen Wunden noch besonders durch den Ausfluss von Milch aus den verletzten Stellen
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Verletzungen des Euters und der Zitzen.
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charakterisirt; bei nicht milcbgebeuden Thieren fehlt uatürlich diese Er­scheinung. Ausserdem bemerkt mau noch, dass sich die Thiere bei dem Melken, eben so bei dem Saugen ihrer Jungen bald mehr bald weniger empfindlich und widersetzlich zeigen.
Die Bcurtheilung ist bei oberllächlichen Verlclzungeu überall gleich-massig günstig; auch tiefer einiedrigendc Verlclzungeu bei nichtmilch-gebenden Thieren haben keine besondere Gefahr mit sich und die Heilung erfolgt bei einer zweckmässigen Behandlung leicht; dagegen macht der Ausfluss von Milch fast immer eine grosse Störung, die Heilung erfolgt schwer und zuweilen bleibt eine Fistel zurück, indem die Wunde bis zu einer kleinen Oeflnung verwächst, aber die Ränder der letztem kailös werden und ein beständiger von selbst erfolgender Ausfluss der Milch besteht. Mit einer Sonde kann man dann bis zu einer gewissen Tiefe in die Milchdrüse oder in den Ausführungskanal der Zitze ein­dringen. — In Folge der Entzünduug, welche sich zu diesen Verwun­dungen gesellt, entsteht zuweilen Verhärtung des Euters, Verwachsung des Ausf'ührungsgangcs u. s. w. gauz wie bei der Entzündung dieser Theile nach andern Veranlassungen (S. 157 u. ilgd.).
Die Kur besieht in dem möglichst baldigen Heften der Wundrän­der, wenn die Wunde nur irgend hierzu geeignet ist und in der Besei­tigung der hinzulrelenden Eulzündung des Euters. Das Heften geschieht nur in der Haut und mit recht nahe an einander liegenden Heften der Knopfnaht oder auch der Kürsclmernaht. Zum Vereinigen der Wunden an den Zitzen kann man auch die umschlungene Naht benutzen. Wo die Wunde zur Vereinigung mittelst der Naht nicht geeignet ist, kann man sie mit Streifen von Heftpflastern zu vereinigen suchen, oder wo auch dies nicht angeht, nameullich bei Substanzvcrlust, da kann man die ganze Wunde mit einem Liniment aus gleichen Theilen Eiweiss und fein pulverisirteu Alaun etwa 2 — 3 Linien dick bestreichen. Dieses Mittel bildet sehr bald eine gleichmässige feste Decke und zugleich wirkt es gelind adstringirend auf die Wundfläche, so dass das Aussickern der Milch verhindert, die Einwirkung der Luft abgehallen und die eintre­tende Entzündung gemindert wird; fällt die vertrocknete Schicht des Mittels nach 12 — 24 Stunden ab, so wird seine Anwendung wieder­holt, bis sich Eiterung zeigt, wo dann durch die entstehende Granula­tion das Aussickern der Milch gehindert und die Heilung herbeigeführt wird. Sollte jedoch an einzelnen Stellen dieses Aussickern noch fort­dauern, so ätzt oder brennt man dieselben, um einen festen Schorf zu erzeugen. — In den Fällen, wo man die Wunde mit der blutigen oder trockenen Naht vereiniget hat, kann mau bei recht reizbaren Thieren in der ersten Zeit kalte Umscldäge appliziren, in jeder andern Hinsicht aber gegen die Entzündung die Behandlung einleiten, welche bei der Euterentzündung (S. 160 u. flgd.) angegeben ist.
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414nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Verletzungen der Schweifrübe.
Drei und zwanzigstes Capitel.
Verletzungen der Schweifrübe (des Schwanzes).
Die Schwanzrübe bei den verscliiedeucn Thieren ist den zufälligen Verwundungen nur selten unterworfen. Man sieht dieselben zuweilen dadurch entstehen, dass Pferde sich das Jlintertheil an Gegenstanden reiben, in welchen sich Nägel befinden, oder dadurch, dass ein zu kurz geschnallter oder scharfkantiger Schweifriemen in die untere Fläche des Schweifs einschneidet, oder auch, wenn man Pferden, welche nicht ziehen wollen, einen Strick an die Schweifrübe bindet und sie damit au den Wagen spannt, durch Bisse von Hunden u. dgl. Weit häufiger kommen absichtliche Verwundungen bei dem Einschneiden in den Schwanz für den Zweck einer Blutenlziehung, dann bei dem Schweif kerben (dem sogenannten Englisiren) und bei dem Abstutzen oder Verkürzen (Coupiren) der Schwanzrübe vor.
Jene zufällige Verwundungen sind, ihrer Entstehung zufolge, immer mehr oder weniger mit Quetscbung, mit Blulunterlaufung, und zuwei­len auch mit Knochenbrüchen zusammengesetzt, wogegen die auf die letztere Weise entstandenen Wunden zwar mehr glalle Trennungen dar­stellen, aber oft auch (und nach dem Coupiren nothwendig) mit Ver­wundung der Schwanzwirbel, der Gelenkbänder und Zwischenknorpcl verbunden sind. Zuweilen besteht auch eine bedeutende Blutung, Split­terung der Knochen, und im veralteten Zustande Eiterung, Caries, Fi­stelbildung (sogenannte Schwciffisteln) und üppige Granulation1).
Die Erkennung dieser verschiedenen Verletzungen ist aus den ihnen eigenthümlicheu Erscheinungen im Allgemeinen leicht zu erlangen. * Im frischen Zustande derselben sieht man Blulauslluss aus der verletzten Stelle, die Thiere zeigen sich beim Berühren des Schwanzes sehr em­pfindlich, und oft halten sie denselben nach hinten mehr vom Becken ab oder nach der der Verletzung entgegengesetzten Seite gekrümmt; bei tiefen Querwunden oder wo zugleich Brüche der Wirbel bestehen, bildet er auch zuweilen an der verletzten Stelle einen Winkel (Knick) oder die Spitze hängt von derselben schlaff herunter; man sieht zum Theil die Verletzung, und die Untersuchung mit der Sonde zeigt ihre Tiefe, Richtung und innere Beschaffenheit, das Eindringen zwischen ein Gelenk, die Splitterung oder Caries der Knochen u. dgl.
Beurtheilung. Einfache Trennungen der Haut und Muskeln brin­gen zwar keine Gefahr, aber wenn sie an den letzteren vollständig ge-
') Nach dem sogenannten Englisiren mit subeutaner Durschneidung der Schweifmuskeln ist in der Regel die Blutung höchst unbedeutend, es tritt nur eine sehr geringe Entzündungsgeschwulst ein und die Heilung erfolgt in weni­gen Tagen, bei gar keiner oder bei nur sehr geringer Eiterung; Fistelbildung und andere üble Folgen sind äusserst selten. Dieser günstige Verlauf ist der Abhaltung der Luft bei den subeutanen Verletzungen zuzuschreiben.
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Verletzungen der ScbweJMbe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;415
schehen slud, veranlassen sie oft chic bleibende Verkiiimmung des Schweifes nach der der Verletzung entgegengesetzten Seite. Verletzun­gen der mittlern Schweifartcrie und der Seitenarterien nahe am Becken sind oft mit reichlicher und sehr hartnäckiger Blutung begleitet, beson­ders die unvollsländigen Trennungen in querer oder schiefer Richtung. Sind einfaebe Wunden bis auf die Wirbel eingedrungen, so kann zwar die Heilung durch selmelle Vereinigung oder auch durch Eiterung ge­lingen, doch lässt sie sieb niebt immer versprechen; denn zuweilen ent­steht Caries, es bilderaquo; sich Fisteln, die \Veiohgebilde schwellen bedeu­tend an, und die Heilung erfolgt erst dann, wenn die cariöse Stelle oder auch selbst der ganze angegriffene Wirbel durch die Eiterung ab­gelöst und herausgeslossen ist. Dies dauert stets mehrere Wochen, aber bei einer zvveckmässigen Behandlung erfolgt dann doch fast in allen Füllen die Heilung ganz gut; oft entsteht hierbei wohl Verwach­sung zweier Wirbel, jedoch ohne bemerkbaren Nachlheil; in anderen Fällen bleibt aber ein künstliches Gelenk und eine abnorme Beweglich­keit an der betreffenden Stelle zurück, und die Pferde (ragen in Folge dessen nicht mehr den Schweif gehörig in die Höhe. Wenn bei einer Verletzung im umfange derselben die Schweifrübe bereits ungleich und sehr angeschwollen ist, wenn man mit der Sonde neben den Wirbeln tief eindringen kann, oder wenn einer derselben sich rauh anfühlt, so ist der bezeichnete Ausgang immer schon wirklich eingetreten. Bei Verletzung der Gelenkbänder und Knorpel und bei mit Knocbenbrüchen verbundenen Wunden sind diese üblen Ausgänge in den allermeisten Fällen zu fürchten. Erstrecken sich Wunden an der untern Fläche des Schweifes über die ganze Breite desselben und bis durch die Cefässe und Nerven, so dass die Ernährung der hinter der Verletzung befind­lichen Parthie unlcrbrochen ist, so tritt zuweilen auch Brand ein, und zwar um so eher, wenn, wie bei dein Englisiren mit offenem Haut­schnitt, mehrere solche Wunden nach kurzen Zwischenräumen ange­bracht sind, oder wenn ein Blutslillungsverband zu fest durch längere Zeit liegen bleibt. In solchen Fällen wird die Schweifrübe kalt, die Umgebung der Wunde wird oederaatös und an der Haut bilden sich zuweilen Phlyetenen, die WundQächen werden blass und es sickert eine übelriechende Flüssigkeit aus ihnen; zuweilen schwillt auch die ganze Schweifrübe bedeutend an und es entwickeln sich an seiner obern Seite und bis auf die Crouppe Emphyseme oder es gehen auch die Haare aus und die Haut, wie auch die Muskeln, verlieren zuletzt ihre Empfindlichkeit. In solchen Füllen ist stets Gefahr vorhanden, dass das Thier durch Fortschreiten des Brandes auf den Mastdarm u. s. w. oder durch das hinzugetretene typhöse Fieber zu Grunde gehen könne, und wenn die bezeichneten Erscheinungen sich auch am After und am Mittellleische wahrnehmen lassen, oder wenu der Puls sehr schnell und klein wird, die Schleimhäute eine livide Färbung annehmen, das Thier einen stieren Blick, grosse Hinfälligkeit, Angst oder Kolikzufölle zeigt, so ist diese Gefahr wirklich vorhanden. Nach dem Coupiren des Schweifes blättert sich in den meisten Füllen der verletzte Zwischen­knorpel oder auch der verletzte Wirbel erst im Verlaufe mehrerer Wochen ab und die Heilung erfolgt desshalb bei fortdauernder Eiterung immer erst spät, jedoch in den meisten Fällen ohne dass irgend wich-
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416nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Verletzungen der Schweifrübe.
tigc Zufälle hinzutreten; zuweilen aber, namentlich dann, wenn der durchtrenutc Wirbel gesplittert ist, tritt bei Pferden Wundstarrkrampf hinzu und tödtet dann last immer das Thier binnen wenigen Tagen. Bei klejnen Thieren ist dieser üble Zufall nach dem Abschneiden des Schwanzes bisher niemals beobachtet worden.
Behandlung. Einfache Trennungen bedeckt man, nachdem sie ge­reiniget sind und nachdem die Blutung gestillt ist, oberflächlich mit lockerem Werg, legt eine einfache Binde darüber und hält bei Pferden und Rindvieh den Schweif mittelst einer Schnur, welche über eine an der Decke des Stalles befindlichen Rolle gehend mit ihrem vordem Ende an seine in einen Zopf zusammengeflochtene Haare gebunden und am andern Ende mit einem Gewicht versehen ist, wagerecht. Bei kleinen Thieren ist letzteres weder nüthig, noch ausführbar. Uebrigens werden diese einfache Wunden nach den allgemeinen Grundsätzen behandelt. Heftige Blutungen verlaugen die Anwendung des einen oder des andern Blutstillungsmittels; da aber die Erfahrung zeigt, dass hier die Blutstil­lung immer schwerer zu bewirken ist, wenn die Gefässe nicht völlig durchtrennt sind, so kann man dieselben in diesem Falle zuerst voll­ständig quer durchschneiden, damit sie sich zurückziehen können und die Spannung in ihnen aufhört, #9632;— was für jede x^rt der künstlichen Blutstillung sehr förderlich ist. Dieselbe kann nun durch Zudrehen, oder durch Unterbindung, oder auch durch das glühende Eisen, oder auch durch Tamponaiion bewirkt werden. Die letztere ist am gebräuch­lichsten und wird auf die Weise angewendet, dass man die Wunde mit massig fest gewickelten Werg-Tampons vollständig und bis über die Hautränder hervorragend ausfüllt, auf den Rücken des Schwanzes ein Bündel von recht geradem Stroh (bei Pferden gegen 1|- — 2 Zoll im Durchmesser dick) legt und dann die Tampons mit einer 2—3 Quer­finger breiten und gegen l-i Fuss langen Binde befestigt, indem man den mittleru Theil der Binde gegen die Tampons, ihre Enden aber an beiden Seiten des Schwanzes auf den Rücken desselben führt, sie hier unter einander durchsteckt und kräflig zusammenzieht. Auf diesen er­sten einfachen Knoten wird dann noch ein zweiter gebunden, um das Zurückziehen der Binde zu verhindern. Der Schweif wird hierauf in der vorstehend bezeichneten Weise mittelst einer Schnur in horizonta­ler Richtung aufgehangen und das Thier kurz und hoch angebunden. Nach etwa J- Stunde kann man die Binde, ohne sie zu lösen, dadurch lockerer machen, dass man mehrere Halme aus dem Strohbündel auf dem Rücken laquo;les Schweifes herauszieht und dies nach Zwischenzeiten ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;von etwa 7 —10 Minuten wiederholt, bis zur gänzlichen Entfernung
des Strohes, wenn nicht während der Zeit neue Blutungen eintreten, wo man dann allerdings mit dem Herausziehen des Strohes innehalten oder nöthigenfalls die Binde selbst noch etwas fester zuziehen müsste. Wenn nach gänzlicher Entfernung des Strohs die Geschwulst der Schweifrübe so bedeutend wird, dass die Binde noch drückend wirkt, so kann man die Knoten derselben lösen, so weit, dass jeder Nachtheil vermieden wird, und nach 24 Stunden kann die Binde gänzlich ent­fernt werden. Sollten die Tampons zu dieser Zeit noch fest durch vertrocknetes Blut in der Wunde sitzen, so kann man sie durch lau­warmes Wasser abweichen, dann die Wunde mit letzterem oberfläch-
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Verletzungen der Sehweifrübe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;41t
lieh reinigen und mil ganz weichen Tampons, welche mit Unguenlum basilieonis oder terebinthinae bestrichen sind, verbinden und so läglich wiederholt bis zu eingelretcner guter Eiterung fortfahren. — Sind die Wunden mit Quetschung. Zerreissnng oder Blutcxlravasat zusammen­gesetzt, so wendet man, nachdem der Schweif in Rollen gehangen ist, je nach der Empfindlichkeit des Theils, lauwarme Bähungen von schlei­migen, narkotischen, oder auch von gclind aromatischen Mitteln so lange an, bis Eiterung eingetreten ist, worauf man weiter nach allge­meinen Regeln verfährt. Sind solche Wunden aber mit Brüchen der Schweifwirbel complizirt, so kann man nach Beseitigung der heftigen Enlzündungszulälle um die Schweifrübe Schienen von Pappe oder von steifem Leder legen und dieselben mit einer Cirkelbinde in ihrer Lage erhalten. — Bei eingetretenem Brande müssen zunächst die etwa noch fortwirkenden Ursachen, namentlich drückende Binden, entfernt, die zu strair eingeflochtenen Haare gelockert, und das Gewicht an der Rollen-schnur so viel vermindert werden, dass die Schweifrübe nur in einer ganz gelinden Spannung erhalten wird. Die übrige Behandlung richtet sich nach dem Grunde und der Art des Brandes (ob heisser oder kal­ter, trockener oder feuchter), nach dem Charakter der Entzündung in den angrenzenden Thcilen, und nach der Art der allgemeinen Zufälle, — wie S. 70 angegeben ist. — Sind die Zeichen einer beginnenden Fi­stelbildung vorhanden, so ist es noting, die Wundödhung in der Län-genrichtung des Schweifes durch Einschneiden in die Ränder nach vorn und nach hinten, soweit wie der kranke Wirbel sich erstreckt, zu ver-grössern und hierdurch die Spannung und Reibung der Theile zu mindern, den Ausflnss des Eiters und die Anwendung der Heilmittel zu befördern. Die letzteren bestehen hier, so lange grosso Einpüud-llchkeit und Anschwellung vorhanden ist, in schleimigen und narkoti­schen Mitteln, nach Beseitigung dieser Zufälle aber in der täglich wie­derholten Anwendung einer Creosotauflösung oder der Myrrhen- oder Aloelinktur oder auch des Tcrpenthinöls
Die Anwendung dieser Mittel geschieht mittelst einer Feder oder auch einer Spritze; bei derselben muss man den Grad der hiernach eintretenden Irritation berücksichtigen und wenn derselbe sich durch vermehrte Empfindlichkeit und grössere Anschwellung kund giebt, für einige Tage die Mittel aussetzen. Von Zeit zu Zeit kann man mit der Pinzelle an dein blossliegcnden und zur Abstossung bestimmten Knorpel oder Knochen durch gelindes Ziehen versuchen, ob die Trennung schon vollständig geschehen ist, und wenn dies der Fall, die Herausbeförde­rung auf diese Weise bewirken. Oft wird der exfoliirte Theil auch durch die im Grunde entslandene Granulation durch die Oelfnung her­vorgedrängt. Wenn die Entfernung auf die eine oder die andere Weise geschehea ist, vermindert man das Gewicht an der Schnur so viel, dass der Schweif nun ganz schlaff hängt, aber dennoch in horizontaler Richtung erhallen wird; an der Wunde selbst ist die Behandlung auf oberllächliche Reinigung und auf das Bedecken mit weichem Werg oder mit einer weichen Binde beschränkt. Wenn nach der Heilung einer Wunde oder einer Fistel der Schweif in schiefer Richtung oder krumm gehalten (getragen) wird, so kann man mittelst subeutaner Durch-schneiduns der Muskeln an der coneaven Seite des Schweifes vor vmi
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118 Verwundungen der sehnigen Ausbreitungen und der Muskeln.
au der verkrümmten Stelle, diesen Formfehler zu beseitigen suchen. — Die Wunden nach dein Abschneiden eines Endes der Schweifrübe ver­langen zuerst in den meisten Füllen die Blulslillung, welche hier am besten mit dem Brenneisen (wozu man ein besonderes ringförmiges, sogenannles Coupir-Brenneisen benutzt) bewirkt wird. Die Heilung erfolgt hiernach in der Regel fast ohne Kunsthülfe. Sollte jedoch in einzelnen Fidlen grosse Anschwellung und Fistelbildung an dem abge-stutzlcn Schwanz entstehen, so ist das Aufspalten der Fistel, die Ent­fernung der etwa vorhandenen Knocbensplitler millclst Messer und Pinzette und die Anwendung lauwarmer Bähungen von schleimigen Mitteln in Anwendung zu bringen; wenn dagegen die Thätigkeit zu ge­ring ist und die Exfoliation nach 4 — 6 Wochen nicht, stattgefunden hat, so kann man dieselbe befördern, indem man den Knochenstumpf mit Terpeothinöl, Creosot n. dgl. von Zeit zu Zeit einmal befeuchtet. — Tritt nach dem Coupiren der Wundstarrkrampf ein, so ist als Ver­such zur Rettung des Thieres ein nochmaliges Abschneiden des vor-liandeneu Schwänzendes in dem nächsten Gelenk vor demselben ver­mittelst eines scharfen Messers auszuführen, im Uebrigen aber das Thier in der S. 327 augedeuteteu Art zu behandeln.
Vier und zwanzigstes CapUel.
Verwundungen an den Gliedmassen.
A. Verwundungen der sehnigen Ausbreitungen und der
Muskeln.
Die Verletzungen dieser Thcile kommen sehr häufig vor und enl-slehen auf die mannigfaltigste Weise. Zuweilen sind sie einfache Tren­nungen, in den meisten Fällen aber mit starker Quetschung oder Zer-reissung verbunden, bald in der Längenrichtung von oben nach unten, bald quer, schief oder lappig u. s. \v.; ihre. Grosse und Tiefe ist in den einzelnen Fällen sehr abweichend.
Die Erkennung dieser Verletzungen ist in der Regel sehr leicht; man sieht das Auscinanderklatren ihrer Ränder, die gelbliche Färbung der sehnigen Ausbreitung und den fleischrolhen Grund, und die Tiefe und Richtung findet man mit der Sonde oder mit dem Finger: im frischen Zustande besieht, je nach dem Orte und der Tiefe der Ver­letzung, eine bald mehr, bald weniger reichliche Blutung und die Em­pfindlichkeit ist immer verhältnissmässig bedeutend gesteigert; im nicht ganz frischen Zustande sind die Wuudränder mehr angeschwollen, ent­zündet und aus der Wunde fliesst seröse Flüssigkeit, später auch Eiter. Die Bewegung der Gliedmasse ist dabei zuweilen sehr gestört; die Thiere halten den Fuss in den Gelenken mehr gekrümmt, ruhen mehr auf der Zehe als auf den ßbrieen Thcileu des Fusses und beim Geben
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Verwundungen der sehnigen Ausbreitungen und der Muskeln. 419
lahmen sie, indem sie die Gliedinasse bald uuvoliständig beugen, bald auch wieder unvollständig strecken, oder sie auch schleppend foiibe-wegen. In anderen Fällen ist von diesen Störungen, selbst bei ziem­lich grossen Wunden, wenig zu bemerken. Diese Verschiedenheiten sind von der Grosse und Richtung der Verletzung, von der schon ein­getretenen oder noch fehlenden Entzündung, von der zuweilen sehr aus­gebreiteten Eiterung und auch davon abhängig, ob eine oder mehrere Muskeln, welche für eine bestimmte Bewegung dienen, vollständig durchtrennt oder nur oberflächlich verletzt sind. Der Schmerz ist ge­wöhnlich hier sehr gross, nachdem die Entzündung der verletzten Theile eingetreten ist, weil diese dann, abgesehen von dem Entzün-dungssclnnerz selbst, durch die straff gespannte sehnige Ausbreitung an­haltend stark gepresst werden.
Bei starker Quetschung und Zerrcissung entstehen zuweilen bedeu­tende Ergiessungen, zuerst von Blut oder Serum, späterhin von Eiter oder Jauche in das lockere Zellgewebe hinter der sehnigen Ausbreitung und zwischen den Muskeln. Diese Ergiessungen senken sich theils durch ihre Schwere, theils durch die Bewegung und Verschiebung der Muskeln begünstiget, immer mehr nach abwärts, und es entstehen da­durch heftige Schmerzen und eine bedeutende Anschwellung, welche letztere äusserlich ödemalös ist und sich nicht selten über das ganze Glied verbreitet; auch tritt in Folge dieser Ergiessungen und Senkun­gen in den meisten Fälleiu ein Ueizlieber und Verlust des Appeti­tes ein.
Die Beurlheilung oberllächlicher Verletzungen ist bei Längenwun-den fast immer günstig zu machen, da sie leicht heilen und hierzu selbst durch die schnelle Vereinigung zu bringen sind; dagegen sind Querwunden mehrentheils schwerer heilbar, als ihr Aussehen es ver-muthen lässt, weil ihre Ränder bei der eingetretenen Entzündung sich stark auseinanderzichen und desshalb die Heilung durch schnelle Ver­einigung nur ausseist selten gelingt; indess findet sie, wenn die Wunde übrigens einfach ist, durch Eiterung etwas später und mit Hinterlassung von etwas mehr sichtbaren Narben doch in der Regel gut statt. Tiefe Wunden heilen fast immer nur durch Eiterung, wohl aus dem Grunde, weil die Beweglichkeit der Theile zu gross ist. Bei tiefen Querwunden, und bei solchen, welche mit Quetschung oder Zerrcissung verbunden sind, und welche sich in einer schiefen Richtung nach innen und unten er­strecken , sind die bezeichneten Versenkungen immer zu befürchten; die Thiere können dabei durch weit verbreitete Verjauchung oder durch hinzugetretene brandige Zerstörung, oder -auch durch ein andauerndes erschöpfendes Fieber zu Grunde gehen, bei einer zeitigen zweckmässi-gen Behandlung aber auch in den meisten Fällen gerettet werden.
Behandlung. Oberflächliche einfache Wunden im frischen Zustande können durch die blutige Naht, zu welcher man die Knopfnaht oder selbst auch die 8tev-Naht benutzen kann, baldigst vereiniget werden, wonach aber das Thier in andauernder Ruhe erhalten und das Reiben oder Benagen der Wunde vermieden werden muss. Grössere Thiere müssen für diesen Zweck nöthigenfalls in einen Uängegurt gestellt und ihr Schwanz angebun­den werden. Im Uebrigen findet eine den Entzündungszufälien entspre­chende massig anliphlogistische Behandlung statt. Tief cingedruncene Lö.a-
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Wunden der Sehnen und Sehnenscheiden. Erkennung.
genwunden kann man entweder mit der Knopfnaht, oder wo die Oerllich-keit es gestattet, auch mittelst Binden oder Heflptlasterstreifen vereinigen und dann die Thiere iu der angedeuteten Art weiter behandeln. Bei tiefen Querwunden nutzt die schnelle Vereinigung höchst selten etwas, und bei gerissenen und stark gequclschteu Wnuden ist dieselbe nach allgemeinen Regeln nicht anwendbar; will man aber dieselbe bei einfa­chen, ticfe:i Querwunden versuchen, so muss die Zapfennaht, mit brei­ten Heflbändern angewendet, vorher aber der unlere Wundrand an der niedrigsten Slelle so lief eingeschnitleu werden, dass, im Fall die Ver­einigung nicht von Grund aus gelingt, der sich erzeugende Eiter einen ungchiuderlen Ablluss erhalten kann. Lappenwunden heftet man nur insofern, als man den Lappen für die Vereinigung durch Granulation in einer zweckinassigen Lage erhallen will. Da alle diese Wunden nur durch Eiterung heilen, so ist es hier durchaus nothvvendig, durch ge­hörig grosse Einschnitte in die Wundränder, besonders in die sehnige Ausbreitung, die elwa bestehenden Höhlen zu beseiligen und hierdurch den drohenden Eilersenkungen vorzubeugen, überhaupt die Form der Wände so zu regulircn, wie dies S. 318 im Allgemeinen angedeutet ist. Im Uebrigen behandelt man diese Wunden nach den für die Heilung der eiternden Wunden angegebenen allgemeinen Regeln.
B. Wunden der Sehnen und Sehnenscheiden.
Verwundungen der Sehnen und ihrer Scheiden entstehen durch stechende, schneidende oder stumpfe Körper und sind hiernach von ver­schiedener Form, Grosse und Beschallen heit, namentlich ollen, dem Zu­tritt der Luft ausgesetzt oder nach ihrem Entstehen wieder, vermöge der Contraktililät des Gewebes, verschlossen, — einfache Trennungen oder mit Quetschung und Zerreissung verbunden, und die Trennung ist voll­ständig oder nur I heil weis.
Erkennung. Feine Stichwunden sind zuweilen sehr eng und als Sehncnwundeu kaum deutlich zu erkennen, da die Sehnenscheide sich dabei bald wieder zusammenzieht und die Trennung in den Seh-neufaseru sich gewöhnlich ebenso verhält; sie sind bei und bald nach dem Entslehcn mit nur sehr wenig Schmerz begleitet (eine Eigenthüm-lichkeit der Sehnenverlelzungen überhaupt), aber nach etwa 20 — 24 Stunden findet sich immer eine sehr grosse Schmerzhaftigkeit, die ver­letz! en Tlieile schwellen mehr und mehr an, die Wunden ölfnen sich und es fliesst eine eivveissariige Feucliligkeit tSelmenschcidenllussigkeit) aus, welche zuweilen auf den VVundiäudern zu einer gallertartigen Masse gerinnt; nach mehreren Tagen findet sich dann ein jauchigter, in der Regel stinkender (dem alten Käse ähnlich riechender) Ausfluss. Wegen der heftigen Schmerzhaftigkeit schonen die Thiere das Glied bedeutend. Bei dem Einfuhren einer Sonde dringt man, je nach der Tiefe der Ver­letzung, bald nur bis auf die Sehne, bald bis in oder auch durch die­selbe. — Die geschnittenen und durch stumpfe Körper entstandenen grosseren Wunden sind theils an der Slelle der Verletzung, theils durch das Fühlen und Sehen der verletzten Sehnen zu erkennen, indem man das Sehuengevvebe an seiner gelblichen Farbe und an seiner eigenthüm-lichen Derbneit von anderen Geweben stets deullich unterscheiden kann; bei völliger Durchtreauuug einer Sehne sind ihre Enden zurückgezogen
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Wanden der Sehnen und Sehnenscheiden. Erkennung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;421
und es bestellt eine Lücke zwischen ihnen; auch hier ist im Moment der Verletzung und in den ersten 20 — 24 Stunden der Schmerz nur sehr gering, später jedoch wird derselbe heftiger und andauernder als bei ähnlich grossen Verletzungen der Muskeln. Es findet sich der Aus-fluss jener ciweissarligcn Materie, welche zuerst dünnlliissig ist, später aber mehr consistent wird und durch die Einwirkung der Luft zu einer gallertarligeu Masse gerinnt. Nach einigen Tagen bildet sich der im Vorstehenden bczeichnele übelriechende Eiler, die VVuiidränder verdicken sich und es entsteht eine sehr wuchernde Granulation in und an der Wunde und die Sehne schwillt in der Regel in ihrer g;inzen Länge be­deutend an. Die Thiere schonen das Glied mehr oder weniger, die re-gelmässige Stellung und Bewegung ist gestört, und zwar in der Art: dass sie bei völliger Durcblrenniing der Beugeselmen zu stark im Fes­sel durchtreten, bei solcher Verletzung der Sirecksehnen aber den Fuss nicht strecken können u. dgl. Bei sehr empfindlichen Thieren findet sich zu Sehnenwunden gewöhnlich auch ein Keizlieber hinzu.
Die Beurllieilung der Sehnenwuiidcn im Allgemeinen darf nur mit grosser Vorsicht geschehen, weil nicht selten während der Behandlung ganz unvorhergesehen üble Zufälle auch da eintreten, wo man diesel­ben aus der BescbalTeaheit der Wunde nicht erwarlen konnle, nament­lich der Wundstarrkrampf, welcher der Erfahrung zufolge besonders bei kleinen, engen Sliehwunden der Seimen häufiger cnlsleht als bei allen anderen Verwundungen. Uebrigens können Sehnenwunden leicht und vollständig heilen, besonders wenn die Durchtrennuug einer Sehne durch scharfe Inslrumenle einfach und vollständig gesrhehon ist, und wenn die Wunde hiernach schnell, d. h. ehe die Sehne sich entzündet hat, einer zweckmässigen Behandlung unterworfen und namentlich der Ein­wirkung der atmosphärischen Luft möglichst enlzogen worden ist. Denn diese Einwirkung hat, der Erfahrung zufolge, stets den sehr nachlheili-gen Einfluss, dass in der Sehne und Sehnenscheide eine schleichende Entzündung erzeugt und unlerhalten wird, wie auch, dass die Abson­derung der Sebnenscheidenflüssigkeit übermässig angeregt und zur fau­ligen Zersetzung geslimml wird. Die Heilung erfolgt unter den bezeich­neten günstigen Umständen dadurch, dass sich eine plastische Flüssig­keit in der Sehnenscheide zwischen den beiden Enden der Sehnen er-giesst, welche nach und nach organisirt und in elwa 3 — 5 Wochen fest wird und die Sehnenenden mit einander verbindet. Zuweilen wu­chert die plaslische Flüssigkeit. Bei bestehender Eilerung erfolgt die Ausfüllung der Lücke und die Heilung durch Granulation. Bei unvoll­ständiger Trennung der Sehnen sind die Schmerzen und alle Zufälle stets heftiger, weil eine ungleiche Spannung und Zerrung einzelner Fa­sern stattfindet. Nach allen Sehnenverlelzungen entstehen gern Ver­wachsungen der verletzten Theile mil den umgebenden Theilen, auch Verkürzung, Verdickong und Verhärtung der Sehnen und ihrer Schei­den, und nach üppiger Granulation bleiben gewöhnlich hässliche Nar­ben zurück. Sehr oft bleibt auch in Folge dieser Veränderungen oder der eingetretenen Verkürzung einzelner Sehnen die Stellung und Bewe­gung des Gliedes gestört. Denn bei vollsländigen Durchtrennungen er­halten die an der andern Seite des Gliedes liegenden Sehnen und Mus­keln ein Uebergewicht in der Zusammenzichung und es wird dadurch das
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422nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Wunden (lev Sehnen und Sehnenscheiden. Behandlung.
Glied nach dieser Seite verkrümmf, hierdurch seine Bewegung und die Dienstbrauchbarkeit des Tliieres dauernd vermindert. Diese üblen Fol­gen sind in einzelnen Fällen selbst bei der besten Behandlung nicht zu verhüten.
Behandlung. Bei frischen Schncnwunden hat man zuerst die etwa eingedrungenen fremden Körper, Haare u. s. w., zu entfernen, Lappen abzuschneiden, die offenen Wunden möglichst schnell entweder durch die blutige Naht oder durch lieft pilaster und Binden zu verschliessen, das Glied dann in eine solche Lage zu bringen und es in derselben zu erhalten, bei welcher die Annäherung der NVucdründer begünstiget wird, und dann hat man in allen Füllen die Entzündung möglichst zu min­dern. Bei eugen Stichwunden besieht fast nur allein die letztere Indi­kation. Man erfüllt dieselbe, liier wie in anderen Fällen, indem man dem Thier die grüssle Buhe giebt, es in magerer Diät hält, ihm ein S ;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; kräfiges Abführungsmittel reicht und örtlich kalte Umschläge oder Fuss-
bäder während 2—3 Tagen unansgeselzt applizirt. Bei heftigen Ent­zündungen kann man aueli einen Aderlass machen und die Kälte bis zur Beseitigung der heftigen Zufälle, selbst durch 6 — 8 Tage forlgesetzt an­wenden. Sind nach dieser Zeil die Enlzündungsznfulle noch nicht gänz­lich beseitigt, oder ist die Wunde zur Zeit der beginnenden Kur schon heftig cnlzündet oder selbst im Zustande der Eiterung, so ist die Kälte nicht mehr passend, sondern man sucht die Enlzi'mdung durch örtliche Ableitung vermittelst des in ihrer ganzen Umgebung auf die Haut ap-plizirten Ungucuti Canlharidum zu beseitigen. Dieses Verfahren ist in den allermeisten Fällen von dem grösslcn Nutzen und kann selbst bei frisch entstandenen Verletzungen der Sehnen, besonders bei Stichwunden, statt der angegebenen kühlenden Behandlung angewendet werden; in diesem Falle muss jedoch bei grosseren Verletzungen, bei kralligen und bei sehr sensiblen Thiercn dennoch zugleich die allgemeine anliphlogisti-sche Behandlung eingeleitet werden. In den meisten Fällen ist es nicht nöthig, die Applikation der Kantliaridensalbe zu wiederholen, wenn ihre Wirkung nach 2—3 Tagen sich nur noch schwach zeigt, oder wenn die Absonderung der Sehnenscheidenflüssigkeit reichlich fortbesteht; denn es ist nach praktischer Erfahrung nothwendig, dass diese Absouderung auf den möglichst geringsten Grad herabgestimmt wird, wenn die Hei­lung der Sehiiencntzündung und die baldige Heilung der Wunde erfolgen soll. Bei diesem einfachen Verfahren werden Stichwunden nnd selbst grösscre offene Wunden der Sehneu, welche nicht zur schnellen Verei­nigung geeignet sind, weit schneller und sicherer zur Heilung gebracht, als durch die sonst gebräuchlichen schmerzlindernden und Eiterung be­fördernden Mittel. — In den Fällen, wo die künstliche Verschliessung der Sehnenwunden mittelst der Naht passend erscheint, kann immer nur die Vereinigung der Hautränder bewirkt werden, die Wundränder der Sehnenscheiden und der Sehnen selbst bleiben dabei ganz unberührt. Man kann zu dieser Vereinigung am besten die Kürschnernaht benutzen, um die Wunde möglichst vollständig zu verschliessen; auch kann man die Wunde ausserdem noch mit einem in Eiweiss oder in Leim getauch­ten Leiuwandlappen umgeben und das ganze Glied mit einer Binde massig fest umwickeln, um hierdurch die Luft noch vollständiger abzu­halten, worauf dauu die örtliche entzüuduugswidrige Behandlung für die
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Wunden der Gelenke.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;423
ersten 2 — 3 Tage fleissig geschehen nmss. Da, wo bedeutende Verkrüm­mungen des Gliedes durch zu slorke Conlraktion der unverletzten Seh­nen stattfand, muss man durch entsprechende Ausdehnung verrniltebt der Hände und durch angelegte Schienen diesen uuregelmässigen Stel­lungen entgegenwirken, — was aber mehrenlheils grosse Schwierigkei­ten hat und namenllich von Seiten der Thicre grosses Widerstreben er­zeugt. Mau benutzt hierzu am besten eiserne Schienen, welche an der Stelle, die auf die Verletzung trilft, eine Abbiegung besitzen und somit hohl liegen, damit man hierdurch freien Zugang zur Wunde erhält und den Verband derselben leicht erneuern kann; sie müssen übrigens nach der normalen Stellung und Richtung der einzelnen Gliedertheile gerich­tet und können mit ihrem untern Ende an das Hufeisen befestiget sein. — Eiternde Sehnenwunden werden im Wesentlichen nach den S. 61 u. f. angegebenen allgemeinen Regeln behandelt. In den meisten Fällen ist ditr hierbei bcsteheide Eulzündung aslhenischer Art und schleichend, und es ist dessbalb die Anwendung der harzigen Tinkturen ( Myrrhen-Tinktur, Aloe-Tinktur), des Terpenthinüls, des Karapherspiritus, oder, wenn zu weiche, schlaffe Granulation besteht, auch die Anwendung d^ Kalkwassers, einer Auflösung von Zink- oder Kupfervitriol, von Aelz-Sublimat (10 Gr. 3i Wasser), des Höllensteins u. dgl. nützlich; und bei üppiger Granulation applizirt man die letzteren Mittel in Substanz, oder auch das glühende Eisen, oder man trägt die wuchernden und ebenso die callöscn Ränder mit dem Messer ab und wendet dann einen Druck­verband au. Ebenso verfährt man bei Lappenwunden mit den Wund-lappcn, da dieselben in der Regel nicht wiener anheilen, sondern üppige Granulation veranlassen. — Oft ist eine ISaehkur gegen zurückgeblie­bene Lahmheit, oder Vcrdickuug oder Verkürzungen erforderlich, wobei in ersterer Hinsicht noch Schonung des Thiercs während einiger Zeit nach der Heilung der Wunde, Waschungen mit Branntwein, Kamphcr-spiritus u. dgl. und im Stalle das Einwickeln des Gliedes mit Binden nützlich ist. Gegen die Verdickungen der Sehnen muss nach den S. 47 u. f. gemachten Andeutungen, und gegen die Verkürzungen so verfahren werden, wie bei der 10. und 11. Classe angegeben ist.
i'. Wunden der Gelenke.
Diejenigen Wunden, bei welchen ein Gelenkapselband mit verletzt und geöffnet ist, werden Gelenkwunden genannt. Bei diesen Wun­den ist, abgesehen von der Verletzung der äusseilichen Theile, entweder nur das Kapselband geöffnet, oder es sind gleichzeitig die Gelenkenden der Knochen auf vcrechicdenc Weise mit verletzt. Man unterscheidet daher die Gelenkvviiniieu wieder, wie alle anderen, nach ihrer Entstehung, nach ihren Complikationen u. s. w. Sie sind entweder einfache Schnitt-, Hieb-oder Stichwunden, oder sie sind mit yuelschungen, Beinbrüchen, Verrenkung, Zerreissung der Gelenkbänder, Sehnen und Gefässc kom-ponirt, Schusswunden u. dgl.
Ursachen zu diesen Verletzungen können alle dieselben wie bei den übrigen Verletzungen sein, am häuügslen aber entstehen sie durch Stiche mit Mistgabeln, ausserdem durch Hufschläge mit Hufeisen, welche
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424nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Wunden der Gelenke.
scharfe und lange Stollen haben, durch Trille mit so beschlagenen Hu­fen, durch das .Niederfallen auf spitze Steine u. s. w.
Wir erkennen das Kindringen einer Wunde ins Gelenk zum Theil aus dem Orte, aus der Richtung und Tiefe derselben, und aus dem freiwilligen oder durch den Druck oder die Bewegung bewirkten Aus-Uiessen einer halb durebsichtigen, weiss gelblich gefärbten Flüssigkeit des sogenannten Gliedwassers oder der Gelenkschmiere (.Sy­novia). Bei Wunden in den grosseren Gelenkeu ist dieser Ausfluss oft ausserordentlich reichlich, am ersten und zweiten Tage jedoch geringer als später. Die Synovia ist zueilt mein- weisslich, wird aber später mebr gelb und auch consistent; oll bildet sie. indem sie gerinnt, gal­lertartige Pfropfe auf der Wunde. Zuweilen lliesst jedoch keine Sy­novia aus, weil sich die Haut über die Wunde des Kapselbandes ver-sclioben hat; so wie irn Gegeutheil das Auslliesscn einer durchsichtigen, gelblichen, schmierigen Flüssigkeit für sieh allein bei einer Wunde kein ganz bestimmtes Zeichen ist, dass dieselbe ins Gelenk gedrungen ist, da bei Verletzungen der Sehnenscheiden oder eines Scbleimbeulels ein ganz äbnlicher Ausfluss statißnden kann. Das Sondiren gewährt in den meisten Fällen die vollkommenste Ucberzeugung vom Kindringen einer Wunde in die Gelenkhöhle, muss aber slels nur mit der grüsslen Be-butsamkeit unternommen werden, weil leicbt dadurch starke Beizung des Gelenks hervorgerufen werden kann. Ks ist daher im Allgemeinen sehr einzuschränken; und eigenllich nur in dem Falle noting, wo man sich von der Gegenwart eines fremden Körpers in der Wunde über­zeugen muss. Bei grossen Gelenkwunden ist die Krkennung derselben durch das Sehen und das Fühlen mit dem Finger leicht zu erlangen. Ausserdem zeigen auch die Tbicre in den meisten Fällen grossen Schmerz, Schonung des Gliedes, starkes Hinken und oft ein hefliges Reizfieber.
Prognosis. Die Gefahr ist bei den Gelcnkwunden immer bedeu­tend und hängt im Allgemeinen von der Heftigkeit der Knlzüudung ab, welche theils durch die Verletzung selbst, tlieils durch das Eindringen der Luft, zuweilen auch durch andere fremde Körper hervorgerufen wird. Kleine Stich- und Schnittwunden heilen maucbmal ohne beson­dere Zufälle; man kann dieses bolfen, wenn die Gelenkhöhle nicht lange, d. i. höchstens 2 — 3 Tage der Berührung der atmosphärischen Luft ausgesetzt war, wenn die Gelenkendcn der Knochen nicht mit ver­letzt sind, wenn kein Substanzverlust stattgefunden und wenn kein Blut in die Gelenkhöhle ergossen ist. — Gequetschte Wunden im Allgemei­nen, besonders aber Schusswunden und gerissene Wunden der Gelenke sind immer gefährlich; denn diese Wnudcn heilen sehr schwer und es bleiben nach ihnen sehr leicbt Verwachsungen und Steifigkeit der Ge­lenke zurück, in anderen Fällen entsteht Caries, Verjauchung und in Folge hiervon auch selbst der Tod, zuweilen erst nach laugen und vielen Sehmerzen. Bei sehr grossen Gelenkwunden ist es daher manch­mal besser, die Behandlung nicht zu lange fortzusetzen, sondern das Thier lieber zu tödten. Hierzu ist Grund vorhanden, wenn die Thiere sehr abgemagert, beständig im Fieber sind, das Gelenk sehr aufgetrie­ben, die Wunde beständig offen ist.
Die Gefährlichkeit ist nicht an allen Gelenken gleichmässig, son-
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Wundelaquo; der Gelenke,
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dem am Knie- und Sprunggelenk am grösseslen, an dem vordem Fuss-wurzelgelenk am geringsten.
Bei allen schmerzhaften Gelenkwunden tritt Abmagerung (das Schwinden, der Schwund) an den Muskeln am oberen Theile der Gliedmasse, auch an der Scliultcr und an der Crouppc ein. verliert sich aber nach der Heilung wieder.
Behandlung. Einfache Slich-, Schniil- und Hiebwunden müssen gereiuiget, vonquot; fremden Körpern befreit uuil auf das schnellste verei­niget werden, um das Eindringen der Lult und andere Reize abzuhalten. Hierzu dient J) das Heften quot;der Wundränder; 2) das Umlegen einer passenden Bandage, — Beides, wo es sieh anbringen lässt, was aber an vielen Gelenken nicht geht; 3) das Brennen der Gelcnkwundc (des Kapselbandes) selbst und zwar dieser allein oder zugleich der umge­benden weichen Theile. Die Heilung geschieht nur an der Haut und den etwa das Gelenk bedeckenden Muskeln, nach den allgemeinen Kegeln. Das Brennen findet besonders bei Stichwunden und da seine Anwen­dung, wo die Wunde wegen nicht hinreichend vorhandener Weichge-bilde an ihrer äussern Umgebung zum Ueflen nicht geeignet ist, oder wo die Wundränder ungleich zerrissen oder schon verdickt sind. Man wendet, je nach Gestalt und Grosse der Wunden, entweder ein knöpf' förmiges oder ein mehr spitziges Brenneisen an, und zwar weiss- oder ganz schwach rolhgliihcnd. Die Ansichten sind hierüber verschieden: diejenigen, welche das weissglulieude Eisen anwenden, wollen die Wunde durch einen schnell entstandenen Schorf verschlicssen und zu­gleich verhüten, dass dieser gcbildele Schorf nicht am Eisen hängen bleibe und wieder mit demselben beim Aufhören des Brennens abge­rissen werde, was bei der Anwendung des schwach rolhglübenden Eisens zuweilen geschieht. Dahingegen behaupten diejenigen, welche das Eisen braun- oder rothgliihend anwenden, dass bei diesem Grad des Feuers ein längeres Brennen nülhig sei, um den gewünschten Schorl zu bilden, dass derselbe hierdurch aber auch (lichter und fester und durch die hierauf erfolgende Entzündung des Kapselbandes die Wunde sicherer verschlossen werde und heile. Die Schliessung des Kapselbau-des erfolgt nach dem Brennen, unter übrigens günstigen Umständen, bei einfachen Stichwunden oft schon mit 5—8 Tagen: oft aber geht der Brandschorf zu früh los. indem er entweder von der Synovia oder dem Eiter durchweicht oder durch die heftige Spannung des Kapselbandcs losgerissen wird. In solchen Fällen muss das Brennen zum zweiten, oft selbst zum dritten Male wiederholt werden.
Nach dem Heften oder Brennen kann mau ferner auf zweifach verschiedene Weise verfahren. Nach der ersten Methode umgiebt man das Gelenk, wenn der Ort es gestattet, massig fest mit einer Binde, und feuchtet dieselbe oder den Theil selbst mit starkem Blciwasser so lange recht fleissig an, bis der Schmerz und die Wärme in den ver­letzten Theilen nachgelassen haben. Dabei hält man das Thier in slreng-sler Ruhe, in recht magerer Diät, und, je nach seiner Constilulion so wie nach dem Grade der etwa dennoch cintrelendeu Enlzündungszufälle wendet man auch selbst eine streng antiphlogistische Behandlung durch Aderlässen und kühlende Salze an. Hatte man die Naht angelegt, so können mit Verlauf von 8 Tagen die Hefte entfernt werden, das Thier
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Wunden der Gelenke.
muss aber auch danu noch durch 8 —14 Tage dieselbe Behandlung und Ruhe erhalten wie bisher. Ist die Vereinigung nicht gelungen, so kann das Brennen gleich nach Enlfernung der Hefte in Anwendung konimen. — Fällt nach etwa 8 Tagen der Brandschoif ab und ist die Wunde im Kapsclbande geschlossen, so hat mau die äussere Wunde nur ganz einfach wie eine eiternde Wunde zu behandeln und die gänz­liche Heilung wird bei gehöriger Ruhe des Thieres dann bald er­folgen.
Nach einer zweiten Methode sucht man nach dem Verschliessen der W'unde, sei es durch die Naht oder, was gewöhnlicher ist, durch das Brenneisen, die drohende Gelenkenlzündung durch Ableitung zu be­seitigen. Für diesen Zweck brennt man auf die Haut in der Umgebung der Wunde eine grosse Anzahl Punkte, einen vom andern eine Fingers­breite entfernt, so dass, je nach dem Umfange des G'elcnks, ein 2 — 3 Zoll breiler Strich rund um dasselbe mit ihneu bedeckt ist. Das Brennen geschieht mit einzelnen, wiederholten Ansätzen des Eisens, bis Aus-schwilzung erfolgt ist. Oder, man applizirt in eben dem Umfange das Ung. Canlharidum oder das Empl. Cantharid. und wiederholt dies, wenn nach 2—3 Tagen nicht eine starke Ausschwilzung erfolgt ist. Auch bei dieser derivatorischeu Behandlung müssen die Thicre in gänzlicher Ruhe so wie in magerer Diät erhalten und, je nach den eintretenden Zufallen, mit Blutentziehungen und kühlenden Sah-en behandelt werden. Die Heilung kann hier ebenso wie bei der anliphlogistisehen Methode, durch schnelle Verwachsung der Gclenkwunde oder auch durch Gra­nulation erfolgen; im letzteren Falle ist wenigslens durch die Derivation die Entzündung sehr gemildert und der Verlauf kürzer und besser. Auch kann man nach dem Abstosscn des ersten Schorfes das Brenneu wiederholen, jedoch nur oberflächlich mit einem braunwarmen Eisen, und die Anwendung der Kantharidensalbc muss wiederholt werden. Ist die Wunde nach dem Abstosscn des ersten Schorfes in guter Eiterung und in eben solcher Granulation, so kann man sie auch rnit glatten Werg-Tampons, welche mit Auflösung von Zinc, oder Cupr. sulphuric, oder von Lapis infernalis oder mit Aloe- oder Myrrhentiuktur, oder mit Creosot (5/3 bis zu sect;/S Branntwein) bestrichen sind, verbinden.
War aber eine Gelenkwunde schon dem Einflüsse der Luft längere Zeit ausgesetzt oder das Glied viel bewegt worden, oder ist die Wunde an sich sehr gross, mit Quetschung u. s. w. verbunden, so entsteht oft bald nach der Verletzung, zuweilen erst nach einigen Tagen eine sehr heftige und schmerzhafte Entzündung im Gelenke, wobei das Thicr jede Bewegung scheut und dieselbe sehr ängstlich vollführt; im ganzen Umfange des Gelenks tritt eine gespannte, mit grosser Hitze verbun­dene Geschwulst ein, die Ränder der Wunde werden dicker, es ent­leert sich neben Synovia viel dünne, seröse Flüssigkeit; die Geschwulst verbreitet sich immer weiter und oft über das ganze Glied. Dabei wird der ganze Körper in Mitleidenschaft gezogen und das Wundfieber erreicht einen hohen Grad. Bald schneller bald langsamer entsteht. Eiterung im Gelenk, zuweilen auch in einiger Entfernnng von derselben unter der Haut; letztere bricht auf, die Eiterung wird schlecht, das Gelenk bleibt fortwährend schmerzhaft, es entsteht Caries, und der Tod erfolgt entweder bald durch die Heftigkeit der Zufälle, namentlich des
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Verlelzungeii an der Krone der Hufe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 427
Fiebers, oder gewöhnlich erst später durch zu vielen Verlust der Säfte und der Kräfte. —
In weniger heftigen Füllen erfolgt hierbei Heilung, aber mit Ver­wachsung der Gclenkenden, was aber bei den Pferden meislciis nicht viel besser ist als der Tod, weil das Thier seinen Dienst nicht mehr gehörig erfüllen kann.
Um diese üblen Ausgänge zu verhindern, bleibt auch hier nichts andres übrig, als die Wunde zu reinigen, fremde Körper zu entfernen, die Wunde baldigst durch das Brennen zu versehlicssen und dann so­fort innerlich die antiphlogislische, äusserlich die ableitende Bchaiullung anzuwenden.
Die ableitenden Mittel leisten hier immer noch verhältnissmässig die besten Dienste und man darf sich von ihrer consequenlen Anwen­dung durch einen massigen Grad der schon bcslehenden Entzündung nicht'abhalten lassen. Nur dann, wenn das Fieber und die Schmerzen ausserordentlich heftig sind, kann man die Irritation durch lauwarmes Bleiwasser, mit Opium oder mit Bilsenkraut-Extrakt zuerst zu mindern suchen, und dann, wenn dieser Zweck erreicht ist, doch die Kantha-ridensalbe reichlich und wiederholt anwenden. Bei dieser Behandlung mindert sich der Ausfluss der Synovia von selbst, und die Heilung er­folgt durch Granulation von den Wundrändern her; doch kann man auch jenen Ausfluss durch die Synovia absorbirende oder auch durch coagulirende Mittel mindern. Man hat hierzu eine IMenge von Mitteln empfohlen, namentlich: gepulverlen Gips, Lehm. Alaun. Eichenrinde, Galläpfel, Creosol, Weingeist, einen Brei von Kampher und Weingeist, das Rabelschc Wasser, das Hall ersehe Elixir, das Ï he den sehe Schusswasser (Arquebusadc), Aullösungen von Kupfer- und Zinkvitriol oder auch diese Salze im pulverigen Zustande, die harzigen Tinkturen und dergl., immer mit einem passenden Verband. Doch bleibt stets die wesentlichste Aufgabe die möglichste Abhaltung oder Mindenuig der Entzündung und der Eiterung, — und eben desshalb kann ich zu der hin und wieder empfohlenen Anwendung warmer Breiumschläge von schleimigen und narkotischen Mitteln nicht stimmen, da auch die Er­fahrung dafür nicht spricht.
D. Verletzungen an der Krone der Hufe.
Die sogenannte Fleischkronc der Hufe wird durch Stollen der Huf­eisen, wenn die Thicre sich mit einem Fussc auf den andern treten, ausserdem durch das Streifen mit den Fiissen (S. 2G1), durch nicht gehörig umgebogene Nägel bei dem Beschlagen, durch eifallende Eggen-zahne bei dem Eggen u. s. w. verletzt. Die ersterc Veranlassung ist die häufigste und man pflegt desshalb gewöhnlich alle Verletzungen dieses Theils (obgleich unrichtig) mit dem Namen Krouentrittc zu bezeichnen. Dieselben kommen gewöhnlich und am übelsten im Winter vor, weil in dieser Jahreszeit die Stollen spitz und scharf ge­macht werden und desshalb leichter und tiefer in die Krone eindringen: und sie entstellen entweder, indem ein Pferd sich mit den eigenen Fiissen tritt oder auch durch die Nebenpferde. Beides geschieht während des Gehens am gewöhnlichsten bei kurzen Wendungen. bei denen die Thiere
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428nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Verletzungen an der Krone der Hufe.
mit den Beinen eng zusammen oder selbst über einander treten müssen, Ersteres aber auch bei dem Stillstehen, wenn die Thiere aus Gewohn­heit oder aus Müdigkeit mit einem Fuss auf dem andern ruhen.
Die Verletzungen an der Krone sind, je nach der Tiefe ihres Ein­dringens, bald nur oberflächlich, bald mehr oder weniger lief in die Wcichgebilde eindringend und es sind dann, je nach dem Orte, ver­schiedene Gebilde verwundet. An der vordem Seite der Krone wird bei tiefer eindringendeu Verletzungen oft die Ausstrecksehne des Uuf-beins und das Gelenk selbst mit verletzt, bei den mehr zur Seite vorkom­menden Kronentritten werden häufig die Hufknorpel mehr oder weniger gequetscht und auch verletzt und bei den am hintern Theil der Krone des Saumes, und an den Ballen, kann die Beugesehne des Hufes oder der Hauptstamm der Hufarterie betrollen sein. — Fast alle diese Ver­letzungen sind mit Quetschung, mit Zerreissung der Wcichgebilde, oft auch mit Splitterung und Eindrückung des Horns verbunden.
Man erkennt diese Verletzungen au einer olfcneii wunden Stelle an der Krone, welche oft mit einer umgranzten schmerzhaften und war­men Geschwulst umgeben ist, oder wobei die Haare nach innen gedrückt sind und der Saum des Hornes selbst eingerissen oder verbogen ist. Oft zeigen die Thiere sehr grosse Schmerzen und gehen bedeutend, in anderen Fällen nur sehr wenig lahm auf dein leidenden Fusse, und mehrentheils besteht in den ersteren Fällen auch ein Heizfieber. Im nicht frischen Zustande bestehen Eiterung oder Verjauchung und oft üp­pige Granulation und Fisteln. Die Sonde zeigt die Tiefe, die Richtung und die Beschaffenheit der VVuude.
Die Vorhersagung ist bei diesen Verletzungen nach der Verschie­denheit der betroli'enen Theile, nach dem Grade der vorhergehenden Quetschung und nach dem Alter der Verletzung verschieden. Frische, von scharfen Stollen verursachte oberflächliche Kronentritte sind gar nicht gefährlich; tiefer eingedrungene, mit Verletzung oder mit grosser Quetschung der Sehneu, des Gelenks u. s. w. verbundene sind aber sehr gefährlich, indem sie, wie die Sehnen- und Gelenkvvunden sehr heftige Zufälle und selbst den Tod zur Folge haben können oder auch lang­wierige Uebel erzeugen. So z. B. entstehen zuweilen nach Kissen und starker Quetschung des Saumes Hornspalte und Hornklüfte, — nach starker Quetschung der Hufknorpel Knorpelfisteln, und nach Verletzung der Seimen und des Hufgelcnks der Wundstarrkrampf und langwieriges Hinken. — Wenn eben zu der Zeit die ßrandmauke herrscht, werden durch das Hinzutreten derselben diese Verletzungen oft sehr bösartig.
Behandlung. Zunächst muss mau diese Verletzungen von etwa hineingetretenen und in den Wundrändern befindlichen Haaren und von Hornsplittern und anderen fremden Körpern reinigen. Die Hornsplitter entfernt man mit dem Messer vollständig so weit, als der Saum des Hufes und das Horn-daselbst gespalten oder abgetrennt ist, damit die Splitter nicht reizen, auch der Eiter frei abfliessen kann, und keine Hornspalten zurückbleiben. — Die weitere Behandlung richtet sich nach der Beschaffenheit und nach dem Alter der Verletzung. Frische, noch blutende Kronentritte ohne grosse Quetschung befeuchtet man fleissig mit kaltem Wasser oder mit Bleiwasser: wenn sie aber mit bedeuten-
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Verletzungen an der Krone der Hufe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 429
der Quetschung verbunden sind, so wendet man lieber Salzwasser mit Essig, Oxykrat an, so lange bis die Entzündungszufalle verschwundeu sind oder bis Eiterung eintritt. Fette Salben darf man bei diesen Yer-letzungen nicht anwenden, weil sie gewöhnlich die Wunde in einen schlechten Zustand versetzen. — Da hier, wie überhaupt am Hufe, die Lebensthätigkeit nur auf einer geringen Stufe steht und desshalb die Eiterung sehr leicht von der gularligen BeschalTenheit abweicht, so muss man suchen, dieselbe, nach ihrem Eintritt durch erregende Mittel in einem massigen Grade und in gutartiger BeschalTenheit zu erhallen. Man verbindet daher, wenn zu dieser Zeit keine grosse Schmerzen be­stehen, die Verletzung mit harzigen oder mit aetherisch-öligen Mitteln, z. B. mit der Terpeathiusalbe oder mit der Aloe- oder Myrrhenlinktur; oder man wendet den Höllenstein oder auch das glühende Eisen an. Ist jedoch noch ein bedeutender Grad von Empilndlichkeit und Ge­schwulst um die Verletzung vorhanden, so muss man mit den Reiz­mitteln vorsichtig sein und lieber nach ßeschalfcnheit der Thätigkeil und des Eiters Fussbäder von blossem warmem Wasser, von Seifenwasscr, von Heusaamen, oder warme Umschläge von narkotischen, schleimigen Mitteln (von Lcinsaamen, Kleie, Ilafergrütze u. dergl.) anwenden und die Wunde bloss mit weichem Werg bedecken. Bei blasser Farbe und weicher Beschallenheit der Granulation macht mau Fussbäder von zer-theilenden oder zusammenziehenden Pilanzen und verbindet oder be­feuchtet die Wunden mit den harzigen Tinkturen, oder auch mit einer Auflösung von Kupfer- oder Zinkvitriol, von Lapis infernalis oder mit Creosot. Wuchernde Granulation nimmt man, wenn sie sehr bedeu­tend ist, mit dem Messer weg, oder in anderen Fällen zerstört man sie mit, dem Brenneisen oder mit den Aetzmiüeln. Hierbei ist jedoch vor allen Dingen darauf zu achten, dass der Eiter stets einen freien Abfluss behält, da auch nach dem Abnehmen des ursprünglich getrenn­ten Horns sehr oft im Verlaufe des ücbels noch weitere Trennungen der Hornwand von der Fleischwand, oder auch selbst der letztem von dem Hufbein, in Folge der Quetschung und Entzündung entstehen. Es ist desshalb, wenn zu reichliche Eiterung, Wacherang, Auflreibung der Krone oder unverhällnissmässig grosse Schmerzen bestehen, ein wieder­holtes vorsichtiges Sondiren der Wunde, ein nachträgliches Wegnehmen alles gelrennten Horns mit dem Rinn- und Lorbeerblattmesser, und selbst das Aufspalten der Krone und eines Theils der Fleischwand er­forderlich. Zu diesen kleinen, oft sehr mühsamen Operationen müssen sehr empfindliche oder widerselzlichc Tiere niedergelegt werden. Die weitere Behandlung hiernach richtet sich wieder, wie im Vorhergehen­den angedeutet, nach dem Grade der erhöheten Senscibilität, so wie nach der Beschairenheit des Eiters und der Granulalion.
Nicht selten enlsleht, sowohl bei guter wie bei sehr schlechter Heilung der Weichgebilde, eine Wucherung des von den Rändern her neugebildeten Horns, so dass dieselben sich gegenseitig drücken, selbst über einander wachsen, hierdurch Druck, Reizung, neue Entzündung Eiterung, und gewöhnlich auch erneueles Lahmgelien herbeiführen. Auch auf diesen Gegenstand muss man stets aufmerksam sein und durch Beschneiden der Hornränder den üblen Folgen vorbeugen und sie hierdurch, so wie durch kalte Fussbäder beseitigen. Dieses Be-
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Verletzungen der Fleischwand.
schneiden muss iu maiichuii Fällen sogar nach Heilung des Krouenhitts noch mehrmals wiederholt werden.
Isl das Kapselband mit verletzt', so tritt die Wunde in die Kate­gorie der Gelenkwnnden und wird wie diese bchandeU. — Verletzun­gen der Hufknorpel bedingen in den meisten Fällen keine andere Be­handlung als die angegebene; wenn aber die Knorpel und die Krone alhnälig immer stärker anschwellen, wenn die Haare daselbst sich sträu­ben, wenn sich eine oder mehrere kleine OelFnungen bilden, aus wel­chen ein jauchigler Eiler, zuweilen gemengt mil kleinen grünlichen Knorpelslückchen sickert, und wenn man in diesen Oellhungen mit der Sonde den Knorpel rauh fühlt oder gar ihn durchdringen kann, so hat sich eine Hufknorpclfistel gebildet, welche nach der in der XV. Classe gegebenen Anleitung behandelt werden muss.
E. Verletzungen der Fleisclnvand.
Die Fleischwand der Hufe der Pferde und zuweilen auch der Klauen des Rindviehes wird durch eingeschlagene Hufnägel bei dem Festnageln der Hufeisen häufig verletzt und dadurch das sogenannte Vernageln herbeigeführt; ausserdem aber entstehen Verletzungen dieses Theils zu­weilen durch gewaltsames Abreissen eines Theils der Hornwand bei den sogenannten Hornspalten, bei den Hornkluften und bei den abgebo­genen losen Hornwänden. Die Verletzungen, welche auf erstere Weise entstehen, sind sämmtlich Stichwunden, jedoch in den einzelnen Fällen darnach verschieden, dass bald die Wunde nur an der äussern Fläche der Fleischwand sich hinzieht, daher der Nagel mehr drückt als ver­wundet, oder dass die Wunde in der Fleischwand selbst besteht, oder auch dass sie mehr nach einwärts zu dem Hufbcine hindringt und das letztere bald mehr bald weniger mit verletzt, ja zuweilen sogar gesplit­tert ist: — ferner darnach, dass die Wunde bald einfach und rein, bald durch das Vorhandensein des verletzenden Nagels oder durch einen Splitter oder auch die abgebrochene Spitze desselben, oder auch durch einen alten Nagelstumpf verunreiniget und complizirt ist. Bei den Ver­letzungen der Fleischwand, welche durch Hornspalten u. s. w. veran-lasst werden, ist die Wunde stets gerissen und erstreckt sich bald nur bis iu das Gewebe der Fleischwand, bald auch bis auf den Knochen.
Die Veranlassung zu dem Vernageln ist in den einzelnen Fällen sehr verschieden, a. Manche Pferde werden leichter vernagelt als andere, indem der Tragerand ihrer Hufe zu stark abgelaufen, oder ungleich aus­gebrochen, die Wand zu dünn und zu steil (ein sogenannter Bockhuf oder Eselshuf) ist. — b. Oft liegt die Ursache iu einer fehlerhaften Construktion und Grosse des Hufeisens, indem namentlich die Hufeisen zu eng, oder zu ticfgelocht oder auch in schräger Richtung gelocht sind; oder c. indem man zu dicke, schlecht gezwickte und schlecht ge­richtete, oder mit Rissen versehene, unganze, brüchige oder zu spröde Hufnägel benutzt; oder d. wenn von dem früheren Beschläge noch ein­zelne Nagclslnmpfe und Nieten in den Hornwänden zurückgeblieben sind. Doch kann auch ohne das Vorhandensein dieser Bedingungen das Vernageln selbst bei gutgefonnten Hufen und gehörig weiten Huf­eisen slatlfiuden; wenn die Spitzen der Hufnägel zu sehr in schräger
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Verletzunjicn der Fleischwand.
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Richtung nach einwärts in die Nagellöcher eingesetzt und in dieser Richtung eingeschlagen (zu hoch getrieben) werden; oder wenn man die Zwicke verkehrt in das Nagelloch des Hufeisens setzt; — oder wenn das letzlere sich auF dem Hufe während des Aufschiagens ver­schiebt. — Die Vcrlelzungen der Flcischwaud auf andere Weise finden sich besonders auch bei spiödeu imd brücliigcn Hufen und bei groben Gewalttliäligkcilen, wie z. 15. wenn Pferde mit Lastwagen an den Füs-sen überfahren werden oder mit den letzteren zwischen Steinen und anderen festen Gcgensländen sitzen bleiben.
Die Erkennung der letzteren Verwundungen ist in der Regel leicht; man sieht die Hornwand an einer Stelle getrennt und im frischen Zu­stande daselbst Ausllnss von Blut: die Thiere gehen lahm, treten auf die verletzte Seite des Hufes nur sein- furchtsam oder gar nicht auf, und wenn man den Huf mit der Sonde untersucht, so kann man an der getrennten Stelle der Wand, oder auch zwischen der Hornwand und der Hornsohlc an der sogenannten weissen Linie, zwischen die Hornwand und die Fleischwaml eindringen; zuweilen fehlt auch ein Stück Hornwand und die verlolzlc Parthie der Fleischwand liegt dann offen zu Tage. — Die Vein agelungen geben sich in den meisten Fällen schon bei der Verletzung selbst zu erkennen, indem die ïhiere bei dem Ein­schlagen des verletzenden Nagels mit dem Fuss zucken und ausserdem der Nagel bei denraquo; Aufschlagen mit dem Hammer auf seinen Kopf nicht den harten inetallischeu Klang giebt, den man bei dem Eindringen der Nagelspilzc in das Horn zu hören pflegt, sondern der Ton hierbei ist mehr weich oder malt. Ausserdem kommt die Nagelspitze entweder höher als an der bestimmten Stelle der Hornwand zum Vorschein, oder sie kommt gar nicht hervor. Im letzteren Falle dringt in manchen Fäl­len der Nagel mit seiner ganzen Länge in den Huf ein, in anderen geht er nur bis zu einer beslimmlen Tiefe und beugt sich bei ferneren Schlä­gen auf ihn am Hufeisen um (der Nagel setzt sich, nach der Ausdrucks­weise der Schmiede). In den Fällen der letzteren Art ist entweder die Spitze des Nagels unganz geworden, so dass der Nagel in Folge dessen nicht mehr vorwärts dringen kann, oder dieselbe findet einen Widerstand oder eine abweichende Richtung au einem zurückgebliebe­nen Nagelstumpf. In manchen Fällen dringt auch aus dem Nagelloch an der Wand ein Tropfen lilutes. Bei dem Zuuieten der Nägel zeigen die Thiere gewöhnlich bei dem Klopfen mit dem Hammer und bei dem Anziehen der Nägel mit der Zange Schmerz, wenn der verletzende Na­gel berührt wird. Nach dem Beschlagen schonen die Thiere den Fuss, wenn man sie auf hartem Boden geheu lässt; doch ist dies in denjeni­gen Fallen sehr gering, oft kaum bemerkbar, wenn der Nagel bloss an der äusscreu Fläche der Fleischwand eine geringe Verletzung gemacht hat und mehr durch Druck uachthcilig wirkt, wogegen in den Fällen, wo das Hufbein mit belrolleu ist, das Schonen und Lahmen immer sehr stark hervortritt. Bei dem Stillstehen setzen die Pferde den ver­letzten Fuss bald vor- bald rückwärts, sie suchen beständig eine andere Stelle, zuweilen kratzen sie auch mit dem Hufe auf dem Boden. Nach 12—24 Stunden findet man die Fesselarterien stärker pulsirend und den Huf vermehrt warm; auch zeigen die Thiere, wenn man mit einer Zange die Hornsohle und die Hornwand rund herum an verschiedenen
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432nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Verletzungen tier Fleisch wand.
Punkten gegeneinander drückt, an der verletzten Stelle bald mehr bald weniger heftigen Schmerz. Zieht man bei solchen Erscheinungen die llufniigel einzeln wieder aus dem llul'c heraus, so findet man an der verletzten Stelle den Nagel am ersten und zweiten Tage von Blut be­leuchtet und gewöhnlich dringt auch etwas flüssiges Blut aus der Na-gelöllimiig des Horns hervor, später zeigt sich der Nagel mit zersetztem Blut oder mit schwarzgrauem oder auch mit vveissem Eiter befeuchtet und zuweilen kommen auch ähnliche Flüssigkeiten aus dem Nagelloch zum Vorschein. Ist letzteres nicht der Fall, so findet man doch wenig­stens in vielen Fällen dieses Loch mit einem schwärzlichen oder röth-lichen Rande umgeben, oder das Loch ist auch zu weit nach einwärts von der weissen Liuic angebracht. Schneidet man unter diesen Um­ständen das Horn in der weissen Linie oder im Umfange des Nagel­loches mit einem Rinnenmcsser oder mit einem Hufbohrer aus, so findet sich unter der Hornsohle eine Ansammlung bald von Blut, bald auch von grauem oder weissem Eiter, je nach der Dauer des Ucbels und nach dem Grade der Vcrletznng; denn im frischen Zustande ist nur Blut vorhanden, während bei mehr vorgerückter Zeit sich Eiter gebildet hat. Der schwarzgraue Eifer ist immer nur dann vorhanden, -wenn der Nagel mehr an der Ausseulläche der Fleischwand mehr drückend als verwundend gewirkt hat, dagegen ist weisser Eiter stets ein Zeichen davon, dass das Gewebe der Fleischwand oder auch wohl der Fleisch-sohlc selbst verletzt ist. Zuweilen, namentlich dann, wenn der Eiter nicht bei Zeiten entleert worden ist. breitet sich derselbe zwischen der Horn- und Fleischsohle, oder wohl auch nach oben zwischen der Horn-uud Fleischwand, oder auch unter der letzteren bald mehr bald weni­ger aus, so dass an der Sohle nicht selten eine Trennung der Horn­sohle und des llornstrahls an ihrer ganzen Fläche, oder doch zum gros­sen Theile, erfolgt und der Eiter zuletzt über dem Strahl an den Bal­len zum Vorschein kommt; und ebenso wird zuweilen ein Theil der Hornwaud von der Fleischwand getrennt und an der Krone ein Abscess gebildet. Der letztere befindet sich immer gerade da, wo das obere Ende der durch die Vernagclung unten verletzten Hornfasern hinlritt, so dass man durch den äusserlich sichtbaren Verlauf der Hornfasern von dein Abscess zum Tragerande der Wand herunter in den meisten Fällen sicher zu der verletzten Stelle geleitel wird. Bei der Entwicke-lung dieser ausgebreiteten Eiterung und überhaupt während der Eiter­bildung zeigen die Thicrc beständig grossen Schmerz und in Folge des­selben starkes Lahmgehen, besonders aber wenn das Hufbein mit ver­letzt ist, wo dann nicht seilen auch ein grosses Reizfieber entsteht, die Thiere den Appetit verlieren, viel liegen und sich überhaupt so beneh­men, wie bei recht heftigen Hufentzüudungen.
Dagegen ist es bemerkenswerth, dass in denjenigen Fällen, wo ein Nagel bluss auf die Fleischvvand drückend wirkt, die Thiere sehr häufig 2 — 3 Wochen und selbst noch länger nach dem Einschlagen eines sol­chen Nagels ganz gut gehen, dann plötzlich lahm werden, die oben an­gegebenen Zeichen des Leidens im Hufe wahrnehmen lassen und dass man dann bei dem Ausschneiden des Ilorns den bezeichneten schwarz­grauen Eiter an der Vernagelungsstelie vorfindet.
In allen Fällen findet man, aussei' den angegebenen Merkmalenj
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Verletzungen der Fleischvvand.
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die durch einen Nagel erzeugte Verletzung noch durch die Untersuchung mit der Sonde in ihrer Länge, Richtung und Beschaffenheit, uatnentlich das Mitleiden des Knochen.-', das Vorhandensein eines Hufsliftes u. s. w.
Die Beurtheilung. Die Verletzungen der Fleischwand, welche durch das gewaltsame Abreissen eines Stückes der Hornwand erzeugt worden sind, heilen in der Regel sehr schwer; in den meisten Fällen entsteht Eiterung, oft wuchernde Granulation und zuweilen selbst Fistelbil­
dung. Unter
grosste Theil d
günstigen Umsläuden vernarbt. unter dor Hornwand der
ausgeschwitzte Hornmasse,
aber die Trennung der Hornwand selbst bleibt mehrentheils bestehen, wenn nicht eine geschickte Behandlung die Verwachsung von oben her begünstiget, wozu aber immer lange Zeit und in den meisten Fällen andauernde Ruhe erforderlich ist. Wo die letztere nicht gewährt wer­den kann, da fruchlel selbst die blosse Behandlung nichts. Zuweilen verdickt sich nach diesen Verletzungen die Hornwand und wirkt drückend auf die Fleischwand und das Hnfbcin, so dass in Folge dessen an­dauernder Schmerz und Lahmheit entsteht, welche nur sehr schwer und unsicher zu beseitigen ist. Wenn der Eiter an der verletzten Stelle bis zum Hufknorpel dringt und Caries desselben erzeugt, so entsteht die sogenannte Knorpelfislel, welche stets Monate lang dauert und im­mer nur schwer geheilt werden kann.
Die Vernagelungen sind je nach den verletzten Theilen, nach der Dauer, nach der Verschiedenheit der eingetretenen Zufälle und nach dem Umstände: ob der Nagel, die Spitze, Splitter und Nogelstumpfe vollständig zu entfernen sind oder nicht, in den einzelnen Fällen sehr verschieden zu beurtheilen. Wird der verletzende Nagel gleich nach statlgefundencr Verletzung wieder aus dem Hufe herausgezogen und fin­det keine fernere Reizung der verletzten Stelle stall, so erfolgt die Hei­lung gewöhnlich schon nach 2 — 3 Tagen, ohne dass üble Zufalle ein­treten. Dies ist um so eher der Fall, wenn der Nagel mehr an der äussern Fläche oder in der Substanz der Fleischwand hingegangen ist; dagegen treten auch, wenn er bald wieder herausgezogen worden ist, nach stattgefundener Verletzung des Hufbeins sehr oft üble Zufalle ein. Diese bestehen zunächst in heftiger Hufentzünduug, in grossen Schmer­zen und in einem Reizfieber, später findet sich Eiterung und in man­chen Fällen selbst Tetanus hinzu; die Eiterung kann, wie bereits er­wähnt, mit Caries, mit Exfoliation und mit Fistelbildimg begleitet sein, und das Thier kann bei grosser Heftigkeit und bei längerer Forldauer dieser Zulälle unbrauchbar werden oder auch selbst zu Grunde gehen. Man hat einen üblen Ausgang dieser Art immer sehr zu fürchten, wenn die Thiere durch längere Zeit fortdauernd einen hohen Grad von Schmerz
wenn sie beständig den leidenden Fuss in die
und Reizüeber zeigen
Höbe heben, wenn die Krone desselben dick auftreibt, an verschiedenen Stellen aufbricht und eine gelbliche serös-lymphatische Flüssigkeit aus­sickert. In diesen Fällen sind immer im Innern des Hufes bedeutende Zerstörungen entstanden. — Wenn aber der Eiter schwärzlich ist, wenn der verletzende Nagel bei Zeiten entfernt, das Horn im Umfange des Nagel­lochs gehörig ausgeschnitten und eine antiphlogistische Behandlung ein­geleitet wird, erfolgt die Heilung in den allermeisten Fällen binnen etwa 8 —10 Tagen vollsländig. Unter diesen Bedingungen und wenn keine
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Verlegungen der Fleischwand. Behandlung.
Symploine eiuer hefligen Reizung zugegen sind, 1st selbst das Erscliei-nen eines Abscesses an der Krone oder die Lostrennuug eines Theils der Uornsohle und des llornslrahls nicht mit grosser Gefahr begleitet, obwohl hier die Bcbamllung etwas schwieriger und die Kur länger dauernd ist, als unter den vorhergehend angedeuteten Umständen. — Sehr schwierig ist die Heilung immer, wenn Nagclslumpfe oder Nagel­splitter im Hufe zurückgeblieben sind.
Behandlung. Die erste Aufgabe bei diesen Verletzungen ist die, den verletzenden Nagel und vorhandene Spitzen, Splitter oder Stumpfe sogleich zu entfernen. Dies geschieht an dein ersteren mit Hülfe der Zange und nachdem man seinen Niet vorher vollständig geöflnet und selbst wohl abgehauen halle, damit durch den Niet keine Reizung der Wunde erzeugt werde. Ist die Verletzung durch einen Nagel gesche­hen, dessen Spitze bei dem Herausziehen abgebrochen und in den Weichgebilden stecken geblieben ist, oder dessen Spitze sich gesplittert hat, oder findet man mit der Sonde Slmnpfe in der Wunde, so muss das Horn um die Oelfnung der Wunde und selbst an der Wand mit einem Rinnenmesser bis auf die Fleischsoble und die Flcischwand so weit weggenommen werden, dass man jene fremden Körper erfassen und wegnehmen kann. Der herausgezogene Nagel darf, selbst wenn das Thier nur geringe Zufälle zeigt:, nicht durch einen andern Nagel ersetzt werden, sondern das Nagelloch muss olfen bleiben. Dies ist in sehr vielen Fällen zur Heilung allein hinreichend. Zeigen aber die Thierc heftigen Schmerz oder ist schon vermehrte Wärme eingetreten, so ist die zweite Aufgabe: die Zurüeklialtung und Verminderung der Entzündung durch kalte Fussbädcr von Wasser oder Bleiwasser, oder durch kalte Umschläge von einem Gemenge aus Lehm und Kuhmist, oder aus einem Brei von Kleie oder auch bloss mittelst dicker Lappen zu veranlassen. Im Wesentlichen ist es ziemlich gleichgültig, welches Ma­terial man hierzu benutzt, wenn nur die Erhaltung eines gleichmässigen Kältegrades durch fleissiges Begiessen bewirkt wird. Diese Behandlung muss durch 3 — 4 Tage, oder wenn die Zudillc hartnäckig fortbestehen, auch für die ganze Dauer derselben fortgesetzt werden. Mindern sie sich mit 4 — 6 Tagen nicht, so ist es noting, das Hufeisen (im Falle dies nicht schon geschehen sein sollte) abzunehmen und das Horn im Umfange des Nagelloches etwa 4 Linien lang und eben so breit bis auf die Fleischsohle vollständig herauszuschneiden, das Horn im Um­fange dieser Oelfnung ganz dünn zu machen, das Innere der Wunde nochmals mit der Sonde zu untersuchen und etwa aufgefundene fremde Körper zu entfernen, hierauf aber die kühlende Behandlung bis zur Beseitigung der Zufälle fortzusetzen. Das Ausschneiden, Dünnschneiden und Kühlen ist besonders vom Anfange her nölhig, wenn das Hufbein mit verletzt ist. Tritt Eiterung ein und sind die Schmerzen noch sehr gross, so wendet man lauwarme Fussbäder oder Umschläge von nar­kotischen und schleimigen Mitteln an und geht allmälig zu gelind aro­matischen Mitteln, zuletzt, wenn die Granulation sich bis zur Oberfläche der Wunde gebildet hat, zu gelind austrocknenden Mitteln über. Als Mittel der letztem Art kann man conzentrirles Bleiwasser (Sacchar. saturni sect;/? zu sect;vj Wasser), oder eine Auflösung von Cuprum sulphu-
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Verwundungen der Klcischsohlc etc.
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ricum (eben so stark), oder auch Kalkwasscr beuutzen. — Ist ein Abscess an der Krone entstanden, so ölluet mau denselben, bewirkt aber als Hauptsache zugleich eine gehörig grosse (jegenöffnung au der entsprechenden Stelle der weissen Linie, und wendet übrigens die vor­hin bezeichneten Mittel entsprechend dem Reizungszustande llcissig an. Findet sich neben dem Nagelloche die llorusohlc in einem grossern Umfange von der Fleischsohle getrennt und eine Höhle daselbst, so muss alles von der Fleischsohle getrennte Horn der Sohle und des Strahls mit einem Male vollständig weggenommen werden. Man ver­bindet dann die blossgelegte Fleischsohle mit weichem Werg und mit Leinwand und wendet je nach dem Grade der Reizung narkotische, oder entgegengesetzt gelind aromatische oder auch selbst schwach aus­trocknende Mittel au, wie z. B. eine Auflösung von Zincum oder Cu­prum sulphuricum (3j zu 1 U Wasser) u. dgl. Nach 3—6 Tagen kann man dann in der Kegel ein gut passendes Hufeisen zum Schutz der Sohle auflegen und den Verband mit den Mitteln der letztern Art auf die Weise fortsetzen, dass man die Fleischsohle mit lockerem Werg be­deckt und letzteres vermittelst llolzspähuen, welche man zwischen das Eisen und das Werg in querer Richtung einklemmt, in seiner Lage er­halten; oder man benutzt für diesen Zweck ein sogenanntes Dcckel-hufeisen.
In diätetischer Hinsicht ist bei diesen Verletzungen zu bemerken, dass man Pferde mit frisch entstandener Veruagclung, und nachdem der Nagel entfernt ist, in der Regel zu massigen Dienstleislungen benutzen kann, dass dieses aber nicht geschehen darf, wenn die Thiere grossen Schmerz zeigen oder wenn bereits Eiterung eingetreten ist; unter die­sen Umständen hält man die Thiere ruhig, auf weicher Streu und giebt ihnen nur massiges und leicht nährendes Futter.
F. Verwundungen der Fleischsohle, des Fleisclistrahls, der Hufbeinsbeugesehne u. s. w.
Die Fleischsohle und der Fleischstrahl, so wïe die über diesen Theilen liegenden Gebilde, das Ilufbein, die Beugesehne des Hufbeins, das Strahlbein und das Kapselband des Hufgelenks werden sehr häufig durch das Eintreten von Nägeln, scharfen Knochen und dergleichen spitzen Körpern verletzt. Diese Verletzungen sind allgemein unter dem Namen Nagelt ritte bekannt. Zuweilen wird auch die Fleischsohle und noch mehr der Fleischslrahl bei dem Ausschneiden des Hufes mit dem Wirkmesser oder mit der Hauklinge verwundet.
Die Nageltritle kommen im ganzen Umfange der Sohle und des Strahls, am häufigsten aber in den Furchen zwischen dem letztern und der Sohle, oder auch in der mittlern Strahlfurche vor. Sie sind in den allermeisten Fällen enge Stichwunden, jedoch nach der scharfen oder mehr stumpfen Beschaffenheit des verletzenden Körpers und dar­nach, ob derselbe theilweise oder ganz in der Wunde zurückgeblieben ist oder nicht, sind sie bald einfache Trennungen, bald mehr mit Quet­schung oder Zerreissung, oder auch durch das Dasein fremder Körper
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436nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;#9632;Verwundungen der Flelsdisohle etc.
ïusainmengeselzl, und hinsichtlich Hirer Tiefe iinclel man, dass bald nur die Fleischsohle obei-flachlich, oder auch durchgehend, oder auch das Hufbein, und bei dem SlrahJ der Fleischstrahl oder die genannten tieferen Theile mit -verletzt sind.
Die Erkennung der Verletzungen durch das Wirkmesset oder die Hauklinge ist in der Regel leicht zu erlangen. da sie im frischen Zu­stande hluteu uud ihre Bänder etwaraquo; aus einander gehen. — Die Er­kennung der Nagellritte ist in den einzelnen Fällen bald sein- leicht, bald wieder entgegengesetzt sein- schwer, je nachdem der verletzende Körper zur Zeit der Uiilcrsiichung noch in dein Hufe sitzt, und je uaclidcin die Zufälle mehr oder minder heilig eintreten. Der verletzende Körper kann in einem andern Gegenstaude festsitzen, z. B. in einem Breit, oder er kann wieder herausgetreten, oder abgebrochen, oder auch bereits von Jemand herausgezogen sein. — In den meisten Fällen hin­ken die Pferde gleich iiacb dem Eintreten eines Nagels und dergleichen in dem Grade, dass eiu anfnierksamcr Kelter oder Kutscher es wobl bemerken kann: das Hinken geschieht am stärksten bei dem jedesmali­gen Auflreleu mit dem Fuss gegeu den Buden, indem die Thiere dabei den Fuss bald wieder zuckend in die Höhe heben oder auch ihn beim Aufsetzen so stellen, dass nur der eine oder der andere Rand des Hu­fes den Boden berührt. Uutersucht mau den hinkenden Fuss, so findet mau bei frischer Verlelzmig entweder den eingedrungenen fremden Kör­per noch im Hufe festsitzend, oder in manchen Fällen auch eine frisch-blutende kleine Wunde. Letztere ist in denjenigen Fällen, wo der ver­letzende Körper sehr düun ist, nicht immer deutlich wahrzunehmen, weil das elastisch-coutraktiie Horn der Sohle und des Strahls sich nach der Entfernung des verletzenden Körpers gleich wieder ganz eng zu­sammenzieht und die Wunde verscldiesst. Zuweilen wächst ein Nagel, ein Drahtstiick und dergleichen förmlich in das Horn des Strahls ein. so dass man äusserlicb nichts von ihm sieht. Wenn man jedoch in sol­chen Fällen bei vorhandener Lahmheit die Sohle und den Sirald zuerst mit der Untersuchuugszange überall gleicbmässig drückt und dann an der schmcrzhaflen Stelle einen dünnen lloraspalm abschneidet, so zeigt sich die verletzte Stelle gewöhnlich als ein rölhlicher oder schwarzer Punkt von verschiedener Grosse, zuweilen auch Blut, Eiter. Jauche oder ein fremder Körper. Durch eine Sonde überzeugt man sich dann noch von der Tiefe der Wunde, von dem fllilleiden der hinler der Flcischsohle und dem Fleischstrahl liegenden Gebilde und von etwa vorhandenen fremden Körpern. Hat man Gelegenheit, selbst den frem­den Körper aus der Wunde zu ziehen oder ihn nur zu sehen, so kann mau aus der Länge, in welcher er eingedrungen war, aus seiner bluti­gen, oder gekriimniten und anderen Bescliall'enheil mehrentheils einen richtigen Schluss auf die Tiefe der Wunde und auf die Art der ver­letzten Theile machen. Es findet sich ausserdem noch, wenn die Huf-beinsbeugesehnc mit verletzt ist, Ausiluss von Sehnenscheidcnllüssigkeit und bei verletztem Hufgeleuk Ausfluss von wirklicher Synovia. Ist die Verletzung über 24 Stunden alt, so findet sieh bei denen, welche etwas tiefer eingedrungen sind, häufig vermehrte Wärme des Hufes, stärkeres Pulsireu der Fesselarterien und späterhin Ausiluss von Eiter aus der Wunde; and wenn der Ausiluss wegen zu grosser Enge der
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Verwundungen der Fleisclisohle etc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;437
Wunde gehindert, die Beugeseline oder das Hufgelenk mit verletzt ist, entstellt Auflreibuiig der Krone und Anscliwellung der Beugcselmen, zuweilen bis über das Fcsselgelcnk hinauf. Nach dem Entstehen der Hufentzündung schonen die Tliierc den verletzten Fuss bei dem Stehen und Gehen viel Stärker als vorher, und in den meisten Fällen tritt dann auch ein, dem (hade der Schmerzen entsprechendes Wundlleber, Ver­lust des Appclils u. s. w. hinzu. Diese Zufälle kommen jedoch nicht bei allen Verletzungen durch das Eintreten von Nägeln und dergleichen vor, sondern sie bleiben bei oberflächlichen Verwundungen der Fleiscli­sohle und des Fleischslrahls sehr häufig ganz aus und die Thiero wer­den in solchcu Fällen zuweilen nicht einmal lahm.
Die Bemlhcilung der Nageltritte ist daher in den einzelnen Fällen sehr verschieden. Oberflächliche Verletzungen, besonders solche, wo der verlelzende Nagel eine scharfe Spitze halle, in schräger Richtung einge'drungcu war und bald wieder entfernt worden ist, haben fast im­mer nur eine sehr geringe Bedeutung, indem sie in der Regel keine üblen Zufälle mit sieh führen und leicht, ja selbst häufig ohne irgend eine thierärzlliclic Behandlung heilen. Auch solche Wunden, welche unter den bczeiclinclen Umständen durch die Fleisclisohle vollständig oder in den Flcischslrahl sehr lief eingedrungen sind, verhalten sich in manchen Fällen eben so: doch darf mau denselben niemals ruhig ver­trauen, weil diese tieferen Verlelzungen sich zuweilen erst nach acht Tagen und später entzünden und dann mit der nachfolgenden Eiterung üble Zufälle herbeiführen. Alle Verwundungen durch stumpfe, abge­brochene und verrostete Nägel sind bei gleicher Grosse doch stets mehr gefährlich, als die durch scharfe und glatte Nägel erzeugten, weil jene unvermeidlich eine schlechte Eilcrung herbeiführen. Verletzungen, welche bis in die Hufbeinsbeugcsehue, oder durch dieselbe bis in das Strahlbeiu und in das Hufgelenk gedrungen sind, sind stets in doppelter Hinsieht sehr gefährlich, indem sie an und für sich die üblen Folgen der Sehnen- und Gelenkwunden mit sich führen, ausserdem aber, der Erfahrung gemäss, sehr häuilg den Tetanus zur Folge haben und dann in der Regel den Tod herbeiführen; Verwundungen des Hufbeins sind zwar sehr häufig dadurch bösartig, dass sie Caries und langwierige Eiterung veranlassen, aber sie führen selten Lebensgefahr herbei. 1st bei dem Herausziehen des verletzenden Nagels die Spitze desselben ab­gebrochen und in der Tiefe der Theile zurückgeblieben, so wird hier­durch stets eine langwierige, verjauchende Eiterung und üppige Granu­lation erzeugt. Findet sich die Krone des Hufes stark und ungleich aufgetrieben, vielleicht selbst an einzelnen Stellen fluktuirend, ist der Huf dabei sehr zusammengetrocknet und dauert ein heftiges Reizfieber seit längerer Zeit fort, so ist nur eine ungünstige Beurtheilung zu ma­chen, weil in diesen Fällen im Innern des Hufes Zerstörung an Kno­chen und Bändern besteht, welche von aussen in der Regel nicht beseitigt werden kann; in manchen Fällen erfolgt zwar Heilung der Wunde, aber es tritt Verwachsung des Hufgclenks, Steiligkcit, Stelzfuss, zuweilen auch chronische Hufgelenkslahniheit ein, oder es entstehen Exoslosen am Hnfbein, es bleibt übermässige Empfindlichkeit zurück und immer findet sieh der Schwund an der Schulter oder an der Crouppc hinzu. In weniger günstigen Fällen magern die Thiere immer mehr ab, die
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438nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Verwundungen der Fleischsohle etc. Behandlung.
Eiterung dauerl Monate lang fort und zuletzt tritt Zebrfieber oder zu­weilen auch Rotz und Wurm hinzu.
Die Behandlung. Wo der verletzende Körper noch im Hufe sich befindet, muss er zuerst entfernt werden und zwar mit der Vorsicht, dass die Spitze nicht im Innern abbricht und zurückbleibt; man muss auf diesen Punkt bei dem Herausziehen der Nägel u. s. w. genau ach­ten, um nach der frischen oder veralteten ßruchfläche beurtheilen zu können, ob ein solcher Fall vorhanden ist oder nicht. Nach der Ent­fernung des fremden Körpers und nachdem die Wunde mit einer feinen Sonde untersucht ist, schneidet mau bei frischen, oberflächlichen Wun­den das Horn der Sohle oder des Strahls im Umfange der erstem etwa einen halben Zoll breit bis zu den Weichgebildcn hin recht dünn und lässt hierauf kalte Fussbäder durch 2—3 Tage unausgesetzt anwenden. Ist aber die Verletzung bis durch die Fleisclisohlc oder den Fleischstrahl gedrungen, so ist es zweckmässig, nicht nur das Horn im Umfange der Wunde zu verdünnen, sondern bis auf die Weichgebilde in dem be­zeichneten Umfange gänzlich wegzunehmen, so dass der verletzte Theil der Fleischsohle oder des Strahls ganz frei Hegt und bei etwa eintre­tender Eiterung der Eiter einen vollständigen und leichten Ausfluss gleich vom Anfange her erhält. Auch hier tritt dann die kühlende Behandlung des Fusses und zwar durch wenigstens 6 —8 Tage fort­gesetzt ein. — Wenn die Hufbeinsbeugesehne oder auch das Kapselband und das Sirahlbein mit verletzt ist, soll man nach dem Vorschlage von Dieterichs den Horn- und Fleischsfrahl an der verletzten Stelle gänzlich bis auf die Beugesehne abtragen und die letztere selbst von der Wunde aus nach dem Witfelpunkt der Sehneuausbreitung, d. i. nach den Ballen zu etwa einen halben Zoll lang mit einem Knopfbistouri aufspalten, für den Zweck: Flüssigkeiten, namentlich Eiter, welche sich über der Sehne ansammeln könnten, beständig frei abfliessen zu lassen; allein dieser Zweck wird trotz der gemachten Wunde nicht erreicht, weil die Wundränder bei der eintretenden Entzündung der Sehne sich gänzlich an einander legen. Das Wichtigste ist auch hier, nachdem das Horn au der verletzten Stelle bis auf den Fleischstrahl weggenom­men ist, die antiphlogistische Behandlung so früh und so energisch als möglich einzuleiten, und zwar nicht allein durch die fleissige Anwendung kalter Fussbäder oder Umschläge, sondern auch durch reichliches Ader­lassen, durch Laxirmitlel und recht magere Nahrung. — In denjenigen Fällen, wo eine Nagelspitze in dem Strahl oder in dem Hufbein sitzen geblieben ist, muss das Horn auf einer Fläche von circa 1 Quadratzoll um die Wunde herum gründlich entfernt und dann die Fleischsohle oder der Strahl an der verletzten Stelle in zwei oder vier Richtungen gespalten werden, so dass eine Kreuzwunde entsteht und man zu dem fremden Körper gelangen und ihn mit Hülfe der Pinzette entfernen kann.
Ist die Verletzung bereits zur Eiterung vorgeschritten, so ist ein gänzliches Wegnehmen der durch den Eiter abgetrennten Parthieen der Hornsohle, des Hornstrahls und des Horns in den Stiahlfurchen nöthig, und selbst wenn dies die ganze Sohle oder den ganzen Strahl betreffen soUte. Die stehenbleibenden Horntheile müssen, besonders nach den Rändern hin, sehr dünn geschnitten werden. In der ersten Zeil kann
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Verwundungen der FJeischsohle etc. Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 439
man hiernach noch durch ein paar Tage kalte Fussbäder oder Um­schläge anwenden; iässt sich aber hierbei nur die grosso Schnierzbaflig-keit mindern, während die Eiterung gleichmässig fortbesteht, so kann man zu lauwarmen Fussbädcrn von Heusaamenbrühe oder von anderen gelind aromatischen Mitteln übergehen und diese so lange beibehalten, bis die Granulation zu der Hornsohle oder zu dem Hornstrahl hervor­gewachsen ist. Dann wendet man gelind zusammenziehende, austrock­nende Mittel an, z. B. Auflösung von Zincum oder Cuprum sulphuri-cum, oder Kalkwasser, und lässt jene Fussbäder fort. 1st durch die Anwendung der Kalle die Schmerzhafligkeit der Entzündung nicht zu mindern, so geht man bei eintretender Eiterung zu den lauwarmen Fussbädern oder Umschlägen von schleimigen und narkotischen Mitteln über und benutzt dieselben so lange, bis die Schmerzen nachlassen, worauf man verfahrt, wie oben im Vorhergehenden angedeutet worden ist. -r- Dauern bei schon eingetretener Eiterung und bei der Anwendung der erweichenden und Schmerz lindernden Mittel dennoch die Schmer­zen heftig fort, und treibt die Krone imnier mehr auf, so ist es am zweckmässigsten, rund um die Krone', an den Ballen und an der un­tern Hälfte des Fesseis das Unguentum Cantharidum reichlich aufzu-slreicheu und dies, je nach dem Grade der hiernach eingetretenen Wirkung, nach 2 — 3 Tagen ein oder mehrere Male zu wiederholen. Dabei ist jedoch noting, vorher die Stichwunden gehörig zu erweitern und bei etwa sehr gesteigertem Reizficber die autiphlogistische inner­liche Behandlung in Anwendung zu bringen. — Ist Ulceration und jauchende Eiterung an der Beugesehne, oder Caries am Hufbein ent­standen, so kann man in den milderen Fällen die harzigen Tinkturen, das Terpentbinöl, das Creosot und dergleichen Mittel täglich einmal und bis zur erfolgten Urnstiinmung und besseren Thätigkeit anwenden, bei den höheren Graden dieser Zufälle aber das weissglübende Eisen bis auf die Sehne oder das Hufbein appliziren, hierdurch die üppige Granulation zerstören und in den leidenden Theilen einen solchen Grad von Reaktion erzeugen, dass gute Eiterung und Abstossung der ulcerirenden, aufgelösten Thcile erfolgt. Um diesen Zweck noch mehr zu befördern, macht man nach dem Brennen warme Umschläge von erweichenden Mitteln. In einzelnen Fällen hat man auch bei sol­chen tiefen und schlecht eiternden Wunden im Strahl ein Haarseil durch die Wunde gezogen, in der Art, dass die Gegenöffnung über den Ballen gemacht wurde.
Um das Verbinden zu erleichtern und zugleich die verletzten Theile mehr zu schützen, pflegt man gegen Ende der Heilung ein Hufeisen aufzuschlagen, welches am zweckmässigsten mit einem Deckel von Blech versehen ist. Der letztere kann auf verschiedene Weise an das Huf­eisen befestiget werden, und zwar am einfachsten so, dass man sein hinteres Ende in einen kleinen horizontalen Spalt an der vordem Fläche der Stollen schiebt, sein vorderes Ende aber entweder mit einem Schrau-bengriff oder mit den beiden ersten Zehennägeln verbindet. Statt des Deckels kann man aber auch Holzbrettchcn von etwa 2 Linien Dicke unter die Ränder des Eisens schieben und hiermit das auf die Wunde gelegte Wrerg in seiner Lage erhalten,
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Verwundungen der Fleischsohle etc. Behandlung.
Dass man die durch Nagellritte verwundeten Pferde wabrend der Kur andauernd in Ruhe erhalten müsse, ergiebt sich von selbst. Das nach der Heilung von sehr schmerzhaften Nageltrilten oft zurückblei­bende Schwinden der Muskeln an der Schulter beseiliget man durch spirituöse Einreibungen u. s. w., wie dies in der dreizehnten Classe angegeben ist; und die in einzelnen Fällen zurückbleibende krankhafte Ernphndlichkeit im Hufe, so wie die nach Verletzungen des Sirahlbeins und des Hufgelenks zurückbleibende chronische Hufgelenkslahmheit ist durch die Neurolomie wenigstens in ihren üblen Folgen zu mindern.
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Fünfte Classe,
Enochenbrüche.
Erster Abschnitt.
Von den Knochenbrüchen im Alleemeinen.
Der Zusammenhang eines jeden Knochens in seinem Gewebe kann durch überinässige plötzliche Dehnung desselben getrennt und hierdurch ein Knochenbruch (Fractura ossium) erzeugt werden.
Dies geschieht im Allgemeinen entweder durch eine aussere Ge-waltthätigkeit oder auch, obwohl weit seltener, durch eine heftige Zu-samraenziehuug der Muskeln.
Gelegenheifsursachcn zum Entstehen der Knochenbriiche können alle auf die Knochen einwirkende Gewalühätigkeiten, Schläge, Stcsse, Fälle und dergleichen sein, wenn sie mit so grosser Kraft auf den Körper trelfen, dass sie eben den Zusammenhang des Knochengewebes überwinden. Die Brüche erfolgen jedoch leichter oder schwerer nach der verschiedenen Dicke, Form, Lage, Verbindung und Verrichtung der Knochen, nach den durch das Aller der Thiere und durch Krankheits-zustände in den Knochen hervorgerufenen Veränderungen, und nach ihrer mehr oder weniger dicken Bedeckung mit Weichgebilden. Dicke, kurze Knochen brechen schwerer als lange, dünne, zarte; oberflächliche Knochen brechen eher als tiefer liegende, eben so diejenigen eher, die vermöge ihrer Verrichtung äitsseren Schädlichkeiten mehr ausgesetzt sind. Oft besteht im Gewebe selbst eine grössere Anlage zum Zer­brechen. Im höhern Alter wird der Ernährungsprozess der Knochen in der Art geändert, dass mehr phosphorsaure Kalkerde als Gallerte in ihnen erzeugt oder abgesetzt wird; sie verlieren daher ihre natürliche Elastizität, werden spröder und brechen leichler. Eben so geschieht es durch manche Krankheiten, wie z. B. die sogenannte Kuocben-brüchigkeit (Fragilitas ossium) des Rindviehes, zuweilen durch die
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Knochenbriiche im Allgemeinen.
Druse 1) u. s. vv., bei welcher die regelmassige Säftebilduug gestört ist, desshalb die Ernährung der Knochen eigenthümlich leidet und sie zu Beinbrüchea geneigt gemacht werden. Unter solchen Umständen braucht die äussere Gewalt oft nur sehr gering zu sein, so dass selbst massig starke Muskelzusammenziehungen, und bei grossen Thieren die eigene Schwere des Körpers, wie z. B. die Bewegungen beim Aufstehen und Niederlegen den Bruch verursachen können 2). — Die äussere Gewalt bringt die Trennung der Knochen zuweilen an dem Orte der Einwir­kung, oft aber von diesem mehr oder weniger entfernt hervor; letzteres geschieht besonders bei Brüchen am Schädel und an den Rippen. Im ersteren Falle ist der Bruch immer mit starker Quetschung und oft mit Zerreissung der VVeichgebilde von aussen her complizirt, im letz­teren nicht immer. Die Knochenbriiche kommen bei allen Hausthieren nicht ganz gleichmässig vor, sondern bei Pferden, Schafen und Hunden am häußgsten. Bei Pferden entstehen sie im Winter häufiger als im Sommer, weil in erstem- Jahreszeit die Thiere wegen der Glätte des Bodens nicht nur häufiger ausgleiten und niederfallen, sondern auch wegen der Frostharte desselben sich dabei mehr erschüttern und verletzen. Ehedem glaubte man, dass die Knochen durch die Kälte mehr spröde gemacht würden. Dies ist aber nicht zu erweisen.
Die Knochenbrüche werden nach ihrer Vollständigkeit, nach ihrer Richtung und nach den mit ihnen verbundenen Nebenverletzungen ver­schiedenartig eingetheilt. A. Nach dem Alter und dem Grade des Bru­ches unterscheidet man frisch entstandene und veraltete, dann: 1) den vollkommenen Bruch, wenn der Knochen durch und durch zerbro­chen ist (wirkliche Fraktur, Fractura completa), und 2) den unvoll­kommenen Bruch (Fractura incompleta), wenn der Zusammenhang eines Knochens nicht vollständig getrennt ist, sondern wenn nur Ein­drücke oder nur Spalten (Fissurae) in demselben entstanden sind, wie dies an den Knochen des Schädels, an dem Nasenbein, dem Schulter­blatt, dem Unterschenkelbein und mehreren anderen zuweilen geschieht. — B. Nach der Richtung des Bruches unterscheidet man: 1) Quer­brüche (Fr. transversales), wenn die Trennung quer durch einen Knochen (durch die Längenachse desselben) erfolgt ist; sie sind ge­wöhnlich mit geringer Verschiebung der Bruchenden verbunden. — 2) Schiefe Brüche (Fr. obliquae), wenn die Trennung schief durch die Längenachse eines Knochens geht; sie sind immer mit starker Ver­schiebung der Bruchenden verbunden. 3) Längenbrüche oder Spalt­brüche (Fr. longitudiuales), wo der Bruch der Länge des Knochens gleichlaufend ist; sie sind die seltensten und oft mit Splitterung ver­bunden. 4) Splitterbrüche (Fr. commiuutae s. multiplices), wenn
') P. Binz (Ueber die verschiedenen Knochenbrüche der Hausthiere, be­sonders der Pferde u. s. w. Tübingen 1824. Mit 5 Tafeln.) bemerkt dies in Betreff der Druse ganz richtig, wie ich dies aus eigener Erfahrung in einzelnen Fällen bestätigen kann.
:) Gewisse Nahrungsmittel, namentlich saure Gräser, scheinen auch die Ernährung der Knochen zu beeinträchtigen. Linné legte dem von ihm dess­halb so genannten Norwegischen Beinbrachgras (Änthericum ossifragum, jetzt Nartheclum ossifragum) eine besondere Wirkung bei, abet unrichtig.
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Knochcnbrüchc im Allgemeinen,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 443
der Knochen an einer Stelle mehiTaltig zersplittert oder in kleine Stücke zerbrochen ist. C, Nach dem Zustande im Allgemeinen und nach den Nebenverletzungen unterscheidet man: 1) einfache Brüche (Fract. shnplices), wenn aussei1 der Trennung des Knochens keine andere Ver­letzungen zugegen sind. 2) zusammengesetzte Brüche (Fr. com-positae). wo ein Knochen an mehreren Stellen gebrochen oder wo der Bruch mit Splitterung verbunden ist, oder wo mehrere Knochen eines Gliedes gleichzeitig gebrochen sind. 3) gemengt e Brüche (Fr. complicalae), wo mit der Knocheutreunung auch noch Verletzung der Wciehgebilde, Wunden, Quetschung, Zerreissung, Verrenkung u. dergl. verbunden sind, oder wo gleichzeitig andere Krankheiten bestehen, welche auf die Entstehung oder die Heilung des Bruchs von Einfluss sind. Sehr selten ist ein Bruch ganz einfach, sondern meistens ist er mehr oder weniger mit Quetschung, mit Wunden und dergleichen ver­bunden.
Symptome. Sie sind etwas verschieden nach der Art der Ur­sachen, der Dauer und Art der Brüche. Bald nach der Trennung des Knochens entsteht zum Thcil durch die eingewirkte Gewalt, zum Theil durch den heiligen Reiz der rauhen und scharfen Bruchenden, indem sich dieselben durch die Zusannneuziehung der um den Knochen lie­genden Muskeln verschieben, heiliger Schmerz bei der Bewegung, an den Glied massen Lahmheit. Oft ist eine Wunde gleich mit der Entste­hung des Bruchs verbunden, in anderen Füllen wird dieselbe erst da­durch erzeugt, dass die scharfen Bruchenden die weichen Theile von innen durchstechen. Es entsteht bald mehr, bald weniger Geschwulst au der Bruchstelle, theils durch Blutextravasat, theils durch die sich entwik-kelnde Entzündung, theils plötzlich durch die Verschiebung der zerbro­chenen Knochenenden über und neben einander. Diese Verschiebung der Bruchenden wird an manchen Stellen durch die Schwere des Kör­pers oder der abgebrochenen Theile, hauptsächlich aber durch die Contrakliou der Muskeln und Sehnen im Umfange des gebrochenen Knochens erzeugt; sie tritt in manchen Fällen, besonders da, wo die Bruchflächen recht gut gegen einander passen, und wenn die Thiere nach der Verletzung recht ruhig gehalten werden, für einige Zeit nicht ein (besonders daher bei Querbrüchen) und ist überhaupt in den einzel­nen Fällen sehr verschieden. Mit der Verschiebung sind zwei andere Er­scheinungen zusammenhängend, nämlich: eine abnorme Beweglichkeit des Theils an der Bruchstelle und eine verhältnissmässige Verkürzung des Gliedes, und durch beides wird die Verrichtung des Theils noch mehr gestört, zuweilen die Bewegung ganz aufgehoben. — Bei den unvollständigen Brüchen und da, wo mehrere Knochen ein Glied stützen, fehlt die Verschiebung, daher auch die abnorme Beweglichkeit und die Verkürzung des Gliedes.
Die Erkennung der Knochenhrüche ist zuweilen leicht, oft aber sehr schwer. Letzteres ist besonders bei tiefen, unter dicken Muskeln liegenden Knochen, oder wo die eintretende Geschwulst sehr gross und heftig ist und wo mehrere Knochen zur Unterstützung eines Gliedes neben einander liegen, bei unvollständigen Brüchen, oder wenn der Bruch sehr nahe am Gelenk, oder selbst mit Verrenkung verbunden ist. Oft aber sind die Beinbrüche sehr leicht zu erkennen, besonders
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444nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Knochenbriiche im Allgemeinen.
bei allen oberflächlich liegenden Knochen der Gliedmassen. Im Allge­meinen wird die Diagnosis begründet: 1) durch die veränderte Gestalt, Lage und Richtung des Gliedes; 2) durch die Verkürzung desselben; beide Zusläude werden durch die über und neben einander erfolgende Verschiebung der Bruchenden erzeugt; 3) durch die ungewöhnliche Beweglichkeit des Gliedes nach mehreren Richtungen und an einer Stelle, wo dieselbe nicht stalllinden sollle; 4) durch ein eigenlhümli-ches, bei der Bewegung des Gliedes oder der Bruchenden entstehendes reibendes oder knarrendes Geräusch (Crepitatio) an der Bruchstelle, welches von dem Aneinanderreihen der rauhen Bruchenden entsteht; 5) durch das Gefühl bei der Unlersuchung, wo man die scharfen, her­vorstehenden Enden olt sehr deutlich, besonders bei oberflächlich lie­genden Knochen, bemerkt; 6) durch die gestörte oder völlig aufgeho­bene Verrichtung des Gliedes. Dieses Symptom ist jedoch bei mehre­ren anderen Krankheitszuständeu, bei Verrenkung, bei Quetschungen, Wunden, Rupturen und dergleichen ebenfalls zugegen, fehlt aber im Gegentheil oder ist wenigstens nicht sehr bedeutend bei solchen Brü­chen, wo von zwei oder mehreren Knochen eines Gliedes nur einer gebrochen ist, oder wenn bei Querbrüchcn gar keine Verschiebung der Bruchenden stattgefunden hat; es ist daher im Allgemeinen nicht so wichtig und bedeutsam als die vorhergehenden charakteristischen Sym­ptome. Ausserdem trägt die Berücksichtigung der veranlassenden Ge-waltthätigkeit, ihre Vergleichung mit der Dicke und Stärke des Kno­chens, dann die Quetschung, Geschwulst, der Schmerz, welcher beson­ders bei der Bewegung des Gliedes jedesmal sehr heflig wird, und — wenn eine Wunde zugegen ist, auch diese zur Erkennung des Zustan-des viel mit bei.
Von der Verrenkung unterscheidet sich der Knochenbruch durch die verminderte Beweglichkeit des Gliedes bei ersterer, besonders nach einer Seite; denn je naclidem die Verrenkung vollkommen oder unvoll­kommen ist, ist auch die Beweglichkeit mehr oder weniger in einem Gelenk aufgehoben, dagegen sie bei dein Bruch gewöhnlich an einer Stelle des Gliedes vermeint ist.
Die Prognosis ist bei den Knochenbrüchen verschieden nach der Beschalfenheit des Knochens, nach der Richtung, Beschalfcnheit und Complikation des Bruches, nach der Thiergattung, nach dem Dienstge­brauch der Thicre, nach dem Alter und der Constitution derselben und nach ihrem Betragen oder Verhalten während der Behandlung. Der letztere Umstand ist in jedem Falle sehr genau zu erwägen, weil gerade durch ihn, da man ihn nicht im Voraus berechnen kann, die grössten Unregelmässigkeilcn und Störungen der Heilung entstehen können. Abgesehen von diesen Umständen kann man jedoch im All­gemeinen feslselzeu: 1) einfache Brüche an den Knochen der Brust und des Gesichts heilen wegen der grössern Ruhe und geringern Mus-kelthäligkeit leichter als Brüche der Extremitäten, weil diese die Kör­perlast tragen müssen und desshalb leichter aus einander weichen. Aber wegen der Nebenverletzungen der edlen Theile sind die Brüche der Schädelknochen gewöhnlich von wichtigeren Folgen begleitet und ge­fahrlicher als die der Extremitäten. 2) Querbrüche heilen verhältniss-mässig am schnellsten und besten; schiefe Bruche heilen zwar auch im
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Knochenbriiche im Ailseineinen.
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Allgemeinen leicht, brauchen aber dazu längere Zeil als Querbrüche.
3)nbsp; Beinbrüche nahe am Gcleuk heilen wegen der schvvainuiiglen Kno-chensubslauz der Gelenkenden und wegen der Beweglichkeit schlecht.
4)nbsp; einfache Brüche ohne üble Zufälle heilen in der Regel gut, dagegen sind Brüche mit Wunden und Substanzverlust, starker Quctscliung. Splillerung, Zerreissuug der Gelasse u. s. w, oll sehr übel. Oft sind diese Coinplikalioncu wichtiger als der Bruch selbst, z. B. bei Brüchen des Schädels oder der Wirbel die Erschütterung des Gehirns oder des Kückeuinarkcs. 5) Brüche heilen in kühler Jahreszeit, im Winter, Frühling und Herbst besser als im Sommer; C) bei jungen, gesunden und starken Thicren leichler als bei alten, bei den Vögeln am leichte­sten und bei kleinen Säugelliieren viel leichler als bei den grossen, weil bei den letzteren die Körperschwere sowohl an sich störend auf den Bruch wirkt, wie auch den ïliieieu das andauernde Slehen während der Heilung sehr erschwert; 7) frisch entslandeuc Brüche heilen leich­ter und regelnlässiger als veraltete, d. h. bei denen bereits die erste Entzündung und die Callasbildnng vorüber ist. — Fast in allen Fällcu bei Brüchen der Knochen an den Gliedmassen entsteht selbst bei galer Heilung ein starkes Abmagern des Gliedes (Schwinden), welches sich aber nach einiger Zeit wieder verliert.
Die Heilung erfolgt in den meisten Fällen, indem die Bruchendcn sich nach einiger Zeil vermittelst einer neu entstandenen Knochensub­stanz, welche man die Bein schwüle (Callus) nennl, mit einander vereinigen. Diese Vereinigung kann auf eine zweifach versehiedeue Weise, sehr ähnlich wie bei der Heilang der getrennten Weicbgebildc, erfolgen, nämlich a. durch direkte Bildimg der verbindenden Knochen­materie, oder b. durch Eilcning und (irüimlation, welche sich dann
alhnälig in die Knochensubstanz mmvaudelt. erfolgt die Heilung gewöhnlich
Auf die crslerc Weise i Knocheubrüchcu, welche
ohne ollene Wunden bestehen und wo also die Luft nicht auf die Kno­chen selbst einwirken kann. Die Bildung des Callus gehl folgendcr-massen von stalten: Bei jedem Knoelicubmch wird die Beinhaut zer­rissen, gequetscht, und ersleve ist mehr oder weniger von den Knochen getrennt, gewöhnlich in dein Verliältuiss, wie der Bruch einfach, mehr­fach oder splitlerig ist und wie die Brachenden von einander abge­wichen sind; am unbedeuleudslen ist die Ablösung der Beinhaut bei einfachen Ouerbrüchcu, am stärksten bei Sphtlerbrücheu. An Röh­renknochen ist auch die Markhaut und das Knoclienmark eben so ge­quetscht, eistere getrennt, letzteres aus der Knochcnröhre hervorge­quollen; und immer sind die umgebenden Weichgebilde, wie oben bereits angedeutet, Iheils nach diesen Verhältnissen des Bruchs, fheils nach dem Grade der aussein Gewalt auf die Bruchslelle, verschiedent­lich nülverletzt. Die nächsle Folge dieser Verletzungen ist, ein Bluler-guss, der den Raum zwischen der Beinliaut und dem Knochen, so wie auch zwischen diesem und den umgebenden Theilcn, namentlich auch zwischen den Bracbflächcn unter sich ausfüllt und selbst in dein an­grenzenden Zellgewebe, den Muskeln u. s. w. als Infiltration gefunden wird. Bei Brüchen der Rülirenknocbcn ist das ausgetretene Mark mit, dem ergossenen Blut gemengt. Schon in den erslen 24 — 48 Stunden entwickeil sieh in den. den Bruch umgebenden Weichgebilden, beson-
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Knoclienbriithc im Allgemeinen.
ders aber in der Bcinhaut, eine exsudative Eulzüuduug, durch deren plaslisches Exsudat zunächst die Weichgcbilde unter einander verschmel­zen, so dass sie um den gebrochenen Knochen eine Art von Kapsel bilden; zugleich verdrängt dasselbe den Blulerguss allmälig, jedoch nur sehr langsam. An der innem Fläche der Kapsel, besonders von der üeinhaut und ebenso bei Röhrenknochen von der Markhaut her ent­sieht Ausschwitzung einer röthlichen, halbllüssigen, nach und nach fester werdenden Substanz, welcbe sich zwischen die Brucliflächen legt, die­selben und die übrigen ïheile der Knochen, so weit die Beinhaut ab­getrennt ist, umgiebt, und in der Markhohle einen Pfropf oder auch uur cine Röhre bildet. Sie wird die mittlere oder die Zwischensub­stanz (Substantia intermedia) genannt1). Dieselbe wandelt sich nach und nahh in eine zellig-faserige Masse um, während die bisher entzün­det gewesenen VVeichgebilde zum normalen Zustande zurückkehren, und die Blnlmenge sich mebr und mehr verliert.
An diesen Vorgängen nimmt die Substanz der gebrochenen Kno­chen keinen Anthcil und man findet daher dieselbe in dieser ersten Zeit nicht verändert. Es tritt aber nun, und zwar bei den yerschiedenen Thiercn bald etwas früher bald etwas später, — am schnellsten bei Vögeln, Hunden und Katzen, in den Knochen selbst eine Entzündung auf, welche von den Punkten ausgeht, wo äusscrlich noch die Beiu-haut, innerlich die Markhaut mit dem Knochen in Verbindung steht. Diese Entzündung führt Ausschwilzuug einer weisslich-röthlichen durch­scheinenden Flüssigkeit herbei, welche bald gallertartig wird, Gefässe erhält und allmälig in Knorpel und dann iu Knochensubstanz übergeht. Dies geschieht zuerst da, wo auch die Ausschwitzung zuerst angefan­gen hat, und allmälig auch an der Bruchstelle. Dies geschieht auch in der Markröhrc, welche in der Regel dabei verwächst, später aber oft durch Resorption zum Tbeil wieder geötfnet wird. Die Bildung der Knochenmasse oder des Callus geschieht zuerst uur an der Umlläche des Bruchs, während zwischen den Enden die Masse noch weich ist; und erst später verknorpelt und verknöchert auch die aus den Knochen­enden selbst ausgeschwitzte Masse. Man nennt jenen den ersten oder provisorischeu, diesen den zweiten oder definitiven Callus. Beide Massen verbinden sich mit einander sehr fest, aber die zweite ist weicher als die erste und unterscheidet sich hierin auch später von ihr; sie erfolgt immer etwas langsamer, und zwar immer um so mehr, je weiter die Bruchenden von einander stehen. Mit Beendigung der Callusbildung verliert sich gewöhnlich die Entzündung iu dem gebro­chenen Theile gänzlich. Der Callus ist zuerst an der Oberfläche etwas uneben, wird aber mit der Zeit ebener, erhält eine eigene Knochen­haut und bekommt nach und nach immer mehr die Beschaflenheit des gesunden Knochens.
Sind mehrere Knochen an einem Theile vorhanden, so ist der Vorgang im Wesentlichen derselbe, aber es nimmt auch gewöhnlich
') iManche nennen nach Brechet schon das bei dem Bruch entstandene Blutextravasat, wenn es mit dem aus der Knochenrühre hervorgetretenen Mark infiltrirl ist, die Substantia intermedia.
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Knochcnbriiclie im Allgemeinen.
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die Beinhaul der nicht gebrochenen Knochen an der Entzündung und Ausschwitzung Antheil.
Bei der Heilung auf dem Wege durch Granulation, welche im Ganzen weit seltener vorkommt, wo z. B. Knochenslücke gänzlich ge­trennt und von der Beinhaut entblösst, oder wo die Bruchstücke bei einer gleichzeitig bestehenden Wunde der Luft ausgesetzt sind, — er­folgen die Veränderungen zuerst wie bei der Callusbildung, aber es entsteht nur der erste Callus und statt der plastischen Ausschwitzung zur zweiten Callusbildung entsteht an den Bmchllächen u. s. w. Eite­rung, dann Absterbung (necrosis) und Abstossung der Ränder in ver­schiedener Breite, und hiernach erst die zweite Callusbildung.
Wenn während der Heilungszeit eines Knochenbruchs eine gleich-massige, ebene Vereinigung der Brucheuden, Buhe und ein massiger Grad der Entzündung bestehen, wird in der Regel nur so viel Callus erzeugt, wie zur festen Verbindung der Brucheuden nölliig ist. Bleiben aber die Brucheuden weit von einander enlfernt, wird die Verbindung während der Aiisschwitzuug mehrmals gestört und der Theil immer von neuem gereizt, sind die VVcichgcbilde im grosseren Umfange vom Knochen getrennt, so schwitzt die flüssige Knochenmaterie in zu grosser Menge aus, der Callus bildet sich zu dick und mit unregelmässigcr, höckeriger Oberfläche. Man nennt ihn den wuchernden Callus (Callus luxurians). Zuweilen fehlt es aber auch an der zur vollstän­digen Verbindung nöthigen Knochenmasse, oder der Callus schwindet späterhin zu sehr und die Beinschwüle wird zu dünn, so namentlich zuweilen bei kranken und sehr alten Thiercu.
Wenn die Bruehcndcn gar nicht zur Vereinigung gelangen, oder, wo es an der verbindenden Materie fehlt, da glätten sie sich gewöhn­lich gegenseitig ab, und es bildet sich eiu sogenanntes künstliches Gelenk (Articulatio artiflcialis s. Spondylofrocaee); entgegengesetzt ver­wächst aber auch zuweilen ein Gelenk, es entsteht Anchylosis^ wenn Brüche in der Nähe von Gelenken bestehen. Das falsche Gelenk ist an einer abnormen Beweglichkeit an der Bruchstelle in der Zeit, wo dieselbe schon fest verTvachsen sein sollte, so wie durch Verkrümmung oder Verkürzung des Gliedes zu erkennen.
Der pathologische Zustand, die Ursachen und die Folgen können in den einzelnen Fällen bei dem künstlichen Gelenk sehr verschieden sein. Ein eigentliches Gelenk besieht nicht, sondern die Knochenenden sind durch handartige Streifen oder nur durch die verdickten Weich­gebilde zusammengehalten; und die Bruchenden sind in verschiedener Weise gegen einander liegend, mit rauhen oder mit glatt abgeriebenen Flächen, bald mit sehr geringer bald mit grosser Beweglichkeit; oft bleibt der Callus zu weich, auf der Stufe der Verknorpelung, oder er ist in zu geringer Menge zugegen, oder es hat sich nur der erste Callus gebildet; zuweilen ist an einem Ende eine fibröse Zwischensubslanz entstanden. Diesen abnormen Bildungen liegt oft ein krankhafter Ve-getationsprozess im ganzen Organismus, oft aber auch ein örtliches Hinderniss der regelmässigen Callusbildung zum Grunde. In ersterer Hinsicht können verschiedene Krankheiten, bei denen die ßlutmischung leidet, oder auch mangelhafte, besonders aber an Protein und an Kalk zu arme Nahrung schuld sein; in örtlicher Hinsicht aber fortwährende
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Knoclienbrüchc im Ailgcmeinen.
Beweguug und Verscliiebuug der Bruchendeu, wie es z. B. au Stellen del-Fall ist, an denen man wegen zu dicker Muskeln keinen gehörig zusam-menhaUendea Verband anlegen kann, oder, bei sehr unrubigen widersetz-liclieu Tbieren; ein zu lockerer, aber auch enlgegengeselzt ein zu fester Vorband, bei welchem letzteren mangelhafter Blufzufluss zu dem lei­denden Theile entsteht; daher auch zu heflige Enlzüuduug, bei welcher die grossen Gelasse verschlossen werden; ferner: fremde Körper, welche zwischen die Bruchendeu gedrungen sind, oder völlig lose Splitter, welche ähnlich wie diese wirken. — An den Gliedmassen macht ein künstliches Gelenk die Thlere stets lahm und unbrauchbar, an den Rippen schadet es fast gar nicht, und am Unterkiefer und dem Becken oft nur wenig. Die Heilung ist in den meisten Fällen sehr schwierig, oft kaum möglich.
Behandlung,
Es kommt häulig vor, dass die Knocheubrüche sich
ereignen, wenn die Tbiere eben entfernt vom Wohnorte des Eigenlhii-mers oder von dem Stalle sind; und es entstehen dann hinsichtlich der grossen Tbiere zuweilen die Fragen: Soll man sogleich an Ort und Stelle die Behandlung einleiten, namentlich den Verband anlegen und dann den Transport besorgen, oder soll der Verband erst im Stalle ge­schehen? — und, — wie soll man die verletzten Tbiere transportiren?
In Bei reif der ersten Frage ergiebt sich von selbst, dass es nütz­licher sein müsse; vor dem Transport die Einrichtung des Gliedes zu besorgen und einen schützenden Verband an das verletzte Glied anzu­legen, weil sonst bei dem Transport durch die Anstrengungen und unrcgelmässige Bewegungen des Thiers sehr leicht anderweitige Ver­wundungen der Muskeln, der Gelasse u. s. w. durch die Bruchenden erfolgen können. Es muss desshalb ein Verband wenigstens proviso­risch angelegt werden und derselbe dann im Stalle erneuert oder vervoll­ständigt werden.
Die Art des Wegbringcns hängt zum Theil von der Gegend, von der Jahreszeit und von den vorhandenen Transportmitteln ab. Das beste Mittel ist eine sogenannte Schleife oder ein niedriger Schlitten, welchen man, mit Stroh belegt, nahe an das Thier in der Läogcnrich-tung desselben stellt, dann feste, glatte Bretter oder eine Tbür, in schräger Richtung auf einen Rand desselben so legt, dass man das Tbier auf der schiefen Fläche leicht bis auf den Schlitten hinaufziehen kann; oder, man legt so viel glattes Stroh zwischen das Thier und den Sehlit­ten auf die Erde, dass die Lücke ausgefüllt wird und das Thier über das Stroh auf den Schlitten gezogen werden kann. — Weniger leicht ist es, ein grosses Tbier auf einen Wagen zu heben. Man muss für diesen Zweck die Hinterräder des letzteren abnehmen, um ihn zu sen­ken und eine schiefe Fläche zu schaffen, auf welcher man das Thier bis auf den Wagen zieht, wonach man den Wagen wieder erhebt und die Räder anlegt. — Wo der Transport nur auf einer kurzen Strecke über ganz ebene Flächen geschehen soll, kann man auch eine starke Leiter unter das Thier in der Länge desselben schieben und dieselbe statt Schleife oder Schlitten benutzen. In jedem Falle müssen die Tbiere an die Schleife oder den Wagen gehörig fest gebunden werden, und zwar so, dass die gebrochene Gliedmasse möglichst ruhig liegt. — Soll das Thier. es sei vor oder nach dem Transport, aufstehen und
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Knuchenbruclie im AUgeuieinen.
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dabei die verletzte Gliedmasse ganz sclioiien, so schiebe man eine starke Leiter oder einen starken glatten Baum quer unter dem Leibe des Thieres, vom Rücken her so weit hindurch, dass das Ende der Leiter oder des Baums etwa 1 Fuss laug über das Ende der Füsse hinausreicht; nun bindet man an diese Gegenstände einen festen Gurt oder einen Strick mit einem Ende unter dem Leibe mit dem andern über dem Rücken fest, so dalaquo;s bei dein Aufheben die Thiere in dem Gurte oder Stricke gleichsam hängen, und hebt dann (als mit einem einarmigen Hebel) au dem hinter dem Rücken hervorstehenden Ende der Leiter das Thier ällmälig bis zur senkrechten Stellung in die Höhe. Hierzu müssen stets 5 bis 6 starke Männer mitwirken.
Eine solche Anzahl von Gehülfen hat man ausserdem auch zur Einrichtung der Kuochenbrüche und zur Anlegung des Verbandes bei
grossen Thieren noting.
Ehe mau au die eben genannten Verrichtungen geht, muss man sich für die eine oder die andere Art der sogleich anzugebenden Ver­bände entscheiden und die dazu erforderlichen Materialien vollständig zur Hand legen, — ausserdem auch bei den grossen Thieren für einen zvveckmässigen, nöthigcnfalls nuterslützten Stand (mittelst Hängegurten oder Maschinen), oder, bei den kleinen Thieren für ein gutes, weiches Lager sorgen.
Die eigentliche Behandlung der Knocheubrüche selbst hat folgende Aufgaben zu erfüllen: 1) die Bruchenden in ihre normale Lage zu brin­gen, wenn sie aus derselben verschoben oder verrückt sind, — die Ein­richtung (Repositio) des Bruchs; 2) sie in dieser Lage während der Heilung zu erhalten (Retentio); 3) den Heilungsprozess zu leiten; und 4) die etwanigen Complikationen und Nachkrankheilen zu beseitigen.
Die Einrichtung des Bruches ist verschieden, nach der Beschaffen­heit des Thieres, nach dem Orte und der Art des Bruches. Bei Brüchen der Schädelknocben, der Rippen, des Schulterblattes macht man sie sehr häufig und ganz einfach durch Erhebung oder Zurückziehung des gebrochenen Knochen in seine Lage mittelst Instrumeulen. An den Gliedmasseu besteht sie darin, dass durch Ausdehnung (Exteusio) und Gegenausdehnung (Conlraextensio) die Zusammeuziehung der Muskeln überwunden umi dann durch hinreichenden Druck unmittelbar auf die beiden Bruchenden dieselben in gegenseitige und gleichmässige Berüh­rung gebracht werden. Die Ausdehnung und Gegenausdehnung muss durch Gehülfen geschehen; dieselben umfassen unter- und oberhalb der Gelenke von dem gebrochenen Knochen das Glied entweder mit den blossen Händen oder an umgebundenen Gurten oder Stricken, und zie­hen in entgegengesetzter Richtung vou einander massig stark und ganz gleichmässig so lauge, bis die Bruchenden sich einander gerade gegen­über stehen, wo man dann durch Druck mit den Fingern beider Hände noch die Einrichtung vollständig macht.
Die vollkommen gelungene Einrichtung erkennt man theils durch das Gefühl, theils durch die ebene, richtige, mit dem andern Gliede gleichmässige Länge und Stellung oder Richtung des verletzten Gliedes.
Die Eiurielilung ist zuweilen sehr schwierig, besonders bei grossen Thieren an den mit vielen dicken Muakelu versehenen Tbeilen, da die Uebenvindune der starken Muskelkraft oft weder mil Hündcu noch mil
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450nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Knochenbräche im Allgemeiiiün.
Masohiaen zu bewirken ist. Die grossen Tliierc müssen hierzu gut ge-bremset werden. In der Regel soll die Einrichtung so bald als möglich gemachl werden, wreil dann um so weniger üble Zufälle eintreten und um so besser die Heilung erfolgt. Ist aber sebon, ebe die Einrichtung gemacht werden konnte, bedeiilende Enlzi'mduug und Geschwulst ent­standen, so muss man, wenn diese Zufälle bloss durch die veranlas­sende Gewalttbätigkeit erzeugt worden oder gar zu heftig sind, vorher erst dieselbe durch passende Mittel, kalle und zertheilende Umschläge u. s. w. beseitigen und dann die Einrichtung machen; wenn die Zu­fälle aber von beständiger Reizang der Brnchendfen auf die naheliegen­den Tlieile, von Durcbslechung derselben und dergl. herrühren, so mnss man dennoch die Einrichtung möglichst bald zu bewirken suchen, weil nur allein hierdurch die Ursachen dieser Zufälle beseitiget und sie selbst vermindert werden. — Sind völlig lose und verscliobene Knochen­splitter zugegen, und besteht keine Wunde, so sucht man sie ordent­lich in ihre Lage znrückztulrücken; geht dies nicht, stechen sie in die Weichgebilde und erregen jene Zufälle, so müssen sie vor der Einrich­tung möglichst cnlfernt werden, besonders wo eine oll'ene Wunde mit dem Bruche verbunden ist; ist diese nicht zugegen, so muss man Ein­schnitte bis auf die Splitter machen.
Nach gemachter Einrichtung hängt der glückliche Erfolg haupt­sächlich von der unvcrrücklcn Erhaltung der cingerrichteteu Knochen­enden in ihrer normalen Lage ab. Diesen Zweck sucht man zu errei­chen durch einen der Form des Gliedes und der Stärke der Muskeln entsprechenden Verband, und durch eine schickliche Lage und Stellung sowohl des ganzen Thieres, als besonders des verletzten Gliedes. Alles dies muss jedoch nach Verschiedenheit der betreifenden Theile auf ver­schiedene Art bewirkt werden. — Ein Verband ist leider nicht an allen Stellen des Korpers anzubringen und wirksam zu erhallen, z. ß. an dem Becken und an dem obern, dicken Ende der Gliedmasscn, weil hier die Form des Theils und die Stärke der Muskeln hinderlich ist.
Alan hat im Allgemeinen drei llauptarlen des Verbandes bei Kno-chenbruchen, nämlich: 1) den Schienenv erband, 2) den Kl eister-verband, und 3)' den Gypsguss. Jeder Verband soll die Eigen­schaften haben: das Glied andauernd in der normalen Richtung und Länge zu erhalten, daher die Wirkung der Muskeln und der Schwere des Körpers auf die gebrochenen Knochen aufzuheben und somit Ver­schicbungen derselben zu verhüten; b. er darf die Thicre nicht mehr als nölhig ist, schmerzhaft belästigen und die Cirkulation des Blutes in dem Theile nicht unterdrücken. Wenn der Verband ausserdem noch leicht anzulegen und abzunehmen, leicht und wohlfeil herzustellen und wenn er die Anwendung von Umschlägen gestattet, ohne dabei zu ver­derben, so sind dies besondere Vorzüge.
1) Der Scliienen ver band wird mittelst Schienen, Com pressen, Binden und Bändern gemachl. — Die Schienen sind Hache Stäbe oder hohle Kapseln von verschiedenem Material, von Eisen, Eisenblech, Holz, Sohlenleder, Gutta percha, Pappe u. dgl. Sie sollen folgende Eigen­schaften haben: 1) sie müssen stark genug sein, um das Glied in der Lage und Richtung, in welche man es gebracht, erhallen zu können; 2) müssen sie an allen Stellen des Gliedes genau anschliessen, daher
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Knochenbruche im Allgemeinen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;451
gut nach dessen Form gebogen und ausserdem mit Werg. Baumwolle oder Leinwand gut ausgelegt sein; 3) sie müssen so lang sein, dass sie bis über die beiden nächsten Gelenke der gebrochenen Knochen liinausrei-chen (wovon jedoch an mehreren Stellen Ausnahmen bestehen); 4) sie müssen au den Enden verdünnt oder abgerundet und mit gerörig liefen EiDschnitteu oder Oehscn u. dgl. versehen sein, um sich besser anlegen zu lassen.
Sind die Brüche in der Nähe eines Gelenks, so müssen die Schie­nen nicht nur bis über das Gelenk, sondern auch über den grössten Tbeil des folgenden Knochens reichen. Auch müssen sie bei einem recht vollständigen Verbande das Glied in seinem ganzen Umfange be­decken. Da die flachen Schienen, wenn sie sehr breit sind, sich auf der gewölbten Oberfläche der Theile nicht gleichmassig anlegen, so wählt man sie lieber etwas schmäler, so dass 4 — 5 von ihnen eifor-derlicb sind; Hohlschienen können dagegen in 2 Theilen das Glied vollständig wie eine Kapsel umgeben. JJic letzteren müssen genau nach der Grosse und Form des Theils, besonders mit Beiücksieliligung der Knochenerhöhungen, gearbeitet sein. Bei grossen ïhieren sind an den oberen Theilen ihrer Glieder nur Schienen von Holz und von Ei­sen sicher zu gebrauchen, da anderes ölalerial daselbst zu sein nach-giebt. Die eisernen Schienen verbindet man bei Brüchen der Glied­massen der Pferde zuweilen mit dem Hufeisen beweglich und macht sie so lang, dass sie bis auf' das SchullerblaU oder bis zum Kreuz rei­chen, — Beides in der Absicht, um ihnen festere Haltung zu geben. Sie müssen stets nach den Eihöhungen und Vertiefungen der einzelnen Theile gebogen sein. Die Verbindung mit dem Hufeisen geschieht am einfachsten dadurch, dass das letztere an der Zehe mit einem starken Aufzuge versehen und in diesem ein Loch isl; das hintere Ende des Eisens ist geschlossen, hinter den Ballen in die Höhe gerichtet und daselbst ebenfalls mit einer Oelfnung versehen. In diese und in die vordere Oelfnung steckt man das hakenförmig gebogene unlere Ende der beiden Schienen. — Die Schienen von Leder, von Gutta pereba 1) und von starker Pappe können bei Brüchen an den Fessclbcinen der Pferde und den sämmtlichen Brüchen der kleinen Hauslhicie benutzt werden. Für Brüche der Vögel ist Kartenpapier ausreichend.
Bei diesera Verbande gebraucht man zum Unterlegen unter die Schienen, um den Druck derselben zu mindern und zum Ausfüllen der Vertiefungen an den Gliedern noch weiche Leinwand, Werg oder Baum­wolle; und zum Umwickeln des Gliedes und zum Festhalten der Schie­nen sind Binden und Bänder erforderlieh. Die Binden werden aus Leinewand nach der Länge derselben geschnitten und auf einen oder auch auf zwei Köpfe gerollt. Sie müssen je nach der Länge und der Dicke des Gliedes gegen 3—12 Ellen lang und f — 3 Zoll breit sein
') Die Gutta percha in Tafeln wird in heissem Wasser erweicht, nach dem Umfange des Theils zugeschnitten, auf dcnsetlien gelogt und mit den Kin­gern überall ganz gleichmassig angedrückt. Das Material nimmt hierbei genau die Form des Theils an. Ist dies geschehen, so legt mau die Schiene wäh­rend wenigen Minuten in recht kaltes Wasser, wodurch sie hart wie hartes Leder wird und dann angewendet werden kann.
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452nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Knochonbrüche im Allgemeinen.
und dürfen keine grobe Nähte oder dicke Säume haben. — Man kann auch für Brüche an den Gliedmassen mehrere (6 —10) Schienen von Holz, für kleine Thiere auch von Fischbein neben einander zwischen zwei Schichten von Leinwand oder von weichem Leder einnähen, so, dass neben 2. Stäben ein kleiner Zwischenraum bleibt, durch welchen eine Steppnaht geht, damit die Stäbe sich nicht verschieben. Das Ganze stellt eine Art von Wieder dar, welches genau an den Theil passen muss. An den Seitenrändern sind innerhalb der nächsten Stäbe 4 — 6 Löcher, je nach der Hohe der Bandage, rnit umsäumten Rän­dern angebracht, nm Bänder zum Zusammenschnüren einziehen zu können. Das Zusammenschnüren muss immer vom untern Ende her beginnen, weil sonst die Bandage nach abwärts gleitet.
Die Anlegung des Schicnenverbancles geschieht so: Man windet zuerst um das, noch in Ausdehuimg und (ïegenausdehnung erhaltene Glied, so lang wie der gebrochene Knochen vom untern Ende dessel­ben anfangend, eine Binde in Spiralgängcn, so dass ein Gang den vor­hergehenden zur Hälfte bedeckt, massig fest um. Hierdurch hält man zum Theil schon die Knochen in ihrer Lage, hauptsächlich aber wird durch die rauhere Oberfläche der Binde den Schienen eine bessere Haltung bereitet, als sie dieselbe an den glatten Haaren und der un­gleichen, nach abwärts dünneren Form der Glieder sonst erhalten. Hierauf füllt man die Vertiefungen, namentlich in der Nähe der Ge­lenke, mit Leinwand, Werg u. dgl. vollständig aus, legt darüber die Schienen so an, dass die Mitte ihrer Länge auf den Bruch trilft, und dass sie, wo es möglich ist1), das ganze Glied glcichmässig umkleiden. Man bindet sie entweder mit Bändern an 3—4 verschiedenen Stellen fest an das Glied, oder, man wickelt sie mit einer Binde fest, oder, was bei grossen Thieren am zweck massigsten ist, man schnürt sie mit Riemen, welche mit Schnallen versehen sind, fest an. Nun wird die Ausdehnung allmäig aufgehoben und das Thier vorsichtig an seinen bleibenden Aufeulhailsorl gebracht.
2) Der Kleislerverband, unverrückbare oder unbeweg­liche Verband (nach Larray und Seatin) wird auf folgende Weise angelegt. Nach geschehener VViedcreinrichlung und bei fortgesetzter Ausdehnung des Gliedes umgiebl man dasselbe nur dünn mit einer ge­wöhnlichen Binde und bedeckt etwa vorhandene Knochenerhöhungen an den Gelenken mit Werg oder Baumwolle. (Um später das Abneh­men des Verbandes zu erleichtern, kann man unter die Binden auf die Haut in der Liingeriehlung des Gliedes einen mit Fell beslrichenen, schmalen Lcinwaudstreif legen, so, dass dessen Enden über die Ränder der Binde frei hervorslehcn.) Hierauf umwickelt man das Glied, so weit der gebrochene Knochen reicht, oder auch bis über die nächsten Gelenke, mit einer Binde, welche mit Mehl- oder Stärkekleisler dünn bestrichen ist. Die Gänge dieser Binde müssen wieder einer den an-
') An dem Ann und dem Unlersclicnkel u. s. \v. gestaltet die Form und die anatomische Beschallenheit der Theile nur eine unvollständige Umkleidung mit Schienen.
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Knochenbrüclie im Aligemeinen.
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dem zur Hälfte bedecken und in zwei oder selbst in drei Schichten über einander angelegt werden. — Bei kleinen Thieren ist hiermit der Verband beendet und, wenn er trocken und fest geworden ist, auch vollkommen ausreichend; bei grossen aber legt man über die 2te Binde noch Schienen von Pappe, welche genau um das Glied passen und an den Rändern inehrfällig eingekerbt sein müsen, damit sie sich an allen Punkten glatt anlegen; sie werden vorher ein wenig befeuchtet und an beiden Seiten mit Kleister bestrichen. Man drückt sie mit den Händen recht gleichmässig an das Glied und umgiebt sie mit einer dop­pelten Lage von einer Binde. Der eigentliche Verband ist hiermit vol­lendet; da er aber erst nach 24 Slundcn trocken und hinreichend fest wird, so untcrstülzt man ihn während dieser Zeil durch äusserlich noch angelegte Schienen von Holz oder Eisen. — Man hat auch, um den Verband wohlfeiler herzustellen, statt der Binde Streifen von festem Papier mit Kleister bestrichen so um das Glied gelegt, dass ein Streif den andern zur Hälfte bedeckt; dies wird in mehreren Schichten wie­derholt, bis eine hinreichend starke Umklcidung enlstandcn ist. Auch hier ist bis zum völligen Austrocknen eine Unterslützung durch äusser­lich angebrachte feste Schienen erforderlich. — Soll der Verband ent­fernt werden, so schneidet man ihn an einer Seite, (wenn Schienea vorliandcn sind am leichtesten da, wo die Ränder derselben liegen,) iu der Längeniichtung durch. Hatte man, wie oben angegeben, unter die erste Binde einen Leinwandstreif gelegt, so kann man durch Ziehen an den heivorsteheudeu Enden desselben den Verband ein wenig von dem Gliedc abheben und ihn mit einer Scheere um so leichter durchquot; schneiden.
3) Der Gypsguss oder die Ein gyp sung wird gewöhnlich nur bei Brüchen an den Knochen unter dem Knie- und Sprunggelenk der grossen ILmsthiere angewendet und zwar auf folgende Weise: Nachdem die Haare in dem Umfange des gebrochenen Knochen abgeschoren sind und die Eiiuichtnng geschehen ist, bestreicht man die Haut dünn mit Eelt oder üel und legt um das Glied einen hölzernen, ebenfalls mit Eelt ausgestrichenen Kasten, dessen Scitenwände beweglich sind. Der­selbe muss die Länge des gebrochenen Knochen und eine solche Weite haben, dass zwischen ihm und dem Gliede, je nach der Stärke dessel­ben, rund herum ein Zwischenraum von 1^ bis 2|- Zoll bleibt. Die hiervon neben dem Gliede an den Enden des Kastens olfeubleibenden Stellen werden mit Werg verstopft. Nun macht mau von gebranntem pulverisirten Gyps und Wasser unter schnellem Umrühren einen dünnen Brei, giesst denselben sogleich in den Kasten und hält das Glied so lange in Ausdeh­nung und Gegenausdehnung, bis der Brei erstarret ist, — was. je nach der Dicke der Masse, in circa 15 — 20 Minuten geschehen ist. — Der Kasten wird dann abgenommen und die Ränder der um das Glied sitzenden Gypskruste werden mit einem Messer abgerundet, und dann dieselbe mit einer Binde umwickelt, um ihr Zersprengen zu verhindern. — Statt des Kastens kann man auch einen an beiden Enden offenen, gehörig weiten Ikutel wie einen Aermel über das Glied ziehen, die Enden um dasselbe festbinden und dann durch eine Oeffnung den Brei cingiessen.
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Knochenbrüche im Allgemeinen.
Die gogenseiligeii Vorzüge und Nachlheile der verschiedenen Ver­bände sind lolgcnde: der Scliienenverband wirkt gleich nach seiner An­legung hinreichend; er ist leicht zu appliziren und am leichtesten wieder abzunehmen, — was oft nölhig wird, besonders bei Brüchen mit eitern­den Wunden und wenn grosse Entzündungsgeschwulst eintritt, oder wenn der Verband nach dem Schwinden einer grossen Anschwellung zu locker wird; er belästiget aber sehr durch ungleichen oder zu slar-ken Druck, wenn er fest angelegt worden, und er verschiebt sieh leicht, #9632;uenn er locker wird. — Der Kleisterverband ist leicht zu machen, er liegt gleichmässiger und drückt desshalb weniger als der Schienenver­band; dabei hält er vortrefflich; aber er ist bei grossen Thieren nicht sogleich ausreichend und er gestallet nicht so leicht die etwa nöthige Erneuerung, oder bei conipliziilcn Brüchen die anderweitige Behand­lung1). — Der Gypsguss würde als leicht anwendbar zu betrachten sein, wenn nicht die Extension und Conlra-Exlension bis zur erfolgten gänzlichen Erstarrung des Breies durchaus nölhig wäre; er ist wohlfeil, liegt sehr gleichmässig, drüekl fast gar nicht, und wird von nassen Um­schlägen und von VVundsekrelen nicht verändert; allein, er gelingt oft nicht, wenn die Thiere während der Erstarrung der Masse sich bewe­gen, weil sie dann leicht auseinander platzt; auch belästiget dieselbe durch ihre Schwere, und desshalb ist das Willcl bei kleinen Thieren nicht gut anwendbar. Man mag den einen oder den andern Verband wählen, so müssen nach gemachler Einrichtung die Gehülfen das kranke Glied noch fortgesetzt in Ausdehnung und Gegeuausdehnung in gerader Richtung so lauge erhalten, bis der Verband vollkommen fertig ange­legt ist. Hierauf lässi, man mil der Ausdehnung allmälig nach und bringt das Thicr mit Vorsicht und Behulsamkeit auf sein Lager oder in seinen Stand. Der so angelegle erste Verband muss nach der Be-schall'enlieil und dem Orle des Bruches, nach der verschiedenen Grosse des Thieres, nach der Dicke des Knochens it. dgl. durch kürzere oder längere Zeil, d. h. 3 — 8 Tage unverändert liegen bleiben; er muss aber, wenn er zu locker oder entgegengeselzt durch eintretende Ge­schwulst zu fest wird, oder wenn üble Zufälle entstehen, erneuert, werden. Dies geschieht so lange, bis die Verwachsung der Bruch­enden durch Callus erfolgt ist. Bei Hunden ist ein Zeitraum von 12 — 20 Tagen, bei Pferden aber von (3 —10 Wochen hierzu erforder­lich. Je nach der statlgefundcnen Quetschung und der befürchteten Entzündung bcfeuchlet man während der ersten Zeit den Verband täg­lich einige Mal mit kaltem Wasser, in der späteren Zeit mit durch Wasser verdünntem Branntwein und überlässt die Heilung der Natur.
Nach angelegtem Verbande muss man sorgfältig jede Störung der Vereinigung, welche durch Anstosseu, unbequeme Lage, Auftreten und
•) Dieser Mangel ist jedoch dadurch zu beseitigen, dass man den Verband, wenn er vollkommen fest geworden, in seiner Länge (wie oben angegeben) durchsclmeidct und ihn rückwärts auseinander beugt. Es bilden sich dann zwei zusammenhängende Schalen, die sich eben so leicht wieder um das Glied fügen und mittelst einer Binde fest zusammenhalten lassen.
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Knochenbrüche im Allgemeinen.
dergl. herbeigcfiilirt werden könnte, zu verhindern suchen. Bei grossen Thiereu sind solche Störungen wegen der Schwere des Körpers, wegen der Stärke ihrer Muskeln, und weil sie während der Kur nicht ruhig liegen, weit häufiger und noch gefährlicher als bei kleinen. Man muss daher für erslere (iflers noch, namentlich wenn die Beinbrüche an den Gliedmassen sind, besondere Vorrichtungen zu einer ruhigen, gleich-massigen, unterstützten Stellung derselben treffen. Am besten geschieht dies durch das Einhängen oder Einstellen des Thieres in einen soge­nannten Hängegurt, oder in eine Standmaschine, zum Thcil auch durch Stelzl'uss- und sogenannte Rinnmaschinen.
Die Hängegurte bestehen aus einem ungefähr 1^- Fuss langen und 2^-—3 Fuss breiten, an der innern Seite mit Leinwand und Werg glcichmässig ausgefütterten, an der äussern Seite aber mit 3 starken Querriemen (in der Mitte und an jedem Ende) versehenen Leder; an den äusseren Enden der Querriemen sind starke eiserne Ringe ange­bracht, durch welche bei der Anwendung die Stricke zum Aufhängen gezogen werden. Ausserdein sind am vordem und am hintern Kande, ungefähr eine Hand breit vom Ende, ebenfalls noch solche Ringe zum Durchziehen von Stricken befestiget. Statt eines solchen, künst­lieh augefertigten Gurtes, den mau nicht überall hat, kann man auch eine weiche Thierhaut, welche an den Rändern mit Löchern für die Stricke versehen ist, oder noch leichter, einen starken Sack be­nutzen. Der letztere wird an jedem Ende auf einen Stock gewickelt und festgenäbet, welcher gegen 2 Zoll dick und so lang ist, dass seine Enden gegen 3 Zoll über die Runder des Sackes hervorstehen. An diese hervorragenden Enden des Stockes kann man dann sehr leicht die Aufhängestricke befestigen. Der Gurt, Sack oder dergleichen wird unter den Leib des Thieres so angelegt, dass die Brust und der Bauch ziemlich glcichmässig darauf ruhen, dass aber bei Hengsten und Wal­lachen der liinlcilbeil des Leibes wegen des Schlauches, bei säugenden Tbieren das Euter vollständig frei bleibt.
Bei der Anwendung des Gurtes werden 4 oder 6 gehörig lange und starke Stricke durch eben so viele in der Decke des Stalles gut befestigte eiserne Haspen, Klammern oder Ringe gezogen und nachdem der Gurt unter den Leib des Thieres gebracht ist, au die vorhin be­zeichneten eisernen Ringe befestiget, wobei man sie so stark anzieht, dass das Thier mehr oder weniger mit den Vorder- oder Hinterffissen, überhaupt da, wo sich der Bruch befindet, unterstützt gehalten wird. Während dieses Anlegens muss das Thier durch Gehülfen in aufrech­ter Stellung gleiclnnässig und unverrückt gehalten werden. Ist das Einstellen in den Gurt geschehen, so macht man nun noch durch die Ringe am vordem und hintern Ende des Gurtes einen sogenannten Vordergurt oder einen mit Stroh oder Leinwand gut umwickelten Strick und führt denselben vorn über die Brust, hinten unter dem Becken zur entgegengesetzten Seite, wo er an die entsprechenden Ringe befestiget wird, — welche Vorrichtung verhindert, dass das Thier bei unruhigem lietragen weder vor-noch rückwärts aus dem Gurt heraus­fallen kann. Zu diesem Zwecke kann man auch dicht vor und hinter das Thier eine mit Stroh gut umwickelte Stange befestigen und eben
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Kriochenbriiche |iq Allgemeinen.
solclie Stangen auch zur Seile und um die Unterstützung zu vermchlaquo; reu, auch abwechselnd unter die Brust anbringen1).
') Schon v. Sind hatte, um die Pferde bei Knochenbrüchen ruhig stehend zu erhalten, eine dem Nothstalle ähnliche Vorrichtung erfunden und abgebildet, in welcher das Thier zwischen 4 Säulen steht und durch einen Gurt unterstützt wird, der an zwei, an beiden Seiten befindlichen, zum Drehen eingerichteten AValzen befestiget ist. (v. Sind, vollständiger Unterricht in d. Wissenschaften eines Stallmeisters. Gólting. 1770, S. 246.) — Merk. (Gcschichl. Darstellung eines vollk. geheilten Pferdebeinbruchs etc. Mit 1 Kpfr. München, 1815) hat eine ganz ähnliche Einrichtung benutzt, aber an den Gurt noch ein Seil gefügt, welches über eine an der Decke des Stalles befestigte Rolle geht, um das Thier mehr in die Höhe heben zu können. — Binz (a. a. 0.) hat die von v. Sind angegebene Vorrichtung benutzt und abgebildet, aiisserdem noch die Stelz- und Rinnmaschine. Einen Stclzfuss (obgleich nicht in solcher Vollständigkeit wie der v. Binz) hatte jedoch schon v. Ten necker mit gutem Erfolge angewen­det (Dessen: Der allgemeine Thierarzt etc. lies Heft, Leipzig 1820, S. 90).— J. Peterka. (Gründl. u. kurz gefasste Darstellung der verschied. Arten von Knochenbrüchen und llufkrankheiten unserer landwirthschaftl. Haus- und Nutz-thiere. Mit 4 Taf. etc Prag 1827) hat eine neue Schwebemaschine erfunden, welche sich von den bisherigen dadurch unterscheidet, dass die Last des Kör­pers weniger von dem unter der Brust und dem Bauche liegenden Gurt, son­dern vielmehr von einer Art lederner Hosen, welche um die Verarme und um die Dickbeine geschnallt werden, unterstützt wird. Das Gestell ist äusserlich dem von v. Sind angegebenen sehr ähnlich, kann aber auch dadurch ersetzt werden, dass man zwei gehörig starke glatte Bäume am vordem Ende und 2 eben solche Bäume am hintern Ende des Thicres im Stalle in schräger Richtung so in die Erde gräbt, dass die obern Enden sich über dem Kopfe etc. kreu­zen. Auf die gekreuzten Stellen wird ein Langbaum gelegt und an diesen werden die Stricke oder Tücher und dergl. zum Halten der Hosen und Leib­gurte befestiget.
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Brüche des Ilirnschadels,
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Zweiter Abschnitt.
Von den Knochenbrüchen im Speziellen,
Erstes Capitel.
Von den Brücken des Ilirnschadels.
Die Brüche am Hirnschädel sind vcrschiedeD. je nachdem die Tren­nung der Knochen ohne oder mit einem Abstand der Knochenränder erscheint. Im crslercn Falle heissen sie Spalten, Fissuren (Fissurac), im letzteren sind es aber wirkliche Schädelbrüche. Die Spalten dringen entweder nur durch die äussere, oder nur durch tlie innere Ktiodieutafcl, oder sie durchdringen beide. Die Form, Grosse und Richtung der Brüche und der Spalten ist verschieden, bald gerade, bald gezackt, oft sind sogar mehrere Bruchstücke oder auch mehrere Spal­ten zugegen. Beide bestehen entweder an der Stelle, wo die äussere Gewalt einwirkte, oder von dieser entfernt und heissen im letztem Falle Gegenspaltcn und Gegenbrüche (Conlrafissurae, Contra-fiaclurae). Diese entstehen grösstentheils wegen der Wölbung der Schädclknochen und hängen meistens von der verschiedenen Dichtigkeit und Slärke derselben, wie auch von der Slärke und Richluug der ein­wirkenden Gewalt ab; sie enlslehcn sogar, wenn die letzlere auf einen Gesichtsknochen Irilft. Auf diese Weise enlslehcn z. B. Brüche an der Basis des Schädels, an dem Felsenlheil der Schläfenbeine, am Keil- und Hinlerhauplsbcin, wenn Pferde auf das fllaul fallen, mit dem Kopfe gegen Mauern laufen oder sich überschlagen. — Weicht bei Hirnschal­brüchen das eine Knochenslück nach innen (dem Gehirn zu), so ist dies ein Schädelbruch mit Eindruck (Fraclura cranii cum im-pressione). Bei sehr jungen Thieren, wo die Schädelknochen noch weich und biegsam sind, sind Eindrücke auch ohne Bruch möglich; sie weiden jedoch in dieser Art höchst selten bemerkt. Zuweilen split­tert die innere, mehr spröde Lamelle der Schädelknochen aus einander, und zwar sowohl bei vollständigen Brüchen, wie auch bei Spalten, ja selbst ohne dass ein äusserlicher Bruch entsteht. —#9632; An dem Hinter­hauptsbein bricht zuweilen der Querfortsatz ganz oder theilweis ab.
Die meisten Brüche des Schädels sind complhirt, und zwar ganz so, wie die Schädelwunden (S. 338), bald mit Hirnerschütterung, bald mit Blutergiessung, bald mit Betäubung, oder mit Verwun­dung der Hirnhäute oder des Gehirns vom Druck der eingedrück­ten Knochen, und gewöhnlich tritt Hirnentzündnng hinzu, wenn das Thier nicht an den ersteren Zufällen schnell slirbt.
Die Ursachen dieser Verletzungen sind: heftiges Gegcnlaufen an Mauern, Bäume und dergleichen. Niederstürzen, üeberschlagen, Gegen-
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Brüche des Hirnschädels.
schlagen mit dem Kopfe an harten Fussboden bei Convulsionen, Huf-schläge, Schläge mit Knütteln und dergleichen.
Die Erkennung der Ilirnschalbrüche ist manclnnal sehr leicht, manchmal aber sehr schwer und fast unmöglich. Leicht ist sie, wenn eine oll'eue Wunde zugleich vorhanden ist, wo man den Bruch sehen oder fühlen kann, wenn der Knochen nicht einfach, sondern in meh­rere lockere Stücke gebrochen ist, oder wenn zugleich Eindrücke vor­handen sind; in diesen Fällen kann man ihn durch das Befühlen auch bei noch unverletzter Haut erkennen, wenn nämlich der Bruch au der Oberlläche des Schädels und an einer Stelle sich belindet, wo wenig weiche Thcile ihn bedecken. Sind aber die Bedeckungen nicht mit verletzt und stehen die Knocbenrändcr nicht weit von einander ab, oder ist der Bruch an der Basis des Schädels, so kann man ihn nicht durch das Gefühl entdecken. Wenn man daher nach der Grössc der vorausgegangenen Gewalt einen Bruch vermutben könnte, so mache man an der Stelle, wo die Gewalt am kräftigsten eingewirkt hat, einen Einschnitt, den man in solchen Fällen ohnedies auch bei der Behand­lung machen muss, oder wenn eine Wunde schon vorhanden, aber noch nicht hinreichend zur völligen Erkenntniss des Bruches ist, so erweitere man diese bis auf den Knochen. Das Messer muss dabei mit Vorsicht geführt werden, damit man nicht etwa mit demselben in den Bruch dringt und innere Verlclzungen macht. Die einfachen Spalten sind sehr schwierig und nur bei entblössten Knochen zu erkennen; doch kann man vernmthen, dass dergleichen vorhanden sind, wenn man den entblössten Knochen mit einem Schwämme trocken abwischt und sich an einzelnen Stellen in einer besondern, fortlaufenden Rich­tung Blulausschwitzung aus demselben zeigt. Ein in Form eines Zahn­stochers spitz zugeschnittener Federkiel als Sonde angewendet, giebt dann die nähere Erkenntniss. Auch ist hier, wie bei den ineislcn Frakturen der Schädelknochen, sehr oft das Pericranium von dem Kno­chen abgelöst. — Die Erkenntniss der Gegenbrüche ist völlig unsicher; man findet sie nach sehr heftigen Gewalten meistens erst naeli dem Tode; im Leben lassen die sich darbietenden Zeichen des Gehirndrucks, des Extravasats, der Gehirnerschütterung u. s. w. sie nur ver-muthen.
Prognosis. Jeder Bruch der Schädelknochen setzt immer eine hef­tig auf den Kopf eingewirkte Gewaltthätigkcit voraus und lässt vermu-then, dass ansser dem Bruche auch noch andere Verletzungen und Störungen der angrenzenden Organe, namentlich des Gehirns und seiner Häute, dadurch veranlasst sein können. Daher ist das äusserc Ansehen dieser Knochenverletzungen nicht immer der Maassstab ihrer Gefähr­lichkeit; denn von dem Zustande der äussern Knochenwunde kann nicht immer auf den Zustand der innern Theile geschlossen werden. Bei der bekannten grössern Sprödigkeit der innern Tafel der Schädelkno­chen (Tabula interna s. vitrea) ist oft dieselbe gerissen oder gar ge­splittert, wenn die äussere nicht einmal eine Fissur hat, und oft springt sie in einer ganz andern Richtung. Hierbei entsteht dann oft Verlez-zung, Reizung und Lostrennung der harten Hirnhaut vom Knochen, Ergiessung von Blut, Entzündung oder Eiterung über oder unter der harten Hirnhaut, dem Koller ähnliche Zufälle, Betäubung, Fieber und
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Brüche des Hirnschädels. Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;459
früher oder später der Tod. Man hal daher bei Beurtheiluiig einer solchen tiefen Kopfverletzung; sich eben so viel nach den vorhandenen Zufällen, als nach der Beschaffenheit der äussern Verletzung und des Bruchs zu richten und bei Symptomen, welche auf Ilirnerschüle-rung u. s. w. deuten, das Urtheil, wie Seile 338 und 339 angedeutet, auszusprechen. Bei Brüchen ohne solche innere Leiden kann die Hei­lung gelingen, selbst wenn Knochenstücke verloren gehen. Dieselljcu ersetzen sich fast immer durch allmäligc Callusbildung mittelst Gra­nulation.
Behandlung. Man sucht zunächst den Druck und die Reizung zu beseitigen und desshalb den unter den Bedeckungen, oder unter dem Knochen und unter den Ilirnliäuten selbst ergossenen Flüssigkeiten bal­digen Abfluss zu yerschaffen, und zwar bei obcriläclilichcn Ergiessun-gen durch tüchtige Einschnitte, bei Ergiessungeu unter der Hirnschale durch Erhebung oder Entfernung der losen Knochenstücke mittelst Pinzette und Messer, oder auch durch die Trepanation. Dass Blut un­ter der harten liirnhaul. ergossen sei, erkennt man daran, dass nach entfernten Knochenstücken oder nach gemachter Trepanation die harte Hirnhaut dunkelroth oder bläulich gefärbt und IIuktuirend erscheint. In diesem Falle macht ninn einen vorsichtigen Einstich durch diese Haut, um das ergossene Blut zu entleeren. — Eine wichtige Indikation ist dann auch, die gewohulich bald eintretenden heiligen Congestioncn nach dem Kopfe zu massigen und die drohende riirnenlzündung zu verhindern, oder wo sie schon cnlsfauden ist, sie zu beseitigen. Dieser Indikation genügt, man durch einen verhältnissmässig für die Constitution des Thieres etwas reichlichen Aderlass, der nothigenfalls wiederholt wer­den kann, durch beständig kalte Ueberschläge auf den Kopf mit Was­ser, Schnee oder zerstossenem Eise, durch ableitende Mittel, nament­lich Purganzen und Klvstiere, und durch sehr verminderte Nahrungs­menge. Wenn die Zufälle heftig sind, so darf das Thier in den ersten 24 Stunden gar keine, dann aber nur wenige und weiche Nahrungs­mittel, am besten nur Kleienwasser erhalten. Dem Zustande angemessen muss die Behandlung in den meisten Fällen also sein, wie bei Wunden am Schädel und bei den Complikationen derselben angegeben worden ist. — Bei Anwendung der örtlichen Mittel aber muss man 2 Dinge ver­meiden, nämlich fette Salben und das Brennen bei etwa entstehenden schwammigten Auswüchsen u. s. w. Denn das Brennen in der Nähe des Gehirns halte bisher meistens üble Folgen und Feit ist den Kno­chen schädlich und verunreiniget die beste Wunde dieser Theilc.
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Brüche am Stirnbein und seinen Forlsätzen.
Zweites Capitel.
Brüche und Eindrücke des Stirnbeins und seiner Fortsätze.
Der platte Theil des Stirnbeins wird zuweilen dureli ähnliche ge­waltsame Einwirkungen, wie die sind, welche die Brüche des Schädels erzeugen, eingedrückt oder auch verschiedentlich zerbrochen; häufiger geschieht es jedoch, dass die hervorragenden Fortsätze dieses Knochens, der Augenfortsatz, und bei den gehörnlen Thieren der Horufortsatz (Ilonizaplcn ), abgebrochen werden.
Hinsichtlich der Erkennung der Verletzungen des platten ïheils
des Stirnbeins gilt alles das
was von der Erkennung der Brüche und
Fissuren an den Schädclknocheu gesagt worden ist; sie ist schwierig, wenn die Haut noch unverletzt, wenn grosse Geschwulst zugegen ist und wenn die Knochcnstüeke wenig oder gar nicht aus ihrer Lage gewichen sind. Leichter ist die Erkennung, wenn weniger Geschwulst enlstanden, wenn eine ollene Wunde zugegen, wenn der etwa vorhan­dene Eindruck stark ist und eine tiefe Grube zeigt und wenn die ge­trennten Knochcntheile sehr aus einander gewichen sind. Aus einer bis iu die Stirnhöhle gehenden Wunde entweicht beim Ausathmen des Thieres warme Luft. — Der Augcnbogenfortsalz bricht entweder in einem Stücke ab, oder er splittert, und liäullg ist eine Wunde zugegen. Die Erkennung ist meistens leicht, da die abgobrochenen Stücke ge­wöhnlieh ihre Lage verändern, indem sie theils durch die eingewirkte Gewalt, theils durch die umliegeiulen Muskeln bald mehr nach der Augenhöhle, bald mehr nach aussen gebracht werden. Auch kann mau durch Druck mit der Hand den abgebrochenen Forlsalz bewegen. Ge­schwulst oder Entzündung des Augapfels, der Augenlider und der um­liegenden Theile findet sich fast jedesmal bald nach der Verletzung ein, und zwar oft so stark, dass die Tliiere die Augen gar nicht öffnen können. Diese letzteren Symptome hängen zum Theil von der Grosse der eingewirkten Gewalt, zum Theil auch von der Reizung der in die weichen Theile eingedrungenen Knochensplitter ab. — Der Horufort­satz kann blos angebrochen oder völlig abgebrochen sein. Ersteres er­kennt man an der verschobenen Stellung des Horns und einer Spalte iu seiner Basis, Letzleres an dem fehlenden Horn, an der blutenden Stelle und daran, das bei dem Ausathmen des Thieres wanne Luft durch die Oelfnung dieses Forlsalzes strömt und dass man bis in die Stirnhöhle sehen kann. Bei allen diesen verschiedenen Frakturen des Stirnbeins sind die Thiere in Folge der stark eingewirkten Gewalt zuweilen nur in sehr geringem Grade, zuweilen aber sehr betäubt, und überhaupt können die Zufälle, wie bei den complizirfen Schädelbrüchen, zugegen sein.
Die Vorhersagung hängt von dem verletzten Theile, von der Be­schaffenheit der Verletzung und von den eingetretenen Zufällen ab. Einfache Brüche oder Eindrücke des platten Theils des Stirnbeins sind an sich gar nicht gefährlich; stehen aber Knochensplitter nach innen und reizen die Schleimhaut anhaltend, so kann heftige Entzündung der-
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Brüche am Stirnbein und seinen Fortsätzen. Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;461
selben, langwierige Eiterung, Verdickung der Schleimhaut und Polypen-bildung erfolgen. Daher sind Splitterbrüche nicht immer ganz günstig zu beurtheilen. — Eben so sind einfache Brüche des Augenbogenfort-satzes an sich nicht gefährlich, sondern sie werden es nur dann, wenn Splitter nach innen dringen, wenn durch die eingewirkte Gewalt der Stirnnerv sehr gequetscht oder zerrissen ist, oder wenn dadurch der Augapfel sehr erschüttert oder gequetscht ist, oder wenn derselbe durch das abgebrochene Knochenslück anhaltend und sehr gereizt wird. In allen diesen Füllen kann heftige Entzündung, Eiterung, Blindheit und selbst Verlust des ganzen Auges entstehen. — Der Bruch des Horn-fortsatzes ist zwar immer an sich ohne Gefahr, aber meistens mit sehr starker Blutung verbunden; andere üble Zufälle treten bei den Brüchen dieses Theiles am wenigsten ein. Bei allen diesen Verletzungen, selbst wenn sie klein sind, ist die Gefahr, sobald anhaltende Betäubung und kollerähnliche Zufalle sich einstellen, nicht für zu gering zu achlca. — In den heilbaren Fällen erfolgt die Heilung gewöhnlich in 3 — 6 Wo­chen; bei theilweiser Trennung des Hornzapfens kann gänzliches Wie-derzusammenvvachsen erfolgen, bei vollständiger Trennung aber erfolgt dies nicht, sondern die Heilung geschieht durch allmälige Verschliessung der Oell'nung mittelst Granulation.
Behandlung. Die örtliche Behandlung der Verletzungen am platten Theil des Stirnbeins und am Augenbogenforfsatz ist der bei den Hirn-schalbrüchen angegebenen ähnlich und sie muss dahin abzwecken, dass vermittelst der passenden Instrumente, des Hebels, stumpfen Hakens und dergleichen die eingedrückten Knochenstücke wieder erhoben, in ihre Lage gebracht und in derselben erhalten werden, — dass die ganz losen Stücke oder die scharfen Splitter aber baldigst entfernt und vor­handene Blutextravasale durch kunstmässige Einschnitte entleert werden. Zugleich sucht man in der ersten Zeit durch kaltes Wasser, Bleiwasser, Oxykrat und dergleichen der zu starken Enlzündung vorzubeugen, in späterer Zeit aber nach Beschalfenheit der Zufälle durch Anwendung der mehr reizend zerthcilenden Mittel, z. B. aromalischer Kräuteraul-güsse mit Zusatz von Essig, Weingeist u. s. w. und durch die adstrin-girenden Mittel die geschwächten Theile zu stärken und die Eiterung möglichst zu massigen. Entstellt Ansammlung von Eiler in der Stirn­höhle, sind Knochenstücke in dieselbe gedrückt, so trepanirt man an der niedrigsten Stelle des Knochens. Die allgemeine Behandlung muss in der ersten Zeit immer anliphlogistiseh sein; sie besteht im tüchtigen Blutlassen, welches man nach Beschalfenheit der Symptome wiederlioll, in Laxanzen (Salzen), Klystieren und vermindertem Futter.
Den zum Theil gebrochenen Hornforlsatz reiniget man vom Blute, drückt ihn in seine Lage und umbindet ihn, wenn kleine Splitter vor­handen sind, sogleich mit einem Streifen Leinwand oder mit einem Bande, welches mit Kleister oder Leim bestrichen ist und an den noch übrigen Theil des Hornlbrtsalzes oder an das gegenüberstehende Ilorn befestiget wird. Man kann auch Schienen von Pappe und dergleichen, die mit Kleister bestrichen sind, so anlegen, dass sie zum Theil auf der Stirn ruhen. Sind aber Splitter vorfianden, so nimmt man diese zuerst mit einem scharfen Messer weg und verfährt dann, wie angegeben ist. Isl der Hornlbrtsatz vollständig abgebrochen, aber eben, so bedeckt man
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Brüche des Jochbeins etc.
ihn mit weichem Werg und hüll dasselbe mit einem umgewickelten Bande fest, welches ebenfalls an das andere Horn geführt werden kann. Bei grosser Splillcruug kann die Bruchstelle vorher durch eine Säge in eine ebene Fläche umgewandelt werden. Bei starker Blutung steckt man einen Pfropf von Werg, Leinwand oder Kork in die Höhle des Horn-fortsatzes, um das fernere Eindringen des Blutes zu verhindern. Selten wird man anderer Mittel, am wenigsten (wie Tenneker that) des Brennens zum Blulslillen nölhig haben; sollte jedoch nach angelegtem Verbande das Bluten noch stark fortdauern, so befeuchte man den Verband recht oft mit Essig oder einer Alaunauflüsung, oder mit einem adslringirenden Dekokt. Nach 24 — 36 Stunden eulfernt man den er­sten Verband nebst dem Pfropf und legt einen neuen, den man mit Colophouiumpulver beslrcut hat, auf und fährt so bis zur Heilung fort. Letztere erfolgt in etwa 3 — 4 Wochen. — Um im Sommer diese wun­den Thcile gegen die Plage der Insekten zu schützen, kann man den Verband mit bitleren Pilanzcnabkochungen, mit Theer oder stinkendem Thicröl und dergleichen bestreichen.
Drittes Capitel.
Brüche des Jochbeins und des Jochbogens oder der Jochbrücke.
Die Ursaclicn zu den Brüchen dieses Knochens und der Forlsätze sind alle Gewallthäligkeilen, welche auf dieselben stark genug einwirken. Diese Brüche betrell'en entweder bloss den llaclicn Theil des Jochbeins, oder die Jochleiste, oder den Jochbogen; sie sind am hervorragendsten Theile oder am Grunde dieser Fortsätze und im letztern Falle ist zu­weilen ein Stück von der äussern Platte des Jochbeins oder des Vor-derkieferbeins mit losgetrennt oder nach innen eingedrückt, #9632;wobei ein­zelne Wurzeln der obeiu Backenzahnreihe an der äussern Seite ent-blösst werden.
Man erkennt diese Brüche an einer Verliefung, welche am Ober­kiefer vor der Jochleiste oder im Verlaufe derselben, oder an der Joch­brücke bemerkbar ist, an hervorstehenden oder in der Tiefe füldbaren Knochenslücken und Splittern, und an der Beweglichkeit eines solchen Knochenstückcs, wenn man auf dasselbe drückt. Ist eine Wunde an den crslcrcn Stellen zugegen, so kann man die Wurzeln der Backen­zähne oder die Oberkieferhöhle sehen, und es strömt warme Luft aus derselben. In manchen Fällen ist durch das nach der Augenhöhle ein­gedrückte Slück des Jochbogens der Augapfel mehr oder weniger be­leidiget und selbst aus seiner Höhle gedrängt. Auch ist Blutergiessung, Entzündung und starke Geschwulst und daher etwas erschwertes oder gänzlich gehindertes Kauen fast immer mit diesen Brüchen ver­bunden.
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Brüche der Nasenbeine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 463
Prognosis, Im Allgemeinen sind die oberflächlichen Brüche des Joclibeins und der Jochleislc und eben so die des Jochbogens nicht ge­fährlich, oft aber sehr schwer zu heilen, weil die losgebrochenen Kno­chenstücke sebr schwer oder gar nicht in ihrer normalen Lage zu er­haltet] sind, indem sie von den an ihnen sich ansetzenden Muskeln, namentlich von dem äussern Kaumuskel meistens und wiederholt nach unten gezogen werden. Diejenigen Brüche aber, wo am Grunde dieser Fortsätze von der äussern Fläche des Joch- und Vorderkieferbeins zu­gleich ein Stück losgerissen ist, wobei die Zahnwurzeln entblösst sind, oder wo das Auge sehr beleidiget, entzündet oder aus seiner Höhle herausgedrängt ist, sind desswegea für gefährlich zu halten, weil lang­wierige Fiterung, Zahnlisteln und Blindheit des belrelfenden Auges er­folgen können. Eine Zeitbestimmung der Heilung lässt sich wegen Ver­schiedenheit der Zustände nickt angeben.
Bei der Behandlung muss man sich bestreben, das eingedrückte oder verzogene Knochenstück wieder in seine natürliche Lage zurück­zubringen und in derselben zu erhalten; aber fast ganz lose Knochen-Stücke und die Splitter müssen entfernt werden. Das erstere geschieht nach den schon angegebenen Regeln theils mit der blossen Hand, theils mit stumpfen Haken, mit der Pinzelte u. s. w. Ein quot;Verband zur Er­haltung der Bruchstücke in ihrer Lage nutzt fast gar nichts. Bei Brü­chen der Jocbleiste könnte für diesen Zweck das quere Durchschneiden (subeutan) der Fasern des äussern Kaumuskels, so weit dieselben sich an das Bruchstück setzen, zu versuchen sein. — Die Beseitigung aller sonstigen Coinplikationen und Zufälle muss nach den allgemeinen Re­geln und nach der Besehall'enlicit dieser Zufälle erfolgen. Strenge Ruhe des Hinterkiefers, daher Verhütung des Kanons durch Eulziehung aller festen Nahrung während der Heilung ist, durchaus noting.
Brüche an den Oberkieferbeinen verhalten sich sehr ähnlich wie die an den Jochbeinen.
Viertes Capitcl.
Brüche der Nasenbeine.
Obgleich die Nasenbeine lang und dabei nicht sehr breit sind, so kommen dennoch die Längenbrüche, oder eigentlich bloss Spalten in denselben vor, niehrentheils jedoch Querbrüche, auch schiefe und Split-terbrüchc. Die verschiedenen Brüche befinden sich entweder am obern, mitllern oder unlern Theil der Nasenbeine; zuweilen sind sie mit Ein­drückung der Bruchstücke nach innen, mit Verletzung der Nasenschleim-haut und äusscrer Verwundung, oder auch mit Hirnerschültcrung ver­bunden. Die Ursachen sind dieselben, wie hei den Brüchen der übrigen Kopfknochen.
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Brüche der Niisenlieine.
Die Erkennung det' wirklichen Naseubeinbriiche und der Eindrücke ist im Allgemeinen leichter als die der übrigen Kopfknochen, weil die ersteren äusserlich nur dünn mit Haut überzogen und daher alle me­chanischen Veränderungen an ihnen leicht fühlbar und selbst sichtbar sind; doch ist die Erkennung zuweilen dann schwer, wenn die gebro­chenen Theile ihre Lage verändern, wie dies bei Längenbrüchen oft der Fall ist, oder wenn eine starke Geschwulst sieh entwickelt hat. — 1st das Knochenstiick lief nach innen eingedrückt, so verhindert es den freien Durchgang der Luft und das Thier alhmet schnaufend und wenn hierbei sich durch den Reiz, der Knochensplitter eine starke Anschwel­lung der Schleimhaut innerhalb der Nase entwickelt, so können selbst Erstickungszufälle eintreten. Mehrentheils erzeugen diese nach innen gedrungenen Knochensplitter durch Verletzung der Blutgefässe der Nasen-schleimhant eine bald mehr bald weniger heftige Blutung. Die meisten Thiere bei solchen Brüchen sind, wenn sie nicht betäubt sind, sehr kopfscheu; daher mnss man in solchen Fällen bei der Untersuchung erst den Kopf miiglichst fixiren und den Pferden in der Regel die Hinterlippe stark bremsen. Wo Gehirnerschülterung besteht, äussert sieh dieselbe durch plötzlich eingetretene Betäubung u. s. w.
Prognosis. Diese Brüche sind an und für sich niemals gefährlich und immer leichter zu heilen, als die übrigen Knochenbrüche am Ge­sicht, weil man die Vereinigung der Bruchränder sehr leicht bewirken und ohne Störung erhalten kann; doch geben Splitterhrüche durch die Verletzung und Beizung der Nasenschlcimhaut manchinal Anlass zu lauge eiternden Geschwüreraquo; oder auch dazu, dass in der Folge sich Polypen bilden. Wo besondere Zufälle, Betäubung. Erstickungsgefahr n. s. w. zugegen sind, bestimmen diese die Beurtheilnug nach den all-genieinen Grundsäizen.
Die Behandlung dieser Brüche beruht zunächst und hier zum grössten Theil allein darauf, dass man die getrennten und verschobenen Knochcn-.liicke in ihre normale Lage zurückbringl und die scharfen und losen Splitter entfernt. Das erstere erreicht man bei den grössern Haiislhicren und bei den Brüchen am nnlern Ende der Nasenbeine sehr leicht, indem man einen mit Werg oder Leinwand umwickelten und mit Oel, Fett oder Schleim bestrichenen, verhällnissmässig nicht zu diinuen Steck in die Nasenhöhle vorsichtig bis zur Bruchstelle einführt und damit das Knochenstiick nach aussen in seine natürliche Lage zu-riiekdrückt. Bei dieser Verrichtung legt man die andere Hand nach aussen, dem Slocke gegenüber an die Nase, um sogleich zu fühlen, wenn dasselbe sich bewegt und in seine rechte Lage zurückgetreten ist. #9632;— 1st in einem Falle das Knochens!üek nach aussen gedrängt, was höchst seilen geschieht, so bringt man dasselbe noch leichter durch Druck mit der blossen Hand zurück.
Wenn der Bruch mit Eindruck um die Mille der Nase oder nahe dem Stirnbeine ist, so ist die Zurückbringung schwieriger und auf die eben angegebene Weise nicht zu erzwecken, sondern man muss sich hierzu der Knochenschraube, des Hebels oder selbst des Trepans be-bedienen, — überhaupt so verfahren, als ob der Bruch am flachen Theile des Stirnbeins selbst wäre. Lose Splitter entfernt man mit Pin­zette und Messer. Isl schon vorher sehr bedeutende Entzündung und
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Brüche der kleinen Vorderkieferbelne.
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Geschwulst, jedoch ohne Störung des Athmens zu verursachen, einge­treten, so beseitiget man dieselbe durch Umschläge von Bleiwasser u. s. w. vor der Einrichtung des Bruchs, weil diese sonst sehr schmerz­haft ist und schwer gelingt. Drohen Erstickungszufallc und die Erhe­bung der eingedrückten Bruchstücke ist wegen zu grosser Geschwulst nicht zu bewirken, so muss die Tracheotomie gemacht werden C Siehe Seite 367). Die bei diesen Brüchen statttindenden Blutungen werden nach Entfernung der Knochensplitter durch Einspritzungen von kaltem Wasser, Essig u. dergl., in dringenden Fällen und bei otleneu Wunden auch durch das Brennen gestillt.
Eine besondere Bandage ist bei diesen Brüchen selten noting, doch müssen vorhandene Wunden mit einem Stück Leinwand bedeckt wer-i den. Die Pferde dürfen keine Halfter haben, sondern müssen am Halse angebunden werden. Alle sonstigen Zufälle werden nach ihrer Eigen-thümlichkcit behandelt.
Fünftes Capitel.
Brüche der kleinen Torderkieferbeine.
Die genannten Knochen brechen zuweilen, in schräger oder querer Richtung und gewöhnlich gesplittert, in Folge von heftigem Gegenlaufcn mit dem Maule gegen Wände oder bei dem Niederstürzen mit dem Maul auf harten Boden, zuweilen auch durch Hufschläge und bei dem gewaltsamen Aufziehen des Kopfes vermittelst Stricken, welche um das Obermaul gelegt sind, um Flüssigkeiten einzugeben.
Man erkennt diese Brüche daran, dass die Oberlippe und die Schneidezähne des Oberkiefers entweder nach vorn oder nach einer Seite gebogen über die Unterlippe hervorstehen oder herabhängen, dass die Nase des Thieres hierdurch eine schiefe und unregelmässige Rich­tung erhält, ferner dass man bei dem Erfassen und Bewegen des vor­deren Endes des Obermauls eine abnorme Beweglichkeit und das rei­bende Geräusch wahrnimmt, wobei die Thiere auch zugleich mehr oder weniger Schmerz zeigen, und zuweilen findet man auch im Maule Splitter durch das obere Zahnfleisch an einer oder der anderen Stelle hervorra­gend, oder es fliesst auch Speichel in grösserer Menge aus dem Maule und gewöhnlich können die Thiere auch das Futter nicht gut ergreifen.
Die Beurtheilung ist nach den bis jetzt beobachteten wenigen Fäl­len gunstig zu machen, da die Heilung gewöhnlich erfolgt und zwar in Zeit von 4 — 6 Wochen.
Die Behandlung besteht zunächst in der Entfernung von etwa vor­handenen Splittern vermittelst Messer und Pinzette, dann aber in der Wie-dereinrichtung auf die Weise, dass man durch gelindes Ziehen an den Schneidezähnen in gerader Richtung nach vorn die ungleich contrahirten
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Brüche des Unter- oder Hinterldefers.
Weichgebilde ausdelmt uud dann die abgebrochenen Stücke in die regel-mässige Lage zurückdrückt. Hierauf legt man entweder einen eisernen gut passenden Maulkorb au, und befestiget denselben mittelst Bändern an die Halfter; oder man befestiget an eine mit einem Stirnriemen ver­sehene Halfter einen platten eiserneu Stab oder eine Schiene von festem Holz mit dem oberen Ende an den Stirnriemen und weiter herab an den Nasenriemen, so dass die Schiene in der Länge der Mittellinie des Nasenrückens liegt und mit ihrem untern Ende bis zur Oberlippe reicht. An diese Schiene bindet man die beiden Enden eines starken Metall­drahtes, welchen man um die sämmtlichen Schneidezähne der abge­brochenen kleinen Oberkieferbeine gebunden, ihn hinter denselben durch Zusammendrehen vereiniget und dann die Enden zu beiden Seiten unter der Oberlippe aus dem Maule herausgeführt hat. Die Umbiegung der Drahtenden an der Oberlippe muss so geschehen, dass die letztere da­durch nicht stark gedrückt wird. Auf diese Weise wird das abgebro­chene Knochenstück von der auf dem Nasenrücken liegenden Schiene getragen und in seiner Lage erhalten. Etwa vorhandene Entzündungs­zufälle werden durch Waschungen mit kaltem Wasser oder mit Blei­wasser beseitiges und Wunden nach ihrer Beschaifenheit, wie an an­deren Stellen, behandelt. gt;— Man bindet die Thiere in ihrem Stande umgekehrt an, damit sie sich die verletzte Stelle nicht drücken oder reiben können und giebt ihnen in den ersten 14 Tagen nur Mehl- oder Kleientrank, späterhin erweichtes Brod, gekochte Kartoffeln oder Mohr­rüben u. dgl.
Sechstes Capitel.
Brüche des Unter- oder Hinterkiefers.
Der Hinterkiefer bricht ziemlich häufig, besonders bei Pferden, und an verschiedenen Stellen, nämlich entweder am Kinn der Länge nach, oder dieses bricht an den Laden ganz ab, oder es bricht nur ein Ast des Kinnbacken an den Laden oder den Backenzähnen bald mehr nach vorn, bald mehr nach hinten ab. Auch der Kronen- und Gelenkfortsatz brechen zuweilen. Die Brüche kommen in den allge­mein angegebenen Verschiedenheiten vor; zuweilen besteht nur ober­flächliche Splitterung der Laden.
Die Erkennung dieser Verletzungen ist gewöhnlich sehr leicht, weil im Allgemeinen sich das losgebrochene Stück bald verschiebt und da­durch das Thier ein unförmliches Ansehen bekömmt. Das Kauen ist gehindert, zuweilen fliesst dem Thier Speichel aus dem Maule, man sieht und fühlt die abnorme Beweglichkeit an der verletzten Stelle, und man hört bei der Bewegung der Bruchflächen gegen einander das be­kannte knarrende oder reibende Geräusch. Bei dem Bruch an einer
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Bniclie des Unter- oder Ilinterkiefers.
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Lade, der am häuiigsten vorkommt, weil luer tier Kuoclien von Mu.v kein entblösst und der äussern Gewalt, am meisten ausgesetzt ist, ist häufig nur eine sehr geringe Verschiebung, so dass der Bruch zuweilen in der ersten Zeit nicht erkannt wird; ist aber der Bruch durch beide Laden gehend, so hängt gewöhnlich das Kinn herab, das Thier kann dasselbe nicht bewegen und auch kein Futter nehmen. Bei dem Län­genbruche am Kinne, der übrigens nicht gerade in der Mittellinie zu sein braucht, ist die wenigste Verschiebung, bei den Brüchen an den Aesten ist dieselbe oft sehr gross, und das Kinn steht dann zuweilen nach einer Seite.
Ursachen sind: Schläge und Stösse mit harten Körpern, Nieder­stürzen auf das Maul, zu heftiges Beissen auf harte Körper und auf das Maulgatter, besonders wenn die Thiere gebremset sind und den Grad der angewendeten Kraft nicht fühlen; selbst durch zu starke Ein­wirkung des Gebisses, besonders von Kandaren können diese Brüche entstehen.
Die Vorhersagung ist nach dem Orte, der Art des Bruchs und den bestehenden Nebenvcrletzungen sehr verschieden, — an den untern Thcilen des Knochen aber mehrcnlhcils günstig; denn einfache Längen­brüche am Kinn heilen ziemlich sicher in etwa 14 Tagen bis 3 Wochen; zuweilen geht ein oder der andere Schneidezahn oder ein Splitter ver­loren, so dass eine Lücke zurück bleibt. Brüche an einem Ast, be­sonders an dem Laden, heilen leicht, oft ohne Kunsthülfe; ein doppelter Bruch (an beiden Aesten zugleich) heilt viel schwerer, doch ist die Heilung nicht unmöglich, — wie Manche glauben; am Gelenkfortsalz erfolgt sie schwer, am Kroneufortsatz in der Regel nicht durch wirk­lichen Callus, sondern durch eine sehnenfaserige Masse, bei welcher aber das Kauen sehr gut geschehen kann.
Die Behandlung ist je nach dem Orte und der Beschaffenheit des Bruchs verschieden. In dem Falle, wo der Hinterkiefer im Kinne der Länge nach von dem gegenseitigen losgetrennt oder zwischen den Schneidezähnen losgespalten ist, drückt man die Stücke in ihre natür­liche Lage und sucht sie in derselben dadurch zu erhalten, dass man die sämmtiiehen Schneidezähne beider Stücke durch recht biegsamen, aus­geglühten Draht an einander befestiget, indem man die ganze Zahnreihe mit solchem Draht fest umwindet. Bei den Thieren, welche Hakenzähnc haben, z. B. bei Schweinen, Hunden, Hengsten und Wallachen, können auch diese Zähne zu einer solchen Verbindung benutzt werden. Sind bei solchen Verletzungen Zähne oder Splitter ausgesbrochen worden und hängen dieselben nur noch mit dein Zahnfleische zusammen, so ist es am besten, sie durch einen Sebnitt vollends zu entfernen. — Bei Brüchen an einem Seitcnasl ohne Verschiebung der Bruchenden hat man in mehreren Fällen bloss durch ein stark klebendes Pflaster von Tcrpenthin und Mehl, dick auf Leinwand gestrichen und auf die Bruchstelle applizirl, in Verbindung mit zweckmässiger diätetischer Pflege, die Heilung bewirkt. Besteht jedoch Verschiebung der Bruch­enden nach innen (in den Kehlgang), so muss zuerst durch entspre­chend starkes Ziehen am Kinn die Ausdehnung und dann durch Zasain-mendrücken der Bruchenden die Wiedereinrichtung gemacht werden. Hierauf legt man (nach Angabe von Binz) in den Kehlgang ein. nach
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468nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Brüche des Unter- oder Hinterkiefers.
der Weite desselben geschnittenes und in ihn genau passendes, mit Lein­wand überzogenes Holz, welches in der Mitte und an den beiden Enden mit Löchern zum Durchziehen der Befestigungsriemen versehen ist; und äusserlich legt mau eine mit Bleiwasser befeuchtete Compresse an den Kinbacken. Jene Riemen werden dann einer über das Genick, einer über das obere und der dritte über das untere Ende der Nasenbeine geführt und mittelst Schnallen vereiniget. — 1st der Bruch in der Ge­gend der Backenzähne und ist einer derselben locker oder selbst aus der Höhle etwas verrückt, so muss man ihn mittelst der Finger oder einer Zange, nachdem das Maulgatter eingesetzt worden, entfernen. Ebenso müssen ganz lose Splitter beseitiget werden. — Bei Querbrü-chen am Kinn oder durch beide Acste des Unterkiefers wird die Wie­dereinrichtung durch Ausdehnung der Weichtheile und Aufrichtung des Kinns, so wie durch Auseinanderziehung der beiden Aeste bis zur ge­hörigen Weite bewirkt. Hiernach legt man in den Kehlgang die oben bezeichnete hölzerne, mit Leinwand gepolsterte Schiene und befestiget sie; ausserdem aber legt man äusserlich einen gut passenden und an die Halfter befestigten Maulkorb, oder besser folgenden, von Girard (fils,) angegebenen (Recueil de mcd. vét. Vol. II, p. 164.) Apparat an: Derselbe besteht aus 2 breiten eisernen Stangen von der Dicke des kleinen Fingers und der Länge des Kopfes, welche am untern Ende mit einander in einem spitzen Winkel sich vereinigen; an dieser Vor­einigungsstelle ist ein breites, löffclförmiges Stück Eisen angesetzt, welches so gross und so hohl sein muss, dass es das Kinn aufnehmen kann. Am obern Ende sind die Staugen etwas rundlich nach aussen umgebogen und mit einem Ringe versehen, durch welchen Stricke ge­hen, mittelst welcher sie an die Halfter oder an einen Halsriemen be­festiget werden. Ein lederner Maulkorb und ein über den mittlern Theil der Stange und über die Nase geführter Riemen erhält dieselben an dem untern Ende genügend in ihrer Lage. — Für Hunde kann der Apparat aus Blech bereitet werden. Oberflächliche Splitterbrüchc an den Laden werden behandelt, wie S. 359 angegeben. — Bei Brüchen am Kronen- und Gelenkfortsatz ist mit Verbänden eigentlich nicht viel zu helfen; soll aber ein Verband angelegt werden, so kann er nur aus einer starken auf die Bruchstelle gelegten Compresse, einer flachen Schiene und aus einer um den Kopf gewundenen Binde bestehen. — Bei jedem Bruch am Kinnbacken ist zur Heilung möglichste Ruhe desselben erforderlich. Man nährt desshalb die Thiere nur mit Mehl­oder Kleientrank, Hunde mit Fleischbrühe oder Milch, später giebt man weich gekochte Kartoffeln, Mohrrüben, Mehlbrei, erweichtes Brot und dergleichen, bis die Heilang geschehen ist.
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Brüche des Zungenbeinlaquo;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;469
Siebentes Capitel.
Brüche des Zungenbeins.
Diese Brüche kommen sehr selten und, so viel bis jelzt bekannt, uur bei Pferden vor. Sie entstehen durch Hufschläge von Pferden, deren Hufeisen übermüssig lange Stollen haben, oder auch durch Stösse mit Stöcken oder durch Hornslösse vom Rindvieh u. dgl.
Die Zufälle, welche diese Brüche mit sich führen, sind, wenn nicht eine offene Wunde damit verbunden ist, znerst nur von der Art, dass man aus ihnen den Bruch nicht mit Bestimmtheit erkennen kann; denn es entsteht im Kehlgaug eine Quetschungsgeschwulst in bald grös-serer, bald minderer Ausdehnung, zuweilen mit Blutextravasat, gewöhn­lich aber mit Oedem verbunden; auch im Maule findet sich unter der Zunge und an den Seilen derselben Anschwellung, die Thiere geifern und speicheln aus dem Maule, können die Zunge nicht gut bewegen und daher auch weder ordentlich kauen noch ordentlich schlucken und bei der Berührung der geschwollenen Theile zeigen sie Schmerz. Im weiteren Verlauf tritt gewöhnlich Eiterung in der Umgegend der Bruch­stelle ein, es bildet sich im Kehlgange ein Abscess, welcher sich spät von selbst öffnet und in dessen Höhle man dann mit der Sonde und mit dem Finger das gebrochene Zungenbein fühlt. In den Fällen, wo mit der ursprünglichen Verletzuug eine bis zum Zungenbein sich er­streckende Wunde entstanden ist, kann man den Bruch durch dieselbe fühlen und die Diagnosis ist hierdurch sehr erleichtert.
Die Beurtheilung ist in der Regel günstig zu machen, in so fern als die Heilung immer erfolgt, wenngleich zuweilen erst nach 6 —10 Wochen und nachdem zuweilen ein Stück des Zungenbeins durch den Eiterungsprozess abgestossen worden ist. Während der Zeit bis zur Heilung leiden allerdings die meisten Pferde wegen des gestörten Kauens in ihrer Ernährung. Zuweilen bildet sich eine Fistel, welche zwar an sich nicht gefährlich, deren Heilung aber sehr schwierig ist.
Die Behandlung ist zuerst lediglich auf die Beseitigung der Quetschungs-uud Entzündungszufälle beschränkt. Man wendet für diesen Zweck äus-scrlich kühlende Mittel, und ausserdem Maulwässer von Essig und Was­ser, oder von verdünnter Salzsäure mit vielem Wasser und mit Honig, späterhiu, wenn die akuten Zufälle beseitiget sind, wendet man aroma­tische Infusionen mit Zusatz von etwas Kochsalz, Salmiak u. dgl. an. Neigt die Entzündung zur Abscessbildung, so befördert man letztere durch Bestreichen der Geschwulst mit Unguentum Altheae und durch warme Breiumschläge. Uebrigens verfährt man weiter, wie bei ande­ren Abscessen. Wo eine offene Wunde besteht, wird diese als Quetsch­wunde behandelt und demgemäss mit lauwarmen schleimigen Flüssig­keilen, später mit gelind aromatischen Mitteln befeuchtet u. s. w. nach allgemeinen Regeln. Bei einer Fistel mit im Grunde derselben befind­licher Caries des Zungenbeins macht man Einspritzungen von Digestiv­wasser oder man pinselt mit Aloe- oder Myrrhentinktur u. dgl., und
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470nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Brüche der Hals-, Rüchen- und Lendenwirbel.
wenn ein Knochenstück sich ablöst, aber durhh den engen Fistelkanal nicht gut ausgeschieden werden kann, so erweitert mau denselben durch eiuen Schnitt in der Richtung nacii dem Kinn 211 und sucht dann mit Hülfe der Pinzette das Knocheustück zu entfernen.
Achtes Capitel.
Brüche der Hals-, Rücken- und Lendenwirbel.
Brüche der Wirbel kommen nicht häufig, am meisten noch au den Lendeu- und den letzten Rückenwirbeln vor. Sie entstehen nach sehr kräftigen, auf diese Knochen einwirkenden Gewailtliätigkeiten, z. B. bei heftigen Schlägen reit Hämmern, dicken Knittelu u. dgl., Nieder­fallen auf unebene Gegenstände, auch bei dem gewaltsamen Nieder­werfen mittelst des Wurfzeuges, wenn die Thiere zu plötzlich nieder­fallen ; ferner: wenn Thiere durch Löcher, durch oder unter Verzäunungeu wegkriechen wollen und sich dabei zu früh erheben, oder wenn Pferde beim Aufstehen mit dem Rücken unter den Standbaum kommen; zu­weilen kommen Brüche der letzten Rücken- und der Lendenwirbel durch die eigne Anstrengung des Thicres vor, wenn es gebunden oder gefes­selt liegt1). Dieselben Brüche entstehen aber auch, wenn Pferde mit dem Kopfe bei steif gehaltenem Halse gegen Mauern u. s. w. laufen oder ebenso mit dem Maule auf die Erde fallen; wenn sie aber mit tief heruntergesenktem Kopfe auf den Boden stürzen, bricht zuweilen der Zahnfortsatz des zweiten Halswirbels ab (das sogenannte Genick­brechen).
Bei diesen Verletzungen ist entweder der Bogen eines Wirbels ge­brochen und dabei eingedrückt oder nach der Seite gedrückt, oder es sind die Stachclfortsätze (besonders an den Rückenwirbeln), die Quer-fortsätze (besonders an den Lendenwirbeln), oder die schiefen Fort­sätze (besonders an den Halswirbeln) abgebrochen und mehr oder we­niger verzogen; seilen ist der Körper selbst zerbrochen. Zuweilen erstreckt sich der Bruch auf mehr als einen Wirbel und in manchen Fällen ist derselbe mit Verrenkung einzelner Wirbelbeiue, mit offenen Wunden, mit Blutergiessung und häufig mit Verletzung oder Erschüt­terung des Rückenmarks und daher mit Lähmung oder mit Krämpfen u. dgl. verbunden.
Die Erkennung der Brüche an den Wirbelbeiuen ist zuweilen sehr schwer und nur unsicher zu erlangen. Man schliesst, dass dergleichen vorhanden sein mögen, wenn nach irgend einer auf sie staltgehabten ___________
') Ich sah auch bei heftigen Krämpfen in Folge grosser Gaben von Blaii-*aure bei 3 Pferden Brüche der Wirbel entstehen.
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Brüche der Hals-, Rücken- und Lendenwirbel.
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Gewakthatigkeit eine Vertiefung oder eine Unebenheit im Verlaufe der Wirbelsäule entstanden ist, wenn diese Steile sehr schmerzhaft ist und daselbst in der Tiefe durch Druck mit der Hand bewegliche feste Theile zu bemerken sind und wenn das Thicr an dem hinter dieser Verletzung befindlichen Theile des Körpers sehr geschwächt oder gelähmt erscheint, so dass es entweder nur schwankend und unsicher sich bewegen, oder gar nicht stehen kann. Die Thiere halten bei Brüchen am Halse denselben und den Kopf schief und lassen letztem niederhängen; sie schwitzen ge­wöhnlich anhaltend am ganzen Körper. Diese letzteren Symptome sind besonders dann zugegen, wenn durch das eingedrückte Knochenstück das Rückenmark gereizt oder gequetscht, oder wenn es selbst eingerissen wird; sie entstehen daher nicht allein nach Brüchen, sondern auch nach Verrenkungen der Wirbelbeine. Bei einfachen Brüchen der Stachel-, Quer- und schiefen Fortsätze fehlen dagegen diese Zufälle und man findet nur örtlich die Beweglichkeit dieser Fortsätze bei dem Druck mit der Hand; zuweilen sind sie auch durch die Muskeln verzogen und dann ist die Form der Theile verändert und bei der Berührung zeigen die Thiere Schmerz.
Die Vorhersagung ist in den Fällen, wo der Bogen oder selbst der Körper des Wirbels gebrochen oder eingedrückt- und wo die Zu­fälle der Lähmung sich zeigen, stets ganz ungünstig,' weil bei diesem Zustande fast gar keine Hülfe zu leisten ist. Die Thiere sterben dann in sehr kurzer Zeit, zuweilen unler starken Convulsionen. Wo solche Zufälle aber nicht zugegen sind und bei den einfachen Brüchen der Stachel-, Quer- und schiefen Fortsätze ist die Gefahr dagegen nicht gross, obgleich die Heiluns; des Bruchs nicht immer regelmässig er­folgt.
Die Behandlung beschränkt sich fast einzig darauf, dass man das abgebrochene Knochenstück so viel als möglich in seine gehörige Lage zurückzubringen und dann die grosseren Hausthiere stehend in einer geraden Stellung ruhig zu erhalten sucht, indem man sie in einen pas­senden Aufhäugegurt bringt, der sie unterstützt und zugleich das Nie­derlegen verhindert. Kleine Thiere lässt man ruhig auf einer ebenen Streu liegen. Ausscrdem wendet man in der ersten Zeit, um einer zu starken Entzündung vorzubeugen, Aderlässe, Umschläge von kaltem Wasser oder von Essig und Wasser, später aber, um die gequetschten Theile zugleich massig zu erregen, von Oxykrat, von Branntwein, Kamphergeist u. dergl. und zuletzt von mehr reizenden Mitteln an. — Bei den mit Lähmung begleiteten Brüchen der Wirbelkörper ist dieselbe Behandlung als Versuch in Anwendung zu bringen. Die Thiere bleiben dabei auf guter Streu liegen, da der Hängegurl sie nicht aufrecht er­halten kann. Man hat liier besonders noch für leichte Ausleerung des Kothes durch Klystierc zu sorgen. Man kann bei dieser Behandlung die Heilung, welche bei dergleichen Verletzungen, wie bereits angedeu­tet, nur selten und dann höchst langsam erfolgt, hoffen, wenn die Läh­mung bald nachlässt und das Thier nicht mehr die auf die Verletzung folgende Schwäche der Extremitäten zeigt und eine festere Stellung an­nimmt. Wenn dieses aber nicht der Fall ist, sondern die Lähmung fortdauert oder sich gar noch vermehrt, so hat man nicht viel von der Heilung zu erwarten, indem sich dann Ergiessung von Blut, Serum
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Bruche der Rippen.
oder auch von Euer iu den RUckeumarkskanal, Knocheuauswüchse u. dergl. erzeugen und der Tod durch diese gefäLrlicben Zufälle schnell herbeigeführt wird. — 1st bei einem Bruche der Stachel- oder Quer-forlsätze eine olfeue Wunde zugegen und ist der Fortsalz nur noch mit wenigen weichen Theilen in Verbindung, so Ihut mau am besten, den­selben noch vollends zu eulfernen. Die weitere Behandlung geschieht in solchen Fällen nach allgemeinen Grundsätzen.
JVeuntes Capitel.
Brüche der Rippen.
Obgleich die Rippen, besonders die falschen wegen ihrer convexen Form und ihrer Nachgiebigkeit eine sehr grosse Gewalt ertragen können, ehe sie brechen, so geschieht dies dennoch nicht selten, z. B. beim Niederstürzen auf unebenen Boden, durch Hufschläge u. dgl. Die vor­deren wahren Rippen brechen im Allgemeinen sehr selten, weil sie durch das Schulterblatt geschützt sind. Oft ist eine Rippe doppelt oder es sind mehrere Rippen zugleich gebrochen. Manchmal erfolgt der Bruch nicht an der Stelle, wo die Gewalt einwirkte, sondern von derselben entfernt. Oft ist eine Wunde, zuweilen durch die nach innen gedräng­ten Bruchenden auch eine Verletzung des Brustfells, der Lunge etc.1), und äusserlich auch eine Windgeschwulst bei diesen Brüchen zugegen.
Die Zufälle sind bei den einfachen Rippenbrüchen in der Regel so unbedeutend, dass man aus ihnen das Dasein eines solchen Bruchs gar nicht vermuthen kann; in anderen Fällen aber, besonders da, wo sich die Bruchenden nach innen verschoben haben, giebt sich der Bruch durch eine grössere oder geringere Vertiefung oder Unebenheit im Ver­laufe einer Rippe, durch Geschwulst und heftige Schmerzen, und Stöh­nen bei dem daselbst angebrachten Druck und beim Athemholen, und wenn die Bruchenden die Lungen verletzt haben, durch beschwertes Athmen und den Ausfluss von schaumigem Blute aus der Nase zu erkennen. Oft fühlt man, wenn man die Hand an die Bruchstelle legt, daselbst bei jedem Athemzuge ein reibendes Geräusch der Bruchenden gegeneinander; dasselbe empfindet man auch durch das Gehör, wenn mau das Ohr daselbst anlegt. Brüche, welche nahe am obern Ende der Rippen sich belinden, sind wegen der dickern Muskeldecke schwe­rer zu erkennen, als die, welche um die Mitte derselben vorkommen.
') Ich sah bei einem Pferde, welches sich durch Niederstürzen auf einen hervorragenden Stein den Bruch der 4 ten und 5 ten wahren Rippe der lin­ken Seite zugezogen halte, selbst den Herzbeutel und das Herz von den Bruch­enden tödtlich verletzt werden.
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Brüche der Rippen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;*'3nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,1
Wenn der Bruch mit einer äussern Wunde zugleich vorhanden ist, sonbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;|
ist die Erkennung desselben immer sehr erleichtert, oft aber in solchennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;|
Fällen durch eine Windgeschwulst mehr erschwert.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1
Die Vorhersagung ist bei den einfachen Rippenbrüchen sehr gün-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i |
slig; die Heilung erfolgt leicht, selbst ohne Kunsthülfe und in kurzernbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1
Zeit. Ist aber durch die nach innen gedrungenen Bruchenden dasnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1
Ri|ipenlell oder die Lunge bedeutend verletzt worden, so erfolgt zu-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1
weilen eine sehr heftige Entzündung dieser Theile, und die Ausgängenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;J
können ganz wie bei bösartigen Lungenentzündungen, selbst Brand undnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1
Tod sein. Die Beurtheilung in dieser Beziehung muss sich nach dernbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;|
Heftigkeit und Dauer des Leidens richten. Wenn die den Bruch ver-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; J
ursachende Gewalt sehr heftig -war, so entstehen auch zuweilen durchnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; I
die stattgefundene Erschütterung Zerreissung der Gefässe und in Folgenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1
dessen innere Blutung und andere üble Zufälle. Spiitterbrüche voran-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; j
lassen zuweilen langwierige Eiterung und Fisteln; oft wuchert der Cal-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; t j
lus und in manchen Fällen bleibt ein künstliches Gelenk zurück, wo-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; j
durch jedoch die Brauchbarkeit des Thieres fast niemals leidetnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;j
Behandlung. Die Heilung erfolgt bei den einfachen Brüchen dernbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; j
Rippen, wo die Bruchenden sich nicht verschoben haben, bei einiger Ruhe des Thieres von selbst und ohne alle thierärzthehe Kunsthülfe.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ]
Man hat in einem solchen Falle nur äusserlich die starke Geschwulstnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;j
mit passenden Mitteln, im Anfange mit kaltem Wasser, später mit Oxy-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; = #9632;
krat, Branntwein, Kamphergeist und ähnlich massig reizenden Mittelnnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;H
oft zu befeuchten, ausserdem aber, wenn der Puls fieberhaft wird, durch eine angemessene Blutcntziehung die Entzündung zu massigen und zunbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; #9632;:']
diesem Zeck innerlich einige Gaben von Salpeter zu verabreichen. Sind aber die Bruchenden nach innen verschoben, haben sie die Lunge ver­wundet oder erregen sie heftige Schmerzen, so muss man sie so bald als möglich wieder nach aussen erheben. Um dies zu bewirken, lässt man das Thier mit der gesunden Seite des Leibes an einen Baum stel­len und es dann mit dem Vorder- und mit dem Hintertheil so viel als möglich um denselben biegen, so dass die verletzte Seile hierdurch recht stark ausgedelmt wird. Hierdurch tritt das Bruchende zuweilen wieder hervor, und man lässt dann dem Thiere allmälig wieder die gerade Stellung geben. Gelingt aber auf diese Weise die Einrichtung nicht, so bleibt nichts anderes übrig, als dass man an der Bruchstelle am vordem Rande der gebrochenen Rippe einen 1 Zoll langen Einschnitt bis auf das Brustfell macht, mit dem Finger in die Wunde un­ter die Bruchenden geht, und zuerst die Lunge durch einen gelinden Druck von den Knochenspilzen entfernt, worauf diese letzteren selbst mit dem gekrümmten Finger nach aussen gehoben werden. Ist dernbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;l
Finger hierzu nicht slark genug, so bringt man auf dieselbe Weise einen stumpfen Haken, nach Binz eine Zange in die Wunde und er­hebt mit diesen Instrumenten die Bruchenden. Sind einzelne Splitter vorhanden, so entfernt man bei jener Manipulation auch diese zugleich. Ist die Zwischenrippenarterie verletzt, so muss dieselbe unterbunden werden. Die gemachte Wunde heftet man darauf auf die gewöhnliche Weise wieder zu. — Nach geschehener Einrichtung der Rippe ist strenge Ruhe und eine entzündungswidrige Behandlung sowohl äusserlich als innerlich durchaus nöthig. Wenn Luftgeschwülste, Ergiessungen oder
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474nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Brüche der Beckenknochen.
Wunden nach oder mit dem Bruche entstanden sind, so verfährt man gegen dieselben nach ihrer Art und Beschaffenheit, wie dies bei der Behandlung der Bruslwimden gelehrt worden ist.
Zehntes Capital.
Brüche der Beckenknochen.
Die Knochen des Beckens können, wie die Erfahrung es lehrt, an jeder Stelle brechen, aber am häufigsten bricht der äussere Winkel eines Darmbeins (die Hüfte), doch fast ebeu so häufig sind die Brüche nahe vor oder hinter der Gelenkpfanne oder in derselben, sellener bre­chen der hintere Theil der Sitzbeine und die Schambeine, und sehr selten das Kreuzbein entzwei. Oft sind diese Brüche einfache Quer-oder schiefe Brüche, oft auch mit Splittern verschen, und zuweilen ist auch mehr als ein Bruch zugegen.
Diese Brüche entstehen bei den grosseren Thicren beim Nieder­stürzen auf harten, unebenen Boden (auch bei dem gewaltsamen Niederlegen mittelst des Wurfzeuges), bei heftigem Gegenlaufen an Thürpfosten, durch Schläge mit dicken Stöcken und anderen groben Werkzeugen (besonders bei Schafen, Hunden und Katzen), durch das Ueberfahren mit Wagen u. s. w. Die Brüche der Schambeine und Sitzbeine entstehen, wenn die Thiere bei dem Niederfallen die Beine auseinander spreizen.
Die Erkennung dieser verschiedeueu Knocheubrüche, ausgenommen der Bruch des Darmbeinwinkels, ist wegen der dicken Muskelparthieen, mit denen das Becken fast auf allen Seiten bedeckt ist, zum grüssten Theil schwer und oft nur höchst unsicher zu erlangen. Im Allgemeinen gehen die Thiere dabei lahm und zwar immer um so mehr, je näher der Bruch der Gelenkpfanne zu ist; das Becken ist oft auf der leiden­den Seite etwas gesenkt und bei den Bewegungen des Thieres oder beim Druck mit der Hand auf die leidende Stelle hört man bei einiger Aufmerksamkeit ein knarrendes Geräusch; auch fühlt man dabei zuwei­len, dass ein Knochentheil sich etwas verschiebt oder senkt. Diese Verschiebung und die Crepitation kann man am besten wahrnehmen, wenn man eine Hand an den Darmbeinwinkel, die andere an den Sitz­beinhöcker legt und dabei das Thicr gehen lässt oder wenn man den Fuss der leidenden Seite aufheben und ihn in verschiedenen Richtun­gen bewegen lässt. — In der Gegend der Gelenkpfanne und am Sitz­bein kommen Brüche oft an mehreren Stellen zugleich vor. Hierbei stehen die Thiere gewöhnlich so, dass der Fuss der leidenden Seite durch seine eigene Schwere auf dem Boden ruht, sie stützen den Kör­per nicht auf ihn, können ihn heben, aber nicht auf ihn treten und gewöhnlich steht derselbe auswärts und nach vom; bei der Unlcrsuchung
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Brüche der Beckenknochen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;475
zeigen die Thiere Schmerzen, aber keine Widerspenstigkeit. Das Knar­ren der Knochen kann man fühlen und auch hören, wenn man den Fuss bewegt und wenn die Thiere gezwungen werden, zu gehen. Wäh­rend des Gebens des Tbieres legt man auf verschiedene Punkte des Beckens die Hände, wie es vorstehend angegeben. — Bei Brüchen der Schaambeine ist gewöbnlich die Form des Beckens unverändert, im ru­higen Stehen auch am Stande wenig Abweichendes zu bemerken, aber es findet sich bald eine bedeutende oedematöse Anschwellung des Skro-lums und Schlauchs oder des Euters nnd die Thiere gehen sehr ge­spannt. Diese Brüche sind mit am schwersten zu erkennen. — Ist der äussere Winkel des Darmbeins abgebrochen, so verschiebt sich durch die Wirkung der Muskeln das abgebrochene Stück bedeutend nach abwärts, so dass das Thier mehr oder weniger einhüflig erscheint, das Knochen­stück an dem Leibe zu fühlen und die Erkennung sehr leicht ist. Bei den Brüchen des Kreuzbeins findet sich zuweilen eine Einsenkung auf dem Kreuz und das Thier ist fast allemal auf die Hinterfüsse oder am Schwänze gelähmt. — Bei denjenigen Brüchen, welche das Kreuz-, Sitz- und Schaambcin betrefleu und die äusserlich wegen der dicken Muskeln nicht deullich zu erkennen sind, kann man bei grossen Thie­len auch vermittelst einer in den Mastdarm eingebrachten Hand die Untersuchung durch diese mit gutem Erfolge machen. Man fühlt dann die Unebenheiten der Knochen oder bei der Bewegung des Thieres auch die Verschiebung der einzclueii Bruchstücke und das reibende Geräusch recht deutlich.
Die Vorhersagung richtet sich nach der Art des Bruches, nach der Beschaffenheit desselben und zum Theil auch nach dem Alter des Thie­res. Brüche am äusseren Darmbeinswinkel und am hinteren Ende des Sitzbeines und wenn sich die Bruchenden nicht über einander verscho­ben haben, sind bei jungen Thieren gewöhnlich ganz ohne Gefahr, sie heilen bei gehöriger Ruhe in kurzer Zeit ohne irgend andere üble Fol­gen, als eine kleine Schwäche oder Lahmheit zurückzulassen. Sind aber bei den genannten Brüchen die Bruchenden von einander und aus ihrer natürlichen Lage gewichen (was häufig der Fall ist), so bleibt immer Einhüfligkeit und eine mehr oder weniger bedeutende äusserliche Verunstaltung des Hintertheils nach der Heilung zurück, doch so, dass die Thiere noch zum Dienst und weibliche Thiere auch noch zur Zucht gebraucht werden können. — Befindet sich der Bruch nahe der Gelenkpfanne, ist mehr als ein Bruch vorhanden, ist das Kreuzbein ge­brochen , ist das Thier nicht vermögend auf den Hinterbeinen zu stehen, oder ist dasselbe sehr alt, so ist es fast immer besser, das Thier zu tödteu, als sich in eine lange, Ungewisse Kur einzulassen. Solche Brüche verwachsen in der Regel nicht fest, und wenn auch ein solches Thier durchkommt, so ist es dann doch oft weder zum ungehinderten Dienst noch zur Zucht zu gebrauchen. Bei Brüchen in der Gegend der Pfanne, noch mehr an den Aesten der Sitzbeine und an den Schaam-beinen kann auch der Tod erfolgen, indem Splitter die im Becken lie­genden Organe, namentlich die Blase und Gefiisse verletzen, die erstere auch einklemmen und somit innere Verblutung und heftige Entzündung erregen. Gewöhnlich weiden auch die hier liegenden Muskeln zerrissen und dadurch die Wiederherstellung erschwert.
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Brüche der Schwanzwirbel.
Behandlung. Hinsichtlich der Behandlung dieser Brüche selbst ist fast gar nichts zu thun; kleine, lose, oberflächliche, äusserlich sichtbare Knochenstücke entfernt man, nüthigenfalls durch einen gemachten Ein­schnitt; dem Thiere giebt man 3 — 6 Wochen Ruhe und unterstützt die grossen Hausthiere während dieser Zeit durch den Hängegurt oder eine ähnliche Vorrichtung, um sie in möglichster Ruhe und in gleichmässi-ger Stellung zu erhalten. Die Geschwulst und Entzündung behandelt man ihrer Hefiigkeit angemessen innerlich und äusserlich, giebt dem Thiere weiches Futter, und damit die Anstrengung zur Mistentleerung verringert werde, applizirt man den Thieren auch Klystiere. Alles übrige muss man der Natur überlassen.
Eilftes Capitel.
Brüche der Schwanzwirbcl.
Die Schwanzrübe wird nicht ganz selten gebrochen, aber nicht in jedem Falle ensleht dabei ein wirklicher Bruch eines Schwanzwirbels, sondern häufiger eine gewaltsame Trennung zweier Wirbel durch Zer-reissung des zwischen ihnen liegenden Faserknorpels, und der Zustand ist dann im pathologischen Sinne mehr eine Verrenkung; doch kom­men auch zuweilen wirkliche Brüche in den Wirbeln vor und zwar mehrentheils Splitterbrüche.
Dieselben entstehen, wenn Pferde sich rückwärts überschlagen, wenn der Schweif zwischen Thüren geklemmt, oder ungeschickt und gewaltsam aufgebunden wird u. s. w.
Man erkennt die Brüche daran, dass der Schwanz an einer Stelle einen Knik hat, im Winkel gebogen herabhängt, krankhaft vermehrte Beweglichkeit besitzt und im frischen Zustande Crepitation zeigt. Zu­weilen ist Entzündung, Geschwulst oder auch Verwundung zugegen.
Die Beurlheilung ist bei einfachen Brüchen günstig, da dieselben keine üblen Zufalle erzeugen; zuweilen heilen sie gut, oft mit steifer Verwachsung, oft hinterlassen sie aber bleibende Verkrümmung des Schwanzes. Im complizirten Zustande ist die Beurlheilung wie bei den mit Brüchen complizirten Wunden am Schweife (S. 414 u. f.).
Behandlung. Der Schwanz wird durch Ziehen in gerader Richtung ausgedehnt, der Bruch durch gelindes Drücken eingerichtet, dann mit einem Schienenverband versehen und bei grossen Thieren mittelst einer über Rollen an der Decke des Stalles gehenden Schnur mit Gewicht in horizontaler Richtung gehalten. Entzündung und Complikationcn werden behandelt wie S. 416 u. f. angegeben ist.
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Brüche des Schulterblattes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 477
Zwölftes Capitel.
Brüche des Schulterblattes.
Die Brüche dieses flachen Knochens kommen bei allen Hausthieren nur selten vor, indem er durch seine Lage an der innern Fläche gegen alle Gewaltthätigkeiteu geschützt und in den Stand gesetzt ist, einer grossen Kraft zu widerstehen. Man hat sie nach Stössen mit der Deich­selstange, nach Schlägen, bei dem Gegenlaufen an Bäume u. dgl., nach hefliger Prellung der Füsse, beim starken Springen über Zäune und Gräben, bei plötzlichem und gewaltsamen Pariren auf hartem Boden, bei dem Niederstürzen mit ausgebreiteten Vorderfüssen erfolgen sehen.
Das Schulterblatt kann an allen seinen Theilen zerbrechen; der vordere und hintere Winkel, auch die Gräte kann zum grossen Theil abgebrochen werden; am häufigsten scheint jedoch (bei den heftigen Prellungen 'der Füsse) auf eine eigenthümliche Weise, entweder der Hals dieses Knochens vcrscbiedenllich zerbrochen oder die Gelenkfläche für das Armbein abgestossen und zerbrochen zu werden •). Mehrmals hat man vollständige Querbrüche beobachtet.
Dass das Schulterblatt gebrochen sei, ist meistens sehr schwer zu erkennen; das Thier geht stark lahm, kann mit dem Fusse der leiden­den Seite durchaus nicht auftreten oder berührt nur mit der Zehenspitze ganz oberflächlich den Boden; es ist als ob der Fuss zu kurz wäre. Dieses Symptom tritt in den Fällen besonders deutlich hervor, wenn die Gelenkfläche oder der Hals des Schulterblattes gebrochen ist. Beim Druck mit der Hand auf den leidenden Theil bemerkt man manchmal ein gelindes Knarren und eine Beweglichkeit der Bruchenden; dabei sind immer bedeutende Schmerzen und Geschwulst vorhanden.
Die Vorhersagung ist in den Fällen, wo nur der vordere oder hintere Winkel des Schulterblattes oder die Gräte desselben abgebrochen sind, ziemlich günstig, in den Fällen aber, wo der Bruch sich nahe am Halse des Knochen oder um die Gelenkfläche befindet, ist die Prognosis ungünstig. Bei ersteren Fällen heilt das abgebrochene Stück bei gehö­riger Ruhe gewöhnlich wieder ohne Folgen zu hinterlassen, an; bei letz-lereu aber erfolgt fast niemals Heilung, sondern meistens langwierige Entzündung, Eiterung, starke Wucherung des Callus und Entartung der ganzen Schulter. Äehnlich verhalten sich oft auch die Querbrüche, doch heilen dieselben, wenn sie einfach sind, zuweilen ganz gut.
Behandlung. Da hier selten eine bedeutende Verschiebung der Bruchstücke stattfindet, so ist auch ein wirkliches Wiedereinrichten der­selben fast niemals nöthig; desshalb wäre auch der Verband meistens überflüssig. Doch aber kann das von Binz (am angez. Orte. p. 97. Taf. 3. Fig. 4.) hierzu empfohlene Kissen mit Riemen und die Anwen-
') Wie dieses an mehreren Schulterblättern in der Sammlung der Königl. Thierarznei - Schule zu Berlin raquo;ehr schön zu sehen ist.
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Brüche des Arm- oder Querbeins.
duug seiner Stelzmascliinen zur Verhinderung ulier starken Bewegungen und somit zur Beförderung der Heilung recht zweckmässig sein. Die sonstige Behandlung erstreckt sich nur auf die mit dem Bruche -ver­bundenen Zufälle und auf die Herbeiführung eines ruhigen, angemesse­nen Verhaltens. Fühlt man lose Knocheusplitter, so entfernt man diese durch einen Einschnitt; die Entzündung und Geschwulst behamlelt man im Anfange mit kaltem Wasser, später mit etwas reizonden Mitteln; grosse Thiere hängt man in einen Gurt und kleinere Thiere lässt man auf einer ebenen Streu liegen.
Dreizehntes Capitel.
Von den Brüchen des Arm- oder Querbeins,
Sie sind nur selten vorhanden. Bei den grossen Thiereu ist der Knochenbruch am gewöhnlichsten um die Mitte, in sehr schiefer Rich­tung, mit scharfen Bruchenden und Splittern. Bei Hunden und Katzen bricht häufig der innere oder äussere Gelenkknopf am untern Ende ab und zuweilen entsteht dabei eine Verschiebung und Verrenkung im Elibogengelenk.
Die Erkennung ist bei den grossen Hausthieren zuweilen wegen der zu dem Bruch tretenden grossen, derben Geschwulst recht schwer zu erlangen. Der Fuss hängt schlalT vou der Schulter herab, ist oft am Fesselgelenk zurückgebogen und berührt nur lose, mehrcntheils mit der Zehe, den Boden; beim Gehen wird er auf demselben nachge­schleppt; lässt mau mit der Hand das Glied in verschiedenen Richtun­gen bewegen, während man eine Hand auf, die andere unter das Arm­bein gegeu dasselbe legt, so fühlt man das Reiben der Bruchstücke und zuweilen auch die Verschiebung derselben, so wie auch eine abnorme Beweglichkeit. Zuweilen fühlt man an der innern Seite auch lose Kuuchcnsplitler, und in manchen Fällen ist der Arm von der Schulter bis zum Ellbogen kürzer als an der gesunden Seite. Ausserdem iindet sich bald mehr, bald weniger Entzündung und Geschwulst hinzu.
Die Vorhersagung ist bei grossen Thiereu meistens ungünstig. Die Heilung erfolgt sehr unvollständig, weil die Knochenenden sich immer bedeuteud verschieben und heftige Entzündung, selbst Eiterung in der Umgegend erregen, wodurch die Zusammenheilung der Bruchenden verhindert wird l) und weil man nicht gründlich dagegen wirken kann. In einzelnen Fällen erfolgte gründliche Heilung. — Bei den kleinen Thiereu ist, wenn sie sich sehr ruhig verhalten, in den meisten Fällen gute Heilung in etwa 10 Tagen zu erwarten, zuweilen bleibt aber auch
•) Ein wieder zusammengeheiltes, aber über ein Drittel verkürztes Arm­bein befindet sich in der Knochensammlung der hiesigen Königl. Tbierarznei-schule.
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Brüche des Arm- oder Querbeins. Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 479
bei diesen eine Unförmlichkeit und Verkürzung des Fusses und belaquo;län-diges Hinken zurück. Die Brüche an dem Gelenkende heilen immer gut, besonders bei jungen Thieren.
Behandlung. Bei Brüchen am mittlern Theile des Knochens ist bei grossen und kleinen Thieren die Behandlung sehr schwierig. Um bei Pferden die Wiedereinrichtung zu machen, stellt man (nach der Idee von Binz a. a. O, Seite 103) das Thicr zuerst in die Stand­maschine oder in den Hängegurt, bremset es, legt unter das Armbein eine gut gepolsterte Schiene, welche die Länge des Knochens vorn und hinten um 2 Zoll überragt und an jedem Ende mit einem Loch ver­sehen sein muss. In diese Oeffnungen bindet man Stricke, führt die­selben über eine auf der Standmaschine befestigte Stange oder durch Ringe, welche an der Stalldecke sitzen und zieht nach und nach stär­ker mit diesen Stricken die Schiene gegen den Arm und diesen selbst hierdurch nach aus- und aufwärts. Dies bildet die Gegenausdehnung. Die Ausdehnung macht ein Gehülfe dadurch, dass er mit beiden Hän­den den Vorarm umfasst und den Fuss nach hinten und unten zieht; und der Thierarzt macht dann die Einrichtung mittelst gelinden Drucks gegen die Bruchstelle. Ist dies geschehen, so wird eine zweite, ganz ähnliche Schiene auf die Aussenseite des Armbeins _ gelegt und beide werden an den Enden mittelst Bänder fest zusammengebunden. Damit die Schienen sich nicht verschieben, kann man noch eine etwa 20 bis 30 Ellen lange, auf einen Kopf gewickelte Binde auf folgende Art an­legen: Man lässt hierzu den Fuss aufgehoben halten, legt das Ende der Binde am hintern Ende des Armbeins an die innere Seite, führt sie über dasselbe nach aussen und vorn 3—4 Mal herum, dann geht man mit der Binde vom Ellbogen über der äussern Schiene zum Buge, von hier quer über die Brust auf die andere Seite, über die Armbeins­muskeln des gesunden Fusses zum Ellbogen, über und hinter demselben nach abwärts unter die Brust und wieder zur kranken Seite, wo man von innen nach aussen über das Armbein und um dasselbe zwei Um-wickelungen der Binde macht, dann die ersten Touren wiederholt und so fortfährt, bis die Binde geendet ist. Um das Abgleiten der Binde nach unten zu verhindern, legt man über den Widerrüst noch einen handbreiten Leinwandstreifen, führt dessen Enden rechts und links an die Binde und heftet sie mit einigen Nadelstichen au dieselbe.
Bei den kleineren Thieren geschieht die Einrichtung und der Ver­band am besten, wenn sie auf der gesuuden Seite liegen. Ein Gehilfe fixirt mit seinen Fingern das vordere Ende des Armbeins und das Schulterblatt, ein zweiter macht die Ausdehnung am obern Ende des Vorarms durch enlsprechend starkes Ziehen nach hinten, worauf die Bi'uchenden leicht in ihre Lage zu bringen sind. Hierauf legt man zwei Schienen von Pappe, nach der Grosse und der Form des obern Theils des Vorarms, des Ellbogens und des Arms geschnitten und mit Werg oder Watte gepolstert, au die innere und au die äussere Fläche dieser Theile (die innere Schiene muss, mit Rücksicht auf die Achsel­höhle, au ihrem obern Rande etwas kürzer sein als die äussere) und umwickelt sie, vom Vorarmc anfangend, mit einer schmalen Binde massig fest bis über den Ellbogen und von hier in grosseren Touren über den Bug. Eine Kleisterbinde ist hierzu am besten.
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480nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Brüche der Knochen deraquo; Vorarms. •'
Vierzehntes Capitel.
Brüche der Knochen des Vorarms (des Ellbogens und des
Kegels).
Die Knochenbrüche am Vorarm entstehen nach verschiedenen üusseren Gewaltthatigkeiten und kommen häufiger vor als die Brüche des Armbeins. Bei Pferden ist der Bruch gewöhnlich nur an einem Knochen, an dem Ellenbogenhöcker oder an dem Kegel; bei Rindern, Schafen, Schweinen, Hunden und Katzen aber brechen auch oft beide Knochen zugleich, da bei diesen Thieren das Ellenbogenbein, so wie der Kegel, die ganze Länge des Vorarms einnimmt und nicht, wie bei Pferden, bloss das obere Ende desselben.
Der Ellenbogen kann an der Mitte oder an den Enden brechen, quer, schief oder splitterig; zuweilen bricht er auch in der Länge, oder der Höcker bricht ab, Dieser Bruch giebt sich sehr auffallend dadurch kund, dass die Thiere den Vorarm im Ellenbogengelenk gebogen fast unbeweglich nach vorn halten und gar nicht auftreten können; am Ellenbogen findet man statt des Höckers eine Lücke, den Höcker stark nach oben verzogen und die Streckmuskeln unter dem hintern Rande des Schulterblattes stark eontrahirt.
Die Kennzeichen der Brüche des Kegels bei Pferden sind: An­schwellung und Schmerzen an der Bruchstelle, mehr oder weniger starkes Hinken, wobei der Fuss von der Bruchstelle scblafl herabhän­gend gehalten wird, die Verschiebung der Bruchenden bei der Bewe­gung des Fusses oder bei angebrachtem Druck und das knarrende Ge­räusch dabei. Ist der Bruch sehr schief, so verschieben sich die Bruch­enden sogleich mehr oder weniger und der Fuss erscheint zu kurz. Bei den Thieren, wo beide Vorarmskuochen bis zur Fusswurzel (dem Knie) herabreichen, ist die Erkennung des Bruches zuweilen sehr schwer, wenn nur der eine Knochen gebrochen, der andere aber noch ganz ist; doch ist in diesen Fällen die Erkennung nicht so schwierig bei kleinen Thieren, als beim Rindvieh, weil bei ersteren die Muskeln nicht so dick sind und das richtige Gefühl nicht so vermindern, als bei letzteren. — Brüche am untern Ende des Vorarms sind leichter zu erkennen, als am obern Ende desselben.
Die Vorhersagung ist nach Verschiedenheit des Bruches, nach sei­nem Orte und nach den verschiedenen Thieren verschieden. Quer­brüche um die Mitte und am untern Theile des Vorarms heilen bei den kleinen Thieren leicht und sind auch bei Pferden und Rindern schon geheilt worden, am obern Ende aber viel schwerer; bei den grossen Thieren erfolgt die Heilung am mittlern Theil mehrentheils ziemlich gut, an den Enden aber nur höchst selten. Ist bei den Thie­ren, die doppelte Vorarmsknochen haben, nur einer derselben zerbro­chen, so ist die Heilung immer um Vieles leichter, als wenn beide zer­brochen wären, indem im erstem Falle der noch ganze Knochen dem gebrochenen zu einer natürlichen Schiene und Stütze dient und verhin-
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Brüche der Knochen des Vorarms. Behandlung.
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dert, dass sich die lirucheudeu nicht so sein' verschieben. Schiefe Brüche heilen bei den grossen Thieren gewöhnlich nicht normal zusam­men, und bei den kleineu nur sehr schwer. Quere und schiefe Brüche am Ellenbogen sind immer sehr übel, denn die Vereinigung ist wegen des beständigen Abziehens des obern Stückes weder zu bewirken, noch zu erhalten und die Heilung desswegen nicht zu erzielen.
Die Behandlung der Brüche am Vorarm geschieht ganz nach den allgemeinen Regeln. Man bringt zuerst die Bruchenden in ihre natür­liche Lage und in gegenseitige Berührung und lässt hierzu bei verscho­benen Bruehenden vorsichtig die Muskeln des Vorarms, so viel als nöthig ist, ausdehnen. Zur Bewirkung der Gegenausdehnung legt eine starke Person beide Hände an das Armbein, eine andere umfasst das Schienbein unlerhalb des Knie's und zieht in einer geraden Richtung bei massig gebogenem Knie den Fuss nach und nach immer stärker vom Leibe abwärts. Der Thierarzt selbst sucht während dieser Ma­nipulation durch sein Gefühl zu erforschen, ob die Knochen sich in ihre natürliche Lage zurückgezogen haben und trägt durch gelinden Druck der Hände selbst dazu bei, dass dieses geschehe. Man hat hier­bei auch darauf zu sehen, dass die Zehe ihre regelmässige Stellung nach vorn erhält. Wenn die Thierc auf einer Seite liegen, geht die Einrichtung besser von Statten, als wenn dieselbe ijn Stehen vorge­nommen werden muss; doch ist im ersten Falle immer zu befürchten, dass beim Aufstehen der Thiere die Bruchenden sich wieder verschieben werden, wesshalb das Aufslehen vorsichtig geleitet werden muss.
Fühlt man, dass die Brnchenden in ihrer natürlichen Lage sind, so legt man den Verband auf folgende Weise an. Zu beiden Seiten des gebrochenen Knochens legt man lange, schmale und etwas derbe Compresscii von Werg oder weicher Leinwand vom Knie bis zum Armbeinsgcleuk und bui'cstiget dieselben mit einer massig fest angelegten Binde von unten bis oben, lieber diese Binde nach anssen legt man zum Schutz gegen den Druck der Compressen ganz gleichmässig lok-keres Werg und auf dieses 2 oder 3 Schienen, welche nicht viel kür­zer als der Vorarm selbst sein dürfen. Die Schienen müssen für die grossen Thiere aus festem Material bestehen, für die kleinen können sie aus Sohlenleder, Pappe und dergleichen bereitet sein; sie werden mit 4 — 5 einzelnen Bändchen, oder noch besser durch mit Schnallen versehene Riemen massig fest um das Glied gebunden. Bei Hunden kann man den Verband zunähen. Statt der gewöhnlichen Schiene kann man auch das Seite 452 beschriebene Schenkelmieder anlegen. Grosse Thierc bringt man dann sogleich in den Hängegurt und befestiget sie so, dass sie auf keiner Seite ausweichen können. — Bei complizirten Brüchen könnte man Pferde, nach dem Vorschlage von Binz (a. a. O. Seite 26 und f. Taf. 3. u. 4.) nach angelegtem Verbande auch noch in die von ihm erfundene Rinnmaschine stellen. Man muss für jeden Fuss eine solche Maschine haben. Dieselbe besieht aus einem bogenförmig-krura-men Holz, welches von dem Ellenbogen etwa 3—4 Zoll über den Huf herunter reicht und an seiner convexen Seile eine Rinne hat, die so weit ist, dass, nachdem sie mit weichem, glattem Stroh gehörig gepol­stert worden, der ganze Fuss in ihr ruhen kann. Am obern Ende geht ihr äusserer Rand in eine flache Ausbreitung über, welche sich an das
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Brüche der Knochen des Vorderknies, Behandlung.
Schulterblatt legt. Sie wird so an die hintere Seite der Gliedraasse gelegt, dass der Vorarm, schräge nach vom und unten gerichtet, in ihr ruht. Ein breiter Riemen mit Rückenkissen geht vom obern Ende über den Rücken und um den Leib und hält sie an diesem fest, ein zweiter breiter Riemen geht um den Vorarm, einer desgleichen um das Knie und ein vierter um das Schienbein. Das Thier ruht nicht mit dem Hufe, sondern mit dem untern Ende der Maschine auf der Erde und der Bruch bleibt mehr ruhig in seiner Lage. Man kann hierbei in solchen Fällen, wo an der vordem Fläche des Vorarms Wunden bestehen, sogar den Schienenverband ganz weglassen und erhält dadurch die Möglichkeit, die Wunden täglich zu reinigen und die nöthigen Heil­mittel auf sie anzuwenden.
Fünfzehntes Capitel.
Brüche der Knochen des Vorderknies (der vordem Fusswurzel).
Diese Brüche kommen sehr selten vor; sie sind in der Regel Split­terbrüche und mit einer complizirten Gelenkwunde, mit Zerreissung der Bänder etc. verbunden.
Die Erkennung ist bei einer offenen Wunde ziemlich leicht durch Befühlen mit dem Finger oder der Sonde, sonst aber schwierig; doch konnte ich in einem Falle, wo keine Wunde bestand, ein Knochenstück neben der Strecksehnc ganz deutlich fühlen und verschieben. Ausser-dem sind immer die begleitenden Zufalle, Geschwulst, Schmerz und Lahmheit zugegen; die Thiere gehen mit steif gehaltenem Knie.
Die Vorhersagung ist im Allgemeinen ungünstig, da oft langwierige Entzündung und Verwachsung der Gelenkflächen oder Vereiterung und Abblätterung derselben erfolgt, was in diesen schwammigteu Knochen immer sehr übel ist; es gilt hiervon das bei den complizirten Gelenk­wunden Gesagte.
Die Behandlung muss hier zunächst auf die Mässigung der Ent­zündung und bei offenen Wunden auf die Entfernung der Knochen­splitter gerichtet sein, worauf mau wie bei den Gelenkwunden verfahrt. — Ist keine Wunde zugegen, so umwickelt man das Gelenk massig fest mit einer einfachen Binde, kühlt fleissig, giebt dem Thiere während etwa 14 Tagen Ruhe und stellt Pferde in den Hängegurt oder auch in die Rinumaschiue von Hinz.
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Brüche des Scliicnhcins und der Griffelbeine. Behandlung.
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Sechszehntes Capitel.
Brüche des Schienbeins und der Griffelbeine oder der vordem Mittelfussknochen.
Die Brüche an dem Schienbeine gehören bei allen Tbieren zu den häufigsten; sie kommen in der Mitte oder nahe an einem Ende vor und sind in den einzelnen Fallen von verschiedener Beschaffenheit. Bei Pferden brechen fast immer zugleich die Grillelbeine, sehr selten diese allein; bei Schweinen, Hunden und Katzen können einzelne oder alle Schienbeine brechen.
Ihre Erkennung ist gewöhnlich sehr leicht, und zwar ausser den allgemeinen Symptomen der Knochenbrüche vorzüglich durch das Gefühl, weil diese Knochen mit wenigen Weichtheilen bedeckt sind. Pferde halten bei dem Gehen mehreatheils die Giiedmasse in den Gelenken über dem Schienbein stark gebeugt und das letzlere gewissermassen schwebend; bei dem ruhigen Stehen berühren sie kaum mit der Zehe den Boden.
In den sehr seltenen Fällen, wo ein oder das andere Griffelbein allein gebrochen ist, wird die Diagnosis fast immer sehr schwierig sein, besonders wenn schon grosse Geschwulst eingetreten ist. Man findet an der verletzten Stelle Schmerz am Griffelbein beim Druck, zuweilen auch etwas Verschiebung der Bruchstücke.
Wenn bei Schweinen, Hunden oder Katzen sämmtliche Schienbeine, gebrochen sind, ist die Diagnosis aus denselben Erscheinungen, wie bei Pferden zu machen; ist aber nur ein einzelner Knochen gebrochen, so findet keine Verschiebung statt, und man kann den Bruch nur durch genaues Befühlen des verletzten Theils, wobei Schmerz, Verschiebung und Crepitation wahrzuuehmen ist, erkennen.
Die Vorhersagung ist im Allgemeinen ziemlich günstig, denn selbst bei den grossen Thieren sind unter den Brüchen der Gliedmassen die der Schienbeine mit am leichtesten zu heilen, und zwar in etwa vier Wochen, noch mehr aber bei den kleineu, wo mehrere Schienbeine vorhanden sind. Sie erfolgt hier in 2 — 3 Wochen. Brüche in der Mitte des Schienbeins und (^uerbrüche heilen am leichtesten. Bei schiefen Brüchen i^t, wie immer, die Heilung schwierig, um so mehr aber hier, da gewöhnlich die spitzigen Bruchenden sich so verschieben, dass sie durch die nahe gelegenen Weichlheile dringen und diese, so wie die Sehnen, mehr oder weniger verletzen, selbst durch die Haut stechen. Nach einigen Angaben sollen diese Brüche au den vordem Gliedmassen leichter heilen, als an den hintern, weil die Thiere erstere ruhiger zu halten pflegen, als letztere.
Die Behandlung und der Verband muss in allen Stücken so ein­geleitet werden, wie dieselbe bei den Brüchen im Allgemeinen angegeben worden ist. Nach angelegtem Verband kann man bei Pferden noch zum grössern Schutz die eisernen Schienen, welche mit dem Hufeisen verbunden sind, benutzen. Pferde und Rinder stellt man in den Hänge-
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Brüche des Fesselbeins.
gurt oder in eine Staudmasdiiue, und ausserdem kann mau ihnen uacL t. Tenneker und Binz, (a. a. 0. Seite 26, Taf. I. II. u. III., Fig. 2.) auch die Stelzmascliine anlegen. Dieselbe ist dem bei Menschen ge­bräuchlichen Stelzfuss ganz ähnlich, in angemessener Grosse aus leich­tem Holz verfertiget, und am obern Ende an der äussern Fläche mit einer blattähnlichen Verlängerung versehen, welche an das Schulterblatt zu liegen kommt. Wegen dieses Theiles muss man für jeden Vorder-fuss eine besondere Maschine haben. Bei dem Aulegen der Maschine wird der Vorarm senkrecht, mit gebogenem Knie, und das Schienbein nebst Fessel und Huf horizontal in die Maschine gelegt und letztere mittelst 8 Kiemen an den Körper und den Fuss befestiget (ein vorderer und ein hinterer Rückenriemen nebst Rückenkissen, 2 Riemen um den Vorarm, 1 desgleichen um das Knie, 2 desgleichen um das Schienbein und ein sogenannter Auswärtsliülleriemeu).
Wenn ein Griffelbein gebrochen ist, aber dabei keine Verschiebung besteht, ist das Umwinden der Stelle mit eiuer Compresse und Binde, ausserdem kühlende Behandlung und Ruhe durch 14 Tage bis 3 Wo­chen genügend. Bei bestehender Verschiebung sucht man vorher durch entsprechendes Drücken mit den Fingern die Bruchstücke in ihre Lage zu bringen und legt, dann zu beiden Seilen des Grillelbeins unter die Binde eine schmale Schiene an. Dringen Splitter durch die Haut, so entfernt man sie, nölhigenfails mittelst Erweiterung der Wunde, und behandelt dann bloss die letztere.
Bei den kleinen Thieren legt man zwei etwas breite Schienen, welche alle Schienbeine bedecken, eine an die vordere und eine an die hintere Fläche und verbindet und verfährt übrigens nach allgemeinen Regeln.
Siebenzehntes Capilel.
Die Brüche des Fesselbeins.
Sie kommen bei Pferden unter sämmtlichen Knochenbrüchen fast am häufigsten vor und zwar sowohl an den vorderen, wie auch au den hinteren Gliedmassen. Zuweilen bricht der Knochen einfach quer durch, häufig aber auch schief oder splitterig und zuweilen sind Län­genbrüche zugegen; die letzteren sind bald vollständig, bald auch nur unvollständig oder Risse, und sie erstrecken sich bald senkrecht durch beide Gelenkenden, oder zuweilen auch mit ihrem einen Ende schräge nach aussen.
Die Erkennung der vollständigen Brüche ist leicht, wenn noch keine bedeutende Geschwulst eingetreten ist, im letzteren Falle aber und bei den unvollständigen Brüchen ist die Erkennung schwierig. Mau sieht bei jenen den Fuss in unregelmässiger Stellung mit dem Fessel
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Brüche des Fesselbcins. Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4S5
und Hufe, und zwar treten manche Pferde zu stark im Fessel durch und die vordere Fläche desselben bildet dann einen gewölbten Buckel;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 'gt;
in anderen Fällen aber stehen die Thiere ganz senkrecht auf dem Hufe und sie treten dabei doch nur mit der Zehe oder mit einem Seitenrandenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;ii
fest auf; der Fessel ist mehr oder weniger dicker und bei den schiefen Brüchen auch kürzer, während bei den Quer- und Längenbrüchen in der Kegel keine quot;Verkürzung zu bemerken ist. Man fühlt die Unebenhei-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;; j
ten von der Verschiebung der Knochen, eben so in den meisten Fällen
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die getrennten Stellen oder die Bruchränder, und man fühlt und sieht eben so auch die krankhafte Beweglichkeit und die Crepitation, wenn man den aufgehobenen Fnss mit der Hand bewegt. Zuweilen nimmt auch der Fuss von der gebrochenen Stelle aus eine schiefe und hän­gende Richtung, wenn man ihn bei horizontal gehaltenem Schienbeine mit seinem Ende frei lässt. Bei dem Gehen lahmen die Pferde, je nach der Art des Bruchs, bald sehr stark, bald nur unbedeutend; ersteres ist der Fall bei schiefen und Splitterbrücben, letzteres bei Längen- und bei Spaltbrüchen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;t-i
Die Beurlheilung ist nach der Verschiedenheit der Brüche und nach den bei der Prognosis der Knochenbrüche überhaupt angedeuteten Ver­schiedenheiten in den einzelnen Fällen wohl verschiedeu, im Allgemeinen aber eben so günstig, wie bei den Brüchen des Schienbeins; denn Quer- und Längenbrüche an dem Fesselbeine werden fast in allen Fällen geheilt, und zwar so, dass die meisen Thiere wieder zum Dienst völlig hergestellt weiden. Zuweilen bleibt jedoch Verdickung des Fes­seis, durch wuchernden Callus oder durch Auflockerung der Beinhautnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;f bedingt, zurück, und in Folge dessen, oder weil die Sehnen durch die Entzündung in verschiedener Weise mitgelitten haben, bleibt zuweilen eine Lahmheit nach der Heilung des Bruchs bemerkbar. — Bei Brü­chen in der Nähe der Gelenke, bei Längen- und Splitterbrüchen ent­steht oft Verwachsung des obern Endes des Fesselbeins mit dem Schienbein oder noch mehr des untern Endes mit dem Kronenbein, und die Thiere bleiben in Folge dessen steif (Knochenslelzfuss). Unter denselben Umständen entstehen auch oft Knochenauswüchse oder die sogenannte Schale, wodurch ebenfalls eine dauernde Lahmheit erzeugt wird. Zerschmetterungsbrüche und solche Brüche des Fesselbeins, welche mit Zerreissung der Sehnen verbunden sind, heilen aber eben so schwer wie au anderen Knochen, und die Thiere bleiben dabei meh-renthcils Krüppel.
Die Behandlung ist ganz nach den bei der Behandlung der Kno­chenbrüche im Allgemeinen angegebenen Regeln auszuführen. Nach geschehener Wiedereinrichtung kann mau hier eben so gut den Schie­nen- wie den Kleisterverband, oder das Eingypsen anwenden. Die Schienen können entweder kurze, d. h. nur der Länge des Fesseis entsprechende Holzschienen, oder Kapseln von Sohlenleder, oder von Gutta percha sein, oder man benutzt auch eiserne Schienen, welche nach unten über die Krone und die vordere Wand des Hufes, nach oben bis zur Hälfte des Schienbeins reichen und eben so an der hin­tern Seite des Fusses. Diese letzteren Schienen müssen genau nach der Richtung des Fesseis am gesunden Fusse und nach den Formen der Kroue, der Hufwand uud nach oben des Fesselgelenks und des
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Brüche des Kronenbeins.
Schienbeins gebildet sein. Nach angelegtem Verbande kann man auf denselben nocii die mit einem Hufeisen in Verbindung stehenden eiser­nen Schienen legen und dieselben vermittelst Kiemen festschnallen. Damit die Thicre nicht zu fest auf den Fuss auftreten, kann man an der Stelle des Fussbodeus, welche dem kranken Fuss im Stande des Stalles entspricht, den Fussbodeu etwa ^ Fuss tief ausgraben und dann die Stelle mit lockerem Stroh ausfüllen. Wie bei anderen Brüchen an den Extremitäten, so ist es auch hier nothwendig, die Thiere in den Hängegurt zu stellen und sie für die Dauer der Heilung stehend zu er­halten. Bei nicht complizirten Brüchen kann man nach etwa 14 Tagen den ersten Verband abnehmen und ihn durch einen etwas lockeren ersetzen. Bei complizirten Brüchen empfiehlt Binz die Anwendung der Stelzmaschinc als der regeimässigeu Heilung sehr förderlich; übri­gens muss mau sich bei denselben, wie in anderen Fällen, hierbei nach den eintretenden Zufällen richten. Nach erfolgter Heilung lässt man die Thiere zuerst auf weichem Boden im Schritt führen und benutzt sie allmälig wieder zu leichter Arbeit.
Anmerkung. In einzelnen, aber sehr seltenen Fällen brechen oder (richtiger) reissen bei Pferden auch die über der hinteren Fläche des Fesselgelcnks liegenden Gleichbeine oder Sesambeiue in Folge hef­tiger Anstrengungen und Prellungen quer durch. Es wird dann das obere Stück durch den Fesselbeinbcuger nach oben, das unlere Stück durch das untere Band dieser Knochen nach unten gezogen, so dass man eine Lücke zwischen beiden fühlt; die Thiere treten im Fessclge-lenk zu stark durch und lahmen sehr, besonders wenn erst die Ent­zündung eingetreten ist. Die Prognosis ist schlecht, weil die Bruch­stücke durch kein Mittel genügend zusammenzuhalten sind. Soll viel­leicht bei einem wert In ollen Thiere ein Heil versuch gemacht werden, so müsste der Fesselbeinbeuger subeutan durchschuiltcu, dann das untere Ende mit seinem Knochenstück bei stark gebogenem Knie zum Fesselgelenk hingedrängt, über das Knochenstück auf die Sehnen eine Compressc gelegt, mit einer Zirkelbindc eingewickelt, das Tbier in eine Stelzmaschine gestellt und mit dem Uängegurt unterstützt werden. Dabei ist eine antiphlogistische Behandlung anzuwenden.
Achtzehntes Capitel.
Brüche des Kronenbeins.
Die Brüche dieses sehr kurzen Knochens kommen bei Pferden nicht ganz selten vor. Sie entstehen bei verschiedenen Gelegenheiten, wenn die Thiere den Fuss plötzlich sehr heftig anstrengen, voraüglich bei starken Prellungen und bei Fehltritten auf hartem, unebenem Boden,
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Brüche des Kronenbeins.
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und besonders, wenu die Thiere in gefrorene Wagengeleise, in Löcher, zwischen Steine u. s. w. treten und dabei eine drehende Bewegung mit dein Fuss machen. Gewöhnlich bricht das Kronenbein in senk­rechter Richtung in mehrere Stücke l). In manchen Fällen ist nur der Rand bald mehr, bald weniger abgebrochen, oder es ist auch bloss eine einfache Spalte entstanden. ZuweUen ist an einem und demselben Thiere dieser Knochen an mehreren Fassen zugleich gebrochen 2) und oft sind Brüche des Huf- und Strahlbeins, Zerreissung der Beuge­sehne u. s. w. zugegen 3).
Diagnosis. Man wird auf das Vorhandensein dieser Brüche gelei­tet, wenn ein Pferd nach den angedeuteten Ursachen plötzlich lahm geht, man aber am Fessel und in den Theilen über ihm keinen hierauf bezüglichen Grund, und im Hufe wenig oder gar keinen Schmerz, da­gegen aber an der Krone, wenn mau den kranken Fuss, um ihn gerade auszustrecken, etwas vorwärts zieht und dann mit den Fingern einen massigen Druck auf sie anbringt, eine ungleiche Nachgiebigkeit, etwas Verschiebung der Bruchstücke und zuweilen selbst etwas reibendes Geräusch -wahrnimmt. Diese Erscheinungen pflegen um so stärker hervorzutreten, wenn die Beugesehne des Hufes mit zerrissen ist. Die Geschwulst an der Bruchstelle ist hier fast immer sehr gering, der Schmerz aber gewöhnlich in der ersten Zeit sehr bedeutend. Hiernach ist auch das Lahmgehen verschieden; bei einfachen Brüchen und in der späteren Zeit hinken die Thiere meistens sehr wenig*); bei fri­schen Brüchen und wo der Knochen in viele Stücke zerbrochen ist, ist aber gewöhnlich das Hinken sehr bedeutend. Die Pferde treten dabei selten auf die Zehe, sondern häufiger, um den Schmerz zu ver­ringern, auf die Ballen. Eine spezielle Diagnosis darüber, wie der Bruch eigentlich beschaffen ist? — lässt sich in der Regel nicht machen; überhaupt ist die Erkennung trotz einzelner von den angegebenen Sym­ptomen oft sehr schwierig und unsicher. Blosse Spalten verursachen nur die Symptome der anfangenden Schale und werden daher gewölin-lich erst bei anatomischer Untersuchung erkannt.
Beurtheilung. Die Heilung ist bei diesen Brüchen nur zu hoffen, wenn sie einfach und wenn die Thiere recht ruhig und noch jung sind;
#9632;) Grognier fand bei einem 7jährigen Pferde am rechten Fusa das Kro­nenbein in 2 Stücke gebrochen. Die innere Fläche beider Stücke war ganz glatt, der Bruch also, ohne Zweifel, ziemlich alt; das Pferd hinkte übrigens nur wenig; Hen on fand es einmal in 7 Stücke gebrochen (Correspond, vétér. vol. II. pag. 99); Sehr ader sah es in 6 Stücke getheilt (Magaz. Bd. III. S. 102) und Lafosse (Observations et Découverles faites sur les Chevaux etc. Paris 1754; — deutsch in Schrebers Sammlung verschiedener Schritten etc. Bd. IV. S. 248) fand aussei- vielen anderen auch ein Beispiel, wo das Kronen­bein in 20 Stücke gebrochen war.
*) Henon sah das Kronenbein aller 4 Füsse eines Pferdes gebrochen; dasjenige, welches am wenigsten gelitten hatte, war doch in 4 Stücke zer­trümmert.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.
raquo;) Lafosse wollte glauben, dass in allen den Fällen, wo das Kronenbein in mehrere Stücke gebrochen sei, auch die Beugesehne des Hufbeins zerrissen wäre.
*) Siehe Yiborg, Sammlungen, Bändchen IV. Seite 239.
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Brüche des Huf- und Strahlbeins etc.
ist der Bruch mehrfach, ist er mit Brüchen des Strahl- und Hufbcius, mit Zerreissung der Seimen u. s. w. complizirt, ist das Thier alt oder sehr unruhig, so erfolgt sie höchst selten und dann immer nur sehr unvollkommen. Gewöhnlich entstehen stark wuchernde Aussclmitzun-gen von Knochenmaterie und dadurch Verwachsung mit dem Fessel-, Huf- und Sfrahlbein, völlige Steifheit und oft Unförmlichkcit des Fusses. Solche geheilte Pferde sind dann gewöhnlich nicht mehr zum Keitdienste, sondern nur im Acker und zur Zucht zu gebrauchen. Zuweilen glätten sich die Bruchflächen ab; sie heilen dann nie zusammen, aber die Thiere gehen allmälig besser.
Die thierärztliche Behandlung kann zum grössten Theilc nur auf die Minderung der zuweilen heftigen Entzündung und Geschwulst ge­richtet sein, was durch kalte Begiessungcn, oder Fussbäder von ge­wöhnlichem Wasser oder Blciwasser, oder sjiäler durch Waschungen mit Oxykrat, Branntwein, Kamphergeist u. s. w. erzweckt wird. Die. Knocheuenden weichen zwar sehr wenig von einander, doch aber kann man, theils um sie noch mehr zu nähern, thcils um das Ausarten des Callus zu mindern, um die Krone und den Fessel eine einfache Binde und darüber Schienen mit Nutzen anlegen. Dabei muss das Thier strenge Ruhe haben, und am besten in einen llängegurt gestellt weiden. Soll­ten Splitter anhaltende Schmerzen veranlassen, oder sollte Eiter entste­hen, so entferne man beide durch frühe Einschnitte. Die Heilung kann in glücklichen Fällen in Zeit von 6 Wochen erfolgen; das Thier muss dann vorsichtig wieder an die Arbeit und Bewegung gewöhnt werden.
Die beiden Kroncnbeinc der Wiederkäuer, die 2 wahren und 2 falschen bei Schweinen und die 4 bei Hunden und Katzen zerbre­chen höchst seilen und dann fast niemals aus den Ursachen und auf dieselbe Weise, -wie bei Pferden, sondern sie werden meist zerquetscht und sind als sehr üble, mit heftiger Quetschung verbundene Gelenk-wunden anzusehen und zu behandeln.
Neunzehntes Capitel.
Brüche des lluf- und Strahlbcins bei Pferden und Rinderu und des Zchengliedes bei Hunden.
Obgleich das Hufbein bei Pferden mit einer starken Hornkapscl um­geben und durch dieselbe gegen äusscre Einflüsse sehr geschützt ist, so zerbricht dasselbe dennoch zuweilen, wie das Kronenbein, in 2 und mehrere Stücke. Der Bruch entsteht bald um die Mitte des Knochens, bald an den Aesten, und im letzteren Falle ist er zuweilen splitterig.
Die Gelegenheitsursachen, bei welchen dies geschieht, sind unter anderem heftige Anstrengungen, Fehltritte auf unebenem Boden, starke
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Brüche des Huf- und Strahlbeins etc.
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Prellungen auf hartem Boden, beim Springen u. s. vv. und besonders dann, wenn die Sohle sehr dünn ausgeschnitten und noch dazu mit Hufeisen, welche sehr hohe Stollen und Grille haben, beschlagen ist. Da diese Zurichtung des Hufes am meisten bei Laslfuhrmannspforden üblich ist, so hat nian|die Brüche des Hnfbcins bei diesen bisher auch am häufigsten bemerkt. Sie sind zuweilen mit Brüchen des Kronen­beins, Slrahlbeins und mit Zerreissung der Beugeseime des Hufbeins verbunden.
Die Zeichen des gebrocheneu Hufbeins sind wegen der verborge­nen Lage desselben sehr undeutlich. Das Thier lahmt sehr und tritt auf den leidenden Fuss nur wenig, etwas mit der Zehe oder auch gar nicht auf, aber der Schmerz bei der Untersuchung des Hufes selbst iindet sich nicht in einem, der heftigen Lahmheit entsprechend hohen Grade, obgleich er an der Bruchstelle allerdings bemerkbar ist und in manchen Fällen auch in grösserem Umfange hervortritt; zuweilen wird man bei der Bewegung des Fusses, oder beim Druck auf die Krone, oder bei dem Zusammendrücken des Hufes von beiden Seiten her mit den Händen oder mit der Zange ein schwaches, reibendes Ge­räusch wahrnehmen können; dasselbe wird zuweilen auch stattfinden, wenn der Druck auf die vorher ganz dünn ausgewirkte Sohle an ver­schiedenen Stellen angebracht wird. Gewöhnlich, jedoch nicht, immer, findet sich auch etwas stärkeres Pulsiren der Fesselarteriea und bei starker Entzündung auch etwas Auftreibung der Krone hinzu. Die letztere Erscheinung tritt aber oft sehr spät ein. Bei diesen, nur im Ganzen etwas charakteristischen Merkmalen müssen hier auch die Art des Entstehens der Lahmheit, die fehlenden Kennzeichen der verschie­denen' andefen Krankheitszustände, welche mit Lahmgehen verbunden sind, und besonders derer, die ihren Sitz im Hufe haben, verglichen und die Dauer der Zufälle berücksichtiget werden. In manchen Fällen ging ein Thier mehrere Monate mit dem gebrochenen Hufbein fort­dauernd gleichmässig, aber nicht sehr stark hinkend. — Bei Brüchen an den Aesten des Hufbeins sind die Symptome oft ganz so, wie bei verborgenen heftigen Steingallen. Bei hinzutretender Eiterung bildet sich zuweilen ein Abscess an der Krone.
Die Vorhersagung ist bei den einfachen Brüchen des Hufbeins wegen der festen Lage desselben und wegen der dabei nur geringen Abweichung der Bruchenden etwas günstiger, als bei den Brüchen des Kronen- und Strahlbeins; die Heilung kann in glücklichen Fällen in 6 — 8 Wochen erfolgen. Bei den zusammengesetzten Brüchen aber ist sie eben so schlecht, wie bei den-Brüchen des Kronenbeins. Es erfolgt bei den schlimmeren Brüchen häufig Entzündung des ganzen Hufes, Blut- und Eiterergiessung innerhalb des Hufes, zuweilen Wucherung der Knochenmaterie, Verwachsung mit dem Strahl- und Kronenbein, Missbildung des Fusses und bleibende Steifheit desselben. Je früher das Thier zweckmässig behandelt wird, um desto mehr kann man durch Verhütung oder Verminderung der Entzündung üblen Zufällen entge­genwirken und somit die Heilung befördern. — Die Lahmheit bei und nach den Brüchen des Hufbeins verliert sich zuweilen erst nach 8 bis 10 Monaten.
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490nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Brüche des Huf- und Strahlbeins etc. Behandlung.
Die Behandlung ist der bei den Brüchen des Kroneubeins angege­benen ähnlich. Ruhe des ganzen Thieres, und besonders des leidenden Theils, ist vor allem andern nöthig. Ist das Hufeisen noch nicht bei der Untersuchung abgenommen worden, so muss dies so vorsichtig und so milde als möglich bei der Behandlung geschehen. Eine Bandage nutzt hier nichts. Lafosse nahm bei diesen Brüchen die Hornsohle ganz weg, um den Druck von unten zu verringern, und andere fran­zösische Thierärzte haben, um die Schmerzen zu mindern, angerathen, tiefe Rinnen zwischen die Wand und Sohle zu schneiden, oder die Hornvvand senkrecht zu spalten, oder sie rund herum zu verdiinnen, oder auch sie an mehreren Stellen zu Irepaniren; dies Alles ist aber weder nöthig, noch nützlich. — Die Entzündung wird durch andauernde Anwendung während 14 Tagen von recht kaltem Wasser, als Begiessung oder Fassbad, gemindert, und wirkliche Ergiessungen entleert man durch hinreichend grosse Einschnitte, welche in die weisse Linie gemacht . werden. In der späteren Zeit kann man auch zur Stärkung des lei­denden Fusses Fussbäder und Einreibungen über dem Hufe von aroma­lisch-stärkenden Mitteln und von Lauge anwenden und muss das Thier in der ersten Zeit nach der Heilung nur vorsichtig auf weichem, ebenem Wege und ohne Hufeisen ans Gehen gewöhnen.
Die beiden Hufbeine der Wiederkäuer und die Knochen der Klauen­glieder bei Schweinen, Hunden und Katzen können nicht zerbrechen, sondern nur zerquetscht und zermalmt werden. Diese Zufälle sind selten auf diese Knochen allein beschränkt, sondern betreffen auch die darüber liegenden Gelenke; sie sind immer sehr schmerzhaft, langwierig und mit Gefahr verbunden. — Die Behandlung muss, wie bei ge­quetschten Gelenkwunden, im Anfange aber immer ganz antiphlogi-stisch sein.
Bei schiefem Auttreten, bei plötzlichem Aufspringen und bei meh­reren anderen Gelegenheiten kann das Slrahlbcin bei Pferden ebenfalls zerbrechen, indem die Beugesehne des Hufbeins zu heftig und prellend auf dasselbe wirkt. Dieses Bein bricht gewöhnlich in 2, oft aber auch in mehrere Stücke, und oft ist der Bruch mit Brüchen des Kronen­beins, Hufbeins und mit Zerreissung von Sehnen und Bändern ver­bunden.
Die Erkennung des Strahlbeiubruches ist sehr schwer, weil das Strahlbein zu tief uuter anderen Theilen liegt, und weil man bis jetzt, ausser heftigem Lahmgehen, Schmerzen am ganzen Hufe und besonders an den Ballen, Anschwellung der Beugesehne und dergleichen keine andere eigenthümliche Zeichen bemerken konnte. — Die Vorhersagune ist ungünstig, weil die Heilung (nach Lafosse's Erfahrung1) sehr schwer und selten gelingt.
Die Behandlung kann im Allgemeinen eben so, wie bei den Huf-beinsbrüchen angegeben worden ist, eingeleitet werden.
l) Observations et Découvertes faites sur les chevaux etc., die 17te Beobachtung.
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Brüche des Backenbeins.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;491
Zwanzigstes Capitel.
Brüche des Backenbeius.
Trotz der bedeutenden Dicke dieses Knochens bricht derselbe deu-noch niclit ganz selten, und zwar bald am Körper an verschiedenen Stelleu quer oder schief, bald am Halse, am grossen, niitllern oder kleinen Umdreher oder auch am untern Ende; an dem letztern erfolgt zuweilen die Trennung in schräger Richtung durch das Gelcnkende. Der Bruch ist entweder einfach, oder ein Splitteruogsbruch. (Greve fand bei einer Kuh nach einem Falle den Knochen in 85 grössere und kleinere Stücke zerbrochen.)
Die Veranlassungen zu diesen Brüchen sind Schläge und Stösse mit dicken Kuitteln, mit Hämmern und anderen harten Werkzeugen, oder auch das Niederstürzen auf unebenen und harten Boden, heftige Anstrengungen und Ausschlagen u. dgl.
Die Diagnosis ist wegen dea dicken Muskeln, mit welchen der Knochen bedeckt ist, oft sehr schwierig und unsicher, besonders bei Pferden.
Man erkennt den Bruch am Halse des Knochen daran, dass die au den grossen Umdreher sich ansetzenden Muskeln über dem Gelenk stark contrahirt sind und der Fuss dadurch mehr in die Höhe gezogen ist, so dass er kaum noch mit der Zehe die Erde berührt; dabei kön­nen die Thiere nicht fest auf den Fuss treten und derselbe hängt mehr lose am Backen, so dass er nach allen Seiten freier bewegt werden kann, als im normalen Zustande; bei diesen Bewegungen zeigen die Thiere Schmerz an der Bruchstelle und man fühlt und hört daselbst das reibende Geräusch der Bruchflächen. — Ist der grosse Umdreher abgebrochen, so findet man denselben mehr in die Höhe gezogen, der Schenkel hat aber seine natürliche Länge und die Thiere können auch fest auf dem­selben stehen, aber die drehenden Bewegungen nach aussen können sie nicht machen und beim Gehen lahmen sie mit schleppender Bewegung des Fusses; reibendes Geräusch ist nicht wahrzunehmen. — Bei Brü­chen am Körper des Knochens entsteht stets Verschiebung an der Bruchstelle, in Folge dessen das untere Ende des Knochens und mit ihm die Kniescheibe ein wenig mehr in die Höhe gezogen werden; der Fuss ist verkürzt uud wird ein wenig mehr als der andere nach vorn gehalten; beim Gehen lahmen die Thiere stark und schonen den Fuss, sowohl bei dem Aufheben, wie bei dem Niedersetzen; ergreift man den Unterschenkel und bewegt ihn in verschiedenen Richtungen, so kann man ihn mit Leichtigkeit nach ein- und auswärts biegen, und es ent­steht Schmerz und Crepitation; auch kann man zuweilen, besonders an der innern Seite, die Verschiebung der Bruchenden und die abnorme Beweglichkeit an der Bruchstelle deutlich wahrnehmen. — Brüche am untern Ende des Knochens und in schräger Richtung nach dem Ge­lenk gehend sind am schwersten zu erkennen, weil hier die wenigste
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Brüche des Backenbeins.
Abweichung der Bruchenden entsteht und man desshalb den Bruch selbst nicht deutlich wahrnehmen kann: die Thiere schonen selbst beim Stillstehen den Fuss bedeutend und manche halten ihn beständig in die Höhe; beim Gehen lahmen sie sehr stark, ja manche Pferde treten fast gar nicht auf den leidenden Fuss; an der Bruchstelle ist, wenn man den Schenkel mit der Hand in verschiedenen Richtungen bewegt, zu­weilen Crepitation zu bemerken und es findet sich immer daselbst eine bedeutende Anschwellung ein, die sich gewöhnlich über den grössten Theil des Unterschenkels verbreitet.
Die Prognosis ist fast immer ganz schlecht, da die Heilung nur in seltenen Ausnahmen gelingt und da man nur wenig zur Beförderung derselben beitragen kann; denn die dicken Muskeln und die Form dieses Thcils der Gliedmasse hindern die Anlegung und die genügende Wir­kung eines jeden Verbandes. Nur bei Querbrüchen am Körper des Knochens und nur bei ganz ruhigen und fügsamen Thieren ist daher noch einige Hollnung zur Heilung; doch lässt sich in keinem Falle ver­sprechen, wie dieselbe ausfallen werde; in einzelnen Fallen ist sie gut gelungen, so dass die Thiere wieder arbeitsfähig wurden, in anderen bil­dete sich ein künstliches Gelenk, oder der Callus wurde wuchernd und in Folge dessen blieben die Thiere lahm, oder der Bruch heilte mit Ver­schiebung und der Schenkel blieb verkürzt.
Die Behandlung. Die vollständige Wiedereinrichtung ist bei allen diesen Brüchen kaum zu bewirken, weil die dicken Muskelschichten der Ausdehnung und Gegenausdehnung ausserordentliche Hindernisse entge­genstellen , doch kann man dieselbe bis zu einem gewissen Grade versu­chen, indem man durch Gehülfen1) und mittelst des Ilängegurtes, welcher recht straff an den Leib des Thieres gelegt wird, den Fuss im stehenden Zustande in die Höhe hält und dann durch einen Gehülfen den Unter­schenkel in der Nähe der Kniescheibe umfassen und in schräger Rich­tung nach unten und vorn ziehen lässt. Während dies geschieht, drückt man mit beiden Händen die Bruchstücke in ihre normale Bagc zurück und legt darauf eine gut gepolsterte Schiene, welche mit einem Quer­stück am obern Ende versehen ist, an die innere Seite des Oberschen­kels, so dass die beiden Enden des Querstücks das eine nach vorn und das andere nach hinten gerichtet stehen. Die Schiene wird an ihrem untern Ende durch Bänder oder Binden an das obere Ende des Unter­sehenkels befestiget; an jedes Ende des Querstücks befestiget man einen Strick, bindet dann die beiden äussereu Enden des Stricks zusammen und hängt ihn an einen in die Wand über dem Kreuz des Pferdes fest eingeschlagenen Haken. Hierdurch wird das Oberschenkelbein gleich­sam getragen, beständig ein wenig nach aussen und oben gedrückt und ziemlich gleichmässig in einer guten Lage erhalten. Die Heilung kann dabei in circa 5 Wochen erfolgen. Während dieser Zeit müssen die
') In einigen Fällen der Art Hess ich einen Gehülfen mit seinem Rücken gegen das Ilinterlheil des Pferdes stellen, den Schweif desselben über seine Schulter nehmen, mit beiden Händen recht festhalten und, indem der Gehülfe sich hierauf vollständig in die Höhe richtete, das Thier mit dem Hintertheil ein wenig in die Höhe heben und es so während der Einrichtung halten.
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Brüclie der Kniescheibe.
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Thiere anhaltend stehen. Oerllichc hel'lige Eulzüudung.szufalle werden durch kühlende Mittel beseitiget.
Ein und zwanzigstes Capitei.
Bruch der Kniescheibe.
Bei Pferden wird die Kniescheibe zuweilen durch Hulschlägc mit scharf beschlagenen Hufen zerschmettert1). Der Bruch ist selten einfach, sondern splitterig und immer mit heftiger Quetschung des Knochens und des Kniegelenkes complizirt.
Die Erscheinungen sind in der Regel sehr auffallend; die Thiere lahmen stark und besonders, wenn erst die Entzündung eingetreten ist, wo dann die Schmerzen gerade in diesem Gelenk ausserordentlich heftig werden, so dass die Thiere das Fuller versagen und selbst ein heftiges Reizfieber bekommen. Beim ruhigen Stehen berühren die Thiere nur mit der Zehe den Boden, beim Gehen schleppen sie den Fuss auf dem lelztern. An der Kniescheibe selbst findet man bald mehr bald weniger Geschwulst, zuweilen eine offene Wunde und immer die Knochenslücke auseinandergezogen, namentlich nach oben, wohin sie durch die Streck­muskeln gezogen werden; zuweilen kann man die Stücke auch mit den Fingern etwas verschieben.
Die Bcurtheilung ist ungünstig oder wenigstens sehr zweifelhaft; denn man kann zur Wiedervereinigung der Bruchstücke durch Kunst­hülfe nichts thun und die Verwachsung der getrennten Stücke erfolgt nur unter günstigen Umständen durch eine fibröse Masse, durch welche aber der Knochen seine frühere Festigkeit nicht wieder erlangt und da­her auch die Bewegung mehrentlieils sehr gestört bleibt. Doch sind mir einzelne Fälle bekannt, in denen die Thiere zu einem massigen Dienst wieder brauchbar wurden. In den Fällen, wo eine heftige Ge­lenkentzündung entsteht und wo zugleich Wunden in das Gelenk ein­dringen , gehen die Thiere gewöhnlich in Folge des heftigen Reizfiebers zu Grunde.
Die Behandlung ist nur auf ruliiges Stehen des Thieres in einem Hängcgurt und in der Beseitigung der Entzündungszulalle nach den bei den Knochenentzündungen angegebenen Vorschrillen beschränkt.
') Nach Schroder's Mittheilung snh Wolstein, dass die Kniescheibe bei einem Pferde, welches einer Operation wegen niedergeworfen war und sich heftig zusammennahm, mit einem lauten Knalle zersprang. (Busch, ïeutsche Zeitschr. f. d. gesammte ïhierheilk. Bd. 3, Heft 3, S. 40).
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Brüche des Unterschenkelbeins.
Zwei und zwanzigstes Capitel.
Brüche des Unterschenkelbeins.
Das Unterschenkelbeia bricht bei allen Hausthieren ziemlich häufig und zwar bald in der Mitte, bald an einem Ende, quer, schief oder auch zum Thcil in der Längenrichlung. Eine Eigcnthümlichkeit dieses Knochens ist, dass gerade an ihm unvollständige Brüche häuGgcr als an allen anderen Knochen der Gliedmasscu vorkommen.
Die Kennzeichen eines vollständigen Bruchs sind hier in der Regel sehr oiFenbar; besteht keine Verschiebung, so sieht man doch, dass die Thiere stark lahm gehen, den Fuss schleppen oder ihn bei stark gebo: genem Knie schlaff und schlotternd herunterhängen lassen; das Zurück­treten mit dem gebrochenen Fuss wird ihnen fast ganz unmöglich und bei der örtlichen Untersuchung findet man, wenu das Glied am Sprung­gelenk ergriffen und in verschiedenen Richtungen bewegt wird, die abnorme Beweglichkeit an der Bruchstelle und aufiallend reibendes Geräusch. Bei schiefen Brüchen ist immer starke Verschiebung der Bruchenden, hierdurch Verdickung der Brucbstclle und Verkürzung der Gliedmassen wahrzunehmen.
Die unvollständigen Brüche sind als solche gar nicht mit Sicher­heit zu erkennen; man kann ihr Bestehen aber vennuthen oder befürch­ten, wenn nach einer den Unterschenkel, besonders an seiner innern Fläche, betrofleneu groben Gewaltlbätigkeit, z. B. einem Hufschlage u. dgl. die Thiere an der verletzten Stelle wenig äusserliche Spuren der Verletzung, dabei aber Lahmheit und beim Druck gegen den Kno­chen Schmerz zeigen. Bei diesen geringen Zufällen gehen die Thiere gewöhnlich noch mehrere Meilen weit, ja zuweilen noch ein Paar Tage, und erst dann, wenn sie sich niederlegen und wieder aufstehen wollen, bricht der Knochen an der verletzten Stelle vollständig durch und es treten dann plötzlich die im Vorstehenden angegebeaen Symptome eines vollständigen Unterschenkelbeinbruchs ein.
Die Beurlheilung ist je nach dem Orte des Bruches und nach seiner Beschaffenheit sehr verschieden; Querbrüche um die Mitte und am un­tern Ende des Knochens heilen gewöhnlich in Zeit von 6—8 Wochen ziemlich gut, dagegen alle Brüche in der Nähe des Kniegelenks schwer und unvollständig heilen, so dass die Thiere in der Regel dauernd lahm bleiben, ja zuweilen wie bei den Brüchen der Kniescheibe zu Grunde gehen; auch schiefe Brüche und Splitterbrüche sind im Allgemeinen als ungünstig zu beurtheilen, besonders in der Nähe der Gelenke. Selbst nach gutgeheiltcm Bruch lahmen die Thiere noch während langer Zeit.
Die Behandlung. Grosse Thiere werden zuerst am besten in den Hängegurt oder in eine Standmaschine gestellt. Die Einrichtung macht man durch Ausdehnung vermittelst Handtücher, welche man um das untere Ende des Unterschenkels, unmittelbar über dem Sprungegelenk fest angebunden hat (Binz lässt einen breiten Riemen mit Handhaben
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Brüche der Knochen des Sprunggelenks,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 495
anschnallen), indem man das Glied in seiner natürlichen Richtung nach unten und hinten zieht. Die Gegenausdehnung macht das Thier genü­gend von selbst; doch kann man um das Dickbein ebenfalls ein Hand­tuch schlingen und hiermit in der Richtung nach vorn und oben eine Gegenwirkung durch einen starken Mann ausüben lassen. Eie Einrich­tung wird dann nach aligemeiueu Regeln gemacht und der Verband mittelst Schienen, welche an der vordem und au den beiden Seiten­flächen des Unterschenkels augelegt werden, so wie durch Binden u. s. w. in gewöhnlicher Weise bewirkt. Der Klcisterverband oder zwei Hohlschienen von starkem Eisenblech verdienen jedoch den Vor­zug vor den gewöhnlichen plallcn Schienen. Die eintretenden Entzün­dungszufälle werden nach allgemeinen Regeln beseitiget.
Drei und zwanzigstes Capitel.
Brüche der Knochen des Sprunggelenks.
Diese Brüche erfolgen nur selten. In einzelnen Fällen hat man in Folge von Hufschlägen das Fersenbein, namentlich dessen Höcker, quer abgebrochen oder gesplittert gesehen. An dem Kollbein bricht zu­weilen der eine oder der andere hervorstehende Rand der Rolle ab, wenn Pferde mit auf dem Boden feststehenden Hinterbeinen eine plötz­liche Wendung des Hintertheils ausführen. Die übrigen Knochen kön­nen in Folge von Hufschlägen oder auch durch das Ueberfahren von Wagen zermalmt werden.
Die Erkennung dieser verschiedenen Brüche ist je nach dem Orte und der Art derselben bald sehr leicht, bald mehr schwierig; ersteres ist der Fall bei den Brüchen des Sprungbeinhöckers, bei welchem das abgebrochene Knochenstück durch die Achillessehne stark nach oben gezogen wird, und in Folge dessen die hintere Seite des Sprunggelen­kes verändert, die Achillessehne erschlafft und zwischen dein abgebro­chenen Stück und dem Sprunggelenk eine Lücke erzeugt wird; der Fuss ist im Sprunggelenk stark gebogen und nach vorn gehalten und die Thiere sind nicht vermögend auf den Fuss fest aufzutreten. — Bei den Brüchen am Rollbein entsteht plötzlich eine Anschwellung des Sprunggelenks an beiden Seiten, dieselbe ist fluktuirend, wie bei den Sprunggelenksgallen, dabei aber bei gelindem Druck sehr schmerzhaft, die Thiere lahmen sehr und wenn man beide Hände um das Sprung­gelenk legt und den untern Theil des Fusses drehend bewegen lässt, fühlt man das reibende Geräusch. — Aehnliche Erscheinungen, jedoch weniger deutlich, findet man auch bei den Brüchen der übrigen Sprung­gelenksknochen.
Die Prognosis ist ganz schlecht, da die Kunst gegen diese Brüche nichts thun kann, die Natur aber sie entweder gar nicht oder auch
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Anhang. Hornspalten.
nur mit zurückbleibender Vcrkriippelung heilt. Bei dem Abbrechen des Fersenbeinhöckers bleibt daselbst für immer eine Lücke und der Fuss verkrümmt und ohne Kraft; und bei den Brüchen der übrigen Knochen entsteht Wucherung des Callus (Spatt), zuweilen enorme Auftreibung des Gelenks, Verwachsung desselben und unlösliche Stei-
figkeit
Die Behandlung ist auf Ruhe und Anwendung entzündungswidri­ger Mittel beschränkt.
Hinsichtlich der Brüche der unterhalb des Sprunggelenks liegenden Knochen verhält es sicii in jeder Hinsicht so wie an den vordem Glied-niassen bei den Kuoclienbrüchen unterhalb der Fusswurzel.
Anhang.
Die Hornspalten und Hornklüflc.
An der Hornwand des Pferdehufes linden sich häufig gewaltsame Trennungen sowohl im Verlaufe der Hornfasern von oben nach unten, wie auch quer oder schräge durch dieselben. Die ersteren heissen im Allgerncinen Hornspalten, die letzteren aber Uornklüfte; ausser-dem kommen noch Lostrennungen der Wand von der Hornsohle in der weissen Linie und höher hinauf, als sogenannte losgetrennte Wand und als hohle Wand vor.
A. Horn- oder Hufspalten (franz. Seimes, engl. Sandcracks) können an jeder Stelle der Wand entstehen, und kommen ausserdem in verschiedener Richtung, Länge, Tiefe und Beschaffenheit vor. Sie werden a. nach dem Orte bezeichnet, als: Zehenspalteu, Ochsen-spalten, oder Ochsenklaue, wenn sie an der Zehe, äusscre oder innere Seitenspalten, wenn sie an den Seitenwänden, und äus-sere oder innere Trachten- oder Fersenspalten, wenn sie an den Trachteuwänden bestehen, b. Ihre Richtung nehmen sie oft von der Krone oder dem Saume her nach unten und heissen dann Kronen­oder Sa um spalten; in anderen Fällen beginnen sie von unten und heissen Tra gerand spalten, c. Sie erstrecken sich, wie eben ge­sagt: zuweilen nur über einen Theil der Wand von unten oder von oben her, aber in anderen Fällen gehen sie vom Saume bis zum Tragc-rande durch die ganze Höhe der Wand; im ersteren Falle werden sie, abgesehen von der Bezeiclmuug als Saum- oder Tragerandspalten, als unvollständige, im letzteren als vollständige oder als durch­laufende Hornspalten bezeichnet, d. Hinsichtlich der Tiefe unterschei­det man oberflächliche, nur in den äussern Schichten der Wand
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Anhang'. Hornspalten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;497
bestehende Spalte, Hornritze, und durch die ganze Dicke der Wand gehende, durchdringende, oder vollkommene Ilornspalte; und — e. hinsichtlich ihrer Beschaffenheit sind dieselben entweder einfach, bloss Trennungen im Horn, oder sie sind zusammengesetzt mit Ver­letzung der Fleischwand, mit Einklcmmung, mit Entzündung, Quet­schung, Eiterung derselben, mit Verunreinigung durch eingedrungene fremde Körper, mit Lostrcnnuiig eines Tbeiles der Hornwand neben der Spalte, mit Verschiebung der Hornwände über einander, oder auch mit Wucherung derselben, mit Hornkluft, mit einem Bruch des Huf-beins, mit Kronenlritten. Zuweilen bestehen auch zufällig noch andere Fehler am Hufe, namentlich Steingallcn.
Man erkennt die Hornspalten, wenn der Huf gehörig rein ist, im­mer sehr leicht; zuweilen ist aber derselbe zufällig oder absichtlich, um die Spalten zu verstecken, mit Schmutz, oder mit Husalben, ïheer und dcrgl. so bedeckt, dass man die Spalten nicht sehen kann. In solchen Fällen ist es fur den Zweck der Untersuchung immer noting, den Huf durch Abkratzen und Abwaschen gründlich zu reinigen. Wan sieht dann an einer oder der anderen Stelle des Hufes die Trennung der Horn­wand in der Richtung der Hornfasern, zuweilen auch ein wenig schräge durch dieselbe gehend, in den oben bemerkten Verschiedenheiten; Saumspalten erstrecken sich zuweilen bis in die Haut der Krone; grös-sere Spalten klaffen zuweilen 1—2 Linien weit auseinander und man kann bis auf den Grund sehen und fühlen, bei den feineren Spalten und Rissen kann man nur mit einer zugespitzten Feder oder mit einer feinen Sonde eindringen; manche Ränder sind nach innen, andere nach aussen gebogen, und letztere liegen gewöhnlich wie aufgcblähet über einander; oft ist, namentlich bei frisch entstandenen und bei Saumspalten etwas Blutausfluss an denselben zu bemerken; doch kann sich die Blu­tung auch aus älteren Spalten von Zeit zu Zeit, bei Fehltritten, An­strengungen u. s. w. wiederholen. Bei alten Spalten findet sich zu­weilen Eiterung oder Verjauchung, oder auch Auftreibung der Krone. Die frisch entstandenen vollständigen Spalten, besonders aber diejenigen, welche von der Krone her ihren Anfang nehmen, veranlassen immer mehr oder weniger starkes Lahmgehen; bei Spalten, welche vom Trage­rande beginnen, ist dies weniger der Fall und blosse Hornritzen machen niemals Lahmheit. Die letztere trägt die Charaktere der Huflahmhei-ten an sich: d. h. die Thiere lahmen hauptsächlich bei dem Nieder­setzen des Hufes auf den Boden, sie lahmen stärker auf hartem als auf weichem Boden und wenn mau den Huf mit der Zange an der Wand drückt, so zeigen die Thiere in der näheren Umgegend der Spalte Schmerz; zuweilen ist derselbe beim blossen Drücken mit den Händen zu erzeugen. Die übrigen oben angedeuteten Zusammensetzungen der Hornspalten, wie z. B. fremde Körger, Einklemmung der Fleischwand u. s. w. sind bei der Untersuchung leicht wahrzunehmen.
Die Ursachen der Hornspalten sind 1) bei manchen Pferden eine eigenthümliche Anlage, welche auf zu grosser Trockenheit und Sprö-digkeit der Hornsubstanz oder auch in zu dünnen und schiefen Wän­den beruht; 2) Mangel an äusserer Feuchtigkeit, anhaltendes Stehen auf trockener Streu u. dgl. (wesshalb die Spalten auch an den Vorder­hufen häufiger vorkommen als an dem hinteren); 3) starke Erschütte-
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Anhang. Hornspalten.
rungea und Prellungen der Hufe durch zu gewaltsames Auftreten bei Sprüngen, bei dem Ziehen schwerer Lasten auf hartem Boden, bei dem Gegenschlagen oder Gegenstossen an harte Gegenstände; 4) die sogenannten Kronentrittc; 5) zu dicke Hufnägel, durch welche das Horn gespalten wird und 6) ungleiches Ablaufen oder Beschneiden des Tragerandes.
Die Beurtheilung. Hornspalten heilen niemals wieder in der Weise zusammen, wie Knochen oder Weichgebilde, sondern sie wachsen ent­weder allmälig herab oder es bildet sich unter ihnen eine neue Schicht Horn. Einfache und nicht durchlaufende Hornspalten sind, besonders wenn dieselben von dem Trageraude beginnen, bei einer zweckmässigeu Behandlung fast immer vollständig und leicht zu beseitigen, indem man bloss zu verhüten braucht, dass die Spalten sich nicht weiter ausdeh­nen; sie wachsen dann allmälig mit dem Hufe selbst mehr und mehr nach unten herunter und werden durch das Beschneiden des überflüs­sigen Tragerandes immer kürzer und verlieren sich zuletzt gänzlich. Dagegen wächst auch bei den von der Krone her beginnenden Spalten die Trennung mit dem Horn selbst allmälig immer weiter nach unten und diese Spalten werden daher von selbst immer länger. Die letzte­ren Spalten sind desshalb immer weniger günstig zu beurtheilen als die ersteren; dagegen gestatten die in den Saum gehenden Spalten eine wirkliche Heilung, indem man hier eine künstliche Trennung des Saumes von der Krone und die Wiederzeugung einer uugetrennten Hornmasse von der Krone her herbeiführen kann. Hornspalten, welche bereits auseinander stehen, und solche, wo die Ränder nach einwärts gebogen sind, oder wo ein Theil der Uornwand von der Fleischwand getrennt ist, wo die Hornwand sich bei jedem Tritt verschiebt und dadurch be­ständig Reizung und Quetschung erzeugt, endlich solche, wo die Fleisch­wand verletzt, oft blutend oder eiternd ist, und noch mehr wo die letztere eingeklemmt oder mit üppiger Granulation versehen ist, sind stets sehr üble Fehler, bei welchen die Heilung sehr schwierig ist und die Thiere oft bedeutend lahmen, ja selbst durch die Heftigkeit der Entzündung und das hinzugetretene Reizlieber zu Grunde gehen können. In einzelnen Fällen entsteht bei eiternden Hornspalten eine Knorpelfistel oder auch Caries des Hufbeins, wobei die Heilung gleichmässig schwer und langwierig stattßndet. Bei den nach einwärts gebogenen Rändern entsteht zuweilen durch den fortdauernden Druck auf die Fleischwand und das Hufbein ein Schwinden dieser beiden Gewebe und in Folge dessen eine Einsenkung, so dass selbst nach erfolgter Heilung die Horn­wand an dieser Stelle oft eine rinnenförmige Vertiefung zeigt. Ip man­chen Fällen, namentlich wo die Hornräuder auf operative Weise ent­fernt sind und sich eine neue Hornmasse in der Lücke bildet und eben so in den Fällen, wo chronische Entzündung in der Fleischwand be­standen hat, bildet sich eine wuchernde Hornmasse zum Theil unter den alten Rändern, zum Theil auch in der Lücke zwischen denselben. Diese Hornmasse tritt in Gestalt einer 2 — 3 Linien dicken Narbe (von Vatel unriebtig als Hornblättchenbruch bezeichnet) nach einwärts und bewirkt ebenfalls durch den andauernden Druck ein Schwinden der Fleisch wand und des Hufbeins, so dass man an der betreuenden Stelle oft eine 2—3 Linien breite und 1 — % Linien tiefe Furche in dem letztem
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Anhang. Hornspaltcn.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;409
findet. In solchen Fällen gehen die Tlücrc noch lauge nach erfolgter Heilung mehr oder weniger lahm. — Können die Thiere während der Behandlung andauernde Ruhe haben oder auf weichem Boden herum­gehen, so erfolgt die Heilung bei allen Horuspalteu leichter, als wenn sie fortwährend auf Steiupllasler oder Chausseen schwer arbeiten müs­sen. In Hufen, welche eine grosse Disposition zur Entstehung der Hornspalten besitzen, entslehen diese Trennungen auch nach erfolgter Heilung leicht wieder, zuweilen sogar an mehreren Stellen.
Die Behandlung ist in den einzelnen Fällen, je nachdem man 1) eine wirkliche Heilung der Hornspalten, oder 2) nur eine Beseitigung des vorhandenen Lahmgeheus, oder auch 3) nur eine Verhütung der Ver-grösserung des Uebeis und der Lahmheit beabsichtiget, verschieden. Oft muss mau für 2 oder alle 3 Zwecke zugleich wirken, oft genügt nur einer oder die Umstände, namentlich die nothweudige Benutzung des Thieres, gestatten nur die Hülfe für einen Zweck,
Für den ersten Zweck lässt sich, wie bereits oben erwähnt, nur bei denjenigen Hornspalten etwas thun, welche bis in dea Saum rei­chen. Alan sucht hier durch stark reizende Mittel an der Krone eine exsudative Entzündung zu erregen und durch das Exsudat den Saum von der Krone zu trennen. Man streicht demgemäss, nachdem die Haare über der Spalte au der Krone auf einem Raum, welcher etwa 1 bis 1^- Zoll laug und -^ Zoll über der Krone breit ist, das Ung. Canthari-dum dick auf die Haut und lässt das Thier dabei ruhig stehen; ist am zweiten Tage die Ausschwitzung nicht genügend erfolgt, so streicht man die Salbe noch einmal auf. Wenn aber durch die Ausschwitzung der Saum unter der eingeriebenen Stelle getrennt ist, nimmt man ihn mit einem Lorbeerblattmesser weg und erwartet bei fortgesetztem ruhi­gen Stehen des Thieres während etwa 14 Tagen die Wiederbild ung des neuen Saums. Je länger man dem Thiere Ruhe giebt, um desto breiter wächst die neue Hormnasse von oben herunter, und iu etwa 14 Tagen ist gewöhnlich ein reichlich 2 Linien breiter Streif von festem Horn ohne Spalten entstanden. — Statt der Kantharidensalbc haben die äl­teren Thierärzte z. B. Sollcysel, Garsault u. A. au dem Saume einen elwe 1 Zoll langen Querstrich gebrannt und hierdurch eine ähn­liche Wirkung erzeugt. Durch die Kantharidensalbe wird jedoch diese Wirkung sicherer und ohne dass Narben zurückbleiben, erreicht. Voi­der Anwendung dieser Mittel kann man am untern Ende der Spalte eine Querfurchc schneiden und ein zweckmässiges Hufeisen auflegen, wie im Folgenden angegeben ist. Ausserdem muss der Huf auf nassem Allst stehen.
Besteht bei einer Hornspallc Lahmheit, so muss mau zunächst un­tersuchen, durch welche spezielle Coinplikationen dieselbe veranlasst ist. Ist bloss Entzündung der Flcischwand oder bei frisch entstandenen Spal­ten eine Verletzung derselben vorhanden, so ist die Anwendung von kalten Fussbädern und strenge Ruhe zur Beseitigung dieser Lahmheit hinreichend. Ist aber zugleich die Wand hinter der Spalte durch ihre Länge beständigen Zerrungen unterworfen, so muss dieser Theil der Wand um 2 — 3 Linien mehr niedergesehnitteu werden als die Wand vor dem Spalt, und ausserdem muss ein gutes Hufeisen, am besten ein geschlossenes, so aufgelegt werden, dass der hintere Theil der Wand
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Anhang. Hornspalten.
gegen Druck und Zerrung geschützt ist. Sind in dem Spalt fremde Körper #9632;vorhanden, oder sind die Ränder des letztern ungleich nach innen gebogen, so müssen die ersteren mittelst der Pinzette entfernt, die letzteren aber zuerst von aussen her recht dünn geschnitten und dann an den Rändern glattgeschnitten werden; sind sie thcilweisc von der Fleischwand getrennt, so nimmt man sie, so weit wie die Tren­nung reicht, vollständig weg und schützt hiernach die entblüsstc Fleisch-wand durch einen Verband mit glattem Werg und einer massig fest an­gelegten Binde. Die Heilung erfolgt hiernach nicht allein durch das Herunterwachsen des Horns von der Krone her, sondern auch durch Erzeugung einer neuen Hornmasse an der blossgelegten Stelle selbst (das sogenannte Narbenhorn). Diese neue Hornmasse bildet sich durch Ausschwitzung einer plastischen Flüssigkeit an der ganzen Ober-lläche der entblössten Fleischwand, indem die Flüssigkeit sich allmälig verdichtet; sie ist zuerst weich, wie geronnenes Eiweiss, gelblich und an der Oberfläche gewöhnlich rauh, auch wuchert sie oft über die Ränder hervor, und man muss sie desshalb an den letzteren von Zeit zu Zeit beschneiden, damit nicht Druck zwischen den alten und neuen Räudern und in Folge dessen Lahmheit entsteht. — Ist die Fleischwand zwischen den Hornrändern hervorgetreten, so wird hierdurch stets Lahm­heit, und zwar oft von der bösesten Art erzeugt, indem die Weiehge-hilde zwischen den Hornrändern eingeklemmt und zur Entzündung und
TJlceration gebracht werden
Bei den geringeren Graden dieses Leidens
kann man ganz so verfahren, wie eben im Vorstehenden angegeben ist; besteht aber die Hervortreibung der Fleischblättchen in dem Grade, dass wuchernde Granulation sich gebildet hat und man zu den Hornrändern unter derselben nicht gut gelangen kann, so muss man auf folgende Weise verfahren: Nachdem das Thier niedergelegt und der kranke Fuss zur Operation ausgebunden ist, schneidet man mit einem Rinn-messcr zu jeder Seite des Spaltes, etwa 3 Linien von demselben ent­fernt eine Rinne, welche vom Saume bis zum Trageraude sich er­streckt und bis fast auf die Fleischwand geht; die äusseren Seitenränder dieser Rinne schneidet man in der Breite eines halben Zolles ganz dünn. Hierauf schneidet man auch eine Rinne an der Sohle in der weissen Linie, von einer Seitenrinne der Wand bis zur andern. Die in dem Grunde der Rinnen etwa noch vorhandenen dünnen Reste der Horn-wand durchschneidet man mit der Spitze eines Lorbeerblatlmessers. Nachdem dies geschehen, ergreift man den an 3 Seiten getrennten Horn-rand an seinem untern Ende mit den Fingern oder mit der Pinzelte, hebt ihn etwas in die Höhe und trennt ihn in seiner ganzen Länge bis zum Saume von der Fleischwand ab. Diese Trennung wird nach den Vorschriften einiger Thierärzte bloss durch Ueberbiegen und Losreissen der Hornwand mittelst einer Beisszange bewirkt; da aber hierbei nicht selten die durch die vorausgegangene Entzündung zu fest mit einander verwachsenen Horn- und Fleischblättchen sich nicht von einander tren­nen, so erfolgt leicht ein Äbreissen der Fleischwand von dem Hufbein, und es ist desshalb zweckmässiger, die Ablösung durch Schnitte mit­telst des flach unter die Hornwand geführten Lorbeerblaftmessers zu bewirken. In gleicher Weise verfahrt man auch mit dem andern Horn-rande, und nimmt dann mit dem Bistouri die wuchernde Fleischmasse
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Anhang. Honupalten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;501
fort. Hierauf schlägt man ein vorher schon aufgenageltes, aber vor der Operation wieder abgenommenes, geschlossenes Hufeisen auf, bedeckt die Wunde mit einem Polster von Werg, welches die ganze Lücke ausfüllen müss, legt darüber eine Schiene von Pappe, welche von der Zehe bis zum Saume und seitlich bis über die Hormänder reicht, und befestiget Beides durch eine umgelegte Cirkelbinde. Die weitere Be­handlung ist eine antiphlogistische, sowohl des Fusses wie auch des Thieres im Ganzen. Entsteht Eiterung, so muss dieselbe durch Blei­wasser oder Auflösung von Zink- oder Kupfervitriol möglichst beschränkt werden.
Besteht bei einer einfachen Hufspalte keine Lahmheit und will man auch nur die weitere Entwickelung des Uebels aufhalten und Lahmheiten verhüten, so genügt es, wenn man bei Saumspalten am unteren Ende derselben, bei Tragerandspalten aber an deren oberem Ende eine circa 1 Zoll lange und 3 Linien breite Querfurche in die Hornwand bis zum Anfange der Fleischwand mittelst eines Rinnmes-sers, der Raspel oder eines anderen geeigneten Instrumentes schneidet oder feilt oder mittelst eines messerförmigen Eisens brennt, und die Ränder der Spalte so verdünnt, dass sie keinen nachtheiligen Druck nach innen erzeugen können. Durch jene Querfurche wird das weitere Aufspalten des florns von der bisherigen Spalte aus, verhindert. In die Furchen und Spalten kann man dann, um das Eindringen von Sand, von Strassenkoth u. dgl. zu verhindern, etwas Baumwachs oder Theer oder einen frisch bereiteten Kitt aus gleichen Theilen Aetzkalk und Eiweiss eindrücken. Bei dem Gebrauch des letztern Mittels muss, bis dasselbe erhärtet ist, das Thier ruhig stehen. Bei den Spalten am Saume findet sich der letztere zuweilen selbst etwas getrennt; diese ge-Ireinitcn Parthiecn nimmt man mit dem Lorbeerblattmesser fort, theils um Druck von ihnen auf die Krone zu verhüten, theils auch um das Eindringen von Sand u. dgl. zwischen die Krone und den Saum zu verhindern. — Bei den Zehen- oder Ochsenspalten kann man auch, wenn die Ränder zu sehr auseinander weichen, ein Zusammenheften derselben in der Art bewirken, dass man zuerst beide Hornränder in querer Richtung, an dem einen etwa 6 — 8 Linien von der Spalte ent­fernt eingehend und am andern in derselben Entfernung von der Spalte wieder herauskommend, mit einem feinen Bohr (am besten mit einem viereckieen,) durchbohrt und dann dünne Hufnägel oder zugespitzte Drahtstifte durch diese Gänge treibt. Die Köpfe und Spitzen der Nägel kneipt man mit der Beisszange ab, biegt die Enden zur Spalte hin um, zieht sie kurz an und nietet sie in ähnlicher Art zu, wie das Zunieten bei dem Beschlagen geschieht. Man kann 2—3 solcher eiserner Hefte in der Entfernung von circa 9 —10 Linien einen vom andern an­bringen.
Ein sehr wesentlicher Theil bei der Behandlung für den einen wie für den andern Zweck ist der Hufbeschlag. Dieser muss in jedem Falle so eingerichtet sein, dass durch das Hufeisen die Spalte nicht weiter auseinander getrieben, sondern im Gegentheil zusammengehalten wird; —#9632; was jedoch in den einzelnen Fällen, je nach den Umständen, in verschiedener Weise erreicht wird. Bei Zehenspallen genügt ein ge­wöhnliches, aber starkes Hufeisen, welches jedoch auf der Zehe selbst
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Anhang. Hornspnlten.
nicht aufliegt und zu beiden Seilen seines Zehenlheils mit starken Auf­zügen versehen ist. Letztere werden naeh dem Aufschlagen des Eisens so an die Zehenwand getrieben und gerichtet, dass dadurch der Spalt zusammengehall cn wird. Man erreicht dies aber noch mehr, wenn der Tragerand des kranken Hufes an der Zehe rechts und links etwa -J Zoll neben der Spalte um etwa 2 — 3 Linien hoch mehr nieder geschnit­ten wird und wenn dann das Hufeisen an dieser Stelle zwar ein wenig in die Hohe gerichtet aber nicht fest aufgelegt wird. Durch ein an den ïrachlenenden gcscldossenes und auf dem Strahl aufliegendes Hufeisen wird der Zweck hier und bei allen anderen Hufspalten noch vollsländiger erreicht, weil es die Last gleichmässiger vertheilt trägt. — Der Beschlag bei Seiten- und Trachtenenden ist in den einzelnen Fällen -verschieden, je nachdem dieselben ohne oder mit Schmerz und Lahm­heit bestehen. Im ersteren Falle kann er auf die Weise ausgeführt werden, dass man beide Ränder der Ilornspalle am untern Ende dwa gegen -|- Zoll lang und 4 — 6 Linien hoch halbmondförmig wegschneidet und dann ein gewöhnlich gerichtetes Hufeisen mit oder ohne Stollen, oder auch ein eben solches geschlossenes Hufeisen auflegt; oder man schneidet (nach Sehr ehe1) die Trachlen in schräger liichtuDg so weit nieder, wie dies ohne Nachtheil geschehen kann, schont die Zehe gänz­lich und höhlt die Sohle in der Gegend der Spalte nicht aus. Das Medcrschneidcn muss von hinten nach vorn geschehen. Man legt dann ein Hufeisen mit Stolleu auf. welches überall gleichmässig anliegt, so dass hierdurch ein Zusammendrücken der Hornwand in schräger Rich­tung von hinten und unten nach vorn und oben erfolgt. Das Eisen muss für den Huf eher zu gross als zu klein sein. Die Stollen werden bei späler wicderhollcm Beschläge allmälige immer niedriger gemacht, um die Thierc immer mehr zum Durchlrelcn zu zwingen und dem Hufe nebst den Spalten mehr eine horizontale Richlung zu geben. Nach jedesmaligem Beschlagen werden die aussein Ränder der Spalte mit der Raspel verdünnt, dabei jedoch der dem Saume zunächst gelegene Theil geschont: die Tiefe der Spalte wird dadurch geringer und bietet dem Sande etc. nicht so leicht Gelegenheit, sich darin fcstzuselzen. — Wenn aber die Hornspalten mit Entzündung, Schmerz und Lahmheil verbun­den sind, oder wo getrennte, bewegliche Wand oder eine Steingalle mit denselben in Verbindung steht, ist ein solcher Beschlag nicht pas­send, sondern es muss hier ein solches Hufeisen aufgelegt werden, wel­ches die Last des Körpers nur auf dem vordem theil des Hufes bis zur Spalte trägt und dabei den hinter der Spalte beiindiiehen Theil des Hufes gegen Druck von unten her schützt. Für diesen Zweck kann man am besten ein an den Slollenenden geschlossenes Hufeisen be­nutzen, welches nur bis etwa 3 — 6 Linien vor der Spalte fest aufliegt; von hier aber nach hinten zu gegen 3 Linien weit von dem Tragerande der Wand absteht; Letzteres erreicht man auf verschiedene Weise und zwar entweder dadurch, dass man den Tragerand der Seiten- oder Trachtenwand hinler der Spalte gegen 3 Linien weit mehr wegschnei­det, als den Rand vor der Spalte oder dadurch, dass man das Eisen
') Magar. f. Thierheilk. VII. Bd. S. 54 u. f.
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Anhang. Mornklüfte.
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von der Stelle der Spalte her nach unten gegeu 3 — 4 Linieu weit niederbeugt (abkröpft). In beiden Fallen kann man das Hufeisen einige Linien weit vor der Spalte mit einem sogenannteu Beistollen oder Neben­stollen versehen; derselbe muss jedoch an seinem vordem Ende niedri­ger sein als an seinem hintern Ende und überhaupt nur so hoch sein, dass er mit dem Stollen am andern Arme des Eisens in einem richti­gen Verhältniss sieht, so dass das Thier auf der Zehe, auf dem Neben­stollen und auf dem wirklichen Stollen gleichmässig fest auf dem Boden stehen kann. Statt des geschlossenen Hufeisens kann man auch ein ge­wöhnliches Hufeisen mit einem Nebenstellen der bezeichneten Art ver­sehen benutzen; dasselbe schützt aber die hinteren Theile des Hufes weniger als das erstere. Im Nothialle ist noch ein gewöhnliches Huf­eisen ohne Stollen in der Art zu benutzen, dass man den auf die kranke Wand treffenden Arm au der Stelle der Spalte abhaut und es dann als sogenanntes -1 Eisen auflegt.
So wie bei den Zeheuspalten die Zusammeuhaltung der Wände durch zwei seitliche Aufzüge oder Kappen des Hufeisens bewirkt und Verschiebung der Wunde verhütet wird, eben so kann mau für diese Zwecke bei Spalten an deu Scitenwänden Aufzüge an dem Eisen ma­chen; dieselben sind durchaus nolhwendig, wenn das hinter der Spalte befindliche Stück der Wand sich wirklich bei jedem Auftreten des lei­denden Fusses nach aussen biegt und verschiebt. Die Aufzüge werden hier gewöhnlich an der Stelle der Spalte angebracht, besser aber ist es, wenn sie in der Entfernung von 4—8 Linien hinter der Spalte sitzen; wo beide Thcilc der Hornwand beweglich sind, muss entweder ein grosser Aufzug auf die Spalte selbst, oder es muss ein Aufzug vor und einer hinter derselben angebracht werden; dieselben dürfen aber immer nur massig fest anliegen, weil sie sonst Druck und Lahmheit erzeugen. Nägel werden in die Wand hinter der Spalte nicht geschlagen.
B. Die Hornkluft besteht in einem Durchbrechen der Hornfa-sern in querer, zum Thcil schräger Richtung, so dass ein mehr oder weniger horizontaler Spalt an irgend einer Stelle der Hornwand sicht­bar ist. Sie kommt an jeder Stelle der Hornwand vor und ist von verschiedener Länge, gewöhnlich aber nicht über 2 Zoll lang; ihre Ränder sind gewöhnlich uneben und zuweilen etwas über einander verschoben und an dem einen Ende gehen sie oft in schräger Rich­tung in den Tragerand über. Das abgebrochene Stück der Hornwand steht entweder noch in fester Verbindung mit der Fleischwand, oder es ist stellenweis von derselben getrennt und dann bald mehr bald we­niger beweglich; zuweilen ist dabei Entzündung, Schmerz und Lahm­heit, zuweilen auch Blutung oder später Eiterung zu bemerken.
Die Erkeunung ist an diesen Erscheinungen immer leicht zu machen, wennn nicht der yuerriss mit Baumwachs oder Theer u. dgl. verklebt und verdeckt worden ist.
Die Ursachen sind meistens Kronentritte, zuweilen aber auch Ver­nagelungen und Steingallcn, welche in Eiterung übergehen und wo der Eiter in die Höhe gestiegen ist und den Saum von der Krone abgelöst hat, wo dann bei der Wiederbildung eines neuen Hornrandes von der letztem her eine Trennung zwischen dem alten und neuen Horn besteht und alltnälig tiefer herunter wächst; in manchen Fällen entstehen Horn-
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Anhang. Getrennte Wand.
klüfte auch dadurch, dass der Huf durch Ueberfahren mit Wagen oder auf andere Weise gewaltsam zusammengepresst wird, oder auch da­durch, dass das Hufeisen auf irgend eine Weise gewaltsam abgerissen wird, ohne dass die Nieten der Hufnägel vorher geöffnet worden sind.
Die Beurtheilung ist mehrentheils günstig zu machen, namentlich aber in den Fällen und so lauge, als die Hornkluft nicht von den Huf­nägeln erreicht wird; denn in diesen Fällen entsteht durch sie gewuhn-lich keine Störung in dem Gange des Thieres. Wenn aber die ge­trennte Parthie der Wand so weit heruntergewachsen ist, dass die Hufnägel nicht mehr gehörig in ihr zu befestigen sind, so werden die Thiere zuweilen für einige Zeit unbrauchbar, aber dieser Fall tritt selten ein und bei einer übrigens zweckmässigeu Behandlung wächst in der Regel in kurzer Zeit das fehlende Horn gehörig nach. Im unbeschla­genen Zustande findet sich wegen Mangel an Schutz häufiger eine Zerrung der getrennten Hornlheile und hierdurch auch Lambert; eben so ist dies der Fall, wenn Sand und andere fremde Körper in die Spalte dringen, oder wenn bei der ursprünglichen gewaltsamen Trennung die Fleischwand mit verletzt worden ist.
Behandlung. Bei solchen Hornklüften, wo die abgebrochene Horn-wand an den Winkeln der Trennung noch mit den übrigen Theileu der Wand in fester Verbindung steht, hat man nur dafür zu sorgen, dass nicht fremde Körper in die Spalte eindringen und drücken. In dieser Absicht füllt man die Spalte mit irgend einer klebenden Substanz, z. B. mit ïheer oder Baumwachs, mit Talg und dergleicheu vollständig aus und beschlägt den Huf mit einem, seiner Form u. s. w. angemes­senen Hufeisen, welches an der Stelle der Kluft mit einem Aufzuge versehen ist, um damit die Wand besser zusammenzuhalten. Ist aber die Kluft so weit herunter gewachsen, dass die Nägel sie erreichen, so muss man die letzteren bei dem Beschlagen au dieser Slellc weglassen und das Eisen lieber durch ein paar Nägel an der Zehe oder sonst in
der Nachbarschaft der Kluft mehr zu befestigen suchen. Hornstück schützt man, wenn es noch mit der Fleisehwand in Verbin­dung steht, durch Aufzüge; ist es aber bereits von der Fleischwand getrennt, so nimmt man es am besten ganz weg. — Besteht bei einer Hornkluft Lahmheit, so müssen die etwa reizenden oder drückenden Einwirkungen beseitiget, demgemäss fremde Körper entfernt und ein­wärts gebogene Hornränder mit dem Messer weggenommen werden. Im Uebrigen aber legt man ein solches Hufeisen auf, welches an der betreffenden Stelle unter der Kluft ein wenig hohl liegt, in ähnlicher Weise, wie bei den Hornspaltcn und man macht kalte Fussbäder oder Umschläge.
C. Die sogenannte getrennte Wand besteht in einer gewalt­samen Abtrennung der Hornwand am Tragcrandc von der Fleischwand. Diese Trennung kann rund herum am ganzen Hufe entstehen und kommt bei bcscldagenen und unbeschlagenen Hufen vor; sie spricht sich durch einen blöden Gang, durch Schmerz beim Druck mit der Zange auf die verletzte Stelle und nach dem Abnehmen des Hufeisens durch die sichtbare Trennung der Wand von der Sohle aus. Die Trennung ist entweder frisch, und dann gewöhnlieh mit ein wenig Blutinfiltration in der Spalte und in den nächsten Parthicen des Horn-
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Anhang. Gelrennte Wand.
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gewebes begleitet, oder sie ist älter und In diesem Falle gewöhnlich durch eingedrungene Erde ausgefüllt, wesshalb sie ein schwärzliches Ansehen besitzt. Zuweilen ist die getrennte Stelle nur sehr klein und äusserlich an der weissen Linie mit überwachsenem Horn bedeckt, so dass man sie erst dann findet, wenn man einige Hornspähne abge­schnitten hat; sehr oft kann man dann bei dem weiteren Ausschneiden mittelst eines Hufbohrers oder mittelst des Rinnmessers die Trennung gegen f—Zoll hoch hinauf zur Fleischwand verfolgen. In man­chen Fällen findet man in der Trennung eine eiterige, schwärzliche Feuchligkeit. Zuweilen bildet sich ein formlicher Abscess, der dann, wenn er nicht zeitig genug durch künstliche Oeffnung an der Sohle entleert wird, an der Krone durchbricht.
Die Ursachen sind häufig ungleiches Abnutzen des Tragerandes, so dass einzelne Stellen desselben bei unbeschlagenen Hufen zu lang her­vorstehen und dann beim Gehen nach aussen abgezerrt werden; bei beschlagenen Hufen sind zu enge, ungleiche, zu lange liegende Hufeisen und zu dicke Hufnägel die Hauptveranlassung; in manchen Fällen scheint auch noch eine besondere Disposition, beruhend in einer mangelhaften Verbindung zwischen der Hornsohle und der Hornwand an der weis­sen Linie mit beizutragen.
Die Beurtheilung ist stets günstig zu machen, da der Erfahrung zufolge die Lahmheit leicht zu beseitigen ist und die Trennung in der Regel durch alhnäligcs Herunterwachsen der Hornwand wieder besei­tiget wird. In einzelnen Fällen bleibt dieselbe jedoch für immer zuge­gen , vergrossert sich sogar zuweilen und bildet dann die sogenannte hohle Wand, indem sich von der Flcischwand her eine dünne Horn­wand erzeugt, welche jedoch mit der abgetrennten Wand in keine feste Verbindung tritt und daher zwischen beiden Schichten eine Höhle bleibt. Hierbei ist jedoch zu bemerken, dass nicht jede hohle Wand nur eine Folge der getrennten Wand ist, sondern dass dieser Fehler sich zu­weilen durch allmäligcs Vertrocknen und Schwinden der Hornsubstanz in der weissen Linie und höher hinauf erzeugt.
Die Behandlung. Zunächst muss man den Tragerand an der ge­trennten Stelle der Wand um etwa 2 Linien breit mehr niederschnei­den als an den Stellen vor und hinter der Trennung; hierbei nimmt man die etwa losgetrennten Hornblättchen in der weissen Linie voll­ständig weg und bildet in derselben eine trichterförmige Oeffnung. In diese Oeffnung legt man zum Schutz gegen eindringende fremde Körper ein wenig lockeres Werg und bedeckt dann den Huf mit einem gewöhn­lichen starken und gut passenden Hufeiseu, welches an der Stelle der getrennten Wand mit einem kleinen und nicht zu fest an die Wand schliessenden Aufzuge versehen sein kann. Die auf diese Stolle treffeu-deu Nägel lässt man gänzlich weg. Der Huf erhält dann kalte Fuss-bäder und das Thier Ruhe. — War das Uebel bereits bis zur Bildung eines Abscesses an der Krone gekommen, so muss dieser, nachdem au der verletzten Stelle die gehörige Eröffnung ohne Erfolg geblieben ist, zeilig eröffnet und der Huf dann mit lauwarmen Fussbädern von Heu-saamen oder von anderen gelind aromatischen Mitteln behandelt werden.
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Sechste Classe.
Verrenkungen.
Erster Abschnitf.
Von den Knochenverrenkungen im Allgemeinen.
Eine Verrenkung (Luxatio) entstellt, wenn beweglich mit einander verbundene Knochen aus ihrer natürlichen Gelenkverbindung ausweichen. Die Verrenkungen koramen an allen Gelenken vor, am häufigsten aber an den freien und an den Charniergelenken. Sie sind nach ihren Verhält­nissen verschieden und zwar 1) nach ihrm Grade, 2) der Richtung des ausgewichenen Gelenkkopfes, 3) den mit ihnen verbundenen übrigen Zufällen und 4) nach ihrer Dauer.
1)nbsp; nbsp;Nach dem Grade ist eine Verrenkung entweder: a. vollkom­men, (Luxatio complcta), wenn die sich entsprechenden Gelcnkflächen völlig aussei' Berührung sind und die Gelenkenden neben einander lie­gen, oder 6. unvollkommen (Lux. incompleta s. Subluxalio), wenn die Gelcnkflächen nicht gänzlich auseinander gewichen sind, sondern sich zum Theil noch gegenscilig berühren; wenn z. B. der Gelenkkopf noch auf dem Rande der Gelenkhöhlc steht. Zu den nnvollkommcuen Verrenkungen gehört die Verstauchung (Distorsie), wo zwar die Gelenkflächen in einem Moment mehr oder weniger von einander ge­wichen waren, aber durch die Kraft der Muskeln und Bänder ihre nor­male Lage wieder hergestellt ist.
2)nbsp; nbsp;Nach der Richtung. in welche der Gelenkkopf aus der Gelenk­höhle verzogen worden ist, unterscheidet man die Verrenkungen in in­nere, äussere, seitliche, vordere und hintere. Diese Stellungen des Gelenkkopfs sind entweder ursprünglich (Lux. primitivae), wo der­selbe an der Stelle bleibt, wohin er zuerst gewichen ist, oder sie sind erst nachfolgend (Lux. consecutivae), wenn der Gelenkkopf durch die Muskeln an eine andere Stelle hingezogen wird.
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Verrenkungen im Allgemeinen.
SOT
3)nbsp; nbsp; nbsp;Nach dem Zustande im Allgemeinen und nach den mit den Verrenkungen verbundenen Nebenzufallen sind dieselben a. einfache Verrenkungen (Lux. simplices), wo aussei' der Knochenausweichung keine andere Verletzung zugegen ist; b. complizirte (Lux. compli-catae), wo zugleich noch Wunden. Quetschung, Knochenbriiche, hef­tige Entzündung, Eiterung und andere gefahrliehe örtliche oder allge­meine Zufalle zugegen sind.
4)nbsp; nbsp; nbsp;Ihrer Dauer nach sind die Verrenkungen entweder frische, neue (Lux. recentes), oder veraltete (Lux. inveteratae).
Zu den Ursachen der Verrenkungen gehören alle Gewaltlhätigkei-ten, welche entweder unmittelbar auf das Gelenk oder auf das entge­gengesetzte Ende des Knochens so kräftig einwirken, dass durch sie die Muskeln und Bänder, welche die Knochen in ihrer Lage und Ver­bindung erhalten, so heftig gedehnt, gezerrt und selbst zerrissen wer­den, dass sie nicht vermögend sind, diese Verbindung ferner zu erhal­ten. Dergleichen Gewaltthäligkeiten entstehen beim heftigen Laufen, bei dem Ziehen schwerer Lasten, bei dem Ausgleiten und Fallen, bei Stössen, Steckenbleiben in fettem Lehmboden oder in Ritzen, zwischen Steinen und dergleichen. Es kann auch schon eine Anlage zu den Verrenkungen vorhanden sein. Dieselbe beruht [in zu grosser SchlafT-Iieit und in Schwäche der Muskeln und Bänder, so dass in solchen Fällen nur geringe Ursachen zum Entstehen derselben noting sind. Diese Anlage wird durch ursprünglich zd zarte Bildung, durch man­gelhafte Ernährung und durch andere Krankheiten, besonders aber durch schon vorausgegangene Verrenkungen erzeugt1).
Im Allgemeinen kommen die Verrenkungen bei unsern Hausthieren nicht so häufig, wie die Knochbrüche vor; am öftersten bemerkt man sie noch bei Pferden, Rindern und Hunden und zwar grösstentheils als unvollkommene; vollkommene sind selten vorhanden. Junge Thiere leiden seltener an Verrenkungen, als solche im mittlern Lehensalter, wahrscheinlich weil erstere weniger den Gelegcnheitsursachen unter­worfen sind.
Die wichtigsten pathologischen Zufälle hei und nach Verrenkungen sind gewöhnlich folgende: Bei jeder vollkommenen Verrenkung werden das Kapselband und die übrigen Gelenkbänder, oft auch einzelne Fasern von den um das Gelenk liegenden Muskeln und Sehnen mehr oder weniger zerrissen; nur bei sehr grosser Erschlaffung der Gelenkbänder, wie sie jedoch in diesem Grade bei den Thieren nur höchst selten vor­kommt, ist vollkommene Verrenkung ohne Zerreissung derselben mög­lich. Das Bewegungsvermögen des Gliedes ist bei allen Verrenkungen mehr oder weniger gestört, bei vollkommenen meistens ganz aufgehoben. Wird der Gelenkkopf bald wieder in seine Lage gebracht, so entstehen aussei- der Entzündung durch die Verrenkung gewöhnlich keine bedeu­tenden Zufälle; bleibt derselbe aber durch längere Zeit ausserhalb seiner Höhle, so wirkt er wie ein fremder Körper durch Druck und Reizung auf die umliegenden Theile und macht heftige Entzündung, Anschwel­lung und Schmerz, zuweilen durch Druck auf grosse Gefasse und
') Verrenkungen, durch innere Ursachen bedingt, hat man bis jetzt bei den Thieren noch nicht bemerkt.
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SOSnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Verrenkungen im Allgemeinen.
Nerven auch Convulsionen, Lähmung und dergleichen. Liegt der Ge­lenkkopf im Zellgewebe, so verdichtet sich dasselbe um ihn nach und nach immer mehr und es bildet sich hierdurch eine Art Kapsel um ihn; liegt er auf einem Knochen, so bildet sich an diesem mit der Zeit durch Resorption eine Vertiefung und durch Wucherung von Knochen­materie eine Art von künstlicher Gelenkhöhle, von welcher der Kopf mehr oder weniger umschlossen ist. Dabei füllt sich die wirkliche Ge­lenkhöhle nach und nach immer mehr mit Knochenmaterie in der Tiefe an, während die Ränder sich abglätten und flächer werden; der Ge­lenkkopf selbst wird kleiner, uneben (er schwindet), die umliegenden Muskeln verlieren durch den anhaltenden Druck und durch die Unbe-weglichkeit des Gliedes ihr Zusammenziehungsvermögen, werden steif und fest, fibrös und schwinden; die Ernährung des ganzen Gliedes lei­det, es magert nach und nach immer mehr ab. Wenn ein Gelenkkopf die Weichtheile nach aussen durchbohrt und der Luft ausgesetzt wird, entsteht immer verjauchende Eiterung und Caries. Bei den Verstau­chungen sind die Gelenkenden der Knochen oder die Gelenkknorpel und die Synovialhäute gequetscht, letztere und die Bänder und Sehnen ge­dehnt, zuweilen auch theilweis zerrissen, und in manchen Fällen sind die Knochen eingerissen oder es ist selbst ein Theil des Gelenkrandes abgebrochen; ausserdem tritt Entzündung, Ausschwitzung, Verwachsung, Verdickung der verschiedenen Theile und Verkürzung der Sehnen im weiteren Verlaufe hinzu.
Die Erkennung der Verrenkungen ist bei Gelenken, welche ober­flächlich liegen, mit dünnen Muskeln bedeckt, einfach, ohne Knocheu-brüche und ohne grosse Geschwulst bestehen, im Allgemeinen leicht, dagegen zuweilen sehr schwierig, wenn mehr als ein Knochen in einem Gliede liegen, wenn Brüche zugegen sind, wenn das Gelenk mit dicken Muskeln bedeckt ist, oder wenn die Entzündungsgeschwulst und die Schmerzen sehr bedeutend sind. Die Kennzeichen der Verrenkungen im Allgemeinen sind:
1.nbsp; nbsp; nbsp;Die regelmässige Bewegung des Gliedes ist in dem verrenkten Gelenke mehr oder weniger gestört, oft ganz aufgehoben, wenigstens nicht nach allen Seiten, wie im gesunden Zustande, möglich.
2.nbsp; nbsp; nbsp;Die normale Gestalt, Lage und Richtung des Gliedes ist ver­ändert und zwar verschieden, je nachdem der Gelcnkkopf auf die eine oder die andere Seite ausgewichen und nachdem die Verrenkung voll­kommen oder unvollkommen ist; bei vollkommenen Verrenkungen ist durch die Zusammenzichung der Muskeln und durch die Ueberein-anderschiebung der Knochen das Glied meistens verkürzt, bei unvoll­kommenen verlängert, weil hier der Gelenkkopf auf dem hervorra­genden Rande der Pfanne steht.
3.nbsp; nbsp; Bei Gelenken, die nicht mit Muskeln etc. zu dick bekleidet sind, fiihlt man auch an der Stelle, wo der Gelenkkopf hingewichen ist, eine kugelförmige, feste Erhabenheit, dagegen an dem Gelenke selbst gewöhn­lich eine Vertiefung.
4.nbsp; nbsp; nbsp;Der anhaltende, heftige Schmerz bei der geringsten Bewegung, die Zufälle des Drucks, der Quetschung, die Geschwulst u. dgl.
Die sichere Erkennung der sogenannten Verstauchungen ist immer noch schwieriger, als die der vollkommenen Verrenkungen, denn es
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Verrenkungen im Allgemeinen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 509
sind hier immer nur die Folgen der Erschütterung, der Quetschung oder Ausdehnung der Gelenkeuden und der um das Gelenk liegenden Theile, welche oft sehr stark entzündet, geschwollen und schmerzhaft werden, und wobei die Verrichtung gestört und an den Gliedmassen Lahmheit ent­standen ist, zu bemerken. Man kann daher nur aus der Beurtheilung der eingewirkten Ursache, nach ihrer Heftigkeit und nach dem Orte der Einwirkung, verglichen mit den vorhandenen Symptomen einer Gelenkentzündung, auf eine Verstauchung schliessen. Die Zufälle der Entzündung, und besonders der Schmerz, werden bei den Verstauchun­gen oft sehr heftig, und es entstehen durch sie oft langwierige und schwer heilbare Lahmheiten.
Die Vorhersagung richtet sich nach den oben angegebenen Ver­schiedenheiten der Verrenkungen, so wie nach der Wichtigkeit des ausgerenkten Knochen, nach der Wichtigkeit der nahe liegenden Theile, nach der Art der Complikationcn und nach der Art undf Grosse des Thieres. So sind z. B. Verrenkungen des ersten Halswirbels wegen des Drucks, den der ausgerenkte Wirbel auf den Anfang des Rücken­markes macht, sehr gefährlich, in der Regel tödtlich; — einfache Ver­renkungen können gewöhnlich durch frühzeitige Hülfe wieder einge­richtet und geheilt werden, bei den complizirlen Verrenkungen aber ist nach dem verschiedenen Grade der Quetschung und Zerreissung der Weichgebilde die Heilung in den meisten Fällen aufzugeben, weil sie doch nicht gründlich und zum völligen Dienstgebrauch des Thieres er­folgen kann. Dies ist besonders da der Fall, wo ein Knochen nach aussen gedrungen und wo dann der Zustand ganz wie bei bösartigen Gelenkwunden ist; — ein Zehrfieber führt gewöhnlich langsam zum Tode. — Vollkommene Verrenkungen sind wegen der Zerreissung der Bänder und dergleichen natürlich immer schlimmer als unvollkommene. Verrenkungen im Drehgelenk sind gewöhnlich schwieriger einzurichten, heilen aber besser als im Charniergelenk; wo viele und dicke Muskeln um das Gelenk liegen, ist die Einrichtung schwieriger als da, wo das Ge­lenk oberflächlich und wenig bedeckt liegt; eben so ist die Einrichtung und die Heilung immer um so schwieriger, je älter die Verrenkung ist, weil sich mit der Zeit meistens schon organische Veränderungen gebil­det haben, gegen welche die Kunst nicht viel zu thun vermag; über 14 Tage bestehende Verrenkungen sind gewöhnlich unheilbar; sehr oft kehrt bei Verrenkungen, wenn auch die Einrichtung gut gelingt, den­noch das Uebel sehr leicht wieder; das letztere erfolgt auch bei allen mit grosser Erschlaffung verbundenen Verrenkungen; bei kleinen Thie-ren kann man natürlich die Wiedereinrichtung und daher die Heilung eher bewirken, als bei grossen, weil bei ersteren während der Ausdeh­nung und Gegenausdehnung nicht so viele Muskeln zu überwinden sind.
Die Behandlung. A. Bei frischen, oder wenigstens noch nicht mit Desorganisation der Gelenke begleiteten Verrenkungen sind, wie bei den Knochenbrüchen, folgende Indikationen zu berücksichtigen: 1) die Wiedereinrichtung oder die Zurückbringung des verrenkten Gelenkkopfes (Repositio); 2) die Erhaltung und Befestigung desselben in seiner Höhle (Retentio) und 3) die Entfernung übler Zufälle.
Die Zurückbringung des aus seiner Höhle gewichenen Gelenk­kopfes in dieselbe wird zuerst durch die Ueberwindung und Beseitigung
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Verrenkungen im Allgemeinen.
der unregelmässigen Coutraktiou aller um das Gelenk liegenden dehn­baren Thcile und dann durch Verlängerung derselben vermittelst der Ausdehnung und Gegenausdehnung und durch unmittelbaren, angemessenen Druck auf den Gcleukkopf selbst vermittelt. Die Besei­tigung der zu hefligeu Contraktiou der um das Gelenk liegenden Mus­keln, Bänder, Sehnen u. s. w. ist zuweilen leicht, schon durch eine zweckmässige, etwas gebogene Richtung und Haltung zu bewirken, in­dem hierbei Erschlaffung der Theile wenigstens an einer Seite des Ge­lenks eintritt; in anderen Fällen aber, wie z. B. an den mit vielen starken Muskelschichtca bedeckten Gelenken, an dem obern Theile der Hinterschenkel der grossen Thiere, oder wo schon eine Geschwulst, Entzündung und Verwachsung entstanden ist, oder wo die Theile durch die Länge der Zeit zu sehr verkürzt sind, ist sie nur sehr schwierig und langsam durch eine diesen Zufällen entsprechende Behandlung zu erreichen. Zuweilen gelingt sie in solchen schwierigen Fällen dann, wenn man die Thiere durch narkotische Mittel, oder durch Aether oder Chloroform betäubt und dadurch die Muskeln erschlafft und den Ein-fluss des Willens auf sie aufgehoben hat. — Die Ausdehnung und Ge­genausdehnung muss ganz so, wie bei der Einrichtung der Knochen­brüche angegeben wurde, gemacht werden. Oft ist die gehörige Ex­tension wegen der Dicke und Stärke der Muskeln sehr schwer, ja unmöglich. Im Allgemeinen hat man bei der Wicdercinrichtuug zu beachten, dass man bei der consecutiven Stellung des Gclenkkopfes diesen zuerst in die primitive Stellung zu bringen sucht. Wenn die Ausdehnung gehörig geschieht, so spürt man meist bei oberflächlicher Lage des Gelenks durch die Finger sehr deutlich, dass der Gelenkkopl' beweglich wird und allmälig sich seiner Höhle nähert — und wenn derselbe bis an den Rand der Höhle gekommen ist, wird er zuweilen durch die eigenen Muskeln des Gliedes mit vieler Kraft und mit einem hörbar knackendeu Geräusch in dieselbe hineingezogen; oft muss man aber hierzu durch einen passenden Druck von aussen helfen. Dass die Einrichtung vollkommen geschehen sei, giebt sich durch die gehörige Form und Richtung des Gliedes, durch das baldige Aufhören des Schmerzes und durch die freie Beweglichkeit zu erkennen.
Die Erhaltung des Gelenkkopfes in seiner Höhle wird in den mei­sten Fällen schon hinreichend durch die sich kräftig zusammenziehenden Muskeln bewirkt und am besten durch ein ganz ruhiges Verhalten des Thieres unterstützt. Wo es die Form und Beschaffenheit des Gliedes erlaubt, legt man jedoch gewöhnlich noch einen passenden Verband an, theils um die Muskelkraft zu unterstützen, theils um die Bewegung zu verhindern; wo wegen Erschlaffung das wiederholte Ausweichen des Gclenkkopfes um so mehr zu befürchten ist, rauss mau mittelst der Bandage noch einen angemessenen Druck gegen den Gelcnkkopf an­bringen. —
Hiernach ist immer strenge Ruhe erforderlich, und um diese in den Gliedern zu erhalten, muss man die grossen Thiere, ganz so wie bei Knochenbrüchen, in Hängegurte oder in Standmaschinen stellen.
Die bei der Verrenkung eintretenden oder mit ihr verbundenen Zufälle müssen, je nach ihrer Art, besonders behandelt werden. Siud Knochenbrüche zugegen, so rauss man, wenn nicht durch die Knochen-
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Verrenkungen im Allgemeinen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;511
splitter Durchbohrungen der umliegenden Weichgebilde eingetreten, die Verrenkung immer zuerst einzurichleu suchen; zuweilen wird beides zugleich bei der gehörigen Extension zu bewirken möglich sein. Die Nachbehandlung muss vorzüglich gegen die pathologischen Zufälle und deren Folgen, gegen die Quetschung, Entzündung, Erschütterung, den Schmerz, die Erschlaffung und dergleichen gerichtet sein, daher man in der ersten Zeit mehrentbcils antiphlogislisch und zuletzt erregend und stärkend verfährt, und bei schleichender Gelenkentzündung das Un-guentum Cantharidum oder das Glübeiscn in Punkten und Strichen, wie bei den Knochenenlzündungen und wie bei dem Spatt, an­wendet.
ß. Die Verstauchungen werden ganz wie Quetschungen und wie Knochenentzündungen behandelt. Man wendet im Anfange kalte, zer-theileude Ucberscbläge und Bäder, bei hoher Entzündung Aderlässe, und erst später zur Zerlheilung der ergossenen Flüssigkeiten aroma­tische und spirituöse Ucberscbläge und Einreibungen au. Oft bleibt nach Verrenkungen und Verstauchungen durch lauge Zeit grosse Em­pfindlichkeit und Schwäche im Gelenk zurück, welche bei entzündli­chem Zustande durch anhaltend kalte Bähungen und Fussbädcr und durch die Einreibungen der grauen Merkurialsalbe und dergleichen be­seitiget weiden muss. Noch besser sind das Uuguentum Cantharidum und das Brenneisen, letzteres in Strichen oder Punkten um das Gelenk, besonders an der Seite, wohin der Knochen gewichen war, ap-plizirt.
C, Die veralteten Verrenkungen sind nicht ganz selten die Ursache von Lahmgeheu bei sämmtlichen Hausthieren, und sie kommen als zweifach verschiedene Zusiände vor; entweder sind sie a. wirkliche, seit längerer Zeit bestehende Ausrenkungen und dann mit mehr oder weniger starken, oben bereits angegebenen organischen Veränderungen der um das Gelenk liegenden Theilc verbunden, oder b. sie bestehen bei völliger Wiedercinrichlung des Gelenkes in den mit oder nach der Verrenkung entstandenen und zurückgebliebenen Ncbcnzulallen, in der heftigen Ausdehnung und Erschlaffung der Gelenkbänder, in gänzlicher Zerrcissung dieser Thcile, im Abbrechen der Gelenkknorpel, in chroni­scher Enlzüudung dieser Theile und dergleichen und im Allgemeinen in der hieraus entstehenden Lahmheit der Thierc.
Die richligc Erkeuntniss dieser beiden Verschiedenheiten ist in Hinsicht der Prognosis und der Behandlung wichtig, aber oft sehr schwer; der Bericht über das, was schon vorausgegangen ist, die Dauer des Zustandes, die allmälige Veränderung desselben, die genaue Beach­tung aller Zufälle, welche im erstem Falle noch sehr ähnlich denen bei frischen Verrenkungen, im zweiten Falle aber mit ziemlich freier Bewegung, mit Verlängerung des Gliedes und oft mit sichtbarer Er­schlaffung der um das Gelenk liegenden Theile verbunden sein werden, bei oberflächlich liegenden Gelenken auch die Form des Gelenkes und die Untersuchung desselben durch das Gefühl werden viel zur Diagnosis beitragen.
Die Prognosis bei diesen Zuständen ist im Allgemeinen sehr zwei­felhaft und oft sogar ungünstig. Ein günstiger Ausgang lässt sich hoffen, wenn der Zustand bloss in zu grosser Ausdehnung und Schwäche
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Verrenkungen Im Allgemeinen.
der Gelenkbänder oder in Entzündung der Gelenkknorpel und Bänder beruht; wenn aber Zerreissung und organische Veränderungen für sieh allein vorhanden, oder gar mit noch bestehender Verrenkung verbun­den da sind, so ist nach dem Grade derselben die Heilbarkeit des Za-standes immer um so weniger möglich. Je älter der Zustand, um so übler pflegt er im Allgemeinen zu sein, doch gehen die Tbierc in den Fällen, wo eine neue Gelenkhühle sich bildet, in einiger Zeit nach der Verrenkung immer weit besser, als gleich nach derselben; aber es er­folgt hierbei niemals eine ganze freie Beweglichkeit wieder.
Die Behandlung muss so viel als möglich dem Zustande angemes­sen eingeleitet werden. Wo noch wirkliche Ausrenkung, aber ohne grosse organische Veränderungen, zugegen ist, da muss man einen Ver­such zur Wiedercinrichtung machen; obgleich derselbe in den meisten Fällen nicht gelingen wird, so ist doch dabei nichts zu verlieren, aber wenn er gelingt, viel zu gewinnen. Gelingt sie nicht, so kann man versuchen, durch anhaltenden Druck auf den ausgerenkten Gclenkkopf und durch viele Bewegung des Gliedes den Prozess der Natur zur Bildung einer neuen Gelenkhöhle zu beschleunigen, um hierdurch bei Thiercn, welche noch erhalten werden sollen, einigermassen die Beweg­lichkeit wieder herzustellen. Dagegen ist aber in den Fällen, wo Ent­zündung, Erschlaffung und Zerreissung der um das Gelenk befindlichen Theile vorhanden, anhaltende Ruhe das erste Bedingniss der Kur und ausserdem nützen dabei noch reizende, stärkende und zusammenzie­hende Mittel und zwar bei Entzündung nach dem Grade der Reizung ausgewählt, z. B. kaltes Wasser, später und bei geringer Empfindung aromatische Mittel, das Terpenthinöl, spirituüse Mittel, Kaniphcr, die Kantharidentinktur, Kantharidensalbe, Haarseile und vorzüglich das Glüheisen; alle diese Mittel leisten, wenn sie so angewendet werden, dass keine eigentliche Eiterung entsteht, bei anhaltendem, öfters wie­derholtem Gebrauche zuweilen gute Dienste.
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Verrenkungen des Hinterkiefers.
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Zweiter Abschnilt.
Verrenkungen im Speziellen.
Erstes Capitel.
Verrenkungen des Hinterkiefers.
Eine wirkliche Verrenkung des Hinlerkiefers ist bis jetzt bei un­seren grosseren Hausthicien noch niemals beobachtet worden und sie kann desswegen, weil die Gelenkverbindung so fest, der Kronenfortsatz sehr lang und der Uinlcrkiefer seiner ganzen Länge nach bis zum Mundwinkel herab mit starken Muskeln begränzt ist, wohl nicht leicht slattfinden. Bei Hunden und Katzen aber, besonders bei Windhunden, bei Jagdhunden, bei Hunden der Kuhhirten, Viehtreiber und Schläch­ter u. s. w. kommen wirkliche Verrenkungen dieses Knochens vor. Die Verrenkung des Kiefers kann nach vorn und unten und etwas zur Seite erfolgen; sie ist entweder nur auf einer Seite allein oder auf beiden zugleich. Im ersten Falle nennt man die Verrenkung unvoll­kommen, im zweiten aber vollkommen; beide können gleichzeitig mit Brüchen des Kiefers, Quetschung und dergleichen Zufällen verbun­den sein.
Die Gelegenheitsursachen zu den Verrenkungen des Hinterkiefers sind z. B., wenn Jagdhunde in schnellem Laufe mit weit aufgesperrtem Munde den Hasen ergreifen und dabei theils durch das Anprellen an denselben mit dem llintcrkiefcr, oder auch indem sie mit dem ergriffe­nen, zu schweren Hasen noch ein Stück weiter vorwärts schieben, der Kiefer auf einer oder selbst auf beiden Seiten ausrenkt; das­selbe kann geschehen, wenn Hunde der Hirten, Viehtreiber u. s. w. Kühen oder Ochsen nachsetzen und diese Thiere um die Sprunggelenke anfassen, dabei aber von dem nach hinten oder zur Seite ausschlagen­den Thiere einen starken Stoss oder Schlag an den Hinterkiefer erhal­ten, wodurch derselbe leicht verrenkt oder zuweilen auch gar zerbro­chen werden kann.
Man erkennt die einfachen Verrenkungen des Hinterkiefers beson­ders an dem mehr oder weniger im rechten Winkel zum Vorderkiefer stehenden und weder von dem Thiere selbst, noch mit der Hand leicht beweglichen Hinterkiefer, wobei das Maul anhaltend so weit geöffnet ist, dass man die ganze Oberfläche der Zunge, die hierbei gewöhnlich weit vorgestreckt und oft blau gefärbt ist, sieht1). Es iliesst viel
') Bei der sogenannten stillen Wuth ist der Hinterkiefer ebenfalls von dem vordem abstehend, aber er hängt schlaff herunter und kann durch Druck mit
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Verrenkungen des Hinterkiefers. Kur.
Speichel aus dem geöffneten Munde unwillkürlich ab und die Thiere können nicht saufen; zuweilen ist der Augapfel durch den nach vor­wärts gewichenen Kronenfortsatz aus seiner Lage nach vorn und aussen gedrängt und die Bindehaut geröthet. Die Thiere betragen sich dabei sehr ängstlich, gerade als ob ihnen ein Knochen oder ein anderer frem­der Körper im Rachen stecken geblieben wäre; sie schreien 'in abge­brochenen Lauten und wischen viel mit den Pfoten um den Kopf. Ist der Kiefer auf einer Seite verrenkt (unvollkommen), so steht er ge­wöhnlich etwas schief nach der gesunden Seite zu; ist die Verrenkung des Kiefers auf beiden Seiten gleichzeitig (vollkommen), so steht er in den meisten Fällen gerade nach abwärts. Wenn ein Bruch des Kiefers mit der Verrenkung desselben gleichzeitig vorhanden ist, so wird dadurch die Diagnosis schwierig (siehe Brüche des llinterkicfers).
Die Vorhersagung ist bei frischen einfachen Verrenkungen des Hinterkiefers, sie mögen auf der einen oder auf beiden Seiten stattge­funden haben, immer ziemlich günstig; wo aber Knochenbrücbc oder andere Verletzungen mit den Verrenkungen verbunden, oder wo letz­tere bereits veraltet sind, da ist sehr wenig oder gar keine Hollhung zur Heilung vorhanden.
Die Kur. Um die Zurückbringung des ausgerenkten Gelcnkkopfes in seine normale Lage zu bewirken, lasse man durch einen Gehülfen den vorher an den 4 Fassen fest zusammengebundenen Hund am Kör­per und durch einen zweiten Gehülfen am Kopfe recht fest halten, damit sich dieser durchaus nicht wehren kann. Hierauf bringt man mit einer Hand einen 10—16 Zoll langen und A—1 Zoll dicken run­den Stock von Holz, den man vorher mit Leinwandlappen oder Werg umwickelt hat, quer in das Maul und so weit nach hinten an die Maulwinkel, als es sein kann und hält ihn an den Backenzähnen des Vorderkiefers fest angelegt. Mit der andern Hand ergreift man den Hinterkiefer, zieht denselben zuerst massig nach der Seite, wohin er gerichtet ist, und dann gerade nach unten und drückt ihn endlich mit seinem vordem Ende kräftig gerade nach oben hebeiförmig gegen den Stab, worauf der ausgerenkte Gclcnktorlsalz gewöhnlich sogleich von selbst in seine Gelenkfläche geleitet, wenn man den Druck aufhebt.
In seiner Lage wird der wieder eingerichtete Hinterkiefer fast im­mer durch die Muskeln allein gehalten, ohne dass man etwas weiteres hierzu zu thun braucht. Sollte es aber nicht der Fall sein, so kann man zur Unterstützung, oder auch bloss aus Vorsicht, einen Maulkorb
der Hand sehr leicht an den vordem angedrückt werden, da hier die Kaumus­keln erschtalTt sind; das Maul ist nicht so weit geöffnet, dass man die ganze Zunge sehen könnte; die Augen sind zwar auch geröthet, aber zugleich trübe, matt, wie bestäubt; beim verrenkten Kiefer sind die Thiere sehr unruhig, sie winseln und schreien und wischen mit der Pfote ins Maul; bei der stillen Wuth geben sie nur ein abgebrochenes heiseres Geheul von sich und verhalten sich ruhig; beim verrenkten Kiefer können sie nicht saufen; bei der stillen Wulh thun es noch viele Hunde; im erstem Falle ist immer eine deutlich bemerk­bare Gewaltthätigkeitsursache vorausgegangen und das Leiden ist dabei sogleich entstanden; bei der stillen Wuth ist keine solche Gclegenhcilsursache zu be­merken und das Uebel entsteht gewöhnlich ganz iinverlioiït.
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Verrenkungen der Halswirbel.
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anlegen. — Die zuweilen eintretende bedeutende Entzündung und Ge­schwulst behandelt man, wie eine Quetschung, mit kalten Umschlägen von Bleiwasser, Oxykrat, Kamphergeist und ähnlichen Mitteln. Der Hund muss in der ersten Zeit nach der Verrenkung mit dem Hetzen •verschont werden und keine Knochen oder andere harte Nahrungsmit­tel, sondern nur Brühen, Mehl- oder Brotsuppen und dergl. erhalten, um hierdurch nicht die Gelegenheit zu einer leicht wiedererfolgenden Verrenkung des Hinterkiefers zu geben. Zur Stärkung der crschlatrten Muskeln kann mau auch nach einigen Tagen Einreibungen spirituöser Mittel oder Waschungen mit zusanitncuziehendeu Mitteln machen.
Zweites Capitel.
Verrenkungen der Wirbel.
a. Der Halswirbel.
Vollständige Verrenkungen der Halswirbel kommen äusserst selten vor, sind gewohnlich mit Brüchen der Wirbel complizirt und immer auf der Stelle tödtlicb, oder mit Lähmung aller Theile hinter der Ver­letzung begleitet, weil das Rückenmark dabei in einem hohen Grade verletzt wird.
Die Erkciinung ist an einer ungewöhnlichen Einbiegung des Halses mit einer Lücke an den Wirbeln auf der einen und mit einer Erhöhung an denselben auf der andern Seite, so wie aus der nach einer beson-deru Gewalttbätigkeit plötzlich erfolgten Lähmung oder Tödtung des Thiercs zu entnehmen. Die Unterscheidung von einem Bruch ist aber oft kaum möglich. Als Ursachen kenut man: das Niederstürzen auf den herunter gebogenen oder mit dem Maule zur Erde gesenkten Kopf während des schnellen Laufens, — das Fortschleifen eines hinter einem Wagen hoch angebundenen und niedergestürzten Pferdes (Gohier1), — heftiges Springen und Niederstürzen eines bösen Pferdes, welches zum Beschlagen von dem Schmied mit der Halfterkette an einen über dem Kopfe des Thicres befindlichen Balken gebunden war. —#9632; Auch in den Fällen, wo der Tod nicht sogleich erfolgt, tritt er doch bald ein, und Hülfe ist stets unmöglich.
Unvollständige Verrenkungen der Halswirbel kommen zwar nicht gerade häullg vor^ sind aber auch nicht besondere Seltenheilen. Man (z.B. schon Absyrthus, Gohier, Godine, Ammon, Havemann, Sehrader, ich selbst u. A.) hat sie öfters bei Pferden, in einzelnen Fällen bei Rindvieh 2) und ich habe sie auch bei Hunden beobachtet.
') Mémoires el Observations sur la chirurgie et la médec. vctérin. Tome II. p. 106 u. f. Lyon 1816.
a) Youatt, im Veterinarian. 1839. Juli.
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Verrenkungen der Halswirbel.
Lebel raquo;), Hurtrel d'Arboval2) u. A. halten sie für unwahrschein­lich, weil 1) bei ihrem Bestehen das Rückenmark sebr gedehnt, wenig­stens gedrückt und hierdurch nervöse Zulalle erzeugt sein müssten, — welche aber nicht bei diesen Patienten beobachtet werden; — 2) weil die Verbindung der Wirbel von der Art ist, dass die Gelenkfortsätze sich gegenseitig decken und stützen, daher die quot;Verschiebung der Wir­bel selbst nicht anders als mit Brüchen der Fortsätze verbunden sein könnte, letztere aber ebenfalls bei den Patienten in der Regel nicht gefunden werden; und — 3) weil oft die Heilung des Zustandes nach mehreren Wochen ganz von selbst erfolgt ist, — was aber bei einer wirklichen quot;Verschiebung der Wirbel nicht geschehen könnte. Rlan will daher den Zustand, den andere als unvollständige Verrenkung bezeich­nen, als eine Verdrehung des Halses betrachten, giebt aber den eigentlichen pathologischen Zustand dabei nicht näher an; Andere hal­ten denselben in manchen Fällen als in einer Contraktur der Muskeln begründet. Trotz jener Gründe bin ich doch, mit Rücksicht auf die stets plötzliche und gewaltsame Entstehung des Uebels und auf eigene Untersuchungen, genöthiget, unvollständige Verrenkungen und Verstau­chungen der Halswirbel anzunehmen; denn ich habe bei Sektionen sol­cher Pferde, die ich 3 — 5 Tage nach erfolgter Verletzung lödtele, Zcr-reissungen der Ränder der schiefen Fortsätze, Klutextravasatc zwischen ihnen, und die theilweise Verschiebung und Abweichung der Wirbel bis zu i Zoll von der Achse, gefunden. God ine hat sogar die Abwei­chung des Zahnfortsalzes des zweiten Halswirbels während des Lebens deutlich erkannt (a. a. O). Dabei gebe ich aber auch zu, dass sowohl durch heftige Quetschungen auf eine Seile des Halses, wie auch durch einseitige Lähmung oder durch rheumatische IMuskelcontraktur eine Verkrümmung des Halses entstehen kann; denn ich habe solche Fälle selbst beobachtet.
Die unvollständigen Verrenkungen der Halswirbel kommen am häufigsten an der Mille des Halses vor. Sie entstellen, wenn die Thiere vor- oder rückwärts heftig auf den Kopf stürzen, oder wenn bei Pfer­den beim Wenden der Hals vom Kutscher oder Reiter zu schnell und ungeschickt nach der Seite gerissen wird, oder wenn die Thiere dies selbst thim, z. B. wenn sie mit den Hinterbeinen in die Halfterstricke treten; ferner wenn die Thiere mit gekrümmtem Halse auf denselben niederstürzen u. dgl.
Die Zeichen dieser Verrenkung sind: Der Hals ist anhaltend gekrümmt und nach derselben Seite, von welcher derselbe ausgebogen, ist auch der Kopf hingekehrt; Hals und Kopf sind in manchen Fällen tief zur Erde gesenkt; bei der Untersuchung finden wir eine Unebenheit in der Reihe der Halswirbel und auf der Seite eine Vertiefung. Die Thiere sind dabei sehr matt, taumelnd, zuweilen ohne Frcsslust und oft gleich nach der Verrenkung ganz betäubt, oder die Theile unterhalb der ver­letzten Stelle sind mehr oder weniger gelähmt. Drückt der ausgerenkte
•) Recueil de médec. vétérin. Vol. II. p. 391. lS2ä. J) Wörterbuch der Tliierheilkunde Deutsch v. Renner, Bd. HI. S. 108. Weimar 1831.
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Verrenkungen der Halswirbel. Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;317
Wirbel aul das verlängerte Mark, so sind auch Convulsionen zugegen, und zwar sind diese oft auf der dem Drucke ausgesetzten Seite am stärksten.
Die Beurtheilung liisst sich während der ersten Tage nach der Verletzung nicht mit Sicherheit machen, da die Erfahrung gelehrt hat, dass einerseits in solchen Fällen, in denen das Uebel in hohem Grade bestand und wo selbst die nöthig scheinenden, mechaniseben lliilfsmitlel von den Thieren nicht geduldet wurden, nach einigen Tagen sich Bes­serung einfand und zuletzt vollkommene Heilung erfolgte, — anderer­seits aber in manchen Fällen, welche zuerst gar kein gefahrdrohendes Ansehen hatten,, die Heilung nicht zu bewirken war. Man kann die letztere mit ziemlicher Sicherheit holfen, wenn bei zweckmässiger Be­handlung die Thiere nach 3 — 4 Tagen den Kopf mehr in die Höhe heben, der Hals weniger schief, aber mehr fest gehalten wird, die Thiere am Ilinterthcil weniger schwanken und wenn sie ohne Fieber bleiben; unter enlgcgengcsdztcn Umständen ist die Aussicht sehr gering; denn die Thiere magern immer mehr ab und gehen bald früher, bald später an einer Lähmung zu Grunde, welche bei den durch die Be­wegungen der Thiere wiederholt hervorgerufenen stärkeren Verkrüm­mungen plötzlich entsteht. In recht günstigen Fällen erfolgt die Hei­lung nach 10—14 Tagen, gewöhnlich aber erst nach 4 Wochen. Zuweilen bleibt selbst bei den Thieren, welche wieder arbeitsfähig wer­den, eine kleine Biegung des Halses nach einer Seite, oder eine Grube an der Stelle der Verletzung zurück. Schrader sah bei einem drei­jährigen Füllen eine solche Grube von der Tiefe, dass man eine Faust hineinlegen konnte. Derselbe theilt auch mit, dass man, nach Have-in an ns Untersuchung solcher veralteter Schäden, nach dem Tode der Pferde an der coneaven Seite der Halswirbelsäule Knochenmaterie er­gossen findet •).
Behandlung. Nach der Ansicht älterer Thierärzte, namentlich Ammons2), Gohiers u. A. soll mau die Wiedereinrichtung der verschobenen Halswirbel auf die Art machen, dass man die an dieser Verletzung leidenden Pferde vorsichtig niederlegt und ihnen (nach Ammon) einen Klotz unter den Hals legt (dessen Nulzen aber nicht einzusehen ist); dann soll man ihnen ein Kummt oder ein ähnliches Halsband um den Hals legen, an dasselbe zu beiden Seiten Stricke binden, diese nach hinten führen und an denselben, so wie am Schweife, durch Gehülfen die Gcgcnausdchnung machen lassen; oder man be­festigt einen Beigart so um den untern Theil des Halses und um den vordem Theil der Brust, dass die Gefässe nicht zugeschnürt werden, und bewirkt an ihm die Zurückhaltung des Thieres und die Gegen-ausdehnnng. An einer gut ansehliessenden, mit Stricken versehenen Halfter macht man die Ausdehnung. Godine benutzte, um beide Wir­kungen stärker zu erzeugen, zwei Flaschenzügc oder Kloben, mittelst welcher er die Ausdehnung des Halses um 8 Centimeter (gegen 2| Zoll) bewirkte. Während der Ausdehnung und Gegenausdehnung drückt
') Busch, Teutsche Zeitschr. f. Thierheilk. Bd. III. Hfl. 3. S. 30. 'J Handbuch f. angehende Pferdeärzte. Zweite Auflage. Seite 29. Frank­furt 1820.
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Verrenkungen der Rucken- und Lendenwirbclbcine.
man den ausgewichenen Wirbel in seine Lage. Dies gelingt immer vollständig; aber kaum haben die Gehiilfeu mit dem Ausdehnen nach­gelassen und das Thicr bewegt den Kopf etwas, so tritt in den meisten Fällen die Verkrümmung sogleich wieder ein, so dass die Thiere selten mit geradem Halse von der Streu autVtehcn. Man muss daher noch, während sie liegen und der Hals in Extension ist, einen Verband anlegen, der am besten (nach Go hi er) aus zwei Hohlschienen von Holz oder starkem Blech besteht, welche genau nach der Form und Grosse des Halses gearbeitet sein und denselben von der Schulter, den Widerrüst mit einbegrilïen, bis über die änssern Kaumuskeln und die Ohrdrüse hinauf vollständig ciusehliessen-müssen; am obern Ende geht noch eine Verlängerung über die Schläfengegend bis zum Vorder­haupt. Diejenige Hälfte, welche auf die convexe Seile des Halses zu liegen kommt, ist an der auf die Ilcrvorragung Irell'endcn Stelle stark ausgeschnitten und beide Schienen sind an ihrer innern Fläche mit Werg gepolstert. Nach ihrer Anlegung werden sie durch eiserne Querbänder und Stricke mit einander verbunden und in ihrer Lage erhalten. Mittelst dieser Schienen bewirkte Go hi er binnen 9 Tagen die Feststellung des vorher sehr beweglichen und stets nach unten verkrümmten Halses; doch mussten dieselben noch ferner durch ei­nige Zeit angelegt und gegen eine entstandene Exostosis noch das Glüheisen applizirt werden. Alle andere von mir versuchte Bandagen fruchteten nichts, und ich sah mich mehrmals genölhigt, mich bloss darauf zu beschränken: dass ich die Wiedereinrichtung am stehenden Thiere bei gehöriger Ausdehnung und Gegeuansdehnong durch Drücken mit der Hand auf den hervorragenden Wirbel bewirkte, dann den Hals langsam etwas nach der bisherigen convexen Seile herumbog und einen an dieser Seite der Halfter befindlichen Strick mit seinem hin­tern Ende an den JJauchgurt so kurz anband, dass der Hals beständig ein wenig gekrümmt gehalten wurde. Die Thiere durften sich nicht nieder­legen. Hierbei wendet man, wenn Entzündungszufälle bestellen, kühlende Mittel an; sind jene Zufälle aber nicht zugegen, so macht man Ein­reibungen von warmem Oel oder Fett an die concave Seile, aber Wa­schungen mit aromatischen Infusionen, oder mit Spirituosen IMitteln, mit Kampherliniment und dergleichen au die convexe Seite des Halses. In veralteten Fällen und bei Exostosen kann man auch daselbst das Ung. Cantharidum, oder das Glüheisen in Punkten oder Strichen an­wenden.
b. Verrenkungen der Rücken- und Lendcnwirbclbeinc.
Diese Verrenkungen entstehen, wenn grosse Thiere ungeschickt niederstürzen oder niedergeworfen werden, wenn sie unter Wagen, unter Latierbäume und ähnliche für ihren Körper zu niedrige Gegen­stände kommen, wenn sie schwer bepackt oder mit einem schweren Reiter belastet über Gräben u. dgl. springen müssen, ferner nach star­ken Schlägen und Stössen mit harten Körpern u. dgl. Am häufigsten findet man das 16te mit dem 17ten und bei Pferden letzteres mit dem 18tcn Rückenwirbelbeine, den letzten Rückenwirbel mit dem ersten Lendenwirbel und diese unter sich bis zum 4ten Lendenwirbel verrenkt;
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Verrenkungen oder Versoliiebungcn der Beckenknochen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 319
vor dem 16ten Rückenwirbel und nach dem 4lcn Lendenwirbel gesche­hen die Verrcnkungeu selten; die der ersteren deswegen nicht, weil sie durch die Rippen in ihrer Lage befestiget werden, und die der letz­teren, weil die Darmbeine häufig die auf jene einwirkende starke Ge-vvallthätigkeileu aufhalten. Die Verrenkungen der Rücken- und Lenden­wirbelbeine sind selten rein und einfach, sondern in den meisten Fällen mit verschiedenen Brüchen der Wirbelbeine oder ihrer Fortsätze ver­bunden. Auch sind sie immer nur unvollkommen.
Die Hauplsymptorne bei diesen Verrenkungen der Rücken und Lendenwirbelbeinc sind immer die, welche von dem Drucke des ver­renkten Wirbels auf das Rückenmark herrühren und also ganz ähnlich denen, die bei den Brüchen der Wirbel, verbunden mit Einbrnck, und somit entstehender Reizung des Rückenmarks angegeben worden sind; da gleichzeitig in den meisten Fällen auch der Bruch eines Wirbelbeins zugegen ist, so müssen die Erscheinungen schon desswegen hier diesel­ben, wie oben bei den genannten Brüchen sein (pag. 474).
Die Vorhersagung ist bei diesen Verrenkungen sehr unbestimmt und eben so schlecht wie bei den einfachen Brüchen der Wirbelbeine; doch ist sie bei kleinen Thieren verhällnissmässig immer noch günstiger als bei grossen.
Die Behamllung kann nur versuchsweise unternommen werden und bei den grossen llausihiercn mehrentheils nur symptomatisch sein, da man eiue Wiedcreinrichlung des Wirbels nicht gut möglich machen kann. Vielleicht erreicht man diesen Zweck auf die bei den verrenk­ten Halswirbclbcinen aiigcgebene Weise. Bei kleinen Thieren ist diese Wiedereinrichtung eher zu bewirken. Man macht zu diesem Zwecke die Ausdehnung und Gcgenausdclmung, indem ein Gehülfe an dem Kopfe, der andere an dem Becken zieht; die Einrichtung wird dann durch den Thierarzt vermittelst Druck auf den verrenkten Wirbel zu machen ver­sucht. Die Behandlung der Entzündung, Geschwulst und Quetschung, so wie aller übrigen die Verrenkungen begleitenden Zufälle ist ganz ähnlich der bei den Brüchen der Wirbelbcine angegebenen. Ruhe, kalte Sturzbäder und stärkende Einreibungen leisten auch hier das Meiste.
Drittes Capitel.
Verrenkungen oder Verschiebungen der Beckenknochen.
Verrenkungen der Beckenknochen können im eigentlichen Sinne nicht vorkommen, da diese Knochen nicht durch Gelenke beweglich mit einander verbunden sind; es ist hier nur eine Abweichung (I)iasta-sis) der Darmbeine von dem Kreuzbeine und der Schaam- und Sitzbeine von ihrer gegenseitigen Zusammenfügung (in der Schaambeinsfügung, Syinphysis ossium pubis) und zwar nur bei Jüngern Thieren möglich.
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320nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Verrenkung des Schulter- und Armbeingelenks.
Diese Abweichung der Beckcuknochen entstellt gewühnlicli, wenn junge Thiere, besonders Füllen, mit der Hüfte sich an harte Gegen­stände stark andrängen, oder auf unebenen, harten Boden niederfallen. Die Thiere gehen in Folge dieser Abweichung mehr oder weniger stark lahm und einhüftig, mit schwankendem Kreuze. Oft ist der Zustand schwer mit Sicherheit zu erkennen, da auch Knochenbrüche mit diesen Symptomen erscheinen und die hier liegenden, die Knochen bedecken­den starken Muskeln eine ganz genaue Untersuchung nicht zulassen.
Die Vorhersagung ist unbestimmt; zuweilen heilen die Thiere voll­kommen, oft aber bleiben sie für immer einhüftig.
Die Behandlung. Man kann nur durch Ruhe des Thiercs, und in der ersten Zeit durch kühlende, später reizende Mittel, selbst die Kan-tharidensalbe, zur Heilung dieses Zustandes etwas beitragen.
Viertes Capitel.
Verrenkung des Schulter- und Armbeingelenks.
Vollkommene Ausrenkungen des Kopfes des Armbeins aus der Ge-lenkhöhle des Schulterblattes sind nur sehr selten, und ohne Zerreissung oder sehr heftige Ausdehnung des Kapsclbandes und mehrerer anderer um das Gelenk liegender Theile sind sie unmöglich. Man hat sie bei Pferden, Kälbern und Hunden beobachtet. Solche vollständige Verren­kungen enlslanden, wenn Pferde mit steif nach vorn gehalteucu Vor­derbeinen über Gräben sprangen und dabei mit den Füssen heftig an den Rand der letztem stiessen; ferner bei dem Stürzen in Gräben mit unter die Brust gelegten Füssen, bei dem Niederstürzen schwer bela-dener Lastpferde auf unebenen Wegen, bei dem Slcckcubleibcn in zä­hem Boden und wenn die Thiere sich sehr austrenglcn, aus demselben herauszukommen u. dgl. — Es wird dabei gewöhnlich der Kopf des Armbeins nach vorn und oben verschoben, doch kann dies auch in anderer Richtung geschehen.
Man erkennt diese Verrenkung daran, dass die Thiere nach einer heftigen Einwirkung plötzlich an einem Vorderlusse ganz steif und lahm sind und nicht auf denselben treten können; er erscheint verkürzt und ist eben so schwer zu beugen wie zu strecken; an der Seile des Schul­tergelenks, wo der Kopf des Armbeins hingetreten ist, sieht und fühlt mau eine von demselben gebildcle Erhöhung und unter der Gelenkhohle bemerkt man eine Grube; die Thiere zeigen bei angebrachtem Druck auf das Gelenk und bei den versuchten Bewegungen desselben grossen Schmerz, und gewöhnlich tritt bald ein Reizfieber hinzu.
Die Beurtheilung ist wegen der Zerreissung des Kapselbandes und wegen der Schwierigkeit der Einrichtung wenig günstig, indessen doch nicht absolut schlecht. Der Gestüts-Inspektor R o dlof f beobachtete und
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Verrenkung des Schulter- und Armbeingelenks.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 521
behandelte einen solchen Fall bei einem Militär-Pferde, bei welchem vollständige Heilung erfolgte1)- Mathorez desgleichen2), Matheron bei einem Kalbe3), und ich bei einem Pferde und bei einem Hunde. Die Heilung ist gewöhnlich binnen 2—3 Wochen geschehen. Doch kann auch eine unheilbare Lahmheit zurückbleiben, besonders, wenn die Zerreissungen und Quetschungen sehr bedeutend sind und die Hülfe spät und unvollständig geleistet wird. Findet nicht vollständige Wieder­einrichtung statt, bessern sich nach derselben die Thiere nicht binnen wenigen Tagen, so erscheint es als das Beste, die Kur nicht zu lange zu versuchen.
Die Behandlung. Das Thier wird vorsichtig niedergelegt und durch mehrere Männer mittelst um die Brust und das uulerc Ende des Halses gelegte Gurte, auch am Schwänze zurückgehalten; 2 bis 3 Männer be­wirken am Vorarm, am besten mittelst umgclegler Stricke, die Aus­dehnung durch Ziehen nach unten und vorn und ein wenig nach der­selben Seite hin, an welcher der Gelenkkopf steht. Der Thicrarzt leitet während dessen mit seinen Händen den Gelenkkopf zur Gelenk­höhle und letzterer springt gewöhnlich, wenn die Ausdehnung hinrei­chend geschehen, mit einem lauten Ruck in die Höhle zurück. Man macht dann einige rolirende Bewegungen mit dem Fusse und lässt das Thier vorsichtig aufstehen. Ein wirklich haltender Verband ist schwer anzubringen, aber auch gewöhnlich nicht erforderlich, da die Muskeln das Glied in der regclmässigen Lage erhalten; sollte dies aber nicht geschehen (wie z. B. in dem Fall von Mathorez), so kann man den Fuss in die Rinnmaschine stellen (S. Bruch der Vorderbeine S. 480) oder auch ihn während der ersten Tage durch einen Gehülfen durch Halten mit den Händen unterstützen lassen. — Zur Beseitigung der Entzündung lässt man fleissig mit Bleiwasser, oder mit Oxykrat, später mit einer Auflösung von Alaun oder mit anderen adstringirenden, so wie mit Spirituosen Mitteln befeuchten. Wo grosse Erschlaffung oder chronische Entzündung zurückbleibt, wendet man das Ung. Canthari-dum oder das glühende Eisen an.
Unvollständige Verrenkungen und Verstauchungen kommen an dem Schulter-Armbeingelenk häufig vor. Dieselben bestehen in Quetschung und Erschütterung der Gelenkenden der Knochen, in zu starker Aus­dehnung, Zerrung, Quetschung und Entzündung des Kapselbandes, des Endes der Sehne des langen Beugemnskels des Vorarms, in seltenen Fällen auch mit einer Abweichung des Endes dieser Sehne aus der nor­malen Lage von der vorderen, mittleren Erhabenheit des Armbeins, und oft sind sie gleichzeitig mit Quetschung, starker Ausdehnung und Ent­zündung der weiter um das Gelenk liegenden und der auf dasselbe wir­kenden Muskeln, besonders des gemeinschaftlichen Kopf-, Hals- und Armbeinmuskels, des vordem und hintern Grätenrauskels u. dgl. ver­bunden. In diesen Fällen sind die leidenden Muskeln zuweilen sehr zu-
') Briefliche Mitlliellung. gt;) Hurtrel d'Arboval Wörterb. Ill, p. 11. fc ') Ebendaselbst.
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Verrenkung des Schulter- und Armbeingelenks.
sammengezogen, oft aber auch im Gegentheile, besonders in der spätem Zeit sehr eischlaiït.
Diese genannten verschiedenen Zustände verursachen sämmtlich mehr oder weniger bedeutendes Lahmgehen, welches mau wegen seines Sitzes am Buge oder dem Buggelenke als Buglähmung1), Schalter-lähmuug, auch selbst ßrustlähmung, richtiger Buglahmheit u. s. w. zu nennen jiQegt. Die von diesen Zuständen entstandene Lahm­heit ist jedoch nur eine Art der Buglahmheiten; denn letztere können auch noch aus ganz anderen Ursachen entstehen und ihrem Sitze und ihrem Wesen nach sehr verschieden von der jetzt in Rede stehenden sein2).
') Als Lähmung (Paralysis) darf man diese und ähnliche Lahmheiten nicht bezeichnen, da sie nicht in einem Aufhören der Nerventhätigkeil begrün­det sind, sondern es ist nur ein Lahmgehen oder Hinken (Claudicatio). Letzteres ist nur Erscheinung (Symptom) sehr verschiedener krankhafter Zustände, die Lähmung kann aber als krankhafter Zustand selbst bestehen und sie muss, wenn sie an den Gliedmassen besteht, mit Lahmgehen begleitet sein.
2) Im Volke gilt als Buglahmheit, oder Brustiahmheit jedes Lahmgehen, welches seinen Sitz in dem Buggelenk oder in dessen Umgegend, selbst im Ellenbogengelcnk, in und unter der Schulter, vorn an der Brust und in dem untern Ende des Halses hat. Aber schon ältere Rossärzte, wie namentlich Solleysel undKcrsting (Nachgelassene Manuskripte, herausgeg, v. Sothen Berlin 1792, S. 405) unterschieden mehrere Arten von Buglahmheit, und we­nigstens muss man folgende Verschiedenheiten beobachten:
1)nbsp; nbsp;Quetschungen an verschiedenen Stellen des Schulterblattes und der an das­selbe sich ansetzenden Muskeln, wie z. B. am obern Ende durch fehler­hafte Sättel;
2)nbsp; nbsp;Brüche an verschiedenen Stellen des Schullerblaltes, namentlich am obern Ende und in der Mitte desselben;
3)nbsp; nbsp;unvollständige Verrenkungen und Verstauchungen, oder Quetschungen, Er-schülterungen, Ausdehnungen des Schultcrgelenks, des gemeinschaftlichen Muskels u. s. w., wie oben abgehandelt wird;
4)nbsp; nbsp;Ebenso am Ellenbogengelenk;
5)nbsp; nbsp;Verschiebung der Sehne des langen Beugers des Vorarms;
6)nbsp; nbsp;das sogenannte Abbiegen des Schulterblattes und des Anns;
7)nbsp; nbsp;Rheumatismus;
8)nbsp; nbsp;Contraktur der Muskeln und Sehnen an der Schulter, am Arm u. s. w. und
9)nbsp; nbsp;Lähmung der Streck- oder der Beugemuskeln des Anns und Vorarms. Die Erkennung der sub 1 bezeichneten Quetschungen ist bei einer gründ­lichen Untersuchung aus den örtlichen Zufällen (nach S. 223 und 224) und zuweilen auch aus dem Vorbericht leicht zu erlangen. LTeber die Brüche der Schuller siehe S. 477. Das sub 5 erwähnte Abbiegen des Schulterblattes und Armbeins erfolgt, wenn die Thiere mit den Vorderbeinen nach aussen gleiten oder wenn sie über die Deichsel oder über Stricke, über Latierbäume u. s. w. getreten sind und sich bemühen, wieder zurück zu kommen. Bei dem hierbei oft wiederholten ruckweis erfolgenden Niederfallen mit der seitlich gehaltenen Gliedmasse auf diese Gegenstände, oder seihst bei den Prellungen von denselben erfolgen Quetschungen und starke Ausdehnungen, ja selbst theilweise Zerreis-sungen der Muskeln, welche das Schulterblalt und Armbein an die Rippen und das Brustbein befestigen, [des Subseapularis und seiner Sehne (Rigot, im Journ. de méd. vétérin. 1827. p. 197), des Pecloralis minor, Latissimus pectoris, .fee-
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Verrenkung des Schulter- und Armbeingclcnks.
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Die Gelegenheitsursachen, durch welche die unvollsländigen Ver-rcnkungeu und Verslauchungen cnlstchen, sind sehr maunigraltig; man kann im Allgemeiueu alle Gewaltlhatigkciteu, namentlich Stösse und Schläge, welche auf das Schultergclenk oder dessen Umgebung wirken, (laz.u rechnen. Sehr häufig werden sie erzeugt durch heftiges Gegen-laufcn mit dem Buge au feste Körper i. B. an die Krippe1 ), durch ungeschicktes Niederstürzen oder Aufstehen, durch plötzliches Ausglei­ten der Füsse, durch plötzliches Pariren, durch Prellungen bei dem Auf­springen auf harten Boden mit steif gehaltenen Gliedmassen, plötzliche Wendungen nach einer Seite, während die Füsse noch feststehen u. s. w. besonders bei Last- und bei Reitpferden. Die Ansichten der Thierärzte sind darüber noch abweichend: ob die Buglahmheit auch durch Anstren­gungen und heftige Bewegung beim Reiten entstehe? Nach Kerstings2) Erfahrung soll hierdurch diese Lahmheit sehr selten verursacht werden, obgleich man glauben sollte, dass dies bei der Beschaffenbeit des Ge­lenks und bei den verschiedenen heftigen Bewegungen der Pferde wäh­rend des Reitens leicht erfolgen könnte. Andere behaupten das Gegen-theil. Gerlach3) betrachtet als Ilaupi Ursachen dieser Buglahmheiten
1)nbsp; uugleichmässige Verthcilung der Körpcrlast und der Last des Reiters,
2)nbsp; Erschütterung von unten, Unwirksamkeit des Deltoideus und hier­durch bedingte uuregelmässige Wirkung der übrigen Muskeln der vor­dem Exlreuiilät.
Diagnosis. Bei frisch entstandenen Leiden der Art zeigt das Thier bei gelindem Druck mit der Hand auf und um den Bug Schmerz, oft auch vermehrte Wärme, seltener Geschwulst. Diese örtlichen Zufälle sind oft sehr gering, und im veralteten Zustande fehlen sie oft gänz­lich; sie können dcsshalb allein die Diagnose nicht begründen, zumal sie sehr oft aus anderen Ursachen wie durch Einreibungen von schar­fen Wittein hervorgerufen werden können. Das Thier hält gewöhnlich im ruhigen Zustande den Schenkel etwas von der Brust ab und den
foralis major, Serra(us anticus major u. s. w.]. Man erkennt diesen Zustand daran, dass die leidende Gliedmasse sowohl im Stehen wie auch bei dem Ge­hen immer von der Brust weg und nach aussen gehalten wird, während der quot;esunde Fuss immer mehr in der Mittellinie unter der Brust steht. — Ueber Uheumatismus s. S. 82 u. f. — Die Contraktur an den Muskeln und Sehnen des obern Theils der Gliedmasse äussert sich besonders durch grosse Trocken­heil und Spannung an diesen Theilen. Es wird davon in der X. Classe ge­handelt. — Die wirkliche Lähmung (Paralysis) findet sich sehr selten und äussert sich durch gänzliche Erschlaflung der Muskeln bei Mangel an Kmpfind-lichkeit in denselben und bei dem Fehlen anderer örtlichen Symptome; das Glied ist immer nach der der Lähmung entgegengesetzten Seite verzogen oder es hängt schlaff herab — Die Beurtheiiung und Kur dieser verschiedenen Zu­stände muss dem Wesen und Grade derselben angemessen sein.
') Die allen Rossärzle haben diese Lahmheit B ährl ah mh eil oder Bahr­iah ruh e it genannt, verninllilich aus dem Grunde, weil die Pferde sich sehr häufig die Buglahmheil beim starken Andrängen an die Krippe, welche in Süddeutschland die Bahre, der Barn heisst, zuziehen.
2)nbsp; Nachgelassene Manuskripte, herausgeg. von v. Sothen, Berlin 1792.
3)nbsp; nbsp;Magaz. f. Thicrheilk. V. Bd. S. 464.
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Verrenkung des Schulter- und Aimbeinnelenkg.
Huf nach vom gesetzt, die Zehe desselben aber nach ausscn; sie lah­men besonders bei stärkeren Wendungen auf den kranken Fuss oder nach der leidenden Seile zu, wobei zugleich bei jedesmaligem Durch­treten mit dem kranken Fusse der Kopf tief herabgebeugt, dann aber sogleich weder erhoben wird, welches letztere darin seinen Grund hat, dass der gemeinschaftliche Muskel des Kopfes, Halses und Armes immer mehr oder weniger in Mitleidenschaft gezogen ist und darin, dass die Thicre die Last von dem kranken Fusse auf die anderen Fiisse wer­fen1). Das Pferd kann die Gliedmasse im Schulter- und im Ellenbo-gengelenk weder gehörig beugen noch strecken und desswegen auch nicht beim Vorwärts- und Kückwärtstrcten die Glicdmasse leicht und vollständig in die Höhe heben. Desshalb bewegt es beim Vorwärts­gehen den Fuss nicht grade nach vorn, sondern wirft den ganzen Schenkel von der Schulter an, etwas seillich — nach vorn und aussei], #9632;— beim Zurücktreten aber schleppt es gewöhnlich den Fuss (die Zehe) auf dem Boden und senkt sich nach der leidenden Seite. Aus demsel­ben Grunde stolpert das Thier leicht über erhöhete Gegenstände, welche auf dem Boden liegen und es hinkt bei dem Bergaufsteigen mehr als beim Bergabsteigen; zuweilen zeigt es Aeusserung des Schmerzes beim Aufheben des Fusses, wodurch diese Lahmheit sich von der Hufiabm-heit charakteristisch unterscheidet. Die meisten dieser Symptome zeigen zwar deutlich, dass der Vorarm nicht gehoben werden kann, dass überhaupt die freie Bewegung desselben leidet, nicht aber, dass gerade das Gelenk allein, oder der eine oder der andere Theil in der Nähe desselben leidet. Die spezielle Diagnosis ist oft sehr schwer, besonders wenn örtlich keine Symplome von Quetschung, Entzündung oder Ver­wundung zugegen sind.
Wenn die von Dieterichs (Veter. Chirurgie Ikrl. 1822, S. 488) zuerst angegebene Abweichung des knorpeligen Theils der Sehne des langen iicugemuskels des Vorarms von der vordem mittleren Erhaben­heit des Armbeins besteht, ist auch stets eine Contraktur dieses Mus­kels mit vorhanden, welche man, so wie die Verschiebung selbst, deut­lich fühlt. Das Lahmgchcu ist so, wie oben bemerkt worden2).
Hat eine Buglahmheit schon seit einiger Zeit gedauert, so verän­dert sie oft ihren Charakter, indem die Entzündung unter sehr gelinden Zufällen chronisch wird, oder indem sie sich ganz verliert und dafür eine Eischlaflung der leidenden Theile eintritt. In diesem Zustande ist die Buglahmheit eine veraltete. Man ei-kcnnt eine solche veraltete Buglahmlicit aus dem gänzlich fehlenden oder im Verhältniss zum Hin­ken sehr geringen Schmerze, au der geringen Gegcnanstrengung und Kraft, welche das Thier zeigt, wenn man das leidende Glied nach
') Desshalb sagen die französischen Thierärzte: das Pferd hinke mit dem Ohre.
1) Die Abweichung dieser Sehne findet so höchst selten statt, dass ich dieselbe im Verlaufe von fast 30 Jahren unter einer Zahl von mehreren Tau­senden buglahmer Pferde nicht einmal zu sehen Gelegenheit hatte. Die Sehne liegt aber auch durch die beiden Schenkel der Sehne des vordem Grätenmus­kels u. s. w. sehr geschützt.
IM
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Verrenkung des Schulter- und Armbeingelenks.
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hinten zieht; zuweilen (wenn das Thier schon behandelt worden ist) an den vorhandenen kahlen und harten Stellen und Narben der Haut, und an der Abmagerung (Schwinden) der um das Buggelenk und an der Schulter liegenden Muskeln. Die Untersuchung wird in allen Fäl­len hier in der Art zu machen sein, wie es S. 87 angegeben ist.
Prognosis. Mit der Beurtbeilung muss man bei der Buglahmheit vorsichtig sein, da die Heilung derselben sich sehr oft in die Länge zieht und der Ausgang ungevviss ist Im Allgemeinen kann man annehmen, dass neu entstandene Buglahmheilen und wenn sie nicht zu heftig sind, heilbar, dahingegen aber die veralteten sehr häufig unheilbar sind. Eine genauere Berücksichtigung des eingetretenen pathologischen Zustandes ist zu einer richtigen Beurtbeilung durchaus nothwendig.
Bei der Behandlung kommt es darauf an, ob die Lahmheit frisch entstanden oder schon mehr veraltet, und ob die Sehne des langen Beugeinuskels mit ihrem knorpeligen Thcile aus der normalen Lage ge­wichen ist oder nicht. Wenn ein solcher Fall besteht, muss zuerst die Zuiückbringung der ausgewichenen Sehne in ihre natürliche Lage bewirkt werden. Zu diesem Zwecke zieht mau den leidenden Fuss recht stark nach vorn, hebt ihn in die Höhe, um den langen Beuge­rn uskcl zu erschlaffen und drückt dann mit den Fingern die ausgewi­chene Sehne in ihre Lage zurück, worauf sich bald die übermässige Zusannnenzieluing dieses Muskels und der Schmerz mindern.
Die übrige Behandlung ist nach gemachter Wiedereinrichtung und auch überhaupt bei allen anderen Bnglahniheiten zum grössten Theile sehr ähnlich der bei den (^uclsclmngcn angegebenen. •— In der ersten Zeit der Lahmheiten, wo die Zufälle noch entzündlicher Art sind, wen­det man die Kälte auf diejenigen Stellen, welche durch die Geschwulst oder den Schmerz als am meisten leidend sich zeigen, oder von denen man weiss, dass die vorausgegangene Gewaltthätigkcit sie betroffen habe, anhaltend durch 2 — 3 Tage oder so lange an, bis die Symptome der Entzündung sich deutlich vermindert haben. Man macht Umschlage oder Befeuchtungen von kaltem Wasser, mit oder ohne Essig, von Bleiwasscr, von Salzwasser, von einfachem Oxykrat u. dergl. Wenn aber die Zeichen der Entzündung sich massigen, geht man zu den ver­schiedeneu reizenden Mitteln auf die Art über, dass man bei den ge­lindern anfangt und allmalig immer stärkere, zuerst kalt, später warm als Einreibungen und Salben anwendet; man geht vom zusammenge­setzten Oxykrat zu reinem Braiinlwein, zum Kampfergeist, Seifengeist und zerthcilenden Kräutcraufgüsscn u. dgl. über. Erfolgt hierauf keine merkliche Besserung, nimmt der Zustand die Beschaffenheit einer ver­alteten Lahmheit au, oder bekommt man ihn als solchen schon in die Behandlung, so kann man nur allein von den stärksten Reizmitteln noch Hülfe erwarten. Man macht Einreibungen von Terpeuthinöl, Stein­oder Wacholderöl, Salmiakgeist, Kantharidentinktur und der Kanlha-ridensalbe. Diese Mittel werden etwa 2 Tage hinter einander täglich zweimal in den Umfang der leidenden Stelle eingerieben und dann werden sie wieder einen auch 2 Tage ausgesetzt; es erfolgt so in kurzer Zeit grosse Empfindlichkeit der Haut, Entzündung derselben mit Exco-riatioucn und Schorfbildung. Kräftig erregend, aber die Haut nicht an­greifend wirkt auch das Aufspritzen eines kräftigen Wasserstrahls mit-
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Verrenkungen des Vorarms mit dem Arinbein.
telst einer Spritze (die Douche). Bewirken auch diese Mittel nach 6'—Stägiger Anwendung keine Besserung, so gehe man ohne Verzug zu den stärksten Reizmitteln als den Fontanellen, Haarseiten und zu dem glühenden Eisen über und bewirke dadurch eine angemessene Eite­rung, die man 8 —12 Tage zu unterhalten sucht. Es genügen in den meisten Fällen die gewöhnlichen, bekannten Reizmittel in den Fonta­nellen; doch kann man in recht hartnäckigen Fällen auch ein Stückchen Aetz-Sublimat, oder Kupfervitriol, oder Nieswurz in die Fotanellhöhle bringen oder auch nach Nanzio das glühende Eisen in derselben ap-pliziren. Das ehedem üblich gewesene Abblasen des Schulterbialles ist als schädlich zu unterlassen. Die Besserung erfolgt hierbei erst nach mehreren Tagen, zuweilen erst nach Wochen und Monaten.
Sehr häufig findet sich bei länger dauernden Lahmheiten eine Ab­magerung (Schwund) des kranken Gliedes ein und bleibt auch selbst nach der Heilung zurück. (Siehe XUI. Classe).
Während der ganzen Kur ist bei allen Arten von ßuglahmheitcn eine strenge Ruhe des Thieres durchaus nolhweudig; selbst niederlegen darf sich ein solches Thier innerhalb 10—14 Tagen nicht und aus dem Stalle soll es in den ersten 6 — 8 Tagen aucii nicht kommen, wenn besondere Umstände es nicht erfordern. Die Bewegung, welche man nach erfolgter Heilung solche Thiere machen lässt, muss nur im Schritte und sehr massig sein, und kurze Wendungen zur kranken Seite müs­sen ganz vermieden werden. — Da die Pferde nach so langer Ruhe aber meistens sehr übermüthig werden und stark springen, wenn sie aus dem Stalle kommen, so suche man dies vorher schon dadurch et­was zu verhüten, dass man ihnen während der Behandlung nicht so viel Futter giebt, als sie vorher erhalten halten. —#9632; Bei den sämmtli-chen übrigen Hausthieren kommt die Buglähmung sehr selten vor; sie wird, wo sie sich findet, wie die der Pferde behandelt.
Fünftes Capitel.
Verrenkungen des Vorarms mit dem Armbeine.
Bei Pferden kann eine wirkliche Verrenkung im Ellbogcngelenke wegen der so tiefen halbmondförmigen Gcleiikgrube unter dem Kronen-fortsatze des Ellbogenbeins und wegen der festen, unbeweglichen Ver­bindung dieses letztem Knochens mit dem Vorannbeinc (der Speiche, Radius) nicht anders, als zugleich mit einem Bruch des Ellenbogens entstehen, bei den Wiederkäuern und beim Schweine aber nicht leicht anders als mit glcichzeiligcr Zcrrcissung von Gelenkbändern vorkommen. Aus dem angegebenen anatomischen Grunde kommen selbst nicht un­vollkommene Verrenkungen an diesem Gelenke bei Pferden, wohl aber zuweilen Quetschung, heftige Entzündung und Ausdehnung der Gelenk
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Verrenkungen des Vorarms mit dem Armbeine.
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bänder und der bier liegenden muskulösen und sehnigen Theile vor und veranlassen ein der Buglahmheit sehr ähnliches llinken. Man erkennt diesen Zustand sehr leicht, indem man ganz deutlich sieht, dass ein solches Pferd den Vorarm nicht beugt; ausserdem zeigt es Schmerzen beim Druck mit der Hand auf den leidenden Ort und wenn ein Stoss u. dgl. vorherging, so ist auch Geschwulst zugegen, sonst fehlt die­selbe. — Bei llunden und Katzen, wo die Verbindung der beiden Vor­armsknochen mit einander beweglich ist, erfolgen vollkommene und un­vollkommene Verrenkungen des Radius, und zwar sowohl nach der inneren als nach der äusseren Seite hin, ohne dass dieselben jedesmal mit Knochenbrüchen und mit Zerreissungen der Gelenkbänder verbun­den sind. Doch können diese Zufälle eben so wie au andern Theilen
Das Ellbogenbein behält bei solchen einfachen Verrenkungen ge­wöhnlich seine natürliche Stellung und Lage.
Man erkennt diese Verrenkungen des Radius vorzüglich daran, dass das Thier stark hinkt, der leidende Fuss etwas verkürzt erscheint, der Vorarm massig vorwärts gebogen und zugleich der ganze Fuss mit der Zehe mehr nach innen oder aussen (immer der Seile, wohin der Kopf des Radius gewichen, entgegengesetzt) gerichtet ist, — dass man den aus seiner Lage gewichenen Kopf des Radius selbst neben dem untern Ende des Armbeins, au der iunern oder äussefn Seite desselben fühlt und dass das Thier bei der Berührung dieses Theils Schmerzen zeigt. Zu­weilen findet sich sehr bedeutende Anschwellung des Gelenkes ein.
Die Vorhersagung ist (bei den kleinen Thicreu) in den Fällen, wo die Verrenkung noch neu und ohne Complikaliouen ist, und wo die Thicrc nicht zu widerspenstig und unruhig sind, fast immer gut; denn die Heilung erfolgt bei angemessener Behandlung vollkommen. Im ver­alteten Zustande aber und mit Knochenbrüchen, Zerreissungen der Bän­der und mit heftigen Quetschungen verbunden, bei sehr unruhigen Thie-ren ist die Heilung nicht zu erreichen und es bleibt selbst in günstigen Fällen ein fortdauerndes Hinken zurück.
Die Behandlung beruht auf den allgemeinca Grundsätzen. Die Ausdehnung wird am untern Ende des Vorarmes durch Ziehen in der Richtung nach hinten und zugleich etwas nach aussen oder innen zu, je nachdem der Fuss nach aussen oder innen gerichtet ist und dieser Richtung cntgegcugesclzt, gemacht. Die Wiedereinrichtung bewirkt man dann durch einen hinreichend starken Druck mit der Hand gegen den ausgewicheneu Gelenkkopf des Radius.
Nach gemachter Wiedereinrichtung legt man auf die Stelle des Gelenks, zu welcher der Kopf des Radius hin gewichen war. eine kleine Compressc und Schiene, und umwindet den oberen Theil des Vorarms und das Gelenk mit einer Klcisterbindc, oder nach Delabere Blain e mit einem Pechpflaster. — Bei grossen Thicren wird das ganze Gelenk mit Werg umwickelt, gegen den Kopf des Radius, auf der Seite, wo er hingewichen war, eine dicke Compressc gelegt, dann bringt man an beide Seilen des Vorarms Schienen wie bei einem Bruche und befesti­get das Ganze mit einer Binde.
Dieser Verband muss 6 — 8 Tage liegen bleiben und während
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32S Verrenkungen des Yorderkniees oder der vordem Fusswurzel,
dieser Zeit entweder mit kaltem Wasser, mit Bleiwasser oder später mit schwach Spirituosen Mitteln befeuchtet werden.
Sechstes Capitel.
Verrenkungen des Yorderkniees oder der vordem
Fusswurzel.
Verrenkungen, oder vielmehr Verschiebungen dieser Knochen kön­nen nur mit gleichzeitiger Zerreissung mehrer ihrer kurzen festen Bän­der und nur bei sehr heftigen Einwirkungen entstehen. Sie sind daher auch fast immer mit heftiger Quetschung und mit Brüchen verbunden. Bei den kleinen Thieren weicht zuweilen das untere Ende des Badius oder das des Ellenbogenbeins allein, in andern Fällen aber weichen beide Knochen zugleich voii der obern Reihe der Knieknochen, oder es weicht die obere Reihe von der unlern ab, und bei allen Thieren können einzelne dieser Knochen aus der Reihe der übrigen treten.
Es findet sieh Steifigkcit des Gelenks, Anschwellung und Schmerz an demselben; und man fühlt, wenngleich in manchen Fällen nur un­deutlich, die Abweichung der Knochen; zuweilen ist die Gliedmasse im Knie nach der einen oder der andern Seite gekrümmt; immer ist die Lahmheit sehr gross.
Die Prognosis ist bei Pferden sehr ungünstig, weil die Reduktion, noch mehr aber die Reposition sehr schwierig ist. Bei kleinen Thieren kann die Wiederherstellung in etwa 2 — 4 Wochen geschehen; zuwei­len bleibt aber auch bei ihnen Sleifigkeit und Verdickung des Kniees zurück.
Die Kur besteht in der Wiedereinrichtung nach allgemeinen Regeln; in dem Anlegen von Compressen und Schienen auf die Seite des Kniees, wo die Knochen hingewichen waren; in umgelegten Binden; in Besei­tigung der Entzündung mit kühlenden Mitteln und in Ruhe. Die Folge­krankheiten verlangen resorbirende Mittel, selbst Kantharidcn und das Brennen.
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Verrenkungen im Fessel- oder Köthengelenk.
Siebeules Capitel.
Verrenkungen im Fessel- oder Köthengelenk. (Das sogenannte Ueberköthenl).
Unter allen Verrenkungen entstehen bei Pferden die im Schien-bein-Fesselgclenk am häufigsten, und zwar sowohl an den vordem, wie auch (und noch häufiger) an den hintern Gliedmassen. Es weicht dabei fast immer der Kopf des Fesselbeins nach hinten, das untere Ende des Schienbeins nacli vorn über denselben hinweg, selten nach einer Seile oder nach hinten. — Die Verrenkungen sind iu den meisten Fällen unvollständig und bestellen dann hauptsächlich in einer zu star­ken Ausdehnung des Kapselbandes, der Sirecksehne des Hufbeins und auch wohl der Seitenbänder, und oft ist auch eine Quetschung und Erschütterung der Gelenkeodeu (eine eigentliche Verstauchung) mit zu­gegen. Im weiteren Verlaufe tritt Entzündung hinzu, welche fast immer chronisch wird, die Theile um das Gelenk verdicken sich, besonders die an der hintern Seite liegenden; die hier befindlichen Beugesehnen verkürzen sich allmälig immer mehr und der Fuss wird dadurch in seiner Stellung und in seiner Beweglichkeit verändert.
Vollkommene Verrenkungen kommen weit seltener vor und sind meistens mit Zcrreissungen des Kapselbandes und der Strecksehne des Hufes verbunden; doch kann in dem Falle, wo eine unvollkommene Verrenkung schon seit längerer Zeit bestand, oder wo sie mehrmals Statt gefunden hatte und wo also eine grosse Schwäche und Erschlaf­fung der Bänder und der Sehnen zugegen ist, eine wirkliche Verren­kung auch ohne Zcrrcissung sich ereignen. Zuweilen ist gleichzeitig ein Bruch mit zugegen.
Die Gelegetihcitsursachen zu diesen Verrenkungen sind gewöhnlich Fehltritte, besonders auf unebenem Wege, Ausgleiten auf glattem, schlüpfrigem Boden, heiliges Anstossen an feste Gegenstände mit der in die Höhe gerichteten Zehe des Hufes, Steckenbleiben des Fusses ia einem Loche oder in tiefen Fahrgeleisen, zu kurzes oder schnelles Um­wenden des TMers, heftige Zerrungen und Dehnungen, wenn die Thiere mit den Füssen über die HalCteikelte oder Stricke treten u. s. w.
Diagnosis. Bei den unvollkommenen Verrenkungen ist die Stellung und Richtung des Fusses von der gesunden Stellung in der Art abwei­chend, dass die Thiere gewöhnlich nicht auf dem ganzen Fusse, son­dern nur auf der Zehe stehen, indem sie das Fessclgelenk nach vorne biegen. Bei den höhern Graden des Uebcls geschieht dies so stark, dass die vordere Fläche der Hufwand und des Gelenks selbst die Erde
') In der Volkssprache heisst es bei diesen Verletzungen gewöhnlichj ,,das Pferd hat überkölhet oder über das Köthengelenk oder Kothgelenk ge­schossen oder iretreten.
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Verrenkungen im Fessel- oder Kötliengelenk. Behandlung.
berührt. Doch köniicu die Thiere hier, besouders bei den minderen Graden, mit der ganzen Sohle auf den Boden treten, und sic than dies oft, so dass man in diesen Momenlen wenig oder gar nichts Abnormes an der Stellung des Fusses wahrnehmen kann. Es lindet sich jedoch bald wieder jene Stellung ein. Hinsichllich der hinzutretenden Enlzün-dungszufälle zeigt sich in den einzelnen Fällen grosse Verschiedenheit; gewöhnlieh ist in den ersten 24 Stunden uichls von ihnen zu bemer­ken und auch später sind sie mehrcntheils nur sehr gering und nicht im Verhältniss zur Lahmheit; doch ist zuweilen das Fessclgelenk ziem­lich stark geschwollen, bei dem Berühren schmerzhaft und mit erhöhter Wärme begabt; auch zeigt, dann das Thier viel Schmerz, wenn es geht, oder wenn mau den Fuss im Fessclgelenk vor- und rückwärts oder zur Seite bewegt; zuweilen ist auch die Anschwellung des Fusses nach dem Verlaufe der Sehnen bis ans Knie- und Sprunggelenk hinauf; bei dem Gehen tritt es im Fessclgelenk gar nicht oder nicht gehörig durch (d. h. das Fessclgelenk wird nicht gehörig gebeugt und seine hintere Seile nicht nach dem Boden zu hcrabgescnkl), sondern es knickt bei jedem Fortschreiten mit dem sonst nach hinten stehenden Fessclgelenk nach vorn über und besonders dann, wenn es über einen erhöhten Gegenstand schreitet; es scheint dabei oft eine doppelte, knickende Be­wegung im Fessclgelenk zu geschehen, welche man bei dem Gehen im Schritt am besten bemerkt. Bei dem Traben wird der Fuss mehr steif und zuckend bewegt, jedoch auf keine charakteristische Weise. Bei den höheren Graden des Uebcls sieht und fühlt man das untere Ende des Schienbeins vor dem Gelenke wie eine runde Beule und eben so fühlt man die Ausweichung der Knochencndcu zur Seile und nach hinten. Dieses Hervortrcleu der ausgewiclicncn Knochencndcu ist je­doch nicht fortwährend gleichmässig deutlich wahrzuneliincn, weil die­selben zuweilen wieder in ihre natürliche Lage zurücktreten und erst bei einer wiederholten Bewegung wieder ausgleiten, und zuweilen hin­dert die grosse Entzündungsgeschwulst die deutliche Erkennung.
Die vollkommene Verrenkung giebt sich durch eine ähnliche Stel­lung im Fessclgelenk, wie eben angegeben ist, zu erkennen; diese Stel­lung ist hier aber gleichmässig andauernd, weil die Ausweichung der Gelenke ohne Unterbrechung fortbesteht. Letztere bilden auch einen deutlich fühlbaren Absatz gegen einander; die Beweglichkeit des Fes­selgelenks ist völlig aufgehoben und im frischen Zustande besteht Schmerz, Geschwulst und Wärme in stets deutlich wahrnehmbarem Grade.
Die Vorhersagung ist bei den unvollkomnicneu und noch frischen Verrenkungen des Fesselgelenks ziemlich günstig, weil unter diesen Umständen durch zweckmässige Behandlung noch eine vollkommene Heilung zu erlangen ist; dahingegen sind die vollkommenen und alle veralteten Verrenkungen sehr schwer zu beseitigende Zustände; sie dauern sehr lange und lassen häufig einen sogenannten Stelzfuss und bleibendes Hinken zurück, so dass ein solches Thier sehr wenig und nur zu langsamem Dienste gebraucht werden kann.
Bei der Behandlung aller Fcsselgclenkvcrrenkungen hat man zuerst dem Pferde einen angemessenen Stand des Fusses zu besorgen, so dass es im Fessel gehörig nach hinten durchtreten muss. Hierzu schneidet
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Verrenkungen im Fessel- oder Köthengelenk. Behandlung,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;531
man zu hohe Trachten iiicder und bei besdilageneu Hufen lässt man die etwa mit hohen Stollen verscheuen Hufeisen sogleich abnehmen und die Tlriere dann während der Heilung entweder ganz ohne Eisen stellen, oder man legt ihnen solche auf, welche am Zeheutheile bedeu­tend dicker, als am Ende der Arme, oder an dem erstcren mit einem Grille versehen sind. Bei vollständiger Verrenkung ist es, um Erschüt­terung und neue Ausdehnung zu vermeiden, zweckmässig, das Hufeisen an den Huf zu schnallen. Um das fernere Ueberköthen und das Stützen des Fesseis auf die Zehe zu verhüten, hat man mit Nutzen auch ein Hufeisen, welches am Zchenlheile mit einem horizontalen,-3 — 4 Zoll langen Schnabel versehen ist (das sogenannte Schuaheleisen), angewendet1). Sehr gut ist, es, wenn das angewendete, auf die eine oder andere Art verfertigte Hufeisen so eingerichtet ist, dass man an seinem vordem oder hinlern Thcile eine nach der Stellung der gesun­den Gliedniassc gelichtete flache eiserne Schiene befestigen kann, welche bis ans obere Ende des Schienbeins hinauf reichen und um dasselbe mit Riemen angeschnallt werden muss. (Siehe S. 451. und Brüche des Fesselbcins S. 485.) Alle diese Zwangsmittel dürfen jedoch nicht angewendet werden, wenn und so lange als heftige Entzündung be­steht. Diese muss durch kühlende Mittel und Ruhe vorher beseitiget werden.
Bevor diese Schienen angelegt werden, muss bei vollkommenen Verrenkungen erst die Einrichtung der ausgewichenen Knochenenden gemacht und dann bei diesen, wie bei den unvollkommenen Verrenkun­gen, das Glied vom Hufe bis ans obere Ende des Schienbeins mit einer Cirkelbinde und mit Werg gut umwickelt worden sein. Ausserdem wird hierüber noch auf die Stelle des Fesselgelenks, wohin die Aus­renkung geschehen ist, oder wohin das Gelenk überknickt, eine Com-pressc von Leinwand oder Werg gelegt, um durch den Druck dersel­ben das Wiederausgleiten noch mehr zu verhindern, — und hierauf folgen äusserlich die Schienen. In Ermangelung eiserner Schienen müssen welche von Holz, Rinde, Pappe und dergleichen ihre Stelle vertreten.
Die übrige Behandlung ist nach dem frischen oder veralteten Zu­stande verschieden. Bei ersterem muss man antiphlogistisch gegen die. Entzündung wirken, und daher die Kälte und Bleimiltel, als Fussbäder, Umschläge oder möglichst oft erneuerte Begiessungen so lange anwen­den, bis die Geschwulst, die Hitze und der Schmerz sich vermindert haben, worauf man zuletzt zur Stärkung der leidenden Theile den gan­zen Umfang des Gelenks mit aromatischen Kräuteraufgüssen und mit Spirituosen Mitteln öfters wäscht. Bleibt Schwäche und Erschlaffung im Gelenk zurück, so nutzen die adstringirenden Mittel
Bei den veralteten Verrenkungen, wo eine chronische Entzündung
') Manche Thicrärzte empfehlen auch, auf den gegenüberstehenden Huf ein sogenanntes Bügel- oder Kugcleisen zu legen, um die Thierc hierdurch zu zwingen, andauernd auf dem kranken Fussc zu stehen und fest im Fessel nie^ derzulrcten. Ein solches Hufeisen darf jedoch stets nur eine kurze Zeit liegen, und es passt nicht, so lange heftige Schmerzen bestehen.
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Verrenkungen im Fessel- oder Köthengelenk.
und dadurch Entartung vorhanden ist, kann man sogleich, nachdem man auf die vorhin angegebene Weise dem Pferde einen zweckmässigen, an der Zehe erhöheten Stand des Fusses gegeben hat, reizende ftliltel anwenden. Man macht um das ganze Gelenk Einreibungen von Ter-pentbinöl, von Sleinöl, Salmiakgeist, Kantbaridentinklur und ähnlichen Mitteln, vorzüglich aber kann man die Kanlliaridensnlbe anwenden, bis bedeulende Hautentzündung entsteht, wo man dann den Erfolg abwartet und hiernach niithigenfalls das Verfahren mehrmals wiederholt, bis man glaubt, die erschlalllen Theile in gehörige Thäligkeit versetzt zu haben. Noch besser und als das wirksamste Mittel bei diesen chronischen quot;Verrenkungen kann man das Brenneisen, in Strichen oder Punkten um und auf das erschlall'le Gelenk angewendet, gebrauchen. — Am Ende der Kur werden auch adstringiirride Mittel, z. B. Auflösungen von Alaun (|j auf 1 Quart Wasser), von blauem, von weissein oder noch besser von grünem Vitriole (| Uuze auf I Quart Wasser), Abkochun­gen von grünen Nusssch;den, Weiden- oder Eichenrinde und dergleichen, als Fussbäder oder Waschungen angewendet, recht gute Dienste thun. Es versteht sich von selbst, dass Schienen und Binden wegbleiben. wenn man scharf reizende Mittel oder das Brenneisen anwendet.
Strenge Ruhe ist bei allen Verrenkungen des Fesselgelenks zur Heilung durchaus niilhig; das Pferd darf bei irischen Verrenkungen und Verstauchungen während 6 — 8 Tage nicht aus seinem Stande kommen, — selbst in der Absicht nicht, um den Gang und die Besserung des­selben zu sehen; denn ein eiuzigcr Fehltritt kann das in guter Heilung begrill'ene Uebel wieder erneuern oder verschlimmern. Man muss da­her auch nach erfolgter Heilung ein solches Pferd in der ersten Zeit nur kurz und, wo es möglich ist, auf ebenem, weichem Boden führen, um es allmälig wieder an das Gehen zu gewöhnen, — Ist Seimen­verkürzung oder ein Stelzfuss zurückgeblieben, so kann im äussersten Falle die Tenotomie angewendet werden.
Bei Schweinen, Hunden und Katzen kommen zuweilen Verrenkun­gen einzelner Schienbeine (Mittclfussknochcn, ossa melacarpi), sowohl an ihrem obern, als am uutern Ende vor. Man erkennt sie durch d.is Sicht- und Fühlbarsein des ausgewichenen, an einer Stelle hervorste­henden Knochens, au dein Hinken beim Gehen und dem Schmerz beim Berühren; Verkürzung oder schiefe Richtung des leidenden Fusses ist bei den einzelnen Verrenkungen dieser Knochen nicht vorhanden.
Es muss hier die Wiedereinrichtung des ausgewichenen Knochens durch einen massigen Druck auf denselben bewirkt und dann ein Ver­band, wie bei den Brüchen dieser Knochen, angelegt werden. Die übrige Behandlung ist den Zufällen angemessen.
Verrenkungen und Verstauchungen des untern Endes des Fessel­beins sind sehr selten, und noch seltener die des Kronenbeins mit dem Hufbeine. — Ihre Erkennung ist immer sehr schwer, da man nur Schmerz in der Umgegend der leidenden Theile, etwas vermehrte Wärme und Lahmgehen mit sichtlicher Schonung der untern Parthic
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Verrenkungen des Oberschenkel- oder Bacltenbeins.
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der Gliedmasse findeL — Die Behandlung ist zuerst kühlend und spä­ter reizend, ähnlich wie bei dein Ueberkölhen.
Acliies Capitel.
Verrenkungen des Oberschenkel- oder Backenbeins.
Vollkommene Verrenkungen des Backenbeins können bei keinem Hausthiere anders, als mit Zerreissung des runden Bandes (Liga-mentum teres s. rotundum), zum Theil auch des Kapselbandes erfol­gen. Bei Pferden ist diese Verrenkung sehr selten, weil die Gelenk-pfanue sehr tief und das runde Band sehr stark ist; es bricht desshaib bei staltlindenden Gewalten eher das Baekenbcin; doch beobachteten sie Kersting '), Havemann 2), Saussol und Rans on 3), Grog nier *), Gohier 5) u. A. Beim Riadvieh kommen diese Verrenkungen häufiger, als bei den übrigen Hausthieren vor, weil bei diesem die Gelenkpfanne flacher, das runde Band schwächer und der Hals des Schenkelbeins länger ist, als bei den letzteren. — Bei Pferden weicht der ausge­renkte Gelenkkojif gewöhnlich über oder zur Seite der Pfanne, beim Rindvieh aber gewöhnlich nach unten und bald mehr nach vorn oder hinten, aber meistens in das eiförmige Loch. Oft ist damit auch ein theilweises Abbrechen des Randes der Gelenkpfanne verbunden. — Bei den kleinen Hausthieren kommt die Verrenkung des Backenbeins noch seltener vor; Mori er sah sie bei einem Schweine, ich bei zwei Hunden. Bei allen Thieren entstehen dagegen unvollständige Verren­kungen ziemlich häufig.
Ursachen sind: das Ausgleiten (selbst bei der Stellung zum Urini­ren beobachtet), das Niederstürzen mit unter den Leib fallenden Hin-lerbeinen, das üebertreten über die Deichsel und über Standbäume, bei kleinen Thieren das Fallen von einer Höhe, heftige Schläge und dergleichen.
Die Kennzeichen der Verrenkung nach aussen und oben sind: der kranke Fuss scheint verkürzt zu sein und das Thier kann denselben weder vor-, noch rückwärts setzen; wenn es mit Gewalt auf denselben zu treten genöthigt wird, so bildet sich an der Hüfte, in der Gegend des Gelenks, eine faustdicke Erhöhung, welche aber wieder verschwin­det, sobald der Fuss wieder aufgehoben wird. Sowohl im Stehen als
l) Nachgelassene Manuscripte. Ausgabe v. von Sothen. Berlin, 1792. Seite 394.
gt;) Schrader, in Busch teutsche Zeitschr. Bd. III. Hft. 3. S. 91. raquo;) Recueil de mcd. vétér. p. 223. 1829. ') Correspond, vétér. Vol. II. p. 99. •) Mémoires et Observ. Vol. II. p. 206.
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534nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Verrenkungen des Oberschenkel- oder Backenbeins. Kur.
im Gehen wird der kranke Fuss nach auswärts bewegt, und wenn man ihn umfasst und nach ausseu zieht, kann das Abbiegen in einem weit starkem Grade, als im gesuiulcu Zustande, bewirkt weiden, doeb zei­gen die Thiere dabei Schmerzen.
Ist der Geleukkopt nach unten in das eirunde Loch getreten, so ist die Erkennung schwerer, weil man ihn hier weder sehen, noch von aussen deutlich fühlen kann; letzleres ist aber bei der Untersuchung durch den Mastdarm möglich, besonders wenn man nach eingeführter Hand in denselben und bei dem FüLlen mit ihr in der Gegend des eiförmi­gen Loches eine Bewegung daselbst wahrnimmt, welche entsteht, wenn gleichzeitig der kranke Fuss in verschiedenen Riehtungeu gedreht wird, oder wenn eben das Thier gezwungen wird zu gehen. Ausserdem sieht und fühlt man in der Gegend der Gelenkpfanne eine Vertiefung oder wenigstens eine Abflachung, welche bei einer Verglcichung mit der Form des gesunden Oberschenkels immer deutlich wahrzunehmen ist. Auch hier ist der Fuss steif, aber in der Regel mit der Zehe mehr nach einwärts gekehrt. In den meisten Fällen sind die Schmerzen bei dieser Verrenkung in der ersten Zeit sehr bedeutend und zuweilen in dem Grade zugegen, dass die Thiere vom Futter ablassen; später ver­liert sich diese grosse Empfindlichkeit, die Thiere gebrauchen den Fuss mehr beim Stehen und noch später auch beim Gehen, allein das Hin­ken bleibt doch immer noch sehr auffallend, und immer tritt Abma­gerung der leidenden Gliedmasse hinzu.
Die Vorhersagung ist bei den grossen Thiercn wenig günstig, weil die starken Muskeln die Wiedereinrichtung ausserordentlich erschweren; doch sind einzelne Fälle bekannt (wie z. B. der von Saussol und Ranson bei einem Cavalleriepferde, der von Bielcnberg bei einer Kuh '), in denen die Heilung so gelungen ist, dass das Thier wieder vollständig brauchbar wurde. Mit Hülfe des in der neuern Zeit auch für solche Fälle benutzten Aethers und Chloroforms lässt sich bei der
hiernach eingetretenen Erschlaffung der Muskeln die Wiedercinrichlun
o
sehr erleichtern, obgleich sie immer noch eine schwierige Aufgabe bleibt Bei kleinen Thieren ist sie in der ersten Zeit ziemlich leichtquot; zu bewir­ken. Ist die Verrenkung nicht mehr frisch, so ist die Wiedereinrich­tung bei sämmtlichen Thieren äusserst schwierig, ja in der Regel nicht mehr möglich, weil organische Veränderungen sowohl an der alten Gelenkpfanne, wie auch an dem Gelenkkopf entstehen; die erstere füllt sich mit Knorpel aus, ihre Ränder werden resorbirt und der Gelenk­kopf reibt sich an einer oder der andern Stelle zuweilen bedeutend ab, oder es bilden sich auch Verknöcherungen, und in der Gegend, wo eben der Gelenkkopf liegt, bildet sich durch Ablagerung von plastischen Stoffen eine Art neuer Pfanne. In diesem veralteten Zustande lernen aber die Thiere allmälig wieder erträglich geben, bleiben jedoch für An­strengungen zu schwach.
Kur. Zu der VVicdereinricbtung wird bei den grossen Thieren die Gegenausdehnung am besten auf die Weise bewirkt, dass man dem auf die gesunde Seite niedergelegten Thiere um den Leib lange Säcke oder
•) Veterinär-Selskabets Skrifter. Deel 3, Kiobenhavn 1818. S. 514.
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Verrenkungen des Oberschenkel- oder Backeubeins. Kur.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;533
breite Gurte legt und diese an feste Gegenstände, z. B. an Bäume und dergleichen bindet, oder sie von mehreren starken Männern halten lässt; ferner dass man unter den Leib und zwischen die Vorder- und Hin­terbeine einen starken, glatten Baum legt und denselben an den beiden Enden ebenfalls durch Gehiilfcn festhalten lässt. Bei diesem letztem Mittel muss mau jedoch, wenn die Veircnkung nach unten besteht, den Baum so halten lassen, dass er nicht gegen den Gelenkkopf drückt. Die Gegenausdehnung wird durch mehrere Männer mittelst Stricken, welche um den Unterschenkel gebunden sind, durch Ziehen in der Richtung vom Becken ab bewirkt. Zur Einrichtung selbst lässt man eine Schleife von Stricken um das Backenbein, weiches vorher mit Leinwand dick umwickelt sein muss, legen und durch diese Schleife einen Ilebebaum in der Art hindurch und über den Fuss führen, dass das vordere Ende über dem Kreuzbein hinweg zur Erde gebt und in derselben den Stützpunkt findet: zwei Gebülfen heben das andere län­gere Ende in der Gegend der Hufe alhnälig immer höher und dadurch das Backenbein von dem Becken ab und nach aussen in die Höhe, und der Thierarzt selbst, leitet den Gelenkkopf durch Drücken mit den Händen zur Planne bin, während die Ausdehnung und Gegenausdeh­nung, so wie das Heben des Backenbeins, genügend stattgefunden hat. Sollte der Gelenkkopf gerade über dem Rande der Pfanne fest stehen, so muss das Verfahren hierbei in der Art modifizirt werden, dass man zuerst das Backenbein vermittelst des Hebebaums in die Höhe hebt und dann erst die Ausdehnung vollführen lässt, weil man sonst, wenn man in diesem Falle die Ausdehnung zuerst unternähme, den Gelenkkopf nur noch fester an den Rand der Pfanne drücken und dadurch die Einrichtung erschweren würde. — Bei kleinen Thieren gelingt die Wie-dereimiehtung auf die Weise, dass man das Thier ebenfalls auf die Seite oder den Rücken legen lässt und dabei die Gcgenausdehnnng von einem Gehüllen mit der blossen Hand an dem Schaambein und an dem Sitzbcinshücker, die Ausdehnung aber von einem zweiten Gehülfen an dem Schenkel bewirken lässt; die Wiedereinrichtung macht man durch massigen Druck mit den Fingern gegen das obere Ende des Backen­beins. Das Zurücktreten des Gclenkkopfes in die Gelenkpfanne erfolgt stets mit einem starken und laut hörbaren Ruck und die Beweglichkeit der Gliedmasse wird hiernach immer sogleich viel grosser. Man kann durch Hin- und Ilcrbewegcn des Fusses in verschiedenen Richtungen sich theils von der gelungenen Einrichtung überzeugen, theils aber auch hierdurch etwa im Gelenk entstandene Einklemmungen eines Theils des Kapselbaudes u. s. w. beseitigen.
Die Erhaltung des in die Gelenkhöhle zurückgebrachten Kopfes des Backeubeins in seiner Lage ist hier mittelst Bandagen nur sehr wenig zu unterstützen. Man kann für diesen Zweck auf das Gelenk eine recht dicke Compressc und dann die bei den Brüchen des Backen­heins S. 492 empfohlene Schiene an die äussere Seite der Gliedmasse legen, dieselbe an ihrem untern Ende an das Unterschenkelbein, mit den Enden des Querslücks aber an einen straff angelegten Schwanz­riemen befestigen. —Ausserdem hält man die Thiere ganz ruhig, Pferde und Rinder in den ersten 8 Tagen andauernd stehend (am besten im
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53Ö
Unvollsl. Verrenkungen d. Backenbeinraquo;, Hüftlabtnheit,
Hängegurt), und gegen die Entzündung wendet man Bleiwasser, Oxy-krat u. dgl., später erregende und tonische Miltel an.
Unvollständige Verrenkungen und Verstauchungen im Hüft­gelenk kommen bei den Pferden sehr häufig, bei den übrigen Thieren seilen vor und sind bei den ersteren eine der gewöhnlichsten Ursachen der sogenannten Hüft- oder Lendenlahmhciten (unrichligerwcise Hüft- und Lendenlähmnngcn '). Sie bestehen in einer zu starken Aus­dehnung und Zerrung des Kapselbandes, des runden Bandes und der um das Gelenk liegenden Muskeln, oder in Quetschung dieser Theile, des Gelenkkopfes und der Gelenkpfanne. Hierzu findet sich Entzün­dung, plastische Ausschwitzung und Verdickung dieser Theile, Schmerz, Lahmheit und Abmagerung (Schwinden).
Die Ursachen sind dieselben, welche auch die vollständigen Ver­renkungen erzeugen, namentlich Niederstürzen mit einer Seite des Backens auf harten Boden, Ausgleiten, hefliges Ausschlagen n, s. w.
Die Diagnosis ist zuweilen sehr schwierig, besonders bei Pferden mit dicken Muskeln und mit recht viel Fett auf dem Gelenk und in der Umgegend. Man muss hier die genaue Untersuchung, nach der S. 87 gegebenen Anleitung, vornehmen und wenn man hierbei findet, dass die Thiere, obwohl einzelne bei dem Sieben zuweilen auf der Zehe ruhen '), mit dem untern Theile der Gliedmasse und namenllich mit der ganzen Sohle fest und gut auftreten, bei dem Gehen im Schritt aber den Oberschenkel gleichsam an dem Becken festhalten, kurz vor­wärts treten und den Unterschenkel gleichsam nachschleppen; dass sie bei dem Gehen im Trabe das Becken gegen die leidende Seile neigen; dass sie beim Vorschreiten den Fuss wohl auch ein wenig seillich be­wegen und mühsam zurücktreten; dass im untern Theile der Glied­masse bis zum Backenbein hinauf keine örtliche Krankheitserscheinun­gen, hier aber, in unmittelbarer oder in weiterer Umgegend des Ge­lenks, vermehrte Wärme, bei dem Drücken auch Schmerz und zuwei­len an der Gelenkstelle eine bei der Bewegung bemerkbare Verliefung zeigen, — so kann man auf das Vorhandensein einer Verstauchung schliessen. Zuweilen sind im frischen Zustande auch äusserliche Spu-
') „Hüft- oder Lendenlahmheitquot; ist nur ein Collektivname für verschie­dene, mit Lahmgehen in dem obern Theile der hintern Gliedmasse begleitete krankhafte Zustände. Es verhält sich hiermit sehr ähnlich, wie mit der Bug­lahmheit; denn ausser den unvollständigen Verrenkungen und Verstauchungen und den hiernach entstehenden Entzündungen sind akute und chronische Rheu­matismen in der Umgegend des Hüftgelenks und in weiterer Ausbreitung bis iur Lendengegend, selbst bis auf den Rücken, unvollständige Erschütterungen des Rückenmarkes, Quetschungen der Haut, der Muskeln , des grossen ümdre-hers, des Dannbeinwinkels, — der sogenannte Einschuss, — unvollständige Lähmungen (auch als Metastase bei und nach der Iniluenza beobachtet) und dergleichen krankhafte Zustände zuweilen die Ursache einer Lahmheit in dem obern Theile der hintern Gliedmasse.
') Das Ruhen auf der Zehe ist eine Erscheinung bei den verschieden­artigsten Zuständen, bei welchen die Thiere wegen Schmerz in den Gelenken, Muskeln oder Sehnen nicht gern fest auf- und durchtreten, oder auch wo Schwäche in der Gliedmasse besteht. Es geschieht desshalb auch bei Schmerz im Hüftgelenk.
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Verrenkungen der Kniescheibe.
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ren von Quetschungen oder anderen Verletzungen, und im veralteten Zustande Abmagerung (Schwund) oder Spuren von angewendeten Mit­tein (Narben, haarlose Stellen u. s. w.) vorlianden.
Die Prognosis ist stets sehr vorsichtig zu machen, weil man in keinem Falle wissen kann, wie vollständig und in wie langer Zeit die Heilung gelingen werde.
Die Behandlung findet nach Anleitung des bei den Quetschungen im Allgemeinen (S. 225) und bei den Verrenkungen im Allgemeinen (S. 511) hierüber Gesagten statt.
Neuntes Capitel.
Verrenkungen der Kniescheibe (auch Leist, Ramme, Ramp oder Rampf genannt).
Verrenkungen der Kniescheibe kommen bei Pferden nicht ganz seilen vor, besonders bei Füllen; auch bei Rindern und bei anderen Thiercn hat man sie in einzelnen Fällen beobachtet. Die Abweichung der Kniescheibe erfolgt entweder nach oben oder nach einer Seite, und zwar am häufigsten nach der innern; im erstem Falle gleitet sie über die beiden Knopffortsälze oder die vorderen Erhabenheiten am untern Ende des Backenbeins in die Höhe und setzt sich daselbst am Rande dieser Erhabenheiten fest; es ist dabei stets eine krampfhafte Zusam­menziehung der Ausstrecknmskeln des Schcnkelbeins (rnusc. rectus fe-moris, vastus externus, vastus internus et cruraeus), welche die Knie­scheibe nach oben bewegen, in der ersten Zeit mit zugegen. Im zwei­ten Falle gleitet das mittlere gerade Band der Kniescheibe über den innern oder iiussern Knopffortsafz in die Höhe und zieht die Knie­scheibe nach derselben Seife hin; zuweilen ist in diesem Falle eine Zerreissung des entgegengesetzten Bandes, jedenfalls aber eine starke Dehnung desselben, so wie bei der Verrenkung nach oben eine über-mässige Ausdehnung und Spannung der unteren Kniescheibenbänder mit zugegen.
Die Verrenkung entsieht bei Pferden am häufigsten im Stalle, wenn die Thiere aufstellen oder sich niederlegen wollen und dabei ungleiche, zu heflige Bewegungen machen, oder auch wenn sie ausgleiten; in an­deren Fällen hat man aber auch das Eintreten des Leidens während heftiger Bewegungen beobachlet, z. B. bei Springen, beim Schlagen und beim Ucberschreiten über erhöhte Gegenstände. Das Uebel tritt oft so plötzlich ein, dass man kaum seine Entstehung wahrnehmen kann. — In einigen Fällen hat man die Verrenkung nach innen auch durch Hufschläge und durch Gegcnlaufen an Thürpfosten u. s. w. ent­stehen sehen.
Die ErscheinuDgen bei dieser Verrenkung sind ziemlich gleich-
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53S
Verrenkungen der Kniescheibe.
massig, oline Unterschied bei den Verrenkungen nach oben oder zur Seite. Die Thiere halten den leidenden Hinterschenkel plötzlich steif, so dass sie denselben weder aufheben, noch beugen können; beim Ge­hen bewegen sie die Gliedmasse mit Anstrengung und steifgehalten, schleppend nach vorn, wobei die Zehenwand des Hufes gewöhnlich gegen den Boden stösst; zuweilen knicken sie auch im Fesselgelenk ein wenig nach vorn über. Bei der Untersuchung des Fusses selbst findet man denselben ein wenig mehr gerade gestreckt und die Muskeln au dem vordem Rande des Oberschenkels gespannt; das Sprung- und das Kniegelenk sind gleichmüssig steif und zwar so, dass crsleres selbst von einem starken Mann nicht gebeugt und daher das Schienbein nicht unter den Leib in die Höhe gehoben werden kann; das Fessel- mul das Kronengelenk besitzen dagegen freie Beweglichkeit. An dem Knie­gelenk findet man die Kniescheibe in der oben angegebenen Weise nach der einen oder der andern Richtung hin verschoben und unbeweglich lest stehend, — was bei einer Vergleichnng mit dem gesunden Knie­gelenk deutlicher bemerkbar wird. Die unteren Kniescheibeiibäiuler fühlt man sehr gespannt und der Raum zwischen dem untern Rande der Kniescheibe und dem Kopfe des Unterschenkelbeins ist grosser, als an dem gesunden Fusse. Schmerz und Symptome der Entzündung sind in der Regel nicht vorhanden, doch finden sich diese Zufälle zu­weilen ein, wenn die Verrenkung durch mehrere Tage bestanden hat. Die angedeuteten Symptome bei der Bewegung linden sich auch bei heftigen Quetschungen in der Umgegend des Kniegelenks; in diesen Fällen sind aber jederzeit die örtlichen Spuren der Quetschung oder der hinzugetretenen Entzündung deutlich wahrzunehmen und niemals ist dabei die Gliedmasse so steif, wie bei der Verrenkung der Knie­scheibe.
Die Beurtheilung ist im Allgemeinen sehr giinslig zumachen; denn nicht selten verliert sich das Uebel eben so plötzlich von selbst, wie es plötzlich gekommen ist, indem die Thiere irgend eine solche Bewe­gung machen, bei welcher die Streckmuskeln erschlafft werden und wo dann durch die gespannten unteren Kniescheibenbänder die Knie­scheibe in ihre normale Lage zurückgezogen wird. Letzteres geschieht oft mit einem lauten, knackenden oder ruckenden Geräusch. Zuweilen dauert die Verrenkung nur etwa 1 — 2 Stunden, in anderen Fällen mehrere Tage, ja zuweilen über 4 Wochen. Bei Verrenkungen nach innen ist das Uebel wegen der starkem Erhöhung des Backenbeius ge­wöhnlich hartnäckiger und daher auch schwieriger einzurichten, als bei der Verrenkung nach aussen. — Ist das Band der andern Seite zer­rissen oder zu stark ausgedehnt, so kann die Verrenkung auch unheil­bar sein. Wo die Verrenkung einmal bestanden hat, kehrt sie sehr leicht wieder, so dass einzelne Pferde 10 und mehrere Male mit ihr behaftet werden; in der Regel ist sie aber bei den späteren Anfällen weniger hartnäckig, als bei dem ersten Anfalle. Durch Kunsthülfe ist das Uebel immer zu beseitigen, jedoch in einzelnen Fällen schwerer, als in anderen, und die gründliche Heilung mit Verhütung der Wie­derkehr gelingt mehrentheils nur nach einer fortgesetzten, zweck-mässigen Behandlung und unter Mitwirkung eines ruhigen Ver­haltens.
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Verrenkungen der Kniescheibe. Behandlung.
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Die Beliandlung. Die Wiederzurüekfiihrung der Kniescheibe in ihre normale Lage ist, je nach der bei den Versuchen hierzu sich zeigenden Hartnäckigkeit des Uebels, auf folgende Weise in verschiedenen Abstu­fungen zu bewirken
1.
Auf die leichteste Weise wird die VViedcreinrichtung zuweilen
erreicht, wenn man dem Thiere mittelst einer Kuthe au der Innern Seite der Hlnterschenkel einen Kitzel erzengt, oder es daselbst mit Wasser bespritzt und dadurch zum öftern Aufheben und Hin- und Hertreten mit den Hinterfüssen veranlasst; oder wenn man es einige Schritte vorwärts führt und es dann plötzlich zurückschiebt; oder wenn man es während des Vorwärtsgehens plötzlich durch einen Stoss au die gesunde Hinlerbacke auf die kranke Seile hinüberstösst und durch das plötzliche Senken der Hüfte auf der kranken Seite eine Erschlaffung der Streckmuskeln daselbst herbeiführt.
2.nbsp; nbsp; Gelingt auf diese Weise die Wiedereinrichlung der Kniescheibe nicht, so umfasst man dieselbe mit beiden Händen an der innern und äussern Seite und drückt, während ein Gchülfe das Thier plötzlich von der gesunden Seite zur kranken herüberstösst, dieselbe nach der, der Ausrenkung entgcgcngosetzlen Seite.
3.nbsp; nbsp; Zuweilen gelingt aber auch hierbei die Wiedereiurichtung nicht und man ist dann genölhigt, eine stärkere Erschlaflimg der Streckmus­keln und der Kniesclicibenbänder dadurch herbeizuführen, dass man die belrelfcnde Gliedmasse möglichst weit nach vorn und oben gegen die Brust hin in die Höhe hebt. Zu diesem Zweck legt man um den Fessel des kranken Fusses einen Strick, führt das vordere Ende dessel­ben über den Hals zur gesunden Seite und lässt damit den Fessel all-mälig mehr und mehr in der bezeichneten Richtung nach vorn und in die Höhe ziehen; zugleich lässt man das Thier entweder durch einen Gehülfen vorwärts ziehen oder am Becken vorwärts schieben, und in demselben IMoment, wo jene beiden Bewegungen geschehen, drückt man mit beiden Händen die Kniescheibe in ihre Lage zurück.
4.nbsp; nbsp; Gelingt aber auch auf diese Weise die Wiedereinrichtung nicht, was zuweilen bei sehr cmpllndlichen und bösartigen Pferden der Fall ist, so legt man die Thiere vorsichtig auf die gesunde Seite nieder, befestigt den Beigurt oder einen Strick um das Schienbein des lahmen Hinterfusses, führt den Strick über den Hals und au der untern Seite des letztern hervor und zieht, nachdem dieser Fuss aus dem Fessel gelöst ist, denselben nach vorn und oben in die Höhe; nachdem dies in dem Grade geschehen ist, dass der Huf bis gegen den Ellenbogen gekommen, so bewirkt man durch Druck mit der Hand die Znrück-i'ührung der Kniescheibe in ihre Lage.
Bei dem Drücken mit den Händen auf die Kniescheibe wird die Wiedercinrichtung dadurch sehr erleichtert, dass man den Knochen zuerst förmlich von den Condylen des Oberschenkelbeins abhebt und dann das Drücken in entsprechender Richtung bewirkt. Sehr oft sind aber diese Handgrille gar nicht erforderlich, sondern die Kniescheibe wird nach herbeigeführter Erschlallung der Muskeln, wie oben erwähnt, durch die Spannkraft der Bänder allein zurückgezogen.
Nach der Wiedereinrichlung wendet man in denjenigen Fällen, wo die Verrenkung während einiger Zeit bestanden hat und Entzündungs-
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Verrenkungen der Kniescheibe. Behandlung.
zufalle bereits bemerkbar sind, Waschungen mit kaltem Wasser, Blei­wasser, Oxykrat oder mit verdünntem Branntwein an; ist aber das Ucbel frisch entstanden gewesen und von Entzündung nichts zu be­merken, so macht man täglich mehrmals wiederholt Befeuchtungen mit adstringiienden Flüssigkeiten, z. B. Abkochungen von Eichenrinde, Tor-mentillwurzel, oder Auflösung von Alaun, Eisenvilriol u dergl. Bei geringer Empfindlichkeit der Haut verbindet man diese Mittel mit Spi­rituosen. 1st die Verrenkung bereits mehrmals eingetreten und muss man somit eine grosse Erschlall'ung der Bünder befürchten, so sind Waschungen mit starkem Branntwein, mit Kampherspiritus, Einreibun­gen der Kantharidentinktur, des Terpenlhinöls unter der Kniescheibe und an den Seitent heilen derselben so oft wiederholt zu appliziren, bis Hautentzündung entstanden ist. In recht veralteten und hartnäckigen Fällen kann man auch die Kantharidensalbe oder das Glüheisen an diesen Stellen anwenden. Die Anwendung reizender Mittel über dem Gelenk und auf die Streckmuskeln nutzt nichts; hier würden vielmehr bei frisch entstandenen und schmerzhaften Fällen narkotische Mittel und Einreibungen von jvarmem Oel nützlich sein, um den etwa in den Muskeln bestehenden Krampf zu lösen.
Während der Kur müssen die Thiere ruhig im Stalle und am besten fortdauernd stehend erhalten werden, und nach der Beendigung derselben darf man sie nur massig bewegen und namentlich sind alle plötzliche Wendungen zu vermeiden.
Verrenkungen im Sprunggelenk sind äusserst seltene und schwere Verletzungen, doch soll, nach Schraders Mittheilung (Busch, teulsch. Zeitschr. f. Thierheiik. Bd. III. lift. 3. S. 31), ein Schüler llavemanns eine vollkommene Verrenkung des Rollbeins und der Keule bei einem Pferde geheilt haben; das Sprunggelenk war dabei ganz einwärts ge­bogen. Im Allgemeinen sind diese Verrenkungen und Verstauchungen hier, wie die am Vorderknie zu beurtheilen und zu behandeln.
Mit den Verrenkungen der Knochen unter dem Sprunggelenk ver­hält es sich so, wie mit denselben unter dem Vorderknie.
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Siebente Classe.
Vorfalle und Umstülpungen.
Erster Abschnitt.
Vorfälle im Allgemeinen.
Vorfall (Prolapsus, Procidentia, Eclopia) besteht, wenn Organe, welclic in Holilen liegen, aus denselben so herrortreten, dass sie frei zu Tage liegen und mimilfelbar der Einwirkung der Luft, ausgesetzt sind. Solche Orlsveränderungen können an allen in den verschiedenen Höhlen liegenden Organen entstellen, und zwar entweder durch natür­liche oder durch abnorm entstandene OefTnungen bei Verwundungen; im letzteren Falle sind sie nur Begleiter der Verletzungen und stellen besondere Complikationen derselben dar, wie dies namentlich bei den Brust- und Bauchwunden angegeben worden ist; dagegen sind sie als besondere Krankheitszusländc zu betrachten, wenn die Organe eben durch natürliche OelTnungen liervorgetretcn sind. Es entstehen auf die letztere Weise Vorfälle der Kry.-talllinse, des Augapfels, der Zunge, des Mastdarms, der Mutlerscheide, der Blase und der Gebärmutter. Die genannten Organe treten bald mehr, bald weniger vollständig über die Oberfläche des Körpers hervor, und diejenigen, welche hohl sind, kön­nen sich dabei zum Theil in einanderschieben, so dass dreifache Lagen ihrer Wände entstehen, oder sie kehren sich auch völlig um, so dass ihre mit Schleimhaut überzogene bisherige innere Fläche zur äussern wird. Es enlstehen auf eistere Weise Vorfälle mit Einschiebung (Intussusceptio, Invaginatio) und auf die letztere Weise Vorfalle mit Umstülpung (Inversio). Ausserdem können die Vorfälle mit Ver­wundungen, mit Quetschungen, Knochenbrüchen und anderen krank' haften Zuständen coinplizirt sein.
Die Ursachen der Vorfälle sind: a. Erschlaffung der Organe und ihrer Wände; b, Druck auf die Organe, z. B. durch Geschwülste
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Vorfälle im Allffemeinen.
und Knochenauswüchsc nebeu und Liulci- ihnen; durch Zusanunenpres-sungen der Wände der Höhlen, sowohl durch äussere Gewalt,quot; wie auch durch heftige Anstrengungen der Muskeln und durch Ansammlung von Luft u. dergl.
Die Erkennung der Vortallc ist im Allgemeinen leicht. Man sieht an einer Stelle, wo die Ocllhung einer Höhle besteht, ein oder das andere Organ hervorgedräugt, allerdings zuweilen in verschiedener Art krankhaft verändert, z. B. durch die austrocknende Wirkung der Luft an der Oberfläche betrocknet und znsammeDgeschriunpft, oder dunkel geröthet, entzündlich aufgelockert, heiss oder entgegengesetzt auch kalt, wenig empfindlich, zuweilen verletzt u. dergl.
Die lieurlheilung muss in den einzelnen Fällen nach der Wichtig­keit des vorgefallenen Theils, nach der Dauer des Vorfalls und nach den hinzugetretenen Zufällen, so wie nach der Möglichkeit, die Ursa­chen zu beseitigen, sehr verschieden sein. Im Allgemeinen ist hierüber nur zu bemerken, dass Vorfälle in der Regel durch die Naturheilkraft nicht beseitiget werden, sondern immer der Kunslhülfe bedürfen; dass sie gern wiederkehren und dass sie, wenn sie längere Zeit bestehen, stets die Entartung des betreffenden Organs entweder durch hinzutre­tende Entzündung und die Folgen derselben, oder durch Brand, oder auch durch Verlroeknung des Gewebes herbeiführen.
Die Behandlung beruht auf der Erfüllung folgender Indikationen: 1) die Ursachen müssen entfernt, 2) der Vorfall muss durch Zurück-briffgüng des betreuenden Organs in dessen normale Lage aufgehoben. 3) das Organ muss in seiner Lage erhalten und 4) es müssen die hin­zugetretenen Zufälle und Folgen in entsprechender Weise beseitiget werden.
Die Erfüllung der ersten Indikation ist in den einzelnen Fällen, je nach der Verschiedenheit der veranlassenden Ursachen und Compli-kationen in verschiedener Weise zu bewirken; so z. B. müssen ver­schobene Knochenstücke, welche drückend auf den Augapfel wirken, eben so Knochenauswüehsc und Geschwülste beseitiget werden; über-mässige Anhäufung von Gasen in den Baucheingeweiden muss durch den Troikart oder durch absorbirende Mittel aufgehoben weiden; krampfhaftes Drängen bei ruhrarligen Durehfälleu ist durch schleimige und narkotische Mittel zu unterdrücken u. s. w.
Die Erfüllung der zweiten Indikation verlangt immer eine mittelst der Hände bewirkte Zurückführung, welche jedoch, je nach der Art. und Grosse des Organs und nach dem Orte des Vorfalles, etwas ver­schieden ausgeführt werden muss, wie dies bei den speziellen Vorfällen angegeben werden wird.
Die dritte Indikation wird zum Theil durch entsprechende Ban­dagen, in so weit sich solche an den verschiedenen Stellen anwenden lassen, erfüllt; doch ist damit der Zweck nicht überall in genügender Weise zu erreichen.
Die vierte Aufgabe ist hauptsächlich gegen die entzündliche Rei­zung, welche theils durch die veranlassenden Ursachen, theils durch die bei der veränderten Lage der Theile in derselben eintrclende Span­nung und Zerrung, theils aber auch durch die Einwirkung der atmo­sphärischen Luft erzeugt wird, gerichtet und daher in der Hauptsache
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Vorfall des Augapfels.
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durch enlziindungswidrige, reizmildernde Mittel zu oifüllen. Wenn jedoch Schwäche und Erschlall'ung die Grundursache des Ucbels waren oder sich zu demselben hinzugefuuden haben, so sind auch gelind er­regende und tonische Mittel hiergegen angezeigt.
Zweiter Abschnitt.
Vorfälle im Speziellen.
Erstes Capitel.
Vorfall des Augapfels. (Prolapsus oculi, Exophlhalmos1).
Der Augapfel kann bei säinmllichen Hausthieren aus seiner Höhle hervortreten, am gewöhnlichslen aber lindet er sieh bei Hunden^^(l namentlich bei denjenigen, die einen dicken kurzen Kopf mit plattem Gesicht und grossen Augenhöhlen haben, wie besonders bei den Mop­sen und Biilldoggs. Die Vorfälle ent.-tehcn hier sehr leicht durch ein blosscs starkes Drücken mit den Fingern oder durch einen Schlag auf die hintere Parlhie der bei diesen Thicren am Grunde nicht mit Kno­chen verschlossenen Augenhöhle, oder durch Eingreifen hiuler den Augen-bogeu oder auch selbst hinter den Augenlidern, eben so auch durch das Beissen von Hunden und Pferden auf das Auge n. dgl. Ausserdem entstehen die Vorfälle des Augapfels bei den verschiedenen Thieren, bei Knochenbrüchen am die Augenhöhle, wenn ein Bruchstück gewaltsam
') Es kommt auch, wie bereits bei dem grauen Staar (S. 121) und bei den Wunden des Auges (S. 348) erwähnt, ein Hervortreten der Krystalllinse aus der hintern in die vordere AugenUammer vor und man bezeichnet diesen Zustand als Vorfall der Linse (Prolapsus lentis). Derselbe trägt jedoch nur zum Theil die im ersten Abschnitt erwähnten allgemeinen Charaklere der Vor­fälle an sich und ist auch nicht wie andere Vorfälle zu behandeln, namentlich nicht zu reponiren. Die Erkennung ist immer, wenn die Hornhaut durch­sichtig ist, leicht; denn die in die vordere Augcnkainmer getretene Linse wird nicht mehr ernährt, verliert daher ihre Durchsichtigkeit und erscheint als ein weisser, linsenförmiger Körper hinter der durthsichtigen Hornhaut; dadurch wird ein Theil der Regenbogenhaut und selbst der Pupille bedeckt. Das Sehen ist stets verloren. Oft schwindet später die Linse bis auf einen kleinen Punkt. Heilung mit Wiederherstellung des Sehvermögens ist unmöglich. Soll das üble Ansehen beseitiget werden, so ist der Hornhautschnitt wie bei der Staar-Ex­traktion zu versuchen.
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344
Vorfall des Augapfels.
nach einwärts hinter den Augapfel gedrängt wird, und in seltenen Fällen in Folge der Äugapfel Wassersucht oder in Folge von Exostosen und Geschwülsten in der Augenhöhle.
Die Entstehung des Vorfalls ist in den zuerst bezeichneten Fällen, bei mechanischen Verletzungen, immer ganz plötzlich, bei den zuletzt angedeuteten Fällen aber allmälig.
Die Erkennung ist immer sehr leicht; man sieht den Augapfel bald vollständig, bald nur zum grösscrn Theile zwischen den Augenlidern her vorgedrängt, bei frischen Verletzungen zuweilen auch blutend, sonst aber zuerst ohne wesentliche Veränderung; wenn jedoch die Luft durch mehrere Stunden auf ihn eingewirkt hat, wird die durchsichtige Horn­haut allmälig mehr trocken, grau und undurchsichtig, zuletzt faltig und lederarlig hart. In der ersten Zeit können die Thiere trotz der starken Ausdehnung des Sehnerven zuweilen noch mit dem hcrvorgediängten Auge sehen, wenn aber die bezeichneten Veränderungen in der Horn­haut eingetreten sind, ist nothweudig das Sehvermögen hierdurch auf­gehoben; oft fehlt es aber gleich vom Anfange an in Folge der Erschüt­terung und Zerrung des Augapfels und des Sehnerven. Die Thiere sind bei diesem Zustande mehr oder weniger ängstlich und kopfscheu, sie schütteln viel mit dem Kopfe, suchen sich die verletzte Stelle an an­deren Gegenständen zu reiben und Hunde wischen öfters mit den Pfoten an derselben. — In denjenigen Fällen, wo der Augapfel durch seröse Anhäufung übermässig ausgedehnt ist, erkennt man diesen Zustand immer sicher an dem vermehrten Umfange des Organs und an der allmäligen Hervordrängung desselben; wo aber eine solche Vergrüsserung des Um-fanges nicht besteht und dennoch der Augapfel mehr und mehr aus der Höhle hervortritt, muss man auf krankhafte Erzeugnisse im Grunde der Augenhöhle schliessen, obgleich man dieselben von aussen nicht deut­lich wahrnehmen kann.
Beurtheilung. Frisch entstandene Vorfälle, durch mechanische Ein­wirkung plötzlich erzeugt und in einfacher Beschall'enheit, sind sehr häufig vollständig zu heilen, wenn die Hülfe recht schnell gebracht und consequent angewendet, wird; ist dies aber nicht der Fall, so ver­ändert sich der Augapfel in der vorhin angegebenen Weise, es tritt ausserdem Entzündung sowohl im Augapfel, wie auch in den Augen­lidern hinzu; die Theile schwellen an und die Zurückbringung wird dadurch erschwert, ja oft unmöglich. Wenn aber die Zurückbringung überhaupt in deu ersten Stunden nicht geschieht, so geht der Augapfel durch Austrocknung und später hinzutretende Ulceration verloren. Nicht selten ist aber die Zurückbringung auch in den Fällen nicht mög­lich, oder die Zurückerhaltung gelingt nicht, wo die Hülfe zeilig genug gebracht wird, weil bei dem Hervordrängen oder Ilerausreissen des Aug­apfels der Sehnerv und die Augenmuskeln übermässig gezerrt und durch Ausdehnung verlängert sind, so dass dann der Augapfel in der Augen­höhle nicht mehr hinreichenden Raum lindet. In den Fällen, wo der Augapfel gleichzeitig verwundet ist, ist die Beurtheilung zugleich nach der Art, Grosse und Tiefe der Verletzung zu machen. Bei Augapfel­wassersucht gelingt die gründliche Heilung der letzteren zwar in der Regel sehr schwer, man kann aber durch die Punktion des Augapfels die Ueberfullung desselben mit Serum leicht beseitigen und dann den
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Vorfall des Augapfels.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;S4S
Augapfel in seine normale Lage bringen. Bei Geschwülsten und Exo-stosen in der Augenhöhle ist der Vorfall nur durch Entfernung dieser krankhaften Bildungen zu beseitigen, allein diese Aufgabe ist sehr schwer zu erfüllen und gewöhnlich leidet dabei der Augapfel selbst auf eine solche Weise, dass dieses Heilverfahren kaum einen Nutzen gewährt.
Die Behandlung. Bei frisch entstandenen Vorfallen wird der Aug­apfel und seine Umgebung zuerst mit kaltem Wasser gereiniget und dann versucht man ihn durch gelinden Druck mit der ilachen Hand in die Augenhöhle zurückzubringen; dies gelingt jedoch nicht in allen Fällen, weil die Augenliderränder sich hinter dem Augapfel sehr stark zusammenziehen, denselben gleichsam einschnüren und so ein Hinder-niss der Zurückbringung bilden. Ist dies der Fall, so nutzt das Drän­gen nichts, sondern der Spalt der Augenlider muss an einem Punkte durch Einschneiden erweitert werden. Dies geschieht am besten am aussern Augenwinkel, indem man eine Hohlsonde unter denselben und zwischen dem Augapfel vorsichtig in die Augenhöhle drängt und dann mit einem Bistouri (Knopfbistouri) einen etwa 1^-—2 Linien tiefen Einschnitt macht. Hiernach erschlalTt das obere Augenlid und die Zu-ruckbringung durch gelinden Druck auf den Augapfel ist gewöhnlich leicht zu machen. Diese kleine Erweiterung ist ganz ohne Gefahr und heilt später sehr leicht. Nach geschehener Zurückbringung muss ein Gehülfe, welcher nöthigenfalls alle Stunden abgelöst wird, fortwährend mit einem in kaltes Wasser getauchten Schwamm einen gelinden Druck auf den Augapfel ausüben und hiermit durch 24 Stunden fortfahren. Mit Bandagen für diesen Zweck ist im Ganzen weniger zu erreichen und man benutzt sie desshalb nur im Nothfalle. Man kann hierzu ein länglich-viereckiges Stück Leinwand gebrauchen, welches auf eine über das Auge gelegte Compressc gelegt und mittelst Bändern um den Unter­kiefer befestiget und durch andere Bänder nach rückwärts an das Hals­band gebunden wird. Gewöhnlich ist der Zustand nach 24 Stunden im Wesentlichen beseitiget und man hat nur noch zur Wiederherstel­lung des Tonus in den ausgedehnten Theileu gelind aromatische Mittel, wie z. B. ein Infusum von Arnica, von Kamillenblumen u. dgl. anzu­wenden .
Von grosser Wichtigkeit ist es, den Thiereu in den ersten 24 Stun­den kein Futter zu geben, weil beim Kauen der Kronenfortsatz des Hinterkiefers beständig auf den Augapfel drückt und denselben nach vorn treibt.
Besteht der Vorfall bereits seit länger als circa 10 —12 Stunden und ist die Hornhaut in der oben bezeichneten Art schon vertrocknet und zusammengeschrumpft, oder ist das Auge auf keine Weise in der Augenhöhle zu erhalten, so bleibt nichts anderes übrig, als ihn zu ex-stirpiren. Man kann diese Operation mit kleineu Abänderungen auf folgende Weise ausfuhren: Man lässt durch Gehülfen die Augenlider so viel als möglich nach aussei! umbiegen und zurückziehen und er­greift den Augapfel entweder mit den blossen Fingern der linken Hand, oder mittelst eines scharfen Hakens oder an einer Schleife, welche man aus einem, mittelst einer Heftnadel quer durch ihn gezoge­nen Faden gebildet hat. Darauf schneidet man mit einem geballten Bistouri die Bindehaut in der ganzen Peripherie des Augapfels durch,
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Vorfall des Augapfels,
dringt entweder mit einem schmalen, recht scharfen Lorbeerblattmesser zwischen dem Augapfel und den Wänden der Augenhöhle in die letz­tere bis auf den Grund ein und schneidet daselbst sogleich den Sehnerv quer ab, um bei den weiteren Manijmlatioiien jede Zcnung dieses Ner­ven zu vermeiden 5 oder man sucht mit einer nach der Fläche gekrümm­ten Scheere in die Augenhöhle einzudringen, indem man nach gemach­tem KreisschniU in der Bindehaut gleich hinter derselben an einer Stelle das -verbindende Zellgewebe und die Muskeln nach und nach zerschnei­det und so auch im Grunde den Sehnerv mit der Scheere trennt. Hierauf löst man auch in dem ganzen Umfange des Augapfels durch weitere Schnitte das Zellgewebe und die Muskeln und entfernt ihn. In die Augenhöhle bringt man dann, nachdem die Blutung durch kaltes Wasser gestillt ist, so viel lockeres Werg, dass sie bis gegen den Rand der Augenlider damit angefüllt ist. Eine weitere Bandage ist nicht er­forderlich. Sollte die Blutung nicht durch kaltes Wasser bald zu stillen sein, so kann man eine dünne Schicht von irgend einem klebenden, aber wenig reizenden Pulver, z. B. Mehl oder Stärkemehl oder das S. 309 empfohlene styptische Pulver, in die Augenhöhle einstreuen und das Werg dann appliziren. Letzteres bleibt so lange in der Augen-höble, bis Spuren der beginnenden Eiterung sich zeigen, worauf man es mittelst lauwarmen Wassers und einem Schwämme erweicht, mil; der Pinzette herauszieht und durch neues Wrerg in derselben Weise ersetzt. Dies geschieht in den nächsten Tagen täglich einmal wieder­holt, bis Granulation eingetreten ist, worauf dann die ganze Behand­lung auf die blosse Reinigung beschränkt wird. Wenn die Granulation bis zum Rande der Augenhöhle hervorgewachsen ist, pflegt sich eine Art schwieliger Narbe auf derselben zu bilden und die Eiterung dann aufzuhören; ist dies aber nicht der Fall, so sucht man die Vernarbung durch adstringirende Mittel, namentlich auch durch conzentrirtes ßlei-wasser, oder durch eine Auflösung von Zink- oder Kupfervitriol zu be­günstigen, und wo üppige Granulation besteht, wendet man am besten den Lapis infernalis, nöthigenfalls wiederholt au.
Ist der Vorfall des Augapfels durch Wassersucht erzeugt, so kann man bei den höheren Graden dieser Krankheit die Punktion der durch­sichtigen Hornhaut an der niedrigsten Stelle derselben mittelst einer schmalen Lanzette machen und einen Theil der wässerigen Feuchtigkeit entleeren, hierauf aber tonische, gelind eiTcgcnde und die Resorption befördernde Mittel anwendeu. Zur Operation muss das Thier nieder­gelegt, die Augenlider müssen mit Augenlidhaltern gehörig zurückgezo­gen und der Augapfel mit den Fingern fixirt werden; man sticht dann das Instrument mit seiner Fläche gegen den Rand der Hornhaut ge­kehrt, am untern Rande des Augapfels etwa 2 Linien vom Rande der Hornhaut entfernt durch die letztere so tief' ein, dass eine etwa 2 — 3 Linien breite Wunde entsteht; es entleert sich sogleich neben dem In­strument ein Theil der wässerigen Feuchtigkeit, und um dies in hin­reichendem Masse zu bewirken, hält man entweder das Instrument für einige Sekunden in der Wunde, oder man führt statt dessen eine Sonde in dieselbe. Nach genügender Ausleerung der wässerigen Feuch­tigkeit und Entfernung des Instrumentes legt man eine Compresse von weicher Leinwand und eine massig fest anscblicssende Binde über den
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Vorfall der Zunge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; S47
Augapfel, hält das Thicr in magerer Diät ganz ruhig und wendet dann gelind aromatische Infusionen, namentlich von Arnica u. dgl. und in­nerlich urintreibende und abführende Mittel, von Zeit zu Zeit wieder­holt, an.
Isl bei einem Vorfall des Augapfels das Dasein einer Exoslosis oder einer Geschwulst als Ursache des Uebcls zu erkennen, so kann man, wenn der Eigenthiirner das Aeussersle zur Heilung des Zustandes verlangt, an dem hierzu niedergelegten Thiere einen Einschnilt durch die Bindehaut an derjenigen Stelle der Augenhöhle, wo eben die Ge­schwulst silzt, mit der nöthigen Vorsicht machen, bis zu der Geschwulst eindringen und dieselbe cxslirpiren; es ist jedoch dieses Verfahren ein sehr eingreifendes und hinsichtlich der Folgen, welche bei der entste­henden Eiterung einlreten können, nicht genau im Voraus zu beur-thcilen. Nach der Entfernung der Geschwulst drückt man den Aug­apfel sanft in seine Höhle zurück und erhält ihn daselbst mittelst einer Bandage. Die übrige Behandlung ist zuerst antiphlogistisch und dann weiter nach Art der eintretenden Zufälle.
Zweites Capitel.
Vorfall der Zunge. (Prolapsus Linguae.)
Die Vorfälle der Zunge finden sich meist bei Pferden und Hunden — Die Erkennung ist leicht; indess ist zu bemerken, dass es verschie­dene Grade dieses Vorfalles giebt und dass somit ein geringerer Grad in seinen Symptomen weniger deutlich ausgesprochen und dcsslialb weniger leicht zu erkennen ist. In jedem Falle sieht man, dass die Zunge, welche hinter den Schneidezähnen liegen soll, entweder über dieselben bleibend hervorgetreten ist oder seillich über die Laden herab­hängt. Der Vorlall der Zunge ist nicht immer ein und derselbe patho­logische Zustand, sondern die Folge von verschiedenen Zuständen und zwar: 1) beruht er auf einer, durch übermässige, gewaltsame Ausdeh­nung erzeugten Erschlaffung, Schwäche und #9632;Verlängerung der Muskel­fasern; oder 2) auf einer Lähmung der Zunge und — 3) auf einer durch Verwundung herbeigeführten Verkrüppelung derselben.
Im ersten Falle ist das üebel nicht beständig in gleicher Stärke zu bemerken, sondern das Thier lässt die Zunge mehr heraushängen, wenn es müde ist; es ragt dann die Zungenspitze 1—4 Finger breit heraus; wenn aber das Thier durch einen Reiz veraulasst, wird die Zunge zu bewegen, so kann es sie vermöge der noch be­stehenden Beweglichkeit grösstenthells zurückziehen; dieselbe ist je­doch schlaff und besitzt nur einen geringern Grad von Kraft, und bei Reizungen, z. B. bei Stichen mit einer Nadel, zeigt es deut­lich Empfmduna;; die Thiere kauen aber lanssamer, vcrslreuen auch rnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; önbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 35*
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Vorfall der Zunge.
wohl etwas Futter und manche speicheln stark aus dem Maule, beson­ders im frischen Zustande des Uebels. — In dem zweiten Falle, bei wirklicher Lähmung, ist der Vorfall dauernd, die Zunge wird entweder gar nicht oder nur sehr wenig zurückgezogen, man mag thun was man will, und das Kauen und die Bildung des Bissens geschieht sehr unvoll­ständig. Die Lähmung besteht zuweilen nur an einer Hälfte der Zunge. Letztere ist dann nach der gesunden Seite verzogen und die Erschei­nungen finden sich nur an einer Seile. — Im dritten Falle, bei einer Verwundung oder nach derselben, findet man mehr oder weniger in der Mitle der Zunge einen Querriss, durch welchen die Spitze von dem hintern Theil grösstentheils gelrennt, zuweilen nur noch mit dem Zun-genbändchen und durch einige Fasern mit dem Körper der Zunge zu­sammenhängt. Zuweilen ist sie dabei verkrümmt und hängt nach einer Seite. In dem Verhältnisse, als die Lücke breit ist, ist auch die Zunge verlängert; in dem hervorhängenden Tbeile besteht Empiindlichkeit, Wärme und Beweglichkeit, nur die Kraft ist nicht so gross.
Ausser diesen wirklichen Vorfällen giebt es auch andere Zustände, bei welchen die Zunge nur vorübergehend aus dem Maule tritt und schein­bar einen Vorfall bildet. Dies geschieht namentlich a. bei heftiger Ent­zündung der Zunge, wo letzlere bedeutend anschwillt, in F'olge dessen ihre Spitze zwischen den Schneidezähnen hervorsteht, durch diese ge­drückt wird und in Folge dieses Druckes liefe Gruben, Blutcxtravasalc und im weiteren Verlaufe selbst Brand an der Spitze der Zunge ent­stehen (S. 140). — Aehnlich ist es zuweilen bei dem Zungcn-Anthrax. (S. 140 u. 141). b. Scheinbare Vorfälle der Zunge cnlstehen aueli nach solchen Verwundungen, bei denen sich fremde Körper in die Zunge einstechen, riicsclbe reizen, entzünden und in Folge dessen eine Anschwellung herbeiführen, durch weiche die Zunge verlängert und über die Schneidezähne heraus gedrängt wird. Die Erkennung dieser Zustände ist an den Symptomen der Fnlzünduug oder der Verletzung immer leicht zu erlangen. — c. Eine drille Art des scheinbaren Zun­genvorfalls findet sich bei denjenigen Pferden, welche aus übler Ge­wohnheit die Zunge aus dem 31aule hervorslrecken oder heraushängen lassen und die man desshalb Z ungenslrecker oder Zungenblöcker nennt. Am meisten siebt man diesen Fehler, wenn die Pferde aufge­zäumt sind, zuweilen aber auch zu jeder Zeit. Die Thiere haben hier­bei die volle Kraft, Empfindlichkeil und Beweglichkeil der Zunge und ziehen dieselbe nach Belieben zurück. Hierdurch unterscheidet sich die­ser Zustand von dem Vorfall sehr deutlich.
Ursachen. Man hat diese Vorfälle bei Pferden durch gewaltsames Herausziehen der Zunge bei dem Aufzäumen, bei dem Maulputzen u. dergl., — zuweilen die Lähmung der Zunge bei Nervenfieber, Influenza und Dummkoller, — angeblich auch in Folge des fortwährenden Lek-kens an den Wänden entstehen sehen, und bei Hunden sah ich sie als Folge des hohen Alters.
Prognosis. In den Fällen, wo das Uebel bloss in Erschlaffung be­steht, lässt es sich noch am ehesten und gründlichsten heilen; wo es dagegen in Folge von Lähmung entstanden, ist der Zustand stets sehr hartnäckig und die Heilung ungewiss, besonders bei einem hohen Grade des Uebels und im veraltelen Zustande desselben. Im drillen Falle,
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Vorfall der Zunge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 549
d. h. wo die Zunge verwundet und in Folge schlechter Behandlung verstümmelt ist, ist die Yorhersaguug ebenfalls ungünstig, da hier von der thierärztlichen Kunsthülfe nichts Gründliches zur Beseitigung des Uebels geschehen kann; in beiden Fällen bleibt zuletzt, wenn wenig­stens das üble, Ansehen beseitiget werden soll, nur das operative Ver­fahren übrig.
Behandlung. Ist der Vorfall der Zunge nur in Erschlaffung und übermässiger Ausdehnung begründet, so sind Einspritzungen in das Maul und Befeuchtungen der Zunge mit adstringirenden und erregenden Mitteln nützlich, wie z. B. von einer Abkochung der Eichen- oder Wei-deurinde, oder der Tormentillvvurzel, oder einer Auflösung des Alauns, mit Weingeist, mit Wein, oder mit aromalischen Infusionen u. dergl. Dabei kann man auch im Kehlgange und in der Gegend der Ohrdrüse Waschungen und Einreibungen von Weingeist, Terpenthinöl u. dergl. machen. Das starke Herausziehen der Zunge muss vermieden und die­selbe bei der Arbeit in einein leinenen Beutel, welcher mit Bändern seillich an die Halfter oder Trense gebunden wird, im Maule zurück­gehalten werden. —#9632; Wenn die Pferde gewöhnt sind, die Wände zu belecken, so bestreiche man dieselben mit Theer oder mit Fett, und ausserdem stelle man die Thiere, so viel als die Umstände es gestatten, im Stande umgekehrt. Die Diät kann in diesen Fällen übrigens wie bei gesunden Pferden sein.
Besteht aber der Vorfall in Folge einer Lähmung, so müssen er­regende, belebende Mittel auf die Zunge und eben so in den Kehlgang gebracht werden. Auf die Zunge applizirt man recht oft aromatische uud spirituöse Flüssigkeiten, selbst ätherische Oele; oder man bindet an das Mundstück der Trense aromalische Wurzeln und lässt sie durch einige Stunden im Maule liegen, wie z. B. gespaltene Kalmus-, An­gelica- und Baldrianwurzeln (unmittelbar mit Bindfaden an das Gebiss befestiget, oder grob pulverisirt in einem Leinwandsäckchen auf das Gebiss gebunden, nachdem man es vorher einige Minuten in heissem Wasser gehalten hat). Ausserdem ist die Elektrizität in Anwendung zu bringen und zwar, indem man Funken aus einer Leidner Flasche auf die Zunge überspringen lässt; oder man lässt in die hervorgezogene Zunge Hitze von einem vorgehaltenen Brenneisen einströmen. Aeusser-lich unter die Zunge, im Kehlgang und zu den Seilen des Kehlkopfes wendet man Kampherliniment, Kampherspiritus, Ammoniakliniment an; oder man macht Einreibungen von Terpenthinöl, oder brennt unter der Zunge im Kehlgange Punkte, macht Scariükationen u. dergl. abwech­selnd, bis der Zweck erreicht ist oder bis die andauernde Erfolglosig­keit aller dieser Mittel den Beweis für die Unheibarkeit des Zustandes geliefert hat. Auch hier kann die Zunge mittelst eines Beutels im Maule zurückgehalten werden. Die Thiere müssen weiches Futter er­halten.
Bei der in Folge von Verwundung eingetretener Verkrüppelung oder Verlängerung der Zunge kann man nur die alten Wundränder durch Beschneiden neu wund machen und dann durch gut angelegte Hefte die Theile zur Heilung zu bringen suchen. Das Maul wird dann zugebunden und die Thiere bekommen in 3 Tagen kein Futter, sondern das Maul wird nur von Zeit zu Zeit mit Wasser ausgespritzt. Ist nach
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Vorfall der Zunge.
3 Tagen die Vereinigung noch nicht gesclielien, so ist sie auch nicht mein' zu erwarten.
Bei den sogenannten Zungenstreckem, wo ein oft wiederholtes Hervorstrecken der Zunge blos aus übler Angewohnheit des Thieres besteht, muss man bei jungen und im lUaulc sehr empfindlichen Pfer­den zuerst jedes scharfe und zu fest anliegende Gebiss weglbun, weil oft die Thiere nur durch den unangenehmen Reiz im Maule zu dem Vorstrecken der Zunge veranlasst werden. In andern Fällen sind mehr die correctiven Mittel zu versuchen, aber mit Flciss und durch einige Zeit andauernd fortgesetzt. Der Wärter inuss beständig auf den Fehler aufpassen und dem Thiere, so oft es die Zunge heraushängen lässt, ei­nen Hieb geben oder dasselbe im Stalle verkehrt anbinden und die her­vorgestreckte Zuuge mit Nadeln stechen, oder mit Draht brennen, oder mit bitterscharfen Extrakten, wiez. B. Kantliarideiilinklur und Aloeexlrakt, bestreichen. Ausserdem kann man noch ein sogenanntes Spielgebiss auf­legen, womit die Thiere die Zunge beseliäftigen können. Je nach dem höhern oder geringem Grade dieser üblen Angewohnheit sind auch diese Gebisse verschieden; bei dem einfachen hängen drei Keuchen herab, bei anderen sind diese Ketlchen mit einer Art von gezahntem Löffel versehen, dessen Zähne nach der Zunge gerichtet sind. Wo jedoch diese Gebisse das Thier von dem Herausstrecken der Zunge nicht ab­halten, legt man ein Doppelgebiss auf, hat aber hierbei zu vermeiden, dass das Zungenbändchen eiureisst; die Zunge liegt dann zwischen bei­den Gebissen. Manche Pferde spielen so lange, bis sie das Gebiss unter der Zunge haben, worauf sie dieselbe wieder hcrvorsl recken. In diesem Falle ist es nolhwendig, das Gebiss mit einem Bogen zu versehen, der nach hinten auf der Zunge liegt.
In allen Fällen, wo durch die angegebenen Mittel der Vorfall nicht beseitiget werden kann, bleibt nur noch das kunslmässige Abschneiden der zu langen und hervorhängenden Spitze der Zunge übrig. Dies er­scheint zwar als ein barbariselics Verfahren, es enlspricht jedoch dem Zwecke recht gut und i4 nicht so eingreifend, wie es scheint. Der zu seiner Zeit berühmte Slalhncister Wcy bold hat schon vor 150 Jah­ren diese Operation in Anwendung gebracht1).
Nach seiner Vorsclnin benutzt man hierzu eine Maschine, die aus zwei eisernen Platten besteht, welche an ihrem vorderen Rande abge­rundet sind wie die Zunge; die unlere Plalle ist 2^ Zoll von vorn nach hinten lang und 3 Zoll breit, die obere ist 3quot; lang und 3plusmn;quot; breit und steht somit mit ihrem Rande einen halben Zoll über den Rand der untern Platte vor. Hierdurch wird ein schräger Schnitt in der Zunge und bei der Heilung ein dünner Rand derselben erzielt. Beide Platten sind mit Ilachen Seitenarmen versehen, welche aus dem Maule hervorstehen und hier mit Löchern durchbohrt, durch welche Schrauben gehen, vermittelst deren man die Platten und die Zunge zusammen­pressen kann. Zwischen die Platten legt man die Zunge wohl ausge­breitet und so, dass ihr Rand in der richtigen Breite über die erstem
') I. C. Weybold's kunslgeiüjter Bereiter und durch Erfahrenheit gelehrter Rossarzt. Nürnberg. 1701.
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Vorfall des Mastdarms.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;SSI
vorsteht, schraubt die Platten fest zusammen, schneidet dicht an deren Rändern den Zungeurand ab, brennt ibn, um die Blutung zu stillen, und beslreicht ihn mit einem Gemenge von Mehl und Honig. — Man kommt aber auch ohne diese Maschine aus, indem man die Zunge mit den Fingern oder mit der Kornaange eifasst und den hervorragenden Theil mit einer Scheere absclmeidct. Die Blutung ist bei diesem Ab­schneiden nicht bcdeuleud und durch Belupfen mit einem knopfför-migeu Brenneisen leicht zu stillen. In den ersten 24 Stunden verab­reiche man dem Thiere nur Getränk, dann aber als Futter Kleienbrei, feines Gras, und nach 4 — 5 Tagen das gewöhnliche Futter. Eine be­sondere tberapeutische Behandlung ist hierbei nicht nöthig.
Drittes Capitol. Vorfall des Mastdarms. (Prolapsus ani. Exania.)
Die Vorfälle des Mastdarms entstehen, wenn ein Theil dieses Darras durch den After hervorgedrängt wird. Dies geschieht in drei­fach verschiedener Art, nämlich: Ij indem sich entweder der Mastdarm unmittelbar vor dem Schliessmuskel umbiegt; oder 2) die Umbiegung lindet tiefer im Becken, nicht unmittelbar hinter dem After statt, oder 3) es tritt bloss ein Theil der Wände des Darms an einer Seite, mei­stens die Schleimhaut, heraus. Bei der ersten Art besteht eine wirk­liche Umstülpung, und man sieht aus dem After eine rothe Gesehwulst hervorhängen, die von verschiedener Länge (zuweilen nur etwa 1 Zoll, in anderen Fällen 5—6quot;, ja sogar l-^')? röhrenförmig, mit der Schleimhaut überzogen und am äussersten Ende mit einer Oell'nung versehen ist, in die man leicht mit einem Finger eindringen kann und aus welcher Blähun­gen, Schleim und selbst Excremente zuweilen entleert werden; aber zwi­schen dem vorgefallenen Theile und dem After kann man nur bis zum iunern Rande des Schlicssmuskels gelangen. — Bei der zweiten Art besieht Einschiebung und Umslülpung im Becken, und es sind äusserlich diesel­ben Erscheinungen wahrzunehmen, aber man kann mehr oder weniger lief neben der äussern Wand eindringen. In dem dritten Falle sieht man aus dem After eine röthliehe Geschwulst ragen, welche nicht cy-iindrisch ist, sondern nur einen Lappen bildet. Diese Art hat Aehn-lichkeit mit den flachen Mastdarmpolypen, nur mit dem Unterschiede, dass letztere von einer derbern Masse sind. — Der Mastdarmvorfall ist entweder dauernd oder wechselnd; erstercs ist häufiger der Fall; bei dem wechselnden findet nach einiger Zeit eine Art von peristallischer Bewegung statt und der Vorfall tritt dabei wieder zurück. Wenn sich der vorgefallene Theil bald zurückzieht, treten gewöhnlich keine ander­weitige Folgen und Zufälle ein; bleibt, der Darm aber längere Zeit an der Luft, so wird die Schleimhaut trocken, geröthet und angeschwollen;
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552nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Vorfall delaquo; Mastdarms.
bei der Berührung schmerzhaft, die Thiere drängen oft wie zur Kolhentleerung, es entsteht Jucken, in Folge dessen reiben sich die Thiere, rufen hierdurch eine heftige Entzündung hervor, welche von Blutinfiltration zwischen der Muskel- und Schleimhaut, Faserstoffaus-schwitzung und dadurch entstehender Verdickung (bei Pferden bis zur Grosse einer Faust) begleitet wird, und es kann dann der Darm auch durch Kunsthülfe nicht zurückgebracht werden. In anderen Fällen ent­steht Eiterung und Ulceration und theilweises oder gänzliches Absterben des hervorhängendeu Stückes; die Ulceration setzt sich nach innen fort, es bildet sich eine Fistel, Senkung des Eiters u. dgl., bis der Tod iu Folge dieser üblen Zufalle eintritt. In recht günstigen Fällen stirbt die hervorragende Partie ab und die Ränder verwachsen ohne üble Folgen, — doch tritt dies höchst selten ein.
Ursachen. Erschlaffung des Darms au der Stelle, wo sich der Vorfall bildet und heftiges Drängen mit den Bauchwänden und dem Zwerchfell auf die Baucheingeweide sind die Haupt Ursachen dieser Vor­fälle. Die Veranlassung dazu geben: allgemeine Schwäche und Er­schlaffung (daher der Vorfall oft bei ganz jungen Thieren vorkommt), Durchfall, Ruhr, starke Aufblähung (Windkolik), Anhäufung vom ver­härteten Koth im Mastdarm, Bretnscnlarven und Würmer in demselben, ungeschickte und rohe Manipulationen in ihm, bei Untersuchungen und bei dem Ausräumen mit der Hand, schwere Geburten, grosse Reizung durch die Nachgeburt u. dgl. Ob die eine oder die andere Ursache mit zugegen ist, muss man aus dem Vorbericht, aus den Zufällen und der örtlichen Untersuchung erforschen. Für letzteren Zweck gebt man bei kleinen Thieren mit einem mit Fett bestrichenen Finger, bei grosseren mit der Hand in den Mastdarm und befühlt dessen innere Fläche.
Die Prognosis ist, je nach den einzelnen Verhältnissen, bald mehr bald weniger günstig und richtet sich 1) nach der Art des Vorfalls, 2) nach der Dauer, 3) nach dem Umstände, ob der Vorfall das erste Mal oder schon öfter stattgefunden, 4) nach den etwa schon eingetre­tenen pathologischen Veränderungen im Darm, 5) nach den Ursachen, ob sie nämlich vollständig zu beseitigen sind oder nicht und endlich 6) nach der Art und der Empfindlichkeit der Thiere. Das blosse Her­vortreten einer Wand des Mastdarms ist am leichtesten zu beseitigen; etwas schwieriger ist eine Umstüipung nahe am After, doch ist dieselbe mehrentheils auch gut zu heilen; am übelsten sind die Vorfälle mit Einschiebung innerhalb des Beckens, sowohl hinsichtlich ihrer Zufalle wie auch hinsichtlich ihrer Heilbarkeit. Sie enden oft tödlich. Frische Vorfälle sind leichter zu heilen als alte; die ersten Vorfälle, obgleich sie leichter üble Zufälle herbeiführen können, sind schneller zu beseitigen als schon oft dagewesene, weil eine öftere Wiederkehr derselben eine grössere Anlage zu diesen Vorfallen und desshalb eine schlechtere Prognose bedingen. Wo noch keine pathologischen Veränderungen des Darms entstanden sind, ist die Prognose gut im Vergleich zu den Fäl­len, wo dieselben bereits eingetreten sind. Bei grosseren Hausfhieren ist die Prognose besser als bei kleinen, weil bei ersteren die Mitlei sich leichter appliziren lassen und die grosseren Thiere eher in einer hori­zontaler Stellung zu erhalten sind. Je ruhiger und torpider das Thier ist, desto günstiger ist der Vorfall zu beurtheilen, eben so wo die Ur-
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Vorfall des Mastdarms.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;553
sachen, welche ihn hervorgerufen, leicht zu entfernen sind, wie z. B. Kothballen, Würmer; ist aber die Ursache nicht zu beseitigen, so ist auch trotz aller Mittel das den Vorfall hervorrufende und begünstigende Drän­gen nicht zu verhüten. Bei schwerer Geburt ist nicht eher etwas zu thun, bis die Geburt und Nachgeburt vorüber ist. Zuweilen ziebt sich der herausgetretene Theil des Mastdarms von selbst wieder in das Becken zurück, wenn die Ursache des Drängens beseitiget ist. Findet, die Zu­rückbringung nicht statt, so entartet der vorgefallene Theil durch die Einwirkung der Luft, durch Reiben mit dem Schwänze oder an andern Gegenständen u. s. w., oder in manchen Fällen tritt immer mehr Masse heraus und der Vorfall vergrössert sich.
Behandlung. Den im Allgemeinen aufgestellten Indikationen gemäss, müssen vor Allem die Ursachen des Vorfalls beseitiget werden; so na­mentlich bei Diarrhöe durch innerliche und äusserliche Anwendung (durch Klystiere und Einreibungen) derjenigen Mittel, welche gegen die Art der Diarrhöe angezeigt sind; z. B. bei Erschlaffung und Reizlosig­keit des Darmkanals gebe man bittere und adstringirende Mittel mit kleinen Gaben von Rbabarber, das Argent, nitric, u. dergl. 1st aber grosse Empfindlichkeit mit zugegen (Mastdarmzwang), so reiche man innerlich Opium oder Krähenaugen (bei Pferden 9j — 3j, beim Rind­vieh B'] — 5]ß, bei Schafen —j, bei Schweinen gr. jj—v, bei Hun­den gr. %—gr. ij), in Stärkemchlabkochung und in einer halben Stunde wiederholt. Oertlich gebe man Klystiere von denselben Stoffen in kleinen Quantitäten. Bei vorwaltender Entzündung mache man einen der Constitution des Thieres entsprechenden Aderlass und applizire ört­lich schwache Auflösungen von Bleizucker mit Opium oder Bilsenkraut-Extrakt. — Bei Vorfällen, die in Folge von Windkolik entstanden sind, muss man zuerst die Mittel, welche gegen dies ursächliche Verhältniss angezeigt sind, anwenden, so Gas absorbirende, z. B. Kalkwasser, Schwe­felleber, Salmiakgeist u. dgl. und wenn diese nichts fruchten, so mache man den Pansenstich, und sobald die Auflreibung auf diese Weise ge­hoben ist, wird die Zurückbringung des Vorfalls nicht schwer. Bei hartnäckiger Verstopfung giebt man innerlich schleimige und fettig-ölige Mittel, und die örtlichen Hindernisse im Darm, z. B. bei grossen Thie-ren die Kothballen, entferne man, nachdem Klystiere von Schleim ap-plizirt worden, mit der Hand; bei kleineren Thieren versuche man die talkartigen und verhärteten Kothballen durch die Pinzelte oder die Kornzange oder die Kugelzange, — und den zurückgehaltenen Urin durch den Katheter zu entfernen.
Zur Erfüllung der zweiten Indikation der Zurückbringung des vor­gefallenen Theiles stelle oder lege man zunächst das Thier mit dem Hintertheile höher, als mit dem Vordertheile (durch Unterlegen von Stroh und Brettern) und reinige den Darm mittelst lauwarmen Was­sers oder einer schleimigen Flüssigkeit, und dann bewirke man die Re­position mit den Händen und zwar so. dass der Theil, welcher zuletzt hervorgetreten ist, zuerst zurückgebracht wird. Man setzt die von den Nägeln befreiten Fingerspitzen auf das äusserste Ende des vorgefallenen Darms und drückt vorsichtig jeden Theil einzeln zurück. Das Darm­stück muss immer gänzlich hineingeschoben werden und darf nirgends doppelt liegen bleiben. Diese Zurückbringung wird sehr erleichtert,
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5S4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Vorfall des Mastdarms.
wenn, wie hier angeordnet worden, das Vordertlieil niedriger steht oder liegt und wenn die Thiere gebremset sind, oder wenn ihnen vor­her narkotische Miltcl, nöthigenfalls Chloroformdämpfe, beigebracht wor­den sind, damit sie während der Manipulation den Reiz nicht fühlen und nicht drängen. Wenn die Tbicre stark drängen, muss man mit der Zurückbriogung des Vorfalls inne halten, weil sonst leicht eine Zeneissung entstehen könnte.
Zuweilen erscheint die Schleimhaut des hervorstehenden Theils sehr angeschwollen, gleichsam eine strotzende Falte um den Schliess-muskel bildend, schwarzroth, und hindert die Zurückbriugung. In die­sem Falle scarifizirt man diese Haut bis zur Muskelhaut, befördert das Ausbluten durch öfteres Befeuchten mit lauwarmem Wasser und schiebt dann möglichst bald den Darmtbeil zurück. Auch wenn letzterer schon ganz kalt wäre, muss die Zurückbringung doch baldigst geschehen; denn in der normalen Lage im Becken lindet die gesunde Wiederher­stellung schnell statt, während bei dem Verbleiben des Darms ausser-halb desselben die Entartung oder die Absterbung immer mehr zu­nehmen.
Nacli der Zurückbringung hat man der dritten Indikation, der Zurückerhallung des Darmstücks, Rechnung zu tragen. Diese ist hier um so schwieriger, da die Bandagen, die bei anderen Organen angelegt werden können, hier desshalb nicht in Anwendung zu bringen sind, weil die Oelfnung stets frei erhalten werden muss. Mau hat desshalb hier verschiedene andere Bandagen empfohlen, welche jedoch sämmtlich sehr wenig dem Zweck entsprechen. Eine von diesen Bandagen be­steht aus einem iesten, mit einem Schwanzriemen verseheneu Sallel-gurt, welchen man dem Thiere um den Leib legt; an den Schwanz­riemen befestiget man einen grossen Schwamm und drückt denselben durch 2 starke Bänder, die über seine äussere Fläche vom Schwanz­riemen her zwischen den Hinlcrschenkeln und unter dem Bauche an den Gurt gehen, fest an den After. Der Schwamm soll den Vorfall zurückhalten und zugleich zur Aufnahme der angewendeten Medika­mente dienen. — Statt des Gurtes und Schwanzriemens kann man im Nothfalle auch eine Pilugleine (einen 18—20 Fuss langen, gleichmässig dicken Strick) benutzen, welche in der Mille zusammengelegt und auf dem Rücken an einen um den Leib gelegten Gurt oder Strick gebunden wird; man führt sie über den Rücken nach hinten, vereiniget die bei­den Enden über und unter dem Schwänze durch einfache Knoten, so dass zwischen dem letztem eine Schlinge bleibt, in welcher der Schwanz liegt und hierdurch das Abgleiten der Binde verhindert wird; die Enden werden dann weiter über den After und unter den Bauch bis wieder zum Gurt geführt und an diesen befestiget. Unter diesen Strick legt man auf den After einen Schwamm oder acht- bis zehnfache Leinwand, die in der Mitte eine Oelfnung hat. Diese Ban­dagen halten jedoch nur den Vorfall am After zurück, aber die Um-stülpung im Innern wird keineswegs dadurch gehindert. Man hat hier­gegen das Einführen eines (für Pferde 9 —10 Fuss langen) mit Lein­wand umwickelten, mit einem Querstück versehenen und an einer Bandage befestigten, hölzernen Zapfens empfohlen. Derselbe fruchtete bei meinen Versuchen nichts und schien vielmehr den Vorfall beständig
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Vorfall des Mastdarms.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;335
von Neuem anzuregen und bei dem heftigen Drängen des Thieres ent­stand sogar die Gefahr einer möglichen Zerreissung des Mastdarms. Dagegen hat sich in mehreren Fällen folgendes Verfahren nützlich ge­zeigt: Man nimmt ein an einem Ende zugebundenes Stück Darm von circa 3 — 6 Zoll Länge und von der Weite, dass es im ausgedehnten Zustande den Mastdarm vollständig ausfüllt und bringt dasselbe mit dem zugebundenen Ende in den Mastdarm; in das äusserc, offene Ende legt man ein Rohr von Schilf oder Flieder und dergleichen, bläst durch dasselbe das Darmslück mit Luft ganz voll, und wenn dies geschehen, schnürt man es durch ein an diesem Ende umgelegtes Band fest zu. Durch das Darmstück wird eine gleichmässige Ausdehnung des Mast­darms erzeugt, aber jeder ungleiche schmerzhafte Druck vermieden und das Wiederhervordrängen des Mastdarms verhindert, ohne dass eine lästige Bandage hierzu gebraucht wird. Das Darmstück lässt man ge­gen 1 — 2 Stunden in dem Mastdarm, öffnet dann das Band an seinem äusseru Ende und zieht es hiernach sanft heraus, um etwa angesam­melten Koth nicht zurückzuhalten und das Thier zu übermässigem Drängen zu veranlassen. Hiernach kann man adstringirende Flüssig­keiten in den Mastdarm injiziren, um durch deren Wirkung den Häuten etwas mehr Tonus zu geben; diese Flüssigkeiten dürfen jedoch stets nur von schwacher Conzentration sein und nur in kleinen Quantitäten angewendet werden; denn zu stark adstringirende und reizende Stoffe, so wie grössere Quantitäten veranlassen stets ein neues heftiges Drän­gen und hierdurch Wiederholung des quot;Vorfalls. — Wenn der Yorfall immer wieder von Neuem entsteht, so kann man versuchen, durch das Auflegen einer Last auf den Rücken des Thieres wenigstens das hef­tige Drängen zu vermindern. Es eignet sich hierzu am besten ein mit Erde oder mit Sand gefüllter Sack, welchen man in der Lendengegend quer über den Rücken legt. — Die Thiere dürfen in allen Fällen nur Wässerige, leicht verdauliche Nahrungsmittel, Kleie, Kartoffeln, Gras und dergleichen in geringer Menge erhalten.
In denjenigen Fällen, wo der Vorfall auf keine Weise zu beseiti­gen ist, oder wo die vorgefallenen Theile bereits desorganisirt sind, bleibt nichts anderes übrig, als diese Theile zu entfernen. Dies muss jedoch auf die Weise geschehen, dass zugleich eine Verwachsung der Wundränder an der Stelle der Trennung herbeigeführt wird, damit nicht Infiltrationen von Jauche zwischen die Schleimhaut und tiefer in die Bek-kenhuhle entstehen, weil sonst sehr lästige und schwer zu heilende Fisteln zurückbleiben oder selbst der Tod erfolgen kann. — Grosse Thiere können bei der Operation stehen, kleine müssen liegen. Erstere werden an den Hinterbeinen gespannt und gebremset. Man reiniget zuerst die entartete Masse und ziehet sie dann so weit hervor, dass man die unverdicktc Schleimhaut sehen kann. An der Gränze dersel­ben durchsticht man an einer Stelle von innen nach aussen den hier doppelt liegenden Mastdarm mit einer, mit sechs- bis achtfachen, ge­wachsen Zwirn oder mit einem schmalen Bändchen versehenen Ilcfl-nadel in der Art, dass die Nadelspitze äusserlich neben dem Aller zum Vorschein kommt; dann führt man in der Entfernung eines halben Zolles von dieser Stelle die Nadel wieder von aussen zur Innern Fläche, bindet die Enden des Heflbandes üi einen doppelten Knoten fest zu-
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556nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Vorfall des Mastdarms. Behandlung.
sammen, presst somit an diesem Punkte die beiden Darmschichten fest an einander und schneidet hiernach die Enden des Bandes in der Nähe des Knotens ab. Unmittelbar neben diese Schleife legt man ganz auf dieselbe Weise eine zweite solche Schleife oder Naht, indem man wo möglich durch die eine Slichöffnung der ersten Schleife die Nadel mit dem Faden durchführt, hierauf sie in der Entfernung eines halben Zolls wieder von der äussern zur Innern Fläche durchsticht und dann die Enden -wieder zusammenbindet, wie bei dem ersten Heft und so fort, bis der Darm rund herum neben dem After mit einer aus mehre­ren Ligaturen bestehenden Naht versehen ist. Zuweilen sind die Häute des vorgefallenen Darmstücks in dem Grade verdickt, dass man in der Mündung desselben nicht den nöthigen Raum zu den bezeichneten Ma­nipulationen findet. In diesem Falle kann man die Wand des heraus­getretenen Darmtheils nach oben und unten, oder an beiden Seiten, bis auf etwa 1 Zoll vom After entfernt durchspalten und auf diese Weise gleichsam 2 Lappen bilden, welche wegen ihrer Beweglichkeit den nö­thigen Raum gewähren. Nachdem die Naht angelegt ist, schneidet man ausserhalb derselben in der Entfernung von etwa einem halben Zoll die entartete Masse rund herum ab und schiebt den Rest der letztern und den mit der Naht versehenen Theil durch den After in das Becken zurück. — Die Operation hat nur eine sehr unbedeutende Reaktion zur Folge und die Heilung erfolgt gewöhnlich binnen etwa 8 Tagen in der Art, dass die Heftwunden nach etwa 3 Tagen Eiterung zeigen, immer breiter werden und der ausserhalb der Naht befind­liche Rand der entarteten Masse zu der angegebenen Zeit abfallt, wäh­rend die durch die Naht zusammengedrängten Ränder des Darms fest mit einander verwachsen sind. Es bleibt an der Schleimhaut nur eine geringe Erhöhung sichtbar, welche sich in allen Fällen als ganz un­schädlich gezeigt hat.
Die Behandlung nach der Operation ist auf ruhiges Verhalten der Thiere, wobei Pferde und Rinder bis nach vollständig erfolgter Heilung sich nicht niederlegen dürfen, auf wenig und weiches Futter und auf täglich 2 — 3 Mal applizirte Klystiere von schleimigen Mitteln beschränkt.
E. Viborg hatte bei den nicht zurückbringbaren Vorfallen junger Schweine empfohlen (Anleit. z. Erzieh, u. Benutz, d. Schweins, S. 125. Copenhagen 1806), den vorgefallenen Darmtheil auf einem hölzernen Röhrchen, welches man in denselben geschoben, gleich hinter dem After durch ein rundes, fest angelegtes Band abzubinden. Nach einigen Ta­gen stirbt der äussere Theil hinter der Ligatur ab, während der an­grenzende innere Theil mit dem After verwachsen ist. Bis dahin muss das Röhrcheu liegen bleiben. Man schiebt dann den vernarbten Rand über dem After in das Becken hinein und verfahrt, wie vorhin ange­geben worden ist.
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Vorfall der Muttergeheide.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; SS7
Viertes Capitel.
Vorfall der Muttersclieide (Prolapsus vaginae).
Vorfalle der Multerscheide für sich allein kommen bei den Haus-thicren nicht häufig, wohl aber mit dem Vorfall der Gebärmutter ver­bunden öfter vor. Dieselben zeigen sich in drei verschiedenen Formen, nämlich; 1) indem nur eine grosse Falte der Schleimhaut an irgend einer Stelle nach hinten in die oder durch die Schaamspalte drängt, oder 2) indem an einer Stelle im Innern die vereinigten Scheidenhäute sich in den Scheidenkanal umbeugen und — 3) indem die Wände rund herum sich am Eingange der Scheide nach hinten beugen und sichtbar hervortreten. Bei dem letztern, vollständigen Vorfalle ist ge­wöhnlich eine vollständige Umstülpung der Scheide zugegen, auch zu­gleich der Gebärmuttermund mehr nach hinten gedrängt und die Harn­blase aus ihrer normalen Lage in der Art verzogen, dass sie, statt unter der unteren Wand, nun theilweise auf derselben liegt. Zuweilen sind noch Verwundungen oder Zerreissungeu der Scheidenhäute, Blut-ergiessungen und späterhin Verdickungen derselben zugegen. Die Vor­fälle entstellen seltener bei nicht tragenden, als bei tragenden Thieren, und zwar bei den letzteren vor, während und nach der Geburt.
Ihre Erkennung ist mehrenlbcils leicht, da man dieselben in der Regel erst dann zur Untersuchung erhält, wenn sie bereits einen hoben Grad erreicht haben. Man sieht zwischen den Schaamlefzen eine ge­wöhnlich dunkler gerötbete, mit der Schleimhaut überzogene Wulst, bald nur in Form einer Falle, bald ringförmig hervorgedrängt und in der Mitte mit einer Oeirnung versehen, in welche man mit den Finger eindringen kann und in deren Grunde man den Gebärmuttermund fühlt; in den Fällen, wo die untere Wand der Scheide hervorgedrängt ist, sieht und fühlt man auch die Mündung der Harnröhre und kann mit der nöthigen Vorsicht mit einer Sonde in dieselbe eindringen; im In­nern der hervorgedrängten Masse fühlt man zuweilen deutlich die an­gefüllte Blase durcli ihre Fluktuation. Zuweilen drängen die ïhiere dabei stark mit dem Leibe, wie zur Harnentleerung oder wie bei Ge­burtswehen. Die angedeuteten Complikationen geben sich durch die ihnen eigenthümliche Symptome zu erkennen, wie z. B. die Wunden durch Trennung, die ßlutergiessungen durch dunkle Röthung und Oedem u. dergl.
Ursachen. Die Vorfälle der Scheide entstehen sehr häufig bei Kühen durch Schwäche der Scheidenhäute, der Mutterbänder und des ganzen Körpers, bei erschlaffender Nahrung, wie namentlich bei lange fortgesetztem Genuss der Branntweinschlämpe und dergleichen; ferner durch eine zu sehr nach hinten gesenkte Lage der Eingeweide, wenn z. B. die Thiere auf zu schrägem Fussboden stehen und liegen, — bei dem Gehen auf steiler Gebirgsweide; durch heftiges Drängen bei Leibesverslopfung, bei Kolik, durch Anstrengungen bei dem Gebären
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Vorfall der Mutterscheide. Kur.
und durch rohe Geburtshülfe, durch das Eindrängen einzelner Theile des Foetus, namentlich der Füsse in die Scheidenhäute, durch heftige Aufblähung bei der sogenannten Trommelsucht u. dergl.
Die Beurtheilung ist hinsichtlich der Folgen dieser Vorfälle da, wo dieselben kurz vor oder bei der Geburt entstehen, mit Vorsicht zu machen, weil, wenn hier nicht bei Zeiten der Urin aus der Harnblase entleert wird, bei der Geburt leicht eine Zerreissung dieses Organs und hierdurch Lebensgefahr entstehen kann; auch in anderen Fälleu ist die Harnverhaltung am meisten zu fürchten, übrigens aber ist die Beurthei­lung ziemlich günstig, indem fast niemals andere üble Zufälle entstehen. Heilung durch Naturhülfe erfolgt nicht, sondern in manchen Fällen tritt nur eine allmälige Verminderung des Ümfangcs der vorgefallenen Theile ein; durch Kunsthülfe ist bei frisch entstandenen und noch nicht mit Entartung verbunden Vorfällen die Heilung sehr häufig möglich, aber sie erfolgt nicht, wenn die Ursachen fortdauern. In einzelnen Fällen verdicken sich die zwischen die Schaamlefzen gedrängten Parlhieen der Scheidenschleimhaut in Folge hinzugetretener Entzündung, besonders wenn die Thiere sich öfters an diesem Theile reiben; in solchen Fäl­len gelingt, wie bereits angedeutet, selbst mittelst Kunsthülle die Hei­lung gewöhnlich nicht und dergleichen Thiere sind bei den höheren Graden der Entartung auch gewöhnlich zur Zucht nicht mehr geeignet. Die angedeuteten Complikationen erschweren die Heilung, indem sie die augenblickliche Zurückbringung der hervorgetretenen Theile hindern. — Bei tragenden Thieren ist gewöhnlich vor beendeter Geburt die Hei­lung nicht zu erreichen, nach derselben aber um desto leichter.
Die Kur. Zuerst sucht man die etwa noch fortwirkenden Ursa­chen nach ihren Eigenthümlichkeiten zu beseiligen und den Thieren ei­nen Stand oder ein Lager zu geben, bei welchem der Hintertheil höher steht als der Vorderlheil, indem man Stroh, Mist und Bretter am hin­lern Ende des Standes für grosse Thiere um circa 1 Fuss höher legt als am vordem. Dann bringt man die vorgefallenen Theile durch ge­lindes Drücken mit der Hand in ihre normale Lage zurück; sollten diese Theile aber verletzt sein, und die Verletzungen durch die Wände der Scheide hindurchgehen, so heftet man die Wundränder vorher mit­telst der Knopfnaht in gewöhnlicher Weise zusammen. Die baldige Zurückbringung ist auch immer das beste Mittel gegen Harnverhaltung; tritt dieselbe dennoch ein, so hebt mau sie durch den Katheter oder, wenn dies nicht gelingt, durch den Troikar. Die Zurückerhaltung be­wirkt man bei grossen Thieren am besten mittelst des von Lund em­pfohlenen sogenannten Trachtenzwingers :1), welchen man, mit sei-
') Dieses einfache und nützliche Instrument, welches hier und bei dem Vorfall der Gebärmutter (für welchen es eigentlich bestimmt ist) alle anderen Mittel übertrifft, besteht aus 2 eisernen, runden Stäben, welche an ihrem un­tern Ende in einem spitzen Winkel vereiniget sind, nach oben allmälig aus einander gehen und am obern Ende mit einem halbmondförmig eingebogenen Querstück vereiniget sind, so dass das Ganze einem langen Dreieck, oder fast einem V ähnlich erscheint. Später hat man noch nahe am untern Ende zwi­schen den Stäben einen runden Querstab angebracht. Am untern Ende und ebenso an dem obern Ende der beiden Seitenstäbe befinden sich runde Uaken (zur An-
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Vorfall der Mutterscheide. Kur.
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nem breiten Ende nach oben gekehrt, mit der convcxeu Seite auf die Schaamlefzen legt und ihn durch Stricke, von denen zwei über das Kreuz und die Lcndengcgend, ein dritter nach unten, unter dem Becken und unter dem Leibe hindurch zu einem festen Leibgurt gefuhrt und an denselben gebunden werden, fest hält. In Ermangelung dieses In­strumentes kann mau auch das sogenannte Strickgittcr 1) oder eine Bandage in der Art, wie bei dem Mastdarinvorfall, anlegen, dass man einen grossen Badeschwamm auf die Schaamlefzen legt, denselben mit­telst Stricke über das Kreuz und nach unten unter dem Leibe hinweg an einen Leibgurt fest hält. Im äiissersten Falle kann man die Schaam­lefzen bis zu ihrem untersten Winkel zusammenheften, den letzteren aber für die Harnentleerung bei Stuten und Kühen auf der Strecke von etwa anderthalb Zoll frei lassen. Dieses Zusammenheften kann entweder durch breite und gut gewachste Hcflbändchen geschehen, wenn man das Verschliessen der Schaamspalle nur als ein vorüber­gehendes Mittel betrachtet, oder es geschieht, wenn es dauernd sein soll, vermittelst dicker Metalldrähte, welche man nach dem Heften ring­förmig vereiniget und wcsshalb die Operation mit dem Namen, das Ringeln, bezeichnet wird. — Gegen die zuweilen vorhandene Schwäche macht man Einspritzungen von adstringirenden und gelind aromatischen Mitteln; bei Entzündung Einsprilzungen von schleimigen Mitteln, so lange die Zufälle dauern. Ausserdem tindet bei heftigeren Enlzündungszurällcn eine allgemeine antiphlogislische Behandlung statt. Während der Kur müssen die Thicre ruhig gehalten und nur mit massigem und nicht blähendem Futter ernährt werden, und wo eine Neigung zu Harlleibigkeit und desshalb Drängen zur Kothentleerung besteht, applizirt man Klysticre von schleimigen Mitteln.
Während des Gebarens muss man auf den Scheideuvorfall stets aufmerksam sein und das Junge in der bestmöglichen Lage so durch die Scheide zu bringen suchen, dass der Vorfall weder vergrössert, noch in der betreffenden Parthie eine Verletzung erzeugt wird; und besonders sorge man, wie bereits oben angedeutet, für zeitige Entlee­rung des Urins.
legung der Befestigungsstricke), welche auf die äussere Fläche gerichtet sind. Ursprünglich waren es Oehsen oder Ringe. Das Instrument ist in seiner Länge an der äussern ( hintern) Fläche etwas coneav. Seine Länge beträgt 74 Zoll, die grösste Breite 'Zi Zoll und die Stähe sind f Zoll dick, (Veterinär-Selsk. Skrift. Deel 3. S. 346, Taf. 2. Kiobnhavn 1813.
') Es besteht aus 8 einzelnen Gurtbändern oder Stricken, welche für Stuten und Kühe circa 7 — 9 Zoll lang und in der Art über einander gelegt und verbunden sind, dass sie ein Netz oder Gitterwerk bilden, dessen ofTcne Maschen gegen 1 — 1 nZoll gross sind. In der Mitte der Ränder, so wie an den vier Ecken, helinden sich Bänder, welche bei dem Anlegen dieser Bandage von der Schaam über den Rücken, über die Oberschenkel und unter dem Leibe zu einem um den Leib gelegten Gurt geführt werden.
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560nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Vorfall der Gebärmutter.
FUnftes Capitel.
Vorfall der Gebärmutter (Prolapsus uteri).
Vorfalle der Gebärmuttter sind häufiger als andere, namentlich bei Kühen, seltener bei Pferden und Hunden und am seltensten bei den übrigen weiblichen Haussäugethieren. Sie kommen bei trächtigen und nicht trächtigen Thieren vor, am meisten aber bei oder gleich nach dem Gebären und bestehen entweder in einer Iheilweisen Einsenkung des Gebärmuttermundes in die Scheide, oder in einer theilweisen Einsen­kung des Grundes der Gebärmutter durch den Muttermund in die Scheide, oder in einer gänzlichen Umstülpung (Inversio) der Gebär­mutter und ihrer Hörner. Im letztern Falle ist stets auch die Scheide vollständig mit umgestülpt und die Harnblase in derselben Weise, wie dies bei dem Vorfall der Scheide angegeben ist, in ihrer Lage verän­dert, und ausserdem besteht dabei auch eine übennässige Erschlaffung und Ausdehnung, oder selbst eine Zerreissung der breiten Mutterbänder. In manchen Fällen ist die Umstülpung ohne weitere Complikalionen, in anderen aber bestehen gleichzeitig Verletzungen der Gebärmutter, Entzündungen, Blutunterlaufungen; zuweilen ist die vorgefallene Par-thie brandig, oder im weitern Verlaufe durch Ausschwitzung u. s. w. verdickt und entartet, und oft ist ein Theil der Gedärme in den hohlen Sack der Gebärmutter hineingedrängt, ja selbst durch Wunden dersel­ben hervorgetreten. Hinsichtlich ihrer Dauer findet noch der Unter­schied statt, dass der Vorfall entweder frisch entstanden oder veral­tet ist.
Die Erkennung dieser Vorfalle ist im Allgemeineu leicht. Bei den unvollständigen Vorfallen findet man den Muttermund und einen Theil der Scheide in die letztere gegen den Eingang oder bis zwischen die Schaamlefzeu gedrängt, zuweilen den Mutlermund erweitert und in ihm eine halbkugelförmige Masse, — und im frischen Zustande drängen die Thiere oft wie zur Urinentleerung. — Bei einem vollständigen Vorfalle mit Umstülpung hängt die Gebärmutter in ihrer ganzen Länge, wie ein fleischiger Sack, aus den Schaamlefzen hervor und erscheint, je nach dem Zustande, bald mehr blass, bald mehr dunkel geröthet; in der Länge der Scheide, von den Schaamlefzen entfernt, sieht man den Muttermund wie ein Band quer um die Scheide liegen und am unter­sten Ende sieht man entweder die Gebärmutter in ihre beide Hörner getheilt, oder im Falle, dass das eine oder das andere Horn nicht mit umgestülpt sein sollte, findet man eine nach innen zu gehende Oeffnung und Höhle; die Schleimhaut der Gebärmutter findet sich bei Vorfallen unmittelbar nach der Geburt aufgelockert und mit den Spuren von Cotyledonen, oder bei Kühen und Schafen mit den napfïormigen Erhö­hungen, bei anderen Thieren wohl auch mit einem Theil der Nach­geburt versehen. Im frischen Zustande ist die vorgefallene Parthie ge­hörig warm, mitunter selbst vermehrt warm, im veralteten Zustande aber kalt. Oft findet man die Sehleimhaut durch die Luft ganz aus-
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Vorfall der Gebärmutter.
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getrocknet, mit Schmutz, mit Stroh und dergleichen verunreiniget, oder sie ist auch reit Rissen versehen und blutend; im veralteten Zustande ist sie stellenweis verdickt, wenig emplindlich und zuweilen kaum noch als Gebärmutter zu erkennen, so dass zuweilen die Unterscheidung darüber, ob man es mit einem Vorfall der Gebärmulter, oder mit ei­nem grossen Polyp zu thun hat, nicht ganz leicht ist. In solchen Fäl­len kann nur eine genauere Untersuchung des Zusammenhanges der hervorgetretenen Masse mit dem ganzen Umfange der Gebärmulter oder der Mutlerscheide an ihrem Innern £nde die Entscheidung geben.
Die Ursachen sind dieselben, wie bei dem Vorfall der Scheide; hauptsächlich heftiges Drängen bei der Geburt, besonders aber, wenn entweder das Becken von Natur sehr weit ist und dann die Geburt plötzlich stattfindet, oder wenn sie wegen abnormer Lage und Grosse des jungen Thieres zögernd von Statten geht und wenn zu heftiges Ziehen an dem Foetus stattfindet und hierdurch, ohne Rücksicht auf die bestehenden Hindernisse und die mitwirkenden Wehen die Geburt mit einem Male gewaltsam beendet wird. Eben so bei dem gewalt­samen Abziehen der Nachgeburt. Unzeitige Geburt (Abortus) führt zuweilen den Vorfall herbei, und oft scheint auch eine durch mangel­hafte Ernährung entstandene Schwäche als Anlage zu dein Entstehen des Uebels mit beizutragen; denn man sieht sehr oft diese Vorfälle in manchen Jahren weit häufiger entstehen, als in anderen, und bei Thie-ren, welche schon ein Mal mit dem Uebel behaftet waren, pflegt das­selbe bei später wieder erfolgenden Geburten gern von Neuem zu ent­stehen.
Die Beurtheilung ist in denjenigen Fällen günstig zu machen, in denen man einen frisch entstandenen, einfachen Vorfall bald zurück­bringen und die Ursachen beseitigen kann; es ist dabei hinsichtlich der Mühe kein grosser Unterschied, ob der Vorfall vollständig oder nur theilweis besteht; hinsichtlich der Folgen ist aber bei den ersteren zu befürchten, dass der Vorfall sicli viel leichter wiederholt, weil bei ihnen, wie oben bemerkt worden, die Mutterbänder sehr ausgedehnt oder selbst zerrissen sind (eben desshalb wird in Frankreich ein solcher Vorfall, welcher früher schon ein Mal bei dem Thiere bestanden, gewöhnlich als Gewährsmangel betrachtet); doch ist die Wiederkehr keinesweges in allen Fällen eine nothvvendigc Folge, und die Thiere werden auch durch einen einmal bestandenen, aber zur rechten Zeit wieder bcseilig-tigten Vorfall nicht untüchtig zur Zucht, — dies kann aber geschehen, wenn die Gebärmutter durch zu langes Verweilen ausserlialb des Lei­bes entzündet und degenerirt, oder in anderer Weise grob verletzt wor­den ist. — Risse, Quetschungen und Blutunterlaufungcn, so wie das Hervortreten von Daimthcilen durch Wunden machen zwar den Zu­stand gefährlicher, aber keinesweges absolut gefährlich oder unheilbar. — Wenn bei frisch entstandenen Vorfällen das Drängen der Thiere, trotz aller angewendeten Mittel, in einem so hohen Grade fortdauert, dass die Zurückbringung; und Zurückcrbaltung unmöglich zu bewirken ist, eben so in den Fällen, wo der Uterus wirklich brandig, oder wo er im veralteten Zustande des Vorfalls entartet, sehr verdickt und ver­härtet oder mit Geschwüren versehen ist, bleibt oft nichts anderes übrig, als die Amputation des entarteten Theils. Die Operation ist noting,
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562nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Vorfall der Gehäniiutler. Behandlung.
weil bei dem Liegen und Sitzen auf dem vorgefallenen Theile derselbe immer mehr entarlct; sie ist, wie schon der Zustand an sich, allerdings mit einiger Gefahr verbunden, doch sind mehrere Fälle bekannt, wie z. B. der von Seres bei einer Kuh '), von Gardener bei einem Schaf2), von Backer und Gregory bei einem Schwein 3) und von Cross bei einer Hündin *), wo die Heilung hiernach erfolgte; und mir selbst ist sie in 1 Füllen bei Hündinnen gelungen. Bei entstandenem Brande und wenn solche Zerreissungeu bestehen, dass durch sie Luft in die Bauchhöhle dringt, kann der Tod erfolgen. Man wird immer, ausser dem Vorfalle, die etwa noch vorhandenen allgemeinen Zufalle, namentlich das Fieber, bei der Beurtheilung berücksichtigen müssen.
Behandlung. Die etwa noch vorhandenen Ursachen müssen nach ihrer Art entfernt, — der angesammelte Koth im Mastdarm muss mit­telst schleimiger Klistiere oder der Hand und der angehäufte Urin mittelst des Katheters entfernt werden; die Gebärmutter wird mit lau­warmem Wasser gereiniget und die etwa noch an ihr sitzende Nach­geburt mit den Fingern vorsichtig abgetrennt (nicht, wie es hin und wieder vorgeschrieben steht, abgezogen). Wenn die Gebärmutter durch die Luft sehr Irocken geworden, heiss, dunkelroth und schmerzhaft ist, muss sie mit lauwarmen, schleimigen Flüssigkeiten oft wiederholt be­feuchtet, oder mit mildem Oel oder Fett bestrichen werden; ist sie aber dunkelroth und kalt, so befeuchtet man sie mit lauwarmen, aro­matischen Flüssigkeiten. Die Anwendung dieser Mittel darf aber stets nur kurze Zeit geschehen, etwa so lange, bis der Uterus etwas mehr weich und zur weitern manuellen Behandlung mehr geeignet ist, oder bis die Nachgeburl: vollständig entfernt und bestehende Wunden geheftet sind; — die Zurückbringung des Uterus in das Becken darf dadurch nicht aufgehalten werden, denn immer ist es am besten, dieselbe mög­lichst bald zu bewirken. Bestehen Wunden, so werden die durch ihre OelTnungen etwa hervorgetretenen Darmthcile zurückgebracht und die Ränder mittelst der Knopfnaht vereiniget, nöthigenfalls vorher mit der Scheere hierzu geebnet. Ist die Gebärmutter in hohem Grade ange­schwollen und mit Blut intiltrirt, so kann man Einschnitte bis zur Hälfte der Dicke der Wände machen und dieselben stark ausbluten lassen. Bei allen diesen Verrichtungen und für die Ausführung der Reposition ist es nötliig, 1) dass die Thierc mit dem Hintertheil höher stehen oder liegen, als mit dem Vordertheil, und 2) dass man den Uterus durch Gehülfen in horizontaler, am hintern Ende selbst noch mehr erhöheter Lage halten lässt. Für den ersten Zweck muss der Fussboden durch Stroh und Bretter angemessen (bei grossen Thieren bis gegen 1| Fuss) erhöhet werden, und für den andern Zweck lässt man am besten den Uterus von 2 hinter dem Thiere stehenden Ge­hülfen auf einem Tuch, einer Schürze, Mulde, Schwinge und derglei­chen halten.
') Journ. des Vétérin. du Midi, An. 1838, Septembre. ') The Veterinarian, 1844, p. 485. raquo;) Ebendaselbst 1841, p. 444 u. — 1844, p. 422. •) Recueil de médec. vótérin. 1832, p. 599.
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Vorfall der Gebärmutter. Behandlung.
563
Die Zurückbriugung bewirkt man, indem man mit der Uaclieu Hand (bei kleinen Thieren mit ein Paar zusammcngcleglen Fingerspitzen) an das äusserste Ende der vorgefallenen Tbeilc, — bei grossen Thieren zuerst an das Ende des grosseren Multcrboms, das ist dasjenige, in welchem der Foetus enlhalten war, —#9632; einen solchen Druck nach dem Becken zu anwendet, dass man nach und nach die Hörncr und den Grund der Gebärmutter in sich selbst umstülpt und in das Becken und bis in die Bauchhöhle drängt, so weit, als die Tbeilc reichen und dem gelinden Druck nachgeben; drängt das Tbier hierbei stark entgegen, so hält man iune, bis es wieder ruhig geworden; ist man erst mit der Hand bis über den Beckeneingang gekommen, so kann man sie zusam­menballen und dann leichter vorwärts gelangen. Mau muss aber sehr genau darauf sehen, dass die Zurückbriugung vollständig, besonders in den Hörnern, geschehe, damit nicht theilweise Einschicbungcn fortbe­stehen; denn diese können schleichende Entzündung, chronische Schleim-llüsse und den Tod herbeiführen '). — Um die Zurückerhalluug zu bewirken, haben allere und neuere Thierärzlc verschiedene Hülfsmittel vorgeschlagen, wie z. B. Wilburg2) das Einbringen einer Ochsen­blase, welche, nachdem sie mit Lull aufgeblasen und zugebunden wor­den ist, 8 —12 Tage liegen bleiben soll; — ferner verschiedene Pes-sarien (.Mutterzapfen, Mutterkränze) von Hurt rel d'Arbovals), Leblanc*) u. A. — Eléoucl5) verfertigte ein Pessarium auf der Stelle aus einer Glasflasche und einem in dieselbe gesenkten Stock, welche er mit Leinwand mehrfach umwickelte, letztere mit Scbleini Iränkte und dann das mit dem dicken Thcil zuerst in die Scheide ge­brachte Instrument äusserlich miltclst Stricke an den Leib befesligle. Diese Mittel sämmtlich sind aber nicht allein unzureichend, sondern auch schädlich, indem sie Reizung, hicrdurcli heftiges Drängen, Er­neuerung des Vorfalls, Einklemmung der Gebärmutter zwischen das Instrument, oder selbst Zerrelssung derselben herbeiführen; sie sind aber auch in den meisten Fällen mniölhig, und man bewirkt die Zurück-erhallung am besten mit der blossen Hand, welche man für diesen Zweck, so wie bei der Zurückbringiiug, noch durch etwa ^ — -quot;-Stunde in dem Uterus hält; man fühlt damit, so oft das Thicr von Neuem drängt, und giebl dabei demselben ein wenig nach, so dass keine Ver­letzungen entstehen können. Nach dieser Zeil isl es in der Regel ge­nügend, bloss äusserlich mittelst der Hände einen Schwamm während einiger Stunden gelinde auf die Schaamlefzen und die Scheide zu druk­ken, oder auch den Lnndschen Trachtenzwinger (S. 558), oder das
oder die bei dem Scheidenvorfall angegebene Strickbandage
Sliickgilter,
auzuwenden. Im Nothfall hat mau auch das Heften (Ringeln) der Schaamlefzen mit Nutzen angewendet (S. 559). Immer ist es zweckmäs-sig, den grossen Thieren durch einen Sand- oder Eidsack den Rücken zu
') Einen derartigen Fall hat Dressier im Älagaz. f. ïhierheilk. Bd. XI. 234 mitgetheilt. •) Anleitung z. Erkenntniss u. Heilung des Rindviehes. Nürnberg 1774. •) Wörterbuch, deutsch v. Renner. Bd. III. Atk. Mutterzapfen, S. 212. *) Atlas vétérin. Paris 1828. 5) Recueil de med. vétérin. IBit. p. G75.
36raquo;
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564nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Vorfall der Gebärmutter, ßehandlung.
belasten und sie ausserdem fortwährend mit dem Hlnterlheil hochgestellt oder hochlicgend zu erhalten.
Im Uebrigen wendet man innerlich und örllich solche Arzneimittel an, 'welche dem Zustande entsprechen, namentlich bei entzündlicher Reizung kühlende Salze, bei nervöser Aufregung zugleich narkotische Mittel, einen Aderlass und örllich Einspritzungen von schleimigen, spä­ter -von adstringirenden Mitteln. Diese Einspritzungen dürfen jedoch nur in kleinen Quanlilüten geschehen, so dass die Thiere nicht durch sie belästiget und zu neuem Drängen gereizt werden; es ist desshalb in denjenigen Fällen, wo die Gebärmutter nicht entartet, oder nicht stark entzündet gewesen, am besten, sie ganz wegzulassen. Dagegen sind in den ersten 3 — 6 Tagen Klistiere von schleimigen Mitteln in allen Fällen nützlich, um bei der Kolhausleerung das Drängen zu ver­meiden.
Wenn die vorgefallene Gebärmutter in einem solchen hohen Grade verletzt, oder durch Brand oder Verdickung entartet ist, dass sie nicht in die Becken - und ßauchhöhle zurückgebracht werden kann, und wenn der Eigenthümer dennoch wünscht, dass das Aeusserste zur Erhaltung des Thieres geschehen soll, so muss sie, wie bei der Prognosis ange­deutet, amputirt werden. Dies geschieht durch die einfache Ligatur oder durch das Abnähen, entweder am stehenden oder am liegenden Thiere, und im erstem Falle, nachdem dasselbe gehörig gespannt, ge­bremset und fest gehalten ist. Man reiniget zuerst das kranke Organ und untersucht dasselbe sorgfältig darüber, ob es in seiner Höhle ganz leer ist, oder ob es Eingeweide enthält. Im letztern Falle lässt man den Uterus an seinem hintern Fndc durch Gehülfen recht hoch heben und streift zugleich mit den Fingern von verschiedenen Seilen an ihm in der Richtung nach dem Becken hin, bis man das Organ sicher für ganz leer halten kann. Sollte man diese Sicherheit durch das Gefühl von aussen her bei zu grosser Verdickung der Wände des Uterus nicht erlangen, so kann man seine obere Wand an ihrem hintern Ende bis in die Höhle vorsichtig durchschneiden, die Oelfnung auf den Fingern genügend erweitern und dann die Untersnchnng, und nolhigenfalls die Zurückbringung der Eingeweide, mit der Hand in der Höhle des Uterus bewirken. Nach dieser Vorbereitung wählt man als Opcrationsslelle am besten, —- wenn die Verletzung oder die Degeneration es gestattet, — das vorderste Ende der Scheide in der Nähe des Mutterhalses, legt hier bei Schweinen. Schafen und Hunden einen gewachsten Bindfaden von circa 1 Linie Dicke in Form einer Schlinge so fest an, dass die zwischen ihr liegende Masse durch den Druck ertödtet wird. Bei Pfer­den und Rindern ist ein solches Abbinden durch eine einzige Ligatur nicht mit. einer gleichniässigen Wirkung an allen Punkten verbunden, weil die Tbeile zu dick sind. Doch haben Binz (Geburtshülfe für die Haus^äugetbiere, Freiburg 1830. Seile 253) u. A. die Operation auch auf diese Weise ausgeführt. Man nimmt aber hier ein wenigstes gegen li Ellen langes und 1^ — 2 Linien dickes, gut gewachstes, rundes Band zur Bildung der Schleife und verfährt, wie oben gelehrt worden ist. Serres modifizirte die Unterbindung auf die Weise, dass er die obere Wand des Uterus vor dem Munde desselben der Länge nach durch-schuilt, ciue feste Kolle in denselben brachte und auf dieser die Ligatur
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Vorfall der Harnblase.
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•iusserlich vollrührte. Acht Tage später wurde der abgebundene Theil abgeschuitten. Es ist nicht gut einzusehen, was das Einbringen der Kolle nützen sollte? — es muss #9632;vielmehr als schädlich erkannt werden, da durch den fremden Körper die, bei der einfachen Unlerbindung erfol­gende, Verwachsung der Wände des Uterus an der Unterbindungsstelle gehindert werden muss. Zweckmässiger ist es dagegen nach Cart-wrigt *), den Uterus an der Unferbindungsstelle platt auszubreilen und daun an 2 — 3 Stellen mit starken Heftnadeln zu durchstechen, Heft­bänder einzuziehen und so mehrere einzelne Ligaturen zu bilden; denn dieselben wirken durch die weniger dicke Masse vollständiger und gleich-massiger hindurch, und der Zweck wird sicherer erreicht. Nach dem Anlegen einer solchen Naht oder der Ligatur schneidet man stets etwa 1J- Zoll von derselben entfernt den entarteten Uterus quer ab und schiebt dann den Rest nebst der Scheide in das Becken zurück. Es tritt hier­nach an der Ligaturstcllc an der innern Fläche des Uterus adhaesive Entzündung und Verwachsung ein, während äusserlich mit etwa 10 bis 14 Tagen die abgestorbenen Ränder unter Erscheinung von Eiterung und Verjauchung abgestossen werden. Während dieser Zeit macht man Injektionen von aromatischen, selbst von adstringirenden Mitteln in die Scheide und befördert den Urinabgang durch den Katheter, die Koth-entleerung durch Kljstiere.
Sechstes Capitel.
Vorfall der Harnblase (Prolapsus vesicae urinariae).
Vorfälle der Harnblase entstehen bei weiblichen Thieren in zwei­facher Weise, nämlich 1) dadurch, dass bei gebärenden Thieren die unlere Wand der Scheide über der Blase durchtrennl wird und dann die letztere durch die entstandene Ociïhnng hervordringt; oder 2) durch eine Umstülpung der Blase durch die kurze und weite Harnröhre. Itn erstem Falle sieht und fühlt man an der Scheide, oder auch bis zu den Sehaamlefzen hervorgedrängt, eine weissliche oder blassröthliche, flnk-luirende Geschwulst, welche sich, je nach der Aufüllung der Blase, in verschiedenen Zeiten bald grosser, bald kleiner zeigt; durch Druck auf sie kann man eine Urincntlecrung hervorbringen und hierdurch die sichere Diagnosis erlangen. Ausserdem sieht man auch in der Regel die Ränder der Verletzung in der Scheide. — Bei der Umstülpung der Blase findet sich an der untern Wand der Scheide und bis in die Sehaam­lefzen hineingedrängt eine Geschwulst, welche zuerst blass ist, später aber dunkler geröthet wird und mit einem rundlichen Stiel in die Scheide übergeht; die Geschwulst ist zuerst ganz weich, später wird sie elastisch
') The Veterinarian. Vol. XVIII. p. 33.
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;'raquo;()(gt;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Vorfall der Harnblase, Behandlung.
durch Auhäufung des Urins in den Harnleitern. Die Mündung der letz­leren findet man bei genauer Untersuchung als 2 längliche, mit etwas verdickten Rändern der Schleimhaut umgebene Oellhungcn, und wenn man die kleinen Haut (alten an den Rändern mit einer Sonde oder mit der Pinzette ein wenig erhebt, so llicsst der Urin in grosser Menge aus, oder er wird auch bei Bewegungen des Thieres weit fortgespritzt Bei längerer Dauer dieses Vorlalis schrumpft die Schleimhaut der Blase an einzelnen Stellen allmälig mehr zusammen, wird dicker und selbst ulcerös, ja mitunter sterben Stücke von ihr brandig ab und gehen verloren.
Die Veranlassung zu dem Entstehen des Vorfalls in erstcrer Art geben Verletzungen, besonders bei der Geburt durch das Eindringen der Klauen in die untere Wand der Scheide, das Abgleiten der Geburtsha-ken etc., und zu den Vorfällen der zweiten Art giebt heiliges Drängen bei dem Geburtsakl, bei starker Aufblähung, bei Koliken etc. die Ver-anlassnng.
Die Prognosis -ist in so fern günstig zu machen, als gefährliche Zufälle und Folgen in den bisherigen Fällen nicht beobachtet worden sind, selbst da nicht, wo ein Theil der Blascnsehleimhaut durch Brand oder mechanische Verletzung verloren gegangen war. Die Heilung ist in den Fällen, wo die Blase noch nicht degenerirt ist, vollständig zu bewirken, in den letzteren Fällen aber ist in der Regel nichts Gründ­liches gegen das Uebel zu thun.
Die Behandlung. Bei den Vorfällen der Blase durch einen Biss der Scheide bewirkt man zuerst durch gelindes Drücken mit der Hand die Entleerung der Blase oder wenn sie auf diese Weise nicht gelingt, macht man die Punktion derselben mittelst des Troikars, bringt sie dann durch entsprechende Manipulation durch den Riss zurück in die Beckeuhöhlc und hertot hiernach die Ränder des letztern mit einigen Heften der Knopfnaht zusammen. Dies muss mit der Vorsicht gesche­hen, dass nicht Theile unter der Wand der Scheide mit in die Hefte gelangen. Man stellt oder legt desshalb die Thierc rnit dem Hinlertheil bedeutend höher als mit dem Vordcrtheil und lässt sie stark bremsen, damit sie die Eingeweide nicht in die Beckenhöhle drängen. — Bei der Umslülpung der Harnblase reinigt mau dieselbe mit lauwarmem Was­ser, entleert durch Aufheben der die Mündung des Harnleiters bedecken­den Falte der Schleimhaut den in dem letzlern angesammelten Urin, oder wenn man die Mündung nicht findet, so macht; man einen Ein­stich mit dem Troikar in die arn meisten hervorgedrängte und fluk-luircnde Parthie der Schleimhaut und enllcert den Harn auf diese Weise. Hierauf drückt man zuerst mit den Fingerspilzen, und wenn diese wei-lerhia nicht ausreichen, mittelst eines mit Leinwand uimvickellen glat­ten Stäbchens den Grund der Blase in dieselbe und in die Harnröhre u. s. w. in der Richtung zu dem untern Räume der Beckcuhöhle und bewirkt auf diese Weise durch allmäligcs Naclistopfen der Ränder der Blase die völlige Zurückbringuug derselben, iliernacli sind schleimige Injectionen in die Scheide, Beförderung des Kothabgauges durch gege­bene Abführungsmitlei und Klystiere. ein ruhiges Verhallen der Thierc und magere Diät in Anwendung zu bringen.
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Achte Classe.
Brüche (Herniae). Erster Abschnitt.
Brüche im Allgemeinen.
Ein Bruch (Hernia, Cele) besteht, wenn Eingeweide aus ihrer Höhle durch Oll'uungen in den Wänden der letztern so hervortreten, dass sie noch mit der Haut umkleidet sind. Durch diesen letalem Um­stand niilerschcidcn sich die Brüche wesentlich von den Vorfallen.
Zur Darstellung eines Bruchs gehört somit 1) eine Oeltiiung in den fleischigen, sehnigen oder knochigen Wänden einer Höhle; 2) das Her­vortreten eines Organs, und 3) die ümklcldung desselben mit einer ein­fachen oder mehrfachen Schicht von Haut. Jene Oeiïnung heisst die Bruch Öffnung, die Bruchpforte oder der Bruch ring. Dieselbe ist entweder eine von Natur vorhandene, aber abnorm erweiterte üeiTnung, wie z. B. der Nabel- und der Bauchring, oder es ist eine regelwidrig entstandene Oelfnung, %. ß. bei Zerreissang der Bauchmus-kela. — Das hervorgetretene Eingeweide bildet eine Ausdehnung der Haut und hierdurch äusserlich eine Geschwulst (die Brachgeschwulst), unter der Haut aber eine Höhle, die Bruchhöhle. — Die Umklei-dung heisst der Bruchsack. Dieser bestellt entweder aus dem Bauch­fell (seinen Fortsätzen) und der äussern Haut, oder, da ersteres oft fehlt, indem es gleichzeitig mit den Bauchmuskeln zerrissen ist, auch nur aus der letzlern allein. Man bezeichnet nach diesen Verschieden­heiten den Bruchsack zuweilen als doppelten und einfachen oder als innern und äussern. Die sogenaimlen Zwerchfells- und iuaern Bauchfellsbrüche haben gar keinen Bruchsack. Brüche können an allen Körperhöhlen entstehen, sind jedoch bei den Thieren am Schädel als
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568nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Brüche im Allgemeinen.
sogenannte Hirnbrüche und an der Brust als sogenannte Lungen-brfiche so äusserst selten, dass diese Brüche kaum einer besonderen Erwälmung verdienen. Es soll daher auch hier nur von den Bauch-brücheugehandelt werden.
Mau unterscheidet die Bauchbrüche (H. abdominales):
I.nbsp; nbsp; nach dem Orte, au welchem sie entstehen A. in äussere, welche äusserlich wahrnehmbar sind und im ganzen Umfange des Bau­ches eutsleben und ß. in innere, welche nur am Zwerchfelle durch Spalten und Löcher desselben, und am Saamenstrange bei Ochsen vor­kommen und äusserlich wenig oder gar nicht bemerkbar sind. Die äus-seren sind wiederum:
a.nbsp; nbsp;Nabelbrüche, wenn die Eingeweide durch den Nabelring,
b.nbsp; Leistenbrüche, wenn sie durch den Leistenring,
c.nbsp; nbsp;Schenkelbrüche, wenn sie unter dem Poupartscheu oder dem Schenkelbande heraustreten,
d.nbsp; nbsp;Flankenbrüche, welche in der Flankengegend und
e.nbsp; nbsp;Bauchbrüche, welche ausser den genannten Theilen im ganzen übrigen Umfange des Bauches entstehen.
II.nbsp; nbsp;Nach den Theilen, welche durch die Bruchöffnung hervorge­treten sind, nennt man sie:
a. Darmbrüchc, wenn ein Theil des Darmkanals, 6. Netzbrüche, wenn ein Stück Netz,
c.nbsp; nbsp;Netzdarmbrüche, wenn beide Theile zugleich,
d.nbsp; nbsp;Magen-, e. Leber- und f. Blasenbrüche, wenn diese Theile aus ihren Höhlen herausgetreten sind.
IH. Nach der Zeit und der Art ihres Entstehens unterscheidet man sie:
a.nbsp; in angeborene Brüche (herniae congenitae), wenn die Einge­weide durch eine, bei der ursprünglichen Bildung offen gebliebene Spalte treten und die Brüche dann gewöhnlich schon seit der Ge­burt vorhanden sind und
b.nbsp; in erworbene Brüche (herniae acquisitae), wenn sie erst in späterer Zeit entstanden sind. Diese sind entweder laquo;. noch im frischen oder ß. schon im veralteten Zustande.
IV. Nach ihrer Beschaffenheit und den mit ihnen verbundenen Zufallen sind die Bauchbrüche:
et. beweglich, frei, d.h. die in der Bruchgeschwulst liegenden Ein­geweide sind durch Druck und andere Einflüsse in die Höhle zu­rück zu bringen, oder sie sind
b. unbeweglich; wenn das Zurückbringen nicht möglich ist und wovon die Ursache entweder 1) in Verwachsung der Eingeweide unter einander oder mit den umgebenden Theilen, namentlich mit der Innern Fläche des Bruchsackes, — oder 2) in der sogenann-
') Die sogenannten Zwerchfellsbrüche, bei welchen (wie bereits S. 384 erwähnt,) Biuicheingeweide durch eine abnorme Oeffnung des Zwerch­fells in die Brusthöhle treten, werden hier übergangen, weil sie gewöhnlich während des Lebens der damit behafteten Thiere nicht zu erkennen und auch niemals Gegenstand der thierärztlichen Behandlung sind.
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Brüche im Allgemeinen,
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ten Einklemmung der ausgetretenen Theile — oder 3) in anderen Missverhältnissen und Veränderungen der in dem Bruch befind­lichen Theile liegen kann.
V. In wahre und in falsche Brüche. Die erstercn sind in den eben hier in Rede stehenden Vorlagerungen der Eingeweide, die letzte­ren aber in krankhaften Zuständen der Hoden und des Hodensackes begründet, wie namentlich der sogenannte Wasserbruch (Hydrocele) in einer Anhäufung von Serum in den Scheidenhäuten, — der Blut­bruch (Hacmatocele) in einc-r Ansammlung von Blut daselbst, — der Fleischbruch (Sarcocele) in einer Vergrösserung und Verhärtung des Hoden, und — der Krampfaderbruch (Cirsocele) in einer va­rikösen Ausdehnung der Blutgefasse des Saamenstranges. Diese Krank-heitszustände haben bloss zum Theil das äussere Ansehen einer Bruch­geschwulst, aber keinesweges die wesentliche Beschaffenheit eines Bruchs und die Unterscheidung iu wahre und falsche Brüche ist daher eine unpassende.
Die verschiedenen Brüche können bei unseren sämmtlichen Haus-thieren vorkommen, man findet jedoch in der Häufigkeit des Vorkom­mens der einen oder der anderen Art der Brüche bei den verschiede­nen Thieren einige Unterschiede. So leiden z. B. Pferde, Esel und Maulthicre, das Rind, der Hund, die Katze und das Schwein im All­gemeinen ziemlich häufig an Brüchen, Schafe und Ziegen aber höchst selten. Der Nabelbruch kommt bei jungen Thieren von jeder Gattung, namentlich aber bei Pferden, Rindvieh, Hunden und Katzen ziemlich häufig vor, bei andern Thieren aber selten; Leistenbrüche und Hoden­sackbrüche finden sich am häufigsten bei Pferden, seltener bei Schweinen und Hunden, und sehr selten bei anderen Thieren; Schenkelbrüche hat man bei Pferden, Eseln und männlichen Hunden, aber fast gar nicht bei anderen Thieren beobachtet; Nelzbrüchc entstehen bei Pferden we­gen der cigenthümlichen Kürze des Nelzes seltener als Darmbrüche, sie sind aber nicht, wie man früher annahm, unmöglich, wie dies die Er­fahrung gezeigt hat.
Die Ursachen der Brüche sind 1) Schwäche und Erschlaffung in den Bauchwänden, 2) eine abnorm zu grosse Oeffnung des ßauchrin-ges oder des Nabelringes in ursprünglicher Bildung, 3) alle Einflüsse, durch welche mechanische Verletzungen der Bauchmuskeln, namentlich Zerreissungen derselben, entstehen, ohne dass die Haut dabei durch­gehend mit verletzt wird und 4) jede Einwirkung, durch welche die Eingeweide in grosser Gewalt zu der Peripherie des Leibes und ua-menllich zu den natürlichen Oeffnungen hingedrängt werden, z. B. hef­tige Anstrengungen beim Ziehen schwerer Lasten, eben so bei dem Gehen in schwerem, zähem Lehmboden, bei dem Springen über Grä­ben und Zäune, bei dem Gebären, bei heftigen Koliken, eben so starkes Aufblähen u. dgl.
Durch diese Ursachen entstehen die Brüche entweder langsam oder plötzlich, gleich nach der Einwirkung derselben. Im ersteren Falle deh­nen sich die Bauchmuskeln im Umfange des Nabelringes oder des Bauch­ringes allmälig mehr aus, in Folge dessen geben die Ränder dieser Oeffnungen mehr und mehr nach, erweitern sich und es bedarf dann nur einer massigen Anstrengung, um die Eingeweide durch die Oeff-
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Brüche im Allgemeinen.
nuiigen hervorzutrciben. In dem andern Falle aber wird durch die veranlassende Ursache entweder die Ausdehnung jener Oeffnungen plötz­lich bis zu einem solchen Grade herbeigelührt, dass die nächsfiiegenden Eingeweide durch dieselben hervordringeraquo; können, oder es wird auch an der von der Gewallthätigkcit betroUencn Stelle eine Zerreissung der Bauchmuskeln erzeugt und die Eingeweide dringen dann in demselben Moment durch die entstandene Oellnung hervor. Bei den angeborenen Brüchen ist immer eine mangelhafte Bildungsthiitigkeit die Ursache da­von, dass die genannten Oeflhungen in den ßauchwänden entweder zu gross gebildet werden, oder es bleibt die in der Mittellinie des Leibes in den früheren Perioden des Foetus bestehende Spalte auf dieser frü­heren Entwickelungsstufe stehen und die Nabclöffnmig wird dadurch zu gross.
Die Diagnosis bei den Brüchen nuiss nicht allein auf das Vorhan­densein eines Bruchs, sondern auch auf die Art und Beschaffenheit desselben gerichtet sein.
A. Das Bestehen eines Bruchs giebt sich im Allgemeinen durch folgende Erscheinungen kund: 1) Man findet eine Geschwulst, welche mehr oder weniger schnell entstanden und bis zu einer gewissen Grosse ausgebildet ist; die letztere ist in den einzelnen Fällen sehr verschieden, von dem Umfange einer Ilaselnuss bis zum Umfange eines Menschenkopfes und darüber. Die Geschwulst ist in den meisten Fällen im Anfange kleinj sie vergrössert sich aber gewöhnlich in kurzer Zeit, theiis durch die eigene Schwere der Eingeweide, theiis durch die wurmförmige Bewegung der­selben und hauptsächlich durch die Zusainmenziehung der Bauchmuskeln bei selincllem Laufen, bei den Auslreugungen zur Kothentlcerung u. s. w. Die Geschwulst ist elastisch oder auch leigartig anzufühlen, dabei unsclnncrzhaft und die Haut in der Hegel ohne Symptome der Entzün­dung; sie ist ferner bei verschiedenen Einwirkungen in ihrer Grössc und in dem Grade ihrer Spanming veränderlich, namentlich vergrössert sie sich nach reichlichem Fullergenuss und nach Anstrengung, mehren-theiis auch im aufgerichteten Zustande des Thiercs; sie verkleinert sich dagegen, wenn das Thier rnhig steht, oder wenn es liegt und wenn es durch einige Zeil ohne Nahrung geblieben ist, und durck Druck mit den Händen kann man den Inhalt der Geschwulst in die Bauchhöhle schieben und dadurch die Geschwulst ganz oder doch grösstentheils zum Verschwinden bringen, besonders dann, wenn die Thiere so nieder­gelegt werden, dass die Seile des Leibes, au welcher der Bruch be­stellt, die obere wird. Bei Brüchen, in denen sicli Därme befinden.
hört man von Zeit zu Zeit ganz deutlich ein durch die wurmförmige erzeugtes knurrendes oder kluckerndes Geräusch von dem
ler Haut die BruchölTnung.
Dieselbe ist bei Nabelbrüchen und Leistenbrüchen rundlich, in den
meisten anderen Fällen aber länglich oder unregelmässig; ihre Grössc
ist in den einzelnen Fällen sehr abweichend, von circa 4- Zoll bis 8 Zoll
und mehr im Durchmesser; die Ränder dieser Oellnung sind bald mehr
glatt (wie namentlich bei Nabel- und Leistenbrüchen), bald uneben
und winkelig (wie bei den durch Zerreissung enlslandenen Bauch-
brüchen ).
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Brüche im Allgemeinen.
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B.nbsp; nbsp;Die Erkennung der besonderen Art der Brüche ist zum Theil durch den Ort, an welchem man dieselben findet, Ihcils aber durch die wahrnehmbare Eigenthümlichkeitcu derselben bedingt. In erslerer Hinsicht muss hier auf die speziellen Brüche hingewiesen werden, in lelzlerer Hinsicht ist nur noch im Allgemeinen zu bemerken, dass Darm­brüche sich durch eine elastische Bruchgeschwulst charakterisiren, in welcher man, wie bereits angedeutet, cigenthümlichc Geräusche von der Forlbewegung der in den Därmen enthaltenen Gase oder Flüssigkeiten hören kann und dass Nelzbrüchc sich durch das teigartige Gefühl aus­zeichnen, welches man beim Drücken auf die Bruchgcscliwulst wahr­nimmt. Wenn andere Organe in der Bruchgeschwulst liegen, so be­steht häufig eine Störung der Funktionen dieser Organe und man kann dann auf das Leiden derselben schliessen.
C.nbsp; nbsp;Hinsichtlich der oben sub IV. angedeuteten verscliiedenen Be-schaflenheit der Brüche ist die Diagnosis darüber: ob ein Bruch beweg­lich oder unbeweglich ist? fast immer leicht zu erlangen. Oft kann man schon aus der wahrgenommenen wechseluden Grosse der Bruch-geschwulst auf die Beweglichkeit des Bruchs schliessen, man darf aber desshalb keinesweges solche Brüche, welche bisher in gleichmässiger Grössc verblieben, für unbeweglich halten. Die Sicherheit hierüber er­langt man nur durch eine vorsichtige Untersuchung des Thieres, beson­ders nachdem es 12 — 24 Stunden gefastet hat und so uiedergelegt worden ist, dass die Bruchstelle den höchsten Punkt des Körpers bildet; man versucht nun durch Erheben, Verschieben und gelindes Drücken mit den Händen auf die Bruchgeschwulst in der Richtung zu der Bruch-öllnung, oder bei den grossen Thieren durch Eingehen mit der beölten Hand in den Mastdarm, Ergreifen und Zurückziehen der Eingeweide von der Bruchstelle, den Brucksack zu entleeren, und man wird dann, je nachdem dies vollständig, unvollständig oder gar nicht gelingt, den beweglichen oder unbcwegliclien Zustand hieraus erkennen. Schwerer ist es zuweilen, bei dem letztern den besondern pathologischen Grund sogleich zu erkennen; doch gelingt auch dies hei gründlicher Untersu­chung und Beachtung der besondern Zufälle.
Verwachsung der Eingeweide mit einander oder mit der inaern Fläche des Bruchsackes ist anzunehmen, wenn die Zuriickbringung der Eingeweide unmöglich ist und bei wiederholten Untersuchungen im Ver­laufe mehrerer Tage sich dies gleichmässig so verhält, dabei aber keine anderweitige Störungen, namentlich die sogleich anzugebenden Symptome der Einklemmung nicht vorhanden, auch örtlich keine Verdickungen in dem Bruchsacke wahrzunehmen sind.
Vergrösserung und Verdickung der den Bruch bildenden Einge­weide im Bruchsackc ist immer durch die Anschwellung und grösscre Derbheit der Theile im Bruchsackc deutlich zu fühlen und es sind dabei in der Regel ebenfalls die Symptome der Einklemmung nicht vor­handen.
Die Einklemmung (lucarceratio) besteht in einer durch verschie­dene Ursachen erzeugten Pressung der Eingeweide durch die Ränder des Bruchringes, so dass im Wesentlichen ein gegenseiliges Missver-hältniss in der Dicke der hervorgetretenen Theile und in der Enge des Bruchriuges vorhanden ist. Es entsteht hierdurch an der betroffenen
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Brüche im Allgemeinen.
Stelle der Eingeweide Reizung, Störung der Cirkulation, Entzündung und am Ende gewöhnlich der Brand; ehe der letztere sich vollständig ausbildet, tritt auch, wenigstens stellenweis, seröse und plastische Aus­schwitzung und frische Verwachsung als Folge der Entzündung ein und in einzelnen Fällen, die aber im Ganzen sehr selten sind, bildet sich Eiter. Bei diesem Zustande benehmen die Thiere sich unruhig, ähn­lich wie bei Kolik oder Darmentzündung; sie sehen sich oft nach dem Leibe um, wedeln mit dein Schweif, kratzen mit den Füssen auf dem Fussboden, werfen sich nieder, wälzen sich, legen sich auf den Rücken und ziehen dabei die Füsse an den Leib, sie springen dann plülzlich wieder auf und wiederholen dies Benehmen abwechselnd gewöhnlich bis zum Eintritt des Brandes oder bis zur erfolgten Lösung der Ein­schnürung; manche Pferde setzen sich dabei auch auf den Hintern, wie es sitzende Hunde zu thun pflegen. Im Verlaufe der Zeit tritt zu die­sen Zufällen noch dunklere Röthung und Trockenheit der Schleimhäule, kleiner, harter, drahtförmiger und beschleunigter Puls, kurzes und be­schleunigtes Athmen, ungleiche Temperatur, partieller Schweiss, öfteres, aber mehrenthcils fruchtloses Drängen zur Kothentleerung, wobei in der ersten Zeit nur noch einzelne kleine, zuweilen mit zähem Schleim umhüllte Kothballen entleert werden; bei Thieren, welche sich erbre­chen können, findet sich auch dieses von Zeit zu Zeit wiederholt ein. Bei der örtlichen Untersuchung findet man die Bruchgeschwulst mehr gespannt, vermehrt warm und oft auch schmerzhaft; sie ist unbeweg­lich, sowohl bei den Versuchen sie von aussen, wie auch durch den Mastdarm zurückzubringen.
Das räumliche Missverhiiltniss bei der Einklemmung (und diese selbst) ist entweder durch umgebende Theile (die Bauchmuskeln und den Bruchsack) oder durch die hervorgetretenen Eingeweide herbeige­führt. In ersterer Hinsicht kann Krampf oder Entzündung und allmä-lige Verdickung der Ränder des Bruchriuges die spezielle Veranlassung sein und in Beziehung auf die vorgefallenen Theile kann a. das ge­waltsame Hervorpressen einer zu grossen Masse derselben, und b. die Anfüllung der Gedärme im Brachsack mit Koth, oder c. mit Gasen oder d. Entzündung der vorgetretenen Theile die Ursache der Einklemmung abgeben. Man nimmt hiernach verschiedene Arten der Einklemmung an, und zwar 1) die acute oder entzündliche, 2) die krampfhafte, 3) die durch Koth, 4) die durch Luft erzeugte und 5) die in organischen Veränderungen begründete. Die Unterscheidung und Erkennung dieser verschiedenen Einklcmmungen ist während des lebenden Zuslandes der Thiere oft sehr schwer. Bei der entzündlichen sind die Erscheinungen, wie oben angedeutet, in einer gewissen Heftigkeit gleichmässig andauernd und man findet an den im Brucbsack befindlichen Theilen keine starke Aufblähung und keine Vergrösserung oder Verdickung, wohl aber Hitze und Schmerz. — Bei der krampfhaften sind die Zufälle gelinder und mit zeitweiligen ruhigen Perioden unterbrochen; der Puls ist dabei mehr weich, wenig oder gar nicht beschleunigt, die Schleimhäute sind mehr blass und die Bauchmuskela sehr gespannt. — Bei der durch Kothan­häufung bedingten Einklemmung findet man die Gedärme in dem Bruch­sack durch breiartige Kothmassen stark aufgetrieben und die Zufälle in der ersten Zeit ähnlich, wie bei der Krampfeinkleimnung. — Bei der
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Brüche im Allgemeinen.
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durch Gase erzeugten Einldemmung sind die Därme im Bruchsack ela­stisch aufgetrieben, der Bauch im Ganzen gewöhnlieh eben so und die Thiere benehmen sich zuerst ähnlich, wie bei der Krampfeinklemmung. Wo organische Veränderungen als Ursache bestehen, entwickeln sich die Einklemmung und die sie begleitenden Zufälle im langsamen Ver­laufe bis zu einem massig hohen Grade und mau fühlt in dem Bnich-sacke, namentlich in der Umgebung des Bruchringes dicke und derbe Massen. Die 4 letzten Arten der Einklemmung bleiben in ihrer Eigen-thümlichkeit nicht lange bestehen, sondern es finden sich sehr bald die Symptome der entzündlichen Einklemmung hinzu.
Bemiheilung. Im Allgemeinen sind die Brüche sehr bedeutende Krankheitszuslände, welche nach ihren verschiedenen oben angedeute­ten Verhüllnissen, entweder das Wohlbeilndcn und den freien Dienst­gebrauch der Thiere bald mehr bald weniger stören oder selbst das Leben gefährden. Bei der Prognosis müssen daher die angedeuteten Verschiedenheiten und die besonderen Verhältnisse eines jeden einzelnen Falles wohl erwogen werden, im Allgemeinen ist jedoch zu bemerken: dass alle Brüche, wenn sie auch nicht für den Augenblick gefährliche Zu­fälle erregen, doch bei längerer Dauer sich leicht vergrössern und einklem­men können, dass die im Bruchsack enthaltenen Theile leicht entzündet und dadurch in günstigen Fällen zur Verwachsung unter einander oder mit dem Brachsacke gebracht und in Folge dessen unbeweglich und schwe­rer heilbar werden; allein andererseits wird durch den Vcrwachsungspro-zess auch gewöhnlich die weitere Vergrüsserung beschränkt und das Eintreten übler Zufalle, namentlich der Einklemmung, verhütet. Die letztere kann der Erfahrung zufolge bei allen Brüchen ohne Unterschied eintreten und das Leben des Thieres durch Brand in wirkliche Gefahr versetzen; sie ist. daher der gefährlichste Zufall bei den Brüchen und es ist stets eine unsichere oder selbst eine schlechte Prognosis auszuspre­chen, wo sie besteht. Jedoch sind auch hier die einzelnen Fälle wieder noch von verschiedener Bedeutung; eine frisch entstandene Einklem­mung kann in den meisten Fällen durch eine zweckmässige Hülfe be­seitiget und das Tliier gerettet werden; dagegen ist die Gefahr immer sehr gross und die Rettung des Thieres ist selbst durch Kunsfhülfe ge­wöhnlich nicht mehr möglich, wenn die Einklemmung über 8 —12 Stun­den gedauert hat und wenn bereits kleiner, kaum fühlbarer und sehr beschlcnnigter Puls, ungleiche Temperatur und kalter Schweiss einge­treten sind, oder wenn das Thier unter diesen Erscheinungen und nach vorausgegangener grossen Unruhe plötzlich ruhig geworden ist. Der Tod erfolgt gewöhnlich nach einer 20 — 30 stündigen Dauer der Ein­klemmung. In den seltenen Fällen, wo mit dem Eingeweide im Bruch zugleich die Haut brandig wird und in Folge dessen baldige Ausleerung der Brandjauche nach aussen stattfindet, und ebenso wo ein Abscess entstanden ist, bildet sich zuweilen ein künstlicher After (S. 397). — Frisch entstandene Brüche und besonders solche, bei welchen noch Entzündungssymplome in einem höhern Grade zugegen sind, haben auch ohne das Dasein einer Einklemmung stets einen bedenklichen Cha­rakter, da man bei solchen Brüchen immer das Fortschreiten der Ent­zündung auf das Bauchfell und die Baucheingeweide befürchten muss, und da der Erfahrung zufolge frisch entstandene Brüche sich auch
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r
574nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Brüche im Allgemeinen. Behandlung.
leichter einklemmen als schon ältere Brüche; doch sind letztere, da häufig Verwachsungen bei ihnen bestehen, gewohnlich schwerer zu reponiren und zu heilen, als ganz frisch entstandene Brüche. Kleine Brüche sind, weil sie oft übersehen oder nicht beachtet werden und eben so, weil die Einklemmung bei ihnen leichler entsteht als bei den grossen, im Allgemeinen gefährlicher als die letzteren. Netzbrüche sind an und für sich fast immer ohne Gefahr, aber sie veranlassen zu­weilen durch das Umwickeln des slrangförmig verlängerten Netzes um andere Theile die Einschnürung der letzleren und ausserdem enlste­hen auch oft Verwachsungen des Netzes mit den Wänden des Bruch­sackes u. s. vv., so dass diese Brüche oft unbeweglich werden, Darm-bruche können unter günstigen Verhältnissen, namcnllich bei einer weiten Bruchöflhung lange Zeit ohne üble Zufalle bestehen, durch Einklcm-mung aber erhalten sie eine grössere Gefahr als Netzbriiche. Magcn-und Blasenbrüche, so wie die Brüche, wei welchen der Uterus hervorgetreten ist, verhalten sich den Darmbrüchen sehr ähnlich. Brüche, welche durch die natürlichen Ocfl'uungen entstanden sind, sind der Einklemmung mehr unterworfen, als diejenigen, welche durch Zerreissung der Bauchmuskeln entstanden sind, bei den letzteren ist aber die Heilung viel schwieriger als bei den erstcren, wenn die Bruch-öffnung sehr gross ist, oder die Zerreissnug an mehreren Slellen stall­gefunden hat. Bei den kleinen Hausthiercn sind die Brüche weniger gefährlich und leichler zu heilen, als bei den grossen, doch ist der Unterschied in dieser Hinsicht nicht bedeutend.
Hinsichllich der Heilbarkeit der Brüche ist im Allgemeinen kein beslimmtcs Urtheil auszusprechen, da die einzelnen Brüche sieh darin verschieden zeigen und desshalb auf sie verwiesen werden muss. Eine gründliche Heilung der Brüche ist nur vermittelst einer Operation zu bewirken, bei welcher die Ränder des Bruchringes durch Wundhefte mit einander vereiniget werden; allein diese Operalion ist eincrseils in ihrem Erfolge nicht immer sicher und andererseits wird sie durch die hinzutretenden Entzündungszufälle und deren Folgen sogar oll gefähr­lich. In den meisten Fällen findet daher nur eine palllalive und un­vollständige Heilung statt, welche aber fast immer dem Zwecke eben so genügend entspricht, wie die radikale Heilung, indem nach ihr die Thiere zu jeder Arbeit tauglich werden und keine weiteren üblen Fol­gen durch den Bruch erleiden.
Die Behandlung der Brüche ist entweder I. nur darauf gerichtet, die Vei'grösserung der Brüche und das Eintreten übler Zufälle, nament­lich der Einklemmung, zu verhüten oder II. die Brüche selbst zu heilen.
I. Die erstere Aufgabe erfüllt man, indem man die Thiere von übermässigen Anstrengungen abhält, ihnen eine solche Stellung und Lage giebt, bei welcher die Eingeweide sich mehr von der Bruchstelle weg senken, und ihnen nur wenig oder nur solche Nahrungsmitlei verabreicht, welche leicht verdaulich, nicht blähend, nicht erschlaffend sind und welche keine Kolik erzeugen. Aus.-erdem kann man noch bei frisch entstandenen Brüchen im Umfange des Leibes eine breite Bauchbinde oder ein grosses Pechpflaster1) anlegen, um hierdurch ein
1 ) Bruchbänder, wie sie für diesen Zweck bei mit Brüchen behafteten
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Brüche im Allgemeinen. Behandlung.
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weiteres Hervortreten der Eingeweide durch ihre eigene Schwere zu verhüten; oder man kann auf die Bruchgeschwulst aromalische, spiri-tuöse Mittel anwenden, um die Haut mehr zur Zusammenziehung an­zuregen und so die Ausdehnung zu verhindern.
II. Bei der Heilung der Brüche muss: A. die Zurükbringung der Eingeweide in die Bauchhöhle, ß. die Zurückerhaltung in derselben, C. die bleibende Versehliessung der Brucliölliiung bewirkt und es müs­sen ausserdem die etwa bestehenden oder eintretenden üblen Zufalle beseitiget werden. Diese Indikationen können mit einigen Modilikationen erfüllt werden, je nachdem man die Radikal- oder Palliativkur be­absichtiget.
Die erslere besieht in der uumillclbarea Versehliessung der Bruch-öflnung durch die blutige Naht, wie bei Bauchwunden, um die Ränder dieser Oeiïnung zum gegenseitigen Verwachsen zu bringen1); — bei der Palliativkur erfolgt die Versehliessung des Brucliringes bald mehr bald weniger durch exsudirten FaserstoO'oder durch Verdiekung, Verkürzung und Anwachsen der Haut und des Zellgewebes an die Räuder der BrucliöUhimg. Man erreicht diesen Zweck theils durch Operationen, wie das Abbinden, Abklemmen und Abnähen des Bruehsacks (Siehe Nabel- und Leistenbrüche), theils durch die Anwendung stark reizender Mittel, wie namentlich der Kanlharidcntinktur, der Kantharidensalbe, des Terpenlhinöls, der Schwefel- und Salpetersäure auf die Haut der Bruchgeschwulst.
Diese Verfahruiigsarlen sind in allen Fällen zu benulzeu, oder auch selbst als die einzig möglichen Hülfsmillel in Anwendung zu bringen, wo entweder der Eigeulhümer des Tbieres eine mehr eingreifende Be­handlung fürchtet, oder wo die lelztere wogen übermässiger Grosse der Bruchöll'nnng nicht in Anwendung zu bringen ist. Man erreicht mit ihnen, wie es bereits bei der Prognosis erwähnt, den Zweck in den nicislen Fällen sehr gut.
A. Die Zurüekbringung der im Bruchsack befindlichen Eingeweide in die Bauchhöhle (Reposilio s. Taxis) muss bei der Radikalkur noth-wendig geschehen, bei der Palliativkur ist sie nützlich, aber nicht un­bedingt noting und sie wird hier oft unterlassen. Sie wird in Fällen der letzten Art so bewirkt, wie es oben für den Zweck der Untersu­chung (S. 571. C.) angegeben worden ist; für die Radikaloperation kann man eben so verfahren, oder man scheert, nachdem das Thier so nie­dergelegt worden, dass der Bruch die höchste Stelle des Körpers ist, auf der Geschwulst die Haare ab und enlfernt sie gründlich. Hierauf muss die Haut und der innere Brachsack, im Fall ein solcher vorhan­den ist, in der Länge der Bruchöifuung gespalten werden, damit mau eben zu dem letztern unmittelbar gelangen könne. Man macht für diesen Zweck mit Unterstützung eines Gehülfen von der Haut auf der
-Menschen allgemein benutzt werden, sind hei Thiercn schwer anzuwenden und wenig entsprechend, da sie sich immer leicht verschieben. Sie werden fast gar nicht gebraacht.
') Dieterichs nimmt in anmaassender Weise die Priorität dieses Verfah­rens in Anspruch (Vet. Chirurg. 5te Aufl. S. 140); aber schon Vitet (iMéd. veter. Th. II, p. 196) und La fosse (Cours d'hippiatr. p. 246) haben es gelehrt.
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57Gnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Brüche im Allgemeinen. Behandlung.
Bruchgeschwulst eine Querfalte und durchschneidet dieselbe in der Län­genrichtung der Bruchöffnung, wo möglieh so, dass die Trennung gerade auf die Mittellinie der letztern trifft; eben so verfährt man mit dem inneru Bruchsack. Ist der Bruch unbeweglich und die Geschwulst so gespannt, dass sieh eine vollständige Querlatte nicht bilden lüsst, so er­hebt man auf der Mitte der Geschwulst mit einer Pinzette die Haut, so viel es sich thun lässt, in eine kleine Falte und schneidet dieselbe vorsichtig auf der Länge von etwa -J- Zoll durch; in die Oeffnung bringt mau dann die Spitze des Zeigefingers der linken Hand und schnei­det auf ihm die Haut nach vorn und dann auch nach hinten so weit durch, dass man freien Baum genug für die folgenden Verrichtungen erhält. Besteht ein innerer Bruchsack, so verfährt man an ihm ebenso. Hierauf versucht man die Zurückbringung der blossgelegten Eingeweide auf die Weise, wie es Seite 391 und 392 gelehrt worden ist. Bei eingeklemmten Brüchen erweitert man eben so, wie daselbst hinsicht­lich der Wundränder angegeben ist, den Bruchriug und bewirkt dann die Zurückbriugung.
B. Die Verschliessung der Bruchöffuung erfolgt hiernach auf die Weise, dass man zuerst einen oder mehrere Finger der linken Hand, je nach der Grosse der Oeffnung, durch die letztere in die Bauchhöhle führt, theils um dadurch die Eingeweide zurückzuhalten, theils auch um sie gegen Verletzungen zu schützen, und dass man dann den Rand der Bruchöffnung entweder rund herum gegen 1 — 2 Linien dick ab­schneidet oder auch bloss rund herum eine Anzahl 1 —2 Linien tiefe Einschnitte in die Ränder macht, je nachdem sie zur Vereinigung weniger oder mehr geeignet sind; das Beschneiden geschieht da wo die Ränder ungleich zerrissen, faserig, oder (bei veralteten Brüchen) verdickt und callös sind, während das blosse Skarificiren bei glatten Rändern ge­nügt. Ersteres bewirkt man an weichen Rändern mit einer Scheere, sonst aber Beides mit einem Kuopfbistouri. Es soll dadurch sowohl die Form des Bruchringes zur Vereinigung mehr geschickt gemacht, wie auch eine adhaesive Entzündung erregt und dadurch die Verwach­sung desto sicherer herbeigeführt werden. Sollten Verwachsungen der Eingeweide unter einander oder mit der innern Fläche des Bruchsackes bestehen, so trennt man sie möglichst vorsichtig an den Grenzen der Organe, theils mit den Fingern, theils mit dein Messer. — Hierauf heftet mau den Bruchring ganz in derselben Weise, wie eine eindrin­gende Bauehwunde (S. 389) mittelst der Knoplhaht oder nach Vit et mittelst der Zapfenuaht. Da die sackförmig ausgedehnte Haut oft über­flüssig über die Bruchüflhung hervorsteht, so schneidet man, nachdem man sie gegen die Bauchmuskeln zusammengelegt, um den bestehenden Ueberlluss kennen zu lernen, vor dem Heften den letztem mit der Scheere an beiden Seiten so weit weg, dass auch ihre Ränder sich gegenseitig berühren. Bei dem Zubinden der Hefte lässt man durch einen Gehülfen mit den Ilaehen Händen die Bauchwände von beiden Seiten gegen die Oeffnung so weit zusammendrücken, dass die Ränder des Bruchringes und eben so die Ränder der Haut sich berühren, und bindet in diesem Moment die Heftfäden zusammen; man muss aber hierbei besonders aufmerksam darauf sein, dass nicht Eingeweide sich zwischen die Wundränder drängen, und wo das geschieht, schiebt man
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Bruciie im Allgemeinen. Behandlung.
577
flieselbeu sogleich mit dem Fii
lück. Zuletzt lest
uusse
rlich
auf die Operationsstelle eine sechs- bis achtfach zusammengelegte weiche Leinwand uud darüber einen breiten (jui't. und lässt dann das Thier vorsichtig von dem Lagcc aufstellen.
Bei Leisten- und Hodensackbrüchen ist das Verfahren am Bauch-ringe im Wesentlichen so, wie eben angedeutet, doch bleibt die zulclzl erwähnte Bandage dabei fort, weil sie nicht gut anzubringen ist.
C. Die Verhütung übler Zufälle
nach der
Opera lion geschieht
durch
Thier i
eine zvveckmässigeruhigen
Man lässt demgemäss das
von Insekten freien und kühlen Stalle kurz
und hoch
angebunden
andauernd stehen, und zwar auf einem, dem
Orte des Bruchs
selbe bei Brüchen
entsprechend eingerichteten Fassboden, so dass der-
erböhet, bei
Brüchen am vordem Ende des Bauches hinten niedriger sein muss, um die Last der Eingeweide von der kranken Stelle des Leibes abzuleiten. Kleine Thiere lässt man auf einem eben so eingerichteten Lager liegen. Man giebt den Patienten in der ersten Zeit nur weniges und weiches Futter und befördert die Kolliausleemng durch Calomel, Neutralsalze und täglich 2 — 3 Mal applizirtc Klysliere von schleimigen Mitteln.
II
Zeigen sich Enlzündungszulallc
so macht man reichliche Blutenlleerun-
Mittel, in A erbiudung mit schlei-
gen uud
giebt innerlich die
migen
in angemessenen grossen Gaben
Aeusserlich macht man kalte
Umschläge von
Wasser,
Unte
günstigen Umständen
verwachsen die Brnelnäuder binnen
etwa 6 — S Tagen und die Hefte können dann in der bei dem Heften der Wunden angegebenen Weise entfernt werden. Wenn aber die Verwachsung nicht erfolgt, so muss man, so bald mau das Lockerwer­den der Hefte, oder das Auseinandergehen der WnndrSnder wahrnimmt, das Thier noch einmal niederlegen, die Wundränder mit dem Messer frisch wund machen und noch einmal heften.
So nützlich dieses Radikalverfahren in einzelnen Fällen ist, wo es gelingt, so ist doch dasselbe in doppelter Hinsicht mit grosser Gefahr verbunden und zwar einmal desshalb, weil dabei eine ol'cne Bauch-
wunde entsteht, die Luft in die Bauchhöhle eindringt und theils hier­durch, theils durch die Manipulationen das Bauehfell und die Gedärme gereizt, werden und somit die Gefahr einer Bauchfellentzündung lierbeigeführt wird. Ausserdem aber hat der Thierarzt es nie­mals in seiner Gewalt, die Verwachsung der Rändßr des Bruchringes sicher zu bewirken, und es können daher bei nicht erfolgter Verwach-
und Einschnürungen der Eingeweide,
sung leicht Vorfälle
das Eindrin-
gen von Luft und somit auch in der spätem Zeit nach der Operation
innere Entzi'mdungen
herbeigeführt
wer-
und Icbensgefälirlichc Zufä
meisten Thierärzl c mit
den. Dieser Gründe #9632; vve
Hecht dies Verfahren nur
auf die Fülle, wo solche Einklemmung be
steht, welche sich ohne operative Erweiterung des Bruchringes nicht lösen lässt und wo also hierdurch schon die Nothwendigkeit zur Er­öffnung des Bruchsackes vorhanden ist. Die Erfahrung hat diese Be­merkungen vielfach besläliget, und ich muss warnend hinzufügen: dass mau dieses operative Verfahren besonders bei solchen Brüchen, welche durch Zerreissune der Bauchmuskeln frisch entstanden und noch mit
37
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378nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Brüche im Allgemtinen. Behandlung.
ZuCiilleu inuerei' EutzündaDgen beglcilct sind, nicht anwenden möge, weil hiernach in der Hegel der Tod erfolgt, während ohne Operation die Tliiere am Leben bleiben und dieselbe später mit geringerer Gefahr begleitet ist.
Die Behandlung der eingeklemmten Brüche muss zunächst auf die Beseitigung der etwa noch fortwirkenden Ursachen, und dann auf die Lösung der Einklemmung selbst, so wie auf Zurückführung und Zurück-erbaltung der Eingeweide und auf die Beseitigung aller Zufälle gerichtet sein. In erslerer Hinsicht müssen vorhandene Reizungen durch Ab-führungsmiUel und Aderlässe beseitiget, Kothanhäufuugen im Mastdarm durch Ausräumen mit der Hand und durch Klysliere entfernt wer­den u. s. w. Die Einklemmung selbst sucht man zuerst nach der Art ihrer ursächlichen Verhältnisse zu lösen, und zwar: indem man bei der enlzündlichcu Einklemmung reichliche Blutenlziehungen, kühlende Abführungsmiltel und auf die Bruehgeschwulst recht kalte Umschläge von Wasser, im Winter von Schnee oder Eis anwendet und dann von Zeit zu Zeit au dem vorsichtig niedergelegten Thicr die Zurückbringung der Eingeweide auf die oben angegebene Weise zu bewirken sucht. Bei der krampfhaften Einklemmung muss man den Habitus des Thieres berücksichtigen und hiernach bei trockenen, kräftigen Thieren zuerst einen massig starken Aderlass machen, dann aber, oder bei Thieren von mehr schlaffer Constitution, vom Anfange her narkotische Mittel in Anwendung bringen, namentlich die Herba oder Radix Belladoimae, oder das Bclladonnaexlract, oder Opium, oder Ilerba llyoscyaml, oder auch man bewirkt durch das Einaliimen des Schwefeläthers oder des Chloroforms eine vollständige Betäubung des Thieres und macht dann die Zurückbringung der Eingeweide. Die Betäubung ist in allen Fällen nützlich. — Bei der durch Kolhanhäufung entstandenen Einklemmung sind reizende Klystierc, innerlich gegebene salzige Abführmitlei in gros sen Gaben in Anwendung zu bringen, und die Taxis bereitet man bei einer zweckmässigen Lage des Thieres durch längere Zeit fortgesetztes gelindes Drücken und Reiben der Bruehgeschwulst mit der Hand vor und bewirkt sie dann in der früher angegebenen W'eise, entweder von aussen durch Zurückschiebung der Theile durch den Bruchring mittelst der Finger, oder durch Ziehen vom Mastdarm her mittelst der in ihn eingeführten Hand. — Bei der durch Gase bewirkten überraässigcn Aus­dehnung und Einklemmung sind innerlich absorbirende Mittel, wie Schwe-felleber, Kalkwasscr, Salmiakgeist, Chlorwasser und dergleichen zu rei­chen; äusserlich macht man kalte Umschläge, applizirt Klysliere und wenn hiernach binnen ein paar Stunden nicht eine solche Verminderung der Ausdehnung der Eingeweioc erfolgt, dass deren Zurückbringung mög­lich wird, so macht man mittelst eines dünnen Troikars einen Ein­stich in die Bruehgeschwulst, entleert die Gase und macht hiernach die Taxis. In allen diesen Fällen darf man jedoch die angegebenen Heil­verfahren nur so lange anwenden, als nicht olfenbare Entzündungs­zufälle bestehen; sind diese eingetreten, so ist auch die Behandlung ganz so, wie bei der enlzündlichen Einklemmung: und auch bei dieser darf das antiphlogiïtische Verfahren nur kurze Zeit für sich allein an­gewendet werden. Gelingt bei ihm oder bei einem andern Verfahren (i. B. das S. 591 angegebene) die Zurückbriiigung nicht innerhalb der
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Nabelbt
370
ersten 5 — ü SluuJeii, so iimss in jedem Falle die üpeialiou des Bruclis in der oben unter A. und B. angegebenen Weise, und dann die Ervvei-lerung des ßruclninges ganz so, wie es S. 392 in Betreff der Erweite­rung der cinsehnürenden VVuiidriindcr bei Bauchwundeu gelelul worden ist, — und zuletzt die lleflung des ßruchriuges uiiicrnoinincu werden.
Die Nachbehandlung findet dann in streng antiphlogisdscher Weise und übrigens so statt, wie es nach der Uadikalopeialion im Vorher­gehenden angegeben worden ist.
Zweiter Abschnitt.
Uie Brüche im Spezie 1.1 en.
Erstes Capilel.
Vom Na be lb rue lie (Hernia umbiliealis, omjilialocele, Exomphalos).
Ein Nabelbruch bestellt, wenn Gedärme oder das Netz durch den Nabclring aus der Bauchhöhle hervorgetreten sind. Nabelbrüche kom­men bei allen unscni Haussäugethieren vor, am sellcnsleu aber bei den Schafen und Schweinen 1). Mau bemerkt sie am allerhäufigslen bei sehr jungen Thieren in den ersten 4 Wochen nach der Geburt, oder auch schon gleich bei der Geburt (angeborne Nabelbrüche); aber sie verschleppen sich zuweilen auch in spatere Zeil, und ich sah sie selbst bei acht-, zehn- bis zwölfjährigen rferdeu. Die Eingeweide, welche bei diesen Brüchen durch den Nabelring heraustreten und in der Bruch­geschwulst enthalten sind, sind gewöhnlich ein Theil des bei jungen Thieren sehr kleinen Colons oder des Coekums, bei ganz jungen 'filie­ren zuweilen der Urachus und die Nabelvene (letztere verschwindet allmälig gänzlich), und zuweilen ist auch ein Theil des Netzes zugegen.
') Wolstein (Die Bücher der Wundarznei der Tliiere, S. 294) sagt: dass er nie einen Nabelbruch bei männlichen oder weiblichen Hunden gesehen habe und dass seines Wissens Stiere, Kühe und Ochsen von ihnen frei sind. Greve hat ebenfalls nie einen Nabeibrnch bei ttunden und Rindvieh beobachtet (Er­fahrungen und Beobachtungen, ßändchen II. Seite 12); — und J. Girard behauptet (Recueil de médec. vétér. 1828, p. 26), dass die Nabelbrüche bei Pferden niemals Netzbrüche sind. Ich habe aber, ausser den Pferden, auch Hunde, Katzen, Kälber und Schweine mit diesen Brüchen behaftet befunden und habe auch Gelegenheit gehabt, einen Tbeit des Netzes in dem Bruchsacke eines Füllen zu sehen.
37raquo;
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580
Nabelbrüche. Behandlung.
Der Bruchsack ist \on der äussern Haut gebildet, über welcher im In­nern eine bald mehr, bald weniger dicke Schicht Zellgewebe liegt und die in der Regel mit dem Peritoneum überzogen ist. Letzteres scheint zuweilen zu leblen; dafür macht in den Fällen, wo zugleich Netz und Därme iu der Brucbgcscliwulst liegen, das Netz zuweilen eine Umklei-dung der letztern; ist der Bruch sehr gross, so ist zuweilen auch eine sackartige Verlängerung vom Nabelringe her zu bemerken,
Ursachen. Zuweilen besteht eine angeborue, zu weite Nabelöllhung oder eben so, grosse Schwäche der Bauehmuskelu als Anlage zu diesen Brüchen, und diese Anlage soll nach manchen Angaben ererbt von den Eltern sein; häufiger werden sie bei jungen Thieren durch gewaltsames Abreissen der Nabelschnur, durch Stosse und Schläge auf den Bauch, durch starkes Aufblähen, heftige Anstreiiguiigen u. s. w. veranlusst, indem hierdurch der Nabelring gewaltsam erweitert wird.
Erkennung. Man erkennt die Nabelbrüche an einer meistens rundli­chen, elaslischeu oder mehr leigarlig anzufühlenden Geschwulst, welche am Orte des Nabels, in der Mitlellinie des Bauches, ihren Silz hat, sich mit den Fingern in die Bauchhöhle zurückschieben lässt und mit der übrigen Haut von gleicher Wärme ist. Die Grosse der Geschwulst variirt von der einer Haselnuss bis zum Umfange eines Menschenkopfes. Nach der Zurückbringung bemerkt man deutlich eine runde oder läng­lich runde Brachöfihang (den Nabelring) mit dicken und abgerundeten Rändern. Die zurückgebrachten Theile treten gewöhnlich bald wieder hervor, wenn man den Druck aufhebt, oder wenn man das Thier auf­stehen lässt, oder wenn man ihm die Nasenlöcher zuhält, und ebenso bei Anstrengungen. — Befindet sich der Uraehus noch im Bruch, so fühlt man an dessen hinterm Ende einen rundlichen Strang, der mit der Innern Fläche des Bruchsackes zusammenhängt.
Beurtheilung. Die Nabelbrüche sind unter allen übrigen Brüchen die gutartigsten, denn sie heilen bei zunehmendem Alter oll von selbst ganz gründlich, indem die genannten Dickdärme sich allmälig mehr ausdehnen und in Folge dessen sich aus dem Bruch zurückziehen; sie bringen auch sehr selten, durch Einklenunung oder andere Umstände veranlassl, üble Zufälle hervor. Doch können sie sich bei heftigen Anstrengungen, bei schnellem Laufen, bei übermässigem Fressen, bei starkem Aufblähen u. s. w. sehr bald bedeutend vergrössern und sich dadurch auch einklemmen, und der Zustand wird dann eben so ge­fahrlich, wie bei anderen Brüchen. Kleine Nabelbrüche und bei jungen Thieren heilen, wenn dieselben in Ruhe erhalten werden, gewöhnlich von selbst; grosse Brüche und diejenigen bei allen Thieren erfordern jedoch eine Ihierärztliche Behandlung, können aber durch dieselbe un­ter übrigens günstigen Umständen gründlich geheilt werden.
Behandlung. Da diese Brüche bei ihrem langsamen Verlaufe so selten mit gefährlichen Zufällen verbunden sind, so kann man recht zweckmässig bei ihnen vor irgend einer vorzunehmenden operativen Behandlung die Thicre zu derselben durch zweckmässige Diät vorbe­reiten, indem mau ihnen während ein paar Tage nur wenig und wei­ches Futter, Kleie, Kleientrank u. dgl. und einige Klysliere giebt.
Die eigentliche Kur kann, wie dies bei der Behandlung der Brüche im Allgemeiacu angedeutet worden, entweder radikal oder palliativ
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Niibelbrüche. Behandlang.
5SI
ausgeführt werden. Zu der erstem findet sich, mit Rücksicht auf die Seite 577 gemachte Bemerkung, hier nur seilen die Anzeige, weil eben die Nabelbrüche sich sehr selten einklemmen, und zum Theil auch, weil sie in den allermeisten Fällen durch die verschiedenen Methoden der Palliativkur so zu beseitigen sind, dass danacli keine üble Folgen entstehen. Nur ausnahmsweise bei eingeklemmten und bei grossen Nabelbrüchen alter Thicre dürfte daher das Radikalverfahren in An­wendung kommen.
Dasselbe besteht in der nach der geschehenen Zurückbrlugung be­wirkten Heftung des Nabtlringes, und man verfährt dabei ganz so, wie es S. 576 angegeben worden ist.
Die Palliativkur kann, mit Rücksicht auf die Form, Grosse und Beweglichkeit des Bruches, in folgenden verschiedenen Methoden aus­geführt werden:
1.nbsp; nbsp; nbsp;Man bringt, nachdem das Tliicr auf den Rücken gelegt und die Reposition des Bruches gemacht worden ist, auf die von den Haa­ren befreite Haut der Nabelgegend ein handbreites Stück Leder, oder ein Wergpolster, oder eine mit Leinwand oder Werg umwickelte Blei­oder Eisetiplalle, bedeckt diesen Körper mit einem hinreichend grossen, stark klebenden Pilaster von Pech (nach Schreger, Operatiouslehre,
5nbsp; nbsp; 190), oder von Pech und Tcrpcnlhin (nach Brogniez, Journal vet. Uclgifjue. I. p. 228) und legt darüber noch eine vier Finger breite Binde oder einen Gurt. Dieser Verband muss mehrere (3 — 6) Wo­chen liegen bleiben und täglich nachgesehen werden, ob er noch fest und unverrückt ist, — widrigenfalls er erneuert wird. Das Verfahren ist umständlich, sein Erfolg weniger sicher als bei den übrigen Metho­den, und es wird dcsshalb seilen beimtzt.
2.nbsp; nbsp; nbsp;Die Anwendung reizender und conlrahircnder Mittel, um Ent­zündung, Zusammcnschruiiipfung der Haut, Verdickung und Verwach­sung derselben und des Zellgewebes am Nabelringe zu bewirken. Gerade diese Brüche, besonders bei jungen Thieren, so lange ihre Gedärme noch nicht durch vieles grobes Fuller sehr ausgedehnt sind und wenn die Bruehgeschwulst nicht übermässig gross und beulelarlig herabhän­gend ist, — eignen sich zur Behandlung mit den genannten Mitteln und sind durch dieselben in sehr vielen Fällen bei den verschiedenen Thier-gattungen geheilt worden. Eine Zuiückbringung des Bruches ist vor der Anwendung dieser Mittel nicht nothig und dieselbe unterbleibt da­her fast immer; dagegen ist die diätetische Vorbereitung und Pflege und das Abschceren der Haare noting.
Man benutzt hierzu:
a.nbsp; nbsp; die verdünnte Schwefelsäure (Acid, sulphuric, concent. 1 Theil, Wasser 3 — 5 Theile) und die Hall ersehe saure Mixtur (1 Theil con-zentrirte Schwefelsäure und 3 Theile Weingeist), — mit welchen man die ganze Fläche der Bruchgeschwulst täglich 2 Mal, und 5 — 8 Tage fortgesetzt, bestreicht oder wäscht. Wenn die Haut sehr derb und faltig geworden, hört die Anwendung auf. Die Heilung erfolgt in 4 bis
6nbsp; Wochen;
b.nbsp; nbsp; die conzenlrirtc Schwefel- und Salpetersäure. Die ersterc ist von deutschen Thicrärzten schon lange als ein sicheres Heilmittel der Nabelbrüche bekannt (llertwig, Arzneimittellehre, erste Auflage. 1833.
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Nabelbrüche. Behandlung.
Seite 654) und wird am besten in der Art angewendet, dass man iu den ersten 2 Tagen des Morgens und des Abends, am dritten und vicrlen Tage nur 1 JVIal täglich die ganze Brucligcschwulst mitlelst ei­nes in die Säure getauchten Stäbchens mit einzelnen Strichen, einen vom andern einen halben Zoll enlfeint, bestreicht. Bei der Wieder­holung können dieselben Siellcn und ehen so die bisher frei gebliebenen von dein IMiltel betroffen werden. Am fünften Tage und weiter bis zum zelmlen reiht man auf die Haut ein Gemenge von Terpenthinöi (1 Theil) und Lein- oder Hiiböl (2 Theile). ^Es entsteht starke, entzündlich-ödematöse Anschwellung, die Oberhaul slirbt ab und trennt sich späterhin los, aber mit circa 3 Wochen ist die Heilung geschehen. Das Oedem kann man in einiger Entfernung vom Bruch scarifiziren.
Das Acid. nilricnm concenlralum ') i;;t seil 1848 von Dayot 2) nud anderen französischen Thierärzten 8) empfohlen worden. Man taucht mit einer Pinzette oder einein Släbcbcn etwas Werg oder Baum­wolle in die Säure und bcslreiclit damit zuerst die Geschwulst an ihrer Hasis mit einem Kreise und dann die aanzc Fläche. Je nach der Dicke der Haut wiederholt man in einer Stunde das Bestreichen noch 1 oder 2 Mal, Dayot glaubt, auf viele glückliche Fälle geslülzl, dass der Erfolg stets um so besser sei, je tiefer die zerstörende Wirkung des Mittels in die Haut eingedrungen ist. Allein, dies ist für alle Fälle nicht passend, sondern nur da, wo die Haut und das Zellgewebe sehr dick sind; bei sehr ausgedehnler. feiner Haut und bei kleinen, zarten Thieren darf man das Aelzmillel nur na:h Zwischenzeiten von 3 bis 4 Stunden, oder besser nur einmal an einem Tage anwenden und kann es lieber nach 5—G Tagen noch einmal wiederholen. Beobachlet man diese Vorsicht nicht, so kann es leicht geschehen, dass bei dem Ab­fallen der zerstörten Haut eine Oeffnung quot;bis in den Bruchsack entstellt und die Eingeweide hervorlretcn.
Die Wirkung von der Salpetersäure ist schneller und etwas mehr eindringend ätzend, als die von der Schwefelsäure, daher auch die be­strichene Fläche schneller trocken wird und die Geschwulst oft schon bald nach einer Stunde oder bis zum andern Tage um das 2 — 4fache zugenommen hat; im Uebrigen ist sie, hinsichtlich der Art der Zufälle, bei beiden Mitteln ziemlich gleich. — Da das starke Oedem stets die Zusanimensehrunipfung und das Anwachsen der Haut aufhält, so ist es auch hier zweckmässig, in dasselbe einige Einstiche zu machen, um das Serum zu entleeren, jedoch immer Wenigstens 3 — 4 Zoll vom Bruch entfernt;
c. die Kanlharidcnsalbe und das gliiliende Eisen. Erslcrc wird massig dick auf die Bruchgeschwulst, und circa 1—2 Zoll über deren Grenzen, gestrichen und dies nach Zwischenzeilen von 3—5 Tagen zwei
') Die französischen Schriftsteller bezeichnen sie mit dem Namen „Acidc azoliquequot;, und von der Stärke von 33 —3Graquo; nach Baumes Areometer, d. i. ziemlich von der Concentration der gewöhnlichen, reinen, conzentrirten Sal-Jiclersiiure.
2) Etecueit de inéd. vétér. tö48. |). 778. — 1849. p. 77(i.
a) Zusamnienstellüng mehrerer Mittheilungen ans dem Recaeil etc. im Journ. des Vétérin. du midi. 1850. p. 1.
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Nabelbrüche. Behiindlun''.
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oiler mehrmals wiederholt. — Das Brennen geschieht mit rothwarmeni Eisen in Punkten oder Strichen über die ganze Brucbgeschwulst, mit Zwischeuräumen von -£#9632; — ^ Zoll und langsam, oft wiederholt, bis Aus-scbvvilzuiig eiitslaiiden ist. Wenn die nacb diesen Mitteln entstandene Entzündung sich mindert, kann man deu Bruch mit adslringirenden Flüssigkeiten oft befcucblen. Die Heilung erfolgt ziemlich in derselben Zeit, wie nach Anwendung der Säuren, aber die Tbiere scheinen bei deu letzteren weniger Schmerz zu empfinden, als bei jenen Mitteln.
3. Das Abbinden des Bruch beutels. Dasselbe findet nur bei solehen Drüehcn statt, welche beulelförniig vom Bauche herabhän­gen. — Nachdem bei der Rückenlage des Thieres die Zurückbringmig der Eingeweide aus dein Bruchsack geschehen ist und man sich hier­von sicher überzeugt hat, ergreift man die Witte der Haut, welche den Beutel bildet und ziehet sie so weit wie möglich von der Bruchöffnung ab, legt dann eine Schlinge von einem runden, mit Wachs oder Theer bestrichenen Bande über diesem Beutel unmittelbar am Bauche an und schnürt dieselbe so fest zu, dass der ausserhalb der Schlinge befindliche Thcil absterben muss. Das Zubinden geschieht entweder mit einem bleibenden oder mit einem aufziehbaren Knoten; und zwar wählen manche Tliicrärzle den letztefn desshalb. um am folgenden Tage ihn offnen und noch fester naehsebnüren zu können. Da jedoch stets eine Anscliwellung eintritt, welche oft das Band und den Knoten bedeckt und dieser tlesshalb schwer zu öffnen ist, so halte ich für besser, am folgenden oder am 3. Tage auf die erste Ligatur eine zweite zu legen und diese gehörig fest zusammenzuschnüren. Dies ist jedoch gewöhn­lich nur bei sehr breiten, oder mit dicker Haut versehenen Brüchen nötbig. Manche ältere Tliicrärzle steckten durch den Uautbeutel am Leibe einen Nagel quer durch und legten das Band zwischen ihn und den Leib, damit es nicht abgleilen sollte. Das könnte jedoch nur bei sehr kleinen Brüchen zu befürchten sein. Es tritt im Innern adhaesive
Enlzündung, an der Ligalurslclle aber nach 3
4 Tagen Eiterung ein.
nach 8—12 Tagen fällt die abgestorbene Haut nebst der Ligatur ab und die Stelle daselbst vernarbt in wenigen Tagen. — Das Verhalten der Tliicrc während der Kur ist, wie im crslcn Abschnitt angegeben; örtlich Ihut man bis zum Eint rill der Eiterung gar nichts, dann aber reiniget man blos. Bleibt der uiilcrbnndene Theil länger als 12 Tage am Bauche festsitzend, so muss man auch dann noch eine Ligatur umlegen; erfolgt aber dies Abfallen früher als eine Verwachsung des Nabelringes eingetreten ist, so muss der letztere geheftet oder mit einem Pflasterverband bedeckt werden.
4. Das Zusammenpressen des Bruchbeutels mittelst einer sogenannten Bruchkleinmc oder einer Kluppe. Es ist in denjenigen seltenen Fällen passend, wo der Nabelring eine zu grosse Länge besitzt und daher auch die Bruchgeschwulsl an ihrer Basis eine längliche Forin angenommen hat. — Nachdem auch hier an dem auf dem Rücken liegenden Thiere zuerst die Eingeweide vollständig aus dein Brachsack entfernt sind, erhebt man die leere Haut in eine Län-genfalle, legt über sie, dicht an den Leib, die eiserne oder hölzerne Klcinnie an, drückt sie möglichst fest zusammen und schliesst sie eben so. Die Operation ist hiermit an sich beende!: die Klemme bleibt lic-
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Leistenbruch.
gen, bis die Haul vollständig abgestorben ist und abfäill, was wie bei dem Abbinden geschieht. Aucli Lier tritt nach einigen Tagen äus-serlich Entzündung, im Innern Verwachsung ciu. Die Thiere werden wie bei dem Abbinden behandelt.
5) Das Abnälicn des Bruchsackes findet seine Anwendung ebenfalls bei Brüchen, welche eine längliche Bruchöllhung und für das Abbinden einen zu grossen Umfang haben. Man legt bei dieser Ope­ration auf den leeren und in eine Längenfalte zusammengelegten Bruch­beutel eine eiserne Klemme, welche nach der Form des Bauchs etwas gebogen ist, unmittelbar an den Leib und durchnähet dann an der äus-sern Fläche dieses Instrumentes die llaulfalte in ihrer ganzen Länge mit Gegenslichen, wie der Schuhmacher und Riemer die Naht zu ma­chen pilegt, so dass eine Anzahl einzelner Ligaturen von circa 4 Zoll Länge entstehen. Diese Ligaluren müssen möglichst fest zusammenge­schnürt werden, damit sie die zwischen ihnen liegende Haut zum Ab­sterben bringen. Nach Anlegung der Naht wird die Klemme entfernt. Die Wirkung ist ganz ähnlich wie bei dem Abbinden, und ebenso ist die Nachbehandlung wie dort.
Die sub 1, 3, 4 und 5 angegebenen Methoden dürfen, — wie sich dies von selbst ergiebt, — nicht augewendet werden, wenn ein Nabel­bruch unbeweglich ist; die übrigen Methoden sind aber auch hier an­wendbar, wenn nur keine Eiuklcmmung besteht. Im letzten Falle ver­fährt mau ganz nach Anleitung des ersten Abschnittes.
Zweites Capitel.
Von dem Leis teubruch und Hodensackbruch. (Hernia ingui-nalis s. Bubonocele und H. scrotalis s. Oscheocele.)
Der Leistenbruch entsteht, wenn Eingeweide durch den Bruch­oder Leistenring aus der Bauchhöhle hervortreten, — und wenn die­selben aus dem Lcislenkanal am Saamenstrange bis in den Hodeusack hinabgehen, so wird er zugleich ein'Hodensackbruch. Der letztere ist demnach stets nur ein weiter ausgebildeter Leistenbrach.
Leistenbrüche kommen bei männlichen Pferden, Eseln, Maulthie-ren, Hundelaquo; und Schweinen vor; bei den ersteren leiden auch die Ka­straten (Wallache.) zuweilen an ihnen, und Wo]stein1), Greve') u. A. und ich selbst sahen ihn auch bei der Hündin. Die Widerkäuer
') Die Bücher der Wundarznei d. Thiere. Wien 1793, S. 294 u. 95. 2) Krfnhrungen und Beobachtungen iiber die Krankheiten der llausthiere. 2tes Bdchn. Oldenburg 1851, S. 13.
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Leistenbruch.
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scheinen frei von ihnen zu sein. Sie linden sich an der linken Seite weit häufiger als an der rechten, zuweilen an beiden Seiten zugleich und entstehen in jeder Lebeusperiode, (nach Wolstein bei Pferden am meisten ungefähr im 6. Jahre, — was jedoch nicht richtig ist), und zuweilen sind sie angeboren.
Den Brachring bildet der abnorm erweiterte Bauchring, welcher bei Pferden (auch bei Wallachen) stels offen bleibt; in einzelnen Fällerraquo; bat mau denselben auch eingerissen oder eine durch Zerreissung ent­standene Oclfnung neben ihm gefunden. Der Bruehinhalt besteht bei beiden Geschlechtern gewöhnlich aus einem Theile des Dünndarms, oft aber (bei Pferden) aus einem Theile des Dickdarms ' ), seltener aus beiden zugleich, oder auch aus dem Netze allein oder mit dem Darm zugleich. Demnach ist der Leistenbruch bald ein Darmbruch, bald ein Netzbruch oder auch ein Ne Iz-Darmbruch. Nach Wolstein solleu Netzbrüche hier nicht vorkommen, weil das Nclz bei Pferden zu kurz ist und nicht bis zum Leistenringe dringt; dies war jedoch nur eine, auf den normalen Zuslsnd gegründete Ansicht, welche, wie die Erfahrung es vielfach erwiesen, für abnorme Zustände nicht anwend­bar ist. Das Netz ist zuweilen in seiner ganzen Breite, zuweilen auch nur in slrickförmig zusammengedrängten Verlängerungen vorhanden. Alle diese Brüche haben einen innern Bruchsack, welcher durch die Scheidenbäute des Saaraenslrangcs und des Uodensackes gebildet wird. Bei weiblichen Hunden hat man aussei- den Därmen und dem Netz in einzelnen Fällen auch die Gebärmutter in dem Bruch gefunden, so dass dieser dann hinsichtlich seines Inhalts ein Gebärmutterbruch (Hernia uteri, Hysteroccle) war2).
Die Ursachen der Leistenbrüche sind heftige Anstrengungen, z. B. bei dem Ziehen schwerer Lasten, besonders bergan, bei dem Gehen in erweichtem Lehmboden, bei Sprüngen, bei dem Hintenausschlagen, bei Koliken u. dgl., ferner: Slösse und Schläge auf den unleren und hin­teren Theil des Bauchs, plötzliches Ausgleiten und Niederstürzen, zu vieles und zu hitziges Begalten, starkes Aufblähen, zu heftiges Zerren des Saamenstrangcs bei der Kastration und nach derselben durch die Kluppen u. dgl.3). Durch diese verschiedenen Einwirkungen wird der Bauchring mehr oder weniger geschwächt und ausgedehnt'), die Ein-
') J. Girard, Traite des hernies inguinales dans le cheval et autres mo-nodactyles. 4. Avec 7 Planches in Fol. Paris 1827.
2)nbsp; nbsp;Hering, (Repertorium, Bd. IV. S. 17) fand bei einer Hündin den linken Bauchring in der Weite eines Kindesfingers und neben den runden Mutter­bändern den Körper und dem grössten Theil der beiden llörner ausgetreten.
3)nbsp; ]Man muss sich aber sehr hüten, wenn ein Bruch bei der genannten Operation zum Vorschein gekommen ist, gerade die letztere oder das technische Verfahren dabei, ohne dass nähere Beweise vorliegen, zu beschuldigen, da einerseits viele Beobachtungen lehren, dass die Eingeweide hervortreten, ehe noch der Saamenstrang entblösst worden ist, und andererseits, dass oft bei grosser Zerrung an letzterem doch kein Bruch entsanden ist.
4)nbsp; nbsp;Bei Pferden ist dies um so leichter der Fall, da der Bauchring sich nie fest verschliesst, sondern selbst in seiner normalen Beschaffenheit stets offen bleibt.
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5Sjnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Lcislenbrach.
gcwclde aber -vvcrilen in diese Oeiamp;iung liiueingedrängt. Zuweilen ist auch die Erschlaffung der Baucliringe und der Baachmoskeln, ohne dass die genaunteu Umslände vorausgegangen wären, entstanden, und sie ist dann fast die alleinige, wenigstens die vorzüglichste Ursache des Bruches, so dass es oft nur einer geringen Einwirkung bedarf, um den­selben hervorzubringen, wie es z. B. bei der Scheidenhaut- und llo-densQckwassersucht der Fall ist. Viborg ist selbst der Meinung, dass eine solche Anlage zu diesen Brüchen von den Ellern auf die Jangen fortgeerbt werden könne1).
Die Kennzeichen eines frisch entstandenen blossen Leistenbruches im nicht eingeklemmten Zuslande Irelcn bald mehr bald weniger lang­sam und stark ein; das Thier zeigt sich weniger munter und geht et­was gespannt mit dem Hinterfasse der Seite, an welcher der Bruch entstanden ist; bei einer schnellen Enlwickclung des Leidens geht es selbst etwas lahm mit diesem Ftisse, es Aisst sehr wenig, allnnet kür­zer und wechselt oft in der Stellung und Pferde sirecken sich oft. Dies ist besonders hei Darmbriicheu so; aber oft mindern sich die Zulälle und verschwinden nach einigen Tagen gänzlich, wenn das Thier Buhe erhält; oft treten sie aber wieder stärker hervor, wenn das Thier hier­nach wieder in stärkere Bewegung versetzt wird. Hierbei dehnt, sich der Bruch entweder ailmälig weiter aus und wird ein Hodensackbruch, oder, er klemmt sich ein. Wenn man in Folge dieser Zufälle das Thier genauer beachtet, so findet man bei Hengsten olt. dass der Testikel der leidenden Seile bald in die Höhe gezogen wird, bald wieder herab-gicilet, — was Girard für ein pathognomonisches Zeichen des Leisten­bruchs hält, durch welches der Thierarzl tiniher zur örtlichen Unter­suchung veraulassl werden soll. Man macht dieselbe nach Waldiuger'), Girard, Jessen3) U.A. sehr zweckmässig auf die Art, dass man mit der beöllen einen Hand durch das Reel um bis in den Bauchring und mit der andern äusserlich, vom Saamenstragc her ebenfalls bis in ihn mit den Fingerspilzen gleitet und so die letzteren von beiden Seiten her fast an einander bringt, wenn kein Bruch besteht, aber au beiden Seileu Hindernisse. — im Bauche Gedärme elc. und äusserliche An­schwellung findet, wenn er vorhanden ist. Diese Untersuchung kann am siehenden, aber besser am auf dem Rücken liegenden Thiere ge­schehen und man kann an einer Sielie wohl auch die Hand eines Gc-hülien anlegen lassen. Ist der Bruch schon aus dem Leistenkanal ge-Ireten, so findet man eine mehr oder weniger dicke wursllormige (ic-schwulst zwischen dem obern Theilc des Hodensacks und dem Sclicn-kel oder an der Stelle, wo der Saamenslrang durch den Bauchring herauslrill; diese Geschwulst ist (wenn ciue Einklemmung besteht), weich, blasenartig oder teigartig anzufühlen, zuweilen auch gespannt, je nach der Art des Inballes; sie ist von gleicher Wärme mit der um­gebenden Haut und kann mit den Fingern weggedrückt werden. Sind aber die Eingeweide schon bis in den Hodensack gedrungen, so ist der­selbe auf der leidenden Seile mehr oder weniger vergrössert, zuweilen bis ans Sprunggelenk herabhängend; die im Hodensacke enthaltenen
') S. d. Sammlung von Abhandlungen 3. Bändchen, S. '215 a. 16.
2) Therapie. Wien 1813, S. 3:50. — •) Magaz. f. Thierheilk. VI. S. 200.
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Leistenbruch.
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Theile, Hoden, Darm und Netz fühlt und unterscheidet man ihrer Lage und Besehallcnheit nach mehrcnlheils reclit dcullich, oft aber kann dies nur undeutlich geschehen. Ist der Hodensack sehr vergrössert, so ge­hen die Thicre mit ausgespreizten, von einander entfernten Hinterbeinen. Die Vergrösserung des llodensackes, überhaupt die Bruchgeschwulst ist bei- demselben Thierc nicht immer in gleichem Maasse zu.gegen; nach starker Bewegung, nach reichlichem Futtergenuss, beim Aufblä­hen u. s. w. vergrössert sich die Geschwulst, bei Buhe dagegen, beim Fasten des Thieres u. dgl. vermindert sie sich und wenn nicht Ver­wachsung im Bruchringc stattlindel, so lassen sich die Eingeweide völ­lig zurückbringen.
Wenn aber der Bruch sich eingeklemmt hat, so findet man fol­gende örtliche und allgemeine Zeichen: a. Die Geschwulst in der Lei­stengegend verliert ihre Weichheit, wird hart, mehr gespannt und em-plimllich;— bei Hodcnsackbrüchcn nimmt auch der Saamenstrang diese Eigenschaften an; die angegebenen Bewegungen des Hoden hören auf, es lassen sich weder die kleine wurslförmige Geschwulst bei Leisten­brüchen, noch die Eingeweide bei Hodensackbrüchen in die Bauchhöhle zurückdrücken. b. Die allgemeinen Zeichen der Einklemmung sind, wie bereits im ersten Abschnitt angegeben, heftige Kolikschmerzen, Flchmcn mit den Lippen, kleiner, harter, schneller Puls, Liegen auf dem Bücken mit angezogenen Füsscn etc.
Mit den Leistenbrüchen der männlichen Thiere haben die in dem ersten Abschnitt erwähnten falschen Brüche auf den ersten Anblick einige Aehnlichkcit; bei genauer Unlcrsncliung findet man jedoch diese letzteren Zustände von den wahren Brüchen deutlich unlcrschiedcn. Der sogenannte Fleischbrach macht sich dadurch erkennbar, dass ein llode oder beide ihr Volumen bedeutend vergrössern, dadurch den Hodensack selbst verhältnissmässig mit ausdehnen, aber bei der Unter­suchung mit der Hand eine derbe Geschwulst in der Form des Hodens wahrnehmen lassen. Diese Gesehwulst ist zwar im Hodensacke zu ver­schieben, aber niemals durch den Bauchriiig zurückziidrüekcn und der in der Kegel verlängerte Saamenstrang 1st dabei wenig oder gar nicht ausgedclml, daher die eigentliche Leistengegend von der Geschwulst frei, während bei einem wirklichen Bruch die Geschwulst stets von dieser Gegend ausgeht. — Bei dem Wasscrbruch ist der Hodensack an seinem untern Theile abnorm ausgedehnt und gewöhnlich zugleich oedemalös angeschwollen, so dass man daselbst mit den Fingerspitzen kleine Gruben eindrücken kann; über dem Oedcm zeigt sich das aus­gedehnte Skrotum nach allen Seiten gleichmässig gespannt, oder auch beim Anklopfen mit den Fingerspitzen an eine Seite tluktuiiend, so dass mau an der entgegengesetzten Seile gleichsam die fortgepflanzte Bewe­gung der Flüssigkeit fühlt. Legt man das Thier auf den Rücken und
erhebt den Grund des Hodensackes,
so fliesst gewöhnlich
der iranze
Inhalt des Serums aus den Scheidenhäuten in die Bauchhöhle und das Skrotum erscheint, bis auf den Saamenstrang und Hoden, ganz leer und faltig. Eine Ausnahme hiervon findet sich nur dann, wenn die gcmcinschaftliclic Scheidenhaut über dem Hoden an einer Stelle rund herum verwachsen ist. — Der Blutaderbruch ist bis jetzt nur bei kastrirten Bindern gefanden worden. Er iiiissert sich durch eine Au-
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5SSnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Leistenbruch.
Schwellung in dem Ucbcrreste des Saamcnsl ranges und des Hodensackes, welche sich an der Oberiläche massig gespannt anfühlt, bei genauerem Untersuchen aber, bei etwas verstärklem Druck der Finger in der Tiefe ein eigeuthümliches wellendes, schwirrendes oder strömendes Gefühl, welches sich ruckweise, gleichsam pulsireud etwas verstärkt wahrneh­men lässt. Bei den Versuchen einer Reduktion ändert sich die Ge­schwulst in keiner Hinsieht1). — Der Blutbruch veranlasst eine, zu­weilen sehr grosse biniformige Anschwellung des Skrotums, welches dabei bald mehr bald weniger wann, beim Drücken wenig schmerz­haft, äusserlich teigigt (oedemalös), innerlich etwas Ilukluirend anzu­fühlen ist. Die Geschwulst erstreckt sich auch am Saameustrangc nach oben, ist aber hier weich uud ohne das schwirrende Gefühl. — Die Eiter ans am mlang im Saanienstrange bildet zuweilen bei ïhieren, welche schon vor längerer Zeit kastrirt sind, eine gespannte, grosse An­schwellung, welche jedoch nicht die Symptome des Bruchs hesilzt2). Zu­weilen besieht eine Verbindung dieser Zustände unter einander oder auch mit einem wirklichen Bruch, und die Diagnosis wird dadurch erschwert. Bei Wallachen findet man die Zeichen des nicht eingekleminten und des cingeklernmlen Bruchs wie bei Hengsten — bis auf das wechselnde Aufziehen und Senken des Hoden, welches natürlich hier fehlt und wesshalb die Erkennung des beginnenden Bruchs etwas schwieriger, aber durch die vorhin angegebene örtliche Untersuchung doch sicher zu erlangen ist. Die quot;Bruchgeschvvnlst wird am llodensacke nie so gross, wie bei unverschniltencn ïhieren, aber oft aulfallend genug. Die Darmbräche geben sich auch hier durch elastische, die Netzbrüche durch mehr teigweiebe Anschwellung zu erkennen. Bei den letzteren bemerkt man oft ein starkes Aufziehen der Geschwulst bis zum Bauchringe, so dass sie fast verschwindet.
Die Leistenbrüche bei Hündinnen bilden an dem Euter eine Ge­schwulst, welche elastisch weich ist, sich durch Druck und bei einer Rückenlage sehr vermindert, und dann einen leeren Beutel zurüeklässt. Bei tieferem Eindrücken der Fingerspitze fühlt man auch den Bruch­ring. Bei Einkleminung ist der Bruch unbeweglich, es sind Zeichen der Darmentzündung, dabei schmerzhafte Spannung des Leibes und zuwei­len auch Erbrechen zugegen. Grevc (a. a. ü.) beobachtete letzteres aber nicht.
Mit diesen ächten Leistenbrüchen der Hündinnen hat ein durch das runde Mutterband verursachter falscher Bruch, der oft vorkommt, eine grosse Aehnlichkeit. Dies Band geht bekanntlich bei diesen ïhieren im normalen Zustande stets durch den Leistenring und befestiget sieh in Form einer dünnen rundlichen Sehne an das Schaambeiu. Zuweilen tritt aber von ihm weit mehr als der normale ïhcil beträgt, hervor und zieht zugleich den ihm nahe liegenden Theil des Bauchfells mit sich heraus. Letzteres bildet eine lockere Scheide um das Band und an die äussere Fläche derselben setzt sich eine Menge Fett, wodurch der Um-
1)nbsp; Beitrag zur Lehre von den krankhaften Zuständen des Saamenslrantfes hei den llausthieren. Von Prinz. Im Magaz. f. Thicrheilk. M. 11. S. 425'.
2)nbsp; Ebendaselbst S. 439.
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Leistenbruch.
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fang sehr vergrösserl wird. Das Ganze liat eine längliche, fast cylin-dei'ischc, einem Darm ähnliche Gestalt, welche sich wie ein Bogen von der änsscni Oeilnung des Baucliringes bis gegen die Mitlc des vordem Randes der Schaambeinc erstreckt und an beiden Punkten festsitzt. Die Länge ist 2—5 Zoll, die Dicke ^—-| Zoll. Das Ansehen an der Aussenflächc ist weisslich, glänzend, die Temperatur normal. Die Substanz fiililt sich weich an und man kann durch das Fühlen sehr deiillich die äusscre Hülle und in derselben einen dünneren,, ver­schiebbaren Theil unterscheiden; aber es ist weder Kolh noch Luft da­rin zu bewegen und die Zuriickschiebuug in die Bauchhöhle ist nicht zu bewirken. Bei vorsichtigem Durchschneiden der aussein Schicht gelangt man in eine längliche Höhle, deren Oberiläche deutlich die se­röse Haut des Bauchfells erkennen lässt. Die Höhle erstreckt sich in der ganzen Länge des Gebildes bis an den Bauchring und enthält an einer Seite der Wand das runde Multcrband. Ich habe das ganze Ge­bilde an beiden Enden quer abgeschnitten, ohne dass irgend ein übler Zufall danach entstanden ist.
Die Prognosis. Die Leistenbrüche sind der Einklemmung häufiger unterworfen, als sämmtliche übrige Brüche und sie sind eben desshalb in allen Fällen als gefälnliche Ucbel zu betrachten; dies gilt namentlich von den frisch entstandenen und kleinen Brüchen, doch können auch grosse und alte Brüche lehr leicht in diesen gefährlichen Zustand ver­setzt werden. Die angeborenen Leistenbrüche verlieren sich, nach Girard's Beobachtung, bei zunehniendeni Alter zuweilen von selbst, doch kann man in keinem Falle in Voraus wissen, ob eine solche Na-tnrheilung erfolgen werde; denn man kennt die Bedingungen nicht, unter denen sie stalllindct. Nelzleistenbrüche sind am wenigsten gefährlich, sie können aber im Verlaufe der Zeit durch die fortdauernde Zerrung, welche das hervorgetretene Netz auf den Bauchring ausübt, sich zu Netzdarrnbrüchen umwandeln und dann gefährlich werden. Die Hei­lung durch Kunslhülle ist zwar durch die radikale-Operation möglich, die letztere ist aber am Bauchringe schwieriger als an anderen Stellen auszuführen und der Erfolg ist oft eben so unsicher, wie dies über diese Operation im Allgemeiucu angedeutet worden ist; die Pallialiv-operalion ist in den meisten Fallen mit einem aasreichenden Erfolge be­gleitet, welcher aber ebenfalls nicht so sicher wie bei den Nabelbrüchen, zu erlangen ist. Beide Kurarten sind bei männlichen Thieren immer mit dem Verlust des Hodens an der Bruchseile verbunden. Uebrigens können manche Tbiere mit einem Leistenbruch Jahre lang herumgehen und selbst bei einer enormen Vcrgrösscrung desselben bis zu einem gewissen Grade arbeitsfähig bleiben.
Die Kur der Leistenbrüche ist auf wenigere Hülfsmiltel beschränkt als die der Nabelbrüche. 1) Die Eadikalkur soll ihre nothwendige Anwen­dung in solchen Fällen finden, wo der Hauchring so sehr erweitert ist, dagt;s er durch die Palliativbchandlung nicht genügend verschlossen wer­den kann, sie ist aber auch (obgleich nicht nothwendig) bei einge­klemmten und bei anderen Brüchen anzuwenden. Dieselbe besteht in dem Vereinigen der Ränder -des Bauchringes durch die blutige Naht, nachdem die Zurückbringung des Bruchs und des Saamenstranges voll­ständig geschehen ist. Des letztem wegen muss die Operation auf fol-
'#9632;#9632;1
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stenbruch.
geude Weise ausgel'ülirt werden: Das Tliier wird auf den Racken ge­legt und in dieser Lage durch Gehülfen während der Operation erhalten. Man bewirkt zuerst auf die S. 575 angegebene Art die Zuriickbringung der Eingeweide aus dem Bruchsaek in die Baucbhültle. Bei der Repo­sition muss man an nicht vcrschnitlenen Thiercu immer zuerst den Hoden an den Grund des Skrotums drängen, ihn hier mit der linken Hand feslhallcn, letzteres und den Saamenslrang möglichst ausdehnen, den Grund in die Höhe heben und mit den Fingern der rechten Hand die Eingeweide durch gelindes Drücken in den Leistenring drängen und schieben. Oder man zieht sie auch mil der einen, in den Mastdarm gebrachten Hand so sanft als möglich xurück, während Gehüllen das Skrotnm und den Hoden in der eben angegebenen Art halten. Girard warnt mit Recht gegen dieses Zurückziehen, wenn es schwer von slat­ten geht und wenn man es also mit grösserer KraftanWendung bewir­ken müsste; es könnte hierbei leicht Zcrreissuug folgen. Nach gesche­hener llcposition öffnet man den in eine Querfallc gelegten Hodensack durch einen Läugenschnilt, welchen man auf den hiernach in die Höhle des Ilodensacks gebrachten Fingern nach vorn so weit verlängert, dass man mit den letztern den Bauchring berühren kann. Ist aber der Bruch ans irgend einem Grunde feslsilzend, so geschieht die Eröffnung des Skrotums mit der S. 576 angegebenen Vorsicht. Hieraulquot; durchschnei­det man die Scheidenhaut auf dem Teslikel und bis über denselben hinauf etwa bis zur Hälfte des Saamcuslrangcs, sucht dann die innere Saamenarteric in dem lelztcrn auf, unlerbiudet sie, schneidet ausser-halb der Unterbindung den Saamenslrang vollständig durch, entfernt den Teslikel und schiebt das Bauchende des Saamenstranges in den Bauchring vollständig zurück. Man heftet nun mit einer kurzen und slark gekrümmten Wundhefluadcl die Ränder des Bauebringes so zu­sammen, dass ein Heft vom andern gegen i Zoll entfernt liegt und dass die llcltc an der Aussenlläche der Bauchvvand mügliehst viel Sub­stanz erhalten, damit sie nicht durchreissen. Die Enden der Heftfäden werden kurz abgeschnitten. Man lässl dann das Thier vorsichtig auf­stehen und in den Stall führen, woselbst es mit dem iliulertheil hoch­gestellt durch 6 — 8 Tage nad Nächte andauernd sieben muss. Die Behandlung ist dabei übrigens nach den im ersten Abschnitt angegebe­nen Regeln zu leiten, das Thier hinten erhübet zu stellen n. s. w.
2) Die Palliativkur ist entweder so einzuleiten, dass a. nachdem an dem auf den Rücken gelegten Tbiere die Zurückbringung der Einge­weide gesebclicn und der Hodensack, uebst der Scheidenhaut auf die eine oder die andere Weise geüilnct worden ist, die gemeinschaftliche Scheidcnliaut mit dem Grcmaster rund herum bis au den Bauchring von den umgebenden Theilcn getrennt, hier aber so nahe als möglich an den Bauclnnuskchi mit einer starken Ligatur umgeben wird, durch welche man die Scheidenhaut und den Saamenslrang fest zusammen­schnürt, im Innern Entzündung und Verwachsung, ausserhalb der Li­gatur Abslerbung herbeiführt. Das eine Ende des Ligalurbandes wird nahe an dem gemachten Knolen abgeschnitten, das andere aber solang gelassen, dass es ein Paar Zoll über die Wundräiider des Hodensackes hervorragt; b. oder man legt auf die äusscre Fläche der Scheidenhaut und zugleich über den in ihr befindlichen Saameustrang eine Kastrir-
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Leistenbruch.
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kluppe so nahe wie möglieb au die Rauchwand und presst diese ïiieilo damit möglichst krallig zusammen. Einige Thicriirzte haben statt der gewöhnlichen Kluppen solche empfohlen, welche nach den Rändern Ealbuiondförmig gckrümiul sind, um sie mit der convexen Seile desto höher in den Hodonsaek und möglichst nahe an den Bauchring zu brin­gen; aber, so zweckmässig dies ist, diese Kluppen sind selbst bei dem stärksten Zusammenpressen an den Enden doch zu wenig wirksam in der Mille, c. Oder mau verfährt nach Dieterichs so, dass nach glücklich reponirlen Eingeweiden die innere Saamenarterie unterbunden, der Hode hiernach weggenommen, der Saamenstrang selbst aber noch li'slgchallen wird. Diesen führt man durch die Oell'nuug eines, eine kleine Faust grossen Wascbschwammes und schiebt letztern so hoch als möglich zum IJauctninge hinauf; dann legt man nach gewöhnlicher Weise eine Kluppe, jedoch ohne Aetzmittcl recht fest an und lässt dann das Pferd aufstehen. Die Kluppe kann nach 24 Stunden wieder ab-genomnien werden, wobei jedoch der Saamenstrang und der Schwamm nicht gezerrt werden dürfen. Der letztere fällt bei eingetretener Eite­rung von selbst ab. Die Nachbehandlung ist nach den allgemeinen Andeutungen zu leiten.
Bei Einklemmung eines Leisten- oder Hodensackbruchs muss das Thier auf den Rücken gelegt, der Hodensack und die Scheidenhaut mit Vorsicht geölinet, noch einmal die Zurückbringung versucht werden, und wenn dieselbe nicht gelingt, muss man sich bemühen, die Spitze eines Fingers in den Bauchring wenigstens so weit einzubringen, dass der vordere Band desselben einige Linien breit über die Fingerspitze hervorragt, worauf man mit einem gewöhnlichen oder besser mit einem uachGirard's Angabe koiistiuirtcn langen Knopfbistouri, dessen Spitze konisch ist, den vordem Rand des Banchringes nach dem äussern Win­kel zu etwa 1 — 2 Linien lief einsclincidel, ihn hierdurch erweitert, die Reposition' des Bruchs macht und dann den Bauchring entweder heftet, oder ihn auf die suh a. und b. bezeichnete palliative Weise verschliesst. Die weitere Behandlung ist den Ealzündungszufällen an­gemessen, und nach Seite 577 einzuleiten.
In letzter Zeit hat Patcy1) folgendes Verfahren zur Erleichte­rung der Taxis bei den eingeklemmten Leisten-Darmbrüchen angege­ben: dem, mit erhöhtem Becken auf dem Rücken liegenden Thierc wird der llinlerfuss der Seile, an welcher der Bruch besieht, in ange­messenem Grade schräge nach aussen und hinten gezogen und von G'e-liülfen gehallen oder an einen festen Gegenstand gebunden, die 3 an­deren Beine sind zusannnengebnuden und in entgegengeselzter Richtung gehallen. Der Gehfilfe am Kopfe muss die Aufmerksamkeit des Patien­ten (mittelst der Bremse u. s. w.) vom Bruch ableileu, während der Operateur die Häute des Hodensacks an der Bruchseite in der Längen-richlung vorsichtig his auf das Zellgewebe, welches die gemeinschaft­liche Scheidenhaut mngiebt. so weit durchsclineidct, wie zur Kastration. Alan schält dann in diesem Zellgewebe die lläule des Hodensacks von der Scheidenhaut bis nahe an den Bauchring, maelit dann ungefähr au
ü
Rccucil de mcd. vctór, 1847. p. 205.
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392nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Leistenbruch.
der Mitte der Scbeideuhaut mittelst der Pinzette eine kleine Falte und schneidet dieselbe ein wenig ein, um eine kleine OelFnung zu machen. Durch die letztere injizirt man in den Bruclisack eine Aullüsuug von Belladonna- oder wässrigem Opium-Extrakt iu einem mildeu Oel (für Pferde —3j zu gjij — sect;jv), oder eine Abkochung von schleimigen Mitteln und Molinköpfen, in erwas erwärmtem Zustande, — und befördert das Eindringen dieser Flüssigkeit in die Tiefe so wie die gleichmässige Verbreitung über alle Theile im Bruchsack dadurch, dass man den letztern zwischen beiden Händen sanft drückt, in verschiede­nen Richtungen bewegt, auch abwechselnd hebt und senkt. Bald da­rauf sieht man in den bisher gespannten Theilen Erschlalfuiig eintreten, und indem man diese Manipulalion fortsetzt, bewirkt man auch eiuiger-masscu die Ausleerung ihres Inhalts und selbst ihre tbeilweise Zurück­bringung. Wenn während der Zeit das Pferd heftige Bewegungen macht, legt mau schnell eine Hand nahe am Bauchringe um den Bruch, die andere an das äussere Ende des ßruchsackes und drückt mit bei­den sanft gegen die Bmchölfnung, um ein neues Hervortreten der Därme zu hindern; und wenn man bei wieder eingetretener Ruhe eine Minderung des Bruch-Iuhaltes wahrnimmt, sucht mau durch stärkeres und schnell wiederholtes Hindrängen des Darms gegen den Bauchring die Zurückbringung zu vollenden. Bei einiger Geduld, mit welcher mau diese Verrichtung fortsetzen muss, sähe Patcy den Zweck immer er­reichen. Nach der Zurückbringung des Bruchs legt man auf die Schei­denhaut und den Saamenstrang so hoch als möglich eine gekrümmte Kluppe und verfährt weiter, wie oben angegeben ist.
Wenn während des Kastrirens oder unmittelbar nach dieser Ope­ration Gedärme hervorgedrängt werden, so ist es am besten, im Fall das Thier nicht schon auf dem Rücken liegt, ihm sogleich die Rücken­lage zu geben und dann cbenlalls nach der sub a. oder b. bezeichne­ten Methode den Bauchriug zu verscLliesscu, nachdem die Reposition der Eingeweide geschehen ist.
Die Nachbehandlung muss auch hier auliphlogistiscli und nach den im Allgemeinen angegebenen Regeln erfolgen.
Bei Hündinnen ist nur allein das Heften des Bauchringes nach ge­schehener Reposition und eine entzündungswidrige Behandlung in An­wendung zu bringen.
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Schenkelbruch. Behandlung.
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Drittes Capitel.
Der Schenkelbruch (Hernia cruralis).
Dieser Bruch entstellt, wenn Baucheingeweide zwischen dem Pou-partschen Bande und dem Oberschenkel hervortreten. Er ist bis jetzt sehr selten beobachtet worden, und zwar bei Pferden, Eseln und Hun­den. Die hervorgetretenen Theile sind ein Stück vom Dünndarm, oder ein Theil des Nelzcs, oder auch beides zugleich; gewöhnlich besitzen diese Brüche einen Bruchsack, welcher eine Verlängerung des Bauch­fells ist; zuweilen fehlt aber derselbe und die Eingeweide liegen dann im Zellgewebe zwischen dem Pouparlschen Bande und dem dünnen Einwärtszieher des Schenkel beins.
Die Ursachen sind heftige Anstrengungen bei dem Ziehen schwerer Lasten, bei dem Ausgleiten und Niederstürzen mit auseinandergespreiz­ten Hinterbeinen, bei dem Courbeliiren u. s. w.
Die Erkennung ist bei diesen Brüchen schwieriger, als bei den Leistenbrüchen, weil die Bruchgeschwulst sehr bedeckt und äusserlich wenig sichtbar ist. Im frisch entstandenen Zustande gehen die Thiere, wie bei den Leistenbrüchen, mit dem Fuss der befreflenden Seite mehr gespannt oder auch wirklich lahm, und bei dein Stillstehen wechseln sie oft seine Stellung; sie zeigen geringere Munterkeit, schnelleres Ath-men und zuweilen auch verminderten Appetit. Bei der örtlichen Un­tersuchung findet man an der innern Fläche des Oberschenkels, nahe am Becken, eine Anschwellung, welche flach, nicht deutlich begrenzt, elastisch oder teigartig weich und bei Druck ein wenig schmerzhaft ist. Bei geschicktem Drängen mit den Fingerspitzen auf die Geschwulst nach oben, noch mehr aber, wenn das Thier auf den Rücken gelegt ist, verschwindet die Geschwulst und man fühlt an ihrer Stelle in der Tiefe eine Lücke.
Die Beurtheilung ist, nach Lafosse '), ziemlich günstig, wenn man bei Zeiten die Operation unternimmt und die Heftung bewirkt, entgegengesetzt vergrössert sich der Bruch immer mehr, kann sich ein­klemmen und dann dieselbe Gefahr, wie andere eingeklemmte Brüche, erzeugen.
Die Behandlung besteht entweder nur in dem diätetischen Verhal­ten, wie es in dem ersten Abschnitt S. 574 zur Verhütung der Ver-grösserung des Bruchs und übler Zufälle angedeutet worden ist, oder, wenn die Heilung geschehen soll, nach Lafosse, in der Operation. Bei derselben muss man an dem auf den Rücken gelegten Thiere die Reposition und dann recht vorsichtig, mit Rücksicht auf die Schenkel-gefässe, einen Einschnitt an der Bruchstelle in die Haut an der inuera Fläche des Oberschenkels machen und das Poupartsche Band mit dem dünnen Einwärtszieher des Schenkelbeins zusammenheften. Dieses Hef-
•) Cours d'hippiatrique, p. 246.
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Bauch- und Flankcnbruch.
ten muss mit grosser Vorsicht geschehen, gewöbuiich, wie bei eiudrin-genden Baachwimdea. Nach geschehener Vereinigung des Bruchringes #9632;wird auch die Hautwunde durch Hefte vereinige! und hierauf das Thier möglichst sanft auf die Beine gebracht. Dasselbe wird mit kurzen Schrillen in den Stall geführt, hier 8 Tage stehend erhalten, bei stren­ger Diät werden ihm noch von Zeit zu Zeit Abführungsmittel gereicht und örtlich wendet man am ersten Tage das Unguentum Cantharidum an, so dass Ausschwitzung cutsteht, — worauf man sich auf blosse Rei­nigung beschränkt. Wenigstens durch noch folgende 14 Tage, nachdem die Hefte entfernt worden sind, muss das Thicr sehr vorsichtig bewegt und von jeder anderen Anstrengung abgehalten werden.
Viertes Capitel.
Vom Bauch- und Flankenbruche (Hernia venlralis et Hernia iliaca s. Hypogastrocele).
Alle Brüche im ganzen Umfange der Bauchwandungen (mit Aus­nahme derer, welche durch den Nabclring, die Leistenringe oder zwi­schen dem Pouparlschcu Bande) die durch abnorm entstandene Oelfnungen gebildet werden nennt man Bauchbriichc und diejenigen, welche an den Seitenlheilen des Bauches (an den Flanken) vorkommen, bezeich­net man noch besonders mit dem Namen Flankenbrüche.
Die Bauchbrüche kommen bei Pferden und bei dem Rindvieh ziem­lich häufig, bei den übrigen Hausthieren aber seltener vor. Bei dem Rindvieh und bei Pferden hat man sie ohne Unterschied des Allers und Geschlechts (bei männlichen und weiblichen, bei jungen und alten Thieren) ziemlich gleichmässig beobachtet. Sie köinieu zwar am ganzen Umfange des Bauches enlslehen. am häufigsten aber findet man sie bald hinter den falschen Rippen. Nach dem verschiedenen Orte, wo ein solcher Bauchbruch entstanden ist, sind auch die in der Geschwulst enthaltenen Eingeweide verschieden. Man hat (ausgenom­men bei Pferden) den Magen, und zwar beim Rindvieh gewöhnlich den rechten Sack des Wanstes mit dem Netze, dünne und dicke Ge­därme, einen Theil der Leber, den Uterus (in einzelneu Fällen sogar mit einein Foetus), und in den Flankenbrüchen den Dünndarm oder auch den frei liegenden Theil des Mastdarms in dem Bruchsacke ge­funden. Die meisten dieser Brüche, namentlich die schnell entstandenen, haben keinen Bruchsack vom Bauchfelle. Sie sind von sehr verschie­dener Grosse, oft nur im Umfange einer Haselnuss , in anderen Fällen jedoch erreichen sie den zwei- bis vierfachen Umfang eines Menschen­kopfes (das Letztere besonders bei Kühen). — Bauchbrüche können
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Bauch- und Flankenbrach.
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sich unter geeignelen Umsländea eben so gut. wie alle anderen Brüche, einklemmen, obgleich dies selir selten geschieht 1).
Ursachen. Alle gewaltsame Einwirkungen, wie z. ß. Horn- und Dcichsclstösse, Hufschliige, Ilintcnausschiagen mit den Hinterbeinen, Niederstürzen, besonders auf hervorragende Gegenstände u. s. w. kön­nen zu diesen Biüclien Veranlassung geben, indem sie eine bald grös-sere, bald kleinere, einfache oder mehrfache Zerreissung der Bauchmus­keln erzeugen.
Die Erkennung eines Bauclibruches ist aus den aligemeinen Sym­ptomen der Brüche (S. 570) zu erlangen. Man sieht an einer Stelle des Ecibes eine kleinere oder grössere Geschwulst, welche gewöhnlich mit dem übrigen Körper von gleicher Wärme, weich, elastisch oder teigartig anzufühlen, auf angebrachten Druck von aussei! aber sehr zu vermindern oder ganz aufzuheben ist. Nach reichlichem Futtergenuss und nach starken Anstrengungen vergrössert, und unter entgegengeselz-len Umständen verringert sich die Geschwulst. Doch findet man bei frisch entstandenen Brüchen häufig wegen der eingewirkten Gewalt in den ersten 2—4 Tagen die Dauchdecken an dem leidenden Orte ent­zündet, schmerzhaft und wann, eben so sind auch gewöhnlieh die ein-geklenimlcn Bauchbrüche beschallen. Ist bloss ein Stück Netz in der Geschwulst enlhalleii, so ist dieselbe ganz teigarlig anzufühlen, sind bloss Därme vorgefallen, so ist die Geschwulst mehr gespannt, über­haupt zeigt sie nach den verschiedenen Zuständen die oben im allge­meinen Abschnitt angegebenen Verschiedenhcileu. Nach dem Zurück­drücken der vorgetretenen Eingeweide fühlt man den Bruchring, und zwar in den meisten Fällen mit ungleichen, zerrissenen, oft aber auch, namentlich bei veralteten Bauchbrüchen, mit verhärteten, verdickten und schwieligen Randern. Ausserdem werden zuweilen noch die voraus­gegangenen Umstände, die stattgehabten Ursachen, das plötzliche Ent­stellen und die lange Dauer der Geschwulst zur nähern Kenntniss bei­tragen.
Die Zeichen der Einklemmung sind bei diesen Brüchen dieselben, wie sie bei der Eiuklemmung im Allgemeinen angegeben worden sind.
Die Vorhersagung bei den Bauchbrüchen hängt vornämlich davon ab, wie gross, wie alt, an welchem Orte des Bandies sie sind und in welchem Zustande sie sich gegenwertig befinden. Es kommen hierbei alle bei der Beurlheilung der Brache im Allgemeinen angeführten Um­stände in Betracht, und es ist daher im Besonderen hier nur zu be­merken: dass Bauchbrüchc mit sehr grossen Bruchöllnungeu, deren Ränder ungleich semssen sind, ferner solche, wo eine grosse Masse der Eingeweide hervorgetreten und desshalb der Raum in der Bauch­höhle sehr vermindert ist, schwer, oft gar nicht zu heilen sind, weil im crsteien Falle die Ränder bei dem Heften ansreissen und im letzte­ren Falle die Eingeweide sehr schwer zu reponireu und zurückzuerhal-
') 'Wolstcin verneinte die Einklemniung der Bauchbrüche; Greve (a. a. 0. p. IS), Beyron (Recueil de méd. vét. 1828, p. 581) u. A. haben sie jedoch beobachtet.
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Bauch- und Flankenbruch. Behandlung.
ten sind. Kleine Brüche mit glatten, festen Rändern heilen oft leicht und gründlich. Alte Brüche^ welche ohne besondere Zufalle schon seit längerer Zeit bestehen, sind günstiger zu beurtheilcn, als solche, wo das Gegentheil stattfindet; auch sind sie bei der Operation weniger zu üblen Zulallen geneigt. Je mehr ein Bruch sich nach der untern Seite der Bauchwand zu befindet, um so schwieriger ist die Zurückhaltung der zurückgebrachten Eingeweide und die Verschliessuug der BruchötTnung, daher um eben so viel schwieriger die Heilung. Sind kolikähnliche Zufalle, überhaupt Zufälle der Einklemmung bei einem Bauchbruche vorhanden, so gilt dasselbe, was im Allgemeinen hierüber gesagt wor­den ist; — der Zustand ist dann immer sehr gefährlich.
Die Behandlung der Bauchbrüche muss nach den angegebenen Verschiedenheiten derselben verschieden geleitet werden. — Frisch ent­standene Bauchbrüche, welche nur eine geringe Geschwulst bilden, heilen bei strenger Ruhe und schmaler Kost des Thicrcs zuweilen, wenn die verletzte Bauchgegend llcissig mit Wasser, Bleiwasscr, Alaun­auflösungen und anderen zusammenziehenden Mitteln befeuchtet, und allenfalls mit einem fest angelegten Bauchgurt oder einer breiten Binde unterstützt wird. In späterer Zeit können daselbst Einreibungen von Spirituosen, und im veralteten Zustande selbst von reizenden und schar­fen Mitteln gemacht werden. Man kann hierzu das Ung Cantharidum. die Schwefel- und Salpetersäure u. s. w., wie bei den Nabelbrüchen, benutzen. Ist aber eine grosse Bruchgeschwulst vorhanden, oder ver-grössert sich diese in kurzer Zeit bedeutend, oder ist der Bruch ein­geklemmt, so nutzt nur allein ein operatives Verfahren. Dieses kann zum Thcil nach der Form, zum Theil nach der Beschaffenheit der Brüche in verschiedenen Modifikationen radikal oder palliativ angewen­det -werden, und zwar im letztern Falle ganz, wie bei den Nabelbrü­chen, durch Abbinden, Druck mit einer Klemme oder durch Abnähen (S. 583). Es versteht sich von selbst, dass vor der Anwendung ir­gend einer dieser Methoden die ausgetretenen Eingeweide in die Bauch­höhle wieder zurückgebracht werden müssen, — was in oben (S. 575) angegebener Art geschieht. Je mehr Eingeweide in dem Bruch liegen und je mehr also hierdurch der Raum in der Bauchhöhle vermindert ist, um so mehr müssen die Thiere vor und nach der Reposition karg im Futter gehalten werden.
Die Nachbehandlung findet übrigens nach den im ersten Abschnitt angegebenen Regeln statt.
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Innerer Bauch- oder BauclifcUebruch.
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Fünftes Capitel.
Von dem iuneru Bauch- oder BauchfellsbrucL (Hernia interna
abdomin alis ),
Mit den Namen: innerer Bauchbruch, Baucifellsbruch, Ueb er wurf, Knopf, Dann Umwicklung bezeichnen O es ter lein *), S. Anker2) und andere Thicrärzte 3) einen cigenlliümlicben, bei castrirten Ochsen in den süddeutschen Gebirgsgegenden und in der Schweiz mehrfällig beobachleten pathologischen Zustand, welcher mit den Brüchen darin übereiiistinimt, dass bei ihm ein Darmstück durch eine abnorme Oefiimug aus der Bauchhöhle tritt und eingeklemmt wird. Diese abnorme OelFuuug entsieht im Innern durch Zerreissung der Falte des Bauchfells, welche den in der Bauchhöhle liegenden Tfacil des Saamenstranges (Saamenarterie und Nerv, am untern Theil auch deu Saamenleiter) umgiebt. Der Saamenstrang erscheint dann theilweis getrennt von den früheren Anheftungspunkten und wie eine schlatfe Schnur; durch die entstandene Ociïhung drängt sich dann ein Darm­stück von vorn nach hinten in das Becken und oft beugt es sich hin­ter dem Saamenstrange wieder nach vorn um denselben herum. So­wohl bei dem Durchdringen eines dicken Darmslücks, wie auch und liauptsäehlich nach der Umbiegung desselben übt der Saamenstrang ei­nen Druck auf dasselbe; es entsteht hierdurch Reizung, Hinderung des Durchganges der Exkremente, Entzündung, selbst Brand und der Tod, — ganz wie bei der Einklemmung anderer Brüche.
Diese Zerreissung des Bauchfelles ereignet sich am öftersten nach oben, in der Gegend des Kreuzbeins, zur Seile des Mastdarms und der Blase, seltener tiefer hinab am Schaambeine; sie kommt am häufigsten auf der rechten Seite (wegen der hier liegenden grosseren Masse der Gedärme), seltener auf der linken , und zuweilen auf beiden Seiten zu­gleich vor; junge, zwei- bis dreijährige Zugochsen leiden am häufigsten daran.
Die Krankheit tritt iu der Regel in der Gestalt einer heftigen Ko­lik, zu der sich dann früher oder später die Zeichen der Einklemmung und Darmentzündung hinzugosellen, plötzlich ein. Die Thiere werden unruhig, werfen sich heftig nieder, strecken liegend die Hinlerfüsse von sich und schlagen mit denselben; im Anfange des üebels stehen sie schnell wieder auf, bewegen hastig den Körper von einer Seile zur andern und wedeln schnell und stark mit dem Schwänze; mit den
') Ueber die Erkcnntniss und Heilung eines bei Zugochsen häutig vor­kommenden, bisher grösstentheils noch unbekannten innern Bruches. Teuf-lets Magazin für ThierhellUunde. Bd. I. lift. 1. S. 74. Karlsruhe 1811.
*) Praktische Abhandlung und Heilung des Ueberwurfs oder des Bauch­fettbruches bei Ochsen. Bern 1824.
') Böhm, Aiichele und Eiscle im Herings Repertor. für Thierheilk. Bd. I., V., VII. Mütter, Ryclincr, Archiv Schweizer Thierärzte. 2. Bd. Bujatrik. Bern 1835,
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3!gt;S
Innerer Bauch- odei- iiauchfellsliruch.
Hinfcrlusscn trippeln sie unruhig hin und her uhc! schlagen liäufig mit denselben nach dem Leibe; dieses Schlagen soll mit dem Fusse derje­nigen Seile, auf welcher die Zerreissung des Bauchfelles und das Durch­treten der Därme geschehen ist, mehr als mit dem andern stattfinden; bald springen sie vorwärts gegen die Krippe, bald hängen sie sich wie­der zurück in die Kellen oder Stricke, mit denen sie angebunden sind. so dass ihnen wegen dieses unruhigen Benehmens zuweilen schwer bei-zukommen ist. — Die Temperatur des ganzen Körpers ist (besonders deutlich fühlbar an den Ohren, Hörnern und Gliedmassen) abwech­selnd, bald kalt, bald warm. So lange in den eingeklemmten Därmen noch nicht Entzündung eingetreten, oder wenigstens noch nicht auf ei­nen hohen Grad gestiegen ist, besilzeu die ïhiere noch eine feucht­warme Nase, und auch die Färbung und Wärme des Mauls ist nicht verändert; — Puls und Albern sind beschleunigt, — der Appetit zu Fuller und Getränk verschwindet sogleich mit dem Anfange der Krank­heit. Mist und Harn wird während der ersten Stunden der Krankheit noch mehrmals entleert. Nach 6—12 Slunden mindern sich die Zu­fälle und zuweilen tritt scheinbar ein gänzlicher Nachlass ein, doch bemerkt man bei genauerer Beobachtung, dass die Thiere zuweilen gegen die leidende Stelle zurücksehen und die Ohren nach rückwärts richten, als ob sie aufmerksam auf etwas horchleu, und dass sie von Zeit zu Zeit mit den Hinlerfüssen, jedoch langsam, vorwärts stampfen.
Zu der Zeit, wo die Thiere ruhiger sind, ist auch der Puls und Herzschlag wenig beschleunigt, aber mit der Zunahme der Innern Ent­zündung wird auch der Puls kleiner, undeutlicher, der Herzschlag un-fühlbar und die Kälte an den Extremitäten anhaltender. In seltenen Fällen beobachtet man, dass die Thiere in den ersten 12 Stunden nach den vorübergegangenen hefligeu Kolikzufällen noch wiederkäuen; der Mistabgang aber hört um diese Zeit gänzlich auf, obgleich noch Winde und Darmschieini, letzterer meistens in zähen, festen Flocken und Klumpen, und zuweilen mit Blut gemengt, abgehen. Wenn die Thiere sich niederlegen, so geschieht dieses meistens auf die leidende Seite und mit von sich gestreckten Hinterfüssen; sie bleiben oft längere Zeit ruhig liegen und äussern dabei wenige Krankheitssymptonic. Am Ende des zweiten und dritten Tages, vorzüglich, wenn sie zugleich aufgcblähct sind oder kurz vor dem Eintritt der Krankheit gefuttert wurden, fangen sie an zu ächzen und schneller zu athmen. Beim Aufslehen beugen und strecken sie, wie im gesunden Zustande, den Rücken, nachher aber senken sie denselben lief und ziehen ihn nach unten ein. Die Thiere gehen schon von Anfang an etwas mülisain, mit kurzen Schrit­ten und oft hinkend, besonders mit dem Hinterfasse der leidenden Seile; — gegen den zweiten und dritten Tag aber lassen sie bei dem Gehcu oft ein Aechzen hören. Häufig zeigen sie in der Weichengegend der kranken Seite unter der Huagergrubc vermehrte Empfindlichkeit, und zuweilen hört und fühlt man am zweiten oder dritten Tage auf einen in die Hungergrube dieser Seite angebrachten Druck das Flnktuiren einer Flüssigkeit. — Entscheidend ist die Untersuchung durch den Mastdarm; man fühlt dabei durch seine Wand und neben ihm an der Stelle der Einklemnnmg die durch den Riss gedrungenen Gedärme als eine teigige, iu späterer Zeil mehr derbe Geschwulst, bald nur von der
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Innerer Bauch- oiler Bauchfellsbruch. Kur.
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Grosse einer Nuss, bald aber von der einer doppelten Maunesfaust. In sellenen Fällen, besonders da, wo die Einklcmmung mehr abwärts, nahe dem Scliaambein ist, 1'iihlt man die eingeklemmten Dünne nicht selbst, sondern nur den sehr angespannten Saamenstrang. Zuweilen hat die Geschwulst ganz die Form eines Knopfes, indem die vom Saa-menstrange eingeschnürte Slelle gleichsam einen Hals bildet; nnd mit­unter kann man von dieser Stelle her auch den gespannten Saamen­strang selbst fühlen. Oft ist auch an der leidenden Stelle durch den Mastdarm vermehrte Wärme und Empfindlichkeit wahrnehmbar. Im­mer muss diese Uulersucliung nach beiden Seiten zugemacht und allen­falls bei nicht ganz sicherer Erkennung mehrmals wiederholt werden.
quot;Verlauf, Ausgänge und Beurtheilung. Die durch die Spalte nach hinten in die Beckenhöhle getretenen Gedärme werden zum Thcil durch in ihnen enlhallenen Kolh und durch Lull ausgedehnt und zum Theil hierdurch, zum Theil aber durch die bei veränderter Stellung und Lage des Thieres erfolgende Anspannung des Saamenslranges ein­geklemmt. In diesem Zustande entwickelt sich mit 6—12 Stunden Entzündung, am zweiten bis dritten Tage Ausschwitzung von vielem Faserstoff äusserlich an den eingeklemmten Theilen und vom vierten bis achten Tage, je nachdem die Unislände dazu forderlich sind, wer­den dieselben brandig und zerreissen; es erfolgt dann eine Ergiessung von röthliclicr, sehr stinkender Jauche und Auslretung von Koth in die Bauchhöhle, und das ïhier stirbt. — Nur in seltenen Fällen ver­schwindet die Einklemmung von selbst und die Eingeweide treten, nach einer kurzen Dauer der Kolikzufälle, wieder in die Bauchhöhle zurück. Demnach ist die Prognosis nur dann günstig zu machen, wenn die Zufälle nach kurzem Bestehen gänzlich verschwinden, das Thier mun­ter wird u. s. w., oder wenn richtige Kunslhülfe gebracht wird, ehe das Aechzen, die Kälte der Extremitäten und andere Zeichen des Bran­des eingetreten sind.
Ursachen. Als prädisponirende Ursache betrachtet Anker zu wenig nahrhaftes Futter, wodurch eine Schwächung und Vermin­derung der Cohärenz des Bauchfelles an seinem hintern Theile, wo es ursprünglich schon lockerer ist, hervorgebracht wird. Als veran­lassende Ursache der Zcrreissung sind olï das rohe Verfahren bei der Castration, namentlich wenn die llodeu gewaltsam mehr abgerissen als abgedreht werden, ferner niedriges Stehen mit dem Ilinterthcil durch lange Zeit, heftige Anstrengung bei dem Bergaulgehcn, Ziehen schwerer Lasten, beim Kingen der Ochsen mit einander, Stösse und Schläge auf den Leib, ungeschicktes Liegenquot;*iind Aufstehen (besonders wenu die Ochsen mit dein Vorderthcilc zuerst sich vom Boden erheben) und ähnliche Einwirkungen anzusehen.
Kur. Bei frisch entstandenen Zufällen der oben bezcichnelcn Art lässt sich zuweilen die Zurückbringung des durch die Spalte des Bauch­fells gegangenen Darms auf die mildeste Weise dadurch bewirken, dass man das kranke ïhier schnell bergab treiben lässt, oder, wo hierzu keine Gelegenheit, dass man es mit dem Vordertheil recht niedrig und mit dem Hinterfhcil recht hoch stellen oder legen lässt nnd dann, wenn hierdurch allein die Taxis nicht slaflgefnnden hätte, die Zurückbringung mit der JJaud durch den Mastdarm unlcrnoniinen wird. Für diesen
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GOO
Innerer Bauch- oder Bauchfellsbruch. Kur.
Zweck geht der Thierarzt, wenn der Uebcrwurf links ist, mit der rech­ten, und wenn er rechts ist, mit der linken wohleingeöllen Hand in den Mastdarm und sucht den Ueberwurf auf; dann bemüht man sich, den letztem ganz sauft nach oben und vorn über den Saamenslrang zurück (d. h. vorwärts nach der Bauchhöhle) zu drücken. Wenn hierbei das Thier sich in der Lendengegend einbiegt und hierdurch den Saamenslrang erschlafft, so wird die Taxis noch mehr befordert und man lässt desshalb ganz zweckmässig in dem Moment, wo eben die Zurückbriugung mit der Hand bewirkt wird, durch einen Gehülfen einen Druck auf die Lenden hervorbringen. Ist die Zurückbringung ge­lungen, so fühlt man dies, indem das Darmstück von der frühem Stelle verschwunden ist, ausserdem entsteht in der Regel sogleich durch die freiere Bewegung der Gedärme ein lebhaftes Poltern im Leibe. Zu­weilen entsteht nach gemachter Heposilion etwas Fieberfrost und Ein-genommeuheit des Kopfes, aber diese Zufalle gehen immer bald vorüber und nach wenigen Stunden treten Ausleerungen von Koth und Urin und völlige JMunterkeit wieder ein.
Wenn aber der Bruch mit vollkommuer Umschlingung um den Saamenslrang und mit lester Einschnürung durch den letztem besteht, oder wenn die oben angeführten Symptome der entzündlichen Ein-klemmung zugegen sind, da muss die Bruchoperation nach Anker auf folgende Weise vorgenommen werden.
Der Ochse wird mit der gesunden Seite an eine Wand gestellt, sein Kopf daselbst gehörig festgebunden und der äussere Hinterfuss mittelst einer in der Höhe des Unterschenkels vorgehaltenen, mit dem vorderen Ende in die Erde gedrückten, 10 —12 Fuss langen Stange gewissermassen fixirt, um das Schlagen mit demselben zu verhüten. Hierauf scheert man auf der Mitte der nach aussen gekehrten Flanke die Haare ab und entfernt sie, so dass nichts von ihnen in die zuma­chende Wunde eindringen kann; dann zieht man die Haut daselbst in eine hohe Falte auf, dass sie von hinten nach vorn über die Hunger­grube verläuft und sich in der Mitte derselben befindet; diese Falte schneidet man von oben nach unten quer durch, so dass eine 4 bis 5 Zoll lange Wunde entsieht, eben so werden die Bauchmuskeln mit einem gleichen Schnitte getrennt, jedoch an dem äusseru schiefen Bauch­muskel nicht quer durch dessen Fasern, sondern mit dem Verlaufe der­selben. Das Bauchfell durchschneidet man nur an einer kleinen Stelle vorsichtig, so dass man in die Oeffnung einen Finger der linken Hand einbringen und auf ihm mit einem Knopfbislouri die Trennung dieser Haut nach oben und unten in derselben Grosse, wie die äussere Wunde ist, bewirken kann. Hierauf führt der Operateur bei einem Bruch an der rechten Seite seine rechte, an der linken Seite seine linke Hand in die Bauchhöhle, und zwar nach dem Becken zu, und zerstösst zuerst das Netz, greift dann zwischen deu Därmen hindurch, die Hand von unten nach oben oder gegen die Nierengegend bewegend, nach den Saamengefässen und gleitet dann an denselben abwärts bis zu der Um­schlingung, welche man so wie den Saamenslrang deutlich fühlen kann. Hat sich der Thierarzt durch genaues Befühlen des betrellenden Darm­stücks und des Saamenstranges von der Beschaffenheit und Lage der ïheile unterrichtet, so zieht er seine Hand zurück, ergreift das Bruch-
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Innerer Bauch- oder Bauchfellsbrucb. Kur.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;601
messer so, dass die Klinge von dem Daumen und Zeigefinger gehörig bedeckt wird und führt dann die so bewaffnete Hand wieder durch die Wunde in die Bauchhöhle zu der Umschlingung und schneidet daselbst vorsichtig den Saamenstrang wo möglich unterhalb der Umschlingung durch. Hindert ihn dann das in der Hand befindliche Messer nicht, so kann er sogleich das bisher eingeschnürte Darmstück mit den Finger­spitzen ergreifen und aus seiner bisherigen abnormen Lage in die Bauch­höhle zurückführen; wenn dies jedoch nicht gelingen will, so bringt man das Messer nach aussen zurück, um die -völlige Ablösung des Darmstücks zu bewerkstelligen.
Bei dieser Gelegenheit ist es stets rathsam, mit der einmal iu der Bauchhöhle befindlichen Hand auch sogleich die andere Seite des Beckens zu untersuchen, ob nicht auch hier ein Ueberwurf besteht, wie dies mehrmals beobachtet worden ist. In diesem Falle würde man von der­selben Stelle her auch die Zurückführung und nöthigcnfalls die Opera­tion dieses Ueberwurfs zu bewirken suchen.
Nach geschehener Operation heftet man die Bauchwunden in der gewöhnlichen Weise und bestreicht nach Anker die Naht mit etwas reinem Schweinefett, legt darüber eine 4 — 6fache Comprcsse und hält dieselbe mit einem breiten Bauchgurt oder mit einigen starken Hand­tüchern , welche um den Leib gelegt und zusammengenäht werden, in ihrer Lage. Dieser Verband bleibt 24 Stunden liegen, wird dann entfernt und das Thier wird bei ruhigem Verhalten mit. weichem Futter in kleinen Quantitäten ernährt und gclind antiphlogistisch behan­delt. Bei eingetretener Eiterung werden die Wunden läglich einige Mal mit lauwarmem Wasser gerciniget und nach geschehener Vereinigung werden die Fäden ausgezogen.
Während und nach der Operation zeigen sich einige Zufälle, welche nach Anker's und Anderer Angaben für den Ausgang des Falles von Bedeutung sind und daher beachtet werden müssen: Wenn die Gedärme in ihre Lage zurückzutreten beginneu, wird, wie bereits oben bemerkt, die Lebensthäfigkeit vermindert, wie im Froslstadium eines Fiebers; je schneller dieses Kältesladium vorübergeht, um desto besser ist dies, weil hiernach die Genesung um desto schneller erfolgt. Wenn nach dem Zurückbringen ein lebhaftes und leicht hörbares Poltern im Darmkanal entsteht, — wenn nach 6 — 7 Stunden nach der Operation weiche Kothentleerungen erfolgen, so sind auch dies günstige Zeichen; •wenn entgegengesclzt nach geschehener Eröffnung der Bauchhöhle sich aus derselben Ausfluss von röthlicher, slinkender Feuchtigkeit zeigt, so ist die Operation zu spät unternommen und das Thier stirbt. Ist vor der Operation starke Aufblähung zugegen, so ist auch dies mehrenlheils ein übles Zeichen, weil in den meisten Fällen die starke Gasentwickeluug eine Folge des eingetretenen brandigen oder fauligen Zustaudes ist, eben so ist es ungünstig, wenn nach der Operation die Thiere ächzen oder wenn Unterdrückung der Kothausleerung, Zurücktritt der Temperatur und immer mehr Sinken des Pulses erfolgt.
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Neunte Cl as se.
Krankhafte Ausdehnungen und Erweiterungen. Ectasieen.
Erster Absclinitt.
Krankhafte Ausdehnungen und Erweiterungen im All­gemeinen.
Krankhafte Ausdehnungen des Gewebes und Erweiterungen des Umfanges kommen an Muskeln. Sehnen, Selincnseheiden, Gelenkkapseln. BIulgeRissen, an dem Speicbelgange der Ohrdrüse, am Schlünde, dem Mastdarm und der Scheide vor. Im Allgemeinen geben sich diese krank­haften Zustände durch eine Vermehrung des Umfanges der affizirten Theile zu erkennen, wobei jedoch die sonst dem Gewebe eigenihüin-lichc normale Festigkeit, Derbheit und Energie nicht vorhanden sind, sondern ErschlalTung besteht; oft ändert sich aber das Gewebe in spä­terer Zeit und es findet sich in Folge der dabei bestehenden abnormen Absonderung eine Verdickung und Verhärtung, selbst krankhafte Knor­pel- und Knochenbildung hinzu. Man findet daher die ausgedehnten Theile zuerst, und oft während der ganzen Zeit ihres Bestehens, schlaff und beim Drücken leicht nachgiebig, in vielen Fällen aber nach einiger Zeit mehr derb und fest. Im Innern bemerkt man an den hohlen Organen Anhäufung von Flüssigkeiten oder von anderen Stoffen, welche wieder auf die Wände des Organs selbst zurückwirken und die Aus-dehnnng vermehren; zuweilen kann man auch durch Druck den Inhalt weiter bewegen und dadurch den Umfang des Organs vermindern; mitunter findet sich auch Störung der Funktion des leidenden Theils selbst oder der benachbarten Theile; Schmerz und Enlzündnngszufälie sind in der Regel nicht vorhanden, und wo sich diese linden, sind sie nur zufällig für einige Zeit als Complikalion vorhanden.
Die Ausdehnungen und Erweiterungen beruhen im Wesentlichen auf Eischiairiing (Laxilas) und mangelhafter Bindung der Gewebe und
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Ausdehnungen der Muskeln und Sehnen.
603
sind in einzelnen Fällen Fehler der ersten Bildung (angeboren), in an­deren Fällen aber sind sie die Folge verschiedener anderer krankhafter Zustände, namentlich einer durch zu wenige oder schlechte Nahrung, durch feuchte und verdorbene Luft, durch Krankheiten u. s. w. be­dingten mangelhaften Ernährung, bei welcher die plastischen Stoffe entweder nicht in der erforderlichen Menge und Beschaffenheit in das Ccwebe abgesetzt, werden, oder sie sind durch übermässige mecha­nische Ausdehnung der Theile, oder auch durch Verwundung oder Zerreissung einzelner Fasern vcranlasst; oder auch sie sind die Folge einer abnormen Sekretion in den hohlen Organen, oder auch Folge einer Lähmung.
Die Bedeutung dieser krankhaften Zustände ist in den einzelnen Fällen, je nach dem leidenden Organ, nach dem Orte, nach dem Grade uud der Dauer des Uebels sehr verschieden, im Allgemeinen aber hin-sichllich der Gefahr, welche aus ihnen enlsteht, in den meislen Fällen nicht sehr gross; dagegen ist die Heilung immer schwierig und mit völ­liger Wiederherstellung der leidenden Gewebe sehr selten möglich.
Die Kur muss im Allgemeinen: 1] auf Beseitigung und fernere Abbalhmg der Ursachen, 2) auf Wiederherstellung des normalen Gra­des von Contraktilitat und Reizbarkeit. 3) auf Urastimmung der fehler­haften Sekretion und Resorption gerichtet sein, und 4) wo durch den abnormen Zustand bereits Störungen erzeugt sind, müssen diese noch besonders beseitiget werden. Die Erfüllung dieser Indikationen ist bei den einzelnen Arten dieser Leiden etwas verschieden und die Anwei­sung hierzu wird dcsshalb in den folgenden Capiteln angegeben werden.
Zweiter Absclinitt.
Von den Ausdehnungen und Erweiterungen im Besonderen.
Erstes Capitel.
Ausdehnungen der Muskeln uud Sehnen.
Muskeln und Sehneu sind zuweilen au verschiedeneu Theilen, wie namenllicb an den Ohrmuscheln, an den Lippen, am Halse und an den Gliedinasseii im bald mindern, bald höhern Grade erschlafft uud ausge-dclmt. Sowohl hierdurch direkt, wie auch miltelbar dadurch, dass die an der andern Seite des belreffcnden Tiicilcs befindliche Muskeln und
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G04
Ausdehnungen dur iMuskeln und Sehnen.
Sehnen ein Uebergewicht in ihrer Zusammenziehung erhalten, erfolgt ein Herabhängen oder eine Verkrümmung der belrelleuden Gebilde nach der entgegengesetzten Seite, unregelmässige Stellung, Schwäche und mangeiltafte Bewegung. Man sieht diesen Zustand zuweilen an den Obren, an den Augenlidern, an der Zunge (siehe Vorfall der Zunge S. 547), an den Lippen, am After, am Schwänze und an den Glied-massen.
Die Obren hängen bei Ausdehnung der Aufhebemuskeln schlaff herunter und können weder vollständig in die Höhe gerichtet, noch mit der sonst gewöhnlichen Lebhafiigkeit bewegt werden und bei der örtlichen Untersuchung findet man im Umfange des Ohrs keinen andern pathologischen Zustand, als Erschlaffung der Aufhebemuskeln, welche sich dadurch äussert, dass bei dem sehr leicht erfolgenden Aufheben des Ohrs mit der Hand sich die genannten Muskeln in eine Falle zu­sammendrücken, weiche man unter der Haut deutlich fühlen kann. Dabei besteht zuweilen auch die Empfindlichkeit und ein gewisser Grad von Bewegungskraft in diesen Theilen fort.
An den Augenlidern siebt man das obere zu lang, schlaff und we­nig beweglich über den Augapfel, — das untere etwas umgebogen nach abwärts herunterhängen.
Bei Ausdehnung und Erschlaffung des Aufhebers der Ober- oder der Unterlippe, oder der Seil.wärtszieher einer Lippe wird die leiz-tere entweder schlaff herunterhängend oder nach einer Seile verzogen gefunden, man kann aber dabei leicht die Lippe nach der entgegenge­setzten Seile drücken, um ihr dadurch die gehörige Form wieder zu geben. Zeichen von Entzündung fehlen auch hier; ist blosse Erschlaf­fung der Muskeln zugegen, so ist auch die Empfmdlichkcit und zuweilen auch ein geringer Grad von lïewegliclikeit noch vorhanden, aber bei wirklicher Lähmung fehlen beide Vermögen. Die Auftiahmc des Fullers und Getränkes ist bald mehr bald weniger ersehwert.
Ausdehnung und Erweiterung des Afters ist in Erschlaffung oder Lähmung seines Scbliessmuskels begründet und findet sich oll bei alten und sehr geschwächten Thieren. Man sieht den After beständig offen stehen und oft hört man auch das Einströmen und Ausströmen der Luft hei jedem Alhemzuge. Die Erschlaffung und Ausdehnung der Muskeln und Sehnen an den Gliedmassen findet sich am häufigsten an den Streckmuskeln und deren Sehnen. Man sieht auch hier Verkrüm­mung nach der enlgegengeselzlea Seite oder Sleifigkeit, so dass die Tbiere namentlich krumm in den Knieeu und zwar iu der Regel nach vorn überhängend gefunden werden; das Strecken des Gliedes in die gerade Stellung ist immer leicht zu bewirken und hierdurch unterschei­det sieb dieser Zustand von denjenigen Verkrümmungen, welche durch übermässige Conlraktionen veranlasst werden. An den Beugesebnen spricht sich das Leiden in einem zu starken Durchlreten im Fes­selgelenk (sog. Bärenfuss) aus; — und wenn die Tbiere sich die Ausdehnung durch anhaltendes Stehen auf den Ballen zugezogen haben, wie z. B. bei dem Verschlag, oder wenn sie nach einer Verletzung der Beugesehnen entstanden ist, machen die Thierc eine cigenthümliche schleudernde Bewegung mit den Füssen. Die erschlafften Sehnen und Muskeln treten zuweilen ein wenig über die Oberfläche der übrigen
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Ausdehunngen der Muskeln und Sehnen.
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Sehnen hervor, zeigen sich aber bei dem Befühlen schlaff und weich, sogar ein wenig verschiebbar, ohne Schmerz und vermehrte Wärme. Bei dem Gehen knicken die Thiere in dem einen oder in dem anderen Gelenk, besonders in dem Fesselgelenk und im Kronengelenk zusammen und sie lahmen, mit schleppendem Fusse.
Die Ursachen dieser Zustände sind dieselben, welche im ersten Abschnitte im Allgemeinen angegeben worden.
Die Prognosis ist bei frisch entstandenen Ausdehnungen und wenn dieselben in einem geringen Grade bestehen, wenn ferner keine beson­dere Anlage vorhanden ist, ziemlich günstig, unter entgegengesetzten Umständen aber fruchten die angewendeten Ueilungsmittel wenig und die Yerkrümmung und Schwäche des Theils nimmt dadurch immer mehr zu, dass die entgegengesetzt wirkenden Muskeln und Sehnen sich all-mälig conlrahiren. Bei längerer Dauer tritt gewöhnlich der sogenannte Schwund hinzu.
Die Behandlung. Wo allgemeine Schwäche und mangelhafte Er­nährung besteht, muss zunächst die Ernährung durch kräftige Nahrungs­mittel, wie sie der Thierart entsprechend sind, sowie durch reine Luft und eine gradatim goslcigerle Uebung in dem Gebrauche des leidenden Theils angeordnet werden. Oertlich wendet man bei grosser Ausdeh­nung und sehr krummer Haltung der Theilc zur Unterstützung dersel­ben Einwickelungen mit Binden, und an den Gliedmassen selbst Schie­nen an; letztere müssen jedoch gut gepolstert sein und dürfen immer nur für kurze Zeit liegen, so dass sie die bef reffenden Theile nicht quetschen. Die grosseren Thiere unterstützt man beim Stehen mit dem Hängegurt (Seite 453) und ausserdem sorgt man für ein gutes Lager. Damit die Ausdehnung in den Sehnen der Gliedmassen vermindert werde, macht man, wenn die Empfindlichkeit sehr gering oder Lähmung vor­handen ist, Waschungen von Spirituosen Mitteln, mit Kampher, Ter-penthinöl, mit Haller's saurer Mixtur, mit adstringirenden und aroma­tischen Mitteln oder die Acupunctur, und von Zeit zu Zeit lässl man mittelst eines gegen den Theil gehaltenen rothglüheuden Eisens Hitze in denselben einströmen, ohne die Haut zu verbrennen. Man achtet hier­bei auf die Aeusscrungen, welche das Thier hinsichtlich seiner Empfind­lichkeit während des Hitzeeinströmens wahrnehmen lässt und hält damit inne oder leitet die Hitze auf eine andere Stelle, wenn das Thier un­ruhig wird und auszuweichen sucht. — Bei sehr grosser Erschlaffung und Ausdehnung brennt man Punkte oder Striche um die leidende Stelle und wendet hiernach die genannten Mittel an.
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Gallen.
I
Zweites Capital.
Von den Ausdehnungen der Sehnenscheiden, der Schleim­beutel und der Gelenkkapseln oder von den Gallen.
(Hydraiilos, Hydrops articulorum s. Gallae1), Ganglia.)
Die Sehnenscheiden an den Gliedmassen, so wie einige Scbleim-beutel und die Gelenkkapseln an den Gliedmassen dehnen sich bei den zur Pferdcgaltung gehörenden Thieren sehr häufig, bei dem Rindvieh zuweilen, und bei den übrigen Thieren nur äusserst seilen weif über den normalen Zustand aus und bilden dadurch eigenthümliche Geschwülste, welche man gewöhnlich mit dem Namen Gallen') bezeichnet. Man unterscheidet nach den eben angedeuteten verschiedenen Organen die Gallen im Allgemeinen 1 ) in Sebnengallen und 2) in Gclcukgal-len. Die ersteren, welche auch Flussgallcn heissen, linden sich hauptsachlich an folgenden Stellen:
ct. An der Scheide der ßeugesehue des Kuiees und Schienbeins (Vorderknie-Galle). Sie besteht in einer länglich-runden, elasti­schen Erhabenheit bald auf der äussern, bald auf der iunem oder hin­tern Seite der Fusswurzel; sie ist in der Regel durch Druck zu ver­schieben.
b. Die Sehnenscheidengalle au dem Strecker des Fes­sel beins der Vordeifüsse. Sie liegt am untern Ende des Vorarras. an dessen äussern Seite etwa 3—4 Zoll hoch über dem Knie und bil­det eine ovale, elastische, massig stark hervortretende Geschwulst, welche im Anfange immer sehr schmerzhaft und mit grosser Lahmheit verbunden ist.
C. Die Sehnenfcsselgallen. Diese haben ihren Sitz in der Scheide der Reugeschnen des Kronen- und Ilufbeins, seitlich am untern Ende des Schienbeins unmittelbur über dem Fesselgelenk, sowohl an den vorderen, wie auch an den hinteren Füssen und bilden länglich­runde ßenlen.
d.nbsp; nbsp;Die hintere Sprunggelenksgalle hat ihren SiU in der Scheide der Achillessehne an der hintern Seile und am obern Ende des Sprunggelenks und zeigt ebenfalls eine länglich-runde elastische Ge­schwulst.
e.nbsp; nbsp;Die Strecksehnengalle an der Slrcckselnie des Kronen-und Hufbeins sowohl der Vorder- und der Hinlccfüsse. Sie befindet sich in der Scheide der genannten Sehnen an der vordem Fläche der Schien­beine, bald mehr am Fussvvurzelgeleuk, bald mehr nach unlcn und stellt immer eine etwa haseiuussgrosse, rundliche, elastische Anschwel­lung darj zuweilen besteht sie an derselben Sehne doppelt.
Zu den Gelenkgallen gehören:
a. Die Fesselgelenkgalle oder auch runde Fesselgalle. Sie
1 ) Gallae, (1. h. Blasen mit Flüssigkeit.
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Gallen.
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findet sich am Fesselgelouk der vordem und liiuleru Gliedmassen und besteht in einer Erschlaffung und Ausdehnung der Gelenkkapsel, bald an der imicrn, bald an der äussern Seile und zuweilen aach rund um das Fesselgelcnk. Sie bildet um das letztere eine weiche runde Beule, welche bei dein Drücken etwas uachgiebt uud sich verkleinert, aber nachdem das Thicr einige Schritte gegangen ist, wieder zum Vorschein kommt.
b.nbsp; nbsp;Die eigentliche Kniegelenksgalle hat ihren Sitz im Kapsel­bande des Kniegelenks der Hinterbeine und tritt an der äussern, zu­weilen auch an der innern Seile desselben neben der Kniescheibe als eine elastische, länglich-runde Beule hervor.
c.nbsp; nbsp; Die Sprunggelenksgalle besieht in einer Aussackung der Gelenkkapsel (und der Schleim beulet) an dem Sprunggelenk und äus-sert sich bald nur an der inwendigen, bald au der auswendigen Seite und zuweilen an beiden Seilen dieses Gliedes; ist sie nur an einer Seile, so heissl sie die einfache, ist sie an beiden Seiten, so heisst sie die durchgehende Sprnnggelenksgalle oder die Kreuzgalle. Man erkennt sie an eiuer länglich-runden Anschwellung zwischen dem Fer­senbein und dem Unterschenkelbein, welche elastisch weich und bald nur an einer Seite, bald an beiden Seiten wahrzunehmen ist und sich durch Druck nach und nach verkleinert, aber bald darauf wieder mehr zum Vorschein kommt.
d.nbsp; nbsp; Die Hinterknicbeuge-Galle, auch Wassergallc genannt. Sie besieht in einer Erschlaffung der Syuovialkapsel des Sprunggelenks an dessen vorderer Fläche und zum Theil auch an der innern und bildet eine rundliche Anschwellung von elastischer Bcschallcuheit. Man pflegt sie zuweilen auch mit dem Namen Üchsenspatzu bezeichnen, weil sie eine ähnliche Erhöhung darstellt, wenn man sie am Sprunggelenk des Rindviehes findet.
Die Gallen enlslehen in den meisten Fällen nur sehr klein und ver-grossern sich bald schneller bald langsamer bis zu einem bedeutenden Umfange, so dass sie zuweilen eine grosse Unförinlichkelt des Gliedes veranlassen; in anderen Fällen entwickeln sie sich plötzlich zu einer bedeutenden Grosse. Die Fälle der letzteren Art sind gewöhnlich solche, wo eine grobe mechanische Verletzung ein Gelenk betroffen hat, und wo nicht selten eine Blutcrgiessnug in das Kapselband stattgefunden
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, , uv,! Ausdehnung des letzlern ist. Regel enthalten die Sehnengallen nur eine der normalen Sehnenschei denllüssigkeit amp;l
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novia; zuweilen aber verdickt sieh jene erstere Flüssigkeit und erscheint dann gallertartig oder auch selbst wie gekochtes Eiweiss. Die Syno-vialkapseln nnd die Sehnenscheiden sind dabei nur in normaler Dicke, aber auch aufgelockert und im veralteten Zustande verdickt, sehnen-artig, zuweilen selbst knorpelig und dann haben auch die Gallen ihre elastische Beschallenheit verloren. In der Mehrzahl sind sie ohne Ent-zundungszufälle und daher auch ohne Schmerz uud ohne dabei beste­hendes Lahmgehen; allein wenn sie sich schnell vergrössern, wenn sie in Folge von äussern Verletzungen sich entzünden, können alle Gallen auch die Symptome der Entzündung zeigen und Lahmheit veranlas­sen; dies ist aber ganz besonders der Fall bei denen, die durch mecha-
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Gallen. Behandlunquot;.
nischc Eiawirkung plötslich ealslaaden mul zu einer bedeutenden Grosse entwickelt sind.
Die Erkennung der Gallen ist aus ihrer Besehaffenheit und aus ihrem Sitze in der Regel leicht zu erlangen; man muss jedoch die bei der sogenannten Füllenlähme entstehenden Anschwellungen der Gelenke nicht mit den einfachen Gallen verwechseln.
Die Ursachen der Gallen sind: zuweilen eine natürliche Anlage, bestehend in zu lockcrem Gewebe der Sehnenscheiden und der Kapsel­bänder und in zu grossem Keichthum an wässerigen und eiweisshalti-gen Säften, wie man dies besonders bei Pferden aus niedrigen, feuchten Gegenden und bei solchen findet, welche sehr reichlich weiche Nah­rung, Gras, KartotTeln und dergl. bei vieler Ruhe erhalten haben, zuweilen entstehen sie auch bei oder nach asthenischen Krankheiten; namentlich bei der Influenza. Veranlasst werden sie in den meisten Fällen durch heftige Anstrengungen jeder Art und durch Quelschungcn der Gelenke und der Sehnenscheiden.
Die Beurtheilung der Gallen ist im Allgemeinen ziemlich günstig, da die meisten den Gebrauch der Thiere wenig oder gar nicht stören, sondern nur als Schönheitsfehler bestehen; doch machen diejenigen Gallen hiervon eine Ausnahme, welche plötzlich in grosser Ausdehnung entstanden, oder mit Entzündungszufällen verbunden sind und welche, wie bereits oben erwähnt, zuweilen ein Pferd auf 8—14 Tage lahm machen. Im Sommer vergrössern sich die sämmtlichen Gallen und werden dann zuweilen auch schmerzhaft, bei kühler Witterung ver­kleinern sie sich aber wieder. Wenn Gallen sieh verhärten, so können sie durch Druck auf die umgebenden Thcile Reizung und Schmerz er­zeugen oder auch Sleifigkeit in den Gelenken und Sehnen veranlassen, doch ist dies nicht in jedem Falle so. Hinsichtlich der Heilbarkeit lässt sich ein bestimmtes ürtheil kaum aussprechen, da die Gallen im All­gemeinen sein' hartnäckige Uebcl sind und allen Mitteln widerstehen, in einzelnen Fällen aber bald theilweis, bald gänzlich beseitiget werden können. Frisch entstandene, kleine, weiche Sehnengallen sind für die Heilung noch am meisten geeignet, Gelenkgallen sind mehr hartnäckig und verhärtete Gallen sind gewöhnlich nicht wieder aufzulösen; am übelsten zu beurtheilen in jeder Hinsicht sind die plötzlich in grosser Ausdehnung entstandenen und mit Schmerz und Lahmheit verbundenen Gclenkgallen, bei denen nicht selten ausser der Ausdehnung des Kapsel­bandes noch eine anderweitige Verletzung an den Gelenkenden der Knochen u. s. w. besteht.
Die Kur. Man stellt sich dabei die Aufgabe: die Ursachen abzuhalten, die etwa bestehende zu heftige Entzündung, Schmerz und Lahmheit zu beseitigen, die Resorption zu befördern, die Gelenkkapsel oder die Seh­nenscheide und die sie umgebenden Theilc zur stärkern Contraktion zu bringen, oder selbst eine Ümstimmung in der Synovialhaut zu erzeu­gen. Diese verschiedenen Zwecke kann man auf mehrfällige Weise erreichen, doch muss man dabei den entzündeten oder entzünduugslosen Zustand der Galle, ihre Grosse und die Beschaffenheit ihrer Wände be­rücksichtigen.
Im Allgemeinen muss man bei vollsäfligen, namentlich jungen, gut genährten Pferden die Nahrungsmenge vermindern, leichtes Futter und
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Gallen. Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 609
oft wiederholt eine Parganz geben und die Tliiere massig bewegen. Tragen die Gallen den entzündlichen Charakter an sich, so kann man auch entsprechende Blutentziehungen machen und die Thlere müssen ruhig stehen bleiben. Bei mageren Thieren sind Blutentziehungen nicht uüthig; die Purganzen sind auch bei ihnen nutzlich.
Oertlich behandelt man kleine, frisch entstandene Gallen auf die mildeste Weise, indem man die Thiere mit den Füssen bis über die Galle in kaltes Wasser stellt, oder Waschungen und Umschläge von demselben, oder von Essig und Wasser, Bleiwasser oder Oxykrat macht und ausserdem die betreffende Parthic des Fusses mit einer wol­lenen Binde umwickelt. Bei grossen und älteren Gallen fruchten diese Mittel nicht und man kann daher mehr adslriuglrende und zugleich er­regende Mittel anwenden, wie namcnllich das Goulardsche Bleiwasser mit Kampherspiritas eine Aullösung von Zink-, Kupfer- oder Eisen­vitriol, von Alaun (sect;j zu 1 Pfd. Wasser und i- Pfd. Branntwein), oder ein Dccoct von Cortex Qucrcus oder Radix Tormentillae mit Weingeist. Sind die Gallen sehr gross oder zeigen sie eine Neigung zum Verhär­ten, so sind Einreibungen des Kamphcrliniments, des Salmiakgeistes, des ïerpenthinöls, der .lodsalbe, der Jodlinktur, der Kanlharideutink-lur, der Kanlharidensalbe so lange zu benutzen, bis Ausschwitzung stattgefunden hat, oder man applizirt das scharfe Pilasler, — worauf mau das Abheilen des sich bildenden Schorfes ruhig abwartet und dann diese Mittel wiederholt oder auch, wenn die Gallen etwas mehr weich ge­worden sind, die adstringireiiden und erregenden Mittel durch einige Zeit fortgesetzt anwendet. Eben so kann man bei solchen grossen oder zum Verhärten geneigten Gallen das Brennen in Punkten oder Strichen auf der ganzen Obcrllächc der Galle in der Art, dass Ausschwitzung entsteht, in Anwendung Kringen.
Mau hat auch seit allen Zeiten bei grossen Gallen die Eröffnung derselben empfohlen, aber auch mehrseitig dagegen gewarnt, weil fast eben so oll, wie guter Erfolg, auch enlgegengcsetzt ein schlechter Er­folg, namentlich sehr heilige Gelenkentzündung, hiernach beobachtet worden ist. Es kommt hierbei jedoch auf die richtige Auswahl der zur Operation geeigneten Gallen und auf die Art, wie die Operation ge­macht und die Nachbehandlung geleitet wird, sehr viel au und bei rich­tiger Beachtung dieser Punkte ist die Heilung vieler Gallen durch die Operation gewiss sehr zu befördern, indem einerseits in Folge der Entleerung des Inhalts die Häute zusanniicnschrunipfen, audererseils ein gelinder Grad von adhaesiver Entzündung entsteht, durch welche die seeernirendcu Gelasse verschlossen werden.
Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass man ohne Schaden nur solche Gallen öffnen darf, welche nicht frisch entstanden und mit heftiger Entzündung verbunden sind, — dagegen diejenigen, welche noch mit Entzündung und vielem Schmerz begleitet sind, in den meisten Fällen nicht öffnen darf; ferner dass die Eröffnung nur mit einer möglichst kleineu Wunde und so, dass kein Eindringen der almosphärischen Luft stattfindel, geschehen müsse und ausserdem dass durch eine recht starke derivatorischc Behandlung die Eutwickelung der Gelenkcnlzüudung ver­mieden werden muss. Die Operation kann in mehrfachen Modifika­tionen geschehen, und zwar 1) durch einen einfachen Einstich in gerader
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Gallen. Belinndlunj.
Richtung durch die Haut bis in die Höliic der Galle, vcnniUelst einer Lanzette, eines spitzen Messers, eines von Busch hierzu empfohlenen Gallenschneppers, oder auch mitlolst eines Troikars; 2) durch einen Ein­stich in schräger Richtung unter der die Galle bedeckenden Haut, so dass die OelTnung der Galle gewisserniaassen subculan geschieht; 3) durch einen grössern oflenen Einschnitt; 4) mittelst Durchl'ühruug eines Eiter-bandes durch zwei gemachte Oeirnungen und 5) durch das Brennen mit einem spitzigen Glüheisen oder mit einem glühenden Pfriemen.
Das erstere Verfahren ist leicht ausführbar und wurde daher auch am meisten angewendet, doch hält man es jetzt nicht mehr für recht zweckmässig, weil die Luft fast unvenncidlich zu viel auf die innere Fläche der Galle reizend einwirkt und zu heftiger Entzündung Veran­lassung giebt. Desshalb verdient die zweite Methode den Vorzug und wird jetzt mchrenlheils benutzt. Das dritte Verfahren ist von Busch1) im Allgemeinen bei Sehncnscheidengallen empfohlen, es ist jedoch nur da gut zu benutzen, wo Gallen mit verdickter SeliKenscheidenflüssigkeit in der Scheide der Strecksehne des Kronen- und Hufbeins sitzen; bei Gelenkgallen darf es nicht angewendet werden. Die vierte und fünfte Verfahrungsweise ist mit zu vieler Reizung verbunden und daher na­mentlich die vierte nicht passend.
Bei der Eröffnung der Gallen durch einen einfachen Einstich kön­nen ruhige Pferde aufrecht stellen, und manche Thierärzlc, namentlich Robertson2) und Röttger3) empfehlen ausdrücklich die aufrechte Stellung hierzu, weil die Sehnen mehr angespannt und die Gallen mehr hervorgepresst werden. Rlan lässt die Thierc hierbei bremsen und bei Operationen an den Vorderfüssen den gegenüberstehenden Vorderfuss aufheben, bei der Operation an einem Hinterfoss aber beide Hinter-füsse spannen. Will man aber subeiitau operiren, oder sind die Pferde sehr reizbar, so legt man dieselben in der Art nieder, dass die Seite der Galle, an welcher der Einstich gemacht werden soll, die obere wird, und man fesselt oder bindet den Fuss so, dass das betreffende Gelenk ganz frei bleibt. Bei Fesselgallen kann der betrelfende Fuss noch auf den andern obern Fuss ausgebunden oder in den Spannstock gelegt und ausserdem noch von einem Gehülfen mittelst eines um den Fessel gelegten Gurtes festgehalten werden: bei Sprunggeleuksgallen ist dies aber nicht noting. Die Stelle, welche man zur Eröffnung der Gallen wählt, ist ziemlich gleichgültig, doch ist das Eröffnen immer am leichtesten da zu bewirken, wo die Galle am stärksten hervortritt und wo ihre Wand recht weit von dem Kapselbande entfernt ist. Nach Röttger ist dies aber nicht zweckmässig, weil diese Stelle sich am wenigsten vollständig wieder zusammenzieht. Wan zieht dann die Haut von der Opcrationsstelle ab und nach hinten oder nach vorn, und sliciil eine schmale Lanzette, besser ein Tenolom oder einen dünnen Troikai' von unten nach oben so durch die Haut und durch die Sehnenscheide oder die Gelenkkapsel, dass die letztere etwa 3 Linien entfernt von der
') Archiv für Rossärzte. Bd. 3. S. 71.
') Pferdearzneikunst, 7te Aufl. Breslau 1778, S.
') Magazin für Thierheilk. Bd. XI. S. 314.
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Gallen. Behandlung.
GH
Einstichslelle der Haut durchbohrl uud geöÜnet wird. Darauf drückt man mit der ilachen Hand von allen Seiten die Flüssigkeit der Galle zu der Oeflnung bin und entleert sie; will die Entleerung aber nicht recht erfolgen, so schiebt man eine Hoblsonde iu die Oefi'uung und hält sie in derselben so lange, bis die Feuchtigkeit grösslentheils abge-llossen ist. Hiernach entfernt man die Sonde, schiebt die Haut so über die Wunde zusammen, dass dieselbe vollständig bedeckt wird und klebt sogleich ein wenig Baumvvacbs oder Theer oder Heflpllaster auf die verletzte Stelle, um das Eindringen der Luft zu verhüleu. Hier­nach legt man eine Compresse von Leinwand auf die Galle und windet eine Binde massig fest und recht gleichtnässig so darüber, dass jeder Gang den vorhergehenden etwa -i der Ereile bedeckt. Nach dem Auf­stehen wird das Pferd ruhig gehalten, die Operationssfelle gekühlt und der Verband erst nach 4 — 6 Tagen abgenommen. So ist die gewöhn­liche Vorschrift; ich habe jedoch die ableitende Behandlung mit Kanlha-ridensalbe (Siehe unten) nützlicher befunden.
Bei denjenigen Sehnenscheidcngallcn, welche sieh äusserlich sehr derb anfühlen, aber dennoch keine eigentlich verhärtete Haut wahrneh­men lassen, genügt gewöhnlich ein so kleiner einfacher Einstich, wie derselbe eben empfohlen ist, nicht, weil bei diesen Galleu die Feuch­tigkeit mehrentheils coagulirt ist. Es ist desshalb nüthig, an der nie­drigsten Stelle der Galle einen Einschnilt durch die Sehnenscheide von circa -| Zoll oder so gross zu machen, dass man den Zeigefinger be­quem einführen kann. Mau entleert mit letzterem den Inhalt der Galle, legt dann einen mit mildem feilem Oel befeuchteteten Wergbausch auf die Oeffmmg und einen massig festen Verband darüber. Letzterer bleibt 4 — 5 Tage liegen und es werden dabei fleissig lauwarme Bäder applizirt, um so schnell als möglich gute Eiterung herbeizuführen. Mit dem Eintritt derselben ist alle Gefahr überstanden und die Heilung er­folgt in ungeiahr 4 — 5 Wochen. Wenn aber eine zu heftige, schmerz­hafte Entzündung eintritt, so müssen die umgebenden Theile, und bei den subeutau geolfneten Gallen die ganze Oberfläche gleich nach der Operation, durch Einreiben der Kantharidensalbe an der sie bedecken­den Haut in Entzündung versetzt werden; und wenn nach etwa 12 Stun­den nicht eine reichliche Ausschwitzung entstanden ist, muss auch die Einreibung wiederholt werden. Die Thiere müssen ausserdem in stren­ger Ruhe, in magerem Fuller und bei eintretenden Entzündungszufällen in antiphlogistlschcr Behandlung gehallen werden.
In neuerer Zeit haben Leblanc1) und andere französische Thier-ärzte die, von Velpeau und andern Chirurgen gegen den Wasserbruch benutzten Injectionen von Jodtinktur im verdünnten Zustande (1 Theil Tinktur und 2 — 3 Theile destillirtcs Wasser) in die vorher geöffneten Gallen als das beste Mittel zur Heilung derselben empfohlen; Key2) laquo;nd Bouley3) stimmen jedoch, nach ihren gemachten Versuchen, dem Lobe nicht in allen Punkten bei. weil zuweilen sehr heftige Enzündua-
#9632;) Clinique vétérin. T. XVII. 1847.
quot;) Journ. de méd. vétérin. publie a l'école de Lyon. T. III. 1847. p. Vl'i,
'1 Recueil de méd. vélér. 1847. p. 5. u, 461.
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Gallen. Behandlung
gen und Eiterung hiernach entstehen und in einzelnen Fällen sogar Pferde gestorben sind. Bouloy erklärt ganz richtig, dass diese Injec-tionen nur dann die Heilung herbeiführen können, wenn sie einen sol­chen Grad von Entzündung in der Synovialhaut erzeugen, durch wel­chen eine VerSchliessung der absondernden Gefdsse herbeigeführt wird, und welcher einigermassen der adhaesiven Entzündung in Wunden ent­spricht; tritt ein höherer Grad ein, so ist Eiterung und Ulceration, oder in den milderen Fällen Ausschwitzung von vielem Faserstoff und hier­durch Verwachsung zwischen der Sehnenscheide und der Sehne oder zwischen den einzelnen Theilen des Gelenkes die Folge davon.
Die Injectionen können entweder mittelst einer nach Velpeau's Vorschrift gearbeiteten besondern Injections-Spritze und eines besondern Troikars1) gemacht werden, allein man kann, wie Bouley ganz rich­tig bemerkt, auch mit einem gewöhnlichen dünnen Troikar und mit einer einfachen Wundspritze auskommen. Die Thicre werden zur Ope­ration niedergelegt und so ausgebunden, dass das betreffende Gelenk frei zugänglich 'ist; man scheert an der am meisten hervorspringenden Stelle der Galle die Haare ab, macht dann mit dem Troikar den Einstich schief durch die Wände der Galle bis in deren Höhle, entleert durch gelindes Drücken den grössten Theil der Flüssigkeit aus der Galle und spritzt unmittelbar darauf eine der ausgeleerten Flüssigkeit entsprechende Menge der verdünnten Jodtinktur gut umgerührt durch die Kauülc des Troikars ein. Diese Flüssigkeit bleibt während etwa 3 Minuten mit der innern Fläche der Galle in Berührung und wird dann wieder durch ge­lindes Drücken mit den Händen auf den ganzen Umfang der Galle gröss-tentheils entleert. Hierauf legt man eine Binde mit 3 — 4 ümwicke-lungen um den operirten Theil. Das Thier wird dann entfesselt, in den Stall gebracht und ruhig hingestellt. Es tritt binnen 24 Stunden eine bedeutende Anschwellung des ganzen Gelenkes ein und vermehrte Wärme und Schmerz finden sich in verschiedenen Graden hinzu; doch ist es nur bei heftigen Graden dieser Zufälle noting, etwas gegen sie zu thun, indem man erweichende schleimige Umschläge oder Fussbäder und Einreibungen von warmem Oel oder Fett macht und die allge­meine fieberhafte Aufregung durch Aderlässe und Neutralsalze zu min­dern sucht. Allmälig verlieren sich die Anschwellung, der Schmerz und die Lahmheit und in günstigen Fällen können die Thiere nach circa 3—4 Wochen zur Arbeit wieder verwendet werden.
') Recueil de méd. vélér. 1847. p. 19 — 21 etc.
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Puls- und Blutadergcschwiilsle,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 613
Drittes Capitel.
Ausdehnungen und Erweiterungen der Blutgefässe. Die Pulsadergeschwulst, Aneurysma; — die Blutaderge­schwulst, Varix1).
An den Blutgefässen kommen örtliche Erweiterungen ihrer Wände, sowohl an den Arterien, wie auch an den Venen vor und zwar so, dass die Erweiterung 1) der ganzen Wand in ihren sämmtlichen Häu­ten stattfindet, oder 2) dass die Erweiterung nur an der innern glatten oder an der äussern Zellgewebshaut erfolgt, nachdem die eine oder die andere der übrigen Häute verletzt ist. Auf die erstere Weise bilden sich die sogenannten wahren, auf die letztere Weise aber die fal­schen Puls- und Blutadergeschwülste. Die letzteren bestehen zuweilen auch nur in einer Ergiessung von Blut in die zellige Scheide der Gelasse, und zuweilen zeigen sie die Eigenthümlichkeit, dass aus einer verletzten Arterie sich das Blut in die gleichzeitig verletzte Vene ergiesst und eine Ausdehnung derselben erzeugt, und somit arterielles Blut in den gebildeten Sack der Vene cinfliesst. Man hat solche Puls­adergeschwülste mit dem Namen gemischte Puls- und Blutaderge­schwülste bezeichnet.
Die Pulsadergeschwülste erscheinen als rundliche, oder länglich­runde, elastische Anschwellungen im Verlaufe einer Arterie und sind nicht vermehrt warm, nicht schmerzhaft; beim Befühlen findet man eine pulsirende Bewegung in ihnen, welche mit dem Herz- und Arterien­schlag synchronisch ist; unterdrückt man die Arterie zwischen der Ge­schwulst und ihrem Ursprünge, so wird die Geschwulst kleiner, oder fällt gänzlich zusammen, das bezeichnete Gefühl verschwindet, aber sobald jener Druck aufhört, füllt sich die Geschwulst sogleich wieder und zuweilen hört man dabei das Einströmen des Blutes mit einem reibenden oder schwirrenden Geräusch erfolgen. Unterdrückt man da­gegen die fortgesetzte Arterie ausserhalb der Geschwulst, so vergrössert sich die letztere und wird ganz straff.
Die Blutadergeschwülste finden sich im Verlaufe von Venen als elastisch-weiche Anschwellungen, welche man verkleinern oder zum Versehwinden bringen kann, wenn man einen Druck auf die Geschwulst selbst, oder auf die mit ihr verbundene Vene ausserhalb der Geschwulst, d. h. nach der Peripherie des Körpers zu, anbringt; dagegen tritt die Geschwulst mehr hervor und wird mehr gespannt, wenn man durch Druck auf die Vene nach dem Stamme derselben zu, den Blutfluss hemmt. Schmerz und vermehrte Wärme sind in der Regel nicht zu­gegen und das Pulsiren fehlt diesen Geschwülsten.
Die falschen Puls- und Blutadergeschwülste bilden sich ebenfalls im Verlaufe von Gefässen, aber gewöhnlich neben denselben als ela-
') Ausser den Erweiterungen der grosseren Puls- und Blutadern finden sich zuweilen auch abnorme Erweiterungen der Haargefässe, namentlich in der 'laut (Tcleangiektasia). Sie bilden rothe Flecke, veranlassen keine wesentliche Störung und sind desshalb kein Gegenstand chirurgischer Behandlung.
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Puls- und Blutadergeschwiilste.
stisch-weiche Anschwellungen, welche aber in der ersten Zeit gewöhn­lich äusserlich mit einem Oedem begleitet sind. Ist eine verletzte Ar­terie die Grundlage dieser Anschwellung, so fühlt mau, ähnlich wie bei den wahren Aneurysmen, das Pulsiren, jedoch weniger deutlich, als bei den letzteren, und eben so erfolgen die Veränderungen an ihnen durch angebrachten Druck nur unvollständig. — Bei falschen Blutaderge­schwülsten verhält es sich ebenfalls ähnlich, wie bei den wahren Blnl-adergeschwülsten, aber auch hier sind die Veränderungen durch Druck nur ganz unvollständig zu bewirken.
Die Puls- und Blutadergeschwülste können an allen Gefässen in­nerlich und äusserlich am ganzen Körper vorkommen; die im Innern sich bildenden, wie z. B. die an der Aorta und an den Gekrösarterieu befindlichen sind jedoch kein Gegenstand der Chirurgie, und desshalb soll hier nur von den im äusseren Umfange des Körpers vorkommenden die Rede sein. Diese finden sich melnenlheils in der Nähe von Ge­lenken ') und da, wo mechanische Verletzungen durch stumpfe Körper oft wiederholt vorkommen. Eben so können die falschen Geschwülste der Art überall am Körper entstehen, besonders aber da, wo Aderlässe gewöhnlich unternommen werden. Die wahren Geschwülste der Art erreichen eine Grosse von einer Erbse bis zum Umfange eines Hühner­eies, sehr selten darüber; die falschen Geschwülste können dagegen einen bedeutend grössern Umfang erreichen.
Die Ursachen der Puls- und Blutadergeschwülste sind: zuweilen eine besondere Anlage, bestehend in zu weicher oder mürber Textur der Gefasswände, ausserdem als veranlassende Ursachen, Quetschungen, übermässige Ausdehnungen, theilweise Zerreissungeu der Gefässhäute und wirkliche Zerreissungen oder Verwundungen.
Die Beurtheilung dieser Geschwülste ist verschieden zu inachen, je nach der Grosse derselben, nach der Grosse des kranken Gefasses, nach der Mürbheit seiner Häute und nach dem Orte, an welchem die Geschwülste sitzen. Kleine Puls- und Blutadergeschwiilste und solche. die nicht in der Nähe von Gelenken oder sonst stark beweglichen Thei-len liegen, sind verhältnissmässig günstig zu beurtheiien, da sie oft viele Jahre bestehen, ohne sich zu vergrössern und ohne üble Zufalle zu erzeugen; dagegen wachsen gewöhnlich solche Geschwülste, welche bei den Bewegungen der Theile viel gedehnt, und gezeri't oder durch äus-sere Einwirkungen gereizt werden, allmälig immer grosser, sie hemmen dadurch die freie Bewegung, stören durch Druck die Ernährung und die Nerventhätigkeit der umliegenden Thcilc, so dass zuweilen Schwin­den und Lähmung eintreten; ausserdem werden die Gefässhäute selbst an der Geschwulst mit der Zeit gewöhnlich dünner oder auch mürber und in Folge dessen bersten sie zuweilen und führen plötzlich die Ge­fahr einer Verblutung herbei.
Hinsichtlich der Heilbarkeit ist nur bei kleinen und frisch entstan­denen Puls- und Blutadergeschwülsteu die Hoilhung vorhanden, dass eine wirkliche Heilung mit Wiederherstellung der normalen Weite des Gefasses erfolgen kann; bei grosseren Geschwülsten gelingt dies in der Regel nicht und man muss sich bei ihnen entweder nur auf eine Pal-
'} Z.B. an der innern Seite des Sprunggelenks als sogenannter Blutspat.
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Puls- und Blutadergcschwiilste. Kur.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 615
liativbeliaudluiig beschränken, oder die Verschliessung des Gelasses selbst, herbeiführen, um das Eintreten der Zerrcissung und Verblutung zu verhindern.
Die Kur der Puls- und Bluladergeschwülste ist nach der Grosse und Beschaffenheit derselben etwas verschieden. Bei den kleinen, ober-fläcblichen und erst kürzlich entstandenen Geschwülsten, und wo er­weislich die Gefässwände nicht wirklich verletzt sind, ist örtlich zuerst die Anwendung der adstringiicndcii Mittel (Abkochung der Eichen- und Wuidenrinde, Auflösungen von Alaun, von Eisenvitriol und dergleichen) lleissig und recht kalt anzuwenden und dabei ein gleiehmässiger Druck sowohl auf die ausgedehnte Stelle des Gcfässes, wie auch auf den Theil desselben, welcher das Blut zu ihr führt, durch Auflegen einer Com-presse und Einwickelung mit einer Binde zu bewirken. Liegen aber die Geschwülste tiefer, so dnss die genannten Mittel nicht genügend bis auf das Gefäss durchwirken können, so muss man entweder äusserlich die konzeutrirten Sauren in Punkten oder Strichen, oder eben so das Brenneisen anwenden (um, wie bei den Brüchen, Entzündung, Zusam-menschrampfong und feste Verwachsung zu veranlassen), oder ein Haarseil durch den Theil in der Art applizircn, dass es ganz nahe über die kranke Gefässstellc geht. Dasselbe darf aber nur einige Standen liegen bleiben, so dass es nur Entzündung in den das Gefiiss nnigcbenden Theileu erregt. Nach seiner Entfernung wird auch hier ein gleiehmässiger Druck angewendet, bis die Verheilung erfolgt ist. Sollte letztere nicht primär erfolgen, sondern Eiterung eintreten, so kann man in den Kanal stark reizende und adstringirende Mittel, z. B. eine Auflösung von Cuprum oder Zineum sulphuric. (3j zu sect;j Wasser) einige Male einspritzen und hierdurch Verdickung der Thcilc und cal-löse Verwachsung erzeugen. Es wird auf diese Weise der weiteren Ausdehnung Grenzen gesetzt und die mögliche Berstung der Geschwulst verhütet, dabei aber doch das Gefäss ollen erhalten.
Wenn aber diese Geschwülste sehr gross sind, oder mit wirklicher Verletzung, oder mit Entartung der Gefässwände, mit Mürbheit, theil-weiser Verknöcherung u. s. w. bestehen und somit zur Znsammen­ziehung ihrer Wände nicht mehr, dagegen aber zum Zerreissen sehr geeignet sind, so bleibt nichts Anderes übrig, als die Verschlies­sung und Verwachsung der Geschwulst, oder eigentlich des Gcfässes, im limern derselben zu bewirken. Dies erreicht man am sichersten, indem man die Geschwulst und den nächsten Theil des Gcfässes vor­sichtig blosslegt. letzteres vor und hinter der Geschwulst isoliit unter­bindet und dann dieselbe vollständig herauslöset. Die Unterbindung geschieht ganz so, wie es bei der Behandlung der Wunden angegeben worden ist. Nach der Ausschälung füllt man die Wunde mit lockerem Werg aus und befördert die Heilung durch Eiterung, wie bei Wunden mit Substanzverlust.
In neuerer Zeit hat mau auch versucht, die Puls- und Blutader-geschwülste dadurch zur inaern Verschliessung und Verwachsung zu bringen, dass mau mehrere einfache Stecknadeln in verschiedeneu Rich­tungen so in sie steckt, dass die Spitzen die innere Fläche der gegenüber­stehenden Wand berühren, uud dass man sie durch mehrere Stunden, bei grosseu Geschwülsten selbst durch mehrere Tage in dieser Berührung
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Erweiterung des Kanals der Ohrspeicheldrüse.
lassl. Es wird dadurch thcils cntzüudliclie Reizung und Ausscliwitzuug an der innern Fläche der Gcfasswändc, Iheils Coagulation des Blutes in der Höhle uud hierdurch zuweilen auch gänzliche quot;Vcrschliessuiig herbeigeiührt; allein die Versuche gerathen nicht in jedem Falle voll­ständig. Man hat desshalb, nach Pctrcquin's Entdeckung, tue Na­deln mit einer galvanischen Säule in Verbindung gebracht und diejenige, welche das Fluidum von dem Zinkpol führt, in das Ancurysma gesto­chen, die andere aber ausserhalb desselben an die angrenzenden Theile gehalten, und durch Einströmen des Galvanismus die Gerinnung des Blutes mehr sicher herbeigeführt. Es ist jedoch dies Verfahren mit einigen Schwierigkeiten verbunden, da diese Elektrizität sogleich von den Nadeln abgeleitet wird, wenn dieselbe an der aussein Fläche der Geschwulst mit feuchten Theilcn des Körpers in Berührung tritt, und da die Thiere nicht immer in der nöthigen Ruhe zu erhalten sind. Hin­sichtlich des ersten Punktes ist es desshalb nöthig. die Nadeln über der Spitze mit einem Firniss zu überziehen uud sie hierdurch zu isoliren. Die Behandlung muss auf diese Weise mehrmals in kurzen Zwischenzeiten, d. i. nach etwa 2 Tagen, wiederholt werden und jedesmal wenigstens eine Viertelstunde dauern. —#9632; Wenn hiernach die Geschwulst allmälig fester wird und bei Ancurysmcn das Pulsiren sich verliert, so kann man hieraus schliessen, dass die Heilung einen guten Erfolg hat.
Bei den falschen Puls- und Bluladergcschwiilsten ist die Behand­lung in der ersten Zeit in der Regel am besten eine cntzündungsvvidrige, und wenn die Enlzündungssymptome vorüber sind, kann man die ad-stringirenden Mittel, die Ëinwickelung. das Brennen u. s. w. eben so anwenden, wie es vorstehend angedeutet worden ist.
In jedem Falle ist während der Behandlung Alles zu vermeiden, was Aufregung des Blutes und Andrang desselben zu der kranken Stelle veranlassen könnte. Die Thiere müssen demnach ruhig und in magerer Diät gehalten werden; vollblütigen Thieren kann man einen Aderlass machen, auch von Zeit zu Zeit ein Laxans geben.
Viertes Capitel.
Erweiterung des Kanals der Ohrspeicheldrüse.
Diese Erweiterung habe ich hei Pferden mehrmals beobachtet. Sie erscheint als eine längliche, fingerdicke, elastische Anschwellung im Ver­laufe des Stenon'schen Ganges von dem untern Ende der Ohr­speicheldrüse bis zur Backe; zuweilen ist niu1 der hintere Theil des Kanals in dem Kehlgange, oft aber auch der vordere an der äussern Fläche des Unterkiefers und an der Backe so ausgedehnt; mehrentheils ist die Geschwulst an der Oberfläche glcichmässig cylindrisch, zuweilen aber auch mit Einschnürungen versehen; sie ist dabei ohne Schmerz,
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Erweiterung des Schlundes.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;617
ohne vermehrte Wärme, und zuweilen durch Druck zu verkleinern; in eiuzeliieii Fällen ist letzteres aber nicht möglich und in diesen Fällen ist stets eine Verwachsung des Kanals am vordem Ende vorhanden.
Die Ursachen dieser Erweiterung sind grobe Einwirkungen durch Stösse, Schläge, anhaltenden Druck von der Halfter und dergleichen, zuweilen auch wirkliche Verwundungen des Kanals und darauf erfol­gendes Verwachsen desselben mit der über ilun verschobenen Haut. In einzelnen Fällen scheint auch die Verwachsung des Kanals an sei­nem vordem Ende, durch Entzündungen der Maulschleimhaut bedingt, die Veranlassung zur Zurückhaltung des Speichels und dies wieder die Ursache der Ausdehnung zu sein.
Die Beurlhcilung dieser Ausdehnung ist in so fern günstig zu ma­chen, als daraus üble Zufalle nicht entstehen; hinsichtlich der Heilung ist jedoch die Heurlheilung weniger günstig, da dieselbe gewöhnlich nicht anders, als durch Verschliessung des Kanals an seinem obern Ende und durch Verödung der Ohrdrüse selbst zu bewirken ist. In den meisten Fällen wird von den Eigenthümem der mit dem Uebel behafteten Thiere eine solche eingreifende Kur nicht gestattet.
Die Behandlung kann zuerst damit versucht werden, dass man
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den ausgedehnten Kanal an der niedrigsten Stelle mit einer Lanzette ansticht, seinen Inhalt entleert und hierauf sogleich die Kanthariden-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; $
salbe massig dick auf die Haut längs des erweiterten Kanals aufträgt. Während der Wirkung dieses Mittels darf das Thier weder Futter noch Getränk erhalten und es muss überhaupt so behandelt werden, wie bei der Verwundung und Unterbindung des Speichclkanals (Seite 356) an­gegeben worden ist. Nach dem Ablösen der entstandenen Schorfe kann mau die Stelle noch täglich 3 — 4 Mal mit verdünnter Schwefelsäure, oder mit dem Rah eil sehen Wasser befeuchten. — Ist jedoch der Kanal an seinem vordem Ende bereits verschlossen, so bleibt nichts anders übrig, als die Unterbindung desselben am Rande des Unterkie­fers. Man verrichtet dieselbe ganz so, wie dies Seite 357 angegeben worden ist, und auch die Nachbehandlung muss eben so, wie dort ge­lehrt, besorgt werden. Der nun leere Theil des Kanals am vordem Ende schrumpft zusammen und die Geschwulst verschwindet.
Fünftes Capitel.
Erweiterung des Schlundes oder der sogenannte Schlund­bruch (Oesophagus ventriculosus).
Der Schlund erhält zuweilen bei Pferden eine sackförmige Erwei­terung, welche an irgend einer Stelle, sowohl an der Halsportion, wie auch an der Brustportion desselben vorkommt. An der Halsportion kann ihr Sitz vom obern Ende bis zum untern an jeder Stelle sein,
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CISnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Erweilurung des Schlundes.
am häufigsten aber flndet sie sich ungefähr 2 — 3 Zoll vor dein Ein­gange des Schlundes in die Brusthöhle. In diesen erweiterten Theil dringt Nahrung und Getränk, und es entstehen dadurch rundliche oder länglich-runde Anschwellungen, welche bald mehr, bald weniger stark über die Haut an der linken Seile des Halses hervortreten und vom Umfange eines Taubeneics bis zur Grosse einer starken Mannesfaust sich ausbilden; doch ist die Grosse derselben Geschwulst nicht zu allen Zeiten dieselbe, sondern sie vermehrt sich gewöhnlich während des Futtergenusses und verrnindert sich allmälig einige Zeit nach demselben, besonders wenn das Thicr sich viel bewegt. Eben so kann man sie durch Drücken von aussen nach dem Schlünde zu sehr verkleinern oder auch gänzlich zum Verschwinden bringen, indem hierbei die in der Geschwulst befindliche Fullermasse in den Schlund entleert wird. Die Geschwulst gewährt immer beim Belasten ein leigarligcs Gefühl, sie ist in der Regel anschmerzhaft und ohne Symptome der Eulzün­dung, und wenn man mit den Fingerspitzen sie an ihrer Basis umlasst, kann man deutlieh den Zusammenhang mit dem Schlünde erkennen, da sich gleichsam eine Wurzel von der Geschwulst in die Tiefe über die Luftröhre hin fortsetzt.
Während der Entwickelung dieser Geschwulst finden sich sehr oft auch Symptome von Druck und Reizung im Schlünde und den an­grenzenden Theilen hinzu. Die Thiere benehmen sich bei und nach dem Futtergenuss unruhig, ängstlich, sie schütteln öfters mit dem Kopf und Halse, recken den lelztern bald gerade aus, bald krümmen sie ihn wieder, und zuweilen tritt Erbrechen und Angstschweiss hinzu; später­hin, wenn erst die Ausdehnung bis zu einem gewissen Grade gediehen ist, pflegen diese Symptome nicht mehr zu erscheinen und die Thiere können mit derselben viele Jahre lang, ohne durch die Geschwulst beunruhigt zu werden, forlleben und dieselbe ist dann fast nur als ein blosser Schönheitsfehler zu betrachlen. — In einzelnen Fällen verhärtet sieh jedoch die in der Geschwulst enthaltene Fullermasse, drückt und reizt auf die umgebenden Tbeile. erregt Entzündung, welche sich auf die umliegenden Thcilc und namentlich auf das Brustfell fortpflanzt und hierdurch hebensgefahr herbeiführt.
Die Ursacheu bestehen zuweilen in Venvundungen, bei welchen die Muskelhaut getrennt und nicht wieder vereiniget worden 1st, oder in Horn- und Deichselstösseiij welche den Schlund betreffen und eine Zerreissung der Muskclhaul, und in Folge dessen ein Hervortreten der schlall'en Schleimhaut, Eindringen des Füllers und Getränks und hierdurch allmälig die starke Ausweitung des Schlundes veranlassen. Zuweilen scheinen auch fremde Körper, welche sich im Innern des Schlundes festsetzen, durch ihren Druck oder durch wirkliche Ver­letzung die Entwickelung dieser Ausdelnuingcn zu bedingen.
Die Prognosis ist mit Rücksicht auf das, was bereits im Vorher­gehenden über den Verlauf des Uebeis gesagt worden ist und mit Rücksiebt auf den Grad der Entwickelung der Ausdehnung und die etwa schon eingetretenen besonderen Zufalle einzurichten. In Betreff der Heilung lehrt die Erfahrung, dass der Schlundbruch durch die Na-lurheilkraft nicht gehoben wird und durch Kunsthülfe nur mittelst ei­ner Operation, bald mehr bald weniger vollständig, zu beseitigen ist.
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Erweiterung des Mastdarms.
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Die Kur ist durch folgende einfache Operation zu bewirken, zu wel­cher man ohne Zeitverlust schreitet. Zur Ausführung derselben legt man am besten das Thier auf die gesunde Seite nieder, nachdem das Pferd kurz vorher Fulter erhalten und die Geschwulst durch dasselbe recht vollgefüllt worden ist; denn in diesem Zustande tritt sie über die Carotis und 'die Drosselvene mehr frei hervor und die Operation wird dadurch wesentlich erleichtert. Man scheert auf der Geschwulst die Haare ab, durchschneidet die Haut und den Hautmuskel in der ganzen Länge der Geschwulst, so dass die letztere in die Wunde hineinragt; nun er­greift man dieselbe mit einem Haken und zieht sie etwas damit hervor, trennt ihre Seitenflächen von den umgebenden Theilen bis an den Schlund ab, entleert dann durch Drücken den Inhalt der Geschwulst und schneidet hierauf die Seitenwände derselben in ihrer ganzen Länge so weit mit der Scheere ab, dass die zurückbleibenden Ränder bei ihrer Zusarnmenlugung der normalen Weite des Schlundes, an dem gesunden Theile desselben, entsprechen. Hierauf heftet mau die Ränder wie bei einer Längenwunde des Schlundes und behandelt dann das Thier wei­ter, wie es S. 377 gelehrt worden ist, so dass die Heilung wo mög lieh durch schnelle Vereinigung erfolgt.
Sechstes Caphel.
Erweiterung des Mastdarms.
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Bei Pferden kommt zuweilen eine Erweiterung des Mastdarms in einem solchen enormen Grade vor, dass dieser Darm den grösslen Theil des Beckens ausfüllt. Dieser Zustand ist immer mit einer lähmuugs-artigen Unthätigkeit des Darms verbunden und vielleicht nur eiue'Eolge derselben. Es entsteht dadurch eine übermässige Anhäufung von Ex­krementen in dem Darm und zwar gewohnlich so lange, bis mau die­selben künstlich mit der Hand oder durch Klystiere entfernt. Das Aus­bleiben der Kothausleerungen während einer langem Zeit, zuweilen während 36 — 48 Stunden, giebt das erste Merkmal von dem Dasein dieses Zustandes ab, und wenn man in Folge dessen das Rectum mit der Hand untersucht, iindet mau die vorhin erwähnte grosse Anhäu­fung von Koth und bei Pferden die Wände des Darms so weit aus­gedehnt, dass selbst über die vollständig auseinandergebreiteteu Finger hinaus noch ein freier Spielraum bleibt. Nach geschehener Ausleerung sammelt sich in längerer Zeit wieder eine neue Kothmasse u. s. w.
Die Ursachen dieses Zustandes sind bis jetzt völlig unbekannt.
Die ßeurlheilung ist bei frischen Zuständen der Art, zweifelhaft, bei veralteten aber ungünstig zu machen, denn es lässt sich bei den ersteren eine sichere Heilung nur sehr schwer, bei den letzteren aber gewöhnlich nur eine geringe Verbesserung bewirken.
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Erweiterung des Mastdarms. Behandlung.
Die Behandlung muss zunächst darauf gerichtet sein, jede Koth­anhäufung zu verhüten, und dann in den Häuten des Mastdarms die Reizbarkeit und Contraktilität so viel wie möglich wieder herzustellen. Für beide Zwecke applizirt man in der ersten Zeit der Behandlung täglich 3 Mal ein Klystier von kaltem Wasser und räumt nöthigenfalls, wenn in einer halben Stunde hiernach nicht von selbst Kólhausleerung erfolgt, den Koth mit der Hand aus. Nach etwa 14 tägiger Anwendung der kalten Klystiere geht man zu Injektionen von aromatischen und noch später zu aromatischen und adstringirenden Mitteln über; man darf dieselben jedoch nur in massigen Quantitäten anwenden, etwa zu 8—12 Unzen auf einmal. Bei völlig veraltetem Zustande sind diesel­ben Mittel mit Zusatz von Eisenvitriol, oder von Alaun und ausscrdem Einströmungen der galvanischen Elektrizität mittelst eines in das Rectum eingeleiteten Drahtes zu versuchen. Der Draht muss jedoch an der Stelle, wo er durch die Aftermündung geht, mit einem Korkpfropfen umgeben sein. Die Anwendung dieser Slitlel kann täglich 2 auch 3 Mal erfolgen, aber wesentlich ist es, dass man auch hier durch Ausräumen des Kothes mit der Hand jede Anhäufung desselben vermeidet. Inner­lich kann man den Thieren von Zeit zu Zeit eine massige Gabe Aloe, oder Coloquinten und abwechselnd durch einige Zeit fortgeselzt bit-lererregende und tonische Mittel in Verbindung mit kleinen Gaben von Nux Vomica geben.
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Zehnte Classe.
Krankhafte Verengernngen und Verkürzungen. Erster Abschnitf.
Von den Verengerungen und Verkürzungen im Allgemeinen.
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Man findet nicht selten in denjenigen Weichgebildcn, welche eine Höhle oder einen Kanal darstellen, ihre innern Räume vermindert, und andere, namentlich die Muskeln und Sehnen, in ihren Fasern verkürzt. Die auf die erstere Weise entstandenen krankhaften Zustände bezeichnet mau als Verengerungen (Stenosen oder Stenochorien) und wenn in den Kanälen einzelne hervorspringende Wülste diese Verengerungen bil­den, werden sie Stricturen genannt; die Abnormitäten in den Mus­keln und Sehnen dagegen nennt man Con tra et uren. J)ie ersteren entstehen theils durch zufällige Einwirkungen und durch pathologische Veränderungen in Folge des Entzündungsprozesses, namentlich durch Ausschwitzung von Faserstoff und Wucherung der Schleimhaut, des Zellgewebes oder auch anderer Gebilde und sie bestehen daher mehren-theils in Verdickung des Gewebes, seltener in krampfhaften Zusam­menschnürungen oder in einer bloss vermehrten Contraktilität der Fa­sern und Gewebe. Bei den Contracturen verhält es sich hinsichtlich der Ursachen und des pathologischen Zustandes ähnlich; sie bestehen zum grossen Theil in einer Verdichtung des Muskel- und Seimengewebes durch ausgeschwitzten Faserstoff, seltener in einer bloss dynamischen vermehrten Zusammenziehungskrafl der Fasern. Im letztern Falle ist der Zustand gewöhnlich nur von kurzer Dauer, im ersteren Falle aber in der Regel andauernd durch das ganze Leben.
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G22
Verengerungen und Verkürzungen im Allgemeinen.
Die Diagnosis dieser Zustände ist melu-enlLeils ziemlich leicht. Man sieht bei den Stenosen eine mangelhafte Ausleerung oder einen
f estörten Durchgang von Säften durch die verengerten Kanäle und in 'olge dessen Anhäufungen dieser Säfte hinter der verengerten Stelle, zuweilen dadurch wieder Ausdehnungen dieser Stellen, wo die Anhäu­fung stallündet; zuweilen zeigen die Thicre auch Störung in der Em­pfindung und Bewegung der betreffenden Theile, indem durch die An­häufung von Säften, Druck und Spannung theils in dem betreffenden Organ, theils auch in den umgebenden Theilcn entsteht. Bei der Unter­suchung des verengeten Kanals mitlelst der Sonde und des Fingers fühlt mau die Verengung gewöhnlich ganz deutlich, namentlich die Strictureu, indem diese dem vorwärtsgleitenden Instrument an der sonst glatten Oberfläche des Kanals ein Hindcrniss entgegenstellen.
Die Conlracturen der Muskeln und Sehnen lassen sich an der ver­änderten Stellung und Richtung des Gliedes, zu welchem die betreffen­den Muskeln gehören, und an einer verminderten Beweglichkeit desselben, so wie an der grössern Spannung, zuweilen auch an einer fühlbaren Anschwellnng der Muskeln und Sehneu selbst erkennen. In Belreff der veränderten Stellung und Richtung bemerkt mau, dass das Glied immer einen Bogen nach der Seite hin bildet, an welcher eben die ver­kürzten Sehnen und Muskeln sich befinden; in der Regel sind dies die Beugesehnen und man findet z. B. bei der Coulractur derselben die Vorderfüsse im Knie etwas gebogen, die Kniee selbst etwas mehr nach voi'ne stehend, hauptsächlich aber die Fesselbeinc von ihrer schrägen nach vorn gerichteten Stellung abweichend mehr nach unten und hinten gezogen, so dass sie zuweilen ganz senkrecht slehen und der Fuss dann deu sogenannten Stelzfuss darstellt. Eben so ist bei Conlractu­ren der Halsmuskeln der Hals nach einer Seile verzogen und bei Con­lracturen an den Schwcifmuskcln ist der Schweif aach derjenigen Seite gerichtet, an welcher eben die Contractur besteht.
Von denjenigen Verkrümmungen der Gliedmasscu, des Schweifes Und des Halses, welche durch Erschlaffung der Muskeln der einen Seile entstehen, unterscheiden sich die wirklichen Conlracturen dadurch, dass bei den letzteren die Bewegung von der durch die Contractur beding­ten Richtung zur onlgegengesetzten Seite immer sehr schwer, dagegen bei den ersleren Zuständen immer sehr leicht zu bewirken ist; und von den durch Entzündungsgeschwulst erzeuglen symptomatischen Ver­kürzungen und Verengungen unterscheiden sich die Stenosen und Contracturen durch ihren chronischen Zustand und durch den Mangel an Entzündungssymptomen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,
Die Beurlheilung ist im Ganzen bei diesen Zuständen nicht beson­ders günstig zu machen, da sie der Erfahrung zufolge schwer zu be­seitigen sind, namentlich wenn sie bereits seit längerer Zeit bestanden haben und mit organischer Veränderung in bedeutendem Grade ver­bunden sind; verhältnisstnässig am besten sind noch die partiellen Stric­turen zu beurtheilen, da man sie theils durch schneidende Instrumente, theils auch in manchen Fällen durch Aetzmittel beseitigen kann. Sich selbst überlassen nehmen gewöhnlich diese Zustände allmälig zu und stören durch die gehemmten Ausleerungen das Wohlbefinden, und durch
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Die Verengang des äussern Gehörganges.
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die Verkrümmungen mindern sie die Kraft und die Dienstbrauchbarkeit der Thiere.
Die Behandlung ist bei den Verengerungen in denjenigen Fällen, wo die Wände durch Exsudate verdickt sind, auf Beförderung der Re­sorption, sonst aber auf Erweiterung der Kanäle gerichtet. Die letztere kann man entweder durch allmälige mechanische Ausdehnung oder mit­telst Durchschneidung der verengten Stellen, oder durch Zerstörung derselben mittelst der Aetzmiltel oder des glühenden Eisens zu bewir­ken suchen.
Bei den Contractureu muss man in denjenigen Fällen, wo die Sub­stanz der Muskeln und Sehnen nicht zu bedeutend verändert ist, durch erweichende und erschlaffende Mittel mit gleichzeitig angewendeter all-mäliger Ausdehnung den Zustand zu beseitigen suchen, bei weit gedie­hener Verkürzung aber, namentlich wo Verdickung und Verhärtung des Muskel- und Sehnengewebes besieht, muss die Durchsehneidung des­selben und hiernach die Wiederheilung im hinreichend ausgedehnten Zustande der Muskeln bei möglichst normaler Stellung des Gliedes be­wirkt werden. Die Erfahrungen der neuern Zeit haben diese Opera­tionen als die erfolgreichsten Mittel bei solchen veralteten Contracturen bestätiget.
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Zweiter Abschnitt.
Von den Verengerungen und Verkürzungen im Speziellen.
Erstes Capitel.
Die Verengerung des äussern Gehörganges.
Der äussere Gehörgaug verenget sich zuweilen bei den verschie­denen Hauslhieren dadurch, dass die ihn auskleidende Haut sich all-mälig mehr verdickt. Es geschieht fast immer durch schleichende Entzündungen und zuweilen durch Ulceralioncn dieser Haut. Im letz­leren Falle ist die Verengung zuweilen gleichzeitig durch üppige Gra­nulation oder durch warzenähnliche Auswüchse verursacht.
Man erkennt das Uebel daran, dass die Thiere auf das betrefiende Ohr nicht mehr so deutlich, wie im gesunden Zustande hören, dass sie oft mit dem Kopfe schütteln und dass, wenn man die örtliche Un­tersuchung mit dem Finger unternimmt, derselbe nicht mehr so frei
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Die Verengerung der Luftröhre.
uud leicht, wie im gesunden Zustande dieses Thcils, eindringen kann, zuweilen ist bei kleinen Thieren selbt eine Sonde kaum einzuführen.
Die Beurtheilung ist ungünstig, da sich hier nur sehr mühsam und unvollständig ein erweiternder Druck anbringen lässt und auch die ope­rative Erweiterung nicht gut zu bewirken ist.
Die Kur. Man versucht zuerst durch auflösende und resorbirende Mittel, namentlich eine Auflösung von Potasche oder von Jodkali, oder die graue Merkurialsalbe, oder die Jodsalbe eine verstärkte Resorption au erregen und, — wenn nach etwa 2 — 3 wöchenllichem Gebrauch dieser Mittel eine Besserung nicht wahrzunehmen ist, den Gehörgang selbst mechanisch zu erweitern; für den letztem Zweck bringt man ein der vorhandenen Oelfnuug angemessen dickes Stückchen Pressschwamm1) im trockenen Zustande in den Gehörgang, befeuchtet dasselbe ober­flächlich etwas und legt eine fest anschliessende Bandage darüber. Am folgenden Tage entfernt man den Schwanmi, reiniget den Gehürgang mit Seifenwasser und bringt ein neues Stückchen Pressschwamm, wel­ches etwa eine halbe bis ganze Linie im Durchmesser dicker ist, in den Kanal, und fährt in derselben Weise durch etwa 6 — 8 Tage lang fort. Zuweilen ist in dieser Zeit die angemessene Erweiterung des Ge­hörgangs bewirkt, in anderen Fällen aber muss die Behandlung noch durch mehrere Tage forlgesetzt werden und zuweilen muss man sie auch nach einiger Zeit wieder erneuern, wenn die Verengerung einen Rückfall macht.
Zweites Capital.
Die Verengerung der Luftröhre.
Die Luftröhre ist bei Pferden und Rindern häufig, bei anderen Thieren aber sehr selten einer theilweisen Verengerung ausgesetzt und zwar entweder in der Art, dass dieselbe von einer Seite zur andern zusammengedrückt ist und somit ihren fast kreisrunden Umfang verloren hat, oder so, dass ein Knorpelring oder mehrere Ringe nach innen eingedrückt sind und dadurch den Raum in dem Lumen verengen; :— oder dass die Schleimhaut weit über die normale Stärke verdickt ist. Der erstere Zustand ist in den meisten Fällen augeboren, der zweite
') Man bereitet denselben, indem man gewöhnlichen Badeschwamm im feuchten Zustande von allen Seiten mit Bindfaden möglichst fest umwickelt und ihn so im stark zusammengepressten Zustande trocknen lässt. Man kann dann Stückchen in beliebiger Form aus ihm schneiden, welche bei dem Feucht­werden mehr als die zweifache Grosse erreichen und hierdurch die belrefTenden Theile auf sanfte Weise aus einander treiben.
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Die Verengerung des Schlundes.
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aber gewöhnlich die Folge mechanischer Verletzungen, namenllich star­ker Stösse mit der Deichsel, mit den Hörnern von anderen Thieren, von Hufschlägen, von dem Druck an dem scharfen Rande einer zu hohen Krippe u. dgl.; und der drille Zustand ist immer die Folge von Ent­zündungen der Schleimhaut bei Bronchitis oder auch bei Verwundungen, und daher auch zuweilen eine Folge der Trachcotomie.
Diejenigen Verengerungen der Luftröhre, welche in Veränderung der Knorpelringe begründet sind, geben sich örtlich durch den vermin­derten und ungleichen Umfang der Luftröhre bei dem Besehen und Befühlen deutlich zu erkennen, aber diejenigen, welche durch plastische Verdickungen der Schleimhaut entstanden sind, lassen sich nur mit einiger Wahrscheinliclikeit aus den Athenibcschwerden vermnthen, welche zu denselben treten, wenn die Verengerung einen hohem Grad der Ausbildung erreicht hat. Auch zu den erslercn Arten der Verengerung finden sich bei dem hohem Grade diese Athembeschwerden ein, und dieselben äussern sich ganz in derselben Weise, wie dies bei den Ver­wundungen der Rachenhöhle S. 366 in der sogenannten Hartschnaufig-keit angegeben worden ist.
Die Beurtheilung. Die Verengerungen der Luftröhre sind niemals vollständig zu heilen, sondern nur in ihren störenden Wirkungen hin­sichtlich der Respiration zu mindern, und zwar nur durch die Tracheo-lomie. Sich selbst überlassen stören sie das Allnnen fortdauernd und machen die Thiere zum schnellen Dienst und zum schweren Ziehen auf weichem Boden bald mehr bald weniger unbrauchbar, je nachdem der Grad der Verengerung ausgebildet ist. Es verhält sich in dieser Hin­sicht mit ihnen ganz so, wie dies Seite 366 hinsichtlich der sogenann­ten Hartschnaufigkeil angegeben ist. — Die Hülfe besteht hier nur in der künstlichen Erölfnung der Luftröhre unterhalb der verengeten Stelle und in dem Einlegen einer Röhre, beides nach Vorschrift von Seite 367 bis 370.
Diitles Capitel.
Die Verengerung des Schlundes
raquo; Verengerungen des Schlundes kommen bei unseren Hausthleren ausseist selten vor und sind in den meisten Fällen schwer zu erken­nen. Sie äussern sich dadurch, dass die Thiere Futter und Getränk nur mühsam verschlucken, dabei unruhige Bewegungen machen, den Hals abwechselnd strecken und krümmen und dass selbst zuweilen ein Theil der verschluckten Stoffe durch das Maul oder bei Pferden durch die Nase wieder zurückkehren; zuweilen dehnt sich der Theil des Schlundes über der verenceten Stelle etwas aus und tritt bei dem Ge-
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Die Verengerung der Harnröhre.
nuss von Nahrung und Getränk mebr sichtbar au der Seite des Halses hervor, zieht sich aber nach staltgefundcnem Verschlucken oder Zurück-fliessen der halb verschluckten Sloiïe gleich wieder zusammen. Bei der örtlichen Untersuchung gelingt es zuweilen, während das Thier Nahrungsmittel verschlingt, die verengde Stelle daran zu erkennen, dass an ihr die sichtbare wurmlormige Bewegung nicht stattfindet; und bei innerlicher Untersuchung vcrmillelst einer an einem Ende mit einem kleinen Schwamm versehenen Sonde kann man diese Stelle durch das hier erschwerte Durchbriugen derselben noch deutlicher er­kennen.
Die Ursachen sind zuweilen mechanische Verletzungen, in den mei­sten Fällen aber unbekannt.
Die Beurlheilung ist ungünstig, da man zur Heilung des Zustan-des fast gar nichts tlmn kann; doch können die Thiere bei einem massigen Grade der Verengerung sich sehr lange im brauchbaren Zu­stande erhallen.
Die Behandhujg ist nur auf die Anwendung erweichender und narkotischer Mittel beschränkt, und wo die Verengerung bereits einen so hohen Grad erreicht hat, dass der Fultcrbisscn von festen Nahrungs mittela nicht mein- durch sie hiedurchgehen kann, inuss man die Thiere mit weichen und lliissigen Nahrungsmitteln zu erhallen suchen.
Viertes Capüel. Die Verengerung der Harnröhre.
Dieselbe kommt bei männlichen Thieren verschiedener Gattungen zuweilen nach vorausgegangenen Verletzungen und Enlzündinigen, na­mentlich nach dem Harnröhrensteinschnilt vor und glebt sich dadurch zu erkennen, dass die Thiere den Urin nur in einem ganz dünnen Strahle und mit grosser Anstrengung, bei einem hohen Grade des Uebels selbst nur in einzelnen Tropfen entleeren, wobei man zugleich die Urin­blase stark ausgedehnt, aber weder in ihr am Blascnhalse, noch im Verlaufe der Harnröhre einen Stein entdecken kann. Bei dem Einfüh­ren einer Sonde giebt sich die Verengerung durch Widersland gegen dieselbe an der belreUcndcn Stelle zu erkennen.
Die Beurtheilung ist eiuigcrmassen günstig zu machen, denn wenn­gleich die Verengerung selbst nicht gründlich gehoben werden kann, so ist doch den üblen Folgen, welche aus derselben durch die Zurückhal­tung des Urins entstellen können, namentlich dem Bersten der Blase, durch die Eröfihung der Harnröhre und durch das Einlegen einer Röhre vorzubeugen. Sich selbst überlassen treten aber diese üblen Folgen bald früher bald später gewöhnlich ein und können bei nicht rechtzei­tiger Hülfe den Tod des Thieres dadurch herbeiführen, dass der Urin
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Verengerungen der Vorhaut.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;627
bei ilem Bersten der Blase in die Bauchhöhle sich er^iessl und eine Peritonitis erzeugt, welche stets lödtlich endet
Die Behandlung. Befindet sich die Yerengcrung iu der Harnröhre nahe der Eichel, so kann man die untere Wand der Harnröhre, oder wo nur eine Striclur besteht, diese letztere bis zur normal weiten Parthie der Harnröhre durchschneiden und dann die Vernarbung durch gelind adstringirende Mittel, namentlich durch öfteres Bestreichen mit Cerat. saturni befördern. Ist aber die Verengerung an einer holier gele­genen Stelle, so kann man versuchen, sie durch eingelegte Darmsaiten, welche immer mehrere Stunden liegen bleiben und durch allmälig dickere Saiten ersetzt werden müssen, allmälig zu erweitern. Gelingt dies jedoch nicht, oder wünscht der Eigcnlhümer schneller zu einem Resultat zu gelan­gen, so muss die Harnröhre oberhalb der Verengung geöflnet und dann durch eine in sie gelegte Röhre beständig offen erhalten werden. Eine solche Röhre wird von Blei in Form eines |— und in angemessener Dicke angefertiget; das obere Ende des senkrechten Theils und der horizontale Tlicil sind durchbohrt, das untere Ende des ersteren aber nicht. Man bringt zuerst jenes obere Ende des senkrechten Schenkels in die Harnröhre nach oben und presst dann auch das untere Ende dieses Schenkels in die Harnröhre nach unten, der horizontale Theil muss durch die Wunde nach aussen hervorragen. Um das Einbringen der Röhre zu erleichtern, ist es nöthig, die Wunde in angemessener Länge zu machen und nach dem Einbringen der Röhre nölhigenfalls ein oder zwei Hefte in die Hautränder zu legen. Die Röhre heilt förmlich ein und der Urin vyird durch sie ausgeleert, dem äussern Ansehen nach fast wie bei weiblichen Thieren.
Fünftes Capitel.
Verengerungen der Vorhaut (des Schlauches). Phimosia und Paraphimosis.
Die Vorhaut (der Schlauch) verengert sich sowohl an ihrer Mün­dung vor dem männlichen Gliede, wie auch zuweilen an dessen hin­term Ende, wenn es vorher aus ihr getreten ist. Im erstem Falle wird der Zustand mit dem Namen Phimosis, im letztern als Paraphi­mosis bezeichnet. Die Phimosis entsteht gewöhnlich in Folge von Ent­zündungen und dabei erfolgten Ausschwitzungen am vordem Ende der Vorhaut, nach Schlägen, nach Stössen, Verwundungen, Anätzungen und dergleichen. — Man erkennt sie daran, dass das Thier bei dem Urini­ren das Glied nicht mehr aus der Mündung der Vorhaut hervorbriugt, sondern den Urin in dieselbe gehen lässt; ferner daran, dass man bei der örtlichen Untersuchung den Eingang in die Vorhaut sehr verengert
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Verengerungen der Vorhaut. Behandlung.
und dabei gewöhnlich die Haut selbst verdickt, zusammengeschrumpft oder selbst verhärtet findet.
Die Paraphimosis entsteht am häufigsten bei Hunden und bei Hengsten in Folge übennässiger Erregung des Geschlechtstriebes und bei fruchtlosen Versuchen, denselben auszuüben, wenn die Thiere mit dem in Erektion befindlichen und hervorgestreckten Gliede längere Zeit herumgehen und dabei die Vorhaut durch Friktionen beständig gereizt und zu einer krankhaften vermehrten Contraktion gebracht wird. Sie schnürt dann das männliche Glied an dem hintern Ende desselben gleichsam ein, hindert den Kückiluss des Blutes und dadurch entsteht eine um desto grössere Anschwellung des Gliedes. Zuweilen entstellt die Paraphimosis auch, wenn das letztere in Folge von Entzündung, oder von Verwundung, oder auch von Lähmung stark angeschwollen und aus der Vorhaut hervorgetreten ist; durch diese Anschwellung wird ein Druck auf die Mündung der Vorhaut erzeugt und hierdurch eine krankhaft vermehrte Conlraklion derselben hervorgerufen. Das Glied ragt in jedem Falle enlblösst über die Vorhaut hervor, die lesztere ist hinter demselben stark zusammengezogen, so dass man kaum eine Sonde zwischen beide Theile einfühlen kann; das Glied selbst ist dabei in der Regel, wie bereits erwähnt, stark angeschwollen, dunkel geröthet und in der ersten Zeit vermehrt warm und schmerzhaft, bei längerer Dauer des Uebels aber wird es kalt und unempfindlich.
Die Beurtheilung ist im Allgemeinen bei beiden Formen des Uebels ziemlich günstig zu machen, jedoch muss bei Zeilen Hülfe gebracht werden, und ausserdem ist in einzelnen Fällen das ursprüngliche Leiden oder die Art der Ursachen dabei zu beiücksichtigeu. In den nieisten Fällen kann man bei der Phimosis die Mündung der Vorhaut leicht erweitern und die üblen Folgen, welche von ihr entstehen, verhüten; wird aber die Hülfe zu spät gesucht, so können die bei der Entzündung der Vorhaut Seite 152 angeführten üblen Folgen entstehen, welche, wie dort angegeben, allerdings schwerer zu beseitigen sind. Bei der Paraphimosis lässt sich im frischen Zustande in der Regel die Zurück­bringung des Gliedes in die Vorhaut uud dadurch die Heilung des Uebels ohne weitere üble Folgen bewirken; zuweilen entsteht aber dennoch in Folge der starken Reizung der Schleimhaut des männlichen Gliedes eine abnorm vermehrte uud lange Zeit andauernde Schleim-absonderung (Blennorrhoe); in anderen Fällen aber, wo das Uebel durch längere Zeit bestanden hat, entsteht selbst Entzündung und bran­dige Absterbung, oder auch Lähmung des männlichen Gliedes. Sind andere krankhafte Zustände bereits vor dem Entstehen der Verenge­rungen zugegen gewesen oder in Folge derselben entstanden, wie z. B. Entzündung der innern Haut des Schlauches, Uleeralion oder Warzcn-bildung an der aussein Fläche des Gliedes, oder Lähmung desselben, so ist die Beurtheilung zugleich auf diese Zustände zu richten, wie dies Seite 152, 153 11'. angedeutet worden ist.
#9632; Die Behandlung kann bei der Phimosis, wenn dieselbe in einem gelinden Grade und erst seit kurzer Zeit besieht, mit erweichenden und zertheilenden Mitteln versucht werden, wie namentlich mit warmen Breiumschlägen von schleimigen und narkotischen Mittetn, mit Auflö­sungen der Potasche und mit Einreibungen der grauen Quecksilbersalbe,
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Verengern ngen der Vorhaut. Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 629
der grünen Seife, der Jodsalbe und dergleichen. Dabei kann man durch Einspressen eines Schwammes in die Mündung der Vorbaut versuchen, dieselbe allmälig zu erweitern. Fruchten aber diese Mittel nichts, oder ist das Uebel bereits seit längerer Zeit -vorhanden, die Haut und das Zellgewebe callös oder auch scirrhös verhärtet, bestellt bereits Ausfluss einer übel riechenden Feuchtigkeit aus dem Schlauche und inuss man hieraus auf Ulceration, oder auf vorhandene Feigwarzen und ähnliche Auswüchse schliesscn, so bleibt nichts anderes übrig, als die Vorhaut an ihrer untern Seite so weit aufzuspalten, dass man zu den kraukhaflen Thcilen im Innern gelangen und dass der Urin aus dem männlichen Gliede frei nach aussen abfliessen kann. Das Durchschneiden der Wand der Vorhaut kann bei ruhigen und wenig empfindlichen Thieren Im Slchen geschehen, bei sehr reizbaren Thieren aber am besten im Liegen derselben. Die Operation selbst geschieht mittelst eines Knopf­bistouris und der vorher eingeleiteten Hohlsonde, oder auf einem ein­geführten Finger von innen nach aussen und in der Länge, dass die vorhin bezeichneten Zwecke erreicht werden.
Die Nachbehandlung geschieht dann so, wie dies S. 154 u. ferner angedeutet worden ist.
Die Paraphimosis sucht man, je nach dem bestehenden Zustande, zu beseitigen, indem man bei vorhandener entzündlicher Reizung zuerst Umschläge und recht fleissig wiederholte Befeuchtungen von recht kal­tem Wasser, von Schnee oder Eis auf das Glied und die Vorhaut ap-plizirt und dann, wenn das erstere seine dunklere Röthung verliertnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;j
und die Anschwellung sich mindert, die Zurückbringung auf die Weise versucht, dass man die Vorhaut an dem untern Theile ihres Randes mit den Fingern ergreift, sie möglichst stark von dem Leibe abzieht, sie somit etwas erweitert und dann über den vordem Theil des Gliedes hinwegzieht. — Bestellt aber passive Anschwellung durch Infiltration von Blut und Serum in dem Gliede, so macht man Einschnitte in die Schleimhaut desselben an seiner untern Seile, oder man führt Einstiche selbst bis in die schwammigen Körper, jedoch mit Vermeidung der Harnröhre, und lässt durch öfteres Befeuchten mit lauwarmem Wasser die reichliche Ausblutung befördern; dann aber versucht man die Zu­rückbringung des Gliedes theils vermittelst der eben angegebenen Er­weiterung der Vorhaut und zugleich mittelst eines massigen Druckes auf das Glied selbst in der Richtung zu der Höhle der Vorhaut. — Ist aber die Anschwellung des Gliedes sehr bedeutend und dasselbe bereits kalt und unempfindlich, so können zwar die Scarifikationen des Gliedes angewendet werden, gleichzeitig aber, oder unmittelbar darauf, muss man die Vorhaut an dem untern Theile ihres Randes in der Mitte so weit aufspalten, dass die Einschnürung des Gliedes vollständig ge­hoben wird und letzteres in die Vorhaut leicht zurückgebracht werden kann. Für diesen Zweck führt man an der bezeichneten Stelle zwi­schen das Glied und die Vorhaut eine Hohlsonde, die Rinne derselben nach aussen gerichtet, und bewirkt dann mittelst eines geraden oder eines Knopfbistouris die Durchsclmeidung auf einer Länge bei Pferden und Rindvieh von circa einem Zoll und bei kleinen Thieren von circa einem halben Zoll. Hierauf geschieht die Zurückbringung durch einen gelinden und geschickt geleiteten Druck. Wenn aber das zurückge-
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Verkürzung der Ohrmuskeln.
brachte Glied entweder wegen übermässiger Anscbwclluug nicht Raum
f enug in dem Schlauche findet, oder wenn es wegen Lähmung und Irschlaflung beständig wieder hervorfällt, so muss man es vermittelst einer Tragebinde (Suspensorium) unterstützen und die angemessenen Mittel zur Beseitigung des pathologischen Zustaudes anwenden.
i
Sechstes Capitel.
Die Verkürzung der Muskeln und Sehnen.
Ifli
Die Muskeln und Sehnen verkürzen sich, wie bereits im ersten Abschnitte angedeutet, an verschiedenen Körpcrtheilen und zwar auf eine zweifache Weise, nämlich indem bloss eine krankhaft vermehrte und andauernde Zusammenziehung ihrer Fasern ohne weitere patholo­gische Veränderung entsteht, oder indem zugleich Ausschwitzung von Faserstoll' zwischen die Muskel- und Sehnenfasern und somit eine or­ganische Veränderung in dem Gewebe der Theile sieh bildet. Im er­stem Falle findet man die betreireuden Muskeln und Seimen äusserlich in ihrem Volumen nicht vermehrt, sondern, zuweilen entgegengeseizt, vermindert, und bei dem Befühlen hinsichtlich ihrer Textur von dem gesunden Zustande wenig abweichend, höchstens ein wenig mehr, als im normalen Zustande, gespannt; in dem zweiten-Falle erscheinen aber die Muskeln und Sehnen in ihrem Volumen etwas vermehrt und bei dem Befühlen mehr derb, ja zuweilen wirklich hart, so namentlich die Sehnen. Im Uebrigen ist die Stellung und Kichlung der betroffenen Theile, so wie die Beweglichkeit derselben in der Art verändert, wie dies in dem ersten Abschnitt angedeutet worden ist.
Die wichtigsten Contrakturen sind folgende:
a. Die Contraktur der Aufhebemuskeln des Ohrs. Die 11a-senohrigkeit. Man sieht bei derselben ein Ohr oder beide beständig steif in die Höhe gerichtet und seine Beweglichkeit vermindert; bei der örtlichen Untersuchung sieht und fühlt man die Aufheber über dem Genick und an der Basis der Ohrmuschel au der innern Seite derselben sehr gespannt und man kann selbst mit der Hand die Ohrmuschel wenig oder gar nicht nach unten ziehen.
Die Ursachen sind in der Regel Quetschungen und andere Ver­letzungen der genannten Muskeln und zuweilen auch der Haut.
Die Beurthcilung ist ziemlich günstig zu machen, da dieser Zu­stand keine üble Folgen verursacht, sondern nur einen Schönheitsfehler darstellt, und da man ausserdem ihn durch eine kleine Operation sicher beseitigen kann.
Diese Operation besteht in der subeulanen Durchschneidung der
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Verkümuijï der Ohrmuskeln.
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Aufliebemuskeln und -wird, nach Wieners 1), auf folgende quot;Weise aus­geführt: Das Pferd wird mit einer starken Halfter bekleidet, an eine Nothwaad gestellt und kurz an dieselbe angebunden. (Bei dem Liegen des ïhieres kann man nicht ricbtig beurtheilen, ob die Wirkung des Schnittes genügend ist oder ob letzterer noch vergrössert werden muss. Bei sehr lebhaften Pferden wird es aber dennoch besser sein, dieselben zur Operation niederzulegen.) Der Operateur stellt sieh auf einen Klotz oder andern Gegenstand, welcher etwa einen Schritt weit vor die Füsse des Pferdes gelegt wird und nach der Grosse des letztern circa 1 bis l^ Fuss hoch sein rauss. Man zieht mit der linken Hand das betref­fende Ohr seitlich etwas vom Kopfe weg, um hierdurch die Aufhebe­muskeln möglichst zu spannen, sticht dann ein ganz schmales Messer, oder ein sogenanntes Tenotom, die Schneide desselben nach oben ge­kehrt, in der Mitte zwischen der Mähne und der Ohrmuschel in die Haut, und geht unter dem langen und mittlern Aufheber des Ohrs durch und durchschneidet dann, ohne die Oelfnung der Wunde zu er­weitern, mit einer ziehenden Bewegung der Hand den mittlern Aufheber von unten nach oben. Da zuweilen mit dieser Durchsehneidung das Ohr eine hinreichende Senkung und Beweglichkeit erhält, so zieht mau das Messer zurück und sieht zu, wie die Wirkung des Schnittes sich zeigt. Ist dieselbe nicht genügend, so führt man das Messer wieder vorsichlig durch die Hautwunde ein bis auf den Schildknorpcl, und durchschneidet durch Hebung des Messers von unten nach oben den kurzen Aufheber, worauf gewöhnlich das Ohr eine gute Stellung an­nimmt; sollte dies jedoch nicht geschehen, so ist auch die Durchsehnei­dung des langen Aufhebers noch in derselben Weise, wie bei den vori­gen Muskeln, zu bewirken. — Wenn das Ohr nicht nur eine zu starke Annäherung gegen die ftlittellinie, sondern zugleich auch eine zu starke Drehung nach aussen und hinten hat, und diese fehlerhafte Stellung durch die vorige Operation nicht gebessert wird, so kann man nachträglich auch den langen Auswärtsziehcr, und zwar am besten nahe an der Ohrmuschel, in ähnlicher Weise unter der Haut durchschneiden. Die bei diesen Durchschneidungen entstehende Blutung kann während der
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oder
Operation durch massig starkes
Schwammes gegen die Basis der Ohrmuschel unterhalb der verletzten Stelle, — nach der Operation aber durch folgenden Verband gestillt werden. Man drückt zuerst die in die Wunde gedrungene Luft und das in ihr enthaltene Blut mittelst gelinden Streichens gegen die äussere Oeffnung aus, legt dann eiuen etwa 1 GZoll grossen Tampon von Werg auf die Haut an der verwundeten Stelle und darüber ein paar Streifen Heftpflaster in kreuzweiser Rieht uug, so dass die Enden der­selben an der Haut vor und hinter dem Ohr festkleben. Zur weiteren Befestigung legt man hierauf noch eine mit Ohren versehene Kappe von fester Leinwand, welche durch Bänder unter den Kinnbacken zu­sammengezogen und an den Hals gebunden wird. Diese Kappe muss der Grosse des Kopfes und der Stellung der Ohren angemessen ge­macht sein, damit die letzteren durch sie weder zu nahe zusammen-,
#9632;) Bartels, Organ der Pferdewissenschaft. Bd. 1. Hfl. 'i. S. 112. HR. 3, S. 153,
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Verkürzung der Muskeln und Sehnen. Stelzfuss.
noch zu weit auseinandergehallen werden. Das Thier wird dann mit einem blossen Halsriemen im Stalle so angebunden, dass es sich an der opei'irlen Stelle nicht reiben kann, wessnalb die Thicre auch in den ersten 48 Stunden sich nicht niederlegen dürfen; später können sie sich unter Aufsicht niederlegen nnd nach 6 — 8 Tagen kann der ganze Ver­band entfernt werden. Findet sich unmittelbar nach der Operation eine heftige Entzündung ein, so kann man den Verband fleissig mit kaltem Wasser befeuchten, bei geringer Entzündung überlässt man den Zustand sich selbst.
b.nbsp; nbsp; Die Verkürzung des Niederziehers der Ohrmuschel findet sich zuweilen bei Pferden als eine Ursache der sogenannten Weit-ohrigkeit und giebt sich an der starken Spannung dieses Muskels am obern Ende der Parotis und an dem Widerstände kund, wenn man das Ohr mit der Hand in die Höhe heben will.
Die Beurtheilung dieser Contraktur ist ganz so zu machen, 'wie bei der sub a. bezeichneten, und die Hülfe ist auch hier vermittelst der subeutanen Durchschneidung dieses Muskels zu bewirken.
Die Vorbereitung zu dieser Operation hinsichtlich der Stellung des Pferdes ist wie bei der Durchschneidung der Aufheber. Die Durch­schneidung selbst geschieht, indem man die Haut auf der Ohrspeichel­drüse in der Richtung von hinten nach vorn so viel als möglich ver­schiebt, dann die Spitze eines Tenotoms am hinlern Hände des Mus­kels, ungefähr | Zoll unter der Ohrmuschel, durch die Haut sticht, in die Oeffnung eine Hohlsonde, die Rinne derselben nach aussen gekehrt, zwischen die Drüse und den auf ihr liegenden Muskel quer unter dem­selben hindurch schiebt und dann, in der Sonde geleitet, mit dem Te-notom den Muskel durchschneidet, indem man das Messer mit seiner Schneide bei dem Zurückziehen massig stark gegen die Haut drückt und dabei gleichzeitig die Ohrmuschel durch einen Gehülfen stark in die Höhe ziehen lässt, um den Muskel zu spannen. Nach der Durch­schneidung lässt sich das Ohr sogleich leicht in die Höhe heben. Die Blutung ist hier immer gering und durch einen gelinden Druckverband leicht zu stillen. Man legt über denselben hier nolhwendig die Kappe mit den Ohrenbeuteln und bindet die letzteren mittelst Bändchen an den Spitzen gegen einander, um hierdurch beide Ohren während der Heilung gegenseitig in aufgerichteter Stellung zu erhalten. Eine weitere Nachbehandlung ist in der Regel nicht erforderlich.
c.nbsp; nbsp; Die Verkürzung der Beugesehnen der Zehenglieder, oder des Kronen- und Hufbeinbeugers der Pferde, kommt bei den Pferden an den Vorder- und Hinterfüssen häufig, bei den übrigen Thieren aber sehr selten vor, und erzeugt im niedern Grade eine Verkrümmung, welche man an den Vorderbeinen als Vorbiegigkeit bezeichnet; in den hö­heren Graden aber verursacht sie den sogenannten Sehnenstelzfuss'). Die damit behafteten Thiere stehen in den Vorderbeinen mehr oder weniger krumm, halten die Knie (Fusswurzel) im stumpfen Winkel
') Zur Unterscheidung von dein in zu steiler Stellung und Verwachsung des Fesselbeins mit dem Kronenbein u. s. w. bestehenden Stelzfusse nenne ich das hier beschriebene Leiden den Sehuenstelzfuss; Prinz nannte es den heil­baren Stelzfuss.
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Verkürzung der Muskeln und Sehnen. Stelzfuss.
nach vorn gerichtet, das Schienbein zurück, den Fessel mehr der senk­rechten Linie genähert, und sie treten dabei entweder noch mit der ganzen Sohlenfläche des Hufes, oder nur mit dem vordem Theile der­selben auf den Boden. Bei den höhern Graden des Uebels steht das Fessel- und Kronenbein sogar ein wenig zurück und eben so die Ze­henwand nach abwärts, selbst zuweilen in dem Grade, dass das Pferd auf derselben ruht. In diesem Zustande ist die Beweglichkeit im Fes­seigelenk sehr gering und namentlich die Streckung nach vorn sehr vermindert, und hierdurch i*t eben der Stelzfuss gebildet. Aussei- die­ser veränderten Stellung findet man an dem leidenden Fusse die Seh­nen an der binlern Seite des Schienbeins, zuweilen in der ganzen Länge von dem Knit bis zum Fesselgelenk und selbst noch bis unter dasselbe, sehr gespannt, derb, ja zuweilen knorpelartig hart und an einzelneu Stellen ungleich dick; in manchen Fällen leidet nur die Huf-beinsbeugesehne, zuweilen aber auch die des Kronenbeinbeugers und in seltenen Fällen auch die des Fesselbeinbeugers; dabei bestehen dieselben noch gesondert von einander, oder sie sind stellenweis mit einander in eine Masse verwachsen. Die obere Parthie der vordem Gliedmasse ist dabei entweder schlaff und hängt gleichsam herunter, oder, entge­gengesetzt, sie ist sehr gespannt und verkürzt und somit gleichsam der untere Theil. des Fusses zu dem obern hingezogen. In den Fällen der letztern Art ist die Bewegung in dem ganzeu Fuss sehr gespannt und das Thier geht uur mit kurzen Schritten, in dem ersteru Falle aber zeigt sich das Gehen mit den obern Theilen fast ganz frei, und Pferde dieser Art können häufig mit gesunden iu der Schnelligkeit des Lau­fens gleichmässig aushalten. — Oft leidet der Huf durch ungleiche Ab­nutzung an der Zehe u. s. w.
Die Ursachen dieser Conlraktionen sind: heftige und oft wieder­holte Rheumalismen in den Muskeln der Schuller, rheumatische und andere Entzündungen, auch Quetschungen und Verwundungen der Beugesehnen selbst, übermässige Anstrengungen, besonders bei dem Ziehen schwerer Lasten bergauf, Verrenkungen und Verstauchungen und dergleichen.
Die Beurtheilung ist bei einem geringen Grade dieser Conlrakturen, und wenn dieselben frisch entstanden sind, und die Thiere einer zweck-mässigen Behandlung unterworfen werden, einigermasseu günstig zu machen, indem in solchen Fällen die Zusammenschrumpfung der Seh-uenfasern oft noch grösstenlheils gehoben werden kann; bei den höheren Graden des ücbels und da, wo organische Veränderungen in dem Sehnengewebe oder Verwachsungen der Sehnen untereinander entstan­den sind, fruchten in der Regel alle therapeutische Mittel wenig oder gar nichts und mau hielt desshalb bis zur neuern Zeit diese Zustände, und besonders den ausgebildeten Stelzfuss, für unheilbar; doch hat man jetzt in der Duichsclineidung der Sehnen ein Mittel kennen gelernt, durch welches es sehr häufig gelingt, auch hier noch eine ziemlich vollständige Heilung zu erreichen.
Die Behandlung. Bei den frisch entstandenen Contraktnrcn sucht man zuerst die etwa noch bestehende Entzündung zu beseitigen und wendet für diesen Zweck die Heilmittel an, welche bei der Sehnenent-t zündung empfohlen sind. Besteht keine Entzündung mehr, so such
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Verkürzung der Muskeln und Sehnen. Stelzfuss.
man durcli auflösende, so wie durch erschlaflende und uarkotische Mitfei die Spannung zu mindern und wendet desshalb Auflösungeon von Potasche oder von Kali cai'bonicum, oder vou Schwefelleber, bei den Thieren armer Leute blosse Asclienlauge recht ileissig an. Bei erhöhter Empfindlichkeit und grosser Trockenheit der Tlicile beuulzt man Ab­kochungen von schleimigen und narkotischen Mitteln, zwischen densel­ben auch, besonders während der Nacht, Einreibungen von warmem Fett oder von warmem Oele. Bei der Anwendung dieser Mittel muss mau jedoch nicht allein die contrahirlen Seimen im Verlaufe des Schien­beins berücksichtigen, sondern sie auch in den Fällen, wo die oberen ïheile der Gliedmassen mitleiden, auf diese appliziren. Ausserdem ist es von Wichtigkeit, dass die Thiere jede heftige Anstrengung der lei­denden Gliedmasse vermeiden und namentlich die leidenden Sehnen nicht mit Gewalt ausdehnen. Man lässt ihnen desshalb Hufeisen mit erhöhelen Stollen unterlegen und diese erst allmalig wieder verkürzen, so wie das Sehneuleiden sich durch die übrigen Millcl vermindert. Ist dieses der Fall, so kann man auch das von Prinz1) vorgeschla­gene sogenannte Schnabeleisen anwenden, um durch dasselbe die Thiere zum verstärkten Durchtrelen im Fesselgelenk zu zwingen. Fruchten diese Mit lel nichts, oder ist die organische Veränderung der Sehnen in einem bedeutenden Grade vorhanden, so unternimmt man am besten ohne weitem Zeitverlust die Durchschncidting (Tenotomie 2) der con-trahirten Sehnen. Dieselbe wird an derjenigen Sehne gemacht, welche am meisten leidet, und zuweilen an zwei oder an allen drei Beuge­sehnen. Man wählt zur Operation am liebslen die Gegend der Mitte der Länge des Schienbeins, um den Synovialscheiden auszuweichen, und macht sie am besten an oder unter der etwas verdickten Stelle der Sehne, — übrigens ziemlich gleichgültig an der innern oder an der äussern Seite des Gliedes. — Die Operation selbst kann in zweifacher Weise ausgeführt werden, nämlich entweder durch den sogenannten offenen oder durch den subeutanen Sehnenschnitt. Bei dem erstem wird an oder unter der am meisten kranken Stelle der Sehne ein circa 1| Zoll langer Schnitt in der Längeurichlung der Sehne durch die Haut gemacht, dann eine Hohlsonde unter die zu durchschneidende Sehne in der ganzen Breite derselben geschoben und auf ihr mittelst eines Knopfbistouris die Sehne, mit möglichster Vermeidung der neben ihr liegenden Gefässe und Nerven, durchschnitten. Letzteres wird sehr erleichtert, wenn man in dem Momente der Durchschneidung den Fes­sel möglichst stark nach vorn strecken und hierdurch die ßeugesehnen anspannen lässt. — Bei der subeulanen Durchschneidung scheert man an der Operationsslelle die Ilaare von der Haut auf einer Fläche von circa einem halben Quadratzoll ab; darauf verschiebt man die Haut von der Operationsstcllc ein paar Linien weit nach vorn oder nach
') Der Stelzfuss der Pferde und der Sehncnschnilt zur Heilung derselben. Dresden 1841. S. 13.
') Siehe das Geschichtliche u. s. w. hierüber, ausser der Schrift von Prinz, noch: Magazin für Thierheilkundc. Bd. Vff. S. 303 und — Gurlt und Her twig, Chirurgische Anatomie und Opcralionslchre für Thierärzte. Berlin 1847. S. 189.
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Verkürzung der Muskeln und Sehnen. Stelzfuss.
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hinten und durchstiebt sie mit einem schmalen, nur etwa 2 Linien breiten, spitzigen Messer in der Längenrichtung der Seimen am vordem Rande derjenigen Sehne, welche mau eben durchschneiden will. In die kleine Wunde führt man dann ein eben so schmales Messer mit abgerundeter Spitze und schiebt dasselbe, flach gegen die Sehne ge­richtet, unter derselben quer hindurch bis zu ihrem andern Rande. Dies geschieht am besten, wenn man durch einen Gehülfen in diesem Momente den Fessel zurückbeugen und hierdurch die Sehne erschlaffen liisst. Dass man mit der Spitze des Messers völlig unter der Sehne hindurch bis zum entgegengesetzten Rande derselben gelangt ist, kann man durch Anlegen der Fingerspitzen der linken Hand an diese Stelle deutlich fühlen. Ist dieses der Fall, so wendet man das Messer zur Hälfte um seine Achse, so dass die Schneide gegen die betref­fende Sehne gerichtet wird, hält es in dieser Richtung mit fester Hand, lässt nun durch den Gehülfen den Fessel und Huf nach vorwärts strecken und drückt, indem man das Messer zugleich allmälig aus der Wunde zurückzieht, seine Schneide in die Substanz der Sehne ein und durchschneidet sie. Dass die völlige Trennung der Sehne ge­schehen ist, giebt sich durch das Auseinanderspringen der Sehnenenden und durch einen gewöhnlich laut hörbaren Ruck zu erkennen, ausser-dem entsteht an der Opcralionsstcllc eine bald grössere, bald kleinere Lücke, welche man von ausseu durch die Haut deutlich fühlt, und zu­gleich wird die früher gehemmte Bewegung im Fesselgelenk viel freier, so dass die Thiere bei dem Treten auf den kranken Fuss auch wieder im Fessel ziemlich vollständig durchtreten können. Nach geschehener Durchschueiduug macht man in denjenigen Fällen, wo zwei oder alle drei Sehnen leiden, mit den Händen an dem Hufe und Fessel einige Bewe­gungen , und wenn die Nachgiebigkeit in dem Gelenk nicht nach Wunsch erscheint, versucht man selbst durch starkes Heugen und Sirecken die Ausdehnung der Sehnen zu vervollständigen; gelingt dies aber nicht und ist der Erfolg überhaupt zu schwach, so kann man an derselben Stelle noch die zweite oder nölhigenfalls die dritte Sehne durchschnei­den. In der Regel beginnt man die Operation an der Sehne des Huf­beinbeugers, weil diese am meislen leidet: und sehr oft erreicht man durch sie den Zweck ganz genügend; ist letzteres nicht der Fall, so durchschneidet man auch den Kronbeinbeuger und im äussersten Falle erst die Sehne des Fesselbeinbeugcrs. Nach der Operation legt mau auf die Wunde einen etwa iingerdickcu Tampon von Werg, darüber eine Binde und umwickelt mit derselben das ganze Schienbein vom Fessel bis zum Kniegelenk. Die Thiere werden im Stalle in möglichser Ruhe gehalten, mager gefuttert und bei eintretenden heftigen Enlzündungs-zufällen macht man kalte Umschläge von Wasser oder Blciwasscr. Der Verband bleibt durch 5 — 6 Tage ruhig liegen, wenn nicht Eiterung oder andere Zufälle ein früheres Abnehmen desselben verlangen. In der Regel erfolgt nach subeutanem Schnitt die Heilung ohne Eiterung; es ergiesst sich hei der Operation Blut in die Sehnenscheide, bald darauf tritt Aus­schwitzung von Faserstoff hinzu und aus beiden Materialien bildet sich eine Art Sehnennarbe, welche die ganze Lücke zwischen den beiden Enden der durchschuiltenen Sehne einnimmt, mit denselben fest zusammenhängt und so gleichsam eine Verlängerung der Sehne bildet. Dieser Regene-
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Contraktiir des Spannmuskels der sehnigen Schenkelbinde.
rationsprozess verläuft bei Pferden in etwa 3 Wochen, bei kleinen Thieren in Zeit von 10—12 Tagen. Die Thiere können gegen das Ende dieser Zeit wie gesunde zu leichter Arbeit benutzt werden, zu stärkeren Anstrengungen aber erst in etwa 14 Tagen bis 3 Wochen später. Zuweilen bleibt für einige Zeit eine ungleiche, etwas zuckende oder schleudernde Bewegung des Gliedes bei dem Auflieben desselben bemerkbar, späterhin verliert sich aber dieselbe gänzlich.
d.nbsp; nbsp;Die Contraktur des Spannmuskels der breiten Schen­kelbinde ist zuweilen bei Pferden beobachtet worden. Dieselbe äus-sert sich dadurch, dass die Thiere bei dem Gehen den Fuss zuckend im gestreckten Zustande sehr hoch aufheben, so dass der Huf zuweilen bis gegen die Brust gezogen wird und bei der örllicheu Untersuchung iindet man an keinem andern Theile desselben etwas Abnormes als an dem Tensor fasciae latae, welcher in seinem Verlauf von dem äussern Dannbeinswinkel zu dem Oberschenkel sehr gespannt und dick hervor­tritt, weit mehr als dies an dem andern Fuss der Fall ist.
Die Ursache dieses Zustandes ist nicht bekannt, doch scheint er zuweilen eine Folge von Rheumalismus zu sein.
Die Beurtheilung ist günstig zu machen, weil diese Spannung und die unregelmässige Bewegung vermittelst der Durchsclmeidung des Mus­kels gehoben werden kann. — Diese Operation wird an dem liegenden Pferde auf die Weise ausgeführt, dass man zunächst den belrell'enden Fuss inillclst eines um das Schienbein gelegten Strickes möglichst weit nach der Brust zu in die Höhe zieht, dann ungefähr in der Mitte des Muskels einen circa einen Zoll langen Querschnitt macht, den Muskel dann in derselben Länge vorsichtig bis auf die sehnige Ausbreitung durchschneidet, hierauf aber eine Hohlsonde nacii vorn bis zu seinem vordem Rande führt und mittelst eines Knopfbistouris an diesem Theile subeutan vollständig durchschneidet und hiernach mit dem hinlern Rande eben so verfährt. Man zieht dann die Hautränder gegen einander und legt ein Heftpflaster über die Wunde, um die Einwirkung der Luft ab­zuhalten. Eine Nachbehandluug ist nur in dem Falle erforderlich, wenn Eiterung entsteht und der Eiter sich unter der Haut versenkt. In diesem Falle macht man entweder eine Gegenöflnung, oder man spaltet von der Querwunde aus sie bis zu dem Ende der entstandenen Höhle auf.
e.nbsp; nbsp;Contraktur einzelner Schweifmuskeln. Es kommt nicht selten vor, dass bei Pferden die Schweifrübe in schiefer Rich­tung oder verkrümmt nach der einen oder der anderen Seite getragen wird.
Diese Verkrümmung kann entweder in krankhafter Thäligkeit der Muskeln oder auch in fehlerhafter Verbindung der Schwanzwirbel unter einander begründet sein. In erslerer Hinsicht besteht jedenfalls eine zu starke Wirkung einzelner Muskeln im Verhällniss zu der Wirkung der Muskeln an der andern Seite; aber diese, bloss verhältnissmässig stärkere Wirkung ist nur in manchen Fällen in wirklich krankhafter Conlraktion, zuweilen aber entgegengesetzt in Verwundung, Erschlaf­fung oder Lähmung begründet. In Hinsicht auf die Wirbel können Brüche, Verrenkungen, Verwachsungen und Exostoseu die Veranlas­sung sein. Diese letzteren Zustände sind immer au Erhöhungen,
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ConlraktuT einzelner Schweifmuskeln.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 637
Steiilgkcit oder zu grosser Beweglichkeit einer Stelle (S. 476) leicht, dagegen aber die dynamischen. Verhällnisse der einzelnen Muskeln ge­wöhnlich schwer zu erkennen. Man sieht, bei den letzteren die Schwanzriibe bald in horizontaler Linie, bald über oder unter die­selbe seillich verkrümmt und zwar die eigentliche Krümmung bald an der Wurzel, bald in der Miltfe oder näher der Spitze. Zuweilen ist sie dabei theilweis um ihre Längenachse gedrehet, so dass z. B. die untere Fläche an der Seite steht. Manche Pferde zeigen die Verkrüm­mung beständig, auch bei dem Stillstehen, andere nur, wenn sie im Aflekt sind oder wenn sie schnell laufen. Will man die Rübe in ent­gegengesetzter Richtung beugen, so findet man viel Widerstand und oft gelingt es nur sehr wenig oder auch gar nicht; dabei fühlt man bei krankhafter Conlraktion die betreffenden Muskeln sehr gespannt, und wenn eben dieser Zustand allein besteht, fühlt und sieht man von den vorhin genannten Abnormitäten der Wirbel keine Spur. Bei Erschlaf­fung oder Lähmung einzelner Muskeln findet man dieselben schlaff, selbst ohne Empfindlichkeit und zuweilen geschwunden.
Als Ursachen sind nur in einzelnen Fällen vorausgegangene Ver­letzungen und Quetschungen bekannt geworden; oft scheint der Zu­stand in ursprünglich ungleicher Entwickelung der Muskeln zu beruhen.
Die Beurlheilung ist in sofern günstig, als dieser Zustand nur als Schönheitsfehler besteht; liinsielitlich der Heilung ist sie aber zweifel­haft, da man zwar mittelst Durchschneidung der leidenden Muskeln die Conlraklur derselben an einer' Stelle beseitigen, aber niemals im Voraus bestimmen kann, in wie weit hierdurch auch die schiefe Stel­lung gehoben werden wird? Oft gelingt dies vortrefflich, in anderen Fällen nur zum Theil. und zuweilen ist die Wirkung des Durchschnei­dens sogar zu stark und in Folge dessen wird der Schwanz zur ent-gegengeselzleu Seite gezogen.
Die Hülfe besteht in der oll'cnen oder der subeutanen Durchschnei­dung der zu stark koutrahiilen Muskeln. Dieselbe wird, je nach dem Sitze der Contraktur, an den Aufhebern, an den Seitwärtsziehern oder den Niederziehera zunächst an der Stelle unternommen, wo man die Conlraktion am stärksten fühlt, oder wo die grösste Einbiegung be­steht, und,— wenn letztere hiernach mittelst Unterstützung der Hände nicht sogleich zu beseitigen ist, durchschneidet man dieselben Muskeln an noch einer Stelle If — 2 Zoll vor oder hinter der ersten, wo sich eben noch die Contraktur am stärksten zeigt. Bei Krümmungen nach oben muss man zuweilen, wenn die Aufheber vergeblich durchschnit­ten worden sind, auch noch die Seitwärtszieher durchschneiden, weil diese Muskeln zum Theil mit jenen zugleich wirken. — Vor der Durch­schneidung müssen die Haare so eingeflochten werden, dass man zu den betreffenden Stellen ohne Hinderniss gelangen kann. Die Thiere können bei der Operation stehen oder besser liegen. Bei dem Durch­schneiden mit offenem Haulschnitt wird die Haut quer über dem Mus­kel und in der ganzen Breite desselben durchschnitten und dann eben so der Muskel bis auf die Wirbel. Bei dem subeutanen Durchschnei­den verfährt man im Wesenllichslen so, wie es im Vorgehenden bei der subeutanen Sehncndurchschneidiing angegeben worden ist. Nach der Operation legt man auf die Wunde einen massig derben Werg-
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Verkrümmung des Schwanzes.
tampou und darüber eine Binde massig fest an; und bei dem offenen Schnitt verbindet und veiTahrt mau ganz so, wie dies bei den Ver­wundungen der Schweifrübe (S. 426) augegeben worden ist. Hierauf befestiget man, naehdeni das Pferd in deu Stall gebracht wordeu ist, an die Scliwanzspilze das vordere Ende einer Schnur, welche über an der Decke des Stalles befesligtcn Hollen läuft und am hintern Ende mit einem Gewicht verseben ist (S. 416). Die Rollen können hier etwas von der Miltellinie entfernt an der Seite angebracht werden, welche der bisher bestandenen Verkrümmung des Schwanzes entgegengesetzt ist. Der Verband bleibt nur durch 24 Stunden liegen. Hie übrige Nachbehandlung geschieht nach allgemeinen Regeln.
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Eilfle Classe.
Verwachsungen und Verschliessnngen.
Erster Abschnitt.
Von den Verwachsungen im Allgemeinen.
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Verwachsungen der verschiedenen Organe unter einander in krank­hafter Weise, und eben so Verwachsungen der Wände hohler Organe mit einander kommen bald vollständig, bald unvollständig vor und bil­den an den ersteren Organen die Adhäsionen und Conglulina-tionen, an den letzteren aber die Synechieen und Atresieen. Die erstcien sind melirentheils die Folge von vorausgegangenen Eul­zündungen, die letzteren können eben so entstehen, sind aber zuweilen auch angeboren.
Man erkennt im Allgemeinen die Verwachsungen der erstem Art an der gehinderten oder verminderten Beweglichkeit der Thcile und zuweilen an hieraus entstehender Spannung, Verkürzung und unregel-mässiger Slellung der betrellenden Theile, die Verwachsungen der an­dern Art aber au den Störungen, welche aus dem gehinderten Durch­gange von Blut oder anderen Säften, oder von Exkrementen, je nach Art des Theils, entstehen, und zuweilen auch, wenn die Organe ober­flächlich liegen, sieht und fühlt man die Verschliessung ihrer Oelluungen oder der Kanäle.
Die Beurtheiliing ist, je nach der Vollständigkeit der Verwachsung und je nach der Wichtigkeit des betreffenden Organs, nach der Lage desselben und nach der hierdurch bedingten Möglichkeit, eine kunst-mässige Trennung und Eröffnung der verwachseneu oder verschlossenen Gebilde zu bewirken, in den einzelnen Fällen sehr verschieden und es musj desshalb auf die folgenden Capitel liingcwicsen werden.
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Verwachsungen des äussern Gehörganges. Behandlung.
Die Behandlung ist im Allgemeinen darauf gerichtet, die entstan­denen Verwachsungen auf mechanische Weise wieder zu trennen, oder die verschlossenen Mündungen künsllich zu ölTnen und dann in beiden Fällen den Vernarbungsprozess so zu leilen, dass nicht neue Zusam-
menklebungen und Verwachsungen entstehen.
Zweiter Abschnitt.
Von den Verwachsungen im Speziellen.
Erstes Capitel.
Verwachsungen des äussern Gehörganges.
Der äussere Gehorgang verwächst zuweilen bei solchen Hunden, denen man auf eine barbarische Weise die Ohrmuschel bis an die Haut weggeschnitten, oder auch ihnen dieselbe ausgedreht hat. Die Wund­ränder der Haut verlängern sich hiernach allmälig immer mehr nach dem Centrum und wachsen zuletzt vollständig zusammen. Die Thiere zeigen hierbei Minderung oder auch gänzlichen Verlust des Gehörs, je nachdem nur ein Ohr oder beide in der bezeichneten Weise leiden; dabei sammelt sich in dem äussern Gehörgange das Ohrenschmalz all­mälig iu solcher Menge an, dass es die über ihr gewachsene Haut et­was, zuweilen fast halbkugelig hervortreibt; die so hervorgetriebene Stelle ist elastisch gespannt uud zuweilen bei der Berührung schmerz­haft, in manchen Fällen fehlt aber auch die Schmerzhafligkeit.
Die Beurtheilung dieses Zustandes ist ziemlich günstig zu machen, da die Heilung, wenngleich zuweilen sehr mühsam, zu bewirken ist.
Die Behandlung verlangt zunächst die künstliche Eröffnung des Gehörganges. Man bewirkt dieselbe auf die Weise, dass man die iii die Höhe gedrängte Haut auf ihm mittelst eines Arterienhakens erfasst, recht stark vom Kopfe abzieht und sie dann mit einem recht scharfen Messer quer abschneidet, oder auf die Weise, dass man in sie einen Kreuzschnitt macht und dann die vier hierdurch gebildeten Haullappen am Rande des Gehörganges abschneidet. Gleich nach dem Durch­schneiden der Haut dringt das Ohrenschmalz in grosser Masse hervor und kann mittelst eines Schwammes vollständig entfernt werden. Die Heilung erfolgt durch bald einlrclendc Eiterung und Granulation; aber leider wächst die letztere fast immer wieder schnell nach dem Centrum zu vor und in Folge dessen droht eine neue Ueberwachsung dea Ge-
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Verwachsung der Augenlider.
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hörganges. Man muss desshalh zeitig solche Mittel anwenden, welche den Wundrand zusammenschrumpfen und austrocknen, um baldigst eine harte Narbe zu erzeugen. Für diesen Zweck ist der Bleizucker und der Bleiessig, der Alaun, der Eisenvitriol u. s. w. zu benutzen; aber fast immer erreicht man durch diese Mittel denselben nur unvollstän­dig und eben so nutzen Aetzmiltel sehr wenig; man ist vielmehr oft genöthigt, das Messer zu wiederholten Malen auzuwenden. Nach meh­reren fruchtlosen Bemühungen ist es mir zuletzt noch am besten da­durch gelungen, den Gehörgang dauernd olfen zu erhalten, wenn ich den Hauiraud nach unten oder innen umgebogen und mit Heften zu­sammengehalten hatte, so dass die Oeffnung rund herum mit behaarter Oberhaut umgeben war.
Zweites Capitel.
Die Verwachsung der Augenlider mit einander und mit dem Augapfel.
Die Verwachsung der Augenlider kommt, obgleich im Ganzen nur selten, doch in verschiedenen Graden der Ausbildung vor. Zuweilen sind dieselben nur an einer oder der andern Stelle ihrer Ränder mit einander verwachsen, in anderen Fällen erstreckt sich die Verwachsung in der ganzen Länge dieser Ränder und in noch anderen Fällen ist die innere Fläche des einen oder beider Augenlider mit dem Augapfel bald stellenweis, bald vollständig verwachsen. In dem erstem Falle sind die Augenlider von Natur vollständig entwickelt, ihre Ränder sind ge­hörig ausgebildet und die Trennungslinie ist deutlich vorhanden; an einer Stelle kann man beide Augenlider von einander ziehen, dabei einen Theil des Augapfels sehen oder mit der eingeführten Sonde füh­len und mit der letztern auch frei über die ganze Flüche des Augapfels zwischen ihm und den Lidern hcrunigleitcn; der Augapfel selbst ist hierbei in der Regel vollständig entwickelt und gewölbt. — Bei der vollständigen Verwachsung der Augenlidränder findet man die Augen­lider ebenfalls gehörig ausgebildet und ihre Gränze gehörig angedeutet; man kann sie mit den Fingern oder mit der Pinzelte leicht in eine Falte erheben und auf dem deutlich fühlbaren Augapfel verschieben. — Bei der Verwachsung der Augenlider mit dem Augapfel (Symblepharon) ist gewöhnlich die Trennungslinic zwischen den beiden Augenlidern nicht recht deutlich vorhanden, der Augapfel kleiner, als im normalen Zustande und die Haut der Augenlider ist daher mehr nach der Höhle zu zurückgezogen; will man sie in eine Falte erheben, so gelingt dies wenig oder gar nicht.
Die Ursachen sind häufig Entzündungen, namentlich nach der Ein­wirkung ätzender Mittel und nach dem Verbrennen; zuweilen ist aber
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Verwachsung der Augenlider.
auch der Fehler angeboren, namentlicli die vollsläiulige Verwachsung der Augenlider mil dein Augapfel.
Die Bcurtheilung ist bei nur Iheilweiser Verwachsung der Augeu-lidränder immer günslig zu machen, da hier die Trennung durch Kunst-hülfe leicht und sicher zu bewirken ist; doch lässt sich im Voraus nicht immer mit Sicherheit versprechen, in wie weit dabei das Sehen wieder hergestellt werden wird, da man vor der Trennung den übrigen Zustand des Augapfels nicht sicher erkennen kann. — Auch bei der vollständigen Verwachsung der Augenlidrändcr ist hinsichtlich der Be­seitigung dieses Zustandcs eine gute Prognosis zu machen, im Uebrigen aber muss ebenfalls die Bcurlheilung bis nach beendeter Operation zurückgehallen werden. — Bei dem Symblepharon ist die Prognosis sehr unsicher, namentlich in denjenigen Fällen, wo der Fehler in ur­sprünglicher Bildung begründet und der Augapfel klein und unvollstän­dig entwickelt ist; im letztem Falle nutzt die Trennung der verwach­senen Gebilde wegen des mangelhaften Zustandes des Sehorganes gar nichts und selbst der Schönheitsfehler wird durch die Operation nur wenig gemindert; aber auch selbst in den Fällen, wo der Augapfel ge­hörig entwickelt vorhanden und das Uebel durch Entzündung und Verletzung herbeigeführt ist, kann man nicht wissen: ob und in wel­chem Grade die durchsiclilige Ilornhaul verdunkelt ist oder nicht.
Die Behandlung besteht nur in operativer Trennung der verwach­senen Gebilde und man verrichtet dieselbe bei der theilweisen Verwach­sung der Augenlidrändcr so. dass man in die vorhandene kleine Oell'nung ein feines, mit mildem Oel bestrichenes Knopfhistouri einführt, die Schneide desselben gerade unter die Trennungslinie der beiden Augen­lider leitet, lelzlere in enlgcgengeselzler Richtung auseinanderziehen lässt und dann mit wiederholten kurzen Zügen des Messers von innen nach aussen die Trennung der Augenlider möglichst an ihrer natürlichen Gränze bis zu dein Winkel derselben bewirkt. Besteht auch nach dem andern Winkel zu die Verwachsung, so setzt man das Messer nach den ersten Schnitten auch in der Richtung nach dem andern Winkel
ein und vervollständigt
liier die Trennung in älinlichcr Weise.
Bei
der völligen Verwachsung der Augenlidrändcr hebt man beide Augen­lider in eine quer über dieselbe laufende Falle auf, schneidet aul dieser Falte au der Gränze zwischen beiden Augenlidern eine kleine Ocfl'nung, bringt in dieselbe das mit Oel bestrichene Knopfbistouri und verfährt dann so, wie im Vorstehenden angegeben ist. — Bei der Verwachsung der Augenlider mit dem Augapfel bewirkt man zuerst durch die ent­weder vorher schon vorhandene oder in der angegebenen Weise erst künstlich gebildeten OefTaang die Trennung der Augenlidräuder von einem Winkel bis zum andern. Hierauf bringt man zwischen das obere Augenlid und den Augapfel eine Sonde und sucht damit die geringeren Adhaesiouen zu trennen; ist aber völlige feste Verwachsung zugegen, so beugt man den Rand des Augenlides mit der linken Hand ein wenig nach aussen um und löst dann mit dem Knopfbistouri die adhaerirenden Stellen von dein Augapfel ab, indem man das Messer mit seiner Fläche an dem letztem sanft vorwärls schiebt und dabei das Augenlid vor dem Messer sanft in die Höhe zieht. Sollte die Verwachsung eine so innige sein, dass man keine Gränze zwischen dem Augapfel und dem Augenlid
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Verwachsung der Pupille.
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erkennen' kann, so lässt man bei dieser Trennung lieber eine dünne Schicht von der Bindehaut auf dem Augapfel sitzen und betu()ft dann die Slellen, wo dies der Fall ist, mit Lapis iufernalis. Die gewöhnlich nur geringe Blutung wird mit kaltem Wasser gestillt, hiernach aber ein schleimiges Augeuwasscr llcissig angewendet und die Augenlider müssen öfters mit den Fingern gelind hin und her bewegt werden, um neue Verwaclisungen zu verhindern.
Drittes Capitel.
Die Verwachsung der Pupille. (Synechia pupillae.)
Die Pupille bleibt in einzelnen seltenen Fällen bei jungen Thicren über die sonst von der Natur hierzu bestimmte Zeil durch die soge­nannte Pupillarmenibrau verschlossen und in anderen Fällen verwächst sie bei älteren Thieien in Folge von heftigen inneren Augenentzündun­gen, namentlich bei der Mondblindheit der Pferde.
Dieser krankhafte Zustand ist stets leicht zu erkennen; die Pupille erscheint in dem zuerst bezeichneten Falle statt schwarzblau hier weiss-lich und in dem zweiten Falle fehlt sie gänzlich; dabei fehlt in beiden Fällen das Sehvermögen.
Die Bcurtbeilung 1st bei dem Zurückbleiben der Piipillarnicmbran günstig zu machen, indem dieselbe durch Operation zu trennen und das Sehvermögen herzustellen ist; bei der sekundären Verwachsung aber lässt sieh ein bestimmtes Urtheil kaum abgeben, da die auch hier nur allein hülfreiche Operation an und für sich weit schwieriger und eingreifender ist, als im orsteren Falle und da ausserdem mit der Ver­wachsung gleichzeitig auch andere organische Veränderungen in der hintern Augeiikammer entstanden sein können, welche vor der Opera­tion aber nicht zu erkennen und zu beurlheilen sind.
Die Hülfe besteht, wie schon angedeutet, bei der angeborenen Verwachsung in der Abtrennung der Pupillarmenibrau. Zu diesem Zwecke muss das Thicr niedergelegt und gehörig tixirt werden, wie zu der Operation des grauen Staars; hierauf macht man am besten am obern Rande der durchsichtigen Hornhaut einen etwa 3 Linien langen Einschnitt, führt in denselben ein kleines Häkchen in die vordere Augen­kammer und bis in die gcnannle Haut, ergreift dieselbe, dreht dann das Häkchen einige Male um seine Längenaxe und zerreisst auf diese Weise das Häutchen; der liest versehwindet dann durch Resorption. Oder man führt durch den gemachten Hornhautschnitt eine lanzenförmige Staarnadel und schneidet mit derselben die Pupillarmcmbran iu der Mitte der Pupille kreuzweis ein und überlässt dann die Beseitigung der entstandenen Lappen der resorbirenden Thäligkeit. — Bei der wirklichen Verwachsung der Pupillarränder mit einander müsste eine neue Papule
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Verwachsung des Afters.
in der Art gebildet werden, dass man nach gemachtem Horubautschnitt mit einer scharfen Slaarnadel durch denselben bis zu der verwachsenen Pupille eindringt und durch einen ovalen Schnitt, dessen Umfang der Grosse der natürlichen Pupille entspricht, die Iris durchschneidet, dann die Nadel zurückzieht, dafür ein feines Häkchen einführt und mit demselben das umschnillcne Slückchen diesci' Haut crfasst und heraus­zieht. — Die Nachbehandlung muss in beiden Fällen streng antiphlo-gistisch und ganz so, wie nach der Operation des grauen Staats, sein.
Viertes Capitel, Die Vervrachsung des Afters.
Die Verschliessnng des Afters (Alresia ani) kommt als Fehler der
ersten Bildung bei sämmtlichen Säugelhieren zuweilen vor.
a in häufig-
sten bei Kälbern, und zwar in zwei verschiedenen Abslufungcn. Bei dem mindern Grade dieser Verwachsung findet man äusserlich an der betreffenden Stelle eine Andeutung des Afters, in Gestalt eines flachen Ringes, welcher aber mit der äussern Haut vollständig überwachsen ist; bei dem höhern Grade dieser mangelhaften Bildung ist entweder gar keine oder nur eine höchst unbedeutende Spur von dem After wahr-zunehnehmen. In jenem ersten Falle ist der Mastdarm bis an den Af­ter ausgebildcl vorhanden, in dem zweiten Falle aber fehlt sein hinteres Ende bald mehr bald weniger vollständig, so dass man dasselbe von der Haut bald nur einen Zoll, bald aber auch mehrere Zoll entfernt im Becken als einen blinden Sack vorfindet. Ausser diesem örtlichen Befunde bemerkt man bei den betreffenden Thieren in längerer Zeit nach der Geburt keine Ausleerung von Excrementen; den Thieren treibt der Leib auf, sie lassen vom Saugen ab und zeigen mehr oder weniger heftige Leibschmerzen; durch diese Umstände werden die Besitzer ge­wöhnlich erst zur Untcrsuchuna; und Wahrnehmung der mangelhaften Budung veranlasst.
Die Beurtheilung ist nach der angedeuteten Verschiedenheit des Fehlers sehr verschieden. Bei der nur obcrnächlichcn Verwachsung der Aflermündung ist stets Hülfe zu schaffen und in der Regel das Thier zu retten, wenn eben die Hülfe zeitig genug gebracht wird; da­gegen ist bei dem zweiten FaHe in der Regel auf keine Weise zu helfen und es ist desshalb am besten, dergleichen Thiere baldigst zu lödten, um ihnen weitere Qualen zu ersparen.
Die Behandlung beruht hier in den Fällen der ersten Art in der operativen Eröffnung der Aflermündung, und zwar in der Art, dass man die Haut in der Mitte der vorhin bezeichneten flachen kreisförmigen Aufwulstung entweder milleist eines Häkchens, oder mittelst der Pin-
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Verwachsung der Mutterschcidc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 043
zette erfassl und faltciiartif; hervorzieht und sie dann mit einem Messer oder mit einer Scheere flach abschneidet. Es ist besser, wenn die Oeff-uung ein wenig zu klein, als zu gross gemacht wird, da man sie im ersteicn Falle durch das Einführen eines mit Oel beslrichenen Fingers in die Wunde sehr leicht weiter ausdehnen kann und die Heilung besser erfolgt, als wenn zu viel Haut verloren gegangen und der Schliess-muskel enlblösst worden ist. In manchen Fällen dringt nach dem Ab­schneiden der Hautfalle sogleich eine Menge schwärzlicher, zäher Ex-cremente (IMeconium) aus dem Darm hervor, in anderen Fällen aber wird der letztere noch durch eine bald mehr bald weniger dicke Schicht von Zellgewebe verschlossen und man ist genölhigt, dasselbe mit der Pinzette und mit dem Messer wegzunehmen, bis man in die Mündung des Darms gelangt. Ist dies geschehen, so streicht man auf die Wund­fläche sogleich Ceratum saturni und wiederholt dies auch in den fol­genden Tagen täglich zweimal. Im Uebrigen ist die Behandlung nur auf äusserliche Reinigung beschränkt,
Fünftes Capitel.
Die Verwachsung der Mutterscheide. (Atresla vaginae.)
Die Mutterscheide ist mehrfallig bei Stuten, Kühen und Hüudinnen in einem so hohen Grade verenget gefunden worden, dass man kaum eine dünne Sonde durch sie bringen konnte, und in anderen Fällen war sie in einem Theilc ihrer Länge völlig verwachsen. Die Verengerung kann sich durch die ganze Länge des Organs erstrecken, doch findet man sie auch nur slellenweis und zuweilen so, dass hinter ihr eine durch Ansammlung von Schleim und Urin verursachte Erweiterung be­steht; die vollständige Verwachsung aber kommt immer nur in dem zwischen der Harnröhrenmündung und dem Muttermunde befindlichen Theile zu Stande, da hinter jener Mündung der abgehende Urin sie hindert.
Diese Verengerungen und Verwachsungen sind bei nicht trächtigen Thieren gewöhnlich mit keinen besonderen Zufällen begleitet und sie bleiben desshalb häufig unerkannt; doch sähe ich bei einer Hündin bei einer grossen Verengerung am Eingange der Scheide als Folge der Urinansammlung vor derselben ein fast beständig erfolgendes Abtröpfeln des Harns, fortwährende Besudelung der Hinlerschenkel und urinösen Gestank entstehen. In allen Fällen konnten die Thiere die Begattung nicht vollziehen und In einigen zeigten sich Hiudcrnisse bei dem Ge­bären. Bei den desshalb vorgenommenen örtlichen Untersuchungen fand man die Scheide, wie oben angegeben, verenget, ihre Wände verdickt und callös oder auch völlig verwachsen; und zuweilen ist auch die Scheidenklappe sehr vergrössert und mit ihren Rändern überall ver­wachsen.
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Verschliessung der Schenkelarlericn.
Als Ursachen sind exsudatlve Enlzüudungen, vcranlasst durch über-müssige Begattung, durch das Eindringen reizender Substanzen und durch Verletzungen bei der Geburt u. s. w. zu betrachten.
Die Prognosis ist inehrentheils ungünstig, da diese Ucbel schwer zu heilen, zuweilen selbst schwer zu vermindern sind, und da die Thiere dabei niebt zur Zucht benutzt werden können; tragende Thiere können bei dein Gebären sehr leiden, selbst in Folge der gehinderten Geburt sterben, wenn uiebt zweckmässige Hülle geleistet wird.
Die Hülfe ist auf die operative Erweiterung des Scheidenkanals oder auf die Trennung der verwachsenen Stellen angewiesen. Beides ist in den meisten Füllen sehr schwierig, besonders wenn die Wände callös sind und die Verwachsung auf einer längeren Strecke stattge­funden hat. In solchen Fällen, wo keine dringenden Zufälle bestehen, legt mau in die verengelc Scheide trockene Darmsaiten, welche man allmälig mehr und mehr von dickcrem Durchmesser wählt und später geht rnan zu c^lindcrischen Stückchen von Prcssschwamm über. Wenn durch die Verschliessung üble Zufälle entstanden sind, oder wo Callo-silätcn oder eine zu gross gewordene und verwachsene Scheidenklappe vorhanden sind, durebschueidet man die verengeteu Stellen u. s. w. vorsichtig, d. h. so, dass die Harnröhre, die Blase und der Mastdarm nicht verletzt werden; und bei Verwachsungen der Wände der Scheide selbst bewirkt man eben so vorsichtig mit dem Messer die Trennung der betreffenden Stellen. Dies Ist schwer auszuführen, da mehrenthéils die Schleimhaut etwas verdickt und ihre Glänze nicht überall deutlich zu erkennen ist; man kann desshalb Vcrlelznngen ihrer Substanz nicht gut vermeiden, dieselben sind aber von keiner Wichtigkeit. Die hierbei entstehende Blutung wird durch kaltes Wasser gestillt. — Nach der Operation hat man dafür zu sorgen, dass die Theilc nicht wieder ver­wachsen, — wozu liier immmer eine grosse Neigung besteht. Blau streicht desshalb bald nach der Blutstillung das Gerat um plumbicum etwas reichlieh in die Scheide oder man legt einen Wergpfropf von angemessener Dicke und mit der Salbe bestrichen in dieselbe und wiederholt dies täglich, bis die Entzündung vorüber oder die Vernar-buug der verletzten Stellen geschehen ist.
Sechstes Capitel.
Von der Verschliessung (Obliteration-) der Schenkelarterien.
Zahlreiche Beobachtungen haben es gelehrt, dass die Arterien- und Vcnenwande durch Entzündung und plastische Aussehwilzung verdickt, an ihrer innern Fläche rauh und dadurch die Gefässe in ihrem Lumen allmälig enger, zuletzt selbst ganz verschlossen werden können. Bei einem solchen Zustande wird der Durchgang des Blutes durch die be-
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Verscliliessung der Schenkelarterien,
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treffenden Gefasse, je nach dem Grade der Verengerung oder der gänz­lichen Verscliliessung, sehr vermindert oder auch gänzlich gestört, und in Folge dessen leidet die Ernährung derjenigen Theile, welche eben von diesen Gelassen mit Blut versehen werden sollen; hauptsächlich aber leidet die Muskelaklion, weil bei derselben immer eine grössere Menge Blutes, oder gewisse Bcslaiullheile desselben, verbraucht wer­den; sind diese Bcslandtheiie nicht vorhanden, so lindet auch die In-uervatiou uuregehnässig oder gar nicht statt, — die Muskeln ziehen sich bei einiger Anstrengung des Thieres zuerst unvollständig, später umvillkühilich, krampfhaft zusammen und sehr bald tritt eine Lähmung derselben ein, welche aber in der Regel schnell vorübergeht.
Dieser Zustand ist an verschiedenen Gefässen, am häufigsten aber an den Schcnkclartcrien beobachtet worden, wo er eine merkwürdige Art von Lahmheit erzeugt.
Die mit dem Uebel behafteten Pferde zeigen im Zuslande der Ruhe und bei dem Gehen im langsamen Schritt gewöhnlich nichts Krankhaf­tes, wenn sie aber 10 — 20 Minuten im Trabe gehen müssen, fangen sie an mit einem llinterfuss mehr schleppende Bewegungen bei dem Aufheben zu machen und somit zu lahmen; nach und nach gehen diese Bewegungen in ein Zucken mit dem ganzen Gliede über, die Thiere kommen mühsam von der Stelle, der Angstschweiss bricht ihnen am ganzen Körper aus, der Blick wird stier, das Athmcn von Minute zu Minute mehr angestrengt und mit erweiterten Nasenöffnungen aus­geübt, der Puls sehr beschleunigt; unter diesen Erscheinungen werden die zuckenden Bewegungen an dem Schenkel immer heftiger und selbst dann unvvillkühilich ausgeübt, wenn das Thier stillsteht. Bei dem höchsten Grade des Leidens ist dann das Thier nicht mehr vermögend, auf dem Fussc zu stellen, sondern es knickt mit demselben zusammen und fällt auf die leidende Seile nieder. Im Liegen stöhnt das Thier, wie wenn es Schmelzen empfände, aber nach wenigen Minuten lassen die Erscheinungen der Aufregung allmälig nach, eben so die Zuckungen in dem leidenden Schenkel, und nach 5 — 10 Minuten steht das Thier wieder auf und kann bald darauf im Schritt wieder rcgelmässig gehen. Diese Anfälle wiederholen sich jedes Mal, so oft man das Thier im schnellen Laufe durch einige Zeit gehen lässt und je öfter das geschieht, um so stärker werden sie, dagegen treten sie in etwas minderem Grade ein, wenn das Thier durch einige Zeit gänzliche Ruhe gehabt hat.
Die angegebenen Erscheinungen sind nach den bisherigen Erfah­rungen über diesen Gegenstand so bestimmle Symptome des gehinderten Durchganges des Blutes durch die Schenkelartcrien, dass man schon aus ihnen die Diagnosis mit ziemlicher Gewisshcit machen kann; allein um die grössle Sicherheit hierüber zu erlangen, macht man die Unter­suchung noch durch den Mastdarm, indem man mit der hierzu nöthi-gen Vorsicht (hinsichtlich des Festhaltensj des Anlegens der Bremse, uöthigenfalls des Spannens der Hinterfüsse des Thieres) die mit Oei oder Schleim bestrichene Hand in den Mastdarm bis zur Theilung der Aorta einführt und sowohl dies Gefäss, wie auch die beiden Arteriae crurales in ihrer ganzen Länge an der obem Seile des Beckens befühlt. Im gesunden Zuslande findet man diese Gefässe sümmtlich clastisch-wcich, rcgelmässig pnlsirend und in einem der Grosse des Thieres angemes-
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Verwachsung der Gelenke.
senem Umfange, auch kann man sie durch einen Druck mit den Fin­gern leicht comprimiren; dagegen bei der Vcrschliessung findet man sie als derbe, bandartige Stränge, ohne deulliche Pulsation und nicht mit den Fingern zusaminendriickbar; nur bei den minderen Graden der Verschlicssuug ist letzteres noch ein wenig möglich und zugleich fühlt man hier noch bei jedem Puls ein gelindes Zucken in dem Gefass; zu­weilen ist, der Umfang desselben auch vergrössert. — In einigen Fällen hat man bei der Untersuchung der iSchcnkelarterien und ihrer Zweige ausserhalb des Beckens diese Gefässe weniger voll und weit schwächer pulsirend gefunden, als dieselben Gefässe an dem gegenüberstehenden gesunden Fusse; auch schien zuweilen die Temperatur geringer zu sein. — Bei der Section der wegen dieses Uebels gelödleten Pferde hat man die Schenkclarlcricn und zuweilen auch den hinteru Theil der Aorta verstopft gefunden.
Bei einigen Pferden hat man das Leiden an beiden Füssen gefunden, jedoch gewöhnlich an dem einen mehr als an dem andern ausgebildet.
Die Ursachen sind nicht bekannt, wahrscheinlich aber sind es die­selben, welche rheuinalischc Entzündungen erregen.
Die Beurlheilung ist stets ungünstig, weil das Uebel durch Kunst­hülfe nicht zu beseitigen ist.
Die Behandlung ist mit enlzündungswidrigen auflösenden und ab­leitenden Mitteln der verschiedensten Art versucht worden, man hat namentlich mageres Futter, öfters wiederholte Abführungsmittel und Aderlässe, innerlich das Calomel und das Jod, auf dem Kreuz scharfe Einreibungen und das glühende Eisen oft wiederholt und durch längere Zeit forlgesetzt angewendet, aber durchaus vergeblich.
Siebentes Capital.
Die Verwachsung der Gelenke. (Anchylosis.)
Die Verwachsung der Gelenke kommt in zweifacher Weise vor, nämlich als vollständige oder wahre und als unvollständige oder falsche Anchylosis. Bei der ersteren wachsen die Gelenkenden der Knochen selbst mit einander zusammen, so dass zwei oder mehrere Knochen eine fest zusammenhängende Masse darstellen, bei der falschen Anchylosis sind aber bloss die Gelenkbänder krankhaft verkürzt, ver­dickt oder selbst verknöchert und hemmen durch diese krankhafte Be­schaffenheit die Bewegung der Knochen. Die Anchylosen können an allen Gelenken entstehen und sind namentlich an den sämmtlichen Wir­beln, an dem Hiuterhauptsgelenk, an den Rippen und an den Gelenken der Gliedmassen gefunden worden; bei dem Spat, dem Rehbein und der Hasenhacke gehören sie gewissermassen zu dem Wesen dieser Krankheiten, und auch bei der Schale und der chroaischen Hufgelenklaquo;-Jahmheit Ijndet man sie sehr häufig.
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Verwachsung der Gelenke.
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Sowohl die wahren, wie auch die falschen Anchylosen entstehen leicht nach allen Veranlassungen, welche eine Entzündung der Bein­haut, oder der Synovialhaut der Gelenke, an den Gelenkknorpeln und Bändern erzeugen können. Man findet sie daher am häufigsten nach rheumatischen Entzündungen, nach Verwundungen der Gelenke, nach Knochenbrüchen in der Nähe derselben, nach Verrenkungen und Ver­stauchungen u. dgl.
Ihre Erkennung im Allgemeinen ist immer leicht; man sieht die Bewegung in einem Gelenk gänzlich oder fast gänzlich aufgehoben und selbst mit Hülfe der Hände ist dieselbe nicht herzustellen; man fühlt die Steifigkeit an der Stelle des Gelenkes und fühlt auch zuweilen die Gelenkbänder verhärtet, verdickt und nicht verschiebbar. Dagegen ist es in manchen Fällen schwer, die wahren von den falschen Anchylosen am lebenden Thiere zu unterscheiden.
Die Prognosis ist immer ungünstig, da man bei beiden Arten von Anchylosen nicht im Stande ist, eine wirkliche Besserung des Zustandes herbeizuführen und höchstens bei anfangenden falschen Verwachsungen eine geringe Minderung des Uebels bewirken kann.
Die Hülfe kann hier durch lauwarme Fussbädcr von Kali, durch Einreibungen von warmem Oel oder Fett, oder der grauen Merkurial-salbe versucht werden.
Ueber die Verwachsungen des Kanals der Ohrspeicheldrüse siehe die Erweiterung dieses Kanals S. 616; über Verschliessung des Milch­ganges in den Zitzen siehe Entzündung der Milchdrüsen, S. 159, — der Drosselvene siehe Entzündung derselben, S. 145 u. f..
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U
Zwölfte Classe.
Fremde Körper und Zurückhaltung von Säften. Erster Abschnitl.
Von diesen Zuständen im Allgemeinen.
Es kommt nicht selten vor, dass fremde Körper verschiedener Art von aussen in den Thierkörper gelaugcu und in demselben krankliafle Zusländc erzeugen und eben so kommt es vor, dass abgesouderlc Safle sich iu einem oder dem andern Organe, namentlich aber in den Höhlen auliäiilru und ebenfalls Kraukheilen herbeiführen oder selbst darstellen. Die von aussen eingedrungenen fremden Körper (Allenthesen) gelangen entweder durch die Hautdecken in denselben oder sie finden ihren Eingang durch die verschiedenen natürlichen Oell'nungcn desselben. Im ersteren Falle können sie, je nach ihrer Grosse und Beschalfenheit, auch vcrhällnissmässig grosse Trennungen veranlassen und sie sind dann als blosse Complikalioncn der Wunden zu betrachten (S. 301); wenn sie aber sehr dünn und fein sind, so zieht sich die Haut nach ihrem Durch­gang wieder zusammen, so dass keine offene Trennung wahrzunehmen ist und die fremden Körper bewirken dann im Zellgewebe, in den Mus­keln u. s. w. Reizung, Schmerz, Entzündung, Eiterung, zuweilen auch Convulsionen u. dcrgl. und stellen somit gewissermassen selbstsländige Leiden dar. — Die in die Mündungen der Höhlen eingedrungeneu fremden Körper wirken, je nach ihrer Grosse und der Beschaflenheit ihrer Oberfläche, ebenfalls drückend und reizend, und je nach der Em­pfindlichkeit und der besondern Beschaffenheit des Organs geben sie auch Veranlassung zu eigenthümlichen Zulallen, wie z. B. zwischen den Augenlidern zu reichlicher Thränenabsonderung, im Maule zu starkem Speicheln und Geifern, im Schlünde zum Erbrechen u. s. w.
Die Erkennung des Daseins von fremden Körpern beruht grössten-
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Von den Zusländen im Allgemeinen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;651
theils auf den Erscheinungen, welche in der eben angegebenen Art eigenthiiinlich an den verschiedenen Slellen durch die fremden Körper hervorgerufen werden und in Folge welcher man die örtliche Unter­suchung des Theils unternimmt. Bei der lelzteren iiudet man dann den fremden Körper und erlangt so die vollständige Gewisshcit seines Daseins,
Die Beurlhcilung der krankhaften Zustände, welche durch fremde Körper erzeugt werden, ist nach Art und Grosse derselben, nach der Dauer ihres Daseins, nach der Wichtigkeit und Lage des bclroircncn Organs und nach der Art der Zufalle, welche bereits entslandcn sind, in den einzelnen Fällen sehr verschieden und daher im Allgemeinen nicht gut auszusprechen. Nur das ist hier zu bemerken: dass manche fremde Körper, wie dies bereits bei denselben in Wunden gesagt worden ist, durch plastische Säfle eingehüllt und dadurch dem Thierkörper we­niger fremd gemacht werden, so dass sie in diesem Zustande oft durch viele Jahre in demselben verbleiben, ohne weitere Störungen zu er­zeugen; dass aber andere die Reizung fortwährend unterhalten und durch Schmerz das Wohlbefinden der Thiere oder die freie Bewegung der bctroirencn ïheile stören und somit das Gedeihen derselben und ihre Dicnstbrauchbarkeit hindern; dass noch andere Eiterung erregen und durch einen entstandenen x\bsccss nach aussen wieder entleert werden oder auch zu Senkungen des Eiters, Fislelbildungen, Ulcera-tioneu u. s. w. Veranlassung geben. Die in die Hohlen eingedrunge­nen fremden Körper können Verletzungen der Wände, Ausdehnungen derselben, schleichende Entzündung, Störung des Durchganges von Nah-rungsmiltcln und von Säften, Störung der Sinnesfunktiouen, Krämpfe und selbst den Tod herbeiführen.
Sekretious-Flüssigkeilen, welche zur Ausleerung bestimmt sind, bilden an und für sich noch keine Störungen als fremde Körper, wenn sie in einer massigen Menge an dem Absonderungsorte und während kurzer Zeit verweilen, aber wenn die Anhäufung in grosser Menge stattfindet, wirken sie drückend und ausdehnend auf die Wände der Organe oder der Höhlen, schwächen hierdurch dieselben, erzeugen Störungen in benachbarten Gebilden, je nach der Art und Funktion derselben, und können selbst zur Berstung der Organe, dann zu Ergies-sungen in das Zellgewebe oder in die grosseren Höhlen Veranlassung geben und somit verschiedene üble Zufälle und selbst den Tod der Thiere verursachen. Es entstehen auf diese Weise durch Anhäufung von Serum in der vordem Augenkammer Wassersuchten des Augapfels und in Folge derselben Vorfall des Augapfels und Verlust des Sehver­mögens, durch Anhäufung von Schleim in den Luffsäcken bei Pferden beschwerliches Athmen u. s. w.
Die Diagnosis dieser krankhaften Zustände beruht theils auf der wahrnehmbaren Verminderung oder gänzlichen Unterdrückung der nor­malen Ausleerung, theils auf vermehrtem Umfange der Organe oder Höhlen, in welchen die Anhäufung stattfindet, theils auch auf der fühl­baren Fluktuation der angehäuften Säfle bei kunstmässiger Unlcrsnchiing hierüber, und endlich auf den besonderen Zufällen, welche durch die Spannung, den Druck u. s. w. von den augehüuflcu Flüssigkeiten in den benachbarten Theilcn entstehen.
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Dasselbeulen oder Engerlinge unter der Haut.
Die Kur ist bei den fremder von aussen eingedrungenen Körpern darauf gegründet, dass man dieselben entweder direkt entfernt, oder dass man sie durch den Eiterungsproiess erst locker weiden und dann durch eine von selbst enlstandcne Oeifnung ausscheiden lässt, oder sie ebenfalls künstlich enlfernt; und wo besondere Zufälle bereits eingetre­ten sind, welche auch nach der Entfernung der fremden Körper fort­bestehen, hat man die Aufgabe, dieselben ihrer Art nach durch geeig­nete Mittel zu beseitigen oder zu mindern. — Bei den zurückgehaltenen oder zu sehr angehäuften Säften hat man die Aufgabe: den natürlichen Ausleerungsweg wieder herzustellen oder einen neuen Ausleerungsweg künstlich zu bilden und ausserdem die dem ursprünglichen Zustande zuweilen zum Grunde liegenden Ursachen oder die hinzugetretenen Complikationen zu beseitigen, — wie dies im Speziellen näher ange­geben wird.
Zweiter Abschnitt.
Von den fremden Körpern und Anhäufungen der Säfte
im Speziellen
Erstes Capitel.
quot;Von den Dasselbeulen oder den Engerlingen unter
der Haut.
Bei dem Rindvieh (auch bei dem Rothwild) finden sich häufig, bei Pferden und Eseln nur seilen, eigenthümliche Beulen auf dem Rücken, der Lendengegend und dem Kreuz, welche nur in der Haut und dem darunter liegenden Zellgewebe ihren Sitz haben, an ihrer Spitze mit einer kleinen Oeifnung verseilen sind, etwas eitern und in ihrem Innern eine Art von grosser Made enthalten. Man nennt diese Beulen gewöhnlich Dasselbeulcn und die einer Made ähnlichen Thiere Engerlinge. Die letzteren sind die Larven der sogenannten Rind­viehbremse, Ochsenbremse oder O chsenb rem e (Oestrus Bovis); sie werden im Sommer und Herbst von diesen Fliegen als Eier auf die Haut der Thiere gelegt, fressen sich nach dem Durchbrechen der Ei-hülle durch die Haut in das Zellgewebe und ernähren sich höchst wahrscheinlich von dem in ihrer Umgebung entstandenen Eiter bis zu ihrer vollständigen Ausbildung, welche nach Verlauf von etwa 10 Mo-
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Dasselbeulen oder Engerlinge unter der Haut.
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natcu erfolgt'). Die Zahl der Dasselbeulcn bei einem Thiere ist sehr verschieden, von 1 bis gegen 50; ihre Grosse ist im Anfange nur un­gefähr gleich einer massig grossen Bohne, aber allmälig nimmt sie zu und erreicht ungefähr nach 9 —10 Minuten zuweilen den Umfang eines starken Taubeneies bis den Umfang eines kleinen Hühnereies, und eben so wächst die in den Beulen belindliche Larve nach und nach grosser. Auf der Milte jeder Beule befindet sich eine rundliche Oeffnung, welche im Anfange nur sehr klein ist, späler jedoch immer grosser wird und zuletzt den Umfang einer Erbse erreicht. Die Haut auf der Beule ist im Anfange etwas verdickt, im nächsten Sommer aber wird sie allmälig dünner und man sieht zu der Zeit die Larve mit ihrem hintern Ende zuweilen in die genannte Oeffnung sich hineindrängen, so dieselbe all­mälig mehr erweitern und zuletzt schlüpft sie rückwärts aus derselben heraus. Dies geschieht gewöhnlich des Morgens in der Zeit von der Milte des Mai bis gegen das Ende des Juli; doch findet man auch früher und später einzelne Larven.
Die Engerlinge veranlassen den betreffenden Thieren eine bedeu­tende Plage, namentlich wenn sie in grosser Anzahl vorhanden sind; sie reizen fortwährend die Haut an der Stelle ibres Aufenthalts, beun­ruhigen die Thiere und hindern Ihcils hierdurch, theils durch den mit der lange dauernden Eiterung verbundenen Säfteverlust die gute Ernäh­rung des Thieres; doch verlieren sich diese Störungen stets von selbst, wenn die Larven ihre von der Nalur bestimmte Reife erlangt haben. Desshalb unternehmen auch die meisten Viehbesitzer gegen das Uebel gewöhnlich keine besondere Behandlung.
Die Hülfe ist hier leicht zu bewirken, und zwar entweder dadurch, dass man die Beulen aufschneidet, oder die vorhandenen Oeffnungen bloss erweitert, die Larven mittelst einer Pinzette oder einem Häkchen hervorzieht, oder auch sie bloss herausdrückt und dann das Geschwür mit irgend einem bittern oder gelind harzigen Mittel befeuchtet. Die Heilung erfolgt dann sehr leicht. Oder man tödtet, nach Bracy-Clark, die Larven in der Höhle dadurch, dass man eine ätzende Flüssigkeit, z. B. Sublimatauflüsung. oder eine Kupfervilriolauflösung in die Höhle spritzt, oder eine glühende Nadel in dieselbe führt, worauf man die Larve herausziehen oder ihr Ausstossen durch den Eiterungsprozess abwarten kann. Die Nachbehandlung hierbei ist auf blosses Reinigen beschränkt.
') Ueber die Bremsen siehe die gründliche Abhandlung von A. Nu mau im Magaz. f. Thierheilk. Bd. IV. S. 1 u. f.; und speziell über die Riudvieh-bremse daselbst S. ii'i.
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Bromscnsdi windel.
Zweites Capitel.
Von den Bremsenlai'ven in den Stirnhühlen der Schafe
und Ziegen.
Bei Schafen (zuweilen auch bei Ziegen) entwickeln sich in den Stirn- und Kieferhöhlen nicht seilen die Larven der Schafbremse (auch Nasenbremse und Slirngrübicr genannt ') in grosser Anzalil und erzeugen durch Reizung der Schleimhaut cigcnlliümliche Krankhcits-zuialle, welche man mit dem Namen „Bremsenschwindelquot; bezeich­net. Im geringem Grade des Leidens niesen die Thiere oft und ein­zelnen fliesst etwas Schleim aus der Nase, sie reiben sich den Kopf, besonders die Nase, an anderen Gegenständen, oder sie streifen mit den Hinter- und Vorderfüssen über denselben, oft schütteln sie ihn auch heftig, oder sie heben die Nase plötzlich in die Höhe und beugen den Kopf rückwärts oder zur Seite. Im hohem Grade stehen die Thiere öfters während einiger Zeit mit tief gesenktem Kopfe, heben bei dem Gehen die Vordcrfüsse höher auf, drehen zuweilen nach einer Seite und las­sen auch von dem Fulter ab. Ist dieser Zustand ciugelrclcn, so ma­gern sie allmälig mehr ab, fallen zuweilen nieder, knirschen mit den Zähnen und zeigen an den Augen mehr Röthung und eine verengerte Pupille, zuweilen verdrehen sie dieselben auch. In den leichteren Gra­den des Leidens wechseln die Zufälle oft mit völlig gesundem Zustande und zuletzt verschwinden sie gewöhnlich gänzlich, was zuweilen schon mit etwa 5 — 8 Tagen geschieht, besonders wenn die Thiere durch öfters wiederholfes Niesen einige Oestruslarvcn aus der Nase entleert hallen. Letzteres geschieht bald mit gleichzeitiger Ausleerung von Schleim, bald ohne dieselbe, ist aber iu jedem Falle das sicherste Merk­mal von dein Dasein der Larven. Bei den höheren Graden des Lei­dens wiederholen sich die bezeichneten Zufälle allmälig immer stärker und die Thiere sterben zuletzt unler denselben. Bei der Sektion findet man im WcsenlJichen die Stirnhöhlen, die Höhlen der Hornzapfen und auch die Oberkieferhöhlen mehr oder weniger mit zahlreichen Larven besetzt, die Schleimhaut stellenweis entzündet, eiternd und zuweileu sogar brandig.
Die Beiirlhciliing ist bei den milderen Graden des Uebels günstig zu machen, da hier die Beseitigung der Larven und die Heilung der bezeichneten Zufälle in der Regel gelingt, bei den höheren Graden aber ist gewöhnlich beides schwieriger und daher die Prognosis unsicher auszusprechen.
Zur Beseiliginig der Larven und der angefülirlen Kraukheitszufülle benutzt man zuerst in den mildereu Fällen solche Blillel, welche Niesen erregen und den Larven zuwider sind, z. B. pulverisirten Tabak, Ma-jorankraut, Nieswurz n. dgl., indem man den Thiercn füglich 2 — 3 Mal von diesen Milteln eine Prise in die Nase bringt; oder man spritzt
') lieber die Schafbremse. Magazin f. Tliierhcilkimdc. Bd. IV. S. 124.
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Sclilciinanhiuifunquot; in den Luftsäckcn.
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dieselben mit Wasser oder Kalkwasser gemengt, oder eine Auflösung von Hirschhornsalz (1 Loth auf sect;vj Wasser), oder stinkendes Thieröl den Thiercn in die Nase. Wenn aber von diesen Mitteln nicht in kurzer Zeit der gewünschte Erfolg bemerkt wird, oder wenn die Krank-heilszufällc sehr dringend sind, ist es am besten, die Stirnbeine mit einem Trepan oder mit einem Troikar kunstmässig zu durchbohren, oder auch bei gehörnten Thieren die Hörner an ihrer Wurzel abzu­sägen und hierdurch die Stirnhöhlen zu öffnen. Schon durch das freie Durchströmen der ntmosphiiiischen Luft durch die Stirn- und Nasen-höhlen werden die Larven zum Abgehen aus der Höhle veranlasst, es wird aber noch mehr befördert, wenn man durch die Oeffnungen ver­dünntes Hirschhornöl (z. B. gj mit gviij Seifenwasser zusammenge­mengt), oder eben so eine Emulsion von Terpenthinül, in verschie­denen Richtungen durch jene Oeffnungen in die Stirnhöhle injizirt. Die entstandenen Oeffmingen heilen späterhin leicht von selbst wie­der zu 1).
-'fi
m
Drittes Capitel.
Anhäufung von Schleim in den Luflsäcken der Pferde.
Bei Entzündungen der Schleimhaut der Rachen- und der Nasenhöhle, besonders bei Druse, Strengel und Bräune, nimmt bei Pferden, Eseln und deren Bastarden auch die Sehleimhaut in den Luftsäcken zuweilen Anllieil und in Folge dessen entsteht eine krankhafte Absonderung von Schleim oder selbst von Eiter ähnlicher Flüssigkeit. Diese Flüssigkeiten werden aus den Luftsäcken durch die natürlichen Oeffnungen derselben (die Mündungen der Eustacliischcn Röhre) in den meisten Fällen voll­ständig ausgesclüeden, und man sieht dann nur die Erscheinungen des Schleimflusscs aus Nase und Maul, wie bei Druse. Zuweilen aber kleben die Ränder jener Oeffnungen zusammen, oder ihre Schleimhaut verdickt sich und der Raum für den Ausfluss wird vermindert, so lange eben die Anschwellung dauert, zuweilen sogar ganz unterdrückt. Hier­durch entsteht entweder eine nur während kurzer Zeit bestehende, öf­ters wechselnde oder eine andauernde Anhäufung jener Flüssigkeiten in einem oder in beiden Luftsäcken.
Nach diesen Yerschiedenheiten sind auch die diagnostischen Merk-
') Bei Hunden vcrursaclil das Pentastoma tenoides in den Stirnhöhlen zu­weilen ähnliche Reizungszufälle, welche sich durch öfteres Niesen, Ausfluss von Schleim aus der Nase, Schütteln mit dem Kopfe, Wischen mit der Pfote über die Stirn und Nase, Verstimmung des Temperaments, Neigung zum Beis-sen etc. kundgehen. Die Diagnosis ist jedoch noch nicht gehörig begründet. Die Hülfe könnte eine ähnliche sein, wie sie oben angegeben ist.
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G3Gnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Schleimanhäufung in den Luftsäckett.
male elwas vei'schieden. Bei nur Hieihveiser Verschliessung der Mün­dung der Luftsäcke bemerkt man, dass das Pferd öfters zusammenhän­gende Schleimklümpchcu aus der Nase verliert, besonders dann, nach­dem es den Kopf mehrmals abwechselnd gehoben und wieder gesenkt hat, am meislen aber dann, wenn man es vorher während mehrerer Standen mit aufgericlitetem Kopfe kurz angebunden hatte, ihm nun die Gegend der Luftsäcke über dem Kehlkopfe mit beiden Händen nach innen zusammendrückt und gleich hierauf ihm den Kopf nach unten gegen die Brust beugt. Bei dem Stehen des Pferdes mit hochgehalte­nem Kopfe schwillt zuweilen die Gegend der Ohrdrüsen etwas an; und wenn man diese Gegend mit den Fingern von unten nach oben und von hinten nach vorn von beiden Seiten gelind drückt und streicht, so wird ebenfalls der Auslluss hervorgerufen oder vermehrt und nach demselben wird die bezeichnete Stelle am Halse wieder etwas dünner. Manche Pferde haben vor erfolgter Ausleerung ein röchelndes Albmen, besonders wenn sie eben anfangen zu laufen, späterhin aber nimmt das Röcheln allmälig mehr ab. Einzelne werfen auch, ohne zu husten, etwas Schleim aus dem Maule. — Bei gänzlicher, Verschliessung eines Luftsackes tritt die Ohrdrüse immer mehr gewölbt hervor, die Gegend ist mehr gespannt und in akuten Fällen auch etwas schmerzhaft, meh-rentheils aber bei angebrachtem Druck wenig oder gar nicht schmerz­haft ; zuweilen fühlt man unter der Ohrdrüse zwischen dem Unterkiefer und den Halswirbeln in der Tiefe etwas Fluktuation; das Athmen und das Schlingen wird im Verhällniss der zunehmenden Geschwulst immer mehr erschwert, ersteres selbst röchelnd oder brummend, ähnlich wie bei dem Hartschnaulen, und es bleibt so, auch wenn die Thiere be­wegt werden. Auslluss findet, hier äusserst wenig oder gar nicht statt. Bei sehr grosser Anhäufung und hierdurch sehr beengtem Athmen kratzen die Thiere sogar mit den Füssen, strecken den Kopf vorwärts und bewegen ihn oft wiederholt abwechselnd nach oben und unten, gleichsam um das Hinderniss hierdurch zu entfernen.
Aussei- diesen Zufallen sind oft noch die Symptome des ursprüng­lichen Leidens, der Druse oder Bräune, zugegen, namentlich Auflocke­rung und dunkle Köthung der Schleimhäute, vermehrte Sekretion in denselben, empfindliche Anschwellung der Ohr- und der Lymphdrüsen im Kehlgange, Fieber und dergleichen. In anderen Fällen fehlen diese Zufälle gänzlich.
Wenn die Anhäufung von krankhaftem Schleim durch einige Zeit gedauert hat, wird der seröse Theil des letztern allmälig resorbirt und die gerinnbaren Bestandtheile werden hierdurch mehr dicht, so dass sie eine fast breiartige Masse bilden, oder sie coaguliren sich selbst zu ein­zelnen festen Körpern, welche in ihrem Innern oft die Consistenz der Knorpel erhalten und desshalb Chondro'ide genannt werden. Dieselben sind von der Grosse einer Erbse bis zu der einer Kastanie und in ver­schiedener Anzahl gefunden worden. Ihre Erkennung ist während des Lebens und ohne vorher gemachte Erölfnung der Luftsäcke sehr schwer, und nur die grosseren von ihnen kann man bei dem Zusammendrücken der Luftsäcke von beiden Ohrdrüsen her als harte Massen ia der Tiefe der Rachenhöhle fülden.
Die Veranlassung zu dem Entstehen jener Entzündungen und der hier-
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Scfaleimanhäufung in den Luftfiäukcn, Behandlung.
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durch erzeugten Schleim- und Eiteransanimlungeu in den Luftsäcken sind Erkältungen der verschiedensten Art und zuweilen, wie es scheint, ein eigenthümliches Miasma; denn man sieht dieselben in manchen Jah­ren nur äusserst selten, in anderen aber mehrialtig entstehen.
Die Beurtheilung ist bei den unvollständigen Verschliessungen und geringen Anhäufungen günstig zu machen, da der Zustand sich oft von selbst wieder verliert; bei den vollständigen Verschliessungen und gros­sen Anhäufungen ist zwar die Beurtheilung ebenfalls günstig, da der Zustand fast immer auf operative Weise zu beseitigen ist; allein diese Hülfe ist mit vieler Mühe und selbst mit einiger Gefahr verbunden. Am meisten ist dies bei den Anhäufungen von verdicktem Schleim und bei vorhandenen Chondroïden der Fall, weil hier eine ungewöhnlich grosse OefFnung gemacht werden muss. In eiuzelnen Fällen wird die Absonderung chronisch uud die Thiere behalten dann durch lange Zeit oder für immer das Ausehen, als ob sie au verdächtiger Druse litten. Sich selbst überlassen erfolgt die Heilung höchst selten und bei den höheren Graden des Uebels kann selbst Erslickungsgefahr eintreten.
Die Behandlung ist nach den verschiedenen Graden und nach der Dauer des Uebels verschieden. Bei noch bestehendem, freiem Ausfluss ist die krankhafte Schleimsekretion in den Luftsäcken ganz auf dieselbe Weise, wie bei anderen katarrhalischen Affektionen, nach ihrem Cha­rakter und nach ihrem Stadium zu behandeln, indem man zuerst, bei noch bestehender entzündlicher Reizung, Dunstbäder von warmem Wasser und zum iunern Gebrauch den Tartarus stibiatus, Goldschwefel und dergleichen Mittel anwenden lässt; im zweiten Stadium passen da­gegen mehr geltnd erregende Mittel, wie Ammonium muriaticum, Semen Foeniculi und dergleichen zum innern Gebtauch, äusserlich aber Dunst­bäder von aromalischen Mitteln; im dritten Stadium und wenn der Zustand chronisch geworden ist, sind Dunstbäder von Theer und Ein­reibungen von Kantharidensalbe in die Gegend der Ohrdrüsen zu machen. Ausserdem kann man aber in diesem Stadium, besonders wenn es sich sehr in die Länge zieht, Injektionen von aromatischen und gelind ad-stringirenden Mitteln, z. B. von einem Infusum von Baldrian- oder Gal-muswurzel, Eichenrinde, Kupfervitriolauflösung und dergleichen vermit­telst des Güntherschen Luftsackkatheters *) in den kranken Luftsack
#9632;t;.L
- I
') Dies Instrument stellt eine 20 Zoll lange Röhre von der Dicke eines starken Gänsekiels dar; das vordere Ende bildet eine abgerundete Spitze, welche einen Zoll von derselben nach der einen Seite etwas gebogen ist, so dass die­selbe 3 Linien von der geraden Richtung abweicht; auch ist sie neben der eigentlichen Spitze mit 2 ovalen, gegen -^ Zoll langen und 3 Linien breiten Seitenöffnungen versehen. Das andere Ende der Röhre ist offen und wird mit einem 7 Zoll langen, platten und circa 1 Zoll breiten Griff verbunden; der letztere ist an seinem hintern Ende etwas breiter, als an seinem vordem, an jenem etwas über die Kante gebogen und an diesem mil einem 4 Linien lan­gen Zapfen versehen, welcher in die Röhre passt und mittelst einer kleinen Seitenschraube in ihr befestiget werden kann. Man setzt diese beiden Theile so zusammen^ dass die concave Seite des Handgriffs der coneaven Seite der Spitze entspricht, um hierdurch bei dem Gebrauch des Instrumentes stets zu wissen, nach welcher Richtung die Spitze des Instrumentes in der Nasen- und Rachenhühle gestellt ist Der Griff ist noch in der Mitte seiner beiden Flächen
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6SSnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Scblelmanhaufung in den Luftsäcken. Behandlung.
machen. Für diesen Zweck muss das Pferd gebremset und von awei slarken Geliiilfen am Kopfe festgehalten weiden; man nimmt dann zu­nächst äusserlich am Kopfe das Maass mit dem Instrument, um die Länge, in vvelcber es eingeschoben werden soll, festzustellen. Hierzu dient der Raum zwischen dem äusscren Baude des Nasenloches und dem hintern Rande des Augcubogens; denn fast unter dem letztem, jedoch tief in der Racbenhöble, liegt an jeder Seile die Mündung der Eustachischen Röhre hinter der Choane ihrer Seite und durch einen dünnen Knorpel begräuzt. Bei dem Messen legt man die Spitze des Instrumentes an den Rand des Augeubogens, schiebt das Ende des an dem Grill' befindlichen Zeigers bis an den Rand des Nasenlochs an der Röhre hinauf und stellt ihn hier mit der Schraube fest. Das so ge­fundene Maass reicht jedoch nur von der Nasenölfnung bis an die Mündung des Luflsackcs und man muss desshalb das Instrument bei dem Einführen in den letztem noch gegen 1 —1£ Zoll tiefer in die Nasenhöhle hineinschieben und so die Spitze des Instrumentes wirklich in die Höhle des LuRsaekes bringen. Nach geschehener Messung führt man (nach Günthers Vorschrift a. a. O.) die Höhre, deren Spitze nach unten und innen gerichtet, in dem hinlern Nasengange so hoch hinauf, bis der Zeiger des Instruments au den Rand der Naseuöffnnng gelangt ist; nun inacbl man mit. dem Instrument eine J Wendung um seine Achse, indem man die Biegung des llaudgritl's von unten nach anssen herumdreht, dirigirt auf diese Weise die Röbrcnspitze gegen die äussere Wandung der Rachenhohle und schiebt, indem man den GriiT mit dem unlern Ende der Röhre gegen die Naseuscheidewand, das obere Ende aber an die äussere W andung der Rachenhohle bringt, die Spitze des Instruments in die Eustachische Röhre und in den Luflsack hinein. Doch kann man auch gleich bei dem Einführen des Instru­ments in den Nasengaug die convexe Seite seiuer Spitze gegen die Scheidewand, also den liandgrill' nach unten gewendet, einführen und so in den Lufisack eindringen. #9632; In jedem Falle ist es aber noting, wenn die Spitze bis in die Rachenhöhle gelangt ist, das hintere Ende des Instrumenls stark an die Naseuscheidewand zu diängen, weil auf diese Weise die Spitze sicherer unter dein Knorpel der Euslachischen Röhre und in den Luftsack eindringt. 1st letzteres geschehen, so schraubt man den Grill' von der Röhre los und entfeint. ihn.
Bestand eine Anhäufung von Schleim im Luftsacke, so entleert sich die Flüssigkeit gewöhnlich sogleich, und nachdem dies geschehen, macht man mit einer Spritze Injektionen von den genannten Mitlein, so dass der Luftsack grösslcnlheils damit angefQl't wird. Nach den­selben hält man die Röhre durch einige Minuten mit einem Finger verschlossen und lässl dann jene Flüssigkeiten sich wieder entleeren. Dergleichen Injektionen können, wenn die krankhafte Schleimsekrelion
mit einer 4 Zoll langen, i Zoll breiten Oeffnung durchbrochen und in der letztern läuft ein nach der Röhre gehender, 6 Zoll langer Zeiger, der vor-odor zurückgeschoben und in der erforderlichen Entfernung durch eine Stell­schraube auf dem GrifT festgestellt werden kann. (Zeitschrift für d. gesammte Thierheilk. u. Viebz. von Nebel u. Vix. Bd. I. S. 411 u. f.)
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Hyoverlebrotomle.
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nicht aufhört, in Zwischenzeiten von einigen Tagen mehrmals wieder­holt werden.
Bei periodischer Anhäufung von Flüssigkeiten in den Luftsäcken kann man eben so verfahren und den Katheter appliziren; und selbst bei dem gänzlichen Verschlossensein eines Luftsackes und bei übermäs-siger Anhäufung von Flüssigkeiten in ihm ist das Instrument in An­wendung zu bringen, um den Luflsack zu öfl'nen und zu entleeren. Dies gelingt in den meisten Fällen; zuweilen aber fliesst der Schleim nicht aus, weil er verdickt ist und in anderen Fällen gelingt es nicht, das Instrument bis in den Luttsack zu bringen, weil die Mündung des­selben durch die Anschwellung der Thcile zu fest verschlossen ist. Im erstem Falle kann man durch die Rühre Injektionen von lauwarmem Wasser öfters wiederholt anwenden, so lange, bis der ganze Inhalt, aufgelöst und entleert ist; wenn aber der Katheter niebt einzubringen ist und durch die Anhäufung im Luflsacke beschwertes Athnien und Schlingen besteht, bleibt nichts anderes übrig, als eine künstliche Oell-nung in den Luftsack zu macheu und durch dieselbe seinen Inhalt zu entfernen.
Die operative Eröffnung der Luftsäcke (Hyovertebrotomie) ist wahrscheinlich zuerst von Chabert1) ausgeführt und später von mehreren anderen Thierärzlen, namentlich von Viborg 2), Diete­richs 3) und Anderen etwas modili/.u't worden, so dass man jetzt drei verschiedene Methoden der Operation unterscheidet.
1) Die Methode von Chabert. Dieselbe wird auf folgende Weise ausgeführt: Man legt das Thier nieder (nachdem man allenfalls, wenn Erstickungsgefuhr bestand, vorher die Trachcotomie unternommen hatte, — was jedoch nicht streng nöthig ist und immer noch geschehen kann, wenn beim Liegen des Thieres diese Gefahr wirklich eintrclen sollte,) — scheert an der Gränze der Ohrdrüse und des ersten Halswirbels die Haare etwa 4 Zoll lang und 1 Zoll breit ab, spannt die Haut daselbst und durchschneidet sie vor der Mitte des vordem Bandes des Quer­fortsalzes des genannten Wirbels etwa 3 — 4 Querfinger lang. Durch diesen Einschnitt wird der hintere Band der Olirdriise blossgelegt, so dass man ihn mit der Pinzelte erfassen und mit vorsichtigen Schnitten von dem Halswirbel und dem unter ihr liegenden Zellgewebe abpräpa-riren und etwas nach vorn ziehen kann. Hierauf lässt man den Kopf möglichst weit vom Halse ab nach vorn strecken und für die weitere Operation so gestreckt erhalten; man sucht nun mit dein Zeigefinger den Gritfelfortsalz des Hinterhauptbeins und den von ihm ausgehenden Grilfelkiefermuskel, und durchstiebt denselben mit einem zweisclmeidigen Messer in seiner Mitte auf die Weise, dass man die Flächen des Mes­sers parallel mit den Fasern des Muskels und unter dem Aste des Zungenbeins durch den Muskel und die unter ihm liegend Waud hin-eindrückL In diesem Moment muss man das Heft des Messers etwas
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#9632;
•) Journal de l'agricult. du commerce, des arts etc. 1779, avril, p. 108. a) Sammlungen fur ïhierarzte u. Oekonomen. Bd. III. S. 233. Kopen­hagen 1803.
s) Handbuch der Veterinär - Chirurgie. Erste Aufl. S. 517. Berlin 1822.
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660nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;MyovertcbroUwiie.
gegen den ersten Halswirbel neigen, damit die Spitze mehr nach vorn und oben gerichtet werde. Man erzeugt eine Oeffnung, in welche man mit einem Finger eindringen kann. Bei derselben Haltung des Messers in der angegebenen Weise werden seine Schneiden nach oben und unten gerichtet, und die hier vorlaufenden Aeste der Carotis und die hier liegenden Nerven gegen Verletzung einigermassen gesichert; bei diesen Verletzungen entstehen gefährliche und schwer zu stillende Blu­tungen. — Nach geschehener Oeffnung fliesst sogleich ein Theil des Inhalts des Luftsackes hervor, aber der Rest muss mittelst einer Spritze ausgesogen und dies täglich wiederholt werden. Da dies sehr umständ­lich ist und dem Zwecke der Operation nicht genügend entsprochen wird, auch die Durchbohrung des Muskels nicht nothweudig ist, so haben spätere französische Aerzle, namentlich Barthelemy1) das Verfahren in der Art abgeändert, dass nicht der Griffelkiefer-, sondern der dünne, platte Griffelzungeubcinmuskel durchstochen wird und dass mau eine Gegenöffnung an der niedrigsten Stelle des Luftsackes macht. Für letztern Zweck führt mau eine Sfönnig gekrümmte Sonde oder einen krummen Troikar durch die gemachte Oeffnung in den Luftsack so nach unten, dass durch das Ende des Instruments die Haut vor der Gesichtsvene am Rande des Unterkiefers etwas hervorgedrängt wird; hier schneidet man dann durch die Haut, den Halshautmuskel und den Lufsack eine gegen % Zoll grosse Oeffnung, fädelt in das Oehr der Sonde ein Band und zieht dies durch den Luftsack, so dass es aus den beiden Oeffnungen hervorragt. Hierdurch wird der Abfluss der Materien sehr gefördert. Von Zeit zu Zeit kann man Einspritzungen machen und dann das Band entfernen, wenn der Ausfluss aufhört.
2) Viborg's Methode. E. Viborg hatte die Nachtheile der Cha-bert'sehen Methode erkannt und gab daher folgendes Operalionsver-fahren an: Das Pferd kann zu dieser Operation stehen oder auch liegen; man lässt ihm den Kopf von mehreren Gehülfen so viel wie möglich unbeweglich halten und zugleich möglichst nach vorn aus­strecken, um den Brustkiefermuskel hierdurch zu spannen und ihn leichter kennbar zu machen, da er hierbei wie eine gespannte Schnur gegen die Rundung des Hinterkiefers liegt. Hierauf druckt man die Drosselvenen ungefähr an der Mitte des Halses zusammen, um durch Anhäufung des Blutes die äussere Gesichtsvene deutlich sichtbar zu machen. Diese Vene und der genannte Muskel bilden mit dem Rande des Kiefers ein Dreieck, auf dessen Mitte man einen 2 — 3 Zoll langen Einschnitt durch die Haut, längs der Sehne des erwähnten Muskels so macht, dass er bis zum Rande des Hiuterkiefers sich erstrecke. Hierauf trennt man ebenso den Halshautmuskel und führt den ZeigeGnger der rechten Hand durch die Oeffnung am Innern Rande des Kinnbackens bis zu dem Luftsacke hinauf. Auf diesem Wege trifft man nichts an­deres als Zellgewebe. Man geht dann zwischen der Luftröhre und der Carotis, so dass diese, der 10te Hirnnerv, der oberste Theil der Kiefer­speicheldrüse und der unterste Theil der Ohrdrüse an der aussein Seite
') Hurtrel d'Arboval, Dielion. de Médec. et de Chirurgie vétér. Pariraquo; 1826. T. U. p. 360.
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Uyoverlebrotomie.
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des Fingers liegen bleiben. Hat man so mit den Fingern einen Weg bis zu dem Luftsacke gebahnt, so fühlt man die in diesem eingeschlos­sene Materie deutlich durch die iluktuirende Bewegung, wenn man etwas schnell gegen ihn stösst. Um ihn zu öiTnen, führt man neben dem Finger einen Troikar, dessen Spitze zurückgezogen ist, in die Wunde bis an den Luflsack, schiebt dann das Stilet aus der Röhre an den letztern hervor und drückt die Spitze kurz und kräftig in ihn hinein. Hat man erst eine kleine Oellnung, so lässt sich diese mit dem Finger leicht grosser machen, da die dünnen Häute der Luftsäcke leicht zer­rissen werden können. — Bei sehr grosser Anhäufung von Flüssigkeiten sind die Luflsäcke zuweilen so bedeutend herabgedrängt, dass man auch unterhalb der Gesichtsvene die Fluktuation fühlen und hier einen Ein­stich durch die Haut in sie machen kann, ähnlich wie bei der Eröff­nung eines Abscesses. Nach geschehener Ausleerung der Flüssigkeit soll man, nach quot;Viborg's Rath, einen Knäuel Werg in die Oeffhung drücken und denselben mit einem Verbande von aussen her festhalten. In den ersten Tagen nach der Operation nimmt man das Werg täglich 3 — 4 Mal heraus, um die Materie abllliessen zu lassen und macht Ein­spritzungen von gelind zusammenziehenden Mitteln. Die Heilung erfolgt in der Regel sehr leicht. So einfach und zweckmässig diese Methode erscheint, so meint doch Dieterichs, dass bei ihr die Oeffnung des Luftsackes zu gross und unregclmässig wird und sich später, wenn die Krankheit in ihm bereits gehoben ist. nicht wieder schliesst, sondern die Eiterung unterhält. Er schlug daher:
3) seine Methode in folgender Weise vor: Dem liegenden Pferde soll der Kopf am Halse etwas geradeaus gestreckt, dann vor dem Flü­gelfortsatz des ersten Halswirbels, parallel mit dem Rande desselben, ein gegen 3 Zoll langer Hautschnitt gemacht und der Halshautmuskel nebst der Ohrdrüse von hinten nach vorn etwas lospräparirt werden, ohne sie zu verletzen; dann suche mau mit dem Zeigefinger den Griffel­kiefermuskel auf und führe dreist einige Schnitte bis zu ihm durch das Zellgewebe, trenne nun mit dem Finger oder mit dem Hefte des Skal­pells das Zellgewebe neben und hinter dem genannten Muskel zum Luftsacke hinab und lasse dann den Kopf des Pferdes recht gerade ausstrecken, fühle nun mit dem Zeigefinger nach den pulsirenden Ge-fässen und suche den Winkel auf, welchen die äusscre Kopfarterie macht. In diesen Winkel führe man nun die Spitze eines Skalpells oder eines Bistouri so, dass der Rücken gegen den Winkel, die Schneide des Instruments gegen den Griffelkiefermuskel gerichtet ist, bis in den Luftsack ein; auch kann man die Klinge unterhalb der äussern Kopf­arterie, mit dieser gleichlaufend, ansetzen und so in den Lufsack dringen. In beiden Fällen verhütet man die Verletzung der Gefasse und beson­ders der Nerven, welche letztere bei gestrecktem Kopfe immer mehr nach oben liegen. In die gemachte Oeffnung schiebe man die Hülse des krummen Troikars ein, führe diese mit ihrem vordem Ende bis zu der Stelle, wo Viborg den Einstich macht, bringe das Stilet m die Hülse und durchsteche hier den Luflsack von innen nach aussen; hierauf wird das Stilet wieder herausgezogen, das Band vermittelst eines Zwirnfadens in die Seitenöflhung der Röhre befestigt und wie ein Häarseil durch den Luflsack gezogen, indem man die Röhre durch die
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6G2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hyovertebrotomie.
obere Oeflnung zurückzieht; oder wenn die Troikarröhrc keine Seiten-öfi'aung hat, wird das Band miltelst einer Oehrsonde in die Hülse ge­zogen und es bleibt bei dem Zurückziehen derselben iu dem Wund-kaual sitzen, so hinge dies für nöthig befunden wird.
Die meisten neuern französischen Thierärzle und namentlich Lecoq1) machen den Ilaulschnitt etwas näher dem Ohre zu, nämlich vor der Rundung des Flügels des Atlas, am Rande der Sehnen des riemenför-migen Muskels; nachdem sie darauf den hintern Rand der Ohrdrüse von ihm etwas abgelöset haben, oiluen sie den Luflsack über dem Grilfelkinnbackenmuskel, indem sie die Mitte des Griffel-Zungenbein-muskels durchstechen und zugleich den Kopf des Thieres stark vor­wärts strecken lassen. Das Messer kehren sie dabei mit der Schneide nach dem stets sehr deutlich fühlbaren Höcker des Zungenbeins und schieben es in schräger Richtung von hinten nach vorn ein, so dass das Instrument zwischen der jnnern Kopfarlcrie und dem Zungenbein­höcker eingeführt wird. Der Einstich soll klein sein und mit dem Finger, soweit dies nöthig. erweitert werden. Hieraufmachen sie mit Hülfe eines gekrümmten Troikars oder einer gebogenen Sonde eine Gegenöffnung an derselben Stelle, welche Dieterichs und Yiborg an­gegeben, ohne jedoch ein Band einzuziehen. — Die Operation ist auf diese Weise eben so leicht ausführbar und mit noch geringerer Gefahr verbunden, als an der von Dieterichs gewählten Stelle.
Es fragt sich aber: ob überhaupt die Eröllhung der Luflsäcke an den höheren Punkten derselben nöthig und so allgemein zu empfehlen sei? Ich glaube dies nicht und würde dieses Verfahren höchstens nur da für brauchbar halten, wo Chondroideu entfernt werden sollen, weil man so näher in den Luftsack gelangt und eine grössere Oeffnung zum Einführen einer Kornzange anbringen kann. In allen anderen Fällen, wo nur Flüssigkeiten entleert werden sollen, ist Günther's und Vi-borg's Verfahren ausreichend. Will man dennoch die Operation an einer obern Stelle unternehmen, so empfehle ich, nachdem der hintere Rand der Olirdrüse abpräparirt ist, den Einstich in den Luftsack so­gleich mit dem Troikar zu machen, um so jede Verletzung der Blut-gefässe und Nerven sicherer zu vermeiden. Denn die anatomische Zusammensetzung der in das Bereich dieser Operation kommenden Theile giebt die Möglichkeit einer solchen Verletzung, und die Vorsichts-massregel Dieterichs: vor der Operation eine Nothschlinge um die Carotis zu legen oder um den Ast, welchen man zu verletzen fürchtet,
—nbsp; ist desshalb ungenügend, weil die Carotis sowohl mit Zweigen der Carotis der andern Seite, wie auch mit der Arteria vertebraiis anasto-mosirt und hierdurch bei stattgehabter Verletzung eines Astes der Ca­rotis die Blutung von beiden Enden des verletzten Gefässes herbeigeführt wird. Man muss desshalb, wenn eine solche Verletzung stattgefunden hat, eine Ligatur sowohl über, wie unter der verletzten Stelle anlegen,
—nbsp; was oft schwierig und noch am besten durch Umstechung mittelst einer recht krummen Nadel zu bewirken ist.
') Notes anatomiques sur I'operation de l'Hyovertebrotomie. Lyon 1841.
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Fremde Körper in der Maul- und Rachenhöhle.
Die Operationswunden weiden nach allgemeinen Regeln behandelt und das eingezogene Band wird enlfernt, wenn die Beseitigung des krankhaften Zustandes der Luftsäcke gelungen ist.
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Viertes Capitel.
Fremde Körper in der Maul- und Rachenhöhle.
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Es kommt bei den sämmtlichen Haiissäugethieren nicht selten vor, dass fremde Körper verschiedener Art. namentlich Knochen, Holz­stücke, Nägel, Nadeln oder auch KartoUcln, Obst, Rüben u. dgl, in der Maul- und Rachenhöhle stecken bleiben, die Thiere am weiteren Kauen und Schlingen hindern und Reizung und Schmerz veranlassen. Im Maule setzen sich die fremden Körper entweder zwischen die Zähne fest, oder dieselben dringen in die Zunge, in den Gaumen und in das Zahnfleisch, und die in der Rachenhöhle befindlichen werden gewöhn­lich von dem Schluntlkopfe umschlossen und krampfartig festgehalten; doch stechen sich auch hier zuweilen spitze Körper in die obere hintere Wand der Rachenhöble fest.
Die Zeichen von dem Dasein fremder Körper im Maule bestehen darin, dass die Thiere reichlich Schleim und Speichel aus dem JMaule verlieren, dass sie oft mit dem Kopfe schütteln, unvollständige kauende Bewegungen mit dem Unterkiefer machen und dabei denselben von Zeit zu Zeit stark nach einer Seite ziehen, zuweilen auch das Maul nicht vollständig verschliessen und mit den Zähne:i nicht fest auf einander beissen können. Hunde und Katzen wischen öfters mit den Pfoten an dem Maule herum; die Thiere haben einen ängstlichen stieren Blick und können in der Regel nicht vollständig kauen und schlucken. — Bei fremden Körpern in der Rachenhöhle bemerkt man ebenfalls Aus-fluss von Schleim und Speichel aus dem Maule, öfteres Schütteln mit dem Kopfe, oder ein-starkes Ausstrecken desselben nach vorn, be­schwerliches Schlingen, oft auch beschwerliches Athmen und zuweilen ist auch die Gegend der Ohrdrüsen der einen oder der andern Seite etwas aufgetrieben. Untersucht man in Folge dieser Erscheinungen die Maul- und Rachenhöhle selbst, indem man die Thiere bremset, ihnen ein Maulgalfer zwischen die beiden Kinnbacken setzt, die Zunge nach der einen und dann auch nach der andern Seite hervorzieht und nun die Maul- und Rachenhöhle nach allen Punkten besieht und befühlt, — so findet man einen oder den andern fremden Körper an irgend einer Stelle festsitzend, und die Diagnosis wird hierdurch vollständig be­gründet1).
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') Die Untersuchung musraquo; aber sehr genau geschehen, weil kleine spitze
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Fremde Körper im Schlünde.
Die Beurtheilung ist in der Regel günstig zu machen, da man die frenidcu Körper leicht entfernen und die von ihnen erregten Zueile be­seitigen kann; sich selbst überlassen, führen sie aber zuweilen zu lang­wierigen Eiterungen, sie stören die Ernährung und führen hierdurch Abmagerung und Enlkräflung, bei Milchlhieren das Versiegen der Milch und in ungünstigen Fällen selbst den Tod herbei.
Die Behandlung besteht bauptsächlich in der baldigen Entfernung des fremden Körpers. Um diese zu bewirken, setzt mau das Maulgalter zwischen die Kinnbacken ein, fixirt die Zunge durch Festhalten mit der Hand und ergreift dann den fremden Körper entweder mit der andern blossen Hand oder mittelst einer Kornzange, oder in der Rachen­höhle auch mittelst einer Kugelzange oder einer Steinzange und hebt oder zieht ihn hervor. Die entstandenen Reizungszufälle und Verletzun­gen sucht man durch Einspritzungen in das Maul von Wasser und Essig, oder von verdünnter Salzsäure mit Honig (g/ï Acidum muriati-cum concentratum zu 3 W. Wasser und ^tt Honig) und dergl. Mittel zu beseitigen; und man giebt dabei den Thieren nur weiches Futter und schleimiges Getränk.
Fünftes Capitel.
Fi'emde Körper im Schlünde.
Sowohl in dem Hals- wie auch in dem Brusttheile des Schlundes setzen sich oft fremde Körper von verschiedener Art, Grosse und Be­schaffenheit fest, namcntlicli: Kaiiofl'eln, Rüben, ganz oder in Stücken, Stücke von Oelkuchen, Halme von Schilf und grobstengelichem Heu, Pillen, Eier, Knochen, Holzsplitter, Dornen, Nägel, Nadeln, Drahtstücke u. dgl. Diese Körper veranlassen nach Verschiedenheit ihrer Grosse, ihrer Form und sonstigen Beschaffenheit bald nur einen Druck, bald heftige Reizung, Entzündung und selbst bald mehr bald weniger tief eindringende Verwundung. Ist der fremde Körper in seinem Umfange nur etwas grosser als der innere Raum des Schlundes, so wird der letztere an der Stelle, wo eben der fremde Körper sitzen geblieben ist, stark ausgedehnt, aber vor und hinler dieser Stelle zieht sich der Schlund stärker zusammen, so dass der fremde Körper gewöhnlich eingeschuürt und dadurch an dieser Stelle mehr oder weniger festge­halten wird. In manchen Fällen bleiben die Wirkungen allein auf den
Körper zuweilen so tief eindringen, dass sie kaum noch zu sehen sind. Ich habe mehrmals Stecknadeln bis an den Kopf in den Gaumen etc. eingedrungen gefunden. Wo viel zäher Schleim in der Maulhöhle angesammelt ist, mnss man denselben durch Ausspritzen mit Wasser zuerst entferneij.
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Fremde Körper im Schlünde.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;665
Schlund beschränkt, in anderen erstrecken sie sich auch auf die ihm naheliegenden Theile, namentlich auf den Kehlkopf, die Luftröhre, auf die grossen Gefässe und Nervenstämme am Halse und in der Brust­höhle , selbst auf das Brustfell, die Lungen und das Zwerchfell. Nach diesen Verschiedenheiten und nach der individuellen Empfindlichkeit der einzelnen Thiere sind die Krankheitserscheinungen in den einzelnen Fällen sowohl in der Art, wie auch im Grade etwas verschieden; zu­weilen sieht man gleich nach dem Sitzenbleiben eines fremden Körpers heftiges Würgen, Erbrechen, Angstschweiss und dergleichen Zufälle ent­stehen, während bei anderen Thieren solche Zufalle erst nach einiger Zeit und nur in geringem Grade eintreten. Die sichere Erkennung des Vorhandenseins eines fremden Körpers im Schlünde, so wie die Er­kennung der leidenden Stelle ist daher oft sehr schwer, und zwar um so mehr, da die vorhandenen Zufälle nicht selten einige Aehnlichkeit mit denen der Bräune, oder auch der Lungenentzündung, der Ver­letzung des Magens, der Tympanitis und anderer Krankheiten haben. Im Allgemeinen kann man jedoch auf das Dasein eines fremden Kör­pers im Schlünde mit grosser Wahrschcilichkeit schliessen, wenn fol­gende Erscheinungen wahrzunehmen sind:
1)nbsp; wenn die Thiere Futter und Getränk, zuweilen auch nur das erstere entweder gar nicht, oder uur eine kleine Quantität mit Mühenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; o verschlucken können und wenn das- Verschluckte nur bis zu einer ge-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ;! wissen Tiefe in den Schlund, aber nicht vollsliindig in den Magen ge- ' | langt;
2)nbsp; wenn den Thieren viel Speichel und Schleim, zuweilen mit Blutstreifen gemengt aus dem Maule tröpfelt, letzteres aber gesund ist;
3)nbsp; wenn ihr Blick ängstlich und stier und die Physiognomie zu­gleich verändert ist;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; h-Z
4)nbsp; wenn sie mit vorwärts gestrecktem Kopf und Halse stehen oder diese Theile öfters schüttelnd bewegen;
5)nbsp; wenn sie sich öfters bemühen zu schlucken, ohne dass sie eben Nahrungsmittel aufgenommen haben;
6)nbsp; wenn sich von Zeit zu Zeit, Rälpfen, Anstrengung zum Er­brechen oder selbst wirkliches Ausbrechen von Futter und Getränk, oder von Schleim aus Maul und Nase einstellt, und dies selbst bei solchen Thieren, welche sich gewöhnlich nicht erbrechen können;
7)nbsp; wenn nach dem Hinabschlucken von Futter und Getränk oder
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nach dem Eingeben von Flüssigkeiten die linke Seile des Halses hinter der. Luftröhre bemerkbar aufgetrieben wird, so dass die hier sonst äusserlich sichtbare Kinne mehr oder weniger vollgefüllt oder sogar als eine halbcylindrische Erhöhung hervorgetrieben wird. Diese Auflreibung geht immer von einer tiefern Stelle des Halses nach oben; sie ist ge­wöhnlieh weich, etwas elastisch, durch angebrachten Druck etwas zu vermindern, tritt aber nach demselben sogleich wieder ein;
8)nbsp; wenn das Thier den Kopf gegen die Erde senkt und dabei eine Menge Flüssigkeiten gussweise aus dem Maule oder aus der Nase entleert wird und hiernach die vorhin bemerkte Anschwellung sich ver­mindert;
9)nbsp; nbsp;wenn sich, abgesehen von der, im Vorhergehenden bezeich­neten weichen Anschwellung am Halse noch eine andere Geschwulst,
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Fremde Körper im Schlünde.
welche durch den fremden Körper selbst verursacht wird, zeigt. Diese Geschwulst ist nalürlich mich der Grosse und BeschalTeuheit des fremden Körpers verschieden, bald klein, bald gross, immer aber be-gränzt, hart, zuweilen schmerzhaft und mit Entzündungssjmptomen begleitet;
10)nbsp; wenn plötzlich beschwerliches röchelndes Athmen, unruhiges Hin- und Hertreten, oder auch Auftreibung des Leibes und Schweiss entstanden sind;
11)nbsp; zuweilen findet sich auch beschleunigter Puls, schnelles, kurzes Athmen und Stöhnen hinzu, besonders bei längerer Dauer der Zufalle.
Gewöhnlich sind mehrere von diesen Erscheinungen gleichzeitig vorhanden. Ausserdem trägt in manchen Fällen auch die Kenntniss von der Art der Nahrungsmittel, welche das Thier zuletzt genossen hat, bei deren Genuss es plötzlich erkrankt ist, überhaupt die Kenntniss der Umstände, unter denen dies geschehen ist, zu der des Zustandes mit bei; allein wirklich entscheidend ist nur das Dasein der vorhin sub 9 bezeichneten Anschwellung des Halses und bei fremden Körpern in der Brustporlion des Schlundes, nur das Auffinden derselben mit­telst einer in den Schlund geführten biegsamen Sonde. Letzlere besteht am besten ans Fischbein, ist für Pferde und Rinder wenigstens 5 Fuss lang und 3 Linien dick, an dem einen Ende mit einem -J- Zoll dicken Knopf von Fischbein oder von fest aufgebundenem Werg versehen. Für die kleineren Thiere benutzt man Sonden von gleicher Dicke und in der Länge, dass sie einige Zoll die Länge des Thicres vom Maule bis zur Mitte des Leibes (bei ausgestrecktem Kogf und Halse) überragen.
Das Einführen der Sonde geschieht entweder durch das Maul (bei Pferden auch durch die Nasenhöhle) oder durch eine im Schlünde künstlich gemachte Oelfnung. Der erstere Weg ist als der weniger verletzende in allen Fällen zu wählen, wo man ihn benutzen kann, namentlich bei ruhigen Thicrcn und besonders bei denen von kleinerer Art. Grosse Thiere können dabei stehen oder liegen; sie werden zuerst gebremset, von Gehülfen festgehallen, ihnen das Maulgatter eingesetzt, die Zunge massig stark aus dem Maule hervorgezogen und ihnen der Kopf und Hals nach vorn so ausgestreckt, dass diese Theile mit dem Leibe in eine möglichst gerade Richtung gebracht werden; nun führt man das vordere Ende der Sonde mit dem Knopf über den Grund der Zunge und den Kehlkopf in den Schlundkopf und schiebt die Sonde allmälig weiter in den Schlund hinab, bis man entweder an ein Hin-derniss stösst oder frei bis in den Magen gelangt. Dass das Iietztere geschehen ist, schlicsst man daraus, dass nach dem Durchdringen durch die etwas engere Parthie des Schlundes am Zwerchfell die Sonde dann mit grosser Leichtigkeit vorwärts gleitet. Ausserdem bemerkt man bei dem Zurückziehen der Sonde gewöhnlich an dem Knopf einige Spuren von sauerriechenden Nahrungsmitteln und man kann äusserlich die Länge des eingeführt gewesenen Thcils der Sonde an der Länge des Körpers von den Lippen bis zu dem Schaufelknorpel des Brustbeins vergleichen. Findet die Sonde im Schlünde ein Hinderniss, werden durch wieder­holtes Andrängen derselben gegen das Hinderniss die vorhandenen Krank­heilszufälle vermehrt, entspricht das herausgezogene Ende der Sonde nicht der ganzen Länge des Schlundes, so kann man annehmen, dass
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Fremde Körper im Schlünde,
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ein fremder Körper in demselben und zwar iu der Gegend festsitzt, welche durch das Ende der ausserlich an den Kopf, den Hals und die Brust angeleglen Sonde bezeichnet wird. — Kleinen Thieren lässt man durch Bandschleifen, welche hinter den Ilackenzähnen um jeden Kiefer gelegt sind, das Maul ollen halten, die Zunge mit einem Spatel (der Haarseilnadel) niederdrücken, und verführt übrigens auf die angegebene Weise.
Die Einführung der Sonde in den Schlund durch eine künstlich in denselben gemachte Oelfnung ist mehr komplizirt und verletzend, aber man ist zuweilen gezwungen, diesen Weg einzuschlagen, weil die Thiere durch zu hefliges Zusaminenbcisscn der Kiefer, durch starkes Drängen mit dem Grunde der Zunge gegen den Gaumen das Einführen der Sonde durch das Maul ausbcrordenllich erschweren oder selbst un­möglich machen, — oder auch weil man keine hinreichend lange Sonde bei der Hand hat und doch die Zufälle keinen Aufschub der Unter­suchung erlauben. In solchen Fällen macht man zuerst die Oesophago-tomie, wrie dies weiter unten angegeben wird, und zwar, wo eine Spur von dem Sitz des fremden Körpers im Halsiheile des Schlundes besteht, gerade an der betreffenden Stelle, damit man, wenn hier der fremde Körper wirklich gefunden wird, denselben durch die gemachte Oelfnung sogleich entfernen kann. Erscheint aber keine Stelle am Halse besonders verdächtig, so macht man die Operation an der untern Hälfte desselben, weil hier der Schlund mehr nach aussen liegt und weil man hier seiner winkelarligen Beugung, welche er bei dem Ein­gänge in die Brust macht, viel näher ist, und somit die Sonde und andere Instrumcnle leichter durch dieselbe hindurclilciten kann. Die Einführung der Sonde geschieht dann durch die gemachte Oelfnung ganz so, wie dies vorhin bemerkt worden ist.
Die Beurtheilung solcher Erkrankungsrälle ist nach den Umständen sehr verschieden. Glatte Körper von rundlicher Form, von massiger Grosse und geringer Consisienz sind unter übrigen gleichen Umständen stets weniger gefährlich und leichter zu beseitigen, als solche von ent­gegengesetzter Beschaflenhcit. — Bleiben die fremden Körper im Schlünde sich selbst überlassen, so verursachen sie in der Regel heflige Entzün­dung, Ulceration, zuweilen auch Brand und hierdurch oder durch Er­stickung den Tod. Eigenthümlich ist es, dass die Entzündung von der Brustportion des Schlundes fast immer auf das Mittelfell und von diesem auf die Pleura übergeht, und dass dadurch der Tod herbeigeführt wird, selbst [wenn die Verletzungen im Schlünde durch den fremden Körper nur unbedeutend erscheinen. Eine Selbsthülfe erfolgt nur in einzelnen Fällen dadurch, dass entweder die fremden Körper durch Rülpsen oder Erbrechen beweglich gemacht und dann vollständig verschluckt oder, was häufiger geschieht, durch das Maul ausgeworfen werden; oder dass die festsitzenden Substanzen, wenn sie auflöslich sind, durch die im Schlünde befindlichen Feuchtigkeiten allmälig weicher werden und dann weitergleiten. Zuweilen werden spilze Körper, z. B. Nadeln, Fischgräten u. dgl. durch die Wände des Schlundes gedrängt, veran­lassen unter der Haut dann Entzündung und Eiterung und werden dann durch den Abscess nach aussen entleert. Die Kunst hülfe ist in den­jenigen Fällen, wo die fremden Körper in der Halsportion des Schlundes
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668nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Fremde Körper im Schlünde. Behandlung.
sitzen, rund und glatt sind, ziemlich leicht und sicher, wenn sie aber spitz oder mit scharfen Ecken versehen sind, ist die Hülfe schwieriger und in der Regel nur durch die Oesophagotomie zu bewirken; bei fremden Körpern in der Brustportion des Schlundes ist immer die Hülfe mit grösserer Schwierigkeit verbunden und zuweilen, wenn die Körper mit Spitzen versehen und festsitzend sind, oder wenn bereits Zufälle von Brustfellentzündung oder ein Ausfluss von stinkender Jauche be­steht, ist die Hülfe gewöhnlich fruchtlos, und bei schlachtbaren Thieren kann man unter solchen Umständen mehrentheila nur zu dem baldigen Abschlachten derselben rathen.
Die Behandlung besteht in der Entfernung der fremden Körper und in der Beseitigung der entstandenen üblen Zufälle. Die erstere Aufgabe kann man auf verschiedene Weise erfüllen, je nach dem Sitze des fremden Körpers und nach seiner Beschaflenheit. Es dient hierzu:
1)nbsp; nbsp;das Heraufdrängen des fremden Körpers aus dem Schlünde zur Rachenhöhle. Dieses Verfahren ist das einfachste und mildeste, bei rundlichen glatten Körpern, welche in der Halspor­tion des Schlundes sitzen, anwendbar und in den meisten Fällen aus­reichend. — Man lässt hierbei dem Thiere ein weites Maulgatter in das Maul setzen und durch 2 Gehülfen den Kopf des Patienten recht weit nach vorn ausstrecken und festhalten; dann setzt man die Daumen beider Hände an beiden Seiten des Halses unter den fremden Körper, schiebt denselben von unten allmälig höher und höher im Schlünde hinauf, und wenn er bis zum Schlundkopfe gekommen ist, fixirt man ihn hier mit einer Hand, lässt dasselbe an der andern Seile durch einen Gehülfen thun, und, nachdem man die andere Hand in die Rachen­höhle geführt, treibt man durch gelindes Drücken von aussen her den fremden Körper gleichsam in die Hand hinein, so dass man ihn er­fassen und herausziehen kann. Statt der Hand kann man auch eine Sleinzange in die Rachenhöhle einführen und den fremden Körper damit ergreifen. — War der Körper bereits vor mehreren Stunden verschluckt und ist nicht reichliche Schleimabsonderung wahrzunehmen, so ist es zweckmässig, vor dem Heraufdrängen des Körpers den Schlund etwas schlüpfrig zu machen und zu diesem Zweck einige Lötfel fettes Oel oder eine schleimige Flüssigkeit einzuschütten. Uebrigens ist das Ver­fahren gleichmässig auszuführen, die Thiere mögen stehen oder liegen;
2)nbsp; das Herausziehen des fremden Körpers vermittelst der Schlundzange1). Diese Art der Hülfe ist in denjenigen Fällen anwendbar, wo entweder das Heraufschieben des fremden Körpers nicht gelingt, weil derselbe gleichsam eingeschnürt ist, oder weil er durch
') Die von dem Thierarzl Del vos erfundene Schlundzange besteht A. aus dem Maule, B. aus dem Mittelstück und C. aus dem Handgriff. Das Maul oder die eigentliche Zange ist aus 2 löffelarligen Stücken, (jedes 2 Zoll lang, | Zoll breit und 2 Linien dick) welche äusserlich sanft convex und glatt polirt, an der innern Fläche etwas concav und stark rauh gearbeitet sind, gebildet; diese Löffel verlängern sich nach unten in Stiele von circa 1 Zoll Länge und sind am Anfange derselben mit einer nach innen vorspringenden Oeffnung versehen, durch welche sie mittelst eines Stieles charnierartig mit einem eisernen hohlen % Zoll langen Knopfe verbunden sind. Die Löffel stellten somit zweiarmige
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Fremde Kürpvr im Schlünde Behuudlung.
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Spitzen in die Schlundhäute gedrungen und dadurch festsitzend geworden ist, — oder wenn er in der Brustportion des Schlundes sich befindet In solchen Fällen der ersteren Art muss, wenn man keine Schlundzauge
Hebel dar. Um dieselben mit ihrem vordem Ende nach innen zu bewegen und die Zange zu schliessen, ist eine Darmsaite oder ein Draht an die innere Fläche am untern Ende jedes Löffels befestiget und nach hinten über eine in dem Knopfe liegende Rolle geführt; und um die Zange zu öffnen, ist eine zweite Saite oder ein Draht an dem Stiele des Löffels angebracht, welche zuerst nach vorn und dann über die Rolle nach hinten in den hohlen Theil des Knopfes geht. Von dem letztern gehen die vier Saiten oder Drähte in das bohle Slittel-stück und weiter durch den Handgriff, vor dessen Mündung sie mit hölzernen Knebeln verseben werden, und zwar die beiden Drähte zum Oeffnen und die­jenigen zum Schliessen der Zange je mit einem gemeinschaftlichen Knebel. — Das Mittelstück ist ein gegen 5 Fuss langes, | Zoll dickes, im Innern hohles Bambusrohr; und — der Handgriff besteht aus einem hölzernen gegen 3quot; langen und liquot; dicken hohlen Cylinder und aus den beiden Knebeln der Drähte. Letz­tere sind gegen 2iquot; lang und |quot; dick und mit I. und H. bezeichnet. — Der Mechanismus des Instruments ergiebt sich von selbst; will man die Zange schlies­sen, so ziehet man an den Drähten, welche von den Löffeln ausgehen (Kne­bel I.), und will man sie öffnen, so ziehet man an denjenigen, welche an die Stiele der Löffel befestiget sind.
Da aber die Wirkung auf diese Weise immer in ungleichen Rucken erfolgt, — man auch das Instrument so lange wie es geöffnet sein soll, mit den Händen durch Ziehen an den Drähten in diesem Zustande erhalten muss, und da die Saiten und dünnen Drähte durch die mit ihnen unvermeidlich in Berührung kommenden Feuchtigkeiten sehr bald verderben, so habe ich das Instrument in der Art verbessert: 1) dass die Zangenlöffel einen halben Zoll länger, ohne hebelartige Stiele, bloss an ihrem hinteren Ende charnierartig mit dem nur | Zoll langen, hohlen Knopf verbunden sind; 2) dass sie an der Mitte ihrer innern Fläche mit einer Gabel verbunden sind, deren beide Arme sowohl mit ihrem Stiel als auch mit den Löffeln Charniere bilden; 3) dass statt der vier Drähte oder Saiten nur ein 1Jquot; dicker Eisendraht die Bewegung der Zange vermittelt, indem er durch das Mittelstück geht, an seinem vordem Ende die sub 3 bezeichnete Gabel aufnimmt, an seinem hintern Ende aber mit einer Schraube in Verbindung steht, welche in einem Theile des Handgriffes verbor­gen ist. Der letztere lässt sich ohne Zeichnung nicht gut beschreiben und ich verweise desshalb auf meinen Aufsatz: „Einige Bemerkungen über fremde Körper im Schlünde und Beschreibung eines neuen In­struments zum Herausziehen derselbenquot;, — im Magaz. für die ge-sammte Thierheilk. Bd. II. S. 114 mit Abbildung. — Auch habe ich das Mittel-stück getheilt und zum Zusammenschrauben eingerichtet, damit das Instrument leichter transportabel ist. Die Wirkung des Instruments ist: dass es sich öffnet und geöffnet bleibt, wenn man durch Drehen des Handgriffes nach rechts die Schraube, den Draht und die Gabel vorwärts treibt, und dass es sich schliesst, wenn man den Handgriff nach links dreht und hierdurch die genannten Theile zurückzieht. Dasselbe hat sich vielfällig bewährt. Da es jedoch durch die Ein­richtung des Handgriffes, namentlich durch die Schraube etwas theuer ist, habe ich in letzter Zeit noch die Abänderung gemacht, dass das hintere Ende des Drahtes durch einen 4 Zoll langen, 1 Zoll dicken Cylinder gebt und mit einem 4 Zoll langen, | Zoll dicken Quergriff versehen wird. Mittelst des letztern kann man den Draht, — welcher 1.! Zoll länger als das Mittelstück und der Cylinder sein muss, — vorwärts schieben und zurückziehen und hierdurch die Zange öffnen und schliessen.
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Fremde Korper im Schlünde. Behandlung.
besitzt, die Oesophagotomie gemacht und in den Fällen der andern Art der Körper entweder tiefer gedrängt oder die Erhaltung des Thieres aufgegeben werden; mittelst der Zange aber ist es mehrentheils zu reiten und jene Operation entbehrlich zu machen. Zur Eiuiuhrung der Scblundzange lässt man dem Tiiiere den Kopf und Hals so vorwärts gestreckt halten, wie zur Einfiilirung der Sonde (S. 666), setzt das Maulgalter ein und schiebt die Zange (geschlossen) durch die Rachen-hohle bis an den fremden Körper, öffnet sie dann durch Drehen des HandgrilFcs, erweitert hierdurch den Schlund unmittelbar an dem frem­den Körper, schiebt, hierauf das Instrument möglichst sanft noch etwa i — 1 Zoll vorwärts, so dass die Löffel des Zangenmauls sich über den fremden Körper hinweg erstrecken und schlicsst es dann durch Zurück­drehen des Handgrilles, so weit wie sich dies thun lässt. Hierauf zieht man es langsam wieder aus dem Schlünde hervor und mit ihm zugleich den fremden Körper. Wenn der letztere bei Pferden in dem Brust-theile des Schlundes sitzt, ist das Einführen und die Handhabung des Instrumentes durch eine an der linken Seite des Halses in den Schlund gemachte künstliche Oelfnung leichter zu bewirken, als durch das Maul; weil bei diesen Thieren die Biegungen des Schlundes im schärfern Winkel bestehen als bei den übrigen Thieren und desshalb das Instru­ment bei der doppelten Biegung schwieriger zu handhaben ist, als wenn es durch eine Oelfnung am Halse geleilet wird, wo die obere Biegung vermieden wird. Bei den übrigen Thieren kann dagegen das Eindringen durch das Maul leicht bewirkt werden;
3) das Ilinunters topfen des fremden Körpers in den Magen, — ein Verfahren, welches nur bei runden, glatten oder auch bei weichen Körpern z. B. bei Pillen, wenn sie im Brustlheile des Schlundes sitzen, anwendbar ist und immer grosse Vorsicht verlangt, #9632;weil hierbei sehr leicht Verletzungen des Schlundes entstehen oder auch der fremde Körper noch fester in den Schlund hineingedrängt wird, als er an sich es sein würde. Es steht daher der Herausbeförderung des Körpers nach. Mau beimtzt hierzu bei kleinen Thieren eine Sonde von Fischbein, welche an ihrem vordem Ende mit einem Schwamm oder mit einem Knopf von festgebundenem Werg versehen ist, und bei den grosseren Thieren, nameatlich bei dem Rindvieh, benutzt man am besten einen etwa 5 Fuss langen und 1 Zoll im Durchmesser dicken, recht fest gedrehten Strick, im Nolhfalle einen elastischen Peitschenstiel und dergl. Vor der Einlulirung des einen oder des andern Instrumentes lässt man etwas schleimige Flüssigkeit oder Oel in den Schlund schütten und verfährt dann übrigens ganz so, wie bei dem Einführen der Sonde zur Untersuchung über das Dasein eines fremden Körpers, jedoch mit dem Unterschiede: dass man für den jetzt in Rede stehenden Zweck das Instrument zwar vorsichtig aber doch mit einiger Kraft gegen den fremden Körper drängt, bis derselbe von der Stelle weicht. Bemerkt man dies, so schiebt man ihm das Instrument sanft nach und treibt ihn bis in den Magen. In jedem Falle muss man sich auf das Be­stimmteste zu überzeugen suchen, dass der fremde Körper wirklich aus dem Schlünde entfernt worden ist; denn es geschieht zuweilen, dass er sich etwas zur Seite verschiebt, die Sonde neben sich vorbeigleitcn lässt, aber doch sitzen bleibt. Das ist besonders leicht möglich, wenn
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Kiemde Körper im Schlünde. Schlundschnitt.
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der fremde Körper von verschiedenen Seiten her einen verschiedenen Durchmesser besitzt, wie z. B. das bei Stücken von Oelkuchcn, bei Kuochenspliltern und dergleichen der Fall ist. Um zu dieser Ueber-zeugung zu gelangen, bewegt man die Sonde mit ihrem Knopf durch abwechselndes Zurückziebeu und Vorwärtsschieben über die Stelle, wo der Körper seinen Sila halle, zu wiederholten Malen und allenfalls, nachdem die Sonde etwas um ihre Achse gedreht und ihr hierdurch eine etwas veränderte Richtung gegeben worden ist;
4)nbsp; nbsp;die Zerstückelung der fremden Körper. Dieselbe kann nur unternommen werden, wenn der Körper von weicher oder mürber Beschall'euheit ist (gekochte Kartolfeln oder Ruhen, Eier, Pillen) und sich im Halstheile des Schlundes befindet; sie verdient aber erst dann zur Anwendung zu kommen, wenn die Herausbeförderung auf die sub 1. angegebene VVei^e nicht gelingt und eine Schlundzangc nicht zur Hand ist. Die Ausführung geschieht auf die Weise, dass man entweder die Ballen beider Hände von beiden Seilen gegen den Hals an der Stelle legt, an welcher eben der fremde Körper sich befindet, und mit den­selben kräftig gegen einander drückt; oder auf die Weise, dass man an die rechte Seile des Halses eine Handfläche kräftig gegen legt, an der linken Seile aber ein Slück Holz auf die hervorgedrängte Halsparlhie setzt und dann mit einem Hammer oder mit einem zweiten Stück Holz einen oder einige kurze Schläge auf das eistere ausübt. Es ist. leicht einzusehen, dass, wenn das letztere Verfahren unvorsichtig ausgeübt wird, Quetschungen und selbst Zerreissungen der Drosselvene, der Carolis u. s. w. entstehen können;
5)nbsp; nbsp; nbsp;der Schlundschnitt (Oesophagotomie). ' Derselbe ist in allen Fällen, wo fremde Körper in dem Halstheile des Schlundes fest­sitzen, zur Entferuuiig derselben zu benulzeu und selbst da brauchbar, wo die übrigen Methoden nicht ausreichend sind; man zieht aber häu­fig die letzteren der Operation vor, weil diese mit einer Verwundung verbunden ist und die Heilung der Wunde eine umständlichere Nach­behandlung verlangt, als dies bei den übrigen Methoden der Fall ist. Zuweilen benutzt man den Schlundschnitt auch, wie bereits oben an mehreren Stellen bemerkt worden ist, für den Zweck, die Sonde zur Untersuchung oder die Schlundzange leichter und sicherer in den Schlund führen zu können, als dies zuweilen durch das Maul zu be­wirken ist 1}. — Die Ausführung der Operation für beide Zwecke ge­schieht im Wesentlichen gleichartig, aber mit kleinen Modifikationen, und sie ist in denjenigen Fällen, wo ein dicker fremder Körper im Schlünde sitzt und eine Erhöhung nach aussen an der Seite des Halses bildet, viel leichter als da, wo sie an dem leeren Schlünde, oder bei nur sehr kleinen, dünnen, fremden Körpern in demselben gemacht wer­den soll.
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') Ausserdem ist die Eröffnung des Schlundes auch nach Iluzards (d. V.) Vorschlag gemacht worden, um in Fällen, wo der Zugang durch das Maul ge­hindert ist, Nahrungs- und Arzneimittel in den Slagen zu führen, — was mit­telst eines Trichters oder einer Spritze durch eine in den Schlund gelegte elastische Röhre, welche während der nöthigen Zeit liegen bleibt und mittelst eines Bandes an den Hals oder die iMähnen gebunden wird, geschieht.
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Fremde Körper im Sdilunde. .SdiliiinlsrlmUt.
Grosse Thiere küuuea sleheud oder auch liegend operirt werden, wie dies ihr Benehmen und die übrigen vorhandenen Umstände etwa bedingen; z. B. bei unruhigen Thieren und bei nächtlicher Zeit, wo man künstliches Licht benutzen muss, würde man die Operation am liegenden Thiere machen. Kleine Thiere legt man auf einen Tisch und lässt sie von Gehülfen festhalten. — Die Operationsstelle ist in der Regel an der linken Seite des Halses ') in der sogenannten Halsrinne und speziell da, wo der fremde Körper sich durch eine Erhabenheit bemerklich macht, oder wenn eine solche nicht besteht, an der Stelle, wo man ihn im Innern mit der Schlundsonde gefunden und hiernach durch das Anlegen derselben äusserlich am Kopfe und Halse, vom Maule anfangend, seinen Sitz bezeichnen kann. — Vor der Operation werden die Haare an der bclreU'euden Stelle abgeschoren und gründlich entfernt. Hierauf durchschneidet man die Haut und den Halshautmus­kel gerade auf der, durch den fremden Körper erzeugten Hervorragung, am besten hinter (über) der Drosselvcne in der Läugenrichtung des Schlundes, und macht, je nach dem Umfange des fremden Körpers, eine Wunde von 1 — 5 Zoll Länge. Die Wundränder lässt man durch stumpfe Haken aus einander halten, trennt das zwischen der Drossel­vene und dem geiueinschafllicheu Muskel befindliche Zellgewebe, zieht die Vene nach vorn, forscht durch Fühlen in der Wunde nach der Carotis und durchschneidet uumittclbar über derselben das Zellgewebe vorsichtig, bis mau hinter sie gelangt ist und nun den Schlund deutlich fühlt und sieht. Die Arterie wird dann, wie die Vene, mit dem stum­pfen Haken nach vorn gezogen. Der Schlund drängt sich mit dem erweiterten Theile in die Wunde, so dass man ihn mit den Finger­spitzen der linken Hand erfassen und noch etwas mehr hervorziehen kann; gelingt dies nicht, so kann man durch einen Gehülfen von der andern Seite her mit der Hand gegen die Operationsslelle gelind druk­ken und somit den Schlund mehr in die Wunde drängen lassen. Hier­auf führt man mit einem geballten Bistouri einen Längenschnitt durch seine beiden Häute gerade auf dem fremden Körper und so lang, dass man den letztern ohne grosse Zerrung der Ränder herausziehen kann; oder man macht mit einem spitzen Messer einen Einstich am untersten Ende des hervorgedrängten Theils des Schlundes und verlängert die Stichwunde nach oben so weit, dass der fremde Körper herausgenom­men werden kann. Durch letzteres Verfahren erzeugt man melir gleiche Wundränder, als durch das erstere. — Der fremde Körper drängt sich, besonders wenn er rundlich und an seiner Oberfläche nicht sehr un­eben ist, bei und nach gemachter Oeflhung mehrentheils von selbst hervor; geschieht dies nicht, so lässt man zuerst den etwa noch von der andern Seite her fortdauernden Gegendruck aufholen, weil durch denselben der Schlund gespannt und dadurch der fremde Körper in ihm fest gehalten wird 2). Hierauf bewirkt man die Entfernung ent-
') Man hat auch in einzelnen Fällen den fremden Körper an der rechten Seite des Halses eine Erhöhung bilden sehen und desshalb die Operation an dieser Seite ausgeführt.
2) Schellhase, Veterinär-literarische Exkursionen, Heft 1. Seite 201.
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Fremde Körper im Schlünde. Schlundschnitt.
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weder durch gelindes Drücken und Slrcichcn mit den Fingern an den Seiten des Schlundes von den Enden der Wunde nach der Milte der­selben, oder durch das Einführen eines Fingers oder einer dicken Sonde unter den fremden Körper, oder man ergreift denselben mittelst der Pinzette oder der Kornzange und zieht ihn hervor. Letzteres ist noth-wendig, wenn der fremde Körper rauh oder mit Spitzen verschen ist.
Die Ausführung der Operation in den Fällen, wo keiue Erhöhung im quot;Verlaufe des Schlundes besteht, geschieht, wie oben erwähnt, bei vorhandenen fremden Körpern ebenfalls da, wo der Sitz derselben er­mittelt ist; wo aber dieser erst erforscht, oder die Operation für an­dere Zwecke unternommen werden soll, geschieht sie am besten in der Mitte des Halses, weil hier der Schlund am meisten nach aussen liegt und nur von der Drosselvene, der Carotis, dem Nervus vagus und sympathicus und äosserlicb von der Haut und dem Hautmuskel bedeckt, ist. In beiden Fällen bildet man an der Operationsstelle eine quer über die Drosselvcne gehende Ilautfalte und durchschneidet dieselbe so, dass die Wunde auf die Glänze der Drosselvene und des gemeinschaft­lichen Muskels trilft. Die Wunde kann bei Pferden und Rindern 3 bis 4 Zoll, bei kleinen Thieren Lj- — 2 Zoll lang sein. Man trennt dann eben so lang den genieinscliaftliehen Muskel von dem Brustkinnbacken­muskel, zieht den letztern und die Drosselvenc nach unten, durchschnei­det vorsichtig das oberfläehliche Zellgewebe zwischen diesen Theileu, trennt die lieferen Schichten desselben in der Nähe der Carotis mit den Fingerspitzen, bis man an und über diese Arlerie gekommen ist, wo man den Schlund in dem hier sehr schlafTen Zellgewebe neben und hinter der Luftröhre fühlen kann. Derselbe wird dann mit dem etwas gekrümmten Zeigefinger und dem Daumen hervorgezogen und mittelst einer quer unter ihm durchgesteckten dicken Sonde an der Oberfläche gehallen, so dass man ihn nun leicht ölfneu kann. Dies geschieht mit­telst eines geballten Bistouris, welches man mit gelindem Druck in der Längenrichtung durch seine beiden Häute führt und eine gegen 1 Zoll lange Wunde macht.
Je nachdem nun die Operation für den einen oder den andern Zweck unlernonimen und dieser Zweck vollständig erreicht isi, oder erst weiterhin noch erreicht werden soll, findet die weitere Behandlung der Wunde statt. Ist ein fremder Körper entfernt, so kann dieselbe sogleich auf die Weise geheftet werden, wie dies S. 377 angegeben worden ist. Man hat hier und in jedem Falle auch darauf zu sehen, dass die äussere Wunde an ihrem untern Winkel keine Vertiefungen besitzt, in welchen die Wundsekrete verweilen und sich senken könn­ten; und man muss desshalb nöthigenfalls diesen Wundwinkel nach aussen so viel crweilern, dass er in seiner ganzen Dicke eine glatte schiefe Fläche darstellt. Hierauf kann die Wunde auch äusserlich ge­heftet und ganz so verfahren werden, wie dies bei den Sehlundwunden angegeben ist. — In den S. 671 angedeuteten anderen Fällen bleibt die Wunde für einige Zeit offen.
Man hat auch versucht, die fremden Körper durch Brechmittel aus dem Schlünde zu entfernen und diese Mittel sowohl durch den Schlund, wie auch durch Infusion in die Venen beigebracht. Bei Pferden ist, weil sie nicht erbrechen, dies Verfahren nicht anwendbar und bei den
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Wassergeschwulst (Oedem).
übrigen Thieren hat dasselbe bis jelzl fast gar nichts geleistet. — daher dasselbe hier mir historisch erwähnt wird.
Die üblen Zufalle, welche durch die fremden Körper erzeugt wor­den sind, mindern und verlieren sich gewöhnlich gleich nach der Ent­fernung der lelzleren, und es ist desshalb in der Regel nnr eine strenge Diät, die Verabreichung von Mehltränken und ruhiges Verhallen wäh­rend einiger Tage erforderlich. Wenn aber bereits heftige Enlzündungs-zufälle entstanden sind, so ist auch die Anwendung antiphlogislischer Mittel in entsprechendem Grade nöthig, wie namcnllich Blulentziehun-gen, Salpeter und Glaubersalz in schleimigen Flüssigkeilen und äusser-lich an der Brust ableitende Reizmittel. Haben sich Abscesse im Ver­laufe des Schlundes gebildet, so öll'net man dieselben zeitig und behan­delt sie übrigens nach allgemeinen Regeln.
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Sechstes Capitel.
Die Wassergeschwulst cOedema).
Es finden sieh sehr häufig bei den Hausthicren oberflächliche Au-schwellungen, welche sich dadurch von andern auszeichnen, dass sie bei dem Drücken mit den Fingern ein teigartiges Gefühl in der Hand des Untersuchenden erzeugen und von dem Drücken Gruben erhalten, welche durch einige Zeit sichtbar bleiben, aber allmälig wieder verschwinden. Man nennt eine solche Geschwulst Wassergeschw ulst oder Oedem; denn sie besteht in abnormer Anhäufung von Serum. Die Oedcme kommen in dem Zellgewebe unter der Haut, zuweilen auch liefer1), an allen Theilen des Körpers vor, am häufigsten aber an den un­tersten Punkten der verschiedenen Theile, wie namentlich an der Un­terlippe, an der untern Seite der Brust, des Bauches, der Vorhaut, des Hodensackes und an den Füssen; zuweilen sieht man sie an höheren Punkten ihren Anfang nehmen, aber im Zellgewebe unter der Haut allmälig bis zu der niedrigsten Stelle des Thcils herabsinken. Sie zei­gen zuweilen Symptome von eutzÜDdlichei Reizung, besonders vermehrte Wärme und vermehrte Empfindlichkeit: in den meisten Fällen ist aber die Geschwulst kalt und die Haut nur mit dem gewöhnlichen Grade von Empfindlichkeit verseilen. Im erslcren Falle pflegt man die Ge­schwulst ein heisses, hitziges, akutes oder entzündliches Oedem (S. 45), im lelztercn aber ein kaltes Oedem zu nennen. Abgesehen
') Strauss (Systematisches Handbuch der Veterinär-Chirurgie, sect;. 78.) nimmt den Sitz der ödematösen Anschwellungen in dem venösen Haargefiiss-system, nicht im Zellgewebe, an und unterscheidet hierdurch Oedem und Was­sergeschwulst, — was aber nicht durchzuführen ist.
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Waäsergesohwulst (Oedem).
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hiervon, so findet man nicht seilen neben dein Oedem in dem leiden­den Theile oder in der Nälie desselben noch Erscheinungen einer wirk­lichen Enlziindung oder Veihärlinigen, Balggescliwülste, Verwundungen, Knochenbrüche und dergleichen; und innerlich findet man Fieber, Ent­zündungen verschiedener Organe, katarrhalische und rheumatische Af­fektionen, Wassersuchleu und dergleichen.
Das Oedem ist nur seilen ein selbstsländiges Leiden, sondern in den meisten Fällen ist es Folge oder Begleiter eines andern iiiilicben oder allgemeinen krankhaften Zuslandes. In jenen seltenen Fällen be­ruhet es bloss in einem, durch örtliche Störung in den Haargefässen bedingten Missverhällniss zwischen der Sekretion und der Resorption des Serums im Zellgewebe, so dass die letztere verhällnissmässig zu gering erscheint. Hiermit ist aber keinesweges gesagt: dass die Re­sorption wirklich in jedem Falle von Oedem krankhaft vermindert ist; sondern es kann (und ist sehr häufig) auch eine übermässige Sekretion die eigentliche pathologische Veranlassung dazu sein; und man nmss die letztere überall da annehmen, wo Entzündungssymptome dem Oedem vorhergingen oder noch mit ihm verbunden sind.
Die Veranlassungen zum Entslehen der Oedeme sind sehr ver­schieden, z. B. Unterdrückung der Sekretionen durch Erkältungen, an­dauernder Druck, Qiielscbungen, heftige Ausdehnungen und dadurch erzeugte Schwäche; in anderen Fällen sind sie die Folge einer an­dauernden entzündlichen Reizung und des hierdurch bewirkten zu reichlichen Blutandranges zu einem Theile, oder in Stockungen im Haargefässsystem desselben, wie z. B. bei wirklichen Entzündungen; in noch anderen Fällen sind sie die Folge von wässerigen Anhäufungen in den grossen Höhlen, bei Brust- und Bauchwassersucht und häufig entstehen sie bei zu grosser Wässerigkeit des Blutes, wie z. B. bei der Fäule der Schafe, bei dem Faulfiebcr u. dergl.
Nach diesen verschiedenen Verhältnissen des Ursprunges des Uebels und des Zuslandes des Organismus ist auch die Bedeutung der Oedeme in den einzelnen Fällen sehr verschieden. An und für sich ist ein Oedem niemals ein gefährlicher Krankheitszustand; aber dasselbe ver­ursacht Ausdehnung und grösserc Schwächung der leidenden Theile, stört den organischen Zusammenhang und die Funktion derselben und unter Umständen-, wo Organe aus ihren Höhlen hervorgetreten sind, erschwert es deren Zuiückhringung und vermehrt die Gefahr der etwa entstandenen Einklemmung. — Viele Oedeme verlieren sich von selbst, wenn die ursprüngliche Krankheit gehoben ist und in der Regel ver­mindern sie sich oder verschwinden auch wohl für einige Zeit, wenn die Thiere in Bewegung gesalzt werden oder sich niederlegen, sie kehren aber wieder, wenn die Thiere hiernach wieder andauernd stili­stehen. Zuweilen haben diese Anschwellungen einen kritischen Cha­rakter hinsichtlich des anderweitigen Krankheitszustandes, mit welchem sie verbunden oder in Folge dessen sie enlslanden sind; mehrenlheils sind sie unter diesen Umständen eine günstige Erscheinung. Ihre Heil­barkeit ist in denjenigen Fällen immer anzunehmen, wo das Oedem selbstständig oder nur als Folge einer örtlichen Verletzung entstanden ist, eben so bei inneren Enlzündungen, wenn dieselben einen guten Ausgang machen; dagegen ist die Prognosis wenig günstig bei einem
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Wasscrgcschwiilst (Oeilcm). Behandlung.
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hohen Grade asthenischer Krankheiten, namentlich des Faulllebers, der Wassersüchten und bei Desorganisationen drüsiger und anderer innerer Organe.
Die Behandlung ist, aussei' der Beseitigung der Ursachen, im We­sentlichen 1) auf die Beförderung der Resorption in dem angeschwol­lenen Tlicile, oder 2) auf Ableitung von demselben gerichtet, — zu­weilen bestellt sie 3) in einer örtlichen Ausleerung des angehäuften Serums und 4) muss auch häulig auf die Beseitigung der mit dem Oedem verbundenen Krankheiten Bedacht genommen werden.
Die beiden ersten Indikationen lassen sich oft durch dieselben Mittel erfüllen, und überhaupt findet in den eomplizirlen Fällen ge­wöhnlich eine Vereinigung der Mittel für die Erfüllung der sämmtlichen Indikationen statt. In erstercr Hinsicht wendet man bei geringer öde-matöser Anschwellung, und wenn dieselbe nicht mit örtlicher entzünd­licher Reizung verbunden ist, tleissig wiederholte Reibungen mit wolle­nen Lappen, mit Bürsten oder Strohwischen, oder Einreibungen von Spirituosen oder ätherisch-öligen Mitteln, von Campher, Salmiakgeist, Auflösungen von kohlensaurem Ammoniak und dergleichen an; ausser-dem lässt man das Thier täglich massig bewegen und wickelt nach den Bewegungen den Theil, wenn es der Ort und die BeschalTenheit desselben gestaltet, — mit Binden massig fest und gleichmässig ein. Erscheint der ödematöse Theil sehr schlaff, so kann man auch adstrin-girendc Mittel, z. B. Auflösungen von Alaun, von Zink-, Kupfer- oder Eisenvitriol für sich oder in Verbindung mit Spirituosen und aromali­schen Mitteln als Waschmittel anwenden und bei grosser Torpidität die Kantharidentinktur, das Terpeuthinöl und das glühende Eisen benutzen. Die drei zuletzt genannten Mittel dürfen jedoch nur oberflächlich und so angewendet werden, dass keine Entzündung und Zerstörung ent­steht, weil sonst gerade dem Zwecke entgegengewirkt werden könnte.
Um abzuleiten, giebt man innerlich Purgir- und Urin treibende Mittel abwechselnd mit einander und stets mit Berücksichtigung der eingetretenen Wirkung, nach Verlauf von grosseren oder kleineren Zwischenzeiten. Auch das Jod kann in angemessenen Gaben angewen­det weiden. Dagegen müssen Haarseile und Fontanellen bei Oedemen der Füsse an diesen selbst vermieden werden, weil der Erfahrung zu­folge hierdurch der Zustand nicht gebessert, sondern oft verschlimmert wird.
Die direkte Ausleerung des krankhaft angehäuften Serums geschieht durch Einstiche oder Einschnitte (Scarifikationeu) in die Haut vermit­telst der Lanzette, oder der Aderlasslliete, oder eines geraden Bistouris. Man macht dieselben nur in sein- hartnäckigen Fällen und bei sehr hohen Graden der ödematösen Anschwellung, auch besonders, wenn die Schleimhäute oder aus ihren Höhlen hervorgetretene Theile ergrif­fen sind. In diesen Fällen ist die örtliche Ausleerung stets von aus­gezeichneter Wirksamkeit; doch muss man die Getässe und Nerven verschonen, und die Einstiche oder Einschnitte dürfen niemals näher als ungefähr -1 — 1 Zoll neben einander angebracht werden, und bei demjenigen Oedem, welches das Faullieber begleitet, hat man immer zu fürchten, dass Absterbung der Haut in grosseren Stücken nach dem Scariiiziren eintreten kann. Nach gemachten Scarifikationeu lässt man
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Wassersucht des Augapfels. Behandlung.
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die Wunden oft mit einem feuchten Schwamm abwischen, um ihre Verschliessung durch geronnenes Serum zu verhindern. Im Uebrigen kann man später die im Vorhergehenden bezeichneten resorbirenden und tonischen Mitlei anwenden.
Hinsichtlich der vierten Indikation muss auf die spezielle Therapie der genannten verschiedenen Krankheiten, deren Begleiter das (Jedem ist, verwiesen werden.
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Siebentes Capitel.
Die Wassersucht des Augapfels (Hydrops oculi, Hydrophtalmns).
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Diese Krankheit kommt bei unseren Hausthiercn nur selten vor. Sie besteht in einer übermässigen Anhäufung von wässeriger Feuchtig­keit in der vordem und zum Theil in der hintern Augenkanimcr und ist an einer bedeutenden Vergrösserung des Organs, wobei dasselbe gewöhnlich an der Bindehaut bläulich-weiss erscheint und aus der Augenhöhle allmälig mehr und mehr hervorgedrängt wird, zu erkennen. Gewöhnlich ist die Pupille sehr erweitert, das Sehvermögen in der ersten Zeit noch vorhanden, aber dasselbe verliert sieh allmälig immer mehr und verschwindet zuletzt gänzlich. Mit dem starkem Hcrvor-trelen des Augapfels aus der Augenhöhle findet ein vollständiges Be­decken desselben durch die Augenlider nicht mehr statt und in Folge desselben trocknet die durchsichtige Hornhaut mehr aus und wird ge­wöhnlich auch allmälig trüb und grau. Bei dem höchsten Grade des Leidens wird diese Haut in ihrer Mitte mehr und mehr verdünnt und zuletzt berstet sie und das Auge fällt nach Ausleerung der wässerigen, und Glas-Feuchtigkeit und der Krystalllinse zusammen und es entsteht hiernach eine langwierige UIceration.
Die Ursachen sind heftige Rheumatismen und rheumatische Ent­zündungen des Augapfels, zuweilen auch Verletzungen durch spitze Körper.
Die Beurthcilung ist ungünstig, wenigstens sehr unsicher, da die vollständige Heilung nur selten gelingt. Je mehr bereits die Häute des Augapfels übermässig ausgedehnt sind und je mehr das Sehvermögen zerstört ist, um so weniger ist ein guter Erfolg zu erwarten.
Die Behandlung besteht, wie dies bereits bei dem Vorfall des Aug­apfels S. 546 angedeutet worden ist, in der Anwendung ableitender, laxirender und diuretischer Mittel und in der Punktion der durchsich­tigen Hornhaut. Die ersteren müssen durch längere Zeit fortgesetzt und die letztere muss so ausgeführt werden, wie es am angezeigten Orte beschrieben ist.
Ist das Uebel bereits bis zu dem Grade gediehen, dass Berstu' der Häute des Augapfels nahe bevorsteht, so kann zwar duret-
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Wasserbriicli.
Punktion diesem üblen Ausgange in manchen Füllen noch vorgebeugt werden, allein immer ist dies nicht möglich. Wo die Berslung nicht zu vermeiden oder wirklich schon eingetreten ist, kann man entweder die durchsichligc Hornhaut miltclsl einer gebogenen Scheere an ihren Rändern abschneiden und tlie Yernarbung des Restes des Augapfels durch gute Granulation abwarten, oder besser bei Zeilen den ganzen Augapfel exslirpiren. Letzleres geschieht im Wesentlichen auf dieselbe Weise, wie dies S. 545 und 546 angegeben worden ist. Auch die Nachbehandlung geschieht in der dort angegebenen Art.
Achles Capitel. Der Wasserbrach (Hydrocele).
Der sogenannte Wasserbruch besteht in einer Anhäufung von Se­rum in den Scheidenhäuten des Saainonstranges und des Hodens, und zwar entweder nur in einer der von diesen Iläulcu gebildeten Höhlen oder in beiden zugleich. Dieser Zustand kommt bei den männlichen Hauslhieren im Ganzen nicht häufig vor und ist am meisten noch bei allen Zuc.hlhengslen gefunden worden. Er besieht entweder einfach, oder complizirt mit wirklichen Brüchen, oder auch mit einem örtlichen krankhaflen Zustande des Saamenslranges oder der Hoden, z. B, mit Krampfader- oder mit Fleischbruch; und zuweilen ist er mit Bauch­wassersucht verbunden oder eine Folge derselben.
Die Erkennung des einfachen Wasserbruchs ist gewöhnlich leicht; es besieht bei ibm eine bald grössere, bald geringere Anschwellung des Hodensackes; die Geschwulst ist glcichmässig nach allen Seilen ge­spannt, am untern Ende aber zuweilen ödematös; klopft man mit den Fingerspitzen an eine Seite der Anschwellung, während man an die entgegengeselztc Seile die Fläche der andern Haud gleichmässig ange­legt hat, so empfindet man an der letztern eine wellenförmige Bewe­gung in dem Scrotum; legt man das Thier auf den Rücken, so Jliest.1 das Serum aus dem Scbeidtnkanal in die Bauchhöhle, jener wird leer und die Geschwulst verschwindet. Dies ist jedoch nur der Fall, wenn in dem Scheidenkanal des Saamenslranges die Anhäufung slatt-findet und wenn keine Verwachsung am obern Theile des Kanals, d. i. in der Nähe des Baucliringes, besteht. Letzteres ist jedoch nur sehr seilen. — Ist die Anhäufung des Serums nur iu der Scheidenhaut des Hodens, so ist dieser sehr stark ausgedehnt, aber ebenfalls elastisch. und gewöhnlich verliert sich aus ihr das Serum niebt, wenn das Thier auf den Rucken gelegt ist. Die etwa vorhandenen Cornplikationen, die Vergrösserung und Verhärtung der Hoden, Entartung der Saamen­arterie, liervorgetreteDC Därme und Netz sind an den eigenlhümlichen
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Wasserbnich. Kur.
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Erscheinungen dieser krankhaften Zustände (Seite 586—588) zu er­kennen.
Die Ursachen sind zum Theil wie bei den Oedemen, besonders chronische, asthenische Entzündungen, zuweilen örtliche Verletzungen, Quetschungen und Zernmgeu des Saanienstranges oder des Hoden, rheumatische und katarrhalische Metastasen u. dergl.
Die Prognosis ist bei dem Wasserbrach immer sehr unsicher; doch ist er zuweilen noch geheilt worden, wenn er einfach, frisch entstan­den, bei jungen, kräftigen Thiercu bestand. Auch stört er in den mei­sten Fällen das Wohlbclinden und den Dieustgebraueh der Tbiere we­nig, und mau lässt desshalb sie gewöhnlich ohne thierärztliche Behand­lung. Zuweilen jedoch nimmt das Uebel allmälig einen so hohen Grad an, dass die VVasseranhiiulung durch ihre Masse und Schwere die Thiere belästiget und den Gang stört; in einzelnen Fällen quetschen sich die Thiere den stark ausgedehnten Hodensack und es enlstehcn in Folge dessen langwierige Ukera tienen. Bei einem hoben Grade des Uebels und bei Entartungen der Scheidenhäule, des Saainenslranges oder des Hoden, und bei vorhandenen Leislenbiiicbcn ist die Heilung nicht anders, als durch die Castration der Thiere zu bewirken.
Die Kur. Bei dem gelinden Grade eines frisch enlstandenea Was­serbruchs kann man versuchen, das angehäufte Serum durch verstärkte Hesorption zu entfernen und für diesen Zweck innerlich Purgir- oder diuretische Mittel und das versüssle Quecksilber oder das Jod anwen­den, äusserlich aber das Scrotum mit aromalischen und adstringirenden Mitteln oft wiederholt waschen, oder auch Umschläge von diesen Mit­teln warm appliziren. Dabei lässt man das Thier lleissig bewegen und das Scrotum durch einen ïragebeutcl (Suspensorium) in die Höhe halten. Fruchlen diese Mittel nichts, oder ist das Uebel älter und in einem höhern Grade zugegen, soll aber die Castration nicht stattlinden, so kann man das Scrotum und die Scheidenhäule mit einem Troikar vorsichtig durchslechen, d. h. so, dass der Hode nicht mit verletzt wird. Zu diesem Zwecke wird derselbe mit der linken Hand stark nach dem Becken gedrängt gchallen, während der Einstich in das gespannte Scro­tum geschieht.quot; Man lässt das Serum durch die Troikarrolire ausleeren und dann die genannten Mittel innerlich und äusserlich recht fleissig anwenden. — Die französischen Thierärzte haben auch hier, wie bei den Gallen, Injektionen von verdünnter Jodtinktur versucht; die Erfah­rung hat jedoch über den Nutzen derselben noch nicht entschieden. — Man kann selbst rund um das Scrotum Funkle oder Striche brennen, oder auch die Kantharidensalbe einreiben. Auch in diesen Fällen ist es noting, das Scrotum, nachdem es mit Baumwolle oder mit Werg gleichmässig umwickelt ist, mit einem Tragcbcutel iu die Höbe zu hal­ten, ausserdem aber bei eingelretencr heftiger, entzündlicher Reizung innerlich Nitrum, Natrum sulphuricum oder auch Calomel in solchen Gaben anzuwenden, dass Laxiren entsteht. Die Diät muss hier sehr mager sein und das Thier ruhig gehalten werden. Sehr zweckmässig ist es, demselben eiue am Hintertheil erhöhte Stellung und Lage zu geben, wie bei den Brüchen und bei den quot;Vorfällen der Gebärmut­ter u. s. w.
Erkennt man neben der Wasseranhäufung noch organische Ver-
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GSOnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Harnverhaltung.
ändcrungen am Hoden, oder fühlt man die Scheidenliäute sehr verdickt, oder den Saamenshang dick und ungleich hart, uuregelraässig pulsirend, oder besieht ein Leistenbruch, so ist in der Regel uur die Castration des Thicres zur Beseitigung des krankhaften Zustandes übrig. Mau vollführt dieselbe auf die S. 590 angegebene Weise und bewirkt ver­mittelst der hiernach eintretenden Entzündung eine feste Verwachsung des übrig bleibenden Thcils des Saamenstranges mit den umgebenden Scheideuhäulen, — was in der Regel vollständig gelingt.
Neuntes Capitel.
Die Urinverhaltung (Retentio urinae).
Als Urinverhallung bezeichnet man, wie es der Name schon an­deutet, eine über die gewöhnliche Zeit andauernde Zurückhaltung des Urins in der Harnblase. Diese Zurückhaltung kommt bei männliclicn Thieren oft. bei den weiblichen aber sehr seilen vor (bei den lelzteicn wohl hauptsächlich aus dem Grunde so, weil ihre Harnröhre sehr kurz und verhältnissmässig viel weiter ist, als bei männlichen Thieren). — Man unterscheidet drei Grade von Harnverhaltung, nämlich: die völlige Unterdrückung der Ausleerung (Ischuria), — der zwar zuweilen er­folgende aber mit Schmerz verbundene Abgang (Dysuria) und — der nur in Tropfen erfolgende Abgang des Urins ( Slranguria). Die Harn­verhaltung ist eine Folge von sehr verschiedenen pathologischen Zu-sländen, welche den Abgang des Urins verhindern. Diese Hindernisse sind: 1) eine Entzündung des ßlasenhalses oder auch der Harnröhre, 2) Krampf im'Blasenhabe oder Lähmung der Blase, 3) Steine, Polypen und andere Aflergcbilde in oder neben der Blase, 4) Steine und Würmer in der Harnröhre, 5) Verengerung der letztern, 6) Verstopfung der Harn-röhrenmündung durch die talgartige Hautschmierc des Schlauches; ausserdem 7) übermässige Ansammlung von hartem Koth in dem Mast­darme, Vorfall der Gebärmutter, der Scheide u. dergl.
Die entfernteren Ursachen zu diesen verschiedenen krankhaften Zuständen können wieder noch sehr mannigfaltig sein, wie namentlich die Ursachen zur Blasenentzündung in dem Genuss scharfer Stolle, z. B. der Kanthariden und dergleichen, in mechanischen Verletzungen oder Reizungen bei dem Gebären, bei der Applikation von Klystieren, in der Einwirkung von Steinen, in Erkältungen, im sogenannten Ueber-gehen des Stallens u. s. w. — Der Krampf im lälasenhalse wird zu­weilen durch ähnliche Ursachen, namentlich Erkältungen und Ueber-gehen des Urinirens zur gewohnten Zeit, herbeigeführt; die Lähmung der Blase ist gewöhnlich die Folge von Kreuzlähmung (welche be­kanntlich durch verschiedene Ursachen entstehen kann), zuweilen auch Folge des hohen Alters. Ueber die Steine etc. siehe die XIV. Classe.
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Harnverhaltung,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; C81
Die Veranlassung zu den Verengerungen geben vorausgegangene Ver-lelzungcn; — und die Veranlassung zu der Verstopfung der Harn-röhreomündung beruht lediglich in mangelhafter Reinlichkeit. Oft be­stehen mehrere Ursachen und der Zustand ist complizirt.
Die Kennzeichen der Harnverhaltungen im Allgemeinen bestehen darin, dass die Thiere sich öfters zum Uriniren stellen, dabei aber gar keinen Harn oder nur kleine Quantitäten, oft nur einzelne Tropfen desselben entleeren; dass sie dabei viel mit dem Schwänze wedeln, mit den Hinlerfüssen hin und her trippeln und dieselben nach hinten aus­strecken , mit den Vorderfüssen öfters auf dem Boden kratzen, sich auch zuweilen nach dem Leibe umsehen; und dass man bei dem Ein­gehen mit der Hand oder bei kleinen Thieren mit einem Finger in den Mastdarm, — bei weiblichen Thieren in die Scheide, — die Harnblase mit Urin angefüllt, sehr gespannt und wie eine rundliche Geschwulst in die Hohe gedrängt findet. — Die Erscheinungen der besonderen Arten der Harnverhaltungen sind ausserdem noch folgende:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;|#il
Bei Entzündung der Harnblase fühlt man im Mastdarm oder in dernbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Jjji
Scheide die Blase vermehrt warm und die Thiere zeigen, wenn man auf dieselbe drückt, Schmerz, indem sie ausweichen oder auch stöhnen. Der etwa noch abgehende Urin ist zuweilen mit Blut gemengt. Ge­wöhnlich besieht auch Fieber, die Schleimhaut im Maule wird trocken, die Thiere zeigen viel Durst und manche sind gelähmt.
Bei Krampf im Blasenhalse fehlen die Zeichen der entzündlichen Reizung; es besieht kein Fieber, der Puls ist klein und weich, die Schleimhäute sind blass, die Blase ist nicht vermehrt vvarmj zuweilen fühlt man unter dem After den Blasenhals ungewöhnlich dick, und wenn man einen Katheter oder eine Sonde in die Harnröhre oder in die Blase einführt, findet man am Blascnhalsc einen nur sehr schwer oder gar nicht bezwingbaren Widerstand. Bei manchen Thieren ist die Harnverhaltung periodisch nachlassend und der abgehende Urin ist blass. Zuweilen sind uoch'andere krampfhafte Zustände mit der Harnverhal­tung verbunden, namentlich Kolik.
Lähmung der Blase in verschiedenen Graden giebt sich dadurch zu erkennen, dass eine kleine Quantität des Urins von Zeit zu Zeit abfliessl, die Blase aber niemals vollständig ausgeleert wird, sondern immer eine grosse Fülle behält; sie ist dabei unschmerzhaft beim Druck, es wird aber bei demselben eine reichlichere Entleerung des Urins be­wirkt. Dabei findet man in dem Einführen des Katheters keinen Wi­dersland. Gewöhnlich sind hierbei noch Zeichen von Lähmung des Hinterlheils oder auch des ganzen Körpers zugegen.
Steine in der Harnblase, als Hindernisse der Urinentleerung sitzen immer in der Mündung des Blasenhalscs und sind daselbst als harte Körper bei der Untersuchung durch den After zu fühlen und auch bei dem Einführen des Katheters als solche Körper wahrzunehmen; geht noch etwas Urin ab, so ist derselbe zuweilen blutig. Uebrigens sehe man Ciasse XIV. — Polypen, Feltgeschwülsle u. dergl. Aflcrgebilde, welche in der Blase entstanden und ein Hinderniss der Uriuentlcerung sind, kann man ebenfalls durch den After als dicke und derbe Massen von rundlicher oder länglicher Form in der Blase, und zwar in der Nähe des Blasenhalscs fühlen. Bei dem Einführen des Katheters (ludet
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682nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Harnverhaltung.
man den Widerstand nicht im Blaseubalse, sondern jenseits desselben in der Blase. — Vergrösserung der Prostata fühlt man durch den After, der Katheter ist schwer einzubringen.
Steine in der Harnröhre sind als wahrscheinlich vorhanden zu be­trachten, wenn man nicht nur die Blase, sondern auch den Anfang der Harnröhre durch Urin ausgedehnt und elastisch gespannt im Mittel-ileischc bis zu einer gewissen Strecke fühlt; aber die sichere Diagnosis des Zustandcs ist an dem Vorfinden eines harten Körpees am unter­sten Ende des ausgedehnten Theils der Harnröhre, und durch ein Hiu-derniss an dieser Stelle, wenn man den Katheter oder die Sonde ein­geführt hat, zu erlangen. Zuweilen zeigen auch die Thiere Schmerz, wenn man etwas drückend über jene Stelle streicht. — Würmer') in der Harnröhre sind ebenfalls zu vermnthen, wenn man die letztere in der angegebenen Weise eine Strecke lang stark ausgedehnt findet; aber die sichere Erkennung ist nur dann zu erreichen, wenn die WTirmer ans der Harnröhrenmündung hervortreten, wie dies in einzelnen Fällen beobachtet worden ist.
Die Verengerung der Harnröhre ist an den S. 626 angegebenen Merkmalen zu erkennen.
Verstopfung der Mündung der Harnröhre durch sogenanntes Haut-talg ist bei der örtlichen Untersuchung mit der Hand in dem Schlauche durch das Vorfinden grösserer Massen dieser Substanz an der Eichel stets leicht zu erkennen, — und eben so sind Anhäufungen von Koth im Mastdarme, Vorfall der Gebärmutter u. s. w. bei der örtlichen Un­tersuchung leicht erkennbar.
Die Bcurtheilung der llaruverhallungen richtet sich nach dem Grade und der Dauer derselben, so wie nach den veranlassenden Ursachen. Im Allgemeinen ist jede Harnverhaltung ein gefahrdrohendes Uebel, in­dem bei längerer Dauer derselben die Häute der Blase immmer mehr und zuletzt bis zu dem Grade aasgedehnt werden, dass sie an einer Stelle bersten und in Folge dessen der Urin sicH in die Bauchhöhle ergiesst und immer den Tod herbeiführt. Letzterer entsteht in den meisten Fällen durch Bauchfellculzündung, zuweilen aber auch ohne dieselbe, und, wie es scheint, in Folge der Zuiückführung des Urins in das Blut. Denn dass derselbe wieder eingesaugt wird und mit dem Blule zu allen Orgauen gelangt, das zeigt der urinöse Geruch, welchen nach dem Tode solcher Thiere das Fleisch und alle Theile angenommen haben. Durch diesen Umstand wird selbst die Benulzung der im letzten Stadium des Krankseins geschlachteten Thiere zur Nahrung für Menschen unstatthaft. — Zuweilen entsteht durch die Harnverhaltung, namentlich wenn die Ursache derselben in Entzündung der Blase begründet ist, auch Brand der Blasenhäute, in anderen Fällen Ulcèralion. Die Ber­stung der Harnblase erfolgt zuweilen schon nach 30 — 40 stündiger Dauer der Harnverhaltung, häufig aber auch erst viel später, lieh bei dem Rindvieh.
l) Man hat den Riesen-Pallisademvurni (Strongylus Gigas) bei einem Hunde in der Harnröhre gefunden. Seen, im Journ. des progres zoojalrici. par Dupny. 1828. p. 141.
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Harnverhaltung. Kur.
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Dass eine Berstuug der Harnblase staügefunflen hat, erkennt man daran, dass die Tliiere nach ihrem vorigen unruhigen Benehmen plölz-lich rabiger werden, mehr liegen, kalle oder in der Temperatur öfters wechselnde Ohren zeigen, der Leib sich allmälig mehr ausdehnt, und bei der Untcrsuchnug die Harnblase leer gefunden wird. Zuweilen kann man auch mit der in den Mastdarm eingeführten Hand die Flüs­sigkeit in der Bauchhöhle fühlen, wenn man die Hand seillich hin und her bewegt und dadurch wellenförmige Fluktuation erzeugt.
Harnverhaltung von Versto|ifuug der Harnröhrenmündung und von Kolhanhäufuug im Mastdarm ist am schnellsten und leiehlesten zu heilen, die von Blasenkrampf etwas schwieriger; die von Blasenent­zündung ist zwar oft heilbar, wenn zeilig und schnell das Nöthige ge­schieht, oft ist sie aber unheilbar und wegen ihres akuten Verlaufs am gefährlichsten, besonders wenn die Reizung fortdauert, wie z. B. bei Steinen, Incrustalionen, Exostosen am Schaambein u. dergl. Bei Vorfallen, Steinen, Polypen, Verengerungen ist die gründliche Kur nur mit Beseitigung dieser organischen und materiellen Zustände zu bewirken und daher nicht immer möglich; doch kann man hier und in anderen Fällen wenigstens die iibermässige Harnanhäufung palliativ beseitigen und dadurch den gefährlichen Ausgängen entgegenwirken.
Die Heilung des Uebcls ist last in jedem Falle in der ersten Zeit zu bewirken.
Die Kur hat die Aufgaben: 1 ) das Uinderniss der Harnverhaltung zu beseitigen und somit den natürlichen Weg für den Urin wieder her­zustellen oder, wenn dies nicht möglich ist, 2) einen künstlichen Ab­gang des Urins zu bewirken, um die Berstuug der-Blase zu verholen; und ausserdem müssen 3) die entstandenen Zufälle beseitiget werden. Für den crslen Zweck ist die Behandlung je nach den angedcutelcii verschiedenen ursächlichen Verhällnisscn sehr verschieden. Bei Enlzün-dung der Harnblase sind Blutentziehungen, innerlich Calomel, schleimige, ölige und narkotische Mittel, und äusserlich Klystiere von eben solchen Mitteln anzuwenden. — Bei Krampf im Blasenhalse giebt man inner­lich, mit Eücksicht auf die veranlassenden Ursachen, z. B. bei Erkäl­tungen, Tartarus stibiaius, Fliedcrblumcn, Kaniillcnblumeu, Asa ibetida. narkotische Mittel, besonders Belladonna, applizirt Klystiere von nar-kolischen Mitteln, macht Einreibungen von warmem üel oder Feit mit Zusalz von Opium oder Extract um Bclladonnae u.dgl. am Miüellleisch, hält die Thiere recht warm und reibt ihre Haut mit Strohwischen oft wiederholt, besonders an den Hinterschenkeln. — Sehr zweckmässig sind auch warme Dunstbäder von narkotischen Mitteln, und zuweilen auch Klystiere von Tabakraucb. — Bei Lähmung der Blase ist, eben­falls mit Rücksicht auf die veranlassenden Ursachen und den übrigen Kraukheitszustand des Thieres, z. B. bei akutem Rheumatismus, bei rheumatischer Kreuzlähmung u. dergl. die Anwendung von diaphoreti­schen Mitteln, bei vollblütigen Thieren von Blutentziehungen, innerlich von Kampher mit Nitrum, bei mehr torpiden Znsländen aber von Kampher mit Arnica, Hirschhornsalz, Terpenlhinöl, Steinöl, Nux Vo-inica, Kanthariden u. dgl. indizirt; örtlich applizirt man Klystiere von aromatischen Mitlelu, Einreibungen von Kampher oder Ammoniakliui-ment, oder Scnföl. Kautharidcutinktur u. dgl. auf das Kreuz uud von
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6S4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Harnverhaltung. Applikation des Katheters.
Zeit zu Zeit macht man gelinde Reibungen auf der Blase mit der flachen Hand im Mastdarm. — Die genannten Mittel wird man jedoch nur so lange anwenden dürfen, als nicht Gefahr der Berslung der Blase zu fürchten ist; tritt dieselbe ein, so würde bei dem Fort gebrauch dieser Mittel die Zeit der möglichen Rettung verloren gehen und man muss desshalb unter diesen Umständen sobald als möglich die Entleerung des Urins durch den Katheter oder den Blasenstich bewirken.
In denjenigen Fällen, wo mechanische Hindernisse bestehen, muss man diese zunächst zu beseitigen suchen, und wenn hierdurch nicht in kurzer Zeit der Urinabgang durch die Harnrühre erfolgt, ebenfalls den Katheter oder den Blasenstich zur Entleerung des Urins anwenden. Man versucht also zuerst bei Steinen und Aflergebilden in der Blase, wenn man nicht deren radikale VVegschafTung unternehmen will, — was stets am besten ist (Siehe Classe XIV), dieselbe dadurch aus dem Blasenhalse zu entfernen, dass man sie mit den in den Mastdarm ge­brachten und eben so äusserlich unter den After gegen den Blasenhals gelegten Fingern wegschiebt, — was zuweilen gelingt, wenn diese Körper nicht eingeschnürt sind, — besonders, wenn man dabei den Thieren eine nach vorn gesenkte Stellung oder Lage giebt. Dies ge­schieht, wenn sie sich freiwillig niederlegen1), indem man sie auf den Rücken wendet und ihnen das Kreuz hoch legt. Steine in der Harnröhre kann man ebenfalls, wenn sie nicht eben eingeklemmt sind, oft nach oben verschieben und so den Kanal für den Durchgang des Urins frei machen. Pfropfe von Hauttalg an der Harnröhreiimündung kann man stets durch gelindes Pressen gegen die Harnröhre an der untern Seite der Eichel und ausserdem durch Ergreifen der Massen mit den Fingerspitzen entfernen; eben so den im Mastdarm angehäuften Koth, theils mit der Hand, theils durch Klystiere von Seifenwasser und durch gegebene Laxirmittel; und Vorfälle der Gebärmutter, der Harnblase u. s. w. muss man zurückbringen.
Wenn nach solcher Hülfe die freiwillige Harnentleerung nicht bald eintritt, so muss man den Katheter2) appliziren, und zwar: bei Pferden durch die Harnröhrenmttndung, bei den übrigen Thieren aber durch einen unter dem After in die Harnröhre gemachten Einschnitt; denn nur bei den ersteren gestattet die massige Biegung der Harnröhre an dem Becken die Einführung eines Instrumentes in der ganzen Länge
1 ) Ein gcwaltsanios Niederlegen vermittelst des Wurfzeuges darf bei Harn­verhaltungen niemals geschehen, weil man hierbei immer fürchten niuss, dass die stark angefüllte Blase durch die Erschütterung hei dem Niederfallen des Thiercs bersten könnte.
3) Katheter sind Röhren von Metall oder von einem mit Harz- oder Firniss­masse überzogenen Zwirngeflecht. Letztere Art von Katheter, welche man biegsame oder elastische nennt, sind bei männlichen Pferden zum Ein­führen durch die ganze Harnröhre nur allein brauchbar. Man unterscheidet übrigens noch Katheter für niännliche und für weibliche Thiere. Erstere sind, der Länge der Harnröhre entsprechend, bedeutend länger als letztere, diese dagegen sind dicker und, wenn sie aus Metall bestehen, mehr gerade, während die für männliche Thiere eine grösserc, fast halbkreisförmige Biegung an ihrem vordem Ende besitzen. Das vordere Ende oder die Spitze eines jeden Käthe-
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Harnverlialtung. Applikatiun des ICatlicterj.
Glaquo;
derselben; bei den übrigen Tbieren aber, wo die Harnröhre mehrfache Krüimmingeii bildet, ist die Durchführung des Insirumenles nicht zu bewirken. Die Anwendung desselben kann im Stehen oder Liegen des Thieres geschehen, je narhdcni man dasselbe vorfindet. Man bremset das Thier, spannt nölhigenfalls seine Hinlcrbeine, lässt einen Vorder-fuss aufheben und ihm den kojif hoch hallen. Liegende Thiere werden bioss durch einige Gehülfen niedergehalten. Der Katheter muss vor der Anwendung mit Oel bestrichen und ebenso seine Sonde mit demselben befeuchtet werden, auch muss man die Oeflhungen an der Spitze des Inslruinentes reinigen. Hierauf stellt man sich au die Seite des Thieres, — wenn es aber liegt, an den Rücken desselben, — geht mit einer Hand in den Schlauch, umfassl die Ruthc hinter der Eichel und zieht sie langsam vor die Schlauchöirnung. Mit der andern Hand führt man die Spitze des Katheters in die Mündung der Harnröhre und schiebt sie allinälig immer tiefer in dieselbe hinein, bis sie in die Blase gelenkt ist oder sich irgendwo festgestellt hat. Dass das Erstere geschehen ist, ersieht man theils aus der Länge, in welcher der Katheter bereits in die Harnröhre eingeführt ist, theils aus dem plötzlich erfolgenden sehr leichten Vorwärtsdringen, nach dem kurz vorher statt gefundenen etwas mühsamen Durchgange durch den Blasenhals. Ausserdem fühlt man auch die Spitze des Katheters in der Blase, wenn man mit der Hand in den Mastdarm eingeht. Die letztere Untersuchung muss der Thier-arzt selbst machen, nachdem er vorher das Instrument sammt der Rulhe einem Gehülfen zum Festhalten übergeben hat. Findet man den Katheter in der Blase, so lässt man sein hinteres Ende von dem Ge­hülfen durch festes Umlegen seiner Finger um die Ruthe neben der Eichel in der Harnröhre erhalten, während man die Sonde aus der Röhre zieht. Hierauf lliesst gewöhnlich der Harn ab; geschieht dies aber nicht, so sind entweder die Seilenöllhungen an der Spitze des Instruments mit Schleim u. s. w. verstopft, oder dasselbe ist durch zu starke Contraklur des Blasenlialses gänzlich zusammengedrückt. Letz­teres erkennt mau daran, dass die in den Katheter wieder eingeführte Sonde leicht bis in den Blasenhals dringt, hier aber entweder gar nicht, oder nur mit Mühe weiter vorwärts gebracht werden kann. In diesem
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ters muss geschlossen, länglich gerundet und recht glatt sein; und etwa 4 — 6 Linien von der Spitze müssen 1 oder 2 längliche Seitenuffnungen bestehen, durch welche der Urin in die Röhre dringt. Am hintern Ende der elastischen Röhre befindet sich ein circa 2 Zoll langer und am weitesten Theil i Zoll dicker, trichterförmiger Ansatz, um bei dem Gebrauch einen festern Anhalts­punkt zu gewähren. In den metallenen Röhren liegt ein Metalldraht, in den elastischen eine Sonde von Fischbein, theils um Schleim u dgl. Hindernisse aus der Röhre zu entfernen, bei dein elastischen Katheter aber zugleich und haupt­sächlich, um der schwachen Röhre mehr Festigkeit zu geben und doch ihre Biegsamkeit zu erhalten. Ein elastischer Katheter für männliche Pferde muss 3—'3i Fuss lang und 2} bis 3J Linien dick sein; für Stuten gegen S Zoll lang und 3 - 4 L. dick: für männliche Hunde 6—-S Zoll lang und U — 2 L. dick. — Man muss die Katheter nach dem Gebrauch immer gut reinigen und besonders die elastischen gut austrocknen, damit sie nicht durch die Salze des Urins leiden.
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HarnverlialtuniT. Applikation des Katheters.
Falle sind Klystiere von kramjjfslillenden, namenllich von narkotischen Miüeln, eben so Einreibungen von warmem Feit und Belladonna-Ex­trakt wiederholt und so lange zu machen, bis der Krampf nachgelassen hat. Findet man aber dieses llinderniss nicht, so macht man in den Katheter Einsprilzungeu von lauwarmem Wasser mit Kralt. und wenn hiernach der Urin nicht abllicssl, setzt man das Rohr einer Spritze in die hintere Mündung des Katheters und versucht durch Zurückziehen des Stempels den Urin aus der Blase zu ziehen, oder man saugt auch nach Dieterichs Vorschlage mit dem Munde an dem Katheter, um den Urin in denselben zu ziehen. In jedem Falle lässt man das einmal in die Blase gebrachte Instrument so lange in derselben liegen, bis der Zweck erreicht ist.
Wenn man jedoch den Kalheler nur bis zu einer gewissen Länge in die Harnröhre bringen kann, so versuche man zunächst durch etwas Zurückziehen und langsames Wiedcrvorwärlsschieben ihn über die hin­dernde Stelle zu bringen, (jcüngt dies nicht, so übergebe man das männliche Glied mit dein Katheter einem Gehülfen zum Festhallen und der Thicrarzt selbst suche durch Sehen und Fühlen an dem Miltel-fleische, vom llodensackc bis zum Aller nach, wo die Spitze des In­strumentes sich befinde. Ist diese Stelle gefunden, so untersuche man zunächst dieselbe recht genau, ob nicht ein fremder Körper in der Harnröhre daselbst das llinderniss bilde, und erst wenn dies nicht der Fall ist, legt mau auf diese Stelle ein paar Finger an die Haut und drückt hierdurch die Spitze des Instruments von der hinlern Wand der Harnröhre nach vorn, um ihr eine bessere Richtung zum Vor­wärtsgleiten zu geben, während man in demselben Moment den Ka­theter durch den Gehülfen mehr vorwärtsschieben lässt. Wenn hier­nach die Spitze des Instruments bis an das Becken gelangt, ist und auch hier nach hinten drängt, drücke man sie ebenfalls wieder nach vorn und leite sie in den ßlasenhals. Um dies noch sicherer zu be­wirken, muss man mit. einigen Fingern durch den Afler in den Mast­darm gehen und durch gelinden Druck nach unten der Kathclerspitze die gehörige Richtung geben, bis er durch allmäliges Nachschieben in die Blase gelangt ist. Nun zieht man die Sonde aus dein Kalheler und verfährt übrigens so, wie es im Vorhergehenden angegeben ist.
Bei den übrigen männlichen Ilaussängethieren (und ebenso bei Pferden, wenn mau einen elastischen Kalheler nicht zur Hand hätte) macht man in der Mittellinie des MittelQeisches, gerade unter dem Afler mit einem geballten Bistouri einen Einschnitt in die Harnröhre, und zwar in der Grössc, dass eine der Weile der Harnröhre entsprechende Röhre, oder eine llohlsonde in die Harnröhre eingeleitet werden kann. Nachdem man die Haut durchschnitten, tritt der an beiden Seiten der Rulhe liegende Silzbein - Ruthenmuskel hervor, welchen man mit, den Fingern der linken Hand oder mit stumpfen Haken nach beiden Seiten auseinander zieht; dann durchschneide man den Harnschnellcr und die hintere Wand der Harnröhre mit gleich-massigen sanften Messerzügen. Sollte der erste Einschnitt in die Harnröhre nicht hinreichend gross fur die einzubringende Katheterröhre sein, so setzt man eine llohlsonde in die Wunde und erweitert auf ihr die lelzlerc an ihrem obern Winkel. Hierauf bringt man entweder
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Harnverhaltung. Blasenstich.
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das vordere Ende eines elastischen Kalbelcrs oder eine metallene Röhre mit zugerundclei' Spitze von der Stärke der Harnröhre und gegen 8 Zoll lang, neben der Spitze mit einer länglichen Seitenöllnnng versehen in die llarnrölue und bis in die Blase und entleert durch sie den Urin. Ist das Hiuderniss in der Blase ein dauerndes, so kann man die Röhre in derselben liegen lassen und zu diesem Zwecke mittelst eines Bänd­chens an einem Schweifrieinen befestigen, oder, was bei unruhigen und bei kleinen Thieren besser ist, man entfernt sie und bringt sie nöthigen-falls bei wiederholten Ansammlungen von Neuem wieder durch die Wunde ein. Die Wunde in der Harnröhre und in der Haut kann man hiernach entweder ollen lassen und beständig rein erhallen oder auch sie durch Zusammenheften verschliessen. Die Erfahrungen sind über den Nutzen der einen oder der andern Behandlungsweise noch nicht genügend festgestellt, aber in den meisten Fällen erfolgt auch nach dem Heften die schnelle Vereinigung der Wundränder nicht, die Theile schwellen mehr an, der Urin ergiesst sich leicht in das Zellgewebe neben der Harnröhre und erzeugt Entzündungen, Verjauchungen in einem weitern Umfange und die Heilung erfolgt dann gewöhnlich lang­samer, als in den Füllen, wo mau nicht geheftet hat.
Die Behandlung der Wunde ist übrigens möglichst einfach, auf öfters wiederholte Boinigung mit kaltem Wasser und auf das Bestrei­chen der Haut unter ihr mit Fett oder mit einfacher Wachssalbe, um Anätzungen von dem ablliessenden Urin zu verhüten, beschränkt.
Bei weiblichen Thieren ist wegen der oben bereits angedeuteten Beschatfenheit der Harnröhre die Anwendung des Katheters höchst seilen noting; allein, wenn die Scheide in der Umgegend der Harn­röhren mündung stark angeschwollen, oder wenn bei einem Vorfall der Gebärmatter oder der Scheide die Harnröhre zusammengedrückt ist, kann die Anwendung ebenfalls nölhig werden. In solchen Fällen kann man versuchen, bei Stuten und Kühen das vordere Ende des elasti­schen Katheters für männliche Pferde oder eine metallene Rühre von entsprechender Dicke, im Nothfalle bloss einen mit Oel bestrichenen Finger in die Harnröhremnünduug und in die Blase einzuführen. Das Thier muss zu diesem Zwecke eben so, wie oben angegeben ist, im Stehen oder im Liegen befestiget und gehalten werden, und während ein Geböife den Schweif nach der rechten Seite zieht, drängt man mit den Fingern der linken Hand die Schaamlefzen auseinander, führt mit der rechten den Katheter über den Kitzler an der untern Wand der Scheide bis zu dein kleinen ringförmigen Wulst, mit welchem die Harn­röhre in ihr mündet und sucht mit dem Instrument oder dem Finger sanft in die Harnröhre einzudringen und hierauf den Urin zu ent­leeren.
Wenn der Katheter aus irgend einer Ursache nicht zu appliziren, die Blase aber in dem Grade überfüllt ist, dass ihre Berstung zu be­fürchten sieht, so muss man den Harn blascnstich (Puuctio vesicao urinariae) unternehmen. Durch diese Operation wird allerdings nur die Anhäufung des Urins (wie durch den Katheter) momentan beseitiget, aber nicht die Harnverhaltung geheilt; aber es wird die Berstung der Blase verhütet und Zeit zur gründlichen Kur der Harnverhaltung ge­wonnen, und sie ist desshalb sehr nützlich. Man mache sie nur nicht
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688nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Harnverhaltung, ßlascnstlch.
zu spät. — Die Operation kann nach 2 Methoden ansgerührt werden, nämlich J. dureb den After uud die untere Wand des Mast­darms, oder B. durch das Mittcifleisch. — Die eistere Methode ist leichler ausführbar und die hierbei entslandenc Wunde heilt in der Regel von selbst; bei der Iclztern ist immer eine besondere Nachbe­handlung erforderlich und es entstehen auch zuweilen Harnfisteln nach ihr, deren Heilung mülisain zu erlangen ist. Dagegen ist aber bei der zweiten Methode die vollständige Ausleerung besser zu bewirken, als bei der erstem, — worauf jedoch sehr wenig ankommen kann.
Bei grossen Thicren muss die Operation, wenn dieselben stehen, bei aufrechter Stellung ausgeführt werden, weil das gewaltsame Nieder­legen die Veranlassung zur Zerreissung der angefüllten Blase geben könnte; liegen aber die Thiere, so ist die Operation auch bei diesem Zustande derselben zu verrichten. Rychner (llippiatrik, Seite 279) hält sogar die Rückenlage für noting, wenn man den Blascnstich per anurn mit gulem Erfolge machen will. Kleine Thiere legt man zur Operation sanft auf eine Seite oder auch auf den Rücken und lässt sie von Gehülfen hallen. Pferde und Rinder müssen zur Ausführung der Operation im Stehen gebremsel, an den Hinterbeinen gespannt, ihr Kopf hoch gehallen und der linke Vordcrfuss durch einen Gehülfen aufgenommen werden; oder man zieht ihnen den linken Hinlerfuss mit einem Strick oder Gurt so weit nach vorn, dass sie mit demselben weder auflrelen, noch schlagen können. Liegen diese Thiere, so bindet man ihnen die vier Füsse einfach zusammen und giebt ihnen hiernach eine Seiten- oder Rückenlage.
A. Der Harnblasenstich durch den After erfordert zunächst die völlige Leere des Mastdarms, und man bewirkt desshalb dieselbe durch Klystiere und durch Ausräumen mittelst der Hand. Dann führt der Operateur seine beölte linke Hand in den Mastdarm und setzt, auf dessen untere Fläche, bei Pferden etwa 3 Zoll vom After entfernt, die Fingerspilzen massig fest auf. Mit der rechten Hand führt er nun den, innerlich uud äusserlich beölten Troikar, dessen Spitze in die Röhre zurückgezogen sein muss (einen krummen Troikar so, dass die concave Seite desselben nach dem Mittelfleisch gekehrt ist), unter der linken Hand in den Mastdarm und an den Fingern geleitel zu dem am meisten hervorragenden Punkt der untern Wand, woselbst man das rordere Ende der Troikarröhre mit den Fingern der linken Hand so hält, dass es gegen das Schaambein gerichtet steht, oder mit der untern Wand des Mastdarms fast einen rechten Winkel bildet. So gehallen, schiebt man die Spitze von hinten her langsam aus der Röhre hervor und drückt dann das Instrument in der bezeichneten Richtung schnell durch die untere Wand des Mastdarms und 2—3 Zoll tief in die Blase. Nun hält man die Röhre mit, der linken Hand fest, zieht mit der rech­ten das Stilet aus ihr uud lässt den Urin abfliessen. Um letzteres zu vervollständigen, kann man, wenn der Ausfluss nachlässt, und wenn sich bei der desshalb gemachlen Untersuchung mittelst einer Sonde kein Hinderniss in der Röhre vorfindet, mit der im Mastdarm befindlichen Hand einen gelinden Druck auf die Blase ausüben. — Ist der Ausfluss beendet, so zieht man mit der rechten Hand den Troikar aus der Blase, während mit den Fingern der linken Hand ein kleiner Gegendruck auf
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Harnverhaltung. Behandlung.
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den Darm gemacht wird, um Zerrungen zu vermeiden. Die Wunde zieht sich sogleich fast ganz zusammen, und es ist desshalb bei der Nachbehandlung nur nölhig, die Reizung durch Klysliere von schleimi­gen Flüssigkeiten, kalt angewendet, zu mindern.
B. Den Blasenstich durch das Millelfleisch beginnt man damit, dass man neben dem unlern Rande des Allers, in schräger Rich­tung nach der Mittellinie des Mittelfleisches zu, einen circa li Zoll lan­gen Einschnitt mit einem geballleu Bistouri durch die Haut macht, dann das neben der Harnröhre und dem Sitzbein liegende Zellgewebe bis zu dem Blasenhalsc, theils mit dem Messer, theils mit dem Zeigefinger trennt, fühlt nun mit letzterem nach dem ausgedehnten Blasenhalse und der Blase selbst und führt dann, von dem Zeigefinger der linken Hand gcleitei, einen beölten Troikar mit zurückgezogener Spitze zu der Blase, so dass das vordere Ende der Röhre dieselbe fast berührt. Uierauf schiebt man die Spitze des Instruments hervor und drückt dasselbe scbncll gegen 2—3 Zoll tief hinein. Man hält nun mit der linken Hand die Rühre fest, zieht das Stilet aus ihr, lässl den Urin abfliesseu und entfernt dann die Röhre. Die Stichwunde zieht sich auch hier bald zusammen und verheilt mchrentheils von selbst; aber die Wunde im Zellgewebe heilt durch Eiterung und Granulation und wird demgemäss nach den allge­meinen Regeln hierüber behandelt.
Sowohl nach der Applikation des Katheters, wie auch nach ge­machtem Blasenstich muss die Kur gegen die Ilarnverliallung selbst noch in gleicher Weise, wie es oben gegen die verschiedenen Allen des ursächlichen Leidens angedeutet worden ist, fortgesetzt werden, bis die freiwillige Entleerung des Urins wieder staltfindet. Eben so müssen die im Verlaufe des Leidens hinzugetretenen Zufälle, mehrentheils Ent­zündungen, ihrer Art nach behandelt und beseitiget werden.
Das diätetische Verhalten muss speziell den ursächlichen Verhält­nissen nach eingerichtet werden, im Allgemeinen aber ist nöthig, dass die Thiere ruhig in einem massig warmen Stalle auf reichlicher Streu erhalten werden und dass man ihnen nur wenig und milde Nahrungs­mittel und eben so nur recht wenig Getränk verabreicht. Ausserdem hat man darauf zu sehen, dass die Thiere sich nicht gewaltsam nieder­werfen, und desshalb lässt man sie kurz und hoch anbinden und be­ständig unter Aufsicht eines Wärters.
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Dreizehnte Classe.
Krankhafte Zustände von abnormer quantitativer Bildung
(Dismorphen).
Erstes Capitel.
Uebermässigc Ernährung (Hypertrophia).
Die Bildungsthätigkcil trilt zuweilen so übermässig reichlich her­vor, dass dadurch einzelne Thcile oder Organe weit über ihr gewöhn­liches Volumen vergrössert weiden. Man bezeichnet diesen Zustand als iibermässige Ernährung (Hypertrophia, oder an VVeichtbeilen auch llypersarkosis), unterscheidet aber dabei a. die reine oder ächte Hypertrophie und b. die unreine oder (machte. In der erslern findet sich bei anatomischer Betraehlung des Gewebes eine gleichmässige Ver­mehrung aller dein betreHenilen Organ im gesunden Zustande elgen-thünilichen Bildungselcmeiite, so dass nur eben die dem Grade nach iibermässis sesteigerte Bildangstfaätiekeit als Abnormilät erscheint; bei den unächten Hypertrophieen iimlet man zwischen der normalen lexlur noch versciiiedcne lliierische Subslanzcn, namentlich Produkte von Ent-zündungs- und dyskratischen Krankheiten eingelagert, z. B. Faserstoir. EiweissstolF, Lymphe, Fett und dergleichen. v\ eun die unäebte Hyper-Irophie von cnlzündlicher Ausschwilzung entstanden ist, so pflegt man sie wohl auch speziell als enlzündlichc (S. 46) zu bezeichnen.
Die äcblen und die unächten Hypertrophieen kommen in allen Ge­weben vor und man sieht daher theilweise und vollständige Vergrös-scrungen und Verdickungen der Haut, der Schleimhäute, des Zellgewe­bes, der Muskeln, der Gelenkbänder, der Sehnen, der Knochen, der drüsigen und anderen zusaminengcselzteu Organe. Dieselben geben sich im Allgemeinen überall durch vermehrten Umfang der belrefTenden Theile leicht zu erkennen; aber die Unterscheidung zwischen den äch­ten und unächten Hypertrophieen ist äusserlich, bei unverletzter Haut,
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Hypertrophieen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 691
mehrenthèils sehr schwierig, da die letztere bei beidea Arten keiae be­stimmte Veränderung zeigt und man daher fast nur auf das Befühlen der vergrösserten Theile angewiesen ist, dieses aber ebenfalls nicht immer zur gründlichen Kenntniss des Zustandes der tief unter der Haut verborgenen Gewebe führen kann, und zwar um so weniger, da es zwischen den beiden Arten der Vergrösserungen verschiedene Stufen von Uebergängen der ächten zur unächten Hypertrophie giebt. Die an einfacher, ächter Vergrösserung aliein leidenden Theile sind jedoch in keiner andern Hinsicht in einem krankhaften Zustande, und man fühlt sie desshalb noch in der Regel in derjenigen Derbheit oder Weichheit, welche den gesunden Gebilden ihrer Art eigenthümlioh ist. Oft geht auch die Funktion der hloss vergrösserten Organe ungestört von Stat­ten; dies ist jedoch bei längerer Dauer und bei einem hohen Gradenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1 des Uebels nicht ganz der Fall.
Bei den unächten Hypertrophieen wird dagegen das Gewebe immer mehr derb und die Funktion leidet in kurzer Zeit bedeutend und wird bei den höhern Graden fast immer gänzlich aufgehoben. Die unächten Hypertrophieen bilden eigentlich, je nach dem Grade ihrer Entwicke-lung, mehr oder weniger Desorganisationen und gehören desshalb nur in sofern hieher, als sie durch Vermehrung des Umfanges der Organe eine Aehulichkeit mit den wirklichen Hypertrophieen darbieten und dess­halb mit diesen verglichen werden müssen (Siehe Classe XIV).
Die ächten Hypertrophieen beruhen wesentlich auf einer lokalen er-höheten Lebensthätigkeit und einem damit verbundenen vermehrten Blutzufluss zu den Capillargcfässen, und es kann daher Alles, was einen solchen vermehrten Blutandrang veranlasst, als Ursache der Hy­pertrophie betrachtet werden, z. B. vermehrte und angestrengte Thä-tigkeit eines Organs, öftere Reizung durch Reibung, durch Druck oder Stoss, uuterdrückte Ausleerungen u. s. w. Doch gehört immer auch noch eine gewisse hyperplastische ßeschairenheit des lilutes zu dieser übermässigeu Ernährung der Theile. Zuweilen ist die Hypertrophie au­geboren.
Die Beurtheilung der hypertrophischen Bildungen hinsichtlich ihres Nachtheils für den Thierkörper ist nach dem Grade der Entwickelung, nach dem Orte, nach der Wichtigkeit des Organs und nach der Be-schallenheit der benachbarten Theile sehr verschieden. Ein massiger Grad der übermässigeu Entwickelung eines Theils schadet nur wenig, er stört aber oft das symmetrische und schöne Aussehen des Körpers und bildet somit einen Schönheitsfehler; bei einem höhern Grade der Entwickelung geschieht dies noch mehr und ausserdem wird durch den Druck, den das vergrösserte Organ auf die neben ihm liegenden Theile ausübt und von denselben gleichfalls aushalten muss, sowohl seine eigene Funktion, wie auch die der angränzenden Theile gestört, zuweilen auch der gesammte Organismus dadurch in Mtlleidenscliaft gezogen, dass an­deren Organen die zu ihrer Ernährung erforderliche Blutmenge ent­zogen wird und sie in Folge dessen verkammera. Ausserdem leidet zuweilen die freie Bewegung der Glieder und hierdurch der Dienstge­brauch der Thiere. Bei sehr grossen Vermehrungen des Volumens sind auch die Thiere durch die überllüssige Masse, welche sie in den hy­pertrophischen Organen als eine unnütze Last beständig tragen müssen,
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Hypertrophie^- Behandlung.
mehr oder weniger belästiget. — Hinsichtlich der Heilbarkeit der Hy-pertrophieen ist die Prognosis mehrenlheils nicht sehr günstig, da es der Erfahrung zufolge äusserst schwer, ja oft nicht möglich ist, den Eruährungsprozess in einem Gewebe oder Organ bedeutend herabzu­stimmen, ohne die Vernichtung desselben zu #9632;veranlassen. Viele Hyper-trophieeu bleiben desshalb uuguheilt.
Die Behandlung muss darauf gerichtet sein, 1) die etwa erkenn­baren Ursachen des örtlich vermehrten Blutzuflusses zu beseitigen und fernerhin abzuhalten; 2) den Ernahrungsprozess im Allgemeinen und die Bildung von plastischen Saflen möglichst zu vermindern und 3) wenn durch diese beiden Wege der Zweck nicht erreicht, das krank­haft vergrössertc Organ aber dem Organismus zu lästig wird, dasselbe, wenn es nicht zur Erhaltung des Lebens nothwendig ist, theilweise oder gänzlich aus dem Organismus zu entfernen. — Hinsichtlich der ersten Indikation sucht man jede Keizung durch Geschirr u. s. w. zu vermeiden und den Theil möglichst ruhig zu erhalten. — In Betreff der zweiten Indikation ist es oft nölhig, das Thier auf magere Kost zu setzen, ihm Blutenlziehungen von Zeit zu Zeit wiederholt zu machen, ihm innerlich Calomel, kleine Gaben des Sublimates, Antimonialmittel, Jod, Conium maculatum in angemessenen Gaben und durch einige Zeit fortgebraucht zu geben und dabei äusserlich oft wiederholte Befeuch­tungen mit kaltem Wasser, mit konzentrirter Auflösung von Potasche, mit Auflösung von Bleizucker, mit Essig oder mit verdünnten Mineral­säuren, oder die Jodpräparale, oder die graue Merkurialsalbe, an­zuwenden. Fruchten diese Mittel nichts, oder ist das Uebel bereits zu einem hohen Grade gediehen, so kann man auch die Hauptar­terie des hypertrophischen Theils unterbinden und hierdurch seine Ernährung beschränken. — Hinsichtlich der dritten Indikation muss man zuvor die Wichtigkeit des vergrösserten Gebildes, namentlich wenn dasselbe noch in Funktion besieht, so wie die durch seine Entfernung herbeigeführte Verwundung und die damit verbundene Gefahr mit den Störungen vergleichen, welche durch den vergrös­serten Theil selbst herbeigeführt werden und darnach erwägen: ob die Erhaltung oder die Wegnahme des vergrösserten Gebildes die we­nigste Gefahr mit sich führt ? Im letztern Falle wird man die Enlfer-nung des Gebildes mit dem Messer durch Ausschälung und Lostrennung von den benachbarten Gebilden bewirken können. Bei der Verschieden­artigkeit, welche die einzelnen Organe an verschiedenen Stellen durch ihre Form und Verbindung, so wie durch den Gefass- und Nerven-reichlhum und die verschiedene Beschalfenheit der angränzenden Theile darbieten, lassen sich für alle Fälle nicht genaue Vorschriften über die Ausfuhrung der Operation geben, sondern man kann nur im Allge­meinen in folgender Art verfahren:
Tritt der hypertrophische Theil weit über den normalen Um­fang der anglänzenden Organe hervor, ist somit die Haut ebenfalls sehr vergrössert und ausgedehnt, so macht man nahe an seiner Basis einen Kreisschnitt um dasselbe; tritt dagegen das vergrössertc Organ wenig über die Haut hervor, so macht man entweder einen einfachen Haut­schnitt, oder, bei grösserem Umfange des Organs, zwei halbmondrör-mige Schnitte über dasselbe, welche sich an ihren Endpunkten berühren
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Das Schwinden. Atrophia.
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und ein elliptisches Stück Haut auf dem Theile zwischen sich lassen. In beiden Fällen präparlrt man die Hautränder von dem kranken Ge­bilde, so weit dessen Umfang reicht, ab, zieht lelzteres mit scharfen Haken oder mit einer eingezogenen Schleife massig stark hervor und löset es von allen angränzenden Theilcn bis auf die Gefäss- und Nerven-stännne, uuferbindct die Gefässc doppelt, durchschneidet sie zwischen den beiden Ligaturen, und entfernt hiernach die ganze Masse. Oder man löst blos die Hautränder bis zur Höhe der angränzenden Theile von dem kranken Gebilde ab und schneidet dann letzteres in dieser Höhe in seiner Masse quer durch, so dass nur der überflüssig hervorra­gende Theil enlfernt wird. Nach geschehener Reinigung der Wunde von dem Blut werden die Wundlliichen wie bei einfachen reinen Wun­den in gegenseitige Berührung gebracht, und dann die Vereinigung ent­weder mittelst der blutigen Naht oder durch umgelegte Binden und durch gelinden Druck bewirkt. Die weitere Nachbehandlung geschieht, wie dies bei den Wunden angeführt ist.
Zweites CapUel.
Das Schwinden, der Schwund oder die Atrophie,
Sehr häufig findet sich eine abnorme Minderung des Volumens in verschiedenen Organen, namentlich in den Muskeln, den Sehnen, im Zellgewebe, in den Knochen und Drüsen; doch kann auch jedes an­dere organische Gewebe davon ergrillen werden. Das Schwinden be­ruht auf einem verminderten Vcgelalionsprozess und auf einem vermin­derten ßlutzutritt zu den einzelnen Organen oder Geweben und spricht sich für die Diagnosis im Allgemeinen ziemlich gleichmässig durch den verminderten Umfang oder die Kleinheit der Organe und Theile aus. Doch findet man dabei die Organe von zweierlei verschiedener Be-sehallenheit, nämlich zuweilen fülillt man die Theile weich, gewisser-massen im Innern mit Säften gehörig versehen und wenn man in sie einschneidet, zeigen sie eine dem normalen Znstande ganz ähnliche rot he Färbung; in anderen Fällen dagegen zeigt sich der leidende Theil mehr trocken, derber, und beim Einschneiden blässer, das Zellgewebe kürzer, z, B, in den Muskeln das ganze Ansehen der sehnigen Beschaf­fenheit mehr ähnlich.
Die Ursachen der Atrophie können sein: gestörter Blutzufluss in Folge von Verengerung oder theilweiser Verschliessung der Arterien eines Theils oder in Folge von Druck durch krankhaft vergrösserte nachbarliche Organe oder eben so durch neue Bildungen, z. B. Mela-noseu, Exoslosen u. dergl.; ferner Verletzung grösserer Gefässe und Nervenstämme, wirkliche Lähmung (Mangel an Innervation); andauernde Ruhe eines Theils, wie z. B. bei Knochenbrüchen, Verrenkungen, Ver-
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694nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Das Schwinden. Atrophie. Behandlung.
wundungen u. s. w., besonders aber heflige Schmerzen an einem Punkte eines Gliedes. Oft sind mehrere dieser Ursachen zugleich wirkend. Daher sieht man das Schwinden am häufigsten als Folge von mancherlei örtlichen Leiden enlslchen. In seltenen Fällen ist die Atrophie auch angeboren und dann in ihren ursächlichen Verhältnissen gewöhnlich nicht näher zu erforschen.
Die Beurlheilung dieses verminderten Ernährungszustandes ist im Allgemeinen günstiger als bei den Hypcrtrophicen, besonders in allen den Fällen, wo die Atrophie die Folge vorübergehender örtlicher Leiden ist; denn hier hat die Erfahrung gelehrt, dass mit der Beseitigung dieser Leiden oft schon nach dem Aufhören des Schmerzes allein und wenn die Thäligkeit in den Muskeln wieder rege geworden ist. das Schwinden sich von selbst verliert oder doch durch eine einfache Behandlung ganz oder doch grüsslcnilicils wieder beseitiget werden kann. Uebrigens ist mit dem Grade der parlicllen Abmagerung auch eine Abnahme der Kraft und somit oft eine Störung in der Funktion des leidenden Theils ver­bunden, und ausserdem macht die Abmagerung stets ein hässliches Ansehen, einen Schönheitsfehler.
Behandlung. Zunächst muss man die etwa bestehenden Ursachen und noch vorhandene krankhafle Zustände nach ihrer Ar! beïeitigen. Ausser­dem sucht man einen vcimehrlen Zufluss von Blut zu dem leidenden Theile zu erregen und die Absonderungen in ihm reichlicher zu machen. Für diesen Zweck lässt man in denjenigen Fällen, wo die Empfindlich­keit gering ist, erregende und belebende Miltel in die Haut des leidenden Theils oft wiederholt einreiben, wie namenllieh Spiritus frumenti, Spi­ritus saponalus, camphoralus, den Kampher und Liquor amonii cau­stic!, in Verbindung mit Oel als Kampher- und Ammoniakliniment. Terpenlhinöl u. dergl. Bei einem hohen Grade des Uebels lässt man täglich 1 — 2 Mal aus einem in der Nähe des Theils gehaltenen roth­glühenden Eisen Hilzc in denselben einslrümen: oder mau macht Ska-rilikationen in die Haut desselben und wendet die zuerst genannten Mitlel an, oder auch die Douche mit einer Spritze, oder die Acu-punetur, Beides oft wiederholt. Dabei lässt mau den leidenden Theil täglich allmälig mehr in Bewegung bringen, doch niemals bis zur Er­müdung desselben. — In denjenigen Fällen, wo entgegengesetzt der leidende Theil sehr empfindlich und bei dem Befühlen trocken und derb ist, lässl man Einreibungen von erwärmtem Fett oder Oel täglich 2 bis 3 Mal anwenden, macht Dunstbäder von warmem Wasser oder Um­schläge von schleimigen Mitteln, versetzt ebenfalls den Theil in allmälig vermehrte Anstrengung, und geht erst später zu den reizenden Mitteln über. In allen Fällen müssen die an Atrophie leidenden Thiere mit guten Nahrungsmitteln reichlich versehen werden.
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Missbildungen. Form der Theile.
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Drittes Capitel.
Missbilduugen in'der Form, in Ueberzahl oder in Mangel einzelner Theile.
In Folge von uuregelmassiger Bildungsthätigkeit im Foelus werden nicht selten einzelne Theile in ihrer Form und Innern Beschaffenheit abnorm entwickelt, und in anderen Fällen linden sich einzelne Theile in mehr als der normalen Anzahl, oder auch entgegengesetzt es bleiben einzelne Theile in ihrer Ausbildung gänzlich oder theilweis zurück. Man bezeichnet diese Zustände im Allgemeinen als ursprüngliche oder angeborne Fehler (Vitia primae formalionis). Sie gehören zu den sogenannten Missgeburten (Monstra1); aber hier ist nur von den­jenigen geringeren Graden derselben die Rede, bei welchen ein Thier übrigens im VVcsenllichen regeimässig gebildet ist, so dass es existiren und noch benutzt werden kann, und bei denen die Kunst etwas zu thun vermag.
1) Zu den angeborneu Formfehlern dieser Art gehören: a. die Verwachsungen der Ohren, der Augenlider, der Pupille, des Afters, der Harnröhre und der Zehen; —#9632; b. Spalten und Oellnungen an den Lippen (Hasenscharte), am Nabel (Nabelbruch); — c. Verkrümmung der Ohren, des Halses, des Schwanzes und der Gliedmassen.
Die Erkennung dieser Verbildungen ist mehrentheils leicht, da eine Vergleichung mit den gesunden Theilen bei anderen Thieren oder auch mit den gleichnamigen normalen Theilen an der andern Seite desselben Thieres wenigstens die äusserliche Abweichung sehr bestimmt zeigt. Ueber die innere Beschaffenheit der Verwachsungen und der Spalten ist auf die genannten Capitel zu verweisen, und hinsichtlich der Ver­krümmungen ist zu bemerken, dass dabei immer einzelne Muskeln oder Sehnen wirklich zu kurz sind and dass mau dieselben an ihrer Span­nung erkennen kann.
Die Beurtheilung dieser Abnormitäten ist je nach der mit der Ab­weichung in Verbindung stehenden Störung von Verrichtungen, nach deren Bedeutung lür die Erhaltung des Lebens, so wie für den Dienst­gebrauch der Thierc, und nach dem Umfange des Theils in den ein­zelnen Fällen sehr verschieden. Je geringer die funktioneile Störung ist, je weniger dem Grade nach die Form von der normalen abweicht, je weniger wichtig das Organ znr Erhaltung des Körpers oder für die Dienstbrauchbarkeit ist. um desto weniger von Bedeutung ist die Bil­dungsabweichung. Die Heilung ist in der Regel nicht anders möglich, als durch Operationen, weichere nach der Art der Verbildung, in sub­kutaner Durchschneidung von zu sehr gespannten Sehnen und Muskeln oder Bändern, — in der Trennung oder Eröffnung verwachsener, —
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') Siehe hierüber das sehr vollständige Werk: Gurlt , Lehrb. d. patholog. Anatomie d. Haussäugelhiere, 2ter Thcil. Berlin 1832. Mit 25 Steinabdrücken,
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Missbildungen. Ueberzahl der Theile,
oder in der künstlichen Verschliessang gespaltener Tlieile bestehen.
Dabei ist es von
in, ir Wichtigkeit.
ob die belrelTenden Theile einen
geringen oder grrssen Umfang haben, weil hiernach die Grosse der Verletzung bei der Operation und die Folgen derselben entweder nur unbedeutend, oder sehr gross und gefährlich sein können.
Die Behandlung ist, hiernach in den einzelnen Fällen verschieden zu wählen, wie es im Vorstehenden angedeutet ist.
2) Zu den angebornen Fehlern mit überflüssigen Theilen gehören die Fälle mit doppellen Stirnzapfeu und Hörnern, — mit überzähligen Gliednmssen, — mit überzähligen Zehen an einer Gliedmasse, #9632;— mit verirrten Zähnen, — ebenso mit Hoden und Rulhe oder Eutern — und mit verirrten oder eingeschlossenen Foelus (Foetus in foetu). — Die überzähligen Ilörner wachsen aus den Slirnbeiuen hinter den nor­malen Hornzapfeu, ganz so wie diese, hervor. — Die vollständigen Gliedmassen sitzen einfach oder mehrfach auf dem Rücken, dem Becken, der Brust, dein Leibe u. s. w.; sie sind gewöhnlich in einem gerin­gern Umfange ausgebildet, als die regehnässigen Gliedmassen, sie haben keine Muskeln, sind desshalb unbeweglich und ihre Verbindung mit dem Körper geschieht fast nur durch stralfcs Zellgewebe, zuweilen aber auch durch Bänder, fibröse Sliänge und Faserknorpel, welche gevvis-sennassen ein unvollständiges Gelenk bilden. — Bei den einzelnen uber-llüssigeu Theilen einer Gliedmasse findet sich in der Regel eine mehr teste gelenkailige Verbindung durch besondere Knochen, namentlich durch überzähl ge einzelne Knochen am Vorder- oder Hinterfusswurzel-gelenk, oder durch ein vergrösscrles Grilfelbein. Diese Kuoehen haben gewöhnlich eine unvollsländige Gelcnkfläche, durch welche die Verbin­dung des Schien- oder Fessclbeins der überzähligen Zehe in ähnlicher Weise, wie mit den übrigen Endgliedern, durch kurze Gelenkbänder
geschieht. Eine willkü
uniche Bewegung findet au diesen Theilen nur
sehr unvollkommen oder gar nicht stattquot;
Verirrte Zähne finden sich nur einzeln, gewöhnlich unter der Ohr­muschel, als Beulen mit oder ohne FistclöHiiung. Oft sind sie mit einer knöchernen Zahnhöhle umgeben und in der Regel sitzen sie in einem Balge in einer kleinen Knochenerhöhung, bald ganz fest, bald etwas verschiebbar. — Hoden, Ruthe und Milchdrüsen sitzen mit einem oder mit zwei Hinlerbeiueu in Verbindung, zuweilen auf dem Kreuz; — und ein verkümmerter Foetus findet sich als höchst seltene Miss-bildung zuweilen in einem Balge am Halse hinter oder unter der Ohr­speicheldrüse, oder auch in einem Hoden.
Die Erkennung dieser abnormen Erzeugnisse ist immer sehr leicht, da man sie mehnntheils dcullich sehen und fühlen kann.
Die Beuillieilung ist, wieder wie bei den vorhin betrachteten un-regelmässigen Formen, von der Grosse des überflüssig erzeugten Theils, von dem Sitze desselben und von der durch ihn bewirkten Störung der freien Beweglichkeit des Thieres abhängig. Lebensgefahr erzeugen diese überflüssigen Theile niemals, wie dies viele Exemplare derselben bei damit alt gewordenen Thieren erwiesen haben. Die Heilung ist immer nur durch die Ablösung dieser Gebilde durch das Messer zu be­wirken und desshalb die Prognosis mit Rücksieht auf die bei der Ab­lösung entstehende Verwundung und Blutung auszusprechen; gewöhnlich
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Missbildungen. Mangel der Theile.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 697
isl die Ablösung der Theile ohne Gefahr, und die Heilung der Wunde erfolgt leicht und vollständig.
Die Hülfe besteht, wie eben erwähnt, nur in der Ablösung oder Auslösung der überflüssigen Gebilde von dem Körper vermittelst des Messers. Man macht für diesen Zweck um den überflüssigen Theil in der Nähe des Körpers oder der Gliedmasse, an welcher derselbe sitzt, einen Kreisschnitt durch die Haut, durchlrennt dann vorsichtig in derselben Kichtung die übrigen Weichgebilde bis auf die etwa sichtbarnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i
werdenden Blulgefässe, welche man an der Seite nach dem Körper zu unterbindet, sie dann durchschneidet und hieraui die Verbindung desnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; I
Theils von den umgebenden Theilen und an seinem Grunde vollständig trennt. — Besteht eine Knochenerhöhung an dem Schienbein, so kann man dieselbe, nach Robertson's Vorgange, nahe an der Fläche des gesunden Knochens mit einem Meissel wegnehmen oder mit einer feinen Säge abschneiden. Letzleres ist vorzuziehen, weil es keine Splillerung veranlasse Hierauf wird die Wunde gereiniget, geheftet und mit einem schützenden Verbande bedeckt, bis Eiterung eingetreten ist, welche hier gewöhnlich trotz der einfachen Beschall'enheit der Wunde nicht aus­bleibt. Nach eingetretener Eiterung wendet man gelind adslringirende Mittel an und fährt damit bis zur erfolgten Heilung fort.
3) Den Mangel einzelner Theile. eines Ohrs, eines Auges, eines Kie­fers, eines Fusses oder eines Theils desselben, eben so des ganzen Schwanzes oder eines Theils desselben findet mau bei den sämmtlichen Haustbieren als angeborenen Fehler und erkennt denselben sehr leicht aus der Abweichung von der bekannlen Form und Beschaflenheit der betreflenden Theile. Diese mangelhafte Bildung ist 'zuweilen von der Art, dass die Haut glatt über die Gränze des vor dem fehlenden Theile befindlichen Körperlheils hinweggeht; in anderen Fällen sind dagegen Rudimente der Knochenbildung des fehlenden Theils an der Stelle zu finden, an welcher derselbe seinen normalen Ansatzpunkt besitzt; alle andern Gewebe aussei' diesem Knochenrest fehlen in der Regel gänz­lich und es kann daher eine nachträgliche Entwickclung des Theils nicht erfolgen. Desshalb ist auch die Prognosis in allen diesen Fällen ganz schlecht; denn es ist auf keine Weise der fehlende Theil zu ersetzen. Uebrigens können die Thiere bei dem Mangel mancher Theile lange Zeit fortleben, sie werden aber, wie sich dies von selbst versteht, nie­mals arbeitsfähig.
In chirurgischer Hinsicht ist hier nichts zu thun, sondern die Be­handlung ist, wenn das Thier erhalten werden soll, nur auf gute diätische Pflege beschränkt.
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Vierzehnte Classe.
Qualitative abnorme Bildungen- Pathologische Neubildungen.
Erster Abschnitt.
Von diesen Bildungen im Allgemeinen.
Die bildende Thätigkeit im tliierischen Organismus wird in quali­tativer Hinsicht sehr oft iibweicheud von dem nomialeu Zustande, indem entweder das Blut, der Eiwciss- und Faserstoff, Fett, Farbestoll'u. dgl. Stoffe bei ibrer Ablagerung iu das Zellgewebe und in das Parenchym der Organe abnorme Produkte hervorbriugeu oder, indem sich in den Säften cigenlhümliche Stoffe erzeugen, welche zum Wiederersatz der normalen Gewebe nicht geeignet sind und daher bei ihrem Eindringen in das Parenchym der Organe neue Substanzen und veränderte Gewebe
erzeugen verschiedener Ansicht
eschieht? — darüber sind die Forscher noch sehr da die neue Bildung in ihren ersten Elementen
überall im dunklen Schooss der Natur verborgen liegt. Doch haben mikroskopische Untersuchungen gezeigt: dass der irgendwo in das Zell­gewebe oder Biudgewcbe oder in das Parenchym der Organe abge­setzte bildsame Stoff (Plasma, Blastem, Cytoblastem) kleine Bläschen bildet, deren Wände gewissermassen Zellen darstellen; diese Zellen werden entweder nur passiv ausgedehnt durch Ablagerung von Fett, Faserstoff, Gallerte, Farbestoff u. s. w., oder sie wachsen selbstständig bis zu einer gewissen Grosse, indem sie von den angrenzenden Theilen mit arteriellen Ilaargeiassen versehen werden, und sie bilden sich dann in eigenthümlicber Weise weiter aus. Im letztern Falle können sich die Bläs­chen, wenn sie eine gewisse Reife erhalten haben, durch Erzeugung neuer Bläschen in ihrer Substanz selbst, vermehren, wogegen in an­deren Fällen die Vermehrung von ausseu her, durch andauernde oder
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Pathologische Neubildungen im Allgemeinen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;699
durch von Zeit zu Zeit wiederholte Ablagerung neuer krankhafter Bil­dungsstoffe geschieht; aber auf beide Arten entstehen organische neue Gebilde, welcbe sich allmälig vergrössern. Diese neuen Gebilde treten, von chirurgischer Seite betrachtet, in zweierlei Hauptverschieden-heiten auf, nämlich:
A.nbsp; nbsp;indem sie eine in sich zusammenhängende, begrenzte Masse darstellen, welche mit eigenen Blutgefässen versehen ist, durch diese ernährt wird, daher gewissermassen ein eigenes Leben besitzt, und dieser Eigenschaften wegen auch für sich absterben, künstlich vernichtet oder entfernt werden kann. Man nennt sie Afterbildungen, After-geschwülstc (Pseudorgana, Pseudo|ilasinala); — oder
B.nbsp; nbsp;indem die Ablagerung von, bald mehr bald weniger bildsamen, Stoffen nicht in für sich abgegränzlen Massen, sondern in die Zwischen­räume des Gewebes erfolgt, so dass dasselbe zum Theil verdrängt, seine normalen Verbindungen verändert oder aufgehoben und seine Funk­tionen ebenfalls gesliirt werden, jedocli ohne dass die abnorm abgela-gerlen Stolle eine selbslständige Existenz erhallen, sondern durch die­selben Gefässe, welche das normale Gewebe besitzt, ernährt und erhalten werden. Da hierbei das Gewebe von seiner ursprünglichen Beschaffen­heit abweichend gemacht wird, entartet, degenerirt, so pflegt man der­gleichen abnorme Zustände als Degenerationen oder Melamorpho-sen zu bezeichnen. Wenn mit denselben zugleich eine bedeulende Vermehrung des Volumens verbunden ist, so stellen sie in dieser Hin­sicht die in der vorigen Classe bereits angedeuteten unächten Hyper-trophieen dar.
C.nbsp; nbsp; Auf eine dritte Weise entstehen neue Bildungen in verschiedenen Höhlen und Kanälen durch chemische Zusammenfügung oder durch blosse Agglomeration von Substanzen, welche entweder in den Höhlen abnorm abgesondert sind oder bloss in denselben verweilen. Man bezeichnet diese unorganischen pathologischen Neubildungen als Conkrelionen, Conkremente oder Steine.
Die Ursachen der krankhaften Bildungen sind in vielen Fällen noch sehr dunkel. Die Gelegenheitsursache ist sehr häuilg eine örtliche Ver­letzung oder öfters wiederholte Reizung durch Druck, Stoss, leichte Verwundung u. dgl., doch scheint die Entstehung mehrenlheils auch noch in einer unregelmässigen Säfte- und Blulbildung zu beruhen, bei welcher plastische, namentlich eiweisshaliige Stoffe, auch Färbestoffe u. s. w. in übermässiger Menge erzeugt und mit der zur Ernährung der verschiedenen Theile erforderlichen Blutmcngc in das Parcnchym der Organe abgelagert werden. Hier erfolgen wahrscheinlich bei dem längern Verweilen und bei der Abscheidung der für die Or­gane brauchbaren Bestandthcile des Bluts weitere Veränderungen, von denen man den innern Vorgang nicht näher nachweisen kann. Nach den Ansichten einiger Pathologen theilen sich die an irgend einer Stelle entstandenen krankhaften Zellen, wenn sie eine gewisse Reife erlangt haben, in mehrere kleine Zellen und diese können, da sie mikroskopisch klein sind, selbst wieder in den Strom der Säfte gelangen und anderen Organen gleichsam als Saamen für die Bildung ähnlicher neuer Bildun­gen zugeführt werden. Bei diesem Zustande besteht demnach eine eigenthümliche krankhafte Beschaffenheit der Säfte, welche man als
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Pathologische Neubildungen im Allgemeinen.
Dyskrasie betrachtet, und dieselbe namenllich bei dem Krebs annimmt und darin die Eigentliiinilichkeit begründet findet, dass dieselben krauk-hafteu Produkte, wenn sie einmal auch vollständig künstlich entlernt oder zerstört worden sind, bald entweder an derselben Stelle, oder an anderen Stellen von Neuem zum Vorschein kommen. Man glaubt sogar, dass durch die Zellen dieser Geschwülste eine Uebertragung auf andere Thiere bewirkt werden könne.
Die Aftergebilde werden zum Theil nach der Art der ihnen zum Grunde liegenden Stolle, nach ihrem Bau und ihren anderweitigen Eigenschaflen unterschieden, und zwar: in analomischer Hinsicht in homologe und in heterologe Geschwülste. Die ersteren beste­hen im Wesentlichen aus solchen Elementartheilen, welche denen des gesunden Körpers analog sind; die letzteren enlhalten hauptsächlich solche Beslamilheile, die mehr oder weniger den gesunden Geweben fremd sind. Jene können, eben weil sie normale Beslandlhcile sind, lange, ja bis zum Tode der Thiere unverändert fortbestehen, letztere aber, als fremdarlige Theile, sind dem Zerfallen, der Zersetzung, der Erweichung und Auflösung unterworfen. Auf diese Verschiedenheit hat man einen zweiten Unterschied gegründet und die ersteren Geschwülste als gutartige, die letzteren als bösartige Affergebilde bezeichnet.
Zu den homologen oder gutartigen Geschwülslcn gehören: Feit-, Faser-, Knorpel-, Knochen-, melanolisrhe, Balg- und Fleisch-Geschwülste, Polypen und Schwämme, und zu den bösarligen die Krebsgeschwülste; doch können auch die ersteren unter gewissen Umständen bösartig werden.
Die Degenerationen sind entweder ohne oder mit einer äussern Verbildung verbunden und entstehen mehrentheils in Folge von Ent­zündungen und dyskralischen Leiden durch Ablagerung von Faser- und Eiweissstoir, von Tuberkelmaterie und dergleichen. Diese Stolle ver-äudern sich, wenn nicht äussere Reizung stattfindet, bald nur sehr we­nig, bald wieder bedeutend, wie bei den homologen und heterologen Geschwülsten. Im erstem Falle kann man dieselben neben der nor­malen Substanz selbst n;.ch lauger Zeit immer wieder erkennen; aber bei neuen Reizungen erfolgt eine öfters wiederholte Ergiessung dersel­ben Materie und die Entartung des Organs nimmt daher immer mehr und mehr überhand, oder es entsteht Erweichung u. s. w., so dass auch hierdurch Vernichtung der Funktionen, Störung der Dienstbrauch-barkeit des Thieres und selbst der Tod herbeigeführt werden kann.
Die Steine werden bei längerem Aufenthalt in den Höhlen durch neuen Ausatz von thierischen Säften und deren Bestandtheilen allmälig grosser und sie erzeugen dann, theils durch ihre Schwere, Druck, Rei­zung und Zerrung, Entzündung und deren Folgen, oder sie hemmen den Durchgang von Flüssigkeiten durch die Höhlen und geben so zu Anhäufung von Säften u. s. w. Veranlassung, so dass hierdurch eben­falls verschiedene üble Zufälle und selbst der Tod herbeigeführt werden können.
Die Bedeutung dieser verschiedenen Zustände im Einzelnen und die Behandlung derselben muss der speziellen Betrachtung vorbehalten bleiben.
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Fettgescbwülste.
Zweiter Abschnitt.
Von den Afterbildungen im Speziellen.
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Erstes Capitel. Die Fettgeschwülste.
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Die Fetfgeschwülste erscheinen als flache oder auch als rundliche Geschwülüle, welche in ihrem Gewebe hauptsächlich aus weichem Fett (viel Olein) bcslehen und ihren Sitz im Zellgewebe unter der Haut oder in den Zwischenräumen zwischen den Muskeln u. s. w. haben. Ihre Zusammensetzung ist nicht in allen Fällen ganz gleich, sondern manche beslehen fast aus reinem Fett, andere enthalten Fett mit schwärzlichem Färbestoff und noch andere Fett mit Faserstolï oder Choleslearin. Diejenigen, welche aus reinen Feltmassen bestehen, pflegt man reine Fcitgeschwülsle (Lypome), diejenigen aber, welche aus einem Gemenge von Fett und Eiweiss- oder Faserstoff bestellen, als Speck-geschwülste (Sleatome) zu bezeichnen. Die ersteren fühlen sich auch von aussen unler der Haut ziemlich weich an, die letzteren aber mehr derb, ähnlich dem geräucherten Speck; die ersteren breiten sich in der Regel mehr flach in verschiedenen Dimensionen aus, die letzteren sind mehr rund. Beide zeigen keine abnorme Empfindlichkeit, sind im Ge-genlheil sehr wenig empfindlich und auch arm an Blutgefässcn. Sie wachsen bald schneller, bald langsamer allmälig grosser und erreichen zuweilen einen enormen Umfang. Sie wirken durch Druck auf die benachbarten Organe nachlheilig, stören deren Bewegung und eben so deren Ernährung, und belästigen, wenn sie gross sind, durch ihre Schwere.
Die Ursachen der Fettgeschwülstc sind unbekannt; in manchen Fällen scheint eine öfters wiederholte Reizung durch Druck, Quet­schung und dergleichen die Veranlassung zu ihrem Entstehen gegeben zu haben.
Die Behandlung besteht allein in der Ausschälung der Fettmassen, welche man in der Weise ausführt, dass mau, wie bei den Hypertro-phieen, über die flachen Geschwülste in ihrer Längenrichtung einen Einschnitt macht, die Haut von der Oberfläche der Geschwulst ablost, die letztere mit der Pinzelle, oder mit einem scharfen Haken, oder mit einer milleist einer Nadel durchgezogenen Fadenschlinge hervorzieht, sie von den angiänzcnden Theilen bis auf den Grund trennt, sie ent­fernt, die vorkommenden Gefässe unlerbindet und nach geschehener Keinigung der entstandenen Wunde die letzlere mittelst der blutigen Naht und eines angelegten Druckverbandes schliesst. Hiernach giebt
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Fasergeschwubt.
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man dem Tlilere uad speziell dein belreilenden Theile eine ruhige Hal­tung, mindert die etwa eintretende heftige Entzündung durch kalte Umschläge und besorgt übrigens die weitere Nachbehandlung, wie bei Wunden.
Zweites Capitel. Die Fasergeschwulst. Das Fibroid.
Zu den am häufigsten vorkommenden krankhaften Erzeugnissen gehören Geschwülste, in welchen der vorherrschende Bestandtheil Fa­sergewebe ist. Dieselben finden sich in und zwischen allen normalen Geweben, erreichen eine verschiedene Grosse und Form, verdrängen bei ihrem Wachsen die neben ihnen liegenden Gebilde und schalfen sich hierbei eine Hülle von zusammengedrängtein Zellgewebe; sie sind unschmerzhaft und lassen sich von anssen her immer derber anfühlen, als die umliegenden Thcile. In ihrem Innern bilden sie eine derbe, bald weissliche, bald gelbliche oder röthliche Masse, in der man bei mikroskopischer Betrachtung Fasern von verschiedener Färbung, meh-reutheils glänzend, neben nicht organischem Faser- oder Eiweissstoff erkennen kann. Sie besitzen in der Regel wenig Gefässe und keine Nerven, aussei' dieselben wären bei der Vcrgrösserung der Geschwulst zufällig in ihre Oberfläche hineingedrängt worden. Durch ihre Hülle von Zellgewebe sind diese Geschwülste mit den umliegenden Theilen mehr oder weniger innig verbunden, so dass sie sich in manchen Fäl­len etwas verschieben lassen, wie z. B. es fast immer bei diesen Ge­schwülsten unter der Haut, namentlich bei Pferden in der Gegend des Darmbeinwinkels, geschieht, während sie in audereu Fällen ganz fest und nnbeweglich sitzen.
Ihre Diagnosis ist in der Regel schwierig, da man diese Geschwülste durch die Haut und andere ïheile hindurch wohl im Allgemeinen als Aftergebildc wahrnehmen, aber ihren Inhalt nicht speziell erforschen kann und da auch andere Geschwülste, namentlich derbe ßalggeschwülste, äusserlich dieselben Eigenschaflen wahrncliinen lassen, wie sie.
Die Ursachen sind, wie bei den Fettgeschwülsten, mechanische Verletzungen verschiedener Art, besonders Schläge, Stösse, Druck vom Geschirr u. s. w. Diese Einwirkungen führen zuerst die Ablagerung von Faserstoff oder Blut herbei und in Folge einer nicht weiter erklär­baren Umänderung dieser bildungsfähigen Stoffe entwickelt sich dann eben die Fasergeschvvulst. Wahrscheinlich können diese Geschwülste auch in Folge von entzündlicher Ausschwilzung entslehen.
Die Beurtheilung dieser Geschwülste ist in so fern günstig zu ma­chen, als sie fast niemals in Verjauchung übergehen und weitere Zer­störungen hierdurch veranlassen und als ihre operative Entfernung mit
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Fleitchgeschwulst.l
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nicht grosser Gefahr der Blutung verbunden ist, da sie, wie bereits erwähnt, gewöhnlich nur mit wenig Gefasseu versehen sind. Aber sich selbst überlassen wachsen diese Geschwülste immer mehr und er­reichen oft, eine so bedeutende Grosse, dass sie die umliegenden Theile in ihrer Entwickelung und Funktion hemmen, dadurch Lähmungen, gestörten Durchgang von Flüssigkeiten u. s. w. verursachen und da­durch selbst den Tod herbeiführen können.
Die Behandlung. Fasergeschwülste zertheilen sich nicht und die in dieser Absicht etwa angewendeten reizenden Mittel tragen nur zur schnellem Vergrösserung der Geschwülste bei. Es bleibt daher nichts anderes übrig, als die Ausschälung einer solchen Geschwulst mit dem Messer, welche man ganz in derselben Weise, wie dies bei den Fett­geschwülsten angegeben ist, zu bewirken sucht und dann die Nachbe­handlung der Wunde der BeschaiTenheit derselben gemäss leitet.
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Drittes Capitel.
Die Fleischgeschwulst (Sarcoma, Sarcosis, Encephaloid).
Sie bildet scharf bcgränzte Geschwülste von sehr verschiedener Grosse, von rundlicher oder lappiger, zuweilen gleichsam verästelter Form mil drusig-höckeriger Oberfläche und mit grosser Derbheit. Diese Geschwülste haben ein graurölhliches, zuweilen auch dunkelrothes An­sehen (daher der Name), vergrössern sich allmälig und erreichen oft einen ausserordentlichev Umfang. Ihre Textur ist sehr dicht, so dass sie oft bei dem Durchschneiden knirscht, und besteht aus Fasergewebe mit zum Theil körnigen und fibrösen Punkten nnd Strichen unregel-mässig durchzogen, im veralteten Zustande zuweilen auch mit Knoehen-kernen versehen; 'ihre Oberfläche ist, wie bereits angedeutet, in den meisten Fällen uneben. Sie hat keinen Balg, wohl aber gewöhnlich eine Hülle von ungleich zusamineugedrängtem Zellgewebe und sie ist immer nur mit sehr wenigen Blutgefässen versehen. Man findet sie sowohl im lockern Zellgewebe unter der Haut, wie auch zwischen den Muskeln, an fibrösen Häuten, unter den Schleimhäuten, auch in drü­sigen Organen, im Hoden etc, Sie stehen der Fasergeschwulst nahe, unterscheiden sich aber durch grössere Dichtheit des Gewebes, durch unregclmässiges (Jefüge iii demselben, durch röthliche Farbe und un­gleiche Oberfläche; auch haben sie, wenn sie gereizt werden, eine grössere Tendenz zum Bösartigen.
Ihre Erkennung von aussen her ist, so lange sie klein isl, schwie­rig, weil auch Fasergeschwülsle und Melanosen eine ähnliche Derbheit darbielen; von den Fett- und Balggeschwülsten unterscheidet sich aber die Fleischgeschwulst sehr deutlich durch ihre grosse Derbheit. Wenn eine derbe Geschwulst mit höckeriger Oberfläche oder mit unre-
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Knorpelgeschwulst.
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gelmässiger Form eineu grossen Unilang erreicht hat, kann man fast immer auf die Natur einer Fleischgeschwulst schliessen, weil die mei­sten übrigen Geschwülste einen so enormen Umfang nicht zu erreichen pflegen.
Die Ursachen sind eben so unbekannt, wie hei den übrigen After­gebilden.
Die Prognosis ist ziemlich günstig, da die Fleischgeschwulst für sich in der Regel keinen bösartigen Charakter annimmt, sondern sehr lange unverändert in ihrem Wesen fortbesteht; aber wenn diese Ge­schwülste verletzt, gereizt oder der atmosphärischen Luft ausgesetzt werden, entsteht zuweilen Verjauulmng und ein wucherndes Geschwür mit Bildung von üppiger, leicht blutender Granulation begränzt, fast ähnlich, wie hei dem Krebs, und es kann hierdurch langwierige Ei­terung, Erschöpfung der Kräfte und selbst der Tod herbeigeführt wer­den. Ausserdem belästigen die Fleischgeschwülste durch ihre Masse und durch ihren Druck und stören die Verrichtungen sowohl des be-treifenden Theils, wie auch der angränzeuden Gebilde. Die Heilung ist nur durch operative Eiitfernung zu bewirken.
Die Behandlung. 31an bewirkt die Ausschälung der Geschwulst, indem man sie blosslcgt, von den übrigen Theilen trennt, dann die blutenden Gefässe unterbindet oder comprimirt und hiernach die Wunde nach allgemeinen Regeln zur Heilung leitet. — Wenn das Sarcom einen Hoden ergriffen hat, so bewirkt man die Castration ganz in der gewöhnlichen VVcise nach der einen oder der andern Methode, und es ist nur zu bemerken, dass, da gewöhnlich die Schcideiihaut bei diesem Zustande verdickt und entartet ist, auch sie wenigstens bis über den Nebenhoden mit weggenommen werden muss.
Viertes Capitel.
Die Knorpelgeschwulst (Enchondroma) und die Knochen­geschwulst.
Diese beiden Arten von Aftergebilden sind weit seltener, als die übrigen, obgleich theilweise quot;Verknorpelungen und Verknöcherungen öfter vorkommen.
1. Die Knorpelgeschwulst besteht ursprünglich aus einem leimgebenden, librösen Gewebe und aus wirklichen Knorpelkörperchen; gewöhnlich nehmen letztere allmälig mehr zu, je älter die Geschwulst wird, und oft erzeugen sich selbst Knochenkerne in ihr. Sie entsteht an und in den Knochen, im Parenchym verschiedener Organe, beson­ders der Drüsen, in Muskeln und im lockern Zellgewebe, hat einen Umfang bis zu der Grosse von einigen Zollen und eine sehr verschie­dene Form; zuweilen ist sie kugelig, mehrentheils aber flach. Sie be-
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Knochengeschwulst.
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sitzt gewöhnlich nur wenige Gefasse, doch habe ich dieselben in einem Falle auch sehr zahlreich gefunden. Ein Balg ist nicht vorhanden, soudern die Geschwulst ist durch kurzes Zellgewebe und durch die Eniährungsgefässc mit dem angriinzenden Gewebe verbunden.
Ihre Erkennung ist, wenn die Geschwulst einige Grosse erreicht hat und nicht zu dick mit anderen Gebilden bedeckt ist, durch das Sehen und Befühlen zu erlangen. Die Geschwulst bildet unter der Haut eine gewöhnlich nur flache Erhöhung, welche zuweilen unbeweg­lich an oder in einem Theile festsitzt, zuweilen aber etwas verschiebbar ist und einen noch hühern Grad von Derbheit besitzt, als das Sarcom. In der Regel ist die Geschwulst schmerzlos, zuweilen aber wird sie, oder eigentlich ihre nächste Umgebung, schmerzhaft, indem sie entwe­der selbst auf diese Theile, besonders bei der Bewegung derselben, drückt und reizt oder hierzu durch das Geschirr u. s. w. mehr Gele­genheit giebt. In Folge dessen sieht man zuweilen auch Funktions­störungen , besonders Lahmheit, entstehen. — Knorpelgeschwülste, welche an Knochen sitzen, verändern deren Form und Umfang.
Die Beurtheilung ist in so fern ziemlich günslig zu machen, als die Knorpelgeschwülste in der Regel keinen üblen Ausgang nehmen und auch keine ausserordenlliche Grosse erreichen; doch wird die letztere oft bedeutend genug, um, wie im Vorstehenden gesagt, durch Druck die angränzenden Theile zu reizen, zu entzünden und ihre Funktion zu stören. Hülfe ist in der Regel nur durch Ausschälung der Ge­schwulst zu leisten. Die Operation ist je nach der Lage und Ver­bindung der Geschwulst bald leicht, bald sehr schwer und zuweilen überhaupt gar nicht gründlich zu bewirken.
Behandlung. Die Ausschälung wird, mit Berücksichtigung der Grosse, der Lage und Verbindung der Geschwulst, übrigens ganz nach allgemeinen Regeln, wie bei Fettgeschwülsten und dergleichen, ausge­führt, die Blutung gestillt und die Wunde geheilt.
2. Die Knochengeschwulst kommt im Zellgewebe, Muskeln, Drüsengewebe, in Sehnen und besonders in fibrösen Häuten (daher auch in Gefässen) vor, besteht in manchen Fällen ganz, in anderen zum Tlieil aus wirklicher Knoehensubstanz, zum Thcil aus Knorpel oder Fasergeschwulst, hat sehr verschiedene, aber niemals bedeutende Grosse und mehrenlheils eine platte Gestalt. Sie sitzt bald mehr, bald weniger fest an den benachbarten Thcilen und ist mit wenigen Gefässen versehen.
In Hinsicht ihrer Bedeutung und Behandlung gilt Alles, was von der Knorpelgeschwulst gesagt worden ist, auch von ihr.
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Haut- und Hanrgeschwülste an den Augen.
Fünftes Capitél. Die Haut- und Haargeschwülste au den Augen *).
Es sind nicht ganz selten bei den verschiedenen Haussäugethieren Fälle vorgekommen, in denen eiue Geschwulst auf der durchsichtigen Hornhaut der Augen bestand, welche wirkliches Hautgewebe mit Ober­haut, und auch inehrenlheiis mit Haaren besetzt, enthielt. Diese ab­norme llautmassc erreicht eine Grüssc bis ungefähr zu einem halben Quadratzoll, ist von verschiedener Form und sitzt bald dem Innern, bald dem äussern Winkel näher, mit bald sehr kurzem, bald etwas längerem Zellgewebe auf der durchsichtigen Hornhaut. Sie erhält feine Ernäbrungsgelässe von der Bindehaut, steht aber mit der Culis in kei­ner unniiltelbarcn Verbindung.
Ihre Erkennung isl immer sehr leicht, da man sie deutlich sehen und fühlen kann.
In einigen Fällen war diese Hautgesehwulst, angeboren, in anderen erst später entstanden; doch kennt mau auch in letzteren Fällen ihre Ursachen nicht.
Beurtheilung. Diese Aftergebilde stören, je nach ihrem Sitz und nach ihrer Grosse, zum Thcil das Scheu, reizen die Bindehaut, veran­lassen zuweilen Tlnäncn- und Schleimfluss und selbst Entzündung, und in Folge der letzteren können Trübungen der Hornhaut entstehen. Sie sind nur durch Ablösen mit schneidenden Instrumenten zu beseiti­gen, — was aber fast immer ohne grosse Mühe und ohne Gefahr ge­schehen kann.
Zur Ausführung der Operation werden die Thiere niedergelegt, die Augenlider mit den Fingern oder mit Lidhaltern aus einander ge­halten, der Auswuchs wird au einem Hände mit der Pinzette erfasst, ein wenig von der Uomhant abgezogen und am besten mit einer nach der Fläche gebogenen Scheere abpräparirt. Hierauf findet eine anti-phlogistische Nachbehandlung statt.
') Da das abnorme Ilantgebifde nicht auf der Culis, sondern auf einem fremden Grunde entstanden ist, halte ich es nicht für eine Hypertrophie, son­dern für ein Aftergebitdb. — Ich sähe dasselbe auch im Maule und an dem Eingange der Nasenhöhle.
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Nelonosen oder schwarze Knoten.
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Sechstes Capitel.
Die Melanosen oder die schwarzen Knoten.
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Die schwarzen Knoten sind Geschwülste^ in welchen sich ein dunkles Pigment als vorwaltender Bestandtheil findet und welche übri­gens aus einer bald weichen, zellgewebsartigen, oder aus einer mehr derben Substanz bestehen und mit einer in der Regel äusserst dünnen Schicht von Zellgewebe umhüllt sind, oft aber auch ohne diese Hülle bestehen. Die Melanosen kommen in allen Geweben des Körpers vor und verschonen selbst die Knochensubstanz nicht, am häuligtsen aber findet man sie im Zellgewebe der Haut, besonders um den After, an der untern Seite des Schwanzes, in der Gegend der Ohrdrüsen und vor dem Schulterblatt. Sie bilden Geschwülste von sehr verschiedener Grosse (von einem Stecknadclknopf bis zum .Umfange eines Menschen­kopfes) und von verschiedener Form; manche sind rund, andere halb­rund und sitzen mit einer breiten Basis an einem andern Gebilde; noch andere sind unrcgelmassig, lappig u. s. w.; zuweilen haben sie eine ganz glatte Oberfläche, in anderen ist die letztere uneben, ähnlich, wie bei dem Scirrhus. Sie sitzen in der Regel fest, lassen aber mehren-theils die Haut über sich verschieben und nur in den späteren Perioden ihrer Entwickclimg gehen sie mit derselben in feste Verbindung über. Die Melanosen besitzen nur äusserst wenig Blutgefässe und keine Ner­ven und sie sind desshalb nicht empfindlich, wenn nicht zufällig durch Entzündung der augränzenden Theile Schmerzhaftigkeit an ihrer Stelle erzeugt wird.
Die Diagnosis ist nur bei denjenigen Melanosen mit einiger Sicher­heit zu machen, welche in der Nähe der Haut liegen; man fühlt sie dann, wie bereits angegeben, als harte, begränzte Geschwülste und kann durch einen kleinen Einslich mittelst einer Nadel oder einer Lanzette ihre spezielle Beschaffenheit erkennen, indem die Instrumente nach dem Herausziehen aus der Geschwulst immer etwas mit der schwarzen Ma­terie befeuchtet sind. Dass eine Geschwulst eine Melanosis sei, kann man übrigens daraus vermulhen, dass sie die vorhin angeführten Eigen­schaften besitzt und an einer der oben bezeichneten Stellen des Kör­pers ihren Sitz hat, besonders aber bei Pferden, wenn das Thier ein Schimmel ist, da der- Erfahrung zufolge die Melanosen bei dieser Farbe der Pferde am häufigsten vorkommen.
Die Ursachen dieser eigenthümlichen Geschwülste sind noch nicht erforscht; doch scheint es, als ob ein in der Bildungsthätigkeit beste­hendes Missverhältniss in der Erzeugung oder in der Ausscheidung von schwarzem Pigment die Hauptursache ist; denn, wie bereits angegeben, findet man diese Geschwülste am meisten bei Thieren mit. weissen Haaren, bei welchen also die im Körper erzeugten dunkeln Pigmente nicht zur Färbung der Haare verwendet werden; und ausserdem spricht der Umstand fur einen solchen tiefen Sitz im Bildungsprozesse, dass die Melanosen in der Regel nicht einzeln im Körper erseheinen, son-
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Melanosen oder schwarze Knoten. Behandlung.
dern in einem Individuo fast immer melu-iallig an verschiedenen Punk­ten gefunden werden.
Die Beurtheilung der Melanosen ist zum Theil von ihrer Grosse und von ihrem Sitze abhängig; im Allgemeinen sind die Melanosen in so fern keine bösartigen Geschwülste, als sie in den meisten Fällen für sich keinen bösartigen Ausgang nehmen und die Thiere daher oft durch viele Jahre mit nur äusserst geringer Störung bei ihnen bestehen; wenn sie aber stark gedrückt, gereizt oder verwundet werden, entsteht zu­weilen eine Auflösung ihrer Masse, dadurch Erweichung der umliegen­den Theile und Ulceralion derselben. In diesem Zustande fliesst täg­lich eine Menge schwarzer Jauche aus dem entstandenen Geschwür, so dass die Thiere einen verhältnissmässig sehr grossen Säfteverlust erleiden und dadurch sehr geschwächt, ja selbst gänzlich erschöpft werden und sterben; denn trotz der täglichen Abstossung von melano-tischer Materie bei der Ulceration nimmt doch gewöhnlich die Masse des schwarzen Knotens sehr wenig oder gar nicht ab und die Schwä­rung dauert daher zuweilen durch viele Monate fort, bis eine Bcdek-kung des Geschwürs durch Granulation von den umgebenden Theilen her stattfindet und hierdurch eine Heilung desselben erfolgt. Ausser-dem belästigen die Geschwülste noch durch ihre Grosse die umliegen­den Theile in derselben Weise, wie andere Geschwülste, indem sie drücken, reizen und die Bewegung stören. Die Heilung der Melanosen durch Arzneimittel ist nicht zu bewirken, sondern nur durch die Ex-stirpation, welche jedoch nur bei rundlichen, scharf begränzten und im Zellgewebe nnter der Haut oder zwischen den Muskeln liegenden Kno­ten vollständig zu bewirken ist; bei Melanosen, welche in dem Gewebe von Muskeln und Drüsen zerstreut sind, ist die Entfernung nur mit gleichzeitiger Ausschneidung eines Theils der leidenden Organe selbst zu bewirken. Geschieht die Exstirpalion nicht ganz vollständig, so entsteht die vorhin bezeichnete Verjauchung an dem Reste der Ge­schwulst, oder auch dieselbe regenerirt sich bald mehr, bald weniger vollständig. In manchen Fällen ist die Heilung durch die Exslirpation vollständig gelungen, in anderen aber hat sich das Uebel an derselben Stelle oder auch an anderen Stellen wiederholt.
Die Behandlung. In denjenigen Fällen, wo eine Melanosis noch klein ist und so liegt, dass sie weder die Funktionen der benachbarten Theile stört, noch von denselben selbst gedrückt und gereizt wird, thut man am besten gegen diese Knoten gar nichts. Wenn dieselben aber sehr gross sind, durch ihren Druck u. s. w. stören, oder wenn sie in Erweichung und Ulceralion begriffen sind, gehe man baldigst zu der Ausschälung und mache dieselbe stets ganz gründlich. Man verfahrt dabei, je nach der Grosse der Geschwulst, ihrer oberflächlichen oder tiefen Lage und nach der Beschaffenheit der angränzenden Theile, mit der nöthigen Vorsicht. Ist die Haut nicht in Mitleidenschaft gezogen, noch beweglich auf der Geschwulst, so macht man entweder einen einfachen Längenschnitt über die Geschwulst, oder auch einen Kreuz-schnitt, präparirt die Haut von der Geschwulst los, trennt die letztere, wo lockeres Zellgewebe es gestattet, mit den Fingern von den umge­benden Theilen, bei kurzem Zellgewebe aber mit dem Messer; und wo Fasern oder ein Theil des Parenchyms in die Geschwulst selbst hinein-
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Die Balggeschwülste.
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gehen, schneidet man diese Parthieen des gesunden Gewebes an der Gränze der Geschwulst durch und löst die letztere somit von allen umgebenden Theilen rein ab. Etwa vorkommende Gelasse unterbindet man, und wenn nach dem Ausschälen irgend eine Stelle in der Wunde noch verdächtig gefärbt erscheint, so nimmt man dieselbe entTveder mit dem Messer weg, oder man zerstört die Masse daselbst durch ein weiss-glühendes Eisen. Die Wunde wird hiernach gereiniget und nach ihrer Beschaflenheit entweder durch schnelle Vereinigung oder durch die Ei­terung geheilt, wobei man nach allgemeinen Regeln verfährt.
Nach der Operation ist es in allen Fällen nützlich, eine Umstim-inuiig in der Bildungsthätigkeit des Organismus zu veranlassen, nament­lich aber dann, wenn mehrere Geschwülste dieser Art an einem Indi-viduo gefunden werden. Man giebt den Thieren nur massiges, aber gutes Futter und befördert die Se- und Exkretionen durch öfters ge­reichte Salze, durch Terpenthinöl und dergleichen, und ausserdem giebt man durch einige Zeit fortgesetzt Antimonialmittel und selbst den Ar­senik in kleinen Gaben.
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Siebentes Capitel.
Die Balggeschwülste. (Tumores cystici s. Cystides.)
Die Balggeschwülste sind Geschwülste, welche aus einem Balg oder Sack und aus einer in demselben enthaltenen Materie bestehen und durch den ersteren sowohl in sich selbst streng abgeschlossen, wie auch von den umliegenden Theilen bis auf ihre Gefässe und das Zellgewebe vollständig abgesondert sind. Der Balg oder Sack besteht aus einer eigenthümlicb gebildeten Haut und ist bei den verschiedenen Geschwülsten, ja selbst bei einer und derselben Geschwulst von ver­schiedener Textur und von verschiedener Stärke; seine innere Fläche ist glatt, und nur zuweilen mit einzelnen kleinen Hervorragungen ver­sehen, die äussere aber ist mehr rauh und mit dem Zellgewebe der um­liegenden Theile bald mehr bald weniger kurz und fest verbunden. Ia dem Balge finden sich Arterien und Venen, durch welche er ernährt wird und zugleich das Material zu der Absonderung erhält, welche an der inuern Fläche stattfindet. Diese Absonderung ist nach der besondern Textur und der Vitalität der Balghaut verschieden, so dass man in dem Balge verschiedenartige Materien findet. Es ist aber bei den ächten1) Balggeschwülsten charakteristisch, dass diese Materien frei und lose im Balge liegen, und keinen Zusammenhang mit ihm besitzen.
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') Als unächte Balggeschwfdste betrachtet man diejenigen, wo sich um einen fremden Körper, z. B, eine Kugel, einen Stein u. dgl. durch plastischelaquo;'
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Die Balggeschwülste,
Sie unterscheiden sich und Melanosen, im ]
dieselben eine Art
Fasergeschwülsten von Zellgewebe
besitzen.
Man pflegt die Balggeschwülste nach der Art der in ihnen ent­haltenen Materie verschieden zu benennen, und zwar:
1)nbsp; nbsp; nbsp;Wasserbälge, Wasserblasen, oder seröse Bälge, unbelebte Hydaliden (Cystides serosae, Hydatides), wenn die in dem Balge euthaltcne Materie wässrig dünn ist;
2)nbsp; nbsp; nbsp;Brei- und Griitzgeschwnlst, Grülzbeutel (Atheroma), wenn der Balg eine breiartige, gewöhnlich schmutzig gelbliche, aus kleinen Körnern und Klünijjchcn von geronneneu Eiweiss bestehende Masse enthält;
3)nbsp; nbsp; nbsp;Honiggeschwulst (Meliceris), wenn die Masse von der Consisleuz des Honigs, bald blass- bald dunkclgelb gefärbt ist; zuweilen ist sie zähe, fadenziehend wie Eiweiss;
4)nbsp; nbsp; nbsp;Uaargeschwulst, wenu der Sack Haare enthält, welche bald lose bald festsitzend sind imd gewöhnlich mit einer talgarligen, grauen, schmierigen Masse, mit Schuppen von Epithelium gemengt sind. Endlich findet man zuweilen in einem Balge;
5)nbsp; nbsp; nbsp;auch Hornbildung oder einen Backenzahn, bald mehr bald weniger ausgebildet, zuwcileu auch noch mit einem Theile einer Zahlhohlc versehen, und quot;man nennt eine solche Geschwulst eine Horn- oder eine Zalinbalggeschwulst. Zuweilen ist die letztere auch gleichzeitig mit Haaren versehen. (Bei Vögeln enthalten die Balg­geschwülste zuweilen Federn.)
Die Balggeschwülste cnlstehen im Zellgewebe und an den serösen Häuten und konnnen last überall vor, doch nehmen die einzelnen Arten derselben häufiger gewisse Körperstellen ein; so namentlich die Wasser-bälgc die serösen Häute, die Scheidenhäule u. s. vv.; die Breigeschwülsfe das Unterhautzellgewebe an Stellen, wo es recht locker ist, die Honig­geschwulst ebenfalls im lockern Zellgewebe, besonders aber bei Pferden in dem untern Theile des Gesichts, im Zellgewebe um die Nasen-öflhungen und an den Lippen; — bei dem Kindvieh sehr häufig das Zellgewebe zwischen dem Kehlkopf und dem Unterkiefer so wie iu dem lockern Zellgewebe zwischen dem Schlundkopf und den Halsbeugern u. s. vv.; die Haarbälge das Zellgewebe unter der Haut in der Gegend der Schultern, vor der Brust, am Halse, auch in der Gegend der Ohren und in der Nasenhöhle, selbst die Substanz der Hoden und Eierstöcke; die Zahnbalggeschwülste aber, wie dies bereits bei den ursprünglich überflüssig gebildeten Theilen (S. 696) angedeutet worden ist, am mei­sten unter der Ohrmuschel, und die Hornbalggeschwülste verschiedene Gegenden des Zellgewebes unter der Haut, oder eigentlich die letztere selbst.
Exsudat eine Art Hülle gebildet hat, oder wo Eiter, Blut u. dgl. in einer eben solchen Hülle eingeschlossen ist. In allen solchen Fällen ist der Inhalt des Balges niemals das Produkt desselben. — Uebrigens gehen die Balggeschwülste zuweilen auch in andere Formen der Aftergcbitde über und stellen dann ge-
raisdito Geschwulste dar.
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Die Balggeschvvülste. Behandlung.
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Die Diagnosis dieser Geschwülste im Allgemeinen ist, wenn sie erst einen gewissen Grad der Ausbildung erreicht haben und rilchl sehr tief unter der Haut sitzen, ziemlich leicht; man sieht und fühlt, an irgend einer Stelle des Körpers eine Anschwellung von verschiedener Grosse, quot;gewöhnlich rund oder länglich-rund, elaslisch gespannl und in der Regel unschmerzhafl; die Haut ist über der Geschwulst in der Regel unverändert, die letztere selbst ist beim Druck etwas nachgebend. Durch diese elastische Beschaffenheit unterscheiden sich die Balgge­schwülste von den übrigen Aftergebihlen, welche mehr feslen Zusam­menhang, selbst mehr Derbheit zeigen und ein bald teigiges, bald höckeriges Gefühl gewähren. Aber die spezielle Unterscheidung der einzelnen Arten der Balggeschwülste ist mit Sicherheit kaum zu er­langen, sondern man kann nur aus dem vorhin angegebenen häufigem Vorkommen der eineft oder der audern Art der Geschwulst an ver­schiedenen Stellen auf die Eigenthümlichkcit derselben schliessen.
Die UrsacheiA der Balggeschvvülsle sind nicht bekannt; zuweilen scheinen mechanische Verletzungen) namentlich Druck und Quetschungen ihr Entstehen zu begünstigen; aber es gehört doch ausserdem noch eine besondere JNelgung im Körper hinzu.
Die Beurtheilung. Die Balggcschwülste stören nur im Verhällniss ihrer Grosse und des hiervon abhängenden Drucks auf die umgebenden Theile die Ernährung und die Verricht tingen derselben; so lange sie klein sind, verursachen sie fast gar keinen Nachtheil, im grosseren Um­fange aber veranlassen sie zuweilen Schwinden des Parencbjms der benachbarten Theile, stören den Durchgang von Flüssigkeiten und eben so die freie Bewegung. Sie wachsen zuweilen zu einer sehr bedeu­tenden Grosse und gelien dadurch auch zu Schönheitsfehlern Veranlas­sung, wenn sie über die Oherlläche bedeulend hervortreten.
Behandlung. Die Balggeschwülste zertheilen sich nicht, sondern man muss sie entweder durch Zerstörung ihres Balges, oder durch Operationen ausrotten. Letzteres ist das sicherste Verfahren und überall da anzuwen­den, wo die Geschwulst nicht zu lief unter oder neben wichtigen Theilen liegt und nicht zu gross ist. Man macht hierzu, mit Berücksichtigung der etwa an der Oberfläche liegenden Gefässe, Nerven oder anderer wichtiger Theile einen Längenschnitt, bei grossen Geschwülsten wohl auch einen Kreuzschnilt über die Geschwulst durch die Haut u. s. w. bis auf den Balg, vesmeidet es aber, den letztern selbst mit einzu­schneiden, weil in diesem Falle ein Theil seines Inhalts ausfliessen und dies zur Bildung von Falten in dem Balge Veranlassung geben würde. Durch die letzteren wird die vollsländige Ausschälung desselben erschwert und es bleiben leicht kleine Reste von dem Balge zurück, durch welche die Gelegenheit zu neuen Afterbildungen oder auch zu Fisteln gegeben wird. Sollte es jedoch aus Versehen und bei der Unruhe des Thieres geschehen sein, dass der Balg mit verletzt worden ist, so kann man in die entstandene Oeffnung mittelst einer Spritze einen dünnen Brei von Gyps oder von Kreide und Wasser injiciren und hierdurch den Balg wieder vollfüllen und ausdehnen; die Masse erstarrt schnell und die Ausschäluug kann daher bald darauf stattfinden. Dieselbe geschieht in der Art, dass man die äussere Fläche des Balges von allen umgebenden Theilen mit dem Messer trennt und die grössern blulcndea Gelasse.
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Die Balggeschwulste. Behandlung.
unterbindet. Hierauf werden die Wundränder durch die blutige Naht vereiniget und, wo die Form und Beschaffenheit der Theile es gestattet, durch einen gelinden Druck die Theile ausserdem noch mehr zusammeu-gehallen Entsieht in der Wunde Eiterung, so wird diese nach allge­meinen Regeln, wie bei eiternden Wunden, bis zur Vernarbung ge­leitet.
Sollte bei dem Ausschälen an irgend einer Stelle ein kleiner Rest von dem Balge sitzen geblieben sein, so kann derselbe entweder nach-tiäglich noch mit der Pinzette und dem Messer entfernt oder mit dem weissglühenden Eisen oder mit einem Aetzmittel zerstört werden. In den Fällen, wo letztere beide Mitlei angewendet sind, wird freilich die schnelle Vereinigung nicht stattfinden können.
Zuweilen ist es der Fall, dass eine Balggeschwulsl mit einem dünnen Stiel in den Thcilen unter der Haut RTstsiTzt und sich nach ausseu verlängert in rundlicher oder birnförmiger Gestalt zeigt. Solehe Geschwülste können an der Basis dieses Stiels quer^bgeschniltcn oder auch abgebunden werden, wobei man im Wesentlidien so#verfalirt, wie es bei den Stollbeulen (S. 252 und 253) angegeben ist.
Die Zerslörung des Balges einer Balggeschwulst findet indien Fällen ihre Anwendung, wo die Ausschälnng wegen der tiefern Lage oder wegen wichtiger Theile in der Nähe derselben nicht gut ausgeführt werden kann. Für diesen Zweck macht man an einer schicklichen Stelle, z. B. an der niedrigste!]. oder an der der Haut am nächsten liegenden Stelle der Geschwulst einen Einslich oder einen Einschnitt durch die bedecken­den Theile und bis in den Balg, entleert dessen Inhalt durch Ausdrücken und durch Ausspritzen mit Wasser vollständig, und applizirt hierauf cnlwedcr das glühende Eisen an die innere Fläche des Balges so derb, tlass derselbe gänzlich zerstört wird, oder man bewirkt letzteres durch ein Aetzmittel. Die Aetzmittel für diesen Zweck sind jedoch nicht von gleichartiger Wirksamkeit, sondern die Säuren und sauren Metall­salze zeigen sich vorzüglicher, indem sie das Absterben des Balges nicht allein durch chemische Zerstörung, sondern auch durch Yer-nichlung seiner Vitalität herbeiführen. Man benutzt daher mit be­sonders gutem Erfolge eine conzentrirte Auflösung von Cuprum sul-phuricum (3ji zu 3jij Wasser), oder eine Arseniksalbe (aus 3/S Acidum arsenicosum, eben so viel Arab. Gummi und Oel), oder die Schwefel­säure, oder die Salpetersäure und streicht diese Mittel mit einem Pinsel auf die ganze innere Fläche der Geschwulst, oder auch man bringt einen mit denselben getränkten Wergpfropf in sie hinein. Vor der An­wendung' dieser Mittel muss man die Haut unter der Oeffnung einige Finger breit mit Wachssalbe oder mit Mehlleig bestreichen, um sie gegen die nachthciligen Wirkungen zu schützen, wenn von den Aetz-mitteln etwas aus der Oeffnung tliessen sollte. Es ist in dieser Hinsicht auch nachträglich noch eine besondere Anfinerksamkeit auf die Opera-tionsstclle in den ersten Tagen zu verwenden und für öfters wieder­holte Reinigung zu sorgen. Nach etwa 24 Slunden schwillt die Um­gegend um die Balggeschwulst etwas mehr an, nach 2—3 Tagen entsteht Eiterung, der Balg stirbt allmälig ab, schrumpft zusammen, trennt sich von den umgebenden Theilen und wird mit etwa 8—10 Ta­gen durch entstandene Eiterung gänzlich abgestosseq und durch die
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Die Polypen.
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HauptöfTnnng entfernt. Die hiernach zurückbleibende Höhle füllt sich zum Theil mit Granulation, zum Theil verengert sie sich auch durch Zusammenziehung und schliesst sich mit einer einfachen Narbe.
Achtes Capitel.
Die Polypen (Polypi).
Die Polypen sind Aflergebilde an den Schleimhäuten, welche an denselben am meisten in den Theilen vorkommen, die der unmittel­baren Einwirkung der atmosphärischen Luft unterworfen sind, wie namentlich an der Bindehaut der Augen, in der Nasenhöhle und in deren Nebenhöhlen, in der Rachenhöhle, im Kehlkopfe, im Mastdarm und in der Mutterscheide, aber auch in der Gebärmutter und selbst in der Harnblase. Die Polypen bestehen im Innern aus einer sehr verschieden­artigen Textur, welche bald mehr den Fettgeschwülstcn, bald mehr den Fleischgeschwülsten ähnlich ist und zuweilen sind sie selbst blasenartig hohl und weich. Diese innere Masse ist noch nicht genügend unter­sucht und wird von manchen Anatomen, z B. von Vogel1) nicht als eine besondere Polypeusubstanz, sondern für die Masse verschiedener anderer Geschwülste, welche sich über die Fläche der Schleimhaut hervordrängen, auch zuweilen von der letztern überzogen werden, ge­halten. Wie dem auch sein mag, man unterscheidet im Allgemeinen 3 Arten von Polypen, nämlich die sogenannten Fleischpolypen, die sogenannten Schleimpolypen und die Blasenpolypen. Die ersteren zeigen beim Befühlen eine derbe Substanz, haben ein dichtes Gewebe, welches von einer festen Haut umgeben ist, sind immer scharf begränzt und über die Oberlläche der Schleimhaut vollständig hervorgedrängt; sie wachsen nicht sehr schnell, erreichen aber mit der Zeit eine bedeu­tende Grosse. — Die Schleimpolypen haben eine mehr lockere Textur, sind weicher, wachsen schneller, sondern eine dünne, jauchigte Flüssig­keit ab und zerstören dadurch die angrenzenden Theilc. — Die Blasen­polypen bestehen aus einer lockern, zelligen Masse, mit gelblicher Lymphe erfüllt; sie wachsen nicht so schnell und nicht so gross, wie erstere beide Arten.
Die Polypen nehmen ihren Ursprung im Zellgewebe unter der Schleimhaut, bald an einem Punkte, bald an einigen zerstreuten Punkten, von welchen sie mit einem dünnern Theile ausgehen. Diese dünnern Ursprungspunkle nennt man die Wurzeln des Polypen und wenn die­selbe länger als breit ist, nennt man sie wohl auch den Stiel, und den Polyp selbst einen gestielten Polyp. Zuweilen ist jedoch der Stiel
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gt;1 Pathologische Anatomie des menschlichen Körpers, S. 192.
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Die Polypen.
so kurz, dass die Polypen mit breiter Basis auf der Sclileimhaut zu sitzen scheinen. Manche Polypen sitzen auch wirklich mit einer mehrere Zoll breiten Fläche auf der Schleimhaut.
Die Erkennung. Die Polypen sind, da sie in Höhlen verborgen sind, gewöhnlich während der ersten Zeit ihres Bestehens und so lange sie einen kleinen Umfang besitzen, sehr schwer, ja oft gar nicht zu er­kennen, sondern nur aus Störungen in der Funktion der Theile, an denen sie sich befinden, zu vemiuthen; wenn sie jedoch einen grössern Um­fang erreicht haben, so Irclen zu diesen Fuuklionsstörungen noch Auf­treibungen der Höhlen, durch Druck auf die Wände derselben, und durch Gegendruck der letztem auf den Polypen entstehen Reizungen, Entzündungen und Ulceraliouen, und man sieht in Folge dieser Wir­kungen die äussere Form der betreffenden Theile verändert, den Umfang vermehrt, die Wände verdünnt oder erweicht, nebenliegende Theile aus ihrer Lage verdrängt und aus den Mündungen der Höhlen fliesst stin­kende Jauche. Zuweilen drängen sich die Polypen bei der Zunahme ihres Umfanges auch zu den ÖeHnungen der Höhlen, in welchen sie hegen und man kann sie dann sehen oder auch fühlen; in andereu Fällen und besonders so lange die Polypen noch klein sind, ist dies aber nur möglich, wenn man eine künstliche. Oeffnung in die Wände der Höhlen macht. Im Speziellen ist die Erkennung der Polypen an den verschiedenen Stellen, an denen sie sitzen, durch folgende Er­scheinungen zu erlangen:
1)nbsp; nbsp;Polypen an der Bindehaut treten als warzenähnliche, gestielte, längliche Geschwülste zwischen einem oder dem andern Augeolide und dem Augapfel hervor, sind beständig feucht, massig derb und bluten bei Verletzungen verhältnissmässig bedeutend. Die Bewegung der Augen­lider ist etwas gestört und die Bindehaut stark injicirt.
2)nbsp; nbsp;Polypen in der Nasenhöhle können in der eigentlichen Nasen­höhle oder auch in den Nebenhöhlen sitzen oder auch bei ihrem Wachs-thum sich in die letzlere verlängern, so dass es späterhin, wenn man sie entdeckt, zuweilen sehr schwer ist, ihre eigenlliche Ursprungsstelle zu erkennen. Es sind selbst Fälle vorgekommen, wo Nasenpolypen sich nicht allein in die Stirnhöhle, sondern bei gehörnten Thieren auch bis in die Hornzapfen erstreckt haben. Diese Polypen veranlassen in der ersten Zeit ihres Bestehens gewöhnlich eine vermehrte Schleiin-sekretion und Ausfluss aus der Nase, daher mau den Zustand zuweilen für chronischen Katarrh gehalten hat; späterhin wird das AI In neu etwas beschwerlich, schnaubend oder schnarchend und dabei der Luftstrom bei dem Ausathmcn aus demjenigen Nasenloehe, wo der Polyp sich be­findet , schwächer als aus der andern gesunden Nasenhöhle. Späterhin hört das Athmen durch die mit dein Polyp behaftete Seite der Nase zuweilen ganz auf und die Thiere können daher auch bei der Arbeit, besonders bei dem schnellen Laufen nicht mehr in demselben Masse ausdauern, wie früher. Hält man ihnen das Nasenloch an der gesunden Seite zu, so tritt die grösste Athemnoth ein. Mit der Vergrösserung des Polypen findet auch der vorhin im Allgemeinen schon angegebene Druck auf die Wände der Nasenhöhle statt, und in Folge dessen ent­steht, wenn man äusserlich auf die Knochen klopft, kein hohler, son­dern ein matter Ton; oft werden auch die Nasenbeine, die Oberkiefer-,
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Die Polypen.
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Joch- und Tränenbeine, selbst die Stirnbeine und Hornzapfen, und nach unten ebenfalls die Oberkiefer- und Gaumenbeine mehr nach aussen gedrängt, eben so die Muschelbeine, und oft werden sogar die Backen­zähne aus ihren Höhlen in das Maul gedrängt. Hierzu findet sich immer reichlicher Auslluss von einer mit Schleim gemengten, zuweilen blutigen und sehr stinkenden Jauche. Oft besieht auch Ausfluss von Thränen und Schleim aus dem Auge der entsprechenden Seite und immer schwellen, bei Pferden wenigstens, die Lymphdrüsen im Kehl­gange an. Wenn man die Thicre mit der Nase gegen helles Licht kehrt, und ihnen die Nasenränder möglichst stark auscinanderzicht, so kann man bald früher bald später den Polyp als eine rolhe Masse in der Nasenhöhle sehen und zuweilen, wenn er niedrig genug sitzt, mit dem Finger, sonst aber mit einer Sonde fühlen. In denjenigen Fällen, wo man den Polyp weder sehen noch fühlen, aus den genannten Erscheinungen ihn aber doch vermuthen kann, und wo man zur Erforschung eine Sonde in die Nasenhöhle höher hinauf einfährt, fühlt man gewöhnlich eine derbe lleiscliarlige Substanz und es entsteht dabei leicht Blutung. Auch kann man zur nähern Erforschung die Trepanation an den am stärksten hervorgcdränglen Punkten der Nase, des Gesichts oder der Stirn unternehmen und dann durch die gemachte Oefl'nung die Höhle untersuchen. Ausserdem muss auch die Unlcrsuchiiug der Maulhöhle nach eingebrachtem Maulgatter gescliehcn, namentlich in denjenigen Fällen, wo die Thiere neben den übrigen Erscheinungen vielleicht auch Störungen im Kauen zeigen; man findet liier zuweilen den einen oder den anderen der oberen Backenzähne über die übrigen der Reihe ver-läugert und zuweilen wackelig.
Wenn das Ucbel einen sehr hohen Grad erreicht bat, so werden die Gesichlsknochen beim andauernden Druck des Polypen von innen her immer mehr resorbirt und durch die Jauche erweicht, es entstehen Oeffnungen, durch welche der Polyp aus der Höhle hervordrängt, die Haut ausdehnt, reizt, so dass sie ebenfalls in Ulceration versetzt wird, aufbricht und nun die Masse üppig an die Oberfläche hervorwuchert. In diesem Zustande findet man aussei- den übrigen Erscheinungen an einer der vorhin genannten Stellen des Gesichts u. s. w. ein Ge­schwür mit schwammiger, leicht blutender Granulation und im Umfange desselben die Knoehcuränder uneben und /.um Theil aufgelöst, so dass Stückchen sich von denselben leicht abbröckeln.
3)nbsp; nbsp;Polypen in der Rachenhöhle und selbst in dem obern Theile der Maulhöhle kommen sehr selten vor und sitzen bald an der einen bald an der andern Stelle; sie sind in der Regel langgestielt, so dass sie sich bei den Bewegungen der Zunge und bei dem Schlucken leicht verschieben. Sie veranlassen eine vermehrte Schleimsekretion, zuweilen auch Störung im Schlucken, selbst Husten und werden, wenn man in Folge dieser Zufälle das Maul untersucht, ziemlich leicht durch das Sehen und durch das Fühlen erkannt.
4)nbsp; nbsp;Polypen im Kehlkopfe verursachen öfteres Husten und wenn sie grosser geworden sind, auch Athembcschwerdcn, besonders wenn die Thiere schnell laufen müssen. Das Athmen wird debei immer laut hörbar, giemend , pfeifend oder röchelnd , und dabei mit immer grössercr Anstrengung ausgeübt, ganz ähnlich wie bei dem Uartschnaufen. Die
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Die Polypen.
sichere Erkennung erhält mau erst, wenn man unmittelbar unter dem Kehlkopf die Tracheofomie macht und durch die Oeflhung einen Finger in den Kehlkopf führt, wo man dann eine begränzte rundliche oder länglichrunde bewegliche Masse fühlt.
5)nbsp; Polypen in dem Mastdarm führen gewöhnlich keine üblen Zu­falle mit sich, obwohl sie in einzelnen Fällen ein öfter wiederholtes Drängen, wie zur Kotheutleerung, erzeugen. Man bemerkt daher diese Polypen gewöhnlich nur, wenn die Thiere bei der Kothentleerung den After erweilern und den hintern Theil des Mastdarms ein wenig her­vordrängen, wie dies besonders stark bei dem Pferde geschieht. Die Polypen erscheinen hier entweder als birnförmige, geslielle, ziemlich deroe Körper, oder als mehr weiche, einer Falte der Schleimhaut ähn­liche, aber immer ganz dunkehoth gefärbte Massen. Nur seifen ist es der Fall, dass Mastdarmpolypcn auch aussei' der Zeit der Kothentlee­rung und dauernd durch die Aflermündung hervorgedrängl sind; man kann sie in allen Fällen mit dem Finger leicht in den Mastdarm zu­rückdrängen.
6)nbsp; Die Polypen der Multerscheide und der Gebärmutter verursachen während ihres ersten Bestehens keine Störungen und man bemerkt sie daher immer erst, wenn sie eine bedeutende Grosse erreicht haben und sich mehr zu dem Eingange der Scheide hindrängen. Es sind immer gestielte, ziemlich derbe, runde oder länglichrunde Massen, von der Grosse einer Haselnuss bis zur Grosse einer doppelten Faust, bald dunkelroth, bald und meistens blass. Bei dem ersten Anblick ist es oft zweifelhaft, ob ein solcher in der Scheide befindlicher Körper seinen Ursprung in der Scheide oder in der Gebärmutter hat, aber dieser Zweifel ist leicht zu lösen, wenn man das Gewächs mit den Fingern bis zu seinem Anheftungspunkt verfolgt, wobei man findet, ob die Wurzel ausserhalb des Muttermundes sich anheftet oder in den letztern hinein­geht. Auch hat zuweilen ein grosser Gebärmutterpolyp einige Aehnlichkeit mit einer theilweisen Umstülpung der Gebärmutter selbst, wenn die letztere durch die lange Dauer des Vorfalls und durch Reizungen von aussen her entartet ist (Siehe S. 560); aber auch hier führt eine ge­naue örtliche Untersuchung zur Erkennung des Zustandes. — Mit der wachsenden grössern Entwickelung dieser Polypen ist gewöhnlich eine öfters wiederkehrende Reizung der Geschlechtsfheile, vermehrte Schleim-sekretiou. Drängen zur ürinentleerung. Reiben der Theile an anderen Gegenständen u. dgl. zu bemerken.
7)nbsp; Polypen in der Urinblase sind in seltenen Fällen bei Pferden und Rindern gefunden worden, nachdem sie einen hohen Grad der Ent­wickelung erreicht und durch ihr Vorlegen vor den Blasenhals Harn­verhaltung erzeugt hatten. Man fühlt in solchen Fällen, wenn man eben durch die Harnverhaltung zur Untersuchung der Blase veranlasst wird, in der letztem einen abgerundeten Körper von mehr oder we­niger derber Consistenz und etwas verschiebbar; es ist jedoch durch diese wenigen Symptome nicht zu entscheiden, ob die Massse ein Polyp oder eine Fettgeschwulst oder ein anderes Aftergebilde ist.
Die Ursachen der Polypen sind eben so wenig, wie die der übrigen Aflergebilde, sicher bekannt; es scheint jedoch, dass oft wiederholte oder andauernde Reizungen, auch Verletzungen unter der Mitwirkung
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einer eigenthümlicheu krankhaften Stimmung in den Schleimhäuten die Bildung dieser krankhaften Massen veranlassen.
Die Beurlheilung der Polypen ist in den einzelnen Fällen nach der Art der Polypen, nach ihrer Form, namentlich ob sie gestielt oder mit breiter Basis aufsitzen, ferner nach dem Grade ihrer Entwickclung, nach dem Orle und nach den bereits durch sie entstandenen Störungen sehr verschieden, — wie dies grösstenlheiis aus den im Vorstehenden ge­machten Angaben hervorgeht. Alle Polypen können durch die Reizung, welche sie an den umgebenden Theilen erzeugen, selbst bei ihrer ge­ringen Entwickclung, chronische Schleimflüsse veranlassen; bei grösserer Entwickclung stören sie die Funktionen, machen die Thiere zum schnellen Laufen, zur Begattung u. s. w. unbrauchbar, führen Zerstörung der Organe, zuweilen heftige Blutungen, bösartige Geschwüre und durch Verjauchung und Erschöpfung der Kräfte zuletzt Cachexie und selbst den Tod herbei. Heilbar sind die Polypen nur durch operative Ent­fernung oder durch Zerstörung bis in ihre Wurzel; erfolgt dieselbe nicht gründlich, so entwickelt sich aus den Resten sehr leicht eine neue ähn­liche Masse, welche aber fast immer noch schneller zu einem über-mässigen Umfange wächst, als der ursprüngliche Polyp. Die operative Entfernung ist bei den vollständig entwickelten Polypen der Nasen- und der Rachenhöhle, so wie bei den Gebärmutterpolypen mehrentheils sehr schwierig, oft mit hefliger Blutung verbunden und dadurch zuweilen selbst lebensgefahrlich.
Behandlung. Die WegschalTung der Polypen kann auf verschiedene Weise geschehen, nämlich durch Abschneiden, Abbinden, Abreissen und durch Zerstörung mittelst des glühenden Eisens oder der Aetzmittel.
1) Das A bschneiden oder Ausschneiden der Polypen kann, je nachdem dieselben gestielt oder mit einer breiten Basis versehen sind, und je nach dem Baume und dem Orte des Ansatzes, mit Messern oder mit Scheeren und mit einigen Modifikationen geschehen. Polypen an der Bindehaut des Auges ergreift man mit den Fingern der linken Hand oder mit der Pinzette und zieht sie möglichst weit, aber zugleich mög­lichst sanft hervor, während ein Gehülfe das betreffende nächste Augenlid mit den Fingern oder mittelst eines Augeulidhalters ein wenig nach aussen umbeugt., und mit der andern Hand schneidet man dann mittelst einer gewöhnlichen Scheere den Auswuchs an seinem tiefsten Punkte quer ab. Die Operation ist hiermit beendet und die Nachbehandlung besteht in dem fleissigen Anwenden des kalten Wassers während 2 bis 3 Tagen oder so lange, als das Auge sich etwas gereizt zeigt. — Bei Nasenpolypen kann das Abschneiden mittelst einer Scheere direkt nur dann geschehen, wenn dieselben am untern Ende der Nasenhöhle in der Nähe ihrer Mündung sitzen; in allen anderen Fällen ist für diese, so wie für jede andere Art der Behandlung dieser Polypen immer die Trepanation als vorbereitende Operation, um den Eingang in die Höhle zu erlangen, erforderlich. Man macht die letztere Operation an der Stelle, welche sich am meisten vorgedrängt zeigt, in der gewöhnlichen Weise. Wenn man hiernach die polypöse Masse in der Höhle so stark angehäuft findet, dass man nirgends mit einem Finger sie umgehen und ihre Wurzel auffinden kann, so muss man entweder die eben zunächst erreichbare Parthie des Polypen mit dem Messer theilweise ablösen,
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Die Polypen. Behandlung.
die hierbei entstehende, oft sehr bedeutende Blutung mit dem glühenden Eisen stillen und sich auf diese Weise den nöthigen Raum und den Zugang zu der Wurzel des Polypen verschaffen und dann die letztere mit einem nach der Fläche gebogenen Messer (z. B. mit dem lorbeer­blattförmigen) oder mit einer eben so gebogeneu Scheere möglichst dicht an der Schleimhaut abschneiden. Zuweilen erreicht man aber durch die Oeffnung von nur einer Trepankrone die Wurzel des Polypen, auch selbst auf die angegebene Weise nicht und man ist. dann genö-Ihiget, neben jener Oeffnung noch eine zweite Trepankrone. ja zuweilen selbst eine dritte aufzusetzen und dann weiter zu verfahren, wie eben gesagt worden ist. Die Blutung bei dem theilweisen Ablösen der Po-lypenmassc ist in manchen Fällen so ausserordcntlich heftig, dass sie selbst durch energische Anwendung des Glüheisens und durch die styp-tischeu Mittel nicht gestillt werden kann, sondern nur allein durch voll­ständige Tamponation des in der Kiefer- oder Nasenhöhle etc. gewon­nenen Raums zu überwältigen ist. Zu diesem Verfahren ist man zuweilen während der mühsamen Operation gezwungen, wenn man nicht das Tliier der Gefahr einer Verblutung aussetzen will. Die Ope­ration kann dann nach circa 48 Stunden fortgesetzt und beendet werden. Da bei diesen heftigen Blutungen ein Theil des Blutes durch die Choancn in die Rachcnhöhle uud zum Kehlkopfe gelangt und die Stimmritze be­deckt, so hat man, um Erslickungsgefahr zu vermeiden, in solchen Fällen selbst die Trachcotomie unteinominen und manche Thierärzte haben diese Operation als eine vorsorgliche vor der Ablösung der Nasen­polypen zu machen empfohlen. — In denjenigen Fällen, wo Nasenpo­lypen bereits die Nasen-, Oberkiefer- oder andere Knochen durchbohrt haben, durchschneidet man die Haut auf der belrelfenden Stelle kreuz­weis , präparirt sie nebst den übrigen Wcichgebilden von den Knochen in der Umgebung der entstandenen Oeffnung ab und legt sie zurück; und wenn die Oeffnung in den Knochen nicht hinreichend gross zur Ausführung der Operation ist, so erweitert man sie, entweder durch Ansetzen der Trepankrone, oder, was hier bei dem erweichten Zu­stande der Knochen leichter geschehen kann, vermittelst einfacher Um-schueidung mit dem lorbeerblattförmigen Messer. Im Uebrigen verfährt man, wie im Vorstehenden angegeben ist.
Das Ausschneiden der Rachenpolypen bewirkt man, nachdem die Thiere niedergelegt sind und ihnen das Maul mit dem Maulgatter ge-öil'net ist, auf die Weise: dass man mit der linken Hand die Zunge fixirt und hervorzieht, mit der rechten aber mittelst einer nach der Fläche gebogenen Scheere den Polyp entweder frei abschneidet, oder, nachdem man denselben mit einer Korn- oder Kugelzange erfasst und etwas hervorgezogen hat. Die Blutung bei diesen Polypen ist in der Regel nur sehr unbedeutend und stillt sich leicht von selbst. — Kehl­kopfspolypen können nach gemachter Tracheotomie, oder, wie manche wollen, selbst nach Spaltung des Ringknorpels und des Ringschildbandcs mit einer Korn- oder Kugelzange ergriffen, von einem Gehülfen hervor­gezogen und dann unter Leitung des Zeigefingers der linken Hand mittelst der in der rechten Hand geführten Scheere von ihrem Ansatz-
E unkt gelrennt werden. — Eben so verfahrt man bei Mastdarmpolypen, ei welchen man das Abschneiden am besten in dem Moment schnell
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Die Polypen. Behandlung.
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ausführt, wenn die Thiere Koth entleert haben; doch kann man auch nölhigpufalls den After mit den Fingern künstlich erweitern, den betref­fenden Theil der Darmwand mit den Fingern erfassen und hervorziehen, den Polypen ergreifen, die Schleimhaut an seiner Wurzel spannen und das Abschneiden bewirken. Auch hier ist die Blutung nur gering. — Bei Scheiden- und Gebärmuttterpolypen verfährt man im Wesentlichen ebenso.
2)nbsp; nbsp;Das Abbinden besteht in dem Umlegen einer runden Schnur oder eines gut ausgeglühten Metalldrahtes um die Wurzel des Polypen und in der Zusammenschnürung derselben bis zu dem Grade, dass gänz­liche Absterbtmg des Gebildes erfolgen muss. Dies Verfahren, welches nur bei gestielleri Polypen anwendbar ist, hat den Vortheil, dass keine Blutung und keine Wucherung entsteht, ist aber mühsamer und hat ausserdem den Nachtheil, dass während der Behandlung zuweilen eine sehr stinkende Verjauchung des Polypen durch mehrere Tage eintritt. Das Umlegen der Schlinge um die Wurzel der Polypen geschieht in den Fällen, wo man hinreichenden Baum dazu hat, mit der blossen Hand, an engen Stellen aber mittelst eines Ligaturinstrumentes, au welchem man am besten und einfachsten den sogenannten doppelten Lev ret.'sehen Cylinder1) wählt. Mittelst desselben führt man eine, dem Umfange des Polypen entsprechend weite Schlinge über den Po­lypen zu seiner Wurzel, verengert dann die Schlinge durch straffes Anziehen der Enden des Drahtes und bindet dieselben an die an den Seilen der Röhrchen befindlichen kleinen Binge. Hierauf dreht man letztere mehrmals um ihre Axe, so lange wie dies eben leicht geschehen kann. Die Schleife wird hierdurch fest zugedreht und der Polyp ein­geschnürt. Das Instrument bleibt an der Operationsstelle liegen und das Drehen wird öfters bis zur gänzlichen Abschnürung des Polypen wiederholt. — Operirt man mit blossen Händen, so wird die umge-gelegte Schleife einfach zugeschnürt und nülhigenfalls späterhin, um die Wirkung fortdauernd zu unterstützen, eine zweite oder selbst eine drille Schlinge nachträglich umgelegt:. — Sollte der eingeschnürte Polyp stark
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anschwellen, so macht, man Skarifikationen in ihn; im Ueb
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man durch Einspritzungen von Chlorkalk u. dgl. für Beinlichkeit.
3)nbsp; nbsp;Das Ausreisscn und Ausdrehen der Polypen besteht darin, dass man das Aflergebilde mit einer hierzu eigens geformten Zange, im Noth-fall mit einer Kugelzange oder mit einer Kornzange an seinem Stiel er-fasst und denselben um seine Längenachse so lange herumdreht, bis er abrelssl; oder auch darin, dass das Abreissen nach ein paar Drehungen gewaltsam vollführt wird. Dieses Verfahren ist nur an gestielten Po­lypen und an solchen Stellen ausführbar, welche einen festen Unter­grund besitzen; es ist oft mit nicht unbedeutender Verletzung der
') Dieses Instrument besieht aus zwei Röhrchen von Blech, jedes circa 2 bis 3 Linien dick und von beliebiger Länge; beide sind an der einen Seite an einander gelöthet, und jedes ist an der äussern Seite mit einem kleinen Ringe versehen. Bei dem Gebrauch führt man durch jedes Röhrchen das Ende eines gut ausgeglühten Drahtes oder einer Seidenschnur, so dass der mittlere Theil vor den Röhrchen eine Schlinge bildet, und verfährt dann, wie angegeben ist.
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720nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Die Polypen. Behandlang.
Schleimhaut verbuudeu und in seinem Erfolge nicht sicher; auch ent­steht zuweilen eine durch längere Zeit fortdauernde jauchende Eiterung, aber Blutungen werden dabei ziemlieh sieher vermieden und das -Ab­drehen ist selbst da ausführbar, wo wegen Enge des Raums und wegen gehinderten freien Zuganges mit schueidcndoii Instrumenten zu dem An-heftungspunkte andere Methoden nicht anwendbar sind Nach geschehe­nem Ausdrehen mindert man die entstehende Eulzündung durch Injeclio-nen von Bieizuckerauflösungen so viel als möglich, und die entstandene Eiterung beschränkt man mit adstringirenden Mitteln. Entsieht Wuche­rung an der verletzten Stelle der Schleimhaut, so müssen Aelzmitlel oder das Glüheisen angewendet werden.
4) Die Zerstörung des Polypen durch Aetzmittel und das Brenn­eisen ist am wenigsten gebräuchlich, weil durch diese Mittel die Er-tödtung und Beseitigung dieser Aftergebilde selten gründlich gelingt und weil bei dieser Behandlung immer eine lange dauernde Verjauchung unvermeidlich eintritt. Doch ist man in manchen Fällen genöthigt, diese Mittel zu benutzen, wenn durch die übrigen Methoden die Polypen nicht gründlich entfernt werden können. Das Verfahren ist in einzelnen Fällen etwas verschieden; kleine Polypen älzt oder brennt man ohne weitere Vorbereitung, so weit wie der Raum es gestattet, an ihrer ganzen Oberfläche, besonders aber au der Wurzel; grosse Polypen trägt man am besten zum Theil mit dem Messer ab und wendet die in Rede stehenden Mittel kräftig auf den Rest an. Die zweckmässigste Anwen­dung ist die, dass man iu den Polyp eine Oelfuung sticht oder mit einem spitzen Brenneisen brennt und dann in diese Oelfnung, so tief wie möglich hinein, ein geeignetes Aetzmittel legt, namentlich Acidum arsenicosuin, oder Quecksilbersublimat, oder Cupruin sulpliuriciim. Die Anwendung dieser Mittel kann, je nach dem Orte, in einem kleinen Stückchen geschehen, oder in Salben, welche letzlere man auf einen derben Werg-Tampon streicht und diesen in die Oeflhung legt. Es ent­steht hiernach, wie bei den in ähnlicher Weise behandelten Balgge-schwülslen, jauchende Eiterung, allinäliges Erlödten des kranken Gebildes und Abstossung desselben von seinem Ansatzpunkte. Man muss sowohl bei, als auch nach der Anwendung der Aetzmittel für Schutz der um­liegenden, namentlich der niedrigen Tbeile gegen die Einwirkung der scharfen Jauche und des Aelzmitlcls selbst sorgen, indem man die Theile recht oft reiniget und ausserdem die Wachssalbe oder einen Mehlbrei aufstreicht.
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Der Krcba.
Neuntes Capitel.
Der Krebs. . (Cancer. Carcinoma.)
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Als Krebs bezeichnet man diejenigen Aftergebilde, welche sich ana­tomisch durch eine eigenlhiimliche neUarlige oder zellige Textur und in ihrem Verlaufe durch die Neigung sich zu erweichen und in bös­artige, zerstörende Geschwüre überzugehen, charakterisiren. Es sind zuerst Geschwülste, welche im Allgemeinen aus zwei, durch unbe-waflhete Augen unlerscheidbare Substanzen bestehen, nämlich a. aus einer fibrösen, welche in Fasern von weisslicher Farbe und von ver­schiedener Stärke erscheint, die in verschiedenen Richtungen liegen und unregelmässige Fächer oder Zellen bilden und — b. aus einer zweiten Substanz, welche weicher, grösstenlheils ohne organische Form ist und die von der ersten Substanz gebildeten Fächer ausfüllt. Diese zweite Substanz ist bald mehr bald weniger weich oder selbst flüssig (der sogenannte Krebssaft oder die Krebsmilch), besteht aus Serum, Eiweiss, Casein, Fettkörperchen, zuweilen auch Pigment und enthält als wesentlichen Bestandtheil die (nur mikroskopisch sichtbaren) Krebs­zellen oder Krebskerne; sie ist wegen der abweichenden Zusam­mensetzung, so wie auch wegen den in den Krebsgeschwülsten ein­tretenden Veränderungen in den einzelnen Fällen von verschiedenem Aussehen. — Diese Geschwülste sind in der ersten Zeit ihres Bestehens mehrentheils derbe, unempfindliche Knötchen, äusserlich oft rundlich, oft aber auch lappig und an der Oberlläche glatt. selten uneben; sie haben keine eigene Hülle, sondern zuweilen nur eine Uinkleidung von zu­sammengedrängtem Zellgewebe und sind bald mit wenigen, in einzelnen Fällen aber mit vielen Gefässen versehen; doch finden sich an den um­liegenden Theilen, und namentlich in der Haut oft viele Venen und selbst im krankhaft ausgedehnten Zustande, aber dieselben hängen nicht mit der Geschwulst in der Art zusammen, (lass sie das Blut aus ihr zurückführen. In neuerer Zeit ist von berülnnteii Analomen, nament­lich von Schröder van der Kolk, bei wiederholten Injections-Ver­suchen gefunden worden, dass die Krebsgeschwulst nur Artei'ien besitzt und der Rückfluss des Blutes in ihr nur durch Anastomosen stattfindet. Ob Nerven im Krebs bestehen, ist noch nicht entschieden. Der Krebs kommt in fast allen Gebilden, namentlich in der Haul vor, und man nennt ihn nach diesen Theilen ILiutkrebs, Drüsenkrebs u. s. w. Die im Vorstehenden angegebene BeschalTenheit der Krebsgeschwülste wird in den einzelnen Fällen dadurch inodiiizirt, dass: 1) der eine oder der andere Bestandtheil prävalirend ist, und 2) dadurch, dass der Krebs mit der Zeit verschiedene Entwickelungsslufeu erreicht.
Auf die erstere Weise entsteheu die Haaplformcn des Krebses, nämlich:
a. der Faserkrebs oder der Knotenkrebs (Carcinoma fibrosum s. Scirrhus), bei welchem das Fasergewebe vorwaltet. Er bildet eine harte, unebene höckerige Geschwulst, die langsam wächst, iu der ersten Zeit keine Schmerzen macht, bei schneller Zunahme aber durch Druck
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722nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Krebs.
Schmerz erregt und am häufigsten in drüsigen Theileu, namentlich Im Euter, vorkommt.
b. Der Gallertkrebs (Carcinoma alveolare, Cancer gelatini-formae) enthält in grosseren Höhlen eine gallertartige, mit losen Krebs­zellen gemengte Materie und kommt in der Haut der Geschlechtstheile, au der Rulhe des Pferdes und zuweilen auch an anderen Theilen vor.
C. Der Markschwamrn (Carcinoma mcdullare. Fungus medul-laris) besteht hauptsächlich aus dicht zusammengedrängten Zellen und kommt in der Augenhöhle, im Euter, zuweilen auch an Knochen vor und charakterisirt sich besonders durch schnelle Enhvickelung. Zu­weilen bildet er einerothe, leicht blutende, schwammige Masse, welche mau Blutschwamm (Fungus haematoides, Carcinoma teleangiectoides) genannt hat
Hinsichtlich der Verschiedenheiten, welche durch die Entwickelung des Krebses in verschiedenen Stadien herbeigeführt werden, ist in Kürze zu bemerken:
O. dass in der ersten Enlwickelungsperiode der Krebs in der Regel eine kleine rundliche und an der Oberfläche glatte Geschwulst bildet, welche im Innern noch wenig fibröse Scheidewände enthält, sondern eine weiche, zellige Masse mit der Krehsilüssigkeit getränkt darstellt, so dass man die letztere als eine trübe lymphatische Feuchtigkeit aus dem Gewebe herausdrücken kann;
b.nbsp; nbsp; dass in einer weitem Entwickelung die Masse immer fester wird, deutlich fibröse Scheidewände zeigt, in den Zwischenräumen der­selben die Krehsilüssigkeit mehr fest geworden ist, und dass sie an der Oberfläche uneben, höckerig und nun gewöhnlich als Scirrhus bezeichnet wird;
c.nbsp; in einem dritten Stadium beginnen im Innern der Krebsgeschwulst verschiedene Veränderungen, indem in seltenen Fällen einzelne Zwi­schenräume verkreiden oder verknöchern und ihren Inhalt von der übrigen Masse abschliessen, oder was am häufigsten geschieht, indem die Masse erweicht, sich auflöst und zugleich das umliegende normale Gewebe zerstört. Hierbei erfolgt, bald früher, bald später bei den einer Oberfläche nahe liegenden Krebsen das Durchbrechen derselben durch die Haut und es bildet sich in Folge dessen das Krebsgeschwür.
Die Krebsgeschwülste bestehen zuweilen sehr lange Zeit ohne be­deutende Veränderung, gewöhnlich wachsen sie aber allmälig grosser und wirken durch Druck auf die umgebenden Gebilde störend und rei­zend. Die meisten von ihnen werden dann plötzlich krankhaft em­pfindlich, mit der Vergrössernng auch mehr heiss, die Haut wird etwas geröthet oder bläulich, und bald früher, bald später fühlt sich die Ge­schwulst an einer Stelle elastisch weich, endlich selbst fluktuirend an. Bei diesen Veränderungen heissl das Uebcl verborgener Krebs (Cancer occullus). Die Geschwulst bricht dann auf und entleert eine, dem Fleischwasser ähnliche, röthliche, sehr stinkende Jauche. Die Oelfnung vergrössert sich gewöhnlich sehr schnell, indem die llautränder und die Substanz des Theils, in welchem die Geschwulst sitzt, allmälig mehr aufgelöst werden; zugleich biegen die Ränder sich um, verdicken sich, und es wachsen dunkelrothc Fleischwarzen in ungewöhnlicher Grosse aus dem Gründe des Geschwürs hervor, welche leicht bluten und, wie
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Krebs.
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der übrige Theil des Geschwürs, jeue rüthliche Jauche -von sich geben. Man bezeichnet nun den Zustand als offenen Krebs (Cancer aper-tus), oder als Krebsgesch wiir (Ulcus caucersouin). Während des Entstehens der Erweichung und bei dem Krebsgeschwür schwellen ge­wöhnlich die in der Nähe des Theils liegenden Lymphdrüsen, zuweilen auch die Lymphgefasse, immer aber die Venen bedeutend mit an, wenn letztere nicht etwa schon früher angeschwollen waren; die Thiere zei­gen viel Durst, zuweilen auch gelinde Fieberzufällc, sie werden allmälig mehr matt, magern immer mehr ab und gehen zuletzt entweder an Entkräftung und Säfteverlust, oder an hinzugetretener Dyskrasie, oder auch in Folge der Störung der Funktionen der betreffenden Organe zu Grunde.
Die Diagnosis der Krebsgeschwulst ist nicht, immer so einfach und so leicht, wie es nach manchen Angaben zu sein scheint; denn theils sind ihre Zulalle nach den verschiedenen Stadien verschiedenartig, theils bieten auch andere Aftergebilde, und selbst einfache Verhärtungen drü­siger Theile, ähnliche Erscheinungen dar, wie sie. Man muss daher immer die Enlstehungsart, die Dauer und den Verlauf des Uebels be­rücksichtigen. Demnach ist die Krebsgeschwulst in den ersten Stadien als eine kalte, sehr derbe oder selbst harte, scharf begräuzte und an der Oberfläche mehrentheils höckerige Geschwulst zu erkennen, die ihren Sitz in verschiedeneu Geweben haben kann, und in der Regel nicht aus einer Entzündung, sondern mehrentheils ohne bekannte Ver­anlassung langsam entstanden ist. In den späteren Stadien, nachdem die Geschwulst mehrere Wochen, oder mehrere Mouate, selbst Jahre hindurch bestanden hat, treten in ihr die oben angegebenen Verände­rungen ein und die Diagnosis ist, wenn man die frühere Beschaffenheit kennt, ziemlich leicht, ohne diese Kenntniss aber schwerer, da das üebel in diesem Zustande mit einer Entzündungsgeschwulst verwechselt werden könnte. Doch wird dies nicht geschehen, wenn man die un­gleiche Härte der im Erweichungsprozess begriffenen Geschwulst be­rücksichtiget. — Das Krebsgeschwür ist an dem umgebogenen, oft zacki­gen, dicken Rande, an der bräunlichen Färbung des Grundes, den lockeren, schwammigen Auswüchsen, der stinkenden Jauche und an der Art der Entstehung und weitern Ausbildung, zum Theil auch an seiner Hartnäckigkeit zu erkennen.
Die Ursachen des Krebses sind nicht bekannt; man beschuldiget örtliche Reizungen, namentlich durch Druck und Quetschung; allein diese örtlichen Einwirkungen sind bei einem völlig gesunden Körper wohl nicht hinreichend, um für sich das Uebel erzeugen zu können, sondern man muss auch hier wieder eine eigenlhümliche krankhafte Stimmung der Bildungslhätigkeil als mitwirkend annehmen. Nach man­chen Beobachtungen scheint es, dass Krebs auch durch Impfung von einem Theile auf den andern und von einem Thiere auf das andere übertragen werden könne. Jene krankhafte Stimmung in der Bildungs-thätigkeit wird zuweilen von den Eltern auf die Jungen vererbt, denn man sieht bisweilen, dass einzelne Thiere einer Familie durch mehrere Generationen mit dem Krebs behaftet werden; doch ist dies keineswegs eine nothweudige Folge in allen Fällen. Zuweilen scheint das Uebel gewissermassen als eine örtliche Erscheinung einer allgemeinen Dyskra-
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^24nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Krebs.
sie aufzutreten, in anderen Fällen ist es rein örtlich entstanden und die Dyskrasie bildet sich erst nach langer Zeit, wenn die Erweichung der Krebsgeschwulst und Resorption der Krebsjauche stallgefunden hat.
Die Beurtheilung ist bei dem Krebs verschieden; a. nach dem Sta­dium der Entwickelung; h. nach der Form und Grosse des Krebses; c. nach dem Orte und d. nach dem Körperzustande des Thieres. Hin­sichtlich des ersten Punktes lehrt die Erfahrung, dass Krebse im ersten und zweiten Stadium als heilbar zu betrachten sind, wenn eine voll­ständige Ausschälung der Geschwulst bewirkt werden kann und wenn das Uebel nicht ererbt oder mit einer allgemeinen Dyskrasie verbunden ist. Letztere beide Verhältnisse sind sehr oft schwer oder gar nicht zu erforschen und die Beurtheilung bleibt daher oft unsicher. In den höheren Graden der Eulwickelung ist die Beurtheilung stets zweifelhaft, oder bei olfenem Krebs selbst ungünstig zu machen, weil in diesen Stadien gewöhnlich Resorpliou von Kiebsjauche staltgefunden hat und die Säfte bereits vergiftet sind. Es nutzt desshalb selbst die vollstän­dige und gut gelungene Exslirpalion der Krebsmasse entweder nur für kurze Zeit oder selbst gar nichts, sondern der Krebs bricht bald früher, bald später an derselben Stelle oder auch an einem andern Punkte wieder hervor. Diese Wiederkehr des Uebels setzt jedoch nicht nolh-wendig voraus, dass gerade dieselbe Form wieder entsteht, sondern es kann hierbei statt des früher bestandenen Faserkrebses nun Mark­schwamm und dergleichen entstehen. Gewöhnlich nehmen diese neuen Krebsgebilde einen schnellen Verlauf und führen auf die oben angege­bene Weise die Lebensgefahr um desto schneller herbei. — Hinsiclil-lich der Form hat die Erfahrung gelehrt, dass der Faserkrebs verhält-nissmässig der gutartigste ist, indem er am langsamsten sich entwickelt, am spätesten in Erweichung übergeht und auch weniger wuchert und zerstört, als die beiden anderen Formen. Am übelsten ist der Mark­schwamm, indem er schnell wächst und zuweilen in kurzer Zeit fürch­terliche Zerstörungen herbeiführt. Oft kann man von aussen her die spezielle Natur des Krebses nicht sicher erkennen, aber man kann im­mer annehmen, dass, je schneller eine Krebsgeschwulst wächst, sie um desto gefährlicher ist. Hinsichtlich der Grosse ist der Zustand immer um so bedenklicher, je mehr der Krebs selbst gross ist, denn eineslbeils stört er im Verhältniss zur Grosse durch seinen Druck die Funktion und die Ernährung der angränzenden Theile, anderntheils bietet die grössere Masse Gelegenheit zur Erweichung an mehreren Stellen und ausserdem ist die Exstirpalion bei den grossen Massen schwieriger, weil gewöhnlich Gelasse, Nerven und andere Theile in die Geschwulst hin­eingezogen sind. — In Betrelf des Ortes, an welchem der Krebs sitzt, ist die Beurtheilung sehr günstig zu machen, wenn das Uebel in der Haut, im Zellgewebe oder in Muskeln seinen Sitz hat, und am wenig­sten günstig, wenn es in Knochen sitzt. — So lange die Thiere ohne Fieber, bei gutem Appetit und in einem guten Körperzustande sind, ist die Hoffnung auf Heilung des Krebses sehr begründet, wenn aber Fie­ber, viel Durst, Mattigkeit, grosse Schmerzen und Abmagerung beste­hen, muss man immer fürchten, dass das Thier in Folge der allgemei­nen Dyskrasie zu Grunde geht, und dass die Operation eben desshalb keinen besondern Nutzen haben wird.
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Krebs, Kur.
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Kur. Man hat sehr vielfallig versucht, den Krebs durch Arzneilaquo; miltel zu heilen und zu diesem Zweck innerlich namentlich das Co-nium maculatum, die Belladonna, den Arsenik, den Quccksilbersublimat, die Thicrkohle, das Jod und das Eisen gegeben, äusserlich aber eben­falls die genannten narkotischen Mittel, die Quecksilber- und Jodsalben, den Arsenik und das glühende Eisen angewendet; allein der Erfolg von dieser therapeutischen Behandlung war im Allgemeinen ein sehr zwei­felhafter, und viele Aerzle sind schon in älteren Zeilen zu der Ansicht gelangt, dass man namentlich durch örtliche Rciztnitlcl oft mehr scha­det als nützt, indem durch sie die Entwickelung des Krebses zu seinen höheren Stadien beschleunigt wird. Man nannte desshalb das Uebel auch: Noli me tangere! Es ist daher am gerathenslen, eine solche Behandlung nur bei schon offenem Krebs, bei welchem die Exslirpation oft sehr schwierig ist md wo es mehr auf Umstimmung in der Be­schaffenheit der Säfte und der örtlichen Thäligkeit ankommt, als Ver­such in Anwendung zu bringen, übrigens aber in allen Fällen die ope­rative Exstirpation so bald wie möglich zu unternehmen, wenn die Krebsgeschwulst anfangt schnell zu wachsen und schmerzhaft zu wer­den. Sie könnie auch noch früher unternommen werden, allein die Eigenlhümer unterlassen sie gern und man muss ihnen dabei gewisser-massen Recht geben, da blosse Krebsknoten, wie oben erwähnt, oft durch viele Jahre bestehen, ohne irgend einen wesentlichen Schaden zu stiften.
Die Ausschälung von Krebsgeschwülsten und nöthigenfalls auch von Krebsgeschwüren findet im VVesenllichen ganz auf dieselbe Weise statt, wie dies hinslchllich dieser Operation bei den übrigen Aftergebil­den angedeutet worden ist, und man hat nur den Hautschnitt darnach zu modifiziren, ob die Haut auf der Geschwulst noch gesund, oder bereits mit Geschwüren durchbohrt, oder mit Verhärtungen versehen ist. Ist dieses der Fall, so macht man um die kranke Hautstelle einen doppelten, halbmondförmigen Schnilt, dessen Enden sich berühren, lässt die Haut auf der Geschwulst silzen, ergreift diese mit den Fin­gern, oder mit scharfen Haken, oder an einer durch sie gezogene Fa­denschlinge, zieht sie aus der Tiefe mehr und mehr hervor und prä-parirt sie möglichst rein von allen umgebenden Theilen ab. Ist die Haut unverletzt und die Geschwulst klein, so genügt zu deren Bloss-legung ein einfacher Längenschnitt, bei grossen Geschwülsten aber ein Kreuzschnitt, und im Uebrigen verfährt man, wie eben angegeben. Blulende Gelasse werden unterbunden und die Wundflächen gegen einander gebracht, die Ränder durch die Naht vereiniget und die Hei­lung durch schnelle Vereinigung oder, wo diese nicht gelingt, durch Eiterung bewirkt. In denjenigen Fällen, wo die ausgeschälte Krebs­geschwulst noch in ihrem ersten oder zweilen Stadium bestand, ist eine innerliche Behandlung mit Medikamenten nicht erforderlich, sondern man giebt den Thieren bloss gutes Fuller in massiger Menge, hält sie reinlich und sorgt für gesunde Luft im Stalle. War aber bereits das Stadium der Erweichung oder gar der Ulccialion eingelrcten, so kann man die oben genannten narkolischcn und umstimmenden Miltel in Verbindung mit bitteren Mitteln, und von Zeit zu Zeit eine Laxanz an­wenden. Eben so muss verfahren werden, wenn die Geschwulst oder
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Krebs. Kur.
das bereits entstandene Geschwür nicht exstirpirt werden kann und wenn doch noch ein Heilversuch geschehen soll. In solchen Fällen kann man auch äusserlich auf die Geschwulst, in Zwischenzeiten von etwa 8 — 10 Tagen wiederholt, eine Anzahl Blutegel setzen und ausser-dem Umschläge von den narkotischen Mitteln machen.
Bei den Krebsgeschwüren kann man, nachdem sie zuerst gereiuiget und von Jauche völlig befreit sind, ein Aetzmittel, am besten Chlor­zink oder weissen, pulverisirten Arsenik, auf die Geschwürsfläche appli-ziren, und zwar entweder rein (weil die Krebsmasse sehr dick ist), oder ein Gemenge von gleichen Theilen Arsenik und Kohlenpulver, oder das Cosmesche Pulver1). Man .-treuet diese Mittel etwa eine halbe Linie dick auf die Fläche und Ränder, oder man macht sie mit Wasser und Mehl oder Speichel zum Brei und trägt denselben mit einem Spatel eben so dick auf. Damit diese Mittel an der Gescliwürsllächc erhalten werden, bedeckt man dieselbe mit etwas Werg und mit einer Bandage. Es bildet sich unter heftigem Schmerz eine entzündlich-ödematöse Ge­schwulst in der Umgegend des Geschwürs und in demselben ein Schorf von verschiedener Dicke; nach c(wa 8—14 Tagen lost sich derselbe und es tritt, wenn der Zustand günslig ist, eine reine, feinkörnige Granu­lation in dem Geschwüre ein, worauf die Heilung erfolgt; in ungünstigen Fällen wiederholt sich aber die üppige Granulationsbildung und die Ver­jauchung und man ist genöthigt, auch die Mittel zu wiederholen.
Um die möglicherweise eulstehende Ansteckung zu vermeiden, ist es nöthig, die mit Krebsgeschwüren behafteten Thiere von anderen, welche an Wunden oder Geschwüren leiden, abgesondert zu halten, die Abflüsse und gebrauchten Verbandstücke zu vernichten und die In­strumente immer gründlich mit Chlorkalkauflösung zu reinigen.
l) Nach alter Vorschrift bereitet:
Rec. Cinnabar, artefact. sect;j, Sanguin. üracon. f/?, Arsenic, alb. Sji
Ciner. solear. calceamentorutn 3j-M. f. pulv. subtilissimus. Nach einer Vorschrift des Wundarztes Hellmund: Rec. Arsenic, alb. Qij,
Ciner. solear. vclust. gr. xij, Sanguin. Dracon. gr. xvj, Cinnabar, fact, praepar. SU­SI, f. pulv. subtilissimus.
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Warzen.
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Dritter Abschnitt.
Die Degenerationen.
Die bereits im ersten Abschnilt sub B. im Allgemeinen angedeu-lelen Entartungen der normnlen organischen Gebilde kommen in allen Geweben und in der grüsslen Yerscliiedenartigkeit vor, indem durch die Ablagerung von Eiweiss- und Faserstoff, Blut, Fett, melanolischer Materie, Knorpel und Knochensubstanz, Tuberkelmatcrie, phosphor­saurem Kalk u. s. w. in die Zwischenräume der Gewebe die Organe vergrössert, in ihrer Textur und Verbindung verändert, in ihren Funk­tionen gestört; werden. Es gicbl verschiedene Grade dieser Umänderun­gen. Man erkennt dieselben im Allgemeinen a. an der veränderten Form und Grosse, indem entweder an einer Stelle Beulen, Höcker und Ver­dickungen hervortreten oder das ganze Organ grosser wird; b. an der grössern und oft ungleichen Derbheit oder Härte bei dem Befühlen und — c. au den Störungen in den Funktionen.
Die Ursachen sind oft Entzündungen, oft andere Krankheitspro­zesse und besonders Metastasen bei denselben.
Die Beurlheilung ist. je nach der Art, dem Grade und der Dauer der Entartung und nach dem betroffenen Theilc sehr verschieden. Bei den geringeren Graden und den frisch entstandenen Degenerationen ist noch Zerlheilung möglicli, bei den älteren und grosseren aber gewöhn­lich nicht; oft nehmen dieselben von Zeit zu Zeit noch zu und das ganze Organ wird zerstört. In einzelnen Fällen entsteht auch bösartige Ulceration.
Die Kur besteht in der Anwendung auflösender, zerlheilender Mittel, oder bei manchen Organen in der operativen Entfernung derselben.
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Erstes Capitel.
Die Warzen (Verrucae).
Die Warzen bestehen in Auswüchsen aus der Haut oder auch ans der Schleimhaut und beruhen in einer Entartung des sogenannten Pa-pillarkörpers der Culis oder (1er Schleimhaut. Einige dieser Körperchen wachsen mit einander verbunden üppig hervor und sind gewöhnlich mit einer Hülle von Oberhaul, von entartetem Zellgewebe und zuweilen auch von Fascrstoll umgeben; sie besitzen fast immer viel Gefässc und
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Warzen. Buluindlung.
zugleich Nerven und siud dcsshaib ( wenigstens in einer gewissen Tiefe) oft sehr empllndlieh. Die Warzen kommen in der Haut in dem gan­zen Umfange des Körpers vor, — und an der Sehleimhaut im Maule, an den Lippen, am Zahnfleisch, an der Zunge, an den Backen und selbst in der Rachenhöhle; es kann jede Stelle der Haut von ihnen besetzt, weiden, doch sind die mit dünner, feiner Haut bedeckten Stellen an den Augenlidern, an den Lippen, am Halse, in der Gegend des Genicks, vor und unter der Brust, unter dem Bauche, am Euter und an der innern Fläche der Gliedinassen am häufigsten ihr Sitz. Sie sind zuweilen nur einzeln, oft aber auch mehrlaltig und zuweilen selbst in sehr grosser Anzahl an einem Thierc zugegen. Ihre Form und Grosse ist sehr ver­schieden; manche Warzen bilden nur etwas verdickte Flecke in der Haut und sind gewöhnlich mit einer grauen, spröden Decke von ver­dickter Epidermis vergehen; andere wachsen bis gegen 2 Zoll lang und gleichmässig cylindrisch aus der Haut hervor; noch andere besitzen einen dünnen Stiel, vermittelst dessen sie mit der Haut zusammenhän­gen; oft sind sie überall, namentlich an dem freien Ende, gleichmässig trocken, aber weich; in anderen Fallen ist das freie Ende mit einer dicken, mehrfach gctheilten Ilornmasse besetzt und in noch anderen Fällen sickert die Oberfläche eine seröse, röthliche Feuchtigkeit ab. Diese letztere Art von Warzen nennt man Feucht- oder Feigwarzen. Dieselben finden sich am gewöhnlichsten in der Nähe des Afters oder der Geschlechtstheile.
Die Erkennung dieser Auswüchse ist sehr leicht, da man sie über­all sehen und fühlen kann.
Ihre Ursachen sind zuweilen Druck und mechanische Reizung überhaupt, in anderen Fällen aber eine krankhafte Bildungsthätigkeit in der Haut, ohne dass man im Stande ist, dieselbe näher nachzuweisen. Dass sie aber besteht, geht theils aus dem vielfältigen Vorkommen die­ser Gebilde bei einem Thicre, theils aus der Vererbung der Anlage zur Warzcnbildung auf die Nachkommen hervor; ich selbst sah oft bei Pferden, Rindern und Hunden die Nachkommen in 2—3 Generationen schon im ganz jugendlichen Alter mit Warzen behaftet.
Die Beurtheilung ist im Allgemeinen günstig zu machen, da die Warzen in den meisten Fällen keine grosse Störung veranlassen und gründlich beseitigt werden können; doch hängt in den einzelnen Fällen die Beurtheilung von dem Sitze, von der Form, der Grosse und der Zahl der Warzen ab. Warzen auf und an den Augenlidern und lief iu der Maulhöhle sind schwerer zu beseitigen, als an anderen Stellen; Warzen mit breiter Basis und in einer grössern Zahl nahe zusammen-sitzend geben bei der Exslirpalion zu nicht unbedeutenden Verletzun­gen Veranlassung; Warzen in der Nähe beweglicher Theile werden oft gezerrt und verletzt, so dass Blutung, Eiterung und Gestank entsteht und im Sommer durch letztem die Insekten angelockt und die Thiere
dadurch sehr belästiget werden.
In der Regel sind die Warzen sehr
hartnäckige, andauernde Uebel, zuweilen sterben sie aber von selbst ab und verlieren sich, — und zwar oft sämmtliche vorhandene War­zen gemeinschaftlich sehr sehneil.
Behandlung. Warzen können entweder aus- oder abgeschnitten, oder abgebunden, oder durch Actzmittel zerstört, oder durch spezifische
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Kropf.
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Mittel zum Absterben gebracht werden. Das erstere Verfahren ist in allen Fällen anwendbar und bei breiten, tiefsitzenden und mit einer dicken Masse umgebenen Warzen nur allein brauchbar. Seine Anwen­dung ist sehr einfach; mau umschneidet bei Warzen mit breitem Stiel den letzfern rund herum so weit, wie man in der Haut eine abnorme Derbheit fühlt, zieht dann die Warze von der Haut ab und löst sie an ihrer Wurzel bis in das Unterhautzellgewebe aus, oder wenn die Warze nur oberflächlich in der Haut zu wurzeln scheint, wenn na­mentlich die letztere au der Stelle des Ansatzes der Warze ganz weich ist, so spannt man die Warze durch Abziehen von der flaut etwas und schneidet sie dann mit einer dünnen Schicht der letztern flach ab; oder man schneidet auch bei Warzen mit ganz dünnem Stiel den letz­tem unmittelbar an der Haut ab und betupft die Wurzelstelle mit dem glühenden Eisen oder mit einem Aelzmiltel. — Das Abbinden kann zweckmässig nur bei solchen Warzen geschehen, welche mit einem dünnen Stiel versehen sind. Man legt um den letztem eine Schlinge von einem Seidenfaden und zieht dieselbe unmitfeibar an der Haut so fest zu, dass die Ernährungsgefässe in der Warze hierdurch verschlos­sen und die Warzen zum Absterben gebracht werden. Schrumpft die Warze binnen 24 Stunden zusammen, so ist die Wirkung genügend, im entgegengesetzten Falle aber muss noch eine zweite Schlinge umge­legt werden. Die Warze fällt nach etwa 8—14 Tagen ab und in der Regel bildet sich keine neue wieder. — Die Zerstörung der Warzen durch Aetzmittel oder das Glüheisen ist besonders bei Warzen mit brei­ter Basis anwendbar und geschieht so, dass man diese Mittel einmal oder wiederholt mit dem gehörigen Nachdruck auf die Warze applizirt. Es entsteht hiernach Schorfbildung, Eiterung und theilweises Abslerben der Warze, zuweilen aber auch wuchernde Granulation und langwie­rige Eiterung; auch wachsen die so gereizten Warzen zuweilen zu un­förmlichen Massen an und man ist dann genöthigt, die Exstirpation mit dem Messer zu machen. — Zuweilen sind Warzen besonders bei dem Rindvieh allmälig abgestorben und vertrocknet, wenn man sie mit grauer Quecksilbersalbe, oder mit Arseniksalbe, oder mit konzentrirfer Essigsäure einige Mal bestrichen hatte. Bei den lang hervorstehenden Warzen pflegt man auch diese Mittel auf Leinwand zu streichen und diese um die Warze zu binden.
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Zweites Capitel.
Der Kropf (Struma, Bronchocele).
Als Kropf bezeichnet man eine Vergrösserung der Schilddrüsen mit Umänderung ihrer Textur. Die letzlere ist entweder so, dass theils geronnener Faserstoff, theils eine plastische Flüssigkeit die Zwischen­räume des Drusengewehes einnimmt, oder es sind eine Menge krank-
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730nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Kropf. Behandlung.
haft erweiterter Blutgefässe in dem Drüsengewebe vorhandeu. Oft sind auch Knochenkerne in ihr enthalten. Man findet diese Entartung zuweilen bei Pferden und beim Kindvieh, und am häufigsten bei Hunden.
Die Erkennung ist leicht, da sich die vergrösserten Schilddrüsen als, oft mehr als 4 — 6 Zoll dicke, massig derbe, etwas elastische Ge­schwülste unter dem Kehlkopfe deutlich wahrnehmen lassen. Zuweilen senkt sich die enorm grosse Geschwulst mehrere Zoll weit von der ursprünglichen Anheflungsstelle der Drüsen herunter. In den meisten Fällen leiden beide Schilddrüsen, zuweilen aber auch nur eine. Von der Entzündung der Schilddrüsen unterscheidet sich der Kropf durch den Mangel der Seite 142 angegebenen Symptome der Entzündung; aber die Unterscheidung von der durch die Entzündung herbeigeführten einfachen Verhärtung der Drüse ist, wenn man den Verlauf des Uebels nicht kennt, in manchen Fällen kaum zu begründen.
Der Kropf beginnt gewöhnlich mit allmäligcr Vergrösserung der Drüse und wächst mehrentheils zu einer sehr umfangreichen Masse; zu­weilen hat man aber seine Entwiekelung sehr schnell erfolgen sehen, namentlich bei Hunden. Er geht in der Regel in keinen andern krank­haften Zustand über und nur zuweilen hat man ein abwechselndes Zu- und Abnehmen der Masse beobachtet.
Als Ursachen dieser Degeneration hat mau öfters wiederholte ge­ringe mechanische Verletzungen, z. B. durch Druck vom Halsbande etc., in anderen Fällen Erkältungen beschuldigt, und ausserdem nimmt mau auch noch eine krankhafte Ernährung und Säftebildung, bedingt durch kalkhaltiges Trinkwasser und dergleichen, als vorbereitende Ursachen an. In Folge dieser letzteren Ursachen findet sich der Kropf in manchen Gegenden häufiger als in anderen.
Beurtheilung. Der Kropf führt in der Regel keine üblen Ausgänge herbei, aber er stört durch seinen Umfang zuweilen das Athmen und die Benutzung der Thiere zu Dienstleistungen, welche mit schnellem Laufe verbunden sind. Die Heilung ist mit Arzneimitteln immer sehr schwer, oft gar nicht zu bewirken. Bei sehr grossen Kröpfen ist man zuweilen zu der Exstirpation gezwungen, diese ist aber wegen der hef­tigen Blutung nicht immer ohne Gefahr.
Behandlung. Man versucht die Zertheilung durch äusserliche An­wendung der Jodsalbe (3/Ï Jodkali zu grüner Seife), oder durch Waschungen mit einer Jodkalilösung ( 3iï zu gvj Wasser), durch Ein­reiben der grauen Merkurialsalbe mit Potasche, des Kampher- oder Ammoniakliniments, durch Umschläge von narkotischen Mitteln und dergleichen und unterstützt dieselbe auch durch innerliche Verabreichung des Jodes, des Calomels, der Thierkohle, der urintreibenden Mittel und dergleichen. Wenn aber diese Mittel fruchtlos sind, oder der Kropf sehr gross und bereits veraltet ist, bleibt nur noch die Ausschälung der entarteten Drüse übrig. Man verfährt bei dieser Operation im Wesent­lichen eben so, wie dies Seite 144 angegeben worden ist.
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Fleischbruch.
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Drittes Capitel.
Der Fleischbruch (Sarcocele).
Mit dem unnchtigen Namen Fleischbruch bezeichnet man jede Ver-grösserung'eines Testikels, weiche zugleich mit abnormer Derbheit des Organs verbunden und nicht eben Erscheinung einer bestehenden Ent­zündung ist. Eine solche Vergrösserung beruht in den einzelnen Fäl­len auf verschiedenen pathologischen Zustünden, indem ihr in manchen Fällen eine bloss durch Entzündung herbeigeführte plastische Aus­schwitzung, in anderen Fällen eine iibrose, oder eine der Fleiscbge-schwulst ähnliche Masse, in noch anderen ein Carcinom und zuweilen auch Tuberkelmasse zum Grunde liegt.
Die Erkennung dieser verschiedeneu inneren Zustände ist erst bei der anatomischen Untersuchung möglich; dagegen ist die Erkennung des Flcischbruchs in dem zuerst bezeichneten generellen Sinne sehr leicht, da man das vergrösserte und mehr derbe Organ deutlich sehen und fühlen kann. Nur bei gleichzeitigem Bestehen von Dann- oder Netzbrüchen, oder des sogenannten Wasserbruchs und Blutbruchs (S. 587 und 588) ist die Erkennung ein wenig schwieriger, aber doch durch die bei diesen Zuständen angegebene Untersuchung mit Sicherheit zu erlangen.
Ursachen des Flcischbruchs sind zuweilen mechanische Verletzun­gen, in anderen Fällen aber dyskrasische Beschaffenheit der Säfte, na­mentlich bei Pferden Rotz und Wurm; denn nicht selten sieht mau der offenbaren Entwickelung dieser Krankheiten eine Entartung der Hoden vorhergehen.
Die Beurtheilung ist in denjenigen Fällen einigermassen günstig zu machen, in welchen das Uebcl in Folge mechanischer Einwirkungen entstanden und noch neu ist, denn in solchen Fällen gelingt zuweilen die Zerlheilung. Dagegen ist die Heilung nicht zu hoffen, wenn das Uebel in Folge dyskrasischer Leiden entstanden ist, oder schon durch längere Zeit in einem hohen Grade bestanden hat. In den Fällen der letztern Art kann der kranke Hode nur durch die Castration beseitiget werden. Sich selbst überlassen nimmt gewöhnlich die Entartung all-mälig mehr überhand und der übermässig grosse und schwere Hode belästiget die Thiere bei dem Gehen, zerret beständig den Saamenstrang und giebt zuweilen zu kolikälmlichen Leibschmerzen Veranlassung. In einzelnen Fällen hat man auch den Hoden in Erweichung und Ulcera-tion verfallen sehen, was namentlich geschehen kann, wenn die Grund­lage der Entartung Krebs- oder Tuberkelmaterie ist. — Ausserdem sind Thiere mit solchen Hoden zur Zeugung untüchtig.
Kur. In den vorstehend angedeuteten milderen Graden des Uebels kann man die Zerlheilung versuchen, indem man äusserlich warme Bäder an das Scrotum von Seifenwasser, von Aschenlauge oder von Kaliauflösung, oder warme Breiumschläge von narkotischen und schlei­migen Mitteln, oder auch die graue Merkurialsalbe, oder eine Jodsalbe
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Der Knollhuf, Rhehehuf oder Yollhuf.
täglich 1—'2 Mal anwendet, innerlich aber das Thier in magerer Diät hält, ihm von Zeit zu Zeit wiederholt eine Purganz und ausserdem durch längere Zeit fortgesetzt Calomel, Digitalis, Conium roaculatum, Stibium suiphuratum nigrum, Jod und dergleichen Mittel giebt. — Wo diese Mittel in längerer Zeit nichts fruchten, oder der oben bezeichnete dyskratische Zustand besteht, befreit man das Tbier durch die in ge­wöhnlicher Weise ausgeführte Castration von dem entarteten Theil.
Viertes Capitel. Der Knollhuf, Rhehehuf oder Vollhuf.
Der Knollhuf, oft auch Vollhuf genannt1), besteht in einer gemeinschaftlichen Veränderung der Textur, Lage und Verbindung fast sämmtlicher den Huf bildenden Theile in der Art: dass eine übermässig reichlich in die Haut, welche das Hufbein umkleidet (Fleischwand) aus­geschwitzte faserstoffige Materie sich am vordem Theil des Hufes zwi­schen die Hornwand und das Hufbein ergiesst, sich hornirtig verhärtet, die Fleischblältchen theilweise vernichtet, die Hornwand enorm ver­dickt, und sie nach vorn von der Fleischwand abdrängt; dabei wird, doch grösstentheils nur scheinbar, zugleich auch das Hufbein mit seiner Spitze und mit seiner Soblenlläcbe mehr nach hinten gedrängt und hier­durch die Fleisch- und Hornsohle gewölbt, so dass die Thiere auf der letztern als auf einer convexen Fläche stehen und gehen müssen. Selbst äusserlich ändert sich die Hornwand; sie wird rauh, bekommt ring­förmige Erhöhungen, welche an dem '/clientlicit nahe zusammenstehen und nach den Trachtenwänden mehr auseinandergehen; die Zehenwand wird mehrenlheils schmäler, ihre Mitte erscheint mehr oder weniger ein­gesunken, die Zehe ist vorn aufwärts gebogen.
Die Erkennung dieser Entartung ist immer sehr leicht, da raan_ schon äusserlich die abnorme Beschaffenheit der Wand und die con vexe Form der sonst im normalen Zustande coneaven Hornsohle deut­lich wahrnehmen kann; ausserdem sieht man auch die bedeutende
') Die Bezeichnung dieses Uebels als Vollhuf ist zwar sehr gebräuchlich, aber eigentlich nicht ganz passend, da der Vollhuf und der Knollhuf zwei ver­schiedene Abweichungen vom nonnalen Hufe sind, welche nur das mit einander gemein haben, dass bei beiden die Sohle convex hervortritt. Der Vollhuf (oder die Anlage dazu) ist angeboren; seine Wände sind mehr flach und wenn Ringe an ihnen bestehen, laufen sie ziemlich parallel um dieselben; die Dicke der Wände ist fast ganz wie bei gesunden Hufen, und ihre innere Fläche ist mit der äussern Fläche des llufbeins gleichlaufend, daher auch die weisse Linie von der normalen Breite wenig abweichend. Die Sohle ist auf der ganzen Fläche ziemlich gleichmässig liervorstohcnd.;
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Knollhuf.
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Verdickung der Wand im Uiiilaugc der Zehe, und bei dem Abuehiuen von nur wenigen Späiicu des Horns in der Mitte der Sohle findet man, dass dieselbe nicht dicker ist, wie es den Anschein bat, sondern dass sie im Gegentheile sehr dünn ist; denn gewöhnlich scheint nach sol­chem ganz massigen Ausschneiden die Fleischsohle durch die Hornsohle hindurch. Auch haben die mit diesem Uebel behafteten Pferde stets einen sehr blöden Gang und sie können mit unbeschlagenen Füssen fast gar nicht gehen.
Die Ursachen sind stets vorausgegangene Ilufentzündungen, nament­lich rheumatischer Art und mit chronischem Verlauf.
Die liciuiliullnng ist mehrenlheils ungünstig zu macheu, da es aus-serst schwierig ist, die bezeichneten mehrfachen Entartungen wieder zu beseitigen; doch soll dies in einzelnen Fällen auf operative Weise nach und nach, wenn auch nur nach längerer Zeit, gelungen sein. Sich selbst überlassen dauert die Entartung während des ganzen Lebens fort, ja sie nimmt in manchen Fällen noch mehr zu und die Thiere werden hierdurch immer weniger brauchbar. Der Vollhuf giebt Ver­anlassung, dass die zu stark hervorstehende Sohle auf unebenem Boden häuflg gedrückt wird und dass hierdurch Entzündung, Eiterung und Lahmheit entsteht; zuweilen wird bei diesen Quetschungen selbst das Hufbein mitbetroüen und hierdurch zu Caries die Veranlassung gegeben. Die Thiere werden daher oft lange Zeit dem Dienst entzogen. Wie bereits oben erwähnt, siud dieselben überhaupt nur im beschlagenen Zustande brauchbar.
Die Behandlung. Gewöhnlich beschränkt man sicli auf eine bloss palliative Uehandlung dieses Uebels, indem man den Huf durch Fuss-bäder von Wasser, durch Umschläge von Kuhmist oder von schleimigen Mitteln und durch sogenannte Hufsalbeu weich und geschmeidig erhält und ausserdem ihn mit einem entsprechenden Hufeisen beschiägt. Letz­teres muss ein sogenanntes Kessclhufeiscn sein, d. h. ein solches, dessen obere Fläche, der Convcxilät der Hufsohlc angemesseu, hohl ge­arbeitet, und zugleich breiter, als ein gewöhnliches Hufeisen ist, damit die Sohle gegen äusscre Einwirkungen möglichst geschützt werde, ßei dieser Behandlung können die Thiere oft viele Jahre brauchbar erhalten werden. Einige Thicrärzte, namentlich Gohicr'), Grosz2), Meyer3) und Günther*) haben sich aber auch bemüht, das Uebel wirklich zu heilen. Dies halten zwar auch frühere Thierärzte versucht, jedoch un­richtigerweise nur durch das Ausreissen der Hornsohle. Go hi er war der Erste, der eine bessere Bilduug des Hufes durch Wegnahme der Hornwand zu bewirken suchte; er nahm aber die ganze Wand weg.
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1) Mémoires el Observat. sur la Chirurgie el la Médecine vélurinaire. Tome I. Lyon 1813. pag. 306.
-) Die Hufentzündung der Pferde mit besonderer Beziehung auf die Ur­sachen, das Wesen und die Behandlung des Knollhufes. Mit 25 Abbildungen. Stullgarl 1847.
s) In dem Organ der Pferdewissenschafl von Bartels, Sles Heft, 1843; und — im Magaz. f. d. gesammte Thierheilk. Bd. XIV. S. 295.
*) Protokoll der Versammlung des thierürztl. Gcneralvercins f. d. König­reich Hannover vom 29. Septbr. 1847.
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Die Steine.
Grosz verdiiiml mil einer Raspcl (lea oborn Theil der Zclienvvand ((l(,'ii Saumrand) von einer Seitenwand bis zur andern so, dass die Fleisch-krone nur noch ganz schwach mit Horn bedeckt bleibt, bestreicht dann die operirtc Stelle mit Unguent. Basilicum und reibt in die Fleischkrone selbst eine geliud reizende Salbe, z. B. 01. Latin. Wenn hiernach ein Streifen rcgelmässigen Ilorns gewachsen ist, wird unter demselben ein anderer Theil des alten Uurns abgenommen, und so fortgefahren, bis die ganze Wand mit geradem Horn bedeckt ist. Meyer und Günther haben gleichzeitig ein ähnliches Vcifahrcn und nach denselben Prin­zipien in Anwendung gebracht. Erstem' will, dass die nachwachsende Horuwand den nachtheiligen Einwirkungen der alten Hornwand ent­zogen werde und somit ein normales Waehsthuni der ersteren wieder eintrete. Er macht für diesen Zweck eine Trennung, welche sich unter dem Saume der Zehenwand durch die ganze Oicke derselben und im Verlauf der Krone bis zu den Trachlenwänden erstrecken muss, — und schneidet demgemäss mit einem Kinnmesser an der bezeichneten Stelle die Hornwand so tief ein, dass man die weichen Horublätlchen sehen und fühlen kann; dann schneidet er alles härtere Horn über dieser Kinne von der Kronenwulst ab. Nach dieser im Allgemei­nen unblutigen Operation behandelt man den Fuss mit Breiumschlä­gen oder mit Fassbädern, um hierdurch das sitzengebliebene Horn weich zu erhalten und das Wachsthum des neuen Horn zu befördern. Das Thier wird am besten, wenn die Jahreszeit es gestaltet, auf eine feuchte Weide geschickt; wo dies nicht angeht, läglich massig auf wei­chem Boden bewegt. Gewöhnlich vergehen mehrere Monate, ehe die neue Bildung von der Krone her in regelmässigcr Beschaffenheit über den grösslcn Theil des Hufes sich erstreckt und gewöhnlich wird dabei auch die Sohle erst zuletzt, wenn das neue Horn bis zu ihr herunter gewachsen ist, in eine bessere Form versetzt. Es sind mehrere Beispiele von dem Nutzen dieser Operation bekannt.
Vierter Abschnitt.
Die Steine (Lapides, Calculi) oder Goncremente.
Wie bereits im ersten Abschnitt sub C. angedeutet worden ist, giebt es im Thierkörper eine Art von Neubildungen, welche nur allein durch chemische und mechanische Zusammenfügung verschiedener Stolfe entstehen und die daher nicht organisirt und nicht lebendig sind. Die­jenigen unter ihnen, welche hauptsächlich aus erdigen und salzigen Malericn gebildet sind, pflegt mau als Steine (Lapides) oder als Con-
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-;*£?.'l Die Speichelsteine.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 735nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,%M*
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cretionen zu bezeichnen. Dieselben finden sich fast überall da, wo Schleimabsonderung besteht und wo sich Excretionsstoffe durch einige Zeit auflialtcn, namentlich im Speichelgange der Olndrüse, in der Urin-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.
blase, in der Harnröhre und in der Vorhaut, ausserdem im Magen und Darmkanal, in den Nieren und Harnleitern; und man pflegt sie nach diesen verschiedenen Orten als Speichelslciuc, Blasen-, Harnröhren- und quot;Vorhautsteine, als Magen-, Darm- und Nierensteine zu bezeichnen. Die drei letzteren werden hier nicht weiter berücksichtiget, weil mannbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Srth
bei ihnen in der Regel keine chirurgische Hülfe anzuwenden pflegt. Ihre Enlstehung ist mehrenthcils in einer von dem normalen Zustande abweichenden Beschaffenheit der abgesonderten Säfte, namentlich in einem zu grossen Reichthum derselben an erdigen und salzigen Be-standtheilen begründet und zuweilen besteht in dieser Hinsicht ein krank­hafter Zustand in der Ernährung und Blutbildung überhaupt. Die Steine an den verschiedenen Ursprungsstellen sind in verschiedener
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Weise chemisch zusammengesetzt, mehrentheils von rundlicher Form, zuweilen aber auch, namentlich wenn mehrere Steine neben einander liegen, sind sie mit Flächen und Ecken versehen, an der Oberfläche hald rauh, bald auch ganz glatl; ihre Grosse und Schwere ist sehr verschieden. Sie wirken durch Druck und Reizung nachlheilig auf die umgebenden Theile und hindern zuweilen den Durchgang der Excre-tions-Flüssigkeiten durch die Höhle, in welcher die Steine liegen, und sie können auf diese Weise zu mancherlei heftigen Zufällen, selbst zu Lebensgefahr die Veranlassung geben. Ihre Auflösung durch Arznei­mittel gelingt äusserst selten und ihre Enlfernung ist nur auf operative Weise möglich, — was in den einzelnen Fällen bald mit mehr, baldnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;^
mit weniger Schwierigkeit verbunden ist.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
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Erstes Capitel.
Die Speichelsteine.
Die in dem Ausführungskanal der Ohrspeicheldrüse sich bildenden Steine werden als Speichelsteine bezeichnet. Dieselben sind bei Eseln, Maulthieren, Rindern und Schafen gefunden worden und bestehen der Hauptmasse nach ans kohlensaurem Kalk (circa 840/0), phosphorsau-rein Kalk, thierischer Materie und etwas Wasser. Zuweilen ist ein Getreidekoin oder eine Granne, ein Stückchen Stroh u. s. w. die Grund­lage, um welche sich die Steinmasse angesetzt hat. Ihre Form ist ge­wöhnlich rundlich oder länglichrund; zuweilen bestehen diese Steine aus mehreren Abtheilungen, welche sich an ihren Enden berühren und daselbst Flächen bilden, welche gegenseitig aneinander passen. Sie sind voa sehr verschiedener Grosse, von dem Umfange einer Erbse bis zu
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Die Harnblasensteine.
dem einer Faust. Bei dem grossen Umfange füllen sie nicht nur den Speichelgang vollständig aus, sondern sie dehnen ihn auch zuweilen bis zu dem Grade aus, dass derselbe berstet. In diesen Fällen wird der Stein iiieilweise oder ganz in das Zellgewebe gedrängt und zugleich fliesst Speichel in dasselbe und erzeugt bedeutende Iniiltrationen und ödematöse Anschwellungen am Unterkiefer und an den Backen.
Die Erkennung der Spcichelsteine ist immer leicht; man sieht und fühlt im Verlaufe des Stcusunscheu Kanals eine begränzte Geschwulst von verschiedener Grosse; dieselbe liegt nahe unter der Haut, ist sehr hart,- ein wenig verschiebbar, in der Hegel ohne Entzündung und seit längerer Zeit, zugegen; zwischen der Geschwulst und der Ohrdrüse sieht man den genannten Kanal stark ausgedehnt und mit Speichel erfüllt.
Die Ursachen sind, wie in Vorstehendem angedeutet, fremde Kör­per, welche in dein Kanal durch die Mündung desselben an der Innern Seite der Backe cingelretcn sind; in manchen Fällen auch Verengerungen des Kanals in Folge von Verletzungen u. dgl.
Die Beurtheilung ist günstig zu machen, und zwar um so mehr, je kleiner der Stein ist; denn man kann diese Steine durch einen ge­machten Einschnitt ohne Gefahr beseitigen, aber die Heilung der Wun­den an dem Speichelgange überhaupt ist mehreutbeils schwierig und es bleibt nach ihr zuweilen eine Speichelfislel für einige Zeit zurück.
Die Hülfe besieht darin, dass man einen der Grosse des Steins entsprechenden Schnitt durch die Haut, den Gesichtshautmuskel und die Wand des Speichelganges macht, den Stein mit der Pinzette aus dem Kanal zieht, die Wunde reiniget, sie dann heftet und hiernach so verfährt, wie dies bei den Wunden des Speichelgangs Seite 355 ange­geben worden ist.
Zweites Capitel. Die Harnblasensteine.
Steine in der Harnblase finden sich bei allen unseren Haussäugc-thieren, bei den weiblichen jedoch sehr selten, weil ihre Harnröhre viel weiter und kürzer ist und desshalb kleine Steine leichter aus der Blase abgehen. Die Grosse dieser Harnblasensteine ist sehr verschieden, mitunter erreichen dieselben den Umfang eines Hühnereies; ihre Form ist rundlich, ihre Oberfläche bald glatt, bald sehr rauh; die meisten sind sehr fest, zuweilen sind sie aber auch bröcklich, wie aus einzelnen Krystallen zusammengeklebt. — Ausser den wirklichen Steinen finden sich, besonders bei männlichen Thieren auch Anhäufungen von sandformigen Massen und zwar oft in der Menge, so dass die Hälfte der Blase damit angefüllt ist. Die Bildung der Steine der Harnblase ist ähnlich der oben angegebenen Bildung der Speichelsteine; in den meisteu Fällen ist
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Die Harnblasensteine.
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auch liier ein kleiner Irenider Körper, der in die Harnblase gelangt ist, die erste Veranlassung, so ein Schleimklünipchen, eingedrungene Sclirot-körner, Strohstüekchen, durch den Mastdarm eingedrungene Nadeln u. dgl. Ausserdem wird die Bildung dieser Uarnblasensleine durch eine eigenthümliche Beschaflenheit des Urins begünstigt; derselbe hat dann nünilich einen Ueberschuss an kohlensauren, Oxalsäuren und anderen kalkigen und erdigen Bestandtheilen. Man findet die Steine in manchen Gegenden häufiger, als in anderen, -so namentlich in kalkigen Gebirgs­gegenden, wie in der Schweiz, Steiermark u. s. w. Am häufigsten werden die Steine bei Pferden gefunden, ziemlich häufig beim männlichen Rindvieh, seltener bei Hunden und noch weniger bei Ziegen und Katzen. Beim männlichen Rind trägt vornämlich die Krümmung der Harnröhre, wodurch der Urin mit Beschwerde und nur langsam abge­setzt wird, zur leichtern Bildung der Steine bei. Bei Pferden machen kleine Blasensteinc in der Regel keine Beschwerden, nur wenn sie die Grosse eines Taubeneies überschritten, verursachen sie Druck und Reizung. Manche Steine liegen bestündig an einer Stelle, andere gleiten herum in der Blase und rufen so nur von Zeit zu Zeit die Symplome der Reizung hervor. Wenn im letzteren Falle ein Stein sich in den Blasenhals lagert, können die Thiere den Urin entweder gar nicht oder nur tropfenweis von sich geben; sie nehmen dabei eine gestreckte Stellung an, wedeln mit dem Schweif, werfen sich bisweilen nieder u. s. w. Dies kann eine oder auch mehrere Stunden danern und eine wirkliche Harnverhaltung werden (S. 680); zuweilen aber, wenn der Stein wieder mehr nach der Blase zurück gleitet, hören plötzlich alle Symptome auf und die ïhiere uriniren wie die gesunden. Bei grossen Steinen findet sich bisweilen als ein besonderes Symptom Lahmheit an einem Hinterfuss, ohne dass eine andere Ursache dieser Lahmheit zu entdecken wäre; und bei angestrengtem Reiten und Fahren geht den Thicren ein blutiger Urin ab. Untersucht man in solchen Fällen durch den Mastdarm, so fühlt man bei genauer Betastung der ganzen Blase, besonders wenn sie leer ist, den Stein; die Thiere zeigen meistens bei dieser Untersuchung keinen Schmerz. Zuweilen findet man bei blu­tigem Urin den Blasenhals und die Umgebung der Vorsteherdrüse ge­schwollen und empfindlich. Besteht Harnverhallung, so fühlt man den Stein in dem Blascnhalse. In solchen Fällen kann man auch den Stein fühlen, wenn man mit einer sogenannten Steinsonde (d. i. eine, der Länge der Harnröhre enlsprechende, an ihrem vordem Ende etwas ge­bogene dicke Metallsonde) oder mit einer mit einem Metallknopf ver­sehenen Fischbeinsondc eingeht, wo man dann auf einen Jiartcn Körper stösst. — Bei dem sandigen Niederschlage in der Blase sind ähnliche Erscheinungen von Harnbeschwerden, jedoch milder und treten in den meisten Fällen erst spät ein; die örtliche Untersuchung ergiebt den Unterschied. — Bei den Rindern findet man dieselben Zufalle, aber sie treten langsamer ein; und bei der örtlichen Untersuchung findet man die Steine wie beim Pferde. In manchen Fällen bestand Harnverhal­tung durch 8—15 Tage, ohne dass sich Symptome eines grossen. Leidens zeigten. — Schafe bekommen Harnverlialtnug, sie werden traurig, drehen öfters mit dem Schwanz, heben die Nase auf und stellea sich zum Hainen fruchtlos oder pressen nur einzelne Tropfen
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738nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Die Uarnblaiensteine.
hervor und geben dabei klagende Töne von sich. Bei den Hunden sind die Erscheinungen ähnlich, sie kratzen mit den Füssen, legen sich auf den Rücken, ziehen die Beine an und drängen oft zum Harnen, aber vergeblich.
Die Erkennung der Steine und sandigen Niederschläge beginnt ge­wöhnlich erst von dem Eintritt der Harnverhaltung an, indem man dann erst zur Untersuchung durch den Mastdarm veranlasst wird und hierbei den Stein mit der Hand fühlt. Zuweilen findet und fühlt man ihn am besten, wenn das Pferd auf den Kücken gelegt worden ist. Die san­digen Niederschläge fühlt man als eine fast teigähnliche Masse, in welche man durch die Blasenhäute hindurch Gruben drücken kann.
Die Beui'theilung ist in der Art zu machen: dass Steine, sich selbst überlassen, sich allmäiig immer mehr vergrössern und zur Entzündung und Entartung der Blase, so wie zu gefährlichen Harnverhaltungen Ge­legenheit geben können; ferner dass sie in der Blase nicht aufzulösen, sondern nur durch den Blasenschnitt zu entfernen sind. Der sandige Niederschlag ist in einzelnen Fällen durch urintreibende Mittel zu min­dern und durch mechanische Mitwirkung mittelst der Hände zuweilen gänzlich zu beseitigen, auch die krankhafte Absonderung umzustimmen; in anderen Fällen aber gelingt dies nur wenig oder gar nicht und die Thiere sind daher ebenfalls der allraäligen Entartung der Blasenhäute und Harnverhaltungen ausgesetzt.
Die Operation des Blasenschnittes oder Steinschnittes (Cystolomia, Lithotomia) wird auf folgende Weise ausgeführt: Man be­reitet die Thicrc zuerst, wenn nicht Harnverhaltung besieht, während 24 Stunden zur Operation vor, indem man ihnen nur weiches Futter, aber hinreichendes Getränk giebt. Dann wartet man den zur Operation günstigen Moment, wo die Blase mit Urin angefüllt ist, ab, reinigt vor der Operation den Mastdarm durch Klysticre und mit der Hand und spannt dann die Thiere an den Hinteriüsscn, bremset sie und lässt sie durch Gehülfen gehörig festhalten; oder man legt sie, wenn nicht eben eine Harnverhaltung besteht, vorsichtig nieder, bindet ihnen die Füsse jeder Seite zusammen, zieht dieselben dann mittelst Gurten und Stricken nach vorn und befestiget sie an einen um den Hals gelegten Gurt. Hierauf lässt man ihnen eine Rückenlage geben und durch einen beson­dern Gehülfen den Schwanz nach einer Seite hinziehen.
Die Operation kann bei männlichen Thieren nach 2 Methoden aus­geführt werden, nämlich:
1)nbsp; durch das obere Ende der Harnröhre und den Blasenhals und
2)nbsp; durch den Mastdarm.
Die erstere Methode wird am gewöhnlichsten in Anwendung ge­bracht, weil sie weniger mit Gefahr begleitet und die bei ihr entstan­dene Wunde leichter heilbar ist. Zu ihrer Ausführung macht man zuerst die Harnröhre im Mitlelileische etwas mehr sichtbar, um ihr Auffinden und das Eindringen in sie zu erleichtern. Für diesen Zweck bringt man entweder bei Pferden eine eiserne 2£ Fuss lange, 3 Linien dicke, am vordem Ende nach der Krümmung der Harnröhre gebogene und an der convexen Seite mit einer Rinne versehene Sonde in die Harnröhre auf die Weise, wie der Katheter eingebracht zu werden pflegt; besser aber ist es, einen elastischen Katheter oder eine ent-
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Die Uarnbiasensteine. Blasenschmtt.
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sprechend lauge und dicke Fischbeiusoudc bis zu dem Blasenlialse iu die Harnröhre einzufuhren, oder aucli die letztere mit lauwarmem Wasser oder mit einer schleimigen Flüssigkeit mittelst einer Spritze vollzuspritzen. Im letzteren Falle muss man, um die Flüssigkeit in der Harnröhre zu erhallen, ein breites Band über der Eichel um das Glied legen und dasselbe hierdurch massig fest zusammenschnüren; in den andern Fällen lässt man die Sonde oder den Katheter während der Dauer der Operation durch einen besoudern Gehülfen in der Harn­röhre erhalten. Nach geschehener Ausdehnung der Harnröhre macht man mit einem geballten Bistouri unmittelbar unter dem After in der
Mittellinie des Miltellleisches einen ungefähr 1
2i Zoll langen Schnitt
durch die Haut, durch die sehr dünne sehnige Ausbreitung, durch den After - Rutlienmuskel und den Harnschneller bis auf die hintere Wand der Harnröhre selbst. Dieser Schnitt muss vorsichtig mit sanften Messerzügen auf die Weise gemacht werden, dass die Wunde äusser-lich etwas länger als in der Tiefe und an ihrem untern Winkel recht eben erscheint, damit Infiltrationen des Urins vermieden werden. Girard1) hat empfohlen, den Schnitt nicht in der Mittellinie, sondern ein wenig seitlich neben der Harnröhre zu machen, weil man dann bei dem weitem Aufspalten der Harnröhre nach oben am besten Verwun­dungen des Alastdarms, der Arterien und des Bulbus urethrae vermeidet, während diese Tlieile bei dem Aufschneiden der Harnröhre in der Mittellinie leicht betroffen werden. In die blossgelegte Harnröhre macht man einen Einstich oder Einschnitt mit einem spitzen Bistouri und führt dann in denselben eine. Hohlsonde mit ihrer Spitze nach dem Blasen­halse zu, die Rinne nach oben gekehrt. Dass man in die Harnröhre wirklich eingedrungen ist, zeigt das Sichtbarwerden des Katheters oder der Sonde, oder auch das Ansfliessen der vorher in den Kanal inji-cirten Flüssigkeit. In die Hohlsonde, von ihrer Rinne geleitet, setzt man das Knopfbistouri und schneidet die Harnröhre und den hintern Theil der Blase durch, indem man das Messer nach oben und ein wenig seitlich neben dem Afler vorwärtsschiebt. Wenn der Blasen­hals eingeschnitten ist, entsteht sogleich ein reichlicher Ausfluss des Urins. Die Grosse der hier zu machenden Wunde muss immer der Menge des Urins in der Blase entsprechend sein und ungefähr bei Pferden li—2 Zoll betragen. Gleich nach dem Aufspalten des Blaseu-halses gehl man unter der Hohlsonde mit dem linken Zeigefinger iu die Blase ein und leitet an ihm sogleich die mit Oel bestrichene Stein­zange geschlossen iu dieselbe und sucht mit ihr den Stein auf, indem man die Zange, mit der coneaven Seite nach dem Schaanibein gekehrt
allmälig tiefer einführt und sie dabei beständig von recht: und wieder zurück halb um ihre Längcnaxe wendet.
nach links eilen bleibt
der Stein während der Operation an derselben Stelle liegen, wo man ihn vorher bei der Untersuchung durch den Mastdarm gefunden hatte und es ist desswegen zweckmässig, die Zange bis zu dieser Stelle hiu-zuführeu. Findet man ihn aber auf die bezeichnete Weise nicht, so
1 ) Mémoires sur les calculs vesicaux et l'operation de la Taille dans le dieval. Paris 1823.
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Harnblasensteinc. BlnsenschnUt.
muss man die Untersuchung durch den Mastdarm wiederholen und die Zange dann dahin führen, wo man ihn eben fühlt. Man erkennt das Auffinden des Steins durch den cigeuthiimlichen harten, gewissermassen metallischen Ton, welcher bei dem Anstossen der Zange an den Stein entsteht. Ist der Stein gefunden, so olTnet man vor ihm die Zange ganz vollständig, schiebt sie dann noch etwas tiefer in die Blase, so dass ein Zangenlöllel rechts und der andere links neben dem Steine liegt und drückt hierauf ihre Handgriffe langsam und massig fest an­einander. Nach der Regel soll der Stein in seinem schmalen Durch­messer ergrillen werden, um ihn so mögliclist leicht durch die Wunde zu bringen; dies ist jedoch nicht immer möglich, wenigstens nicht, so lange der Stein im Grunde der Blase Hegt; hat man ihn aber bis zu dem Blasenhalsc gebracht, so kann man die Zange öffnen, dem Stein durch die in den Mastdarm geführte Hand eine andere Lage geben, ihn dann von Neuem ergreifen und herausziehen. Wenn der Stein in der Blase mit der Zange allein nicht gut zu erfassen ist, so kann man zur Mithülfe die in das Rectum geführte Hand benutzen. Dass der Stein sich in der Zange befindet, fühlt mau wieder an dem harten Tone bei dem Schliessen derselben und ausserdem ist das letztere in dem Ver­hältnisse unvollständig, wie eben der Stein gross ist. Nach dem Er­fassen legt man den Zeigefinger der rechten Hand zwischen die beiden Handgriffe, um das zu feste Zusammendrücken und die Zermalniung des Steins, wie auch, um Quetschungen der Wandränder oder der Blasenwanduugen zwischen dem Schloss der Zange zu verhüten. Um zu erforschen, ob letzleres geschehen ist, macht man mit der Zange eine halbe Drehung um ihre Achse, und wenn dieselbe ohne Wider­stand gelingt, zieht man die Zange und den Stein allmälig aus der Wunde hervor. Das Hervorziehen gelingt jedoch in manchen Fällen sehr schwer, in anderen gar nicht, weil entweder 1) die Blase sich zu sehr zusammengezogen hat; oder 2) weil die Wunde im Verhältniss des Steins zu klein ist; 3) weil der letztere nicht in seinem schmalen Durchmesser erfasst ist; 4) weil er in einer sackartigen Vertiefung liegt und 5) weil er zu zerbrechlich ist.
Das sub 1. angegebene Hinderniss tritt am häufigsten ein, beson­ders wenn der Schnitt im Blasenhalse sehr gross gemacht ist und in Folge dessen der Urin sich plötzlich entleert, besonders bei sehr reiz­baren Thieren, oder auch wenn man mit dem Einführen der Zange nicht gleich nach gemachtem Schnitte vorgeht. Man spritzt hier durch die Wunde irgend eine lauwarme, schleimige oder selbst narkolisehe Flüssigkeit in die Blase und versucht dann die Einführung der Zange sogleich und wiederhol! es nöthigenfalls noch mehrmals. — Eine zu kleine Wunde muss mittelst des Knopfbistouris auf dem in den Blasen­hals geführten Finger bis zur erforderlichen Weite vergrössert werden. Ist aber der Stein so übermässig gross, dass die Spaltung des ganzen Blasenhalses zur Herausbeförderung nicht genügt, so muss man entwe­der den Stein mittelst der Zange zn zerdrücken versuchen, was aber nur bei mürben Steinen gelingt, oder man dehnt die Wunde und den Blasenhals durch allmäligc Erweiterung der Steinzange mehr und mehr aus, bis die nöthige Weite zum Durchführen des Steines gewonnen ist. Dieses Verfahren ist jedoch wegen der hierbei entstehenden Quet-
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lianibiasensteiiie. Biasenschnitt.
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schung uud mögiichuu Zerreissung der Blase eiu gewagtes Unlernebmen. — Das sub 3. angegebene unriehtige Erlassen des Steins bemerkt man, wenn derselbe nicht herauszubringen ist und wenn man in Folge dessen durch den Mastdarm fühlt, sehr deullich. Man ölliict die Zange etwas, schiebt den Stein vom Rectum her in eine andere Kichluug und erfassl ihn dann wieder in dieser. — Das sub 4. genannte Hinderniss ist durch genaues Befühlen des Steins und der Jilase in seiner Umgebung mit der in den Mastdarm gebrachten üaiid zu erkennen und die Hülfe hierbei leistet man auf die Weise, dass man den Stein ebenfalls mit der in das Rectum geführten Hand durch die Blase hindurch ergreift uud ihn aus der eingesackten Stelle hervorzieht, worauf er mit der Zange in vorher angegebener Weise entfernt werden kann. — Die zu grosse Müibigkeit niaucher Steine ist schuld, dass dieselben bei dem Schliesseu der Zange zerbrechen und hierdurch ihr Herausziehen erschwert wird; indem man genüthigt ist, mit der Zange zu wiederholten Malen in die Wunde und in die Blase einzugehen und die zurückgebliebenen grosseren Stücke in derselben Weise, wie vorher den ganzen Stein, aufzusuchen, zu er­fassen und herauszuziehen. Die kleineren Slückchen sucht man durch wiederholtes Einspritzen einer schleimigen Flüssigkeit, oder auch bloss des warmen Wassers aus der Blase zu spülen. Manche Thierärzte empfehlen das Herausholen der kleinen Steinstückchen mittelst eines löffelartigcn Inslrumenls; dies ist jedoch mit grösserer Mühe und mit mehr Reizung verbunden, als das Herausholen derselben durch die In­jektionen. In derselben Weise muss man auch verfahren, wenn man genüthigt war, wie sub 2. angegeben ist, einen zu grossen Slein durch Zerdrückung zu zerkleinern. Nachdem der Slein entfernt ist, muss mau noch einmal die Blase durch den Mastdarm untersuchen, um zu erforschen, ob dieselbe nun ganz Irci von den Conkretionen ist, oder ob noch irgend wo ein Ueberrest sich befindet, welchen mau dann in der angegebenen Weise enll'eruen müsslc.
Nachdem der Schnitt in die Blase geschehen ist, kann der Kathe­ter, oder die Sonde, oder das um das Glied gelegte Band entfernt wer­den.— Die etwa entstandene Blulung stillt man sogleich durch die Un­terbindung oder die Torsion und durch kaltes Wasser. — Es entsteht nach der Operation immer eine Entzündung der verletzten 'fheile; ist diese massig, so darf man nur örtlich kalte Umschläge von Wasser oder Bleiwasser machen, erreicht sie aber einen hohen Grad, so sind auch BlutentZiehungen und innerlich einige Gaben von Calomel, bis Laxiren entsteht, anzuwenden. Der Urin flicsst nach der Operation zum Theil durch die Harnröhre, zum Theil durch die Wunde aus und diese wird durch den letztem Umsland gewöhnlich schwielig und ihre Heilung erfolgt schwer. Um diese üble Wirkung und zugleich das Ein­sickern des Urins in das Zellgewebe neben der Harnröhre zu verhin­dern, ist es zvveckmässig, gleich nach der Operation die Wunde dick mit einfachem Gerat zu bestreichen. Man hat auch für diesen Zweck vorgeschlagen, einen Katheter für den grössten Theil der Heilungszeit in der Wunde liegen zu lassen, um den Urin durch ihn auszuleeren; allein dies ist sehr umständlich und bei sehr reizbaren Pferden, so wie bei den übrigen Thiercn, wegen der doppelten Krümmung ihrer Harnröhre nicht gut auszuführeu. Dagegen ist es zweckmässig, den Thieren
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Harnblasensteine. BksenschniU.
in der ersten Zeit wenig Getränk zu geben, damit sie weniger Urin be­reiten. — Wenn die Harnrölire sich im Umfang der Wunde bedeutend verdickt, so wird hierdurch immer eine Verengerung ihres Lumens her­beigeführt und dadurch der Urin um so mehr gezwungen, durch die Wunde abzufliessen. Es entsteht eine Harnfistel. In diesem Falle wendet man die graue Merkurialsalbe, die Jodsalbc in Verbindung mit Exlr. Hyoscyami oder Extr. Belladonnae und warme Breiumschläge von narkotischen und schleimigen Mitteln auf die verletzte Stelle und ihre Umgebung an und erweitert nöthigenfalls die Harnröhre mittelst Durch­schneidung der verdickten Wände.
2. Die zweite Methode findet nach Girard besonders dann An­wendung, wenn die Blasenstcine so gross sind, dass man sie durch den Blasenhals und somit nach der ersten Methode nicht entfernen kann, ohne die betreffenden Theile grob zu zerren oder zu zerreissen; in an­deren Fällen ist sie aber weniger zu empfehlen, weil die Wunde des Mastdarms durch Kolh u. s. w. beständig verunreiniget wird und dess-halb schwer zu heilen ist, auch weil Theile der Exkremente in die Blase dringen und hier die Anhaltspunkte für neue Conkretionen bilden können. Ausserdern kann auch in unglückliehen Fällen der Urin sich in die Bauchhöhle ergiessen, wenn der Schnitt ein wenig weit nach vorn, da wo die Bauchhaut die Blase überzieht, gemacht wird. Bei kleinen Thieren ist diese Methode wegen Enge des Raums im Mastdarm gar nicht anwendbar.
Die Ausführung dieser Operation geschieht, indem man die linke Hand in den Mastdarm führt, die letztere mit den Fingerspitzen etwa 3 Zoll von dem After entfernt auf die Blase setzt und dann, an dieser Hand und den Fingern geleitet, mit der rechten Hand ein gerades Bi­stouri in den Mastdarm führt und dasselbe durch die untere Wand in die Blase sticht. Das Messer wird hierbei mit der Schneide nach der Aftermündung zu gehalten und bei dem Zurückziehen desselben aus der Blase erweitert man in dieser Richtung die Wunde auf 14, selbst bis auf 24.quot; Länge, je nach der Grosse des Steins. Hierbei wird die untere Wand des Mastdarms, die obere Wand der Blase an ihrem hintern Ende und ein ïhcil des Blasenhaises, mehrentheils auch der hinlere Rand der Vorsteherdrüse verletzt. Gleich nach dem Herausziehen des Messers dringt man mit zweien von den in der Nähe befindlichen Fingern der linken Hand in die Blase und sucht entweder mit ihnen unmittelbar den Stein zu erfassen, oder man hält nur mit ihnen die Wundränder aus einander und leitet an ihnen die in das Rectum geführte Steinzange in die Blase ein und sticht den Stein mit derselben zu erfassen und herauszuziehen.
Die Nachbehandlung ist hier nur auf öftere Reinigung des Mast­darms mittelst kleiner schleimiger Klystiere und auf magere Diät be­schränkt.
Bei dem oben erwähnten erdigen Bodensatz in der Blase muss im äussersten Falle ebenfalls der Blasenschnitt durch den Blasenhals ge­macht und dann dieser Niederschlag theils durch einen schmalen Löffel, theils durch oft wiederholte Injektionen von schwachem Seifenwasser entfernt werden.
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Harnröhrensteine.
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Obgleich bei deo weiblichea Thieren die Steine gewöhnlich durch die weile Harnröhre abgehen, so geschieht es doch zuweilen, dass sie sich längere Zeit in der Blase aufhalten und eine ungewöhnliche Grosse erreichen, und eben so häuft sich zuweilen das erdige Sediment in der Blase bei ihnen an. Es entstehen dadurch dann eben solche Zufälle, wie bei den männlichen Thieren, und man findet bei der Unlersucliung mit dem in die Harnröhre eingeführten Finger, oder bei kleinen Thieren mit einer Sonde, den Stein in der Harnröhre oder im Blasenhalse fest­sitzend, selten liefer in der Blase. Um hier die Steine zu lösen und zu entfernen, genügt häufig die kunstliche Erweiterung des Blasenhalses oder der Harnröhre. Man bewirkt dieselbe, nachdem das Thier ge­bremset und gehörig befestiget ist, durch allmälige Ausdehnung entwe­der mit einem Finger oder bei kleinen Thieren auch mittelst einer recht dünnen Kornzange, welche letztere man geschlossen einführt und sie nach und nach weiter öffnet. Dies darf jedoch immer nur sehr vor­sichtig geschehen, damit keine Zerreissungen enlstehen. Gelingt dies aber nicht, so kann man die Harnröhre und den Anfang des Blasenhalses vorsichtig einschneiden und hierdurch erweitern. Dies geschieht, indem man bei grossen Thieren einen Finger, bei kleinen eine Hohlsonde in die Harnröhre bringt und, hierdurch geleitel, mit einem schmalen Knopf-bistouri den Blasenhals in der Richtung nach vorn etwa 3 — 6 Linien tief einschneidet. Hierauf kann man den Stein mit der Zange oder auch selbst mit einem Finger hervorziehen. Ein sandiger Niederschlag kann bei den Stuten mittelst eines kleinen Löffels und durch Ein­spritzungen von warmem Wasser beseitiget werden.
Die Nachbehandlung besteht in Einspritzungen von kaltem Wasser in die Scheide, in Ruhe und in magerem Futter.
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Drittes Capitel.
Die Harnröhrensteine.
In der Harnröhre männlicher Thiere finden sich Steine, welche jedoch nicht in derselben erzeugt, sondern aus der Blase in sie mehr oder weniger tief eingedrungen sind. Am häufigsten hat man dieselben bei männlichen Rindern, weniger oft bei Schafen, ausserdem aber auch bei Hengsten und Wallachen und bei männlichen Schweinen und Hun­den gefunden. Gewöhnlich sind diese Steine rundlich oder länglich­rund, zuweilen aber auch mit Ecken und Spitzen versehen. In der Regel ist nur ein Stein zugegen, in seltenen Fällen haben sich deren auch zwei vorgefunden. Bei Pferden hat man sie an verschiedenen Punkten, vom Blasenhalse bis zur Eichel und, im Vergleich zu anderea
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Hamröhrensteine.
Thieren, am grössten gefunden, z. B. in der Grosse [eines Taubeneies und selbst einer Wallnuss. Bei dem Kindvieh sitzen sie immer zwi­schen der Sitzbeinsfügung und dem obcrn Ende des Hodensackes, ge­wöhnlich au oder in der S-förmigen Krümmung der Harnröhre f weil hier dieselbe bedeutend enger wird und weil die Krümmung an sich den Durchgang erschwert). Bei Schafen lindet man die Steine meh-renthcils zwischen der S-förmigen Krümmung und dem vordem Ende des Gliedes (weil die Harnröhre hier am engsten ist), zuweilen aber auch in der Krümmung und selten über ihr. Bei Hunden können sie im ganzen Verlauf der Harnröhre sitzen, gewöhnlich aber findet mau sie am obern Ende des Ruthcnknocheus. Bei dem Rindvieh sind diese Steine ungefähr von der Grosse einer Erbse bis zu der einer kleinen Bohne, bei den übrigen Thieren etwas kleiner. Die glatten Steine sind zuweilen durch Druck mit den Fingern von der Stelle, wo man sie zuerst iindet, etwas zu verschieben, zuweilen sind sie aber eingeschnürt und festsitzend und die mit Rauhigkeiten versehenen Steine verändern in der Regel ihren Ort nicht.
Man erkennt das Dasein eines Steins in der Harnröhre aus einem öfters wiederholten Drängen zur Urinenlleerung, wobei aber entweder gar kein Urin, oder nur einzelne Tropfen, oder ein dünner Strahl mit Mühe entleert wird; bei der örtlichen Untersuchung findet man weder die Harnröhreumündung verstopft, noch irgend ein Hinderniss in der Harnblase (siehe Harnverhaltungen S. 680), wohl aber die Harnröhre im Miltelllcisch sehr ausgedehnt und elastisch üuktuireud, und unter der ausgedehnten Parthie dieses Theils fühlt man bei sorgfälligem Be­tasten immer eine Härte in der Harnröhre an der Stelle, wo eben der Stein sitzt; bei stärkerem Druck zeigen die Thiere an dieser Stelle mehr oder weniger Schmerz; bei dem Einführen eines Katheters oder einer entsprechenden Sonde in die Harnröhre fühlt man an der betrell'enden Stelle Widerstand durch einen fremden Körper. Ausserdem findet man in der Regel auch die Harnblase voll von Urin, ja zuweilen bedeutend ausgedehnt. Bei allen Thieren finden sich die bei den Harnverhallungcn angegebenen Symptome bald mehr, bald weniger ausgebildet hinzu, je­doch treten dieselben bei dem Rindvieh gewöhnlich erst nach Verlauf von mehreren Tagen deutlich erkennbar hervor; die Thiere zeigen viel­mehr während der ersten Tage guten Appetit, kein Fieber, ein mun tercs Benehmen und auch verhältnissmässig sehr geringe Urinbeschwer­den, obgleich sie wenig oder gar nicht harnen. Man kann daher bei diesen Thieren fast in allen Fällen annehmen, dass, wo Erscheinungen der wirklichen Harnverhaltung und allgemeine Krankheitssyniplonie bemerkbar werden, das Uebcl bereits seit mehreren Tagen besieht. Diese allgemeinen Symptome sind unruhiges Hin- und Hertreten, Schla­gen mit den Füssen nach dem Leibe, fruchtloses Drängen zur Harn­entleerung, Traurigkeit, Zurücktreten von der Krippe und etwas be­schleunigter Puls u. s. w.
Bei Schafen treten dagegen die Erscheinungen gleich vom Anfange an deutlicher hervor, indem die Thiere das Futter versagen, sich ruhig in einen Winkel des Stalles stellen, auf der Weide zurückbleiben, den HaU öfters dehnen und strecken, den Kopf zur Erde senken, mit den
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Harnrölirensteinc. Harnröhrenschnitt.
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Zabnen knirsclieii und oft auch aus dem Maule geifern; dabei stellen sie sich oll mit den Hinterfüsseu breit, wedeln mit dem Schwänze, heben den Kopf in die Höhe und geben einen schmerzhaften, blöken­den Ton von sieb, während mitunler einige Tropfen Urins abgehen. Um bei den erwäbuten Erscheinungen und bei der Anfiillung der Blase noch sicherer zu wissen, ob die Thiere nicht uriniren können, hält mau einem Schafe durch einige Sekunden die Nase zu, worauf es gewiss harnt, wenn kein Hinderniss vorhanden ist.
Hunde zeigen sich bei einem Stein in der Harnröhre unruhig, stel­len sich oft vergeblich zum Uriniren, oder sie pressen nur einige Tropfen hervor; durch den After fühlt man die Blase sehr voll, den ßlasenhals aber gesund, und zuweilen fühlt man den Stein in der Harnröhre und bei angebrachtem Druck zeigen die Thiere deutlichen Schmerz. Fast immer kann man mittelst einer Sonde den Stein deutlich fühlen.
Beurtheilung. Die Steine in der Harnröhre verursachen örtlich Heizung, Entzündung, zuweilen selbst Eiterung oder Brand, doch kommt es zu diesen letzteren beiden Ausgängen sehr selten, da die Thiere in der Regel eher an Entzündung und Berstung der Blase und an den Folgen derselben zu Grunde geben. Die Berstung der Blase erfolgt bei verschiedenen Tbieren bald schneller, bald langsamer und es tritt in Folge derselben gewöhnlich grösserc Mattigkeit, Fieber mit kleinem, schnellem Puls, stierer Blick, mehr angestrengtes Athmen, Ausdehnung des Bauches, selbst ödematöse Anschwellung an der untern Wand desselben und zuweilen schon nach 3 Tagen, gewöhn­lich aber erst nach 8 Tagen und bei dem Rindvieh nicht selten erst nach 14 Tagen der Tod ein. Nur in seltenen Fällen löst sich ein Stein aus der Stelle, in welcher er gleichsam eingeschnürt ist und gehl entweder durch die Harnröhre nach aussen ab, oder er weicht wie­der in die Blase zurück. Thiere, welche einmal diesem Uebel unter­worfen waren, leiden zuweilen nach einiger Zeit au Rückfällen.
Die Kur besteht nur allein in der Entfernung des Steins aus der Harnröhre. Dieselbe kann bei Pferden dadurch versucht werden, dasgt; man Einspritzungen von Schleim oder von einem milden Ocl iu die Harnröhre macht, dann das Glied über der Eichel zusammendrückt und die Flüssigkell in der Harnröhre durch Streichen mit der Hand gegen den Stein treibt, hierdurch die Harnröhre erweitert und den letzlern löset, so dass man ihn dann durch gelindes Streichen und Drücken von oben nach unten zu der Mündung der Harnröhre drän­gen kann. Morton ') zerdrückte sogar einen Stein in der Harnröhre und konnte dann die Stücke leicht entfernen. Bei den übrigen Tbie­ren ist ein solcher Versuch nicht anwendbar und auch bei Pferden gelingt er nicht immer. Es bleibt dann hier, und so auch immer bei den übrigen Tbieren, nichts anderes zu thun übrig, als der Harnröh­renschnitt.
Der Harnröhrenschnitt (Urethrolomia) kann bei recht ruhigen
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') On calculons concretions in the horse etc. London 1844. Mit Abbil­dungen.
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Harnröhrensteine. Harnröhrenschnitt.
Pferden und Rindern im Stehen gemacht werden, nachdem dieselben gespannt, gebremset und von Gehülfen gehörig fest gehalten sind; da aber die Thiere hierbei selten in der nölhigen Ruhe aushalten, so ist es in den meisten Fällen nölhig, abzuwarten, bis sie sich von selbst niederlegen, oder man sucht sie möglichst sanft auf eine recht hohe Streu niederzulegen. Jedes zu plötzliche Niederwerfen der Thiere kann bei der Fülle der Blase leicht eine Berstung derselben herbeiführen. Die Thiere werden auf die linke Seite gelegt, der rechte Hinterfuss wird entweder auf den rechten Vorarm gebunden, oder mittelst eines Strickes oder Gurtes an den Hals gezogen. Schafe und Hunde legt man auf einen Tisch, am besten auf den Rücken, und bindet die Füsse jeder Seite kreuzweis an einander; Hunden bindet man zugleich das Maul zu. Hierauf fühlt man an die Stelle der Harnröhre, wo man früher den Stein gefunden, ob derselbe auch jetzt, nach dem Nieder­legen, noch an derselben Stelle liegt. Ist dies der Fall, so macht man unmittelbar auf dem Stein eiuen der Grosse desselben entsprechenden Einschnitt, bei Pferden von circa 1|- Zoll Länge, bei Rindern eben so, bei Schafen einen Schnitt von etwa einem Zoll. Man spaltet in der Längenrichtung der Harnröhre die Haut, das Zellgewebe und die hin­tere oder untere Wand der Harnröhre selbst, und presst dann den Stein aus der letztern hervor oder zieht ihn mit einer Pinzette heraus. Bei dem Einschneiden hat man darauf zu sehen, dass die Wundränder recht gleichmässig und eben werden, und dass an dem untern Winkel (das Thier stehend gedacht) in den durchschnittenen Schichten keine Höhlen sich bilden, in welche der Urin infiltriren könnte. Nach Ent­leerung des Urins reiniget man die Wunde und lässt das Thier auf­stehen. — In denjenigen Fällen, in welchen man den Stein äusserlich nicht deutlich fühlt, was besonders bei Rindern öfters vorkommt, macht man den Einschnitt da, wo das Thier bei dem Herunterstreichen mit den Fingern an der Harnröhre Schmerz äussert; und wenn auch die­ses Merkmal fehlt, schneidet man gerade über dem Scroto, möglichst nahe der S-förmigen Krümmung, in die Harnröhre ein, weil dann, wie oben angedeutet, der Stein gewöhnlich in diesem Theile der Harnröhre steckt. Bei dem Rindvieh und bei Schafen kann man, nachdem der Hautschnitt an dieser Stelle gemacht ist, die S-förmig gekrümmte Harn­röhre mit den Fingern umfassen, aus der Haut hervorziehen und den Einschnitt in sie an der Stelle machen, wo man nun eben den Stein gefunden hat: doch ist dabei zu bemerken, dass der Schnitt nicht über dem Stein nach dem After zu, sondern lieber eine Linie unter ihm gemacht werden soll, weil dann der Stein leichter zu entfernen ist und der Urin sich nicht so reichlich zwischen die verwundeten Theile er-giesst, wie wenn der Schnitt über dem Stein gemacht worden ist. Nachdem der Stein hervorgepresst oder mit einer Pinzette herausge­nommen worden ist, geht man mit einer Sonde in die Harnröhre und untersucht mit ihr dieselbe nach oben und unten, ob sie völlig frei oder ob noch ein zweiter Stein zugegen ist. Im letztern Falle bemüht mau sich, denselben durch gelindes Drücken und Streichen zur Wunde hinzubewegen und durch dieselbe zu entfernen. Sollte dies nicht nütz­lich sein, so muss an der Stelle, wo der Stein eben festsitzt, ein zwei-
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Ilarnröhrensteinc. Harnröhrenschnitt
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ter Einschnitt auf dieselbe Weise gemacht nnd verfahren werden, wie angegeben ist. Nach dem Aufstehen stellen sich die Thiere gewöhn­lich zum Uriniren, und wenn man sieht, dass dasselbe im #9632;vollen Strahl geschieht, kann man annehmen, dass die Harnröhre völlig frei und die Operation gelungen ist. Wenn der Urin während der Operation durch die Wunde vollständig abgeflossen ist, findet das Uriniren gewöhnlich erst nach mehreren Stunden statt. Dieterichs ') hat empfohlen, in denjenigen Fällen, wo der Stein nicht von aussen gefühlt wird, immer den Einschnitt zwischen dem H lasen halse und der S-förmigen Krüm­mung zu machen und dann mit einer Sonde den Stein in der Harn­röhre aufzusuchen; dies ist jedoch, wenn man auf die im Vorstehen­den angegebene Weise verfahrt, nicht noting und ausserdem auch nicht zweckmässig, weil der Urin sich dann gewöhnlich vollständig cutleert, die Harnröhre sich zusammenzieht und der Stein dadurch mehr fest eingeschnürt, oft auch eine zweite Oeflnung' noting wird.
Da zuweilen die Heilung der Harnröbrenwunden schwer gelingt und Fisteln zurückbleiben, bei welchen beständig der Urin den Thieren au den Schenkeln herunterläuft und die Haut wund macht, so hat Raeber 2) bei mehreren Ochsen eine —jförmige Röhre von Blei gleich nach der Operation in die Harnröhre eingesetzt und sie in derselben einwachsen lassen. Die Thiere uriniren dann durch diese Röhre nach hinten, fast in ähnlicher Weise wie die Kühe.
Bei Schafböcken und Hammeln wird die Operation ein wenig ab­weichend von dem angegebenen Verfahren auf die Weise ausgeführt, dass der Operateur mit den Fingern der linken Hand die Vorhaut er-fasst, sie etwas erweitert und zurückschiebt, darauf aber mit der rech­ten Hand den gewöhnlich in die Höhe gezogenen Penis von aussen, vom Millelfleisch her, hervorschiebt: ein Gehiilfe ergreift dann densel­ben und der Operateur, der indessen seine rechte Hand frei bekommen hat, führt eine dünne Metallsonde durch die Mündung der Harnröhre bis zu dem Stein. Neben demselben drängt man die Sonde nach hin­ten, um äusserlich die betreffende Stelle bemerkbar zu machen, und lässt sie von einem Gehülfen genau eben so halten. Hierauf scheert man au der hervorgedrängten Stelle die Wolle im Verlauf der Harn­röhre gegen 2 Zoll lang und 1 Zoll breit gründlich ab, Nun macht mau daselbst einen 6 —12 Linien langen Hautschnitt, präparirt das unter der Haut liegende Fett rein ab und durchschneidet die Harnröhre etwa 4 Linien lang gerade auf dem Knopf der Sonde, drängt dann mit den Fingern den Stein zu der Ocffnung, ergreift ihn mit einer Pinzette und zieht ihn hervor.
Bei Hunden verfährt man im Wesentlichen eben so.
Wenn sich bei einem Thiere der Stein in dem untern Theile der Harnröhre, wo der Penis von der Vorhaut bedeckt ist. findet, und derselbe nicht durch die Mündung hervorgepresst werden kann, so ist auch hier entweder der Einschnitt an der betreffenden Stelle in die
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') Handbucli der Veterinär-Chirurgie. Seite 010. Berlin 1622. ') Archiv gehweuer Thierärzte. Bd. I. Stück 4. Seite 47.
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Vorhautsteine,
Harnröhre zu machen, oder auch die UarnröhreumüaduDg durch Auf­spalten zu erweitern.
Die Nachbehandlung besteht bei den verschiedenen Thieren gleich­artig zuerst in der fleissigen Anwendung des kalten Wassers auf die Wunde und später, wenn Eiterung eintritt, in Waschungen mit schlei­migen Mitteln. Wird die Wunde callös, so betupft man sie von Zeit zu Zeit einmal mit Höllenstein und macht dann warme Umschläge von schleimigen Mitteln. Zuweilen entstehen durch die Infiltration des Urins in das Zellgewebe neben der Harnröhre sehr grosse Oedeme an dem untern Theile des männlichen Gliedes und an der Vorhaut; diese Anschwellungeu scarifizirt man und wäscht sie mit gelind aromatischen und zusammenziehenden Mitteln. Uebrigens müssen die Thiere in der ersten Zeit ruhig gehalten, wenig getränkt und mit milden Nahrungsmitteln in massiger Menge ernährt werden.
Vierfes Capitel. Die Vorhautsteine.
Bei männlichen Pferden kommen zuweilen, bei Schweinen sehr oft Steine in den blinden Taschen der Vorhaut vor. weil bei diesen Thieren sich Urin in dem frühem sackförmigen Theil, der eben die Taschen bildet, ansammelt. Diese Steine sind meist länglich - rund, bei Pferden 2 — 3 Zoll lang und gegen 1 Zoll dick, bei den Schwei­nen sind sie eben so geformt oder auch kugelförmig, von der Grössc einer Ilaselnuss bis zu der einer Wallnuss; bei beiden ist die Ober-lläclie mit warzigen und spitzigen Erhabenheiten besetzt und raub. So lauge diese Concremenlc nicht die bezeichnete Grosse erreicht ha­ben, veranlassen sie gewöhnlich keine nachtheiligen Folgen, dann aber drücken und reizen sie und erzeugen in manchen Fällen Urinbeschwer­den, indem sie den Abgang des Harns aus der Harnröhre bald mehr, bald weniger hindern, so dass die Thiere eine ungewöhnlich lange Zeit zu diesem Geschäft brauchen.
Man erkennt den Zustand sehr leicht, wenn man, aufmerksam gemacht durch das beschwerliche Uriniicn, die Vorhaut in ihrem gan­zen Umfang, und besonders nach oben und hinten, mit den Fin­gern untersucht und dabei den rauhen, immer aber festsitzenden Stein fühlt.
Als Ursache ist lediglich das beständig wiederholte Einsickern des Urins in die bezeichneten Taschen der Vorhaut und das Verweilen desselben in ihnen zu betrachten; die Steine bilden sich dann durch Krystallisation der Harnsalze,
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Vorhautstuine.
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Die Beurtheilung ist günstig, denn mau kauu durch leichte Hülfe die Steine entfernen.
Die Hülfe besteht darin, dass man mit dem mit Oel bestrichenen Zeigefinger in die taschenförmigen Vertiefungen einzudringen und den Stein hervorzuheben sucht, oder, wenn dies nicht gelingt, darin, dass man einen Einschnitt in den Rand der Tasche, innerhalb der Vor­haut, macht und nun den Stein hervorzieht. Durch einen solchen Einschnitt wird zugleich der fernem Ansammlung des Urins vorge­beugt.
Die Nachbehandlung besteht in dem durch etwa 3 Tage wieder­holten Bestreichen der Tasche und der Wundränder mit Fett oder mit Ceratum saturni.
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Fünfzehnte Classe.
Geschwüre (ülcera).
Erster Abschnitt.
Von den Geschwüren im Allgemeinen.
Als Geschwür (Ulcus, Helcos) bezeichnet man jede solche Eiler oder Jauche absondernde Sekrelionsfläche, in welcher der Vegetations-prozess so abnorm ist, dass ihr die Tendenz zur Wiederherstellung der organischen Continuität für immer oder für einige Zeit abgeht. Das Wesentliche bei den Geschwüren ist ein modifizirtcr Eitcrungsprozess, welchen man quot;Verschwärung (Ulceratio s. Helcosis) nennt. Dieser abnorme Eiterungsprozess beruht seinerseits wieder auf einer unregel-mässigen. oft spezifischen und in den meisten Eällen schleichenden Ent­zündung. Der Ulceralionsprozess kann, wie der Entzündungs- und gutartige Eiterungsprozess bei der Abscessbildung, durch einige^ Zeit in dem Gewebe der Theilo bestehen und daselbst in der Tiefe Zerstörun­gen erzeugen, aber er ist dann noch kein wirkliches Geschwür, sondern er wird 7.11 demselben erst, wenn die Ukeration eine frei liegende Fläche erreicht. Die in den Geschwüren erzeugte Flüssigkeit pflegt man im Allgemeinen als Jauche (Ichor, Sanies) zu bezeichnen und als ein eigenlhümliche-, keiner andern thierischen Flüssigkeit vergleichbares Se­kret zu betrachten. Allein, wenngleich allerdings die Jauche einen, vom guten Eiter abweichenden und in manchen Geschwüren selbst einen spezitlschea Charakter besitzt, so ist man doch genöthigt, sie für mo-difizirten Eiter zu hallen, da sie stets, wie der Eiter, mikroskopische Eiterkügelchen besitzt, die aber gewöhnlich in geringerer Menge, mit vielem Serum und mit mehr Partikelchen von der aufgelösten organi­schen Substanz, so wie in manchen Fällen mit einem Thcile der in dem Organ abgesonderten Säfte und zuweilen mit einer schleimähnlichen Feuchtigkeit gemengt ist. Die Geschwüre sind mchrenlheils mit der Seite 54 angegebenen Geschwürs haut ausgekleidet und manche Pa­thologen finden darin das Wesentliche der Ulceralion und die Eigen-thümlichkeit der ulccrativen Absonderung; allein diese Haut fehlt häufig,
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Geschwöre im Allgemeinen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;751
namentlich in denjenigen Geschwüren, deren Tendenz vorwaltend auf'
Zerstörung gerichtet ist.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;'4A^
#9632;laquo;#9632;{•'#9632;#9632;
Die Erkennung der Geschwüre im Allgemeinen beruht auf dem Dasein einer eiternden oder jauchenden Fläche, welche in der Regel eine missfarbige, oft bläuliche, gelbliche oder sehr blasse Farbe besitzt, dabei bald wuchernde und schlaue, bald wieder eine ganz mangelnde Granulation zeigt, und deren Bänder zuweilen verdickt, in anderen Fällen zernagt, abgelöst oder umgebogen sind, und aus welcher eine dünne, röthliche oder bräunliche, zuweilen auch eine eiterig schleimige, zähe Materie (die Jauche, der Geschwürseiler) schwitzt, die nicht seilen die umliegenden Theile anfrisst. Oft sind ausserdem noch um das Geschwür ödematöse Anschwellungen, Callositäten, angeschwollene Lytnphgefässe und Drüsen, oder die Haut ist missfarbig, dunkelroth oder bläulich. In den einzelnen Fällen findet man jedoch bei den Geschwüren mehrfältige Verschiedenheiten, welche man unter folgende Gesichts­punkte gebracht und die Geschwüre danach eingetheilt hat, nämlich: 1. nach der Dauer, II. nach der Form und Beschaffenheit, III. nach dein Zustande der Vitalität oder der Reaction, IV. nach den Ursachen und V. nach dem Sitz.
I.nbsp; nbsp;Nach der Dauer unterscheidet man die Geschwüre in frische und veraltete, je nachdem sie erst vor Kurzem entstanden oder schon seit längerer Zeit gedauert haben. Manche Geschwüre dauern durch das ganze Leben ciues Thieres, werden dem Körper gewissermassen zur Gewohnheit und man pflegt sie dann habituelle Geschwüre zu nennen.
II.nbsp; nbsp;Hinsichtlich der Form berücksichtigt man den Grund, den Rand, das Sekret und die umgebenden Gebilde eines Geschwürs; und man unterscheidet hiernach o. runde Geschwüre, b. unregelmässig ge­staltete Geschwüre, c. flache, d. vertiefte, e. Hohlgesehwüre, f. fistulöse, g. erhabene, h. reine, i. unreine, k. callöse, l. fungöse, m. fressende, n. faulige, o. brandige, p. kariöse Geschwüre.
C. die runden Geschwüre geben sich durch die rundliche Be-gränzung der Geschwürsründer deutlich zu erkennen; sie können übri­gens hinsichtlich ihrer Tiefe und der Beschaffenheit ihres Grundes und direr Bänder sehr verschieden sein, doch neigen sie mehrentheils zur Heilung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ^
b. Die unregelmässig gestalteten sind an den Bändern und am Grunde mit verschiedenen Ecken und Winkeln versehen, dabei ihre Bänder ungleich dick, mehr oder weniger umgebogen; im Uebrigen ist ihre Bcschairenheit verschieden, ihre Tendenz fast immer schlecht.
C. Die flachen Geschwüre zeichnen sich durch ihre geringe Tiefe und ihre niedrigen, mehrentheils glatten Bänder aus.
d.nbsp; nbsp;Die vertieften Geschwüre haben immer eine mehr in die Tiefe gehende Gcschwiirsfläche, welche jedoch ollen ist und wodurch sich diese Geschwüre von den Hohlgeschwüren unlerschciden.
e.nbsp; nbsp;Die Hohlgeschwüre zeichnen sich dadurch aus, dass ihre Bänder über den Grund nach der Breite zu lose hervorstehen und hier­durch Höhlen bilden; die Oeflnung des Geschwürs ist dabei stets we­niger umfangreich als die Grundfläche.
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Geschwüre im Allgemeinen.
/'. Ein fistulöses Gescbwär oder eine Fistel hat eiüe röhren-loiniigc Gestalt; sein Grund ist entweder eben so eng, wie das Ge-schwür selbst, oder er bildet eine Höhle, und zuweilen steht derselbe mit einem Absonderungsorgan oder mit dessen Ausl'ülirungsgang, mit kariösen Knochen oder Knorpeln oder mit halbzerstörten Bändern, Sehnen etc. in Verbindung. Zuweilen ist das Fistelgeschwür an beiden Enden ollen und man nennt es dann eine vollkommene, entgegenge­setzt eine unvollkommene Fistel — Man bezeichnet ferner die Fisteln ohne weiteren Zusatz als blosse Fistelgeschwüre, wenn der Fistelkanal an seinem Grunde mit einer eiternden Fläche endet; man benennt sie aber, wenn sie mit einem Absonderungsorgan in Verbindung stehen, entweder nach diesem Organ oder nach seinem Sekret, z. B. Thrä-nenfistel, Urinfistel, Kothfistel, Gelenkfistel u. s. w.
Die Erkennung der Fisteln ist zuweilen leicht, in anderen Fällen schmerig; gewöhnlich wird man zuerst auf das Dasein einer Fistel ge­leilet, -wenn aus einer Geschwürsöffnaug eine grössere Menge Eiter entleert wird, als nach dem äussern Umfange des Geschwürs zu ver-iniil heu ist; noch mehr aber, wenn der Auslluss durch gelindes Drücken oder Streichen an der Umgegend des Geschwürs von einer gewissen Richtung her vermehrt wird. Hiernach kann das wirkliche Dasein der Fistel sicher durch das Sondiren des Geschwürs in verschiedeneu Rich­tungen erforscht werden. Man benutzt hierzu am besten metallene, biegsame Sonden, welche man vor der Einführung mehr oder weniger stark krümmen kann, wenn das Eindringen der geraden Sonde nur in einer geringen Tiefe gelingen will. Zuweilen ist es noting, vorher die äussere Mündung der Fistel auf der Hohlsonde etwas zu erweitern, ehe man mit der Sonde in der erforderlichen Tiefe eindringen kann.
g. Die er ha benen Geschwüre sind eigentlich schwammartig über die zerstörte Haut hervorgewachsene dichte Granulationen, unter denen die Hautränder vertieft und kaum bemerkbar zurückgetreten sind.
h. Reine Geschwüre sind solche, welche sich in ihrer Beschaf-fenbeit einem gutartigen Abscess ähnlich zeigen; ihre Form ist. gewöhn­lich rundlich, ihre Ränder sind weich und flach, der Grund blassroth, mit ziemlich guter Granulation bedeckt, das Sekret dem guten Eiter ähnlich. Sie neigen zur Heilung.
i. Die unreinen Geschwüre verhalten sich den vorigen entgegen­gesetzt; ihre Form ist mehr unregehniissig, die Ränder sind ungleich, hart, aufgeworfen, zackigt, ihr Grund bald sehr blass, bald dunkelroth, livide, speckigt, welsslicht, oder die Granulation wuchert, blutet leicht; das Sekret ist dünne Jauche.
k. Das kailöse oder schwielige Geschwür zeichnet sich durch harte, zuweilen spcckähnlichc Ränder, oft auch durch eben solchen Grund aus; das Sekret ist von verschiedener Beschalfenheit.
I. Bei dem fuugösen oder schwammigten Geschwür wächst eine üppige Granulation mit lockerer Masse schnell und übermässig her­vor. Das Sekret ist verschieden.
nt. Als um sich fressendes oder phagedänisches Geschwür bezeichnet man dasjenige, welches sich immer mehr in der Oberfläche und oft auch in der Tiefe ausbreitet und somit die organische Substanz fortschreiiend zerstört oder verzehrt.
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tieschwüre im Allgemeinen.
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n. Das faulige (putride) Geschwür hal an seiner Oberfläche eine weiche, sclimulzige, stinkende Schicht von aufgelöster organischer Substanz, die sich leicht abwischen lässt; das Sekret ist eine sehr stin­kende, grünliche oder graue Jauche; die Ränder sind blass, welk, die Umgegend ist oft üdematös.
0, Bei dem brandigen Geschwür erscheint ein Theil der Ober­fläche oder der Ränder in einer gewissen Dicke wie bei dem Brande abgestorben, aber die Ränder sind bläulich, oft sind noch Entzündungs-symptome zugegen.
p. Das kariöse Geschwür ist wesentlich mit Caries oder mit Ne­crosis (S. 193 und 194) eines Knochens verbunden.
III. Nach dem Zustande der Vitalität oder der Reaction kann man die Geschwüre unterscheiden: 1) in entzündliche, 2) in crethi-sche und 3) in atonische Geschwüre.
1)nbsp; Das entzündliche Geschwür (Ulcus inllammatum s. inflam-matorium) äussert sich durch dunklere gleichmässige Röthung des Ge­schwürsgrundes, des Randes und der Umgebung; die Theile sind auch angeschwollen, vermehrt warm und schmerzhaft, letzteres jedoch nur in dem Grade, wie der Grad der Entzündung dies mit sich bringt. Die Absonderung in diesen Geschwüren vermindert sich oder sie hört auch gänzlich auf, während sie bei dem frohem Zustande und Cha­rakter des Geschwürs reichlich war, und zuweilen wird sie auch scharf. Gewöhnlich schwellen auch die Lymphgclässe und Lymphdrüsen in der Umgegend des Geschwürs an. In manchen Fällen trägt die Entzün­dung den erysipelatösen Charakter au sich, was man daran erkennt, dass die Rölhc bei dem Fingcrdiuck grösstcnlheils weicht und dass auch gewöhnlich ödematöse Anschwellungen, welche vermehrt warm sind, in der Umgegend des Geschwürs bestehen. Häufig zeigt auch der Puls eine fieberhafte Reizung. Diese Geschwüre entstehen gewöhn­lich nicht selbstständig, sondern sie nehmen den Enlzündungscharakter in Folge von Reizungen, von Anstrengungen u. s. w. an.
2)nbsp; Das erethische Geschwür (Ulcus irritabile oder erclhicum) zeigt sich in einem andauernden Reizungszustande, es ist schmerzhaft, bei Berührung sehr cmplindiieh, hat. oft eine unregelmässige Form, einen ungleichen Grund, indem derselbe mit zinnoberrothen oder dan-kelrothen Granulalioncn versehen ist. Das Sekret ist dünn, scharf, die Haut anätzend. Die Umgebungen zeigen sich leicht geröthet und ver­mehrt warm, und zuweilen besteht auch ein gereizter Puls. Diese Geschwüre kommen besonders an nerven- und gefässreichen Theilen vor, oft auch an hervorragenden Körperslellen und haben gewöhnlich eine Dyscrasie zur Grundlage. Doch können sie auch durch äusser-liche andauernde Reizung, durch oft wiederholtes Reiben und Scheuern, oder auch durch eine zu reizende Behandlung erzeugt werden.
3)nbsp; nbsp;Das atonische, asthenische, torpide Geschwür (Ulcus atonicum) zeichnet sich dadurch aus, dass seine Ränder gewöhnlich blass oder bläulich und mehrenthcils hart, zuweilen auch weich und schlaiTsind; der Grund granulirt wenig, oder es wachsen schlalfe, blasse Granulationen aus demselben hervor. Die abgesonderte Jauche ist ent­weder wässerig oder entgegengesetzt reich an Eivveiss und Schleim und bildet daher beim Vertrocknen leicht Borken; die Emptindlichkeit ist
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754nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Getchwure im Allgememen.
immer nur gering und gewöhnlich treten Veränderungen nur lang­sam ein.
IV.nbsp; nbsp;Nach den Ursachen theilt man die Geschwüre in idiopathi-sche und symptomatische. Die Ersteren entstehen durch örtliche Einwirkungen aus Quetschungen, Abscessen und Wunden, wenn z. B. durch ünreinlichkeit, unzweckmässige Behandlung, wiederholte Reizun­gen durch fremde Körper u. s. w. der Eitcrungsprozess gestört und die Heilung gehindert worden ist. —#9632; Den symptomatischen Geschwüren liegt ein anderer Erankhcilszustand zum Grunde, namentlich eine Dys-krasie, welche entweder bei der Eutwickelung bis zu einem gewissen Grade örtliche spezifische Entzündungen und hierdurch den Ulcerations-prozess herbeiführen, oder auch, auf bestellende Wunden oder Abscesse gleichsam Metastasen bilden und die vegetative Thätigkcit in denselben abnorm machen. Dies ist besonders der Fall bei dem Rotz und Wurm, bei manchen Hautkranklieilen, namentlich bei Flechten und bei dem Krebs, und mau bezeichnet nach diesen Krankheiten die Geschwüre als Rotzgeschwüre, W u r m g e s c h w ü r e, Flechtengeschwüre, Krebsgeschwüre u. s. w. Jede spezielle Art dieser Geschwüre ist durch eigenthüraliche Charaktere von anderen unterschieden und theils desshalb, theils weil sie die Folge eines spezifischen Krankheitszustandes sind, nennt man sie auch spezifische Geschwüre. Sie sind nur an den, jeder solchen Krankheit eigenlhümlichen Symptomen zu erkennen.
V.nbsp; nbsp; Nach ihrem Sitze unterscheidet man die Geschwüre hinsicht­lich des afliziiien Gewebes in Haut- und Schleimhautgeschwüre, in Zellgewebs-, Muskel-, Drüsen-, Knorpel- und Knochen­geschwüre u. dgl. Diese Verschiedenheiten sind mit Berücksichtigung der ergrillenen Gebilde sehr leicht zu erkennen.
Die Ursachen der Geschwüre sind zunächst eine abnorme Vege­tation und Reproduktion der aflizirten Gebilde; denn nur hieraus lässt sich die geriuge oder unregelmässige Bildung der neuen Masse, die Er­zeugung der Jauche und das Auflösen und Zerstören der organischen Substanz erklären. Wie dies aber geschieht? — das bleibt eben so ein Geheimniss der Natur, wie der regehnässige Bildungsprozess selbst, und namentlich ist die Erzeugung des an dem Sekret mancher Ge­schwüre haftendeu Anstcckungsstoll'es völlig unerklärlich. — Als Gele-genheitsursachen zur Erzeugung der ulceralivcu Thätigkeit kann mau alle Einflüsse beschuldigen, welche entweder die Mischung der Säfte im ganzen Organismus oder in einzelnen Systemen von (lein normalen Zustande abweichend machen, oder welche örtlich durch Reizung, oder Erschlaffung die Bildung guter Granulalionen andauernd stören, wie z. B. in erster Hinsicht zu wässerige, zu saure, verdorbene Nahrung, Unterdrückung der Hautausdüustuug, Zurücktreiben flechtenarliger Haut­ausschläge, die Ansteckung mit verschiedenen Contagicn, namentlich durch Rolz- oder Wurm-Coutagium, Ablagerungen (Metastasen) von Sälleu bei akuten Krankheiten u. s. w.; — in anderer Hinsicht das zu oft wiederholte Sondircu, Ausspritzen und feste Verbinden einer Wunde oder eines Abscesses, die zu lange forlgesetzte Anwendung kalter Um­schläge oder entgegengesetzt einweichender Breiumschläge, scharfreizender Mittel u, dgl. Ausserdem haben manche Aftcrgebilde. wie namentlich der Krebs, eine in ihrem Wesen begründete Neigung zur Zersetzung
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Geichwüre im Allgemeiiien. Kur.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 735
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ihrer heterologen Bestandtheile und hierdurch zur Erzeugung spezifischer Geschwüre, wie dies in der XIV. Classe angegeben worden ist.
l)ie Beurtheilung der Geschwüre im Allgemeinen ist sehr verschie­den zu machen, je nach der Art derselben und nach ihren übrigen Eigenlhümlichkeiten. Alle Geschwüre belästigen durch Verunreinigung, Anlockung von Insekten, Reizung, Jucken, zuweilen selbst durch wirk­lichen Schmerz; sie geben zu Reiben und Scheuern, dadurch zu wieder­holten Entzündungen, hierdurch zu Störungen in der Funktion der Theile und hiernach zur Werthverminderung der Thiere Veranlassung; ausserdem schwächen sie, wenn sie gross sind, durch beständigen Säfte­verlust; oft wird auch ein Theil der Jauche wieder eingesogen und durch beide Umstände werden die Säfte des Thieres krankhaft verän-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; !£#9632;
dert und seine Ernährung gestört, zuweilen selbst Cachexie und dernbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;~:
Tod herbeigeführt. Manche Geschwüre produziren auch in ihrem Se-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ~É;
kret einen Ansleckungsstoff und geben hierdurch für andere Thiere, selbst zuweilen für Menschen Gelegenheit zur Ansteckung. — Die Heil­barkeit ddt' Geschwüre ist ebenfalls sehr verschieden; einfache, örtlichenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; quot;##9632;#9632; Geschwüre mit runder Form heilen in der Regel sehr leicht, wenn man nur ihre Ursachen entfernt; dagegen sind unregelmässig geformte Ge­schwüre mit vertieftem Grunde, besonders Hohlgeschwüre und Fisteln
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stets mehr hartfläckig, ja mit die hartnäckigsten von allen äusserlichen Krankheiten; sie sind dies um so mehr, je mehr sie veraltet sind, je mehr der Körper an ihre Absonderung gewöhnt ist, je mehr derselbe
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zugleich in seiner Ernährung und Süftebildung im Allgemeinen abwei­chend vom normalen Zustande ist. Die spezifischen Geschwüre sind in dieser Hinsicht nur nach der bekannten Eigenlhümlichkcit ihres Cha­rakters oder eigentlich der Krankheit, welcher sie angehören, zu beur-theilen. Hinsichtlich des Charakters der vitalen Reaction sind Geschwürenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; gt; mit entzündlichem Charakter immer verhältnissmässig eher zur Heilung zu bringen, als solche mit erethischem und noch mehr als die mit ato- fA nischem Charakter. Hinsichtlich des Sitzes sind Geschwüre in der Haut eher zu heilen, als die in der Schleimhaut; Geschwüre in Knochen, Knorpeln und Drüsen, so wie diejenigen, welche überhaupt mit einem Absonderungsorgan oder mit dessen Ausfuhrungskanal in Verbindung stehen, sind stets sehr hartnäckig. In allen Fällen sind die Geschwüre eher zu heilen, wenn man ihre Ursachen erforschen und gründlich ent­fernen kann, als da, wo dies nicht möglich ist; im letztern Falle niachennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; raquo;A-die Geschwüre oft Rückfälle entweder an derselben Stelle, oder es bilden sich neue Geschwüre an anderen Punkten.
Die Kur. Die Heilung der Geschwüre erfolgt nur, indem dieselbennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;vtf.
ihren abnormen Vegetations-Charakter ablegen, in einfache, gutartignbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; quot;y
eiternde Flächen umgewandelt, und ihre mangelhafte Formen verbessert werden. Jedes Geschwür durchläuft dabei vier Stadien, nämlich:nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; quot;J |
1)nbsp; nbsp;Das Stadium der Reinigung (Stad. detersionis s. mundifica-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; '3J tionis), in welchem die missfarbigen, verdorbenen Theile entweder durch
Abstossung oder durch unmerkliche Aufsaugung entfernt werden;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;igraquo;
2)nbsp; das Stadium der Eiterung (St. suppurationis s. digestions), in welchem normale Eiterung den Uebergang zur Heilung bezeichnet;
3)nbsp; das Stadium der Fleischwärzchenbildung (St. granulationis), in
48raquo;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;m
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7ä6nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Geschwüre im Allgemeinen. Kur.
dem die Wiedet'bilduug einer guten Substanz in der Form gesunder rieischwärzchen zu erkennen ist; — und
4) das Stadium der Vernarbung (St cicalrisalionis), in welchem durch die Fleischwärzchen die Lücke oder Höhle des Geschwürs mög­lichst gelullt ist und ihre Oberfläche sich von den Hauträndern her allraälig mit einer leinen Haut bedeckt, die sich später gewöhnlich mehr verdickt und organisirt.
So wie aber die Geschwüre nicht immer bloss als örtliche Uebel beslehen, so sind auch diese Umänderungen nicht immer durch örtliche Behandlung allein zu bewirken. Man muss dcsshalb in jedem Falle vor der Kur gründlich ermitteln: ob ein Geschwür aus einer örllichen oder aus einer allgemeinen Ursache entstanden ist und ob das Thier in seinem Allgemeinbefinden gestiirt ist? Im letztern Falle nmss noch wieder be­sonders erforscht werden: ob das Geschwür früher bestaaden hat, als das Allgemeinleiilen, oder ob letzleres zuerst bemerkt worden ist und das Geschwür gevvissennassen nur als der örtliche Ausdruck des Krank­seins, also nur ein Symptom desselben ist? Nach diesen Ermittelungen und nach der Beschallen heit und dem vitalen Charakter der Geschwüre wird dann der Kurplan gemacht. Bei bestehenden allgemeinen Sympto­men muss zunächst eine Umänderung der krankhaften Thätigkcit in den affizirten Systemen bewirkt werden. Dies geschieht, indem man nach den Regeln der speziellen Terapie die gegen die einzelnen dyskratischen Krankheiten bckanulen Heilmittel, bei einem bloss als Folgeleiden ent­standenen Zustande von Schwäche und Cachexie aber eine gründliche Stärkung durch bittere, gelind aromatische und adstringirende Mittel, in Verbindung mit einer guten Diät in Anwendung bringt. In ersterer Hinsicht würde man z. B. bei Rotz- und Wunngeschwüren das Schwefel-antimonium, den Sublimat, das Jodquccksilber, die Jodtinktur, Conium maculatum, Belladonna, Semen Pbellandrii u. dgl. anwenden; bei ver­alteter Mauke aber drastische Abfübrungsmitlel und dinrclische Mittel, abwechseld mit Stibium oder auch mit kleinen Gaben von Sublimat u. dgl., bei Flcchtengeschwüren das Calomel, den Sublimat, kleine Gaben von Arsenik u. dgl.
Bei solchen Geschwüren, die dem Körper durch ihre lange Dauer zur Gewohnheit geworden sind, muss man die Heilung nur vorsichtig und allmälig bewirken, damit nicht durch die plötzliche Unterdrückung der gewohnten Absonderung Cougestionen zu inneren Organen und üble Zufälle erzeugt werden. Man giebt desshalb bei der Einleitung der Kur Abfülnungsmillcl oder Urin treibende Alillel und wiederholt diese von Zeit zu Zeit, wenn das Geschwür mehr Irockcn und in seinem Umfange gemindert wird. Zuweilen applizirt man auch, besonders gegen Ende der Ilcilung ein künstliches Geschwür durch Fontanelle oder Haarseile in nicht zu weiter Entfernung von dem ursprünglichen Geschwür.
Was mm die örtliche Behandlung, der Geschwüre bclrifft, so muss sie theils darauf gerichtet sein:
a. das Geschwür von einem unreinen Zustande in einen reinen umzuwandeln;
If. den abnormen Reactionscharakler umzusliinmen und
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Geschwüre im Allgemeinen. Kur.
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c. die örtlichen Complikatiouen, welche iu der Form und Be­schaffenheit des Geschwürs selbst liegen, zu beseitigen.
In erslercr Hinsicht hat man zunächst die etwa vorhandene Gc-schwürsniembran zu zerstören und die Fläche in eine gute Eiterungs­und Grauulationslläche umzuwandeln. Für diesen Zweck wendet man iu denjenigen Fällen, wo jene Meinbrau wirklich besteht und wenn der Charakter nicht ein zu eretbischer ist, ein Aelzmittel oder das glühende Eisen an, und zwar so, dass die Haut, je nach ihrer Dicke, dadurch vollständig zerstört wird. Hiernach muss man das Abstossen des Aetz-oder Brandschorfcs abwarten oder selbst durch erweichende Umschläge befördern. In anderen Fällen genügt es, sogleich gemäss der zweiten Indikation, diejenigen Mittel anzuwenden, durchweiche der übermässige Eretbismus oder die Enlzündung oder die Atonic in dem Geschwür be­seitiget werden uud durch welche zugleich gute Granulation und Eite­rung herbeigeführt wird. In letzterer Hinsicht sind die sogenannten Digeslivmitlel ganz so, wie bei der schlechten Eiterung Seite 61 und fl., zu benutzen.
Hinsichtlich der zweiten Indikation hat man die Aufgabe: bei den Geschwüren mit dem Charakter der Entzündung zuerst die Ursachen zu entfernen, die entzündliche Reizung durch schlcimiiie und narkotische Mittel, innerlich durch salzige uud andere Laxirniittcl, so wie durch sehr magere Diät, am besten (wenn es zu haben) durch Gras, Mohr­rüben u. dgl., und durch ruhiges Verhallen zu beseitigen. — Auch bei den erethischen Geschwüren muss man die Ursachen der krank­haften Reizbarkeit entfernen und innerlich und äusserlich besänftigende Mittel anwenden. Demgeinäss muss man in den Fällen, wo bloss eine erhöhte Sensibilität besteht, die Thicre möglichst ruhig halten, bei Krämpfen das Opium oder Belladonnaextrakt in angemesseneu Gaben reicheif, gastrische Unreinigkeiten durch Abführungsmittei entfernen und ortlich schleimige und narkotische Umschläge oder üeberschläge appli-ziren. Fruchten diese Mittel nichts, so gelingt es zuweilen dadurch, den Eretbismus in dem Geschwüre selbst aufzuheben, dass mau die Geschwürsiläche durch ein Aelzmittel zerstört. — Bei den atonischen Ge­schwüren muss, mit Rücksicht darauf, ob die Ersohlalhmg bloss ört­lich oder auch im ganzen Organismus bestellt, durch die örtliche oder allgemeine Anwendung von tonischen Mitteln die Erschlall'ung und Schwäche gehoben werden. Demnach wendet man örtlich Umschläge und Befeuchtungen von erregenden, gclind aromatischen, oder auch von adstringirenden Mitteln an, z. B. von Kamillen, Quendel, von Hopfen, VVermuth, oder auch von Eichenrinde, Weidenrinde, von gäh-rendem Sauerkohl, von Bierhefe, Auflösungen von Zinkvilriol, von Kupfervitriol, von Salpetersäuren! Silber, Kalkwasser, Creosot u. dgl. Bei Blässe und Unempfmdlichkeit der Granulation ist der rothe Präci-cipitat als Pulver in das Geschwür gestreut oder mit einer Harzsalbe gemengt ein vortreffliches Mittel, eben so bei sehr stinkender Jauche der Chlorkalk und das Kohlenpulvcr, theils einzeln, theils in Verbin­dung mit den vorhin genannten tonischen Mitteln. Fette Salben sind bei diesem Zustande mehr schädlich als nützlich. Hierzu muss stets reine Luft, gute kräftige Nahrung und bei allgemeiner Schwäche die innerliche Anwendung von bitteren, aromalischen und zusammeuzieheuden
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ßeschwiire im Allgemeinen. Kur.
Milleln kommen. In einzelnen Fällen hat man auch durch speziflsche Umstimmuugsiuitlel von Innen her den atonischen Zustand eines Ge­schwürs verbessern können, so namentlich durch die Kantharidcn, den Sublimat, Arsenik und durch ähnliche Mittel.
Hinsichtlieh der dritten Indikation hat mau bei den flachen und runden Geschwüren nichts besonders zu beobachten; aber bei den buch­tigen und Ilohlgeschwüren muss man immer für freien Abfluss der Jauche und später, wenn Neigung zur Heilung eintritt, auch dafür sorgen, dass letztere nicht an den Rändern früher slallfindet, als am Grunde. Um den Abfluss der Jauche zu befördern, ist es am besten, den Rand an dem abhängigen Theile des Geschwürs, wo der Eiter im Innern sich anzusammeln pflegt, mit dem Messer zu durchschneiden, und zwar so lief, wie eben das llinderniss besteht. Zuweilen ist ein solcher Einschnitt hinreichend, in anderen Fällen sind deren mehrere erforderlich, — was dem Ermessen des Thierarzlcs in jedem besondern Falle überlassen bleiben muss. Darf man wegen Gefassen, Merven oder andern wichtigen Theilen, die in dem Rande liegen, denselben nicht durchschneiden, so kann man von der niedrigsten Slelle des Geschwürs aus eine Gegenöffnung machen, indem man mit einem Troikar von dieser Stelle her die Weichgebilde nach aussen in schräger Richtung durchbohrt. Gestallet auch dies die Beschaffenheit des Theiles nicht, so bleibt nichts anderes übrig, als durch öfteres Aussprilzen mit lau­warmem Wasser die Jauche zu verdünnen und wegzuspülen, uölhigen-falls sie auch mit einer Spritze einzusaugen und zu entfernen. Sind die über die Fläche hervorlrelendcn Geschwürsränder sehr dick, callos oder sehr schlaff und zeigen keine Neigung zur Heilung, so ist es am zweckniässigstcn, sie mit einem Actzmittel, z.B. mit Höllenslcin, Aetz-stein, Spiessglanzbulter, Ziukbutter, oder auch mit dem glühenden Eisen zu zerstören und so das Geschwür in ein otrenes umzuwandeln und zugleich seinen Heilirieb zu verbessern.
Fistelgeschwüre verlangen, was die äussere Form belrifft, in der Regel die grösste Berücksichtigung. Zunächst kommt es darauf an, ob ihre äussere Oeflnung weit genug ist und so liegt, dass sie den Aus-fluss des Eiters vollständig geslaltet. Ist dies nicht der Fall, so muss man die Oeffnuug erweitern, oder eine Gcgenöflhung schaffen, oder die äussere Wand der Fistel vollständig durchschneiden und die letztere in ein offenes Geschwür umwandeln, — wie dies eben die Lokalität und Beschaffenheit der Theile gestaltet. Denn durch das zurückbleibende Sekret wird die Entartung der umliegenden Theile beständig vermehrt und die Heilung des Geschwürs verhindert. Die Erweiterung geschieht durch das Messer oder durch Aetzmiltel. Die Erweiterung mit dem Messer ist immer am zweckmässigsten, weil sie in einem Moment voll­ständig und in solchen Graden, wie man es für nölhig hält, bewirkt werden kann. Man führt sie aus, indem man entweder eine Hold­sonde in die Fistelmündung einführt und auf ihr mittelst eines Knopf­bistouris die Durchschneidung der Fistelränder und nöthigenfalls eines Theils der Wand bewirkt; oder indem man hierzu das sogenannte Fistelmesser1) oder das verborgene Bistouri benutzt. Mit dem letztem
') Das sogenannte Arnemann'sehe Fistelmesser besteht a. aus einer
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Instruiiieule dringt man so lief, wie eben die Unislände die Enveileruug erfordern, in die Fistel ein, liebt dann durch einen Druck auf den Stiel der Messerklinge die letztere aus ihrer Scheide hervor und zieht in dem­selben Moment das Instrument aus der Fistel zurück. Es wird dabei die Klinge in die Fistelwand gedrückt und eine mehrere Linien tiefe Durchschneidung derselben bewirkt. Auch hier ist, wie bei den Hohl­geschwüren , in manchen Fällen die Erweiterung nach einer Seite ge­nügend , in anderen Fällen muss man aber den Einschnitt an zwei oder mehreren Stellen machen. — Die Erweiterung der Fistelmündung durch Aetzung nutzt wenig, da gewöhnlich sehr bald die zerstörten Weichge­bilde durch neue Granulationen ersetzt werden. —
In den meisten Fällen ist es zweckmässig, nicht nur die Fistel­mündung zu erweitern; sondern auch die ganze Fistel aufzuspalten und sie in ein oflenes Geschwür umzuwandeln. Man verfährt hierbei mit der Hohlsondc und dem Messer im Wesentlichen ebenso, wie dies im Vorhergehenden angedeutet worden ist. Dieses Verfahren ist aber häutig, namentlich bei Fisteln, welche sehr lang sind, welche unter Sehnen, Knochen und anderen Theilen liegen, nicht gut ausführbar. In diesen Fällen muss man sich zuweilen darauf beschränken, bloss die Mündung, wie eben angedeutet ist, zu erweitern oder am Innern Ende der Fistel eine Gegenöllnung zu bilden, was in der Seite 60 angegebenen Weise geschieht. Um die Geschwiir.shaut, welche sich bei Fisteln in der Regel mehr als bei anderen Geschwüren entwickelt zeigt, durch neue Ent­zündung und Eiterung, oder auch direkt durch ätzende Mittel zu zer­stören, kann man ein Haarseil durch die Fistel ziehen, oder verschiedene Aelzmittel oder auch das glühende Eisen anwenden. Ersteres ist nur in denjenigen Fällen anwendbar, wo entweder zwei Fistelmündungen schon, beslelieu, oder wo man doch die zweite Oeffnung leicht schaffen kann. Man verfahrt dabei ganz einfach, indem man mittelst einer Oehr-sonde oder eines Troikars, einer Haarseiluadel ein Band durch den Kanal zieht und die beiden Enden entweder zusammenbindet oder auch mit Knebeln versieht. Das Band kann nach der Weite des Fistelkanals mehr oder weniger dick, von Zwirn, von Wolle oder von Haaren sein; bei sehr dünnen Fistelgängen genügen zuweilen auch runde Schnuren oder selbst einzelne seidene oder wollene Fäden. Zeigt der Kanal im Innern geringe Empfindlichkeit, so kann man das Band auch mit Ter-penlhinöl, mit Kantharidentinktur, mit rother Präcipitatsalbe, oder mit einer Auflösung von Sublimat oder von Höllenstein befeuchten und es in dem Kanal täglich einige Mal sanft hin und her ziehen. Tritt hier­nach gute Eiterung ein, wird der Kanal enger, was man an etwas
gegen 3 Linien dicken Sonde, welche bis an ihr oval abgerundetes vorderes Ende gespalten, an ihrem hintern Ende mit einem hölzernen HandgrifT versehen ist; b. aus einem Messer, dessen Klinge in der Spalte der Sonde verborgen und am hintern Ende mit einer Art Stiel versehen ist. N Beide Theile sind an einer erhöheten Stelle des Stiels durch ein Niet so verbunden, dass die Klinge ähnlich einem zweiarmigen Hebel bewegt werden kann- An dem Stiel der Klinge befindet sich eine kleine Schraube, durch welche man das Maass be­stimmen kann, in welchem die Klinge über die Sonde hervortreten und mehr oder weniger tief schneiden soll.
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erschwerter Beweglichkeit des Bandes erkennt, entsteht bei der Bewe­gung des Bandes Blutung und Schmerz, so kann man hieraus schliessen, dass das Band genügend gewirkt habe, und man entfernt es dcsshalb zu dieser Zeit. Ist ein Band wegen Mangel der zweiten Oellnung nicht einzuziehen, so wendet man Aelziniitcl an und zwar entweder in flüs­siger Form durch Eingiessen, Einpinseln oder Einspritzen der Mittel, oder man berührt mittelst eines Stückchens Höllensteins, Aetzsteins oder Sublimats, so weit wie man damit eindringen kann, die Fistelwände im Innern-, oder man legt es selbst in die Fistel, — oder man bringt ein mit dem Aetzmittel bestrichenes Bougie' ) oder einen eben so be­strichenen Wergpfropf in das Geschwür. Es können für diesen Zweck ziemlich alle Aclzmittel gleichmässig angewendet werden, doch haben sich hierbei der Kupfervitriol, der Höllenstein, der Sublimat und in neuerer Zeit ein Gemenge aus Kupfer- und Zinkvitriol und Bleiessig besonders nützlich gezeigt2). I\lan wiederholt diese letzteren Einspritzun­gen täglich 1 — 2 Mal so lange, bis dabei Blutungen entstehen, aus welchen man auf eingetretene frische Granulationsbildung schliessen kann; dagegen werden die aus konzentrirten Aelzmittcln bestehende In-jeetionen in der Regel nur einmal gemacht.
Die kallösen Geschwüre müssen, bevor sie heilen, ihre speckartige Derbheit verlieren und für diesen Zweck, wenn ein entzündlicher Cha­rakter besteht, mit erweichenden Breiumschlägen, bei erelhischem Cha­rakter mit narkotischen Mitteln und bei asllicnischem Charakter mit aromatischen Mitteln, zu welchen man eine Auflösung von Kali car-bonicum setzt, behandelt werden. Bei geringeren Graden dieses Zn­slandes sind auch lauwarme Umschläge, oder Befeuchtungen, Fussbäder u. s. w. von Seifenwasser oder von Aschenlauge zu benutzen; bei den höheren Graden wendet man, wenn die vorhin genannten Mittel ver­geblich angewendet worden sind, die Kanlharidensalbe oder das Brennen in Punkten oder Strichen auf die Haut in der Umgegend des Geschwürs an und auf die Geschwürsfläche selbst applizirt man in den milderen Fällen die rothe Präcipitatsalbe, oder man streut den rothen Prädpitat pulverisirt auf dieselbe; fruchten diese Mittel nichts, so muss die kai­löse Masse selbst entweder mit Aetzmitleln oder mit dem glühenden Eisen zerstört oder mit dem Messer ausgeschält weiden. Uebiigeus muss man vermeiden, dass eine wiederholte Reizung durch Reiben, Scheuem, reizende Salben, noch mehr aber durch adstringirende Mittel in oder an dem Geschwüre stattfindet.
Bei den fungösen Geschwüren muss man die schwammigen Aus-
') Die Bougies sind Bindfäden, welclie man mit einem Gemenge von Aetz-Sublimat (in verschiedener Menge, je nachdem man die Wirkung mehr oder weniger stark haben will), von Arab. Gummi und Wasser, oder von Chlor­zink, Mehl und Wasser bestrichen und getrocknet hat. Man schneidet nach der Tiefe der Fistel von ihnen angemessen lange Stücke, bringt sie in die Fistel und lässt sie einen oder einige Tage bis zur eingetretenen Wirkung liegen.
^ Es ist der sogenannte Villat'sche corrodirende Liquor, welcher aus Cupr. sulphuric, fj. Zinc, sulphuric, f ij, Acet. Saturni gjv und Acet. vini tlij (pond. civil.) besteht. Die Vitriole werden zuerst in Essig gelöst und dann der Bleicssig zugesetzt.
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wüchse entfernen, indem man sie enlweder bei den gelinderen Graden und wo der Ort das feste Anlegen einer Binde gestattet, mit festen Wergpolstern und mit einer Binde anhaltend und gleichmässig drückt; oder indem man sie mit AelzmiUeln zerstört, oder sie mit dem Messer oder der Scheere abschneidet. Das Lctzlere verdient in allen Fällen den Vorzug, weil es schnell und gründlich geschehen kann; indessen ist dieses Verfahren mit mehr oder weniger Schmerz und zuweilen wegen der in der Nähe liegenden grosseren Gcfässe und wegen der Un­ruhe der Thiere mit einiger Gefahr verbunden und man benutzt desshalb eben so häufig die Aclzmittel oder das Glüheisen. Die letzteren Mittel wirken immer zugleich umstimmend auf die Thätigkeit in den Ge­schwüren und sie können daher besonders dann nützlich sein, wo Schwäche, Erschlaffung und Reizlosigkeit in dem Geschwür besteht. Uebrigens muss in jedem Falle die etwa noch fortwirkende Ursache der fungösen Entartung des Geschwürs entfernt werden, so namentlich etwa vorhandene Knochensplitter, halbabgestorbcue Knorpelstückchen oder Seimenfasern, eingedrungene fremde Körper, das Verbinden mit reizen­den Mitteln, z. B. mit harzigen Tinkturen, mit ätherischen Oelen n. dgl.; eben so muss das Reiben und Scheuern an anderen Gegenständen ver­mieden werden. Sind die Thiere jung, gut genährt und vollsaflig, so setzt man sie auf magere Diät und wendet innerlich Ableitungsmiltel, besonders kühlende Salze an; sind sie enlgegengesclzt schlaff und schwach, cacheclisch, so giebt man ihnen ton. Mitlei, kräftige Nahrung und hält sie in einem massig warmen, mit reiner Luft versehenen Stall.
In den phagedänischen Geschwüren muss man durch warme Brei­umschläge von solchen Mitteln, welche dem Charakter der Vitalität entsprechen, zuerst gute Eiterung herbeiführen und dieselbe durch inner­lich gegebene umstimmende .Mittel zu unterstützen suchen. Ausserdem ist hierbei immer die Regulirung des Vcrdaunngsprozesses, so wie der Ah* und Aussonderungen zu beachten und man giebt desshalb in erstcrer Hinsicht bei Trockenheit der Excremenfe kloine Gaben von abführenden Mitteln, bei Mangel an Appetit bittere Mittel, oder wenn die Jahreszeit es gestattet, bei pflanzenfressenden Thieren Grünfutfcr oder Mohrrüben; bei mangelhafter Urinabsonderung befördert man dieselbe durch Wach-holderbeeren, gekochten Terpenthin, Terpenthinöl n. dgl. Im Allge­meinen vermeidet man bei diesen Geschwüren die reichliche Anwendung salziger Mittel und örtlich die Anwendung von fettigen Substanzen.
Bei den fauligen und brandigen Geschwüren ist eine allmälige Steigerung der Lebensthätigkeit in dem Geschwür zu bewirken, damit eine bessere Absonderung und die Abstossung der bereits in Auflösung begriffenen Gebilde erfolge. Für diesen Zweck sind innerlich bittere, aromatische und adstringirende Mittel, bei sehr gesunkenen Kräften auch Kamphcr, Terpenthinöl, Arnica und bei kleinen Thieren auch die China zu verabreichen, dabei auch für reine Luft und gute Nahrung zu sorgen. Oertlich bewirkt man öftere Reinigung, streut Kohlcn-pulver mit gclind aromatischen Mitteln in das Geschwür oder man ap-plizirt Umschläge von Bierhefe, von Chlorkalk-Auflisung u. dgl, bis der Zustand des Geschwürs geändert ist.
Die cariösen Geschwüre heilen nur dann, wriin die Abstossung oder Abblättcrung (Exfoliatio) der in ülceialiou begriffenen Knochen-
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762nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Geschwüre im Allgemeinen. Kur.
theile, oder die direkte Entfernung derselben durch das Messer gesche­hen ist. Um die Abblätterung zu bewirken, wendet man erregende, den Lebensprozess erhöhende Mittel an, wie namentlich aromatische Breiumschläge, die harzigen Tinkturen, ätherische Oele, rektifizirten Weingeist und das glühende Eisen, jedoch nur so lange, bis der Zweck erreicht ist, oder bis gute Eiterung sich zeigt und die kranke Knochen­stelle beweglich wird, weil sonst leicht Ueberreizung und neue Entar­tung des Geschwürs entstehen kann. Wesentlich ist es bei den cariö-sen Geschwüren, dass man immer für vollständigen Abfluss des Eiters sorgt.
Zuweilen heilen Fistel- und andere Geschwüre nicht, wenngleich die Geschwürshaut in ihnen zerstört und das Geschwür in einen rei­nen Zustand versetzt worden ist. Das Hinderniss in solchen Fällen ist gewöhnlich eine ganz geringe, schleichende Entzündung in der Um­gegend der Fistel und damit in Verbindung stehende Congestion zu der­selben. In solchen Fällen hat die Anwendung der Kantharideusalbe oder des Brenneisens auf die Haut der Fistel oder in der ganzen Gegend des Ge­schwürs, so weit dasselbe sich in die Tiefe erstreckt, oder so weit, wie eine Spur von entzündlicher Auflockerung wahrzunehmen ist, sich nützlich gezeigt, besonders aber, wenn man gleichzeitig den Ernährungsprozess im Allgemeinen auf einen recht geringen Grad herabstimmte. Für den letztem Zweck setzt man die Tiiierc auf recht magere Diät, so dass sie nur eben dabei existiren können; man giebt ihnen von Zeit zu Zeit wiederholt Abführungsmitlel und bei kräftigen Thieren kann man in der ersten Zeit; dieser Behandlung auch eine, oder selbst eine wiederholte Bluleutziehung machen. Die günstige Wirkung dieser Be­handlung äussert sich dadurch, dass die Absonderung in dem Geschwür bedeutend in der Menge vermindert wird, dass sich an den Rändern des Geschwürs fest sitzende Schorfe bilden und dass die Anschwellung im Umfange sich bedeutend mindert oder selbst gänzlich verschwindet.
So wie die Geschwüre selbst in den meisten Fällen nicht einen der im Vorstehenden bezeichneten pathologischen Zustände einfach und allein in sich zeigen, sondern in den meisten Fällen die Charaktere von mehreren dieser Zustände an sich tragen oder in ihrem Verlaufe an­nehmen, eben so ist auch die Behandlung nicht in allen Fällen bei der einen oder der andern Art der Geschwüre ganz einfach nur auf eine Weise durchzuführen, sondern man muss sehr oft zwei, auch mehrere der genannten Behandlungsarten bei einem Geschwür zur Anwendung bringen, so z. B. kann man in einem Geschwür zugleich ein Fistelge­schwür und ein callöses, ein fuugöses Geschwür und zugleich ein ca-riöses u. s. w. vereinigt sehen und mnss demgemäss auch die Mittel für beide Zustände entsprechend anwenden.
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Ohrfistel.
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II
Zweiter Abschnitt.
Geschwüre im Besonderen.
Erstes Capitel. Die Ohrfistel.
Bei Pferden habe ich öfters am aussein Rande und am untern Ende der Ohrmuschel eine Fistel gefunden, welche aus einer kleinen rundlichen Oefifaung einen weissen, sehr zähen, mit Eiweiss gemengten Eiter aussickerte und dadurch die unter dem Ohr liegenden Haare be­ständig zusammenklebte und besudelle. Mit einer Sonde konnte man stets nach abwärls gegen 2 Zoll tief eindringen und zuweilen war der Kanal an seinem Grunde sackförmig erweitert. Der ganze Kanal war stets mit einer deutlich sichlbarcn, einer Schleimhaut ähnlichen Haut ausgekleidet und ohne Granulation. In einzelnen Fällen stand der Ka­nal mit einem unvollständig gebildeten Backenzahn in Verbindung, in den meisten Fällen war aber hiervon keine Spur zu bemerken, selbst nachdem die Fistel durch mehrere Jahre bestanden hatte.
Die Ursachen dieser Fistel sind gänzlich unbekannt-, in mehreren Fällen fand ich die Fistel bei ganz jungen Füllen und vermuthe daher, dass sie zuweilen angeboren ist.
Die Beurfheiluug ist günstig zu machen, da die Fistel, ausser der bezeichneten Verunreinigung der Haut, keine üble Folgen erzeugt und bei einer zweckmässigen Behandlung sicher zu heilen ist.
Behandlung. Am besten ist es, die Fistel bis auf ihren Grund aufzuspalten und ihre Haut mit einem Äelzmillel zu zerstören; doch kann letzteres auch durch Injektionen in laquo;lie Fistel geschehen, nachdem man bloss eine Gegenölfnung gemacht hat. Das Aufspalten 'geschieht auf die gewöhnliche Weise, indem man eine Hohlsoude in die Fistel setzt und, in ihr geleitet, das Messer einführt und die äussere Wand der Fistel durchschneidet. Die hierbei etwa entstehende Blutung wird mit dem glühenden Eisen gestillt und hierauf die Haut des Kanals mit Lapis infernalis, oder mit Spiessglanz, oder Zinkbutter bestrichen. Die Heilung erfolgt nach Ablösung der Schorfe durch Eiterung und Granu­lation sehr leicht.
Will man die Heilung durch Injektion versuchen, so macht man zuerst eine Gegenöffnung am Grunde des Kanals auf die Weise, dass man eine Sonde bis zu dem Grunde führt, denselben durch die Spitze der Sonde etwas hervordrängt und dann einen Einschnitt durch die Haut und bis in den Kanal macht. Hierauf bestreicht man die Haut unter der Oeffnung mit Wachssalbe und injizirt in die obere Oeffnung etwa 20 — 30 Tropfen einer Auflösung von Lapis infernalis, oder von
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Thränenfistol
Kali causlicum, oder auch von Cblorzink und wartet die hierauf ent-slchende Entzündung und Eiterung ab. Unter günstigen Umständen entstellt bald gute Granulation und der Kanal verwächst vollständig.
Findet sieb am Grunde einer solchen Fistel ein Zahn, so wird die letztere aulgespalten, die Haut von dem Zahn und dieser au seiner Basis von dem betrelTenden Knochen (gewöhnlicb der Unterkiefer) ge­löset und hiernach die Wunde durch Eiterung gebeilt.
Zweites Capitel.
Die Thräncnfistel (Fistula laciymalis).
Die Thräncnfistel besteht in einer Ulceratiou und Eularlung der Haut des Tbränensackes und des Tluäuenkanals und, in Folge dessen, in einem Ausfluss von Tbräneu und Eiter entweder aus den Tbränen-punkten oder aus einer abnorm entstandenen Gescbwürsölfnung. Im letztern Falle wird die Tbränenfistel eine vollständige oder äussere, im erstem Falle aber eine innere Tbränenfistel genannt.
Die Erkennung der Tbränenfistel im Allgemeinen ist ziemlich leiehl, da man den Ausfluss einer eiterigen, mit vielen Tbränen gemengten Flüssigkeit aus dem innern Augenwinkel oder aus einer kleinen Oeff-nung unter demselben leicbl wahrnehmen kann; allein in manchen Fällen ist doch die Erkennung des Zustaudes weniger leicbl, nament­lich wenn grosse Anschwellung der Tbränenkarunkel, Auflockerung und Anschwellung der Bindehaut und der Augenlider vorhanden ist und keine oifeue Fistelmiinduug besteht. In solchen Fällen gilt als Criterium des Leidens, dass die Haut unter dem innern Augenwinkel rundlich hervorgedrängt und elaslisch gespannt ist und dass bei einem Druck auf diese angeschwollene Parlhie der Ausfluss -aus dem Auge bedeutend vermehrt, ja selbst in einem Strahl erfolgt. In denjenigen Fällen, wo eine äussere Oelfnung unter dem Auge bestellt, kann man durch sie mit einer Sonde nach abwärts, zur Nase bin mehr oder weniger tief in den Kanal eindringen, zuweilen auch völlig durchdringen, so dass die Sonde durch die untere Mündung des Thränenkanals wieder zum Vorschein kommt. Man bedient sich hierzu am besten einer Fiscbbeia-sonde von entsprechender Länge. Da, wo man mit der Sonde nicht durch den ganzen Kanal gelangen kann, besieht ein örtliches Hinderniss an irgend einer Stelle in dem Kanal, und dieses Hinderniss ist in der Regel zugleich eine Mitursache, zuweilen sogar die alleinige Ursache der Fistel. Die Thränenllsteln kommen bei unsern Hausthieren im Ganzen selten vor, namentlich die äusseren, doch hat man sie bei dem Pferd, dem Esel, dem Rindvieh und bei dem Hunde gefunden.
Ihre Ursachen sind sehr verschieden; zuweilen ist eine chronische, katarrhalische oder dyskratische Entzündung die Veranlassung dazu,
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ThränenGstel. Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;765
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dass die Haut des ThräueDsackes und des Thräueukanals sich stellen-weis so verdiekt, dass der Durchgang der Thronen hierdurch gehemmt und eine Anhäufung derselben in dem obern Ende deS Thränensackes und Zurückfliessen der Thränen nach aussen entsieht; in anderen Fäl-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.
len bilden sich gleichzeitig durch dieselben Ursachen Ulcerationen; zu-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ;amp;|.j
weilen sind Verdickungen der Nasen- und Oberkieferbeine, Knochen-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;j
auswüchse, Polypen in der Nasen- oder Kieferhöhle, mechanische Ver-
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letzungen der Thräncnbeine etc. die Veranlassungen zu dem Entstehen der Fistel.
Die Beurtheilung ist im Allgemeinen ungünstig, da es unter allen Umständen schwierig ist, die bezeichneten pathologischen Zustände, von denen die Fistel bloss als Folgeleiden auftritt, zu beseitigen und somit die Fistel gründlich zu heilen; doch ist die Schwierigkeit, je nach Art dieser Zustände, in einem Falle grosser, im andern etwas minder. Bei blosscr Vcrdickuug der Schlcinihaul des Kanals ist immer am ehesten noch Hülfe zu schalfen, bei Knochenanflreibungen am wenigsten, und bei Polypen hängt die Beurtheilung von ihrer Grosse u. s. w. ab, wie dies bei den Nasenpolypen angegeben ist. Sich selbst überlassen heilen diese Fisteln niemals, sie veranlassen durch das beständige Abilicssen der Thränen Anätzung der Haut, Ausfallen der Haare, Jucken und Rei­ben und dadurch zuweilen Entzündung und Verletzung des Auges, und sie geben immer dem Thiere ein hässliches Ansehen.
Die Behandlung muss zunächst auf die Keseilignng der Ursachen, in so fern dieselben noch fortbestehen, gerichtet sein; ausserdem aber muss auch der Kanal möglichst frei in seinem Lumen werden, damit die Thränen wieder auf dein noimalen Wege abilicssen können; und wo chronische Entzündung und Ulceration besteht, da müssen diese Zustände beseitiget werden. Für den ersten Zweck macht man, wo dicker, zäher Schleim den Kanal verstopft, Injektionen von lauwarmem Wasser, welches man mit einem geringen Anllicil Essig versetzt. Diese Injektionen können zum Theil durch die untere Mündung des Kanals gemacht werden; da sie jedoch von dieser Stelle her bei empfindlichen und unruhigen Thieren schwer anzubringen sind, so ist es besser, sie durch die Fistelöflnung, im Falle eine solche vorhanden ist, zu machen; besteht keine solche äusserc Fistelölfnung, so muss man eine künstliche Oeffnung machen, indem man mit einem spitzen Bistouri gerade unter dem innern Augenwinkel, etwa 2 Linien von demselben entfernt, einen Einstich macht, dessen Länge parallel mit dem Nasenrücken verläuft. Die so gemachte Wunde muss bis in den Thränensack dringen und bei Pferden gegen 4 — 5 Linien lang, bei kleinen Thieren ein wenig kürzer sein. — Besteht noch deutlich wahrnehmbare entzündliche Reizung, so macht man warme Dnnstbäder von blossem Wasser und lässt die Thiere den Dampf' einallunen, oder man macht auch warme Umschläge über die leidende Seite des Gesichts bis zu dem Auge hinauf und giebt innerlich salzige Abführungsmittel; ist eine solche Fntzündung jedoch schon seit lauger Zeit zugegen, so kann man auch, statt der Umschläge, auf die ganze Gesichlsparthie im Verlaufe des Thränennasenkanals die Kantharidcnsalbc einreiben. Fruchten diese Mittel aber nichts, so kann man auch mittelst einer biegsamen Sonde eine Darmsaite oder einige seidene Fäden in den Kanal einziehen und durch circa 14 Taec in ihm
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TOOnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Zahnliitei.
liegen lassen. Die beiden Enden der Saite oder des Bandes werden nach dem Einziehen mit dicken Knoten oder mit kleinen Knebeln ver­sehen, nm ihr gewaltsames Herausziehen vor der angegebenen Zeit zu verhüten. Das Band wird täglich einige Male gelind nach oben und unten gezogen, um so die Einklemmung desselben von der Schleimhaut des Kanals zu verhindern. Man schliesst auf einen guten Erfolg, wenn der Ausfluss aus der Fistelöffuung oder der künstlich gemachten OefT-nung sich mindert, dafür aber die Thränen wieder durch die untere Mündung des Kanals ablliessen. Ist diese Aeuderung erreicht, so kann man das Band entfernen und die weitere Heilung der Nalurthätigkeil überlassen.
Drittes Capitel. Die Zahnfistel.
Zahnlisteln sind cariöse Geschwüre mit Fistelgängeu, die zu einer Zahnhöhle führen. Sie bestehen in einer Ulceration der Zahnwurzeln, oder der Zahnhöhlen, oder auch beider Theile zugleich und in den meisten Fällen nimmt auch die Substanz der Kieferknochen in einem bald grosseren, bald kleineren Umfange an dem Uebel Theil. Sie kom­men am häufigsten bei Pferden, besonders im jugendlichen Alter, sel­tener bei dem Rindvieh und bei Hunden, und sehr selten bei den übri­gen Säugelhieren vor. Man findet sie am häufigsten am Unterkiefer, und zwar am zweiten oder dritten, selten am ersten Backenzahn, we­niger oft am Oberkiefer, am ersten oder zweiten, seltener am dritten Zahn. An den übrigen Backenzähnen, an den Haken- und Schneide­zähnen findet man sie äusserst seilen. Sie münden entweder im Maule neben einem Zahn und dem Zahnfleisch oder in dem letztern selbst, oder, was häufiger der Fall 1st, äusserlich am Kinnbacken, der Zahn­wurzel gegenüber; und zuweilen sind sie durchgehend und mit bei­den Oeflnungen versehen.
Ihre Kennzeichen sind, je nach dem Grade ihrer Ausbildung, bald mehr bald weniger auffallend, im Allgemeinen folgende: der Kinnbacken ist an der leidenden Stelle dick aufgetrieben, in der ersten Zeit zugleich vermehrt warm und mehr empfindlich, ganz so, wie bei Knochenent-zündungen; doch findet man häufig an der geschwollenen Stelle die Knochenmasse äusserlich beim Druck etwas nachgiebig, weil plastische Ausschwitzung in der Beinhaut stattgefunden hat. Etwas später wird die Haut erweicht, bricht auf, es bildet sich eine rundliche Oeßhung, aus welcher eine stinkende Jauche fliesst und wohl auch (aber nicht immer) üppige Granulation wächst; mit einer dünnen Sonde kann man dann durch die Oefl'nimg zur Zahnwurzel, ja oft durch die Zahnhöhle bis in das Maul dringen, so dass das Ende der Sonde zwischen dem
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Zahnfistel.
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Zahnfleisch und dem Zabu zum Vorschein kommt. In diesem Falle wird auch ein Theil der Jauche in die Maulhöhle enlleert und es ent­steht als Folge davon ein übler Geruch im Maule. Zuweilen ist das Zahnfleisch geschwollen, schwammig aufgelockert, aus einer kleinen Oeflnung eiternd, und in einzelnen Fällen findet man auch, wenn das Uebel weiter vorgeschritten ist, den belreffenden Zahn entweder ein wenig über die Reihe der übrigen hervorstehend oder auch ein wenig beweglich, in manchen Fällen selbst ganz locker. Mitunter ist er auch gesplittert. — Aeltere Fisteln besitzen nicht selten äusserlich aufgetrie­bene, callöse Ränder und mitunter, namentlich bei dem Rindvieh, ist der Kinnbacken in einem grössern Umfange aufgelockert und unförm­lich aufgetrieben (siehe Winddorn S. 194). Bei Pferden wird auch, wenn die Zahnfistel im Oberkiefer ihren Sitz hat, die Knochenauftrei-hung in den meisten Fällen weit grosser, als im Unterkiefer; nicht selten bilden sich mehrere Oeffnungen, und man findet auch stinkenden Ausfluss und übel riechende Luft aus dem Nasenloche der leidenden Seite.
Neben diesen Erscheinungen der Fistel selbst findet man bei man­chen Pferden noch Störaugen im Kauen; die Thiere kauen nämlich mehr langsam und vorsichtig, oft nur auf einer Seite, verstreuen Futter, oder bilden von dem halbgekauteu Futter Ausamralungcn zwischen den Zähnen und den Backeuwaudungen, und manche halten den Kopf schief, oder sind wohl auch kopfscheu, wenn man sie berühren oder aufzäu­men will.
Die Ursachen der Zahnfisteln sind immer Quetschungen der Zahn­wurzel oder vielmehr des Kiefers, der Zahuhühle und der sie ausklei­denden gefässreiclicn Haut. Zu diesen Quetschungen geben Stösse und Schläge bei verschiedenen Gelegenheiten Veranlassung, am meisten aber das Fressen aus einer zu engen und mit scharfen Kanten versehenen Krippe. (Hierin beruht es zum Theil, dass man in der Regel nur den zweiten oder dritten Baukenzalm leidend findet, da die meisten Krippen eine solche Tiefe haben, dass die Thiere das Maul bis zu den genann­ten Zähnen in sie halten können; doch trägt auch der Umstand sehr viel hierzu bei, dass die drei ersten Backenzähne mit ihren Wurzeln der Oberfläche des Kielers sehr nahe liegen, daher den äusseren Ein­wirkungen sehr ausgesetzt, die oberen mehr geschützt sind.) Zuweilen entstehen diese Quetschungen auch dadurch, dass fremde harte Körper, z, B. eiserne Nägel, Steine und dergleichen mit dem Körnerfulter ins Maul kommen und dass die Thiere heftig auf dieselben beissen.
Die Prognosis ist, je nach dem Grade der Kuochenauftreibung, nach dem Mitleiden der ganzen Zahnhöhle oder nur eines Theiles der­selben, oder der Zahnwurzel, nach dem Festsitzen oder Lockersein des belreilenden Zahns und nach dem Sitze der Fistel selbst in deu einzel­nen Fällen etwas verschieden. Zahniisteln im Unterkiefer, bei welchen nur eine geringe Knochenauftreibung besteht, wo nur ein Theil der Zahnhöhle oder der Zahnwurzel von der Caries ergriffen ist, sind im­mer ganz günstig zu beurlbeilcn; denn sie werden, wenngleich zuweilen erst nach 4 — 8 Wochen, doch immer gründlich geheilt und zwar mit Erhaltung des Zahns; Zabnllstcln welche mit stärkerer Anflreibung des Kiefers verbunden sind und wo in der Regel auch die Caries in der
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7(jSnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Zahnfistel. Rur.
Zaliuhölile einen grössern Umfang erreicht hal, sind weil übler, da sie immer einer langem Heilungszeil bedürfen und gewöhnlich eine, wenn­gleich verminderte Anschwellung im Kinnbacken zurücklassen; wenn hierbei der Zahn noch fesl in dem Kinnbacken siUt, erfolgl bei zweck-mässiger Behandlung die Heilung auch hier in den meislen Fällen mit Erhallung des Zahns. Eben so werden auch diejenigen Fisteln, welche sich in die Maulhöhle öllhen, die aber zugleich mit einer äussern Oeff-nung versehen sind und übrigens dieselben Eigenschaften haben, in gleicher Art geheilt. Dagegen sind Fisteln mit starker, winddornarliger Auflreibung des Kiefers, oder wo ein Zahn zu lang hervorsteht, ge­spalten oder nur im geringsten Grade locker und beweglich ist, nicht anders, als mit Entfernung des lelztern zur Heilung zu bringen. Alle Zahnfisleln im Vorderkiefer sind bei übrigens gleicher Beschafieuheit mehr zu fürchten, als dieselben Fisteln im Unterkiefer, weil oft die ca-riöse Jauche in dem erslern grösscre Zerstörungen macht und weil auch nach dein Wegnehmen des kranken Zahns durch das Eindringen der Nahrung in die Kiefer- und Nasenhöhle noch üble oder lästige Zufälle entstehen. Zuweilen fallen bei den verallelen Zahnfisleln die locker gewordenen Zähne von selbst aus und die Fistein gelangen dann, bald früher bald später, zur Heilung; ehe es aber dazu kommt, dringt in die entstandene Lücke beständig gekaute Nahrung ein und verur­sacht, indem sie in Verbindung mit dem Speichel in der Wärme schnell fault, einen sehr üblen Geruch im Maule und beständige Reizung. Eben so ist es, wenn man die Zähne künstlich entfernt. An dein Vorder­kiefer dringt die Nahrung durch die Zahnhölilc zuweilen bis in die Kiefer- und Nasenhöhle (da der Grund der knöchernen Zahnhöhle durch die Caries zerstört ist) und giebt zu einem grünlichen, missfar­bigen und stinkenden Auslluss aus der Nase Veranlassung, in Folge dessen solche Pferde zuweilen als rotzkrank betrachtet worden sind.
Die Kur muss darnach verschieden eingeleitet werden, ob (wie bei der Prognosis angedeutet worden) der leidende Zahn noch erhalten werden kann oder ob er entfernt werden muss. Ersteres ist immer sehr vortheilhaft, da nicht nur die ganze Behandlung in solchen Fällen weniger eingreifend, sondern auch für die Folgen von Wichtigkeit ist. Denn, wo ein Backenzahn verloren gegangen, wächst der der Lücke gegenüberstehende Backenzahn in die letztere hinein, weil der Gegendruck und die Reibung fehlen. Dies geschieht allmälig bis zu dem Grade, dass ein solcher Zahn zuweilen 1^- Zoll über die Höhe der übrigen hervorsteht, bei dem Kauen das Zahnfleisch in der Zahnlücke verletzt, Schmerz, Versagen des Futters, ülceration. üblen Geruch und derglei­chen üble Zufälle erregt 1). Die Entfernung des Zahns ist aber auch
') Die zu lang hervorstehenden Zähne soll man nach Dieterichs (Akiur-gie, sect;. 314.) in derselben Weise, wie die cariösen Zähne, durch das Heraus­treiben mit dem Stempel aus ihrer Höhle entfernen. Dies ist jedoch mit einer, für diesen Zustand zu grossen und unnöthigen Verletzung verbunden und der Zweck kann weit besser auf folgende \Veise erreicht werden. Man hält dem Thiere (welches dabei in der Regel steht) das Maul durch eine Mautgatter offen und die Zunge nach der gesunden Seite gezogen, sclmeidet mit einer scharf­kantigen Feite an beiden Seiten des zu langen Zahns in der Höhe der übrigen
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ZahnlïsteJ. Km.
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wirklich in den meisten Fällen, wo die oben angedeuteten Verhältnisse bestehen, zur Heilung der Fistel nicht nöthig, — wie ich dies mit sehr vielen Beispielen beweisen kann. In solchen Fällen leitet man vielmehr die Kur nach folgenden Aufgaben: a. man sorgt für freien Ablluss der Jauche, b. beseitigt die etwa noch bestehende Knochenenlziindung, C. befordert die Exfoliatio:i und d. die Vernarbung.
Der ersten Indikation entspricht man dadurch, dass man entweder mit einem 3 — 5 Linien dicken Hohlbohier oder mit einem entsprechend dicken und spitzen Brenneisen den Fistelkanal bis in die Zahnhöhle so erweitert, dass man bei Pferden wenigstens einen Gänsekiel in den Kanal einführen kann. Die Anwendung des Bohrers geschieht, nach­dem der Hautrand ein wenig eingeschnitten und vom Knochen getrennt ist, in ganz gewohnlicher Weise, durch massiges Eindrücken in die Knochenmasse und Vor- und Rückwärtsbewegen um die Längenachse des Instruments. Man wählt den Bohrer in denjenigen Fällen, wo im Umfange der Fistel noch deutlich Knochenenlzündung besteht, dagegen aber das Brenneisen, wenn dieselbe nicht mehr vorhanden, sondern der Zustand mehr torpide ist. Beide Verfahrungsarten können an stehen­den Pferden oder Rindern, nachdem dieselben gehörig gebremset und von Gehülfen festgehalten sind, ausgeführt werden. Bei Fisteln im Vorderkiefer und wenn eine bedeutende Knochenauftreibung damit ver­bunden ist, wählt man zur Erweiterung der Oelfuung besser den Tre­pan, um eine grössere Oelfnnng zu erzeugen.
Die zweite Indikation ist nicht in allen Fällen zu erfüllen nöthig, sondern nur eben da, wo man noch die Knochenenlzündung deut­lich wahrnehmen kann. Bei grossen Schmerzen applizirt man, wenn die Fistel olfen ist, warme Breiamschläjge von schleimigen und narkoti­schen Mitteln: bei geringer Empfindlichkeit reibt man täglich 2 IMal die graue Merkurialsalbe, oder auch die grüne Seife mit Kali carbonicum versetzt, ein und bei mehr torpidem Zustande oder bei speckartiger Verdickung der Beiuhaut brennt man eine Anzahl Punkte auf die ver­dickte Parthie, oder man reibt einige Male wiederholt die Kanthariden-salbe ein.
Zur Erfüllung der dritten Indikation macht man Einpinselungen oder Einspritzungen von einer Auflösung des Creosots (3/Ï zu Brannt­wein), oder von der Aloetinktur, der Myrrhentinktur, oder auch bei grosser Torpidität von Terpenlhiuöl, oder man brennt mit einem pas­senden vveissglühenden Eisen. Diese Mittel können, mit Ausnahme des Brenneisens, täglich so lange wiederholt werden, bis gute Eiterung eiu-eten ist.
Der vierten Indikation leistet man Genüge, wenn man täglich ein Mal die in guter Eiterung beiindliehe Fistel mit lauwarmem Wasser reinigt und zuletzt, wenn sie mit Granulation erfüllt ist, die Oberfläche
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Zähne eine, 1 — H Linien tiefe Querfläche, — setzt dann an seinen vordem Rand gerade vor die gemachten Furchen einen Meisset und treibt denselben durch kurze, kräftige Hammcrschläge in den Zahn. Letzterer springt hierbei in der Richtung der Furchen quer durch, so dass man das obere Stück mit der Hand wegnehmen kann. Etwa noch vorhandene Unebenheiten werden mit einer Raspel ausgeglichen.
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770nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Zahnfislel. Kur.
zuweilen mit etwas Ziukvilriolauflösuug bcfciichlct. Bei dieser Behand­lung giebt man den Thicren weiche Nahrung, z. B. Kleie, Gras und dergleichen, kann sie aber zu jeder Arbeit beuulzen.
Wenn aber bei einer Zahnßstel der Zahn auch nur etwas locker, oder zu lang, oder gesplittert ist, odlt;.T auch wenn eine winddornarlige Auflieibung des Kielers im hohen Grade besieht, oder wenn die Fislel sich nur in das Maul öffnet, ist es immer nölhig, den betreffenden Zahn zu enlfernen. Dies geschieht, wenn derselbe wirklich locker ist, am besten mit der von Wendeuburg angegebenen1) oder einer ähnlichen Zange (im Nolhfalle mit einer Schmiede-Feuerzange, deren Maul über die Kaute gebogen und gehörig gerichtet ist), mit welcher man ihn aus der Höhle herauszieht. Mau setzt für diesen Zweck dem gut gebrem-seten Thiere ein weites Maulgalter ins Maul, zieht die Zunge hinter dem Maulgatter zur gesunden Seile heraus, führt die Zange durch das Maulgalter bis zu dem bclreffeiulcn Zahn, ergreift ihn und, indem man den SlülzpauUl der Zange auf den zunächst in der Reihe vorhergehen­den Zalm auflegt und dann die Handgriffe ansserhalb des Mauls kräftig herunterdrückt, hebt man den Zahn aus der Höhle hervor und entfernt ihn 2). — Sitzt aber der Zahn noch fest, so gelingt seine Entfernung am besten durch die von Havemann3) und E. Viborg*) hierzu empfohlene sogenannte Operation der Zahulistcl. Zu derselben mnss das Thier niedergelegt werden. Alan scheert auf der Geschwulst im Umfange der Fistelöfl'nuag die Haare ab, macht einen Kreuzschnilt, des­sen Mitte die Fistelöffnung ist, präparirt die Haut etc. von dem Kinn­backen in dem Umfange los, dass eine etwa einen Quadralzoll grosse Fläche des lelzlern cntblösst wird und nimmt die Beinhaut in demsel­ben Umfange von dem Knochen ab Auf die cnlblössle Fläche setzt man nun einen scharfen Meissel und durchschlägt mit demselben rund herum die Wand des Knochens, gerade gegenüber dem Boden der Zahnhöhle, nnd entfernt das auf diese Weise von allen Seilen getrennte Knochenstück. Statt des Meissels kann man auch nach dem von Vi­borg zuerst gemachten Vorschlage5) den Trepan zum Herausbubren des Knochenstückes benutzen, was in so fern besser ist, als dadurch Erschütterungen und Splillerungen des Knochens vermieden werden; aber die vollständige Durchbohrung mit dem Trepan hat bei der zu­weilen sehr starken Aul'lrcibung des Knochens darin Schwierigkeiten,
') Magazin für die gesammte Thierheilkundë. Jahrg. 1836. S. 490. Mit Abhildungcn.
•) Es sind noch andere Zanjjen von Plasse (Recueil vétérin. Tome IX. p. 317) und von Brognicz (Traite do chirurgie vétérin. Vol. II. p. 36) angesehen worden, aber nicht hesser, als die Wen denhurgsche. Auch be­nutzen französische Thierärzte hierzu den sogenannten Zahn-, englischen oder Garengotschen Schlüssel, der jedoch nur bei kleinen Thicren gut zu benutzen ist.
3) Anleitung zur Bcurtheilung des äussern Pferdes. Hannov. 1SÜ5. S. 77, Anmerkung.
') Veterinär-Selskahels Skriftcr. Deel 2. S. 331. Kiobcnhavn 1813.
s) A. a. 0. S. 342, — ein Vorschlag, dessen Priorität Dietcrichs in Anspruch zu nehmen scheint (Akiurge, S. 244).
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Zahnfistel. Kur.
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dass die Knocbcnmasse dicker, als die Trepankrone tief isl. Bei diesem ganzen Vorgänge muss man immer die anatomische Beschatïcnheit der speziellen Operatiousstclle berücksichtigen, und besonders bei der Zahn­fistel an dem Vorderkiefer den Unteraugcnhöhlcnnerv (zweiten Ast des fünften Paars)J besonders an den unteren Zähnen, nachdem er aus dem Infraorbitallochc getreten ist, und auf dem Kiefer fast gerade über den Zahnwurzeln verläufl. Um ihn nicht zu verletzen, schiebt man ihn nach dem Haulschnilt zur Seile. Am Unterkiefer hat man beson­ders die Kiniibackenarlerie, die gleichnamige Vene und den Stenson-schen Gang zu schonen und den Niederzieher der Unterlippe etwas nach oben zu schieben. — Nachdem die Oell'nung auf die eine oder die andere Weise gebildet ist, setzt man dem Thiere ein mit Werg oder Leinwand dick bewickelles Maulgatter zwischen die beiden Kie­fer, um die Hackenzähne des Ober- und Unterkiefers von einander ent­fernt zu hallen, führt dann einen eisernen Stempel1) in die Höhle gegen die Zahnwurzel 2) und treibt den Zahn durch kurze, kräftige Scliläge mittelst, eines Hammers auf das äusserc Ende des Stempels aus der Zahnhöhle in das Maul. Wenn man hierbei bemerkt, dass der Zahn locker wird, so lässt man einen Gehülfen seine Hand durch das Maulgatter bis zu dem bei reifenden Zahn führen und denselben mit den Fingerspitzen erfassen und wegnclnnen, wenn er mit den letzten Ham­merschlägen aus der Zahnhöhle ins Maul fällt 3). Hiernach wird das Maulgatter entfernt, die Gcschvvürshüble von Knochenstückchen und Blut gereinigt und mit einem massig festen Wergpfropf vollständig aus­gefüllt. Der erste Verband kann durch 48 Stunden liegen bleiben, später, bei reichlich eingetretener Eiterung, muss er aber täglieh ein-, selbst zweimal erneuert und das Geschwür mit aromatischen Infusio­nen, oder, bei sehr geringer Thätigkeit, selbst mit dem Digestivwasser
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') Man muss zwei solche eiserne Stempel besitzen, nämlich: einen gera­den, zum Gebrauch am Hinterkiefer, gegen 5 Zoll lang, J Zoll breit und i Zoll dick, — und einen für den Vorderkiefer, in derselben Länge und Stärke, aber in der Mitte gegen 1 Zoll breit gekröpft, d. i. zweimal im fast rechten Winkel gebogen, so dass er eine fast S-fonnige Gestalt erhält und hierdurch desto besser senkrecht gegen die Zahnwurzel gestellt werden kann, ohne durch die Wölbung der Vorderkieferbeine hierin gestört zu werden.
2) Bei dem Ansetzen auf die Zahnwurzel hat man zu beobachten; a. dass dies in möglichst gleicher Richtung mit der Längenachse des Zahns geschieht, damit die Seitenwände der Zahnhöhle nicht gesplittert werden — und b. dass man die Stämme der Zahnnerven (den nerv, infraorbitalis und den n. alveolaris maxillae inferior.) nicht zwischen dem Stempel und der Zahnwurzel zerquetscht. Wegen letzterer Rücksicht schiebt man diese Nervenstämme entweder möglichst zur Seite, allenfalls naihdem man die aus ihnen zu dem kranken Zahn gehen­den Zweige durchschnitten hat, oder man schneidet sie selbst (nach Yiborgs Rath) durch.
s) Strauss hat das Verfahren dahin abgeändert, dass er nach dem Durch­bohren des Kiefers am Grunde der Zahnhöhle noch eine zweite OelTnung mit dem Trepan an der Seite derselben macht und das Ende der Zahnwurzel quer durchbohrt. Das Stückchen Zahnwurzel wird entfernt und dann der Zahn selbst mit dem Stempel herausgetrieben, wie oben gesagt. Dies Verfahren ist höchst mühsam und gewährt keinen besondern Nutzen.
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772nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; After-, Mastdarm- und Beckenfislel.
(Seite 61) uud den oben geuanulen, die Exfoliation befördernden Mit­teln, — oder, wenn üjjpige Granulation entstellt, mit Auflösungen von Kupfervitriol, Zinkvilriol, Höllenstein und dergleichen befeuchtet werden. Dabei giebt man den Thieren weiches Futter und hält sie mehrenlheils ruhig, bis die Heilung erfolgt ist.
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Viertes Capitel.
Die After-, Mastdarm- und Beckenfislel.
Bei Pferden und bei Hunden, selten bei den übrigen Säugethier.en, kommen am uud um den After Fisteln von zweierlei Art vor, von denen man die eine als ächte After- oder Mastdarmfistcln, die andere als unüchte After- oder Mastdarmfisteln oder Becken­fisteln bezeichnen kann. Die ersteren bestehen in einem Fistelgeschwür, welches immer in den Mastdarm mündet und dessen Kanal entweder in dem Zellgewebe neben dem Mastdarm blind endet oder sich nach aussen durch die Haut erstreckt und bald seitlich neben dem After, bald mehr niedrig im Miltclfleisch eine OelTiinng bildet, aus welcher Eiter oder Jauche, zuweilen mit Koththeilen gemengt, fliesst, besonders aber dann, wenn das Thicr Kolli oder Urin entleert. Solche Fisteln der letztem Art bezeichnet man als durchgehende oder vollstän­dige, aber die mit einem blinden Ende versehenen als unvollstän­dige Mastdarmllsteln. Bei den letzteren findet der Ausfluss von Eiter oder Jauche durch den After statt, ebenfalls am meisten zur Zeit der Kothentleerung, und gewöhnlich besteht dabei auch eine ödematöse An­schwellung au der einen oder der andern Seite nebeu oder unter dem After. — Die unächten AfterOsteln bestehen in einem Fislelgeschwür in dem lockern Zellgewebe neben dem After uud Mastdarm, oliue mit dem letztern selbst eine Verbindung zu haben; sie erstrecken sich mehr oder weniger lief in das Zellgewebe und bald in der Bicbtung nach dem Rectum, bald mehr nach aussen zwischen die Beckenmuskeln und zuweilen bis auf die Beckenknochen.
Die Erkennung dieser verschiedenen Fisteln ist theils aus den an­gegebenen Erscheinungen und aus der fortdauernden Verunreinigung des Schweifes und der Hinterschenkel mil Eiler, theils durch das Son­diren zu erlangen. Die in dem Mastdarm selbst belindliche Fistelöll-uung kann man beim Pferde zuweilen auch äusserlich sehen, wenn eben das Thier Kolli absetzt und dabei wie gewöhnlich die Schleimhaut etwas hervordrängt; in anderen Fällen aber und bei den übrigen Thie­ren muss man dieselbe mittelst des in den After geführten Fingers auf­suchen und dann eine bogenförmig gekrümmte Sonde (am besten eine Sonde von Blei) in die Fistel einführen. Die äussere Fistelmündung sieht man immer deutlich und kann mit einer eingeführlen Sonde ihre Länge
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ft; i il After-, Mastdarm- und Beckenfïslel.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 773
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und Richtung leicht erforschen; stellt sie mit einer innern Oeflnung iu
Verbindung, so dringt die Sonde bis in den Mastdarm ein und man
kann sie hier mit den Fingern deutlich fühlen; bei den unächten ist
dies nicht der Fall, sondern die Sonde dringt nicht so tief ein, oder
sie geht nach irgend einer Seite von dem Mastdarm ab, und zuweilennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;jj'
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fühlt man eine harte, rauhe Stelle der Beckenknoehen. Oft sind sie
in der Tiefe Hohlgeschwüre.
Bei Hunden kommt nicht selten eine besondere Art dieser Fisteln vor, indem die neben dem After befindlichen Afterbeutel entzündet werden und eine eiterige Flüssigkeit reichlich secerniren. Dieser Zu­stand ist an der Anschwellung der Beutel und ihrer Drüsen und an der im Rande des Afters liegenden, an beiden Seiten gleichmässigen runden Oeffnung des Ausführnngskanals zu erkennen. In diese Oeff-nungen kann man mit einer Sonde gegen f bis 1^- Zoll tief ein­dringen.
Die Ursachen der ächten Mastdarmfistcln sind Verletzungen der Mastdarmsschleimhaut durch verschluckte Nadeln und andere Gegen­stände, welche unverdaut den Darmkanal durchwandern und dann beinbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; $i dem Drängen des Thieres in die Schleimhaut des Darms eindringen, wie z. B. Tannennadeln, Knochensplitter, Holzstückchen u. dgl.; zu­weilen entstehen diese Verletzungen auch durch ungeschickte Manipu­lationen bei Untersuchungen des Mastdarms mit den Händen, bei der Applikation von Klyslieren, bei dem gewaltsamen Ausräumen des Kothes u. s. w. Die unächten Aflerfisteln quot;entstehen durch Verletzungen von aussen her zuweilen nach dem Schweifkerben und in manchen Fällen auch durch Metastasen, besonders bei Druse.
Die Beurlhcilung ist im Anfange der Behandlung stets zweifelhaft zu stellen, da diese Fisteln schwer heilen und in ungünstigen Fällen durch Senkung des Eilers in das Becken oder zwischen die Schenkel­
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muskeln fortschreitende Enlzündungen und Zerstörungen, Caries und Zehrfieber herbeifüliren können, und da man bei ihnen selbst in der An­wendung der Heilmittel, namentlich der Aetzmittel und der Gegenöllhun-gen in den meisten Fällen sehr beschränkt ist. Je kürzer die Fisteln sind, um desto eher ist Heilung zu erwarten; Fisteln, welche nur eine innere Mündung besitzen, sind schwieriger zu heilen als solche, welche mit 2 Mündungen versehen sind. Die unächten Afterfisteln sind in den meisten Fällen hartnäckiger und oft auch gefahrlicher als die ächten, weil sie eben Senkungen und Caries eher erzeugen. Zuweilen bleiben die Fisteln von beiden Arten ungeheilt. Ihr Nachtheil ist dann der be­ständige Säfteverlust und die fortdauernde Verunreinigung des Mittel-fleisches, der Hinterbacken und des Schwanzes.
Die Behandlung. Bei vollständigen Mastdarmfisteln kann man, je nach ihrer Beschaffenheit, die äussere Mündung erweitern und dann ein ätzendes Bougie in der ganzen Länge der Fistel einfuhren und es durch etwa 24 Stunden in derselben erhalten, hiernach aber die eintretende Eiterung und Granulationsbildung abwarten. Eben so kann man ein der Fistel entsprechend dickes und gebogenes Brenneisen in dieselbe ap-pliziren. Fruchten diese Mittel nichts, oder ist die Masse zwischen den beiden Fistelöffnungen nicht zu lang und übermässig dick, so kann man auch dieselbe mit dem Messer durchschneiden oder mittelst einer Draht-
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Krebsgeschwiir am männlichen Gliede.
ligatur aliiniilig duvchbiiiden. Für den ersten Zweck fuhrt man eine Hohlsoude durch die iiussere Oellnung in die Fistel, leitet in ihr ein KnopfVnesscr und durchschneidet alle Theile und die Mastdarmwaud nach hinten bis an den Schliessmuskel, welchen man unverletzt lässt, — stillt die Blutung, lullt die Wunde massig tief bis auf den Grund mit Werg aus und leitet dann die Eiterung zur Heilung. Um die Fistel zu durchsclinürcn, bringt man einen gut ausgeglühten Messingdraht oder einen Bleidraht durch die äussere Oell'nuug in die Fistel, schiebt ihn bis zur Ocdnung in dem Darme, beugt ihn hier nach dem After hinein und führt ihn durch den letztern wieder heraus Man dreht nun die beiden Enden mit einander so stark zusammen, dass der Draht auf die zwischen ihm liegende Masse einschneidend wirkt und wiederholt dann dieses Drehen täglich so lange, bis die Durehschneidung vollständig ge­schehen ist. In der Kegel wächst unmittelbar hinter dem Drahte die durchschniltcne Stelle wieder zusammen und es erfolgt so die Heilung. Oft bleibt aber für immer eine ollenc Lücke, weil der Schliessmuskel durchlrennt ist. — Bei den nur mit einer iiincrn Oellhung versehenen Fisteln muss man zuerst versuchen, eine äussere Oeffnuug auf die Weise zu bilden, dass man eine stark gekrümmte Sonde in der oben angegebenen Art bis auf den Grund der Fistel einführt und dann in der, durch die Richtung der Sonde angedeuteten, oder auch bei dem stärkern Drängen durch die Sonde äusserlich etwas hervorgedrängten Stelle die Haut und das Zellgewebe durchschneidet, bis die Sonde zum Vorschein kommt. Man kann dann sogleich mittelst der Sonde ein Band in die Fistel ziehen und hierdurch den Auslluss des Eilers befördern, die Fislelhaut umstimmen und hierdurch die Heilung vermitteln, oder auch später die Bougies, die Diirchsclineidung oder die Ligatur an­wenden, wie es im Vorstehenden angedeutet ist.
Fünftes Capitel.
Das Krebsgeschwür am männlichen Gliede.
Bei Pferden und Hunden habe ich mehrmals den oflenen Krebs au der Eichel des männlichen Gliedes gefunden.
Das Uebcl äussert sich durch Auslluss einer stinkenden Jauche aus der Vorhaut, Geschwüre an der Eichel mit umgebogenen, zackigen Rän­dern, schmutzig-rothen, mit üppiger Granulation besetzten Grund, wel­cher bei der Berührung leicht blutet, scirrhöse, kuotige Härte der Umgebung, heftige Schmerzen, allmälige Vergrösserung der Geschwüre, zuweilen erschwertes Uriniren, Anschwellung der Lymphdrüsen.
Ucber die Ursachen weiss man nichts Sicheres, — ähnlich wie bei dem Krebs überhaupt.
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Krebsgeschwür am männlichen Gliede.
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Die Prognosis ist cinigcnnasieu gün.-'tig, wenn das Uebel nicht lauge bestauden hat und nur noch auf die Eichel beschränkt ist, dabei das Thier kräftig und ohne ein bedeutendes Allgcmeinleiden ist. In solchen Fällen kann durch Ainjnilation die Bcseiligung des Uchels, zu­weilen für immer, zuweilen auch nur für einige Zeit bewirkt werden.
Die Kur besieht nur allein in der Entfernung des kranken Theils des Penis, welche immer so viel wie möglich in der gesunden Substanz desselben geschehen muss und auf dreierlei Weise ausgeführt werden kann, nämlich: 1) durch das Abbinden; 2) durch das Brenneisen und — 3) durch das Messer.
Das Tlnei' muss zur Operation auf eine Seite oder auf den Rücken gelegt und im erstem Falle der oben liegende Ilinlerfuss auf den Vor-arrn der oberu Seite gebunden werden, im letzlern Falle aber werden die Füsse jeder Seite kreuzweis zusammengebunden. — JHierauf zieht man das Glied langsam aus dem Schlauche hervor, reinigt dasselbe, so wie den Schlauch selbst, mit kallem Wasser und verfährt dann, wie
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folgt.
Erstreckt sich aber die Entarlung des Gliedes so weit über die
Eichel hinauf, dass der kranke Theil ohne Weiteres nicht frei aus dein Schlauche hervorgezogen werden kann, so muss als Vorbereitung erst der letztere in seiner Millelliuic in entsprechender Länge aufgespalten werden.
1) Um das Abbinden zu bewirken, führt man durch die Mündung der Harnröhre eine Rölire von verzinntem Blech, welche der Dicke der Harnröhre entspricht und so lang ist, dass sie noch einige Zoll über die Unterbindungsslellc hinaufreicht. Hierauf legt man auf die letztere eine, aus einem starken runden Band gebildete Schlinge (am besten eine sogenannte Kastrirschlinge) und schnürt dieselbe möglichst fest zu, so dass die vor der Schlinge bdindlichen Theile absterben müssen. Das Zubinden geschieht mit einem auflösbaren Knoten, so dass man die Schlinge naebsebnüren kann. Das Thier wird nun entfesselt. — Das Nachschnüren muss täglich wiederholt werden, bis das Band tief, bis fast auf die Harnröhre, eingeschnitten hat, — was bei Pferden ge­wöhnlich mit circa (i — 8 Tagen geschehen ist. Nun kann man die Trennung der abgebundenen Parlbie des Gliedes vermittelst des Messers vollenden, jedoch so, dass die Harnröhre gegen i—1 Zoll über die schwammigen Körper hervorstehen bleibt, damit ihre Mündung nicht mit Granulation überwächst. Zu dieser Operation muss das Thier wieder niedergelegt werden. — Während die Ligatur noch liegt, schwillt das Glied bedeutend ödematös an und an der Unterbindungsstelle sik-kert stinkende Jauche; man macht desshalb in den vordem Theil des Gliedes Einschnitte und befeuchtet dasselbe oft mit einer Auflösung von Chlorkalk.
Nach Seh e 11 hasc raquo;) modifizirt man das Abbinden, wenn der vordere Theil des Penis sehr entartet ist, so: dass man da, wo die gesunde Substanz des Gliedes beginnt, die Harnröhre ötfnet, durch diese Oeffnung eine Metallröbre einführt, welche an ihrer Mitte etwas enger ist, als an den Enden, dann hierüber eine Schlinge von oben angege-
') Exkursionen in der thierärztl, Literatur. Theil I. S. 223.
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Krebsjrcschwür am iimiinlichen GUedc,
benei' Bescbafleuheit legt, dieselbe möglichst fest zusclinürt und das Glied etwa | Zoll vor derselben abschneidet. Die Schlioge wird auch hier täglich stärker zusanimengozogen, bis der vor ihr befindliche Theil des Gliedes abfällt.
2)nbsp; nbsp;Bei dem Abtrennen des kranken Rulhentheils durch das glü­hende Eisen will man durch letzteres zugleich die entstehende Blutung stillen. — Mau legt hier, nachdem das Thicr, wie oben gesagt, gebun­den und nöthigenfalls der Schlauch gespalten ist, eine Baudschleife fest um das Glied über und eine zweite unter die Operalionsstellc, urn mit jeuer das Glied hervorgezogen zu halten und zugleich den Blutandrang zu niinderu, mit dieser aber das Glied bei der Operation im gespannten Zustande zu erhallen. Dann schneidet maii mit gleichmässigen Zügen eines weissglühenden, messerfönnigen Brenneisens das Glied an der Gräuzc der gesunden Substanz quer durch. Dieses Durchschneiden kann entweder von der obern Seite (dem Rücken) oder von der untern Seite des Gliedes her begonnen werden. Im letztem Falle wird aber, wenn dies ohne Vorsicht geschieht, die Harnröhre durch die län­ger dauernde Berührung mit dem Brenneisen zn sehr zusammenge-sehruinpft und eine dauernde Verengerung derselben vorbereitet. Dess-halb ist es zweekmässig, zuerst die Harnröhre ungefähr 6-—9 Linien vor der Durchschneidungsstelie des Gliedes quer zu durchschneiden, sie in der bezeichneten Länge völlig von den schwammigen Körpern abzu-präpariren, sie mit einer eisernen Platte, z. B. mit einer Uauklingc, zu schülzeu und dann das Durchbrennen zu bewirken. Nachdem dies geschehen, legt man in die Harnröhre eine calsprechend dicke, bei Pfer­den gegen 4 Zoll lange und am äusscru Ende mit einem Querblall versehene Rühre und befestigt dieselbe mitlelst zwei lletleu, welche durch kleine Oell'nnngen des Qucrblatlcs und durch den äusseru Rand der schwammigen Körper gezogen werden. Die Röhre soll der Ver­engerung und Ücbcrwaclisuug der Harnröhrenmündung entgegenwirken und muss dcsshalb bis zur gänzlich erfolgten Heilung, d. i. C — 8 Wo­chen, liegen bleiben. Sie wird jeden zweilen oder dritten Tag durch Einspritzungen mit lauwarmem Wasser gereinigt; übrigens werden die Enlzündungszufälle durch narkotische lUittcl und Bleiwasser beseitigt.
3)nbsp; nbsp;Die Amputation mit dem Messer geschieht schnell, gründlich und giebt eine reine Wundfläche. — Man führt bei derselben, nach geschehener Vorbereitung wie oben, eine dicke Sonde in die Harnröhre bis an die zum Durchschneiden bestimmte Stelle, '#9632;— drängt hier die Harnröhre recht stark und sichtbar hervor, durchschneidet sie 6 bis 9 Linien vor dieser Stelle, präparirt sie in dieser Lauge nach oben vou den schwammigen Körpern und durchschneidet dann die letztem mit einem kräftigen Messerzuge. Hierauf werden die Arterien sowohl am Rücken des Gliedes, wie auch au der untern Seite desselben durch Unterbinden oder Zudrehen verschlossen, die Händer gelüftet und wenn nun keine Blutung mehr entsteht, wird das Thicr entfesselt. Tritt aber noch starke Blutung aus den schwammigen Körpern ein (was gewöhn­lich nicht der Fall ist), so müssen slyplische Mittel oder selbst das Glüheisen angewendet werden.
Ich habe in einigen Fällen auch vor dem Durchschneiden der
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IfiifUnorpcIfistel,
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schwammigen Körper die Arterien aufgesucht und unterbunden und dann fast gar keine Blutung gesehen.
Eine Röhre in die Harnröhre zu bringen ist hier weniger nöthig, als nach dem Abschneiden mit dem glühenden Eisen; doch kann sie aus Vorsicht, so wie dort angegeben ist, eingelegt werden.
Die Nachbehandlung ist zuerst kühlend, enlzündungswidrig; später kann man geliud tonische Mittel anwenden.
Bei Hunden muss man mit den schwammigen Körpern zugleich den Kuthenknochen entweder in seiner Substanz durchschneiden oder denselben an seinem hintern Ende ablösen und ihn von der Harnröhre trennen.
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Sechstes Capitel.
Die Hufknorpelfistel.
Die beiden, auf den Seitcnästen des Hufbeins bei den eiuhüfigen Thieren sitzenden Knorpel werden oft in UIceration versclzt und bilden dann kariöse Geschwüre, welche in den meisten Fällen den ganzen Knor­pel sehr langsam, und zwar gewöhnlich in der Richtung von hinten nach vorn fortschreitend, zerstören, und bald mehr bald weniger üble Zufälle mit sich führen. Diese Geschwüre münden an der Haut der Krone mit einer oder mit mehreren kleinen runden Oelfnungen und werden im Allgemeinen als Kuorpelfisteln bezeichnet.
Man erkennt dieselben daran, dass die Krone bald mehr bald weniger stark aufgetrieben und hart ist, die Haare gesträubt sind und aus den kleinen OelTnuugen eine eiterige oder jauchigle, zuweilen grünliche und mit kleinen erweichten Knorpelstückchen gemengte Flüssigkeit aus­sickert. Bei dem Einführen einer Sonde in die Oelfnungen kann man in einer oder der andern Richlimg und mehr oder weniger lief ein­dringen, so dass man den Knorpel entweder nur an seiner Oberfläche rauh fühlt oder dass man denselben durchdringt und hierbei die harten, rauhen Ränder in seiner ganzen Dicke deutlich fühlen kann; in ein­zelnen Fällen führt die Sonde auch bis auf das Hufbein, was man an der grosseren Härte deutlich unterscheiden kann. Sehr häulig findet sich die Hornwand unter der aufgetriebenen Krone abnorm zusam­mengezogen, hart und ausgetrocknet. Die Thiere zeigen in den ein­zelnen Fällen bald mehr bald weniger Schmerz bei dem Zusaminen-drücken des Hufes, und im quot;Vcrhältniss des Schmerzes sieben sie auch zuweilen unrcgelmässig, treten mit den Trachten nicht gehörig nieder und manche lahmen auch bedeutend.
Die Ursachen sind Kronentritte, bösartige und vernachlässigte Slcin-gallen, zuweilen auch Vernagclungen, heftige QnetscbuDgcn des Hufes und Knorpels, z. B. bei dem Ueberfahren mit Wagenrädern, Brüche des Hufbeins, bösartige HoinspaUen, die ausfallende oder Brandmauke u. dgl.
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77S
Ilufknorpelflstel. Kur.
Die Bcurthciliiug ist, je nachdem das Uebel bereits mehr oder weniger vorgeschrilteu ist, je nachdem der Huf dabei entartet ist, ferner darnach, wo das Uebel seinen Anfang genonnnen hat und ob das Huf­bein mitleidet, sehr verschieden. Im Allgemeinen gehören die Huf-knorpelfisteln zu den hartnäckigsten üebelu, welche sehr häufig dem Thicrarzt und dem Eigenthümcr Vcrdruss und Sorge machen und durch welche nicht selten Pferde völlig unbrauchbar werden, oder in Folge der heftigen Schmerzen, des beständigen Säftevcrluslcs und der hinzu­getretenen Rotz- und Wurmdyskrasie zu Grunde gehen. Bei einer zweckmässigen Behandlung sind die Knorpeltisteln in der Regel zu heilen, oft sind dieselben nach langem Bestehen sogar von selbst geheilt, wenn sonst die Thicre einer zweckmässigen, diätetischen Pflege, nament­lich dem Aufenthalt auf feuchter Weide, ausgesetzt waren. Frisch entstandene Knorpelfisteln sind in der Regel binnen etwa 4 Wochen zu heilen, und zwar um so sicherer, je mehr das Uebel dem vordem Ende des Knorpels nahe ist; denn (wie oben schon erwähnt) die Zer­störung dieser Knorpel schreitet in der Regel von dem hintern Ende derselben zu dem vordem fort und hört auf, wenn das letzte erreicht ist. In dieser Eigeuthümlichkeit ist der Grund zu suchen, dass Knorpel-fistelu zuweilen bei Anwendung eines unbedeutenden Mittels oder auch von selbst heilen, nachdem sie lange genug bestanden haben. und dass oft derjenige Thierarzt die Ehre der Heilung erhält, welcher erst dann hinzugerufen worden ist, nachdem ein oder einige seiner Collegen iu der Kur müde geworden sind. Diejenigen Knorpclfistcln, welche durch den Knorpel hindurchdringen und hinter demselben Höhlen bilden, oder wo zugleich das Hufbein cariös ist, sind immer die hartnäckigsten und konnten bisher mehrentheils nur durch die sehr schmerzhafte Exstir-pation des Knorpels geheilt werden; in neuerer Zeit heilt man die­selben jedoch auch oft auf andere Weise. Knorpelfisteln mit 2 Oelf-nungen werden für leichter heilbar gehalten als diejenigen mit einer üellhung.
Die Kur der Knorpelfisteln muss darauf gerichtet sein, entweder die Caries im Knorpel zu vernichten, oder auch den ganzen Knorpel zu exslirpiren und dann die Heilung herbeizuführen. Das erstere Verfahren ist das ältere, aber in neuerer Zeit erst wieder zur Geltung gekommen, da man seit Lafosse die Exslirpation des Knorpels viel zu allgemein in den meisten Fällen als das allein gründliche Hiilfsmittel benutzt hatte. Um die Exfoliation zu bewirken, kann man Aetzmittel verschiedener Art in flüssiger oder in fester Form, oder auch das glühende Eisen anwenden. Der Nutzen des letztern und der trockenen Aetzmittel im Vergleich zu den llüssigen ist jedoch hier viel geringer; denn jene Mittel wirken immer nur auf eine begränzte Stelle, kommen oft nicht auf den Grund der verschiedenen leidenden Punkte, zerstören auch oft gesunde Theile (wesshalb sie nicht gut anwendbar sind bei Fisteln in der vordem Hälfte des .Knorpels, wo das Kapselband des Ilufgelenks nahe unter dem Knorpel liegt), sie machen grosse Schmerzen und hierdurch die Thierc für einige Zeit lahm und undienstbrauchbar, und lassen doch oft die Fistel ungeheilt. Dagegen dringen flüssige Aetzmittel überall in die Tiefe, zerstören die Caries gründlicher und, wenn die Mittel in richtiger Verdünnung gewählt werden, ätzen sie gesunde Theile nicht an. Für
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Hufknorpelfislel. Kur.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;779nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i
die Anwendung dieser Mittel im Allgemeinen erweitert man die Fistel-öflnung, im Falle sie nicht recht frei und offen ist, durch einen etwa ^ Zoll langen Einschnitt nach unten, und wo die Fistel durch eine eiternde Steingalle entstanden ist, erweitert man auch die Steingallen-öll'nung durch Beschneiden der Hornränder, so dass ein freier Ablluss nach unlen statlilnden kann: wählt man das Brenneisen, so führt, man es weissglühend bis auf den Knorpel, berührt alle Stellen des Geschwürsnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1
an demselben und erzeugt, einen gleichmässigen Brandschorf. Hiernach macht man am besten durch einige Tage lauwarme Fussbäder von schleimigen oder, bei geringer Empilndlichkeit, auch von aromatischen Mitteln. Nach eingetretener guter Eiterung wird das Geschwür täglich einmal oberflächlich mit lauwarmem Wasser gereinigt. — Von den trockenen Aetzmitteln bringt, man am besten in jeden einzelnen Fistel­gang ein nach dessen Tiefe abgemessenes, circa 1 —2 Zoll langes Stück­chen von dem S. 760 beschriebenen Sublimat-Bougic, legt einen Ver­band darüber und lässt denselben 6 — 8 Tage lang unverändert liegen. Die während der Zeit eingetretene Entzündung mindert man dann, wenn sie noch fortbesteht, durch schleimige Fussbäder. Es entsteht im Umfange der Fistel durclidringende Aetzung der betroffenen Thcile und die zugleich zu einer zellig-fibrösen Substanz umgewandelten Knorpel­ränder stossen sich hiernach gewöhnlich 2 — 3 Linien breit ab und die Heilung erfolgt durch gute Granulation in Zeit von circa 4—6 Wochen. Wégen der oben genannten, oft bemerkbaren üblen Eigenschaflen der trocknen Actzmitlel und des Brenneisens hat man häufiger und mit gutem Erfolge die massig verdünnten Actzmittcl angewendet, wie namentlich eine Auflösung von Argentum nitricum fusum (10 — 20 Gran in 3j Wasser), eben so eine Auflösung von Aelzsublimat in gleicher Stärke, oder von Kupfervitriol (3) in 3ij Wasser) u. dgl. Am meisten aber verdient die von Villal1) und Mariage2) empfohlene Mengung von Kupfer- und Zhikvilriol, Bleiessig und Essig (S. 760), und zwar auf die von dem Letztern vorgeschriebene Weise, nämlich dass nian täglich ein oder zwei Mal die gut umgeschütteltc Flüssigkeit mit einer Spritze in die Fistel einspritzt, so lange bis Schmerz und Blutung hierbei ent­steht, benutzt zu werden. Wo mehrere Oeffnungcn bestehen, macht man die Einspritzungen in jede derselben. Mehrere Oefl'nungen tragen zum bessern Erfolge bei; man muss aber dabei so viel injiciren, wie in die Kanäle nur eindringen kann. In den ersten 8 Tagen wird hier­von die Eiterung sehr reichlich, der Eiter mehr weiss, die Geschwulst wird weicher, geringer, das Hinken weniger; und wenn dann bei wei­tem Injectionen die Flüssigkeit schwieriger eindringt oder Blutung ent­steht, sind dies Zeichen der Heilung und man kann die Injectionen nun weglassen. Die gänzliche Vernarbung erfolgt in 3 — 4 Wochen. Die Thiere können während der Zeit massige Arbeiten verrichten. Mit Recht nennt H. Bouley diese Methode eins der wichtigsten Ereignisse,
') Recueil de medec. vétérin. Tome VI. p. 10.
2) Guerison infaillible, dans tous les cas, du javart cartilagincusc (vul-gairement appelc javart encorné), en quinzc jours suns operation, etc. Paris 1847.
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'tS\inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Hiifknorpellislel. Operation.
welches seit vielen Jahren in unserer chirurgischea Therapie einge­treten ist 1 ).
Die Exstirpation des Hufknorpels, von Lafosse zuerst empfohlen, kann nach verschiedenen Methoden ausgeführt werden und zwar:
a.nbsp; indem man den Knorpel zugleich mit der Haut der Krone und einem halbmondförmigen Stück der Hornwand wegnimmt;
b.nbsp; indem man die Krone und die Haut schont, aber die Hornwand wegnimml und den Knorpel nach Diärchschneidung der Fleischwand exstirpirl;
c.nbsp; indem man die Hornwand nur verdünnt, durchschneidet und die Auslösung des Knorpels hiernach bewirkt; oder
d.nbsp; nbsp;indem die Hornwand abgenommen oder verdünnt, die Fleisch-wand quer durchschnitten und die Haut an der Krone senkrecht bis zum obern Rande des Knorpels gespalten und abgelöst wird u. s. w.
Jedes dieser Verfahren hat im Vergleich zu den übrigen Methoden in den einzelnen Fällen seinen besonder Werlh.
Das erste Verfahren ist da zu benutzen, wo die Haut und die Kronenwulst um die Fistel sehr entartet ist, die Fistel aber wenig in die Tiefe geht. Da bei diesem Verfahren die Hornwand grösstentheils erhalten wird, so wird auch die Zusammenschrumpfung des Hufes mehr als bei der zweiten Methode verhindert und die Heilung sehr erleich­tert. Die Operation selbst ist leicht ausführbar; aber es entstehen zu­weilen Senkungen des Eiters in den Huf, und die Hornbildung erfolgt nicht immer ganz regclmässig. — Die zweite Methode gestattet eine genaue Erkennung der BeschafTenheit der Thcile im Hufe und zugleich die gründlichste Entfernung der kranken Gebilde. Sie ist daher ange­zeigt, wenn die Fistel tief in den Huf eindringt, oder wo die Schmerzen sehr heftig sind und man desshalb ein Mitleiden des Hufbeius vermuthen kann. Die Operation ist aber sehr eingreifend und schmerzhaft und führt eine grosse Wundfläche mit sich, bei welcher die Heilung langsam stattfindet. — Bei dem dritl]cn Verfahren ist die Auslösung des Knor­pels etwas schwieriger, weil der am Saume sitzenbleibende Hornrand die Wendungen mit dem Messer erschwert; es sind desshalb auch Verletzungen des Kapselbandes leichter möglich. Bei tiefen Fisteln und bei dem Mitleiden des Knochen erfolgt wegen der hohen Stelle der Operationswunde kein guter Abfluss des Eiters, dagegen hat dies Ver­fahren den Vortheil, class die Fleischblättchen nicht mit verletzt werden und dass daher auch die Reizung geringer ist, als bei den anderen schmerzhaften Methoden, wie auch, dass Wucherungen der Fleischwand und Trennungen derselben von dem Hufbein vermieden werden und dass die Heilung leicht erfolgt. — Die vierte Methode gewährt eine freie Ansicht der unter der Haut befindlicben Theile und man kann bei ihr den Knorpel am leichtesten umgehen und ihn, ohne andere wichtige Verletzungen zu machen, am vollständigsten exstirpiren.
Die Thiere müssen zur Operation durch Erweichen des Hufes vor­bereitet uud dann der letztere im Stehen ganz regelmässig ausgeschnitten werden. Auch kann man ein sogenanntes Vcrbandeiseii (dessen Stollen-
') Recueil dejnéd. vét. 1847. p. 492,
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Hufknorpellistel. Operation.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;781
enden und Zehe mit einem hackenfonnig in die Höhe gericliielen Auf­zuge versehen sind, um die später anzulegende Binde festzuhalten) auf­heften und sogleich wieder abnehmen, damit mau nur die Nagellöcher vorbereitel und später bei dein Aufnageln keine Erschütterung macht. Dann legt man das Thier so nieder, dass die kranke Seite des Hufes die obere wird, — bindet deu leidenden Fuss mit dein Schienbein kreuz­weis auf das Schienbein des andern oben liegenden Fusses, bindet ein Band fest um den Fessel, um durch seinen Druck auf die Gefasse wäh­rend der Operation die Blutung zu verhiiten und verfährt dann nach den einzelnen Methoden in folgender Weise:
a.nbsp; nbsp;Bei der ersten Methode scheert man die Haare an dem kranken
Theile der Krone ab, untersucht dann mit der Sonde noch einmal dienbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;!Jji
Tiefe und Richtung der Fistel, um hiernach die Ausdehnung und Tiefenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;'}i.
des Schnittes einzurichten und macht dann mit einem Rinnmesser eine halbmondförmige Furche in das Ilorn der Seiten- und Trachtenwand vom Saume des vordem Knorpelendes bis eben dahin am hintern Ende,
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und zwar so: dass die niedrigste Stelle dieser Furche unter der niedrig­sten Fistelstelle sich befindet. Die Furche muss überall bis auf die Fleischblättchen gehen und ihr unterer Rand schräge abgedacht, somit der eigentliche Rand möglichst dünn gemacht werden. Man durchschneidet nun mit der Spitze eines lorbeeiblattförmigen Messers in der ganzen Furche den Rest der Hornwand, die Fleischwand und den Knorpel und führt dann den Schnitt nach oben vom vordem Ende der Furche in einer Bogeulinie über der Fisteloirnung hinweg bis zu dem hintern Ende der Hornfurche, —- erfasst hierauf das entarlete Hautstück mit­telst eines scharfen Hakens oder der Pinzeltc, zieht es etwas hervor und präparirt es niitsamint dem Knorpel bis unter den Grund der Fistel gleichmässig heraus, so dass eine eiförmige Wundfläche entsteht. In derselben sieht man genau nach, ob irgendwo noch grünlich- oder gelb­lich gefärbte oder rauhe Sielleu an dem zurückbleibenden Theile des Knorpels zu bemerken sind. Solche Stellen müssen sogleich noch ab­geschnitten oder mit dem Brenneisen gebrannt werden. Hiernach ebnet man die Hornränder, so dass nirgends lose oder hervorstehende Theil-chen sitzen bleiben, welche die Wunde reizen oder den Abduss des Eiters hindern könnten. — Nun löset man das um den Fessel lie­gende Cornpressionsband, und unterbindet die stark blutenden Ge­lasse oder dreht sie zu und stillt die Blutuug aus kleineren Gelassen durch einen Druckverband. Für diesen Zweck bedeckt man die Wunde mit glattem, weichem Werg, legt darauf derbe Wergpolster so dick, dass sie gegen $ Zoll über die Hauträudcr hervorstehen und umwindet dann die verlelzleu Theile mit einer Hinde in verschiedenen Richtungen, so dass sie einen glcichmässigen Druck auf die Wunde macht.
b.nbsp; nbsp; Bei der zweiten Methode besteht zunächst die Aufgabe, die Trachteuwand und einen Theil der Seitenwand zu enlferneu. iür diesen Zweck schneidet man an dem, wie im ersten Falle, niedergelegten und gebundenen Pferde mit einem ßinninesser in die Seiteuwand eine Rinne, welche von dem Saume unter dem vordem Ende des Hufknorpels an­langt und ein wenig schräg nach hinten gehend am Tragerande endet, so dass sie von der senkrechten Linie ein wenig abweicht und schräge durch die Horufaseru in einen spitzen Winkel gehl. Ein zu starkes
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Hiifknorpellistel. Operation.
Hinneigen nacli hinten, so dass die Hornfasern, wie Dieterichs will1), last quer durchsclinitten weiden, ist nicht zweckinässig, weil bei dem spätem Abtrennen eines so sehr schräge gebildelen Hornlappens die Horn - und Fleischblättchen nicht in ihrer Lüngenrichtung, sondern zum Theil seitlich nnseinander gezogen werden und dabei leicht eine stellen weise Abreissung der Fleischwand von dem Hufbein entsteht. — Eine zweite Rinne schneidet man an dem hintern Ende der ïrachlenwand vom Saume bis zum Tragerande, parallel mit den Hornfasern. — Eine dritte Rinne wird in der weissen Linie von der ersten bis zur zweiten Rinne der Wand geschnitten. An allen diesen Stellen müssen die hornigen Theile bis auf die fleischigen, ohne die letzteren zu verwunden, durchschnitten werden. Den etwa dennoch hin und wieder bestehenden Rest des Horns durchschneidet man nachträglich mit der Spitze des Lorbecrblatt-messers, ergreift dann mit einer Reisszange den von allen Seiten ge­trennten Theil der Hornwand an seinem untern Rande, zieht ihn langsam aber krallig von der Sohle ab nach aussen, beugt ihn nach oben, d. i. gegen die Krone um und trennt an seiner innern Fläche mittelst des Lorbeerblattmessers die Ilornblättchcu von den Flcisch-blättclieu bis zur Krone. Ist auf diese Weise der Hornlappcn bis zum Saume gelöst, so dreht man die Zange in der Richtung von vorn nach hinten um ihre Längenaxe, so dass der Saum von vorn nach hinten von der Krone gelöst und das ganze Hornslück abgenommen wird. Hierauf schneidet man sämmtliche Hornräudcr in schräger Richtung recht dünn und glatt, um Druck und Reizung von ihnen zu ver­meiden.
Um zu dem Knorpel zu gelangen, durchschneidet man mit einem geballten Bistouri ungefähr 2—3 Linien unter der Krone die Fleisch­wand in der ganzen Breite des blossgclegten Thcils und bis auf den Knorpel, trennt dann den obern Rand der Fleischwand und die Krone von dem letztern ab, indem man ein lorbcerblattförmiges Messer, die concave Fläche desselben gegen den Knorpel gekehrt einführt und es abwechselnd vor und rückwärts bewegt. Man gelaugt so unter der Haut bis über den Rand des Knorpels, welchen man auf dieselbe Weise mit dem Messer und indem man die Spitze desselben etwas mehr in die Tiefe drückt, von allen umgebenden Theilcn trennt- Hierauf folgt, als der schwierigste Akt der Operation, die Ablösung des Knorpels von dem Hufbein und au seinem vordem und hintern Ende, so wie auch au seiner untern Fläche von den umgebenden Theilen. Namentlich ist die Trennung des Bandes, welches das vordere Ende des Knorpels mit dem Hufbein und mit dem Seitenbande des Kronenhufgelenks verbindet, ziemlich schwierig und eben so die Trennung der innern Flüche des Knorpels von dem Kapselbande des Hufgelenks, welche zugleich wegen der möglichen Verletzung dieses Bandes mit Gefahr verbunden ist. Indess muss die Trennung doch auf die Weise geschehen, dass man die Spitze eines sehr schmalen oder halben lorbeerblattförmigen Messers zwischen die abgelöste Haut und den Knorpel zu dem hintern Ende desselben führt, dieses mit der Schneide in schräger Richtung um­geht und nun das Messer dicht über dem Hufbein durch den un-
') Akiurgie, sect;. 677.
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Hut'knorpelflstel. Operation.
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lern Rand des Knorpels bis zum vordem Ende desselben liludurch-fiihrt; dann erfasst man das hinlere Ende des Knorpels mit einem scharten Haken und zieht es so viel wie möglich gegen die Krone iu die Höhe, bringt hierauf das Messer mit der convexen Seite nach innen, unter den Knorpel, und löset, indem man den Huf nach der entgegeu-gesclzten Richtung beugen lässt, um das Kapselband zu spannen, den Knorpel von dem letztern durch kurze Messerzüge bis gegen sein vorderes Ende ab. Nun kann man das hintere Ende des Knorpels durch die Wunde bervorziehen und das vordere Ende mit grösserer Sicherheit von allen Verbindungen lösen und den Knorpel entfernen. — Nach einem etwas abweichenden Verfahren trennt mau das hintere Ende des Knorpels von den unter ihm befindlichen Theilen um etwa bis zur Hälfte und schneidet dasselbe in der Mitte des Knorpels vom untern bis zum obern Ende vollständig ab. Mau gewinnt hierdurch Raum und kann dann die Heraiislösung des vordem Kuorpelendes etwas leichter bewirkeu.
Nachdem der Knorpel eulfernt ist, untersucht man mit der Finger­spitze die Wunde, ob noch einzelne Knorpelstückcben halb getrennt sich in derselben befinden, und enlferul dieselben mit Hülfe der Pin­zelle und des Messeis. Eben so untersucht mau, ob das Kapselbaud unverlelzt geblieben ist, was man daran erkennt, dass es bei Bewe­gungen des Hufes blasenarlig auftreibt, aber keine Synovia ausfliessen lässt. Nun löset man das Compressivband am Fessel, stillt die Blu­tung, reiniget die Wunde mit kailem Wasser, drückt die Haut an die Höhle, bedeckt sie und die enlblösste Fleischwand mit Werg, legt darüber ein Stück Pappe oder Leder und umwindet das Ganze mit einer massig fest angcleglcn, gegen 4 Ellen langen Binde. — Nach Girard, Dieterichs und Anderen soll man besonders bei dieser Ope-rationsmelbode das vorher aufgeschlagene und wieder abgenommene Huf­eisen nach Beendigung der Operation auflegen, weil gerade liier die stärkste Zusammenschrunipfuiig des Hufes zu fürchten ist. Das Eisen wird durch etwa 5 — 6 Nägel in die schon vorbcreilelen Löcher befesligel und dann der Verband angelegt. Grossen Nutzen gewährt aber dieses Verfahren nicht.
c. Bei dem drillen (von Maillel angegebenen) Verfahren wird die Seilen- und Trachtenwand unter dem kranken Knorpel vermittelst einer Raspel so dünn gemacht, dass mau sie mit dem Fingernagel ein­drücken kann und dass die Fleischblältchen etwas durchschimmern; der Saumrand bleibt jedoch etwa 3 Linien breit iu seiner ganzen Dicke stehen, damit er, wenn er bei den späteren Verrichtungen von der Krone abggzogcn wird, nicht zerreist. Eben so wird die Hornsohle und der Hornstrahl ganz dünn ausgewirkt. Hierauf durchschneidet man mit einem lorbcerblatiloiniigcij Messer die Horuwand unter dem dick gelassenen Rande am Saume bis auf die Fleischwand quer über in der Länge des Knorpels, und ebenso durchschneidet man diesen Hornrand am vordem und hintern Ende des Knorpels in senkrechter Richtung; dabei darf man jedoch die Fleischkronc nicht verletzen. Dann beugt man mit einer Haarscilnadel diesen Hornslreifen iu die Höhe, erfasst, ihn mit einer starken Pinzetlc und zieht ihn von vorn nach hinten zu von der Krone los, so dass die Iclzlcrc hierdurch iu der Länge des Knorpels
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Hufknorpellistel. Operation.
entblösst wird. Nun macht mau unter dem Rande der Fleischkrone einen Querschuilt durch die Fleischblätlchen bis auf den Knorpel, führt die Spitze eines loibecrblaltfürmigen Messers, die convexe Fläche des­selben nach aussen gekehrt, unter die Krone, trennt dieselbe und die Haut über ihr von der iiussern Fläche des Knorpels und -verfährt dann weiter, wie bei der 7,weiten Methode. — Nach dem Herauslösen des Knorpels wird die Wunde gereinigt, die Blutung gestillt, die Haut Hebst FleisL'hkrone an die übrigen Theile gedrückt, ein Wergpolstcr auf die Operationsstelle gelegt und das Ganze mit einer Binde um­wickelt.
d. Die vierte Methode wird immer in Verbindung mit der zweiten oder (kitten angewendet. Nachdem man also entweder einen Theil der Seiten- und die Trachtenwand weggenommen oder auch gehörig ver­dünnt hat, macht man durch die Fleischwand unter der Krone einen Querschnitt fast so lang, wie der Knorpel ist, dann führt man von der Mitte desselben einen seukrechtcii Schnitt durch die Krone und die über ihr befliidliche Haut bis zum obern Rande des Knorpels; oder wenn die Fistelölfnung an der Krone um die Mitte des Knorpels ihren Sitz hat, so durchschneidet man von ihr aus die Krone und die Haut in senkrechter Richtung bis zu dem Querschnitt. In beiden Fällen ent­stehen an der Krone zwei Lappen, welche man von dem Knorpel ab-präparirt und hierdurch denselben blosslcgt. Der letztere wird hierauf entweder auf die sub b. angegebene Weise mit dem Lorbccrblattmesser gelöst, oder man trennt ihn nur am obern Rande und an beiden Enden von den angränzenden Theilen, führt dann unter sein hinteres Ende ein starkes Knopfbistouri und schneidet ihn, indem man ihn in der Mitte in 2 Hälften theilt, heraus. Die Blutung wird gestillt, die Wunde von etwa noch vorhandenen Knorpelresten gereinigt, dann die senk­rechte Wunde mit 3 bis 4 einzelnen Hellen der Knopf naht vereinigt, die Haut und Krone an die Wundlläche gedrückt, mit entsprechend dicken Wergpolstern bedeckt und das Ganze mit einer Binde um­geben.
In manchen Fällen hat, man, wenn die Caries nur auf eine kleine Stelle am vordem oder hintern Ende beschränkt war und die Krone wenig krankhafte Veränderung zeigte, auch nur den leidenden Theil des Knorpels, ungefähr bis zur Mitte desselben, ausgelöst und dadurch eine kleinere Wundlläche und eine schnellere Heilung herbeigeführt. Man kann für diesen Zweck die eine oder die andere Methode benutzen, modifizirt aber das Verfahren dabei so, dass man auch nur unter dem kranken Ende des Knorpels das Horn an der Wand trennt, resp. ent­fernt. Man muss i:ei diesen fheilweisen Exstirpationen jedoch stets mit grosser Sorgfall: den Rand des Knorpels an der Trcnnungsstelle unter­suchen und nichts Verdächliges, d. h. gelb oder grün gefärbte Stellen, an demselben zurücklassen.
Die Nachbehandlung besteht im ruhigen Verhalten des Thieres, in magerer Diät, in guter Streu und in der Anwendung kalter Fussbäder während der ersten 4 — 5 Tage. Der erste Verband bleibt in dieser Zeit unverändert liegen, wenn nicht besondere Zufälle, z. B. sehr hef­tige Anschwellung des Fusses, Nachblutung u. s. w. eine Aenderung bedingen. Vor Abnahme des ersteu Verbandes erweicht man denselben
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Strahlfäulc.
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iu lauwanncin Wasser, und nach seiner Entfernung und geschehenei-Reinigung der Wunde verbludet man enlvvcder trocken oder mit gelin­den Digest!vmitteln, z. B. eiuein Gemenge von Honig und Myrrhen-oder Aloetinktur, je nach der sich bereits zeigenden Eiterung und Gra­nulation. Nach der Menge des Eiters wird der Verband täglich oder jeden zweiten Tag erneuert und dabei ganz nach allgemeinen Regeln, wie bei Abscessen, verfahren. Das sich neu bildende Horn von gelb-lich-weisser Farbe wächst iu der Regel auf der ganzen Wundfläche wieder, wenn die Granulation eine gewisse Höhe erreicht bat; man hat hierbei darauf zu achien, dass das neue Horn sich nicht an den alten Hornrändein drückt, weil sonst Reizung und neue Eiterung unter ihm entsteht. Man beschränkt das zu üppige Wachslhum durch aus­trocknende Mittel, oder durch einen Druckverband, oder auch durch von Zeit zu Zeit wiederholtes Beschneiden sowohl des neuen, wie des alten Horns. Letzteres trennt sich zuweilen in Folge der nach der Verletzung entstandenen Entzündung an dein Rande mehrere Linien breit von der Fleischwand ab, drückt und reizt gleich einem fremden Körper und muss daher zuweilen mehrmals nachträglich weggenommen werden. Im Uebrigeu leitet mau die Heilung nach allgemeinen Regeln. Nachdem die Vernarbung geschehen ist, kann man sehr zweckmässig, wo die Gelegenheit es gestattet, die Thiere auf weicher Weide gehen lassen und so die regelmässige Nachbildung des Horns befördern.
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Siebentes Capitel.
Die Strahlfäule und der Strahlkrebs.
An dem Hufstrahl der einlmfigen Thiere kommen zwei Arten von Geschwüren vor, nämlich: a. das gutartige Strahlecschwür, die sogenannte Strahifäuie, der faulige Strahl und ^ h. das bös­artige Strahlgeschwür, die bösartige Strahlfäulc, der Strahl­oder Hufkrebs.
O. Die gutartige Strahlfäulc besteht in krankhafter Erweichung und Auflösung des Horns an dem Strahl und in Ausscheidung einer eigenthümlich übelriechenden Feuchtigkeit von blassgrauer, zuweilen auch von dunkelgrauer Farbe. Die Auflösung des Horns findet sich zuerst und meistens in der Sliahlspalte (Grube) und greift seillich in abwechselnden, ungleichen Schichten weiter, so dass, wenn das Uebel etwas vorgeschritten ist, der Strahl wie aus einzelnen Blättern gebildet erscheint. Zwischen den Blättern belindeu sich Höhlen von verschie­dener Grosse und verschiedener Form, mehr oder weniger jene Feuch­tigkeit enthaltend, zuweilen sogai' fast ganz trocken; an den Rändern sieht man hin und wieder die aufgelösten Homfasern wie Zotton. oder
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786nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Strahlkreliä. Kur.
oiiietn Federbart ähnlich, und au der uacli dem Fleischstrahl zu bcünd-lichen Fläche des Geschwürs, wo eben die Sekretion staltfindet, beste­hen viele kleine, wärzchenartige Erböhuugen. — Nach und nach wird die Strahlfurche immer breiter und tiefer und zuletzt schwindet das Horn in ihr bis auf den Fleischstrahl, — was man zum Theil sehen, noch mehr aber mit dem Finger oder mit einer Sonde fühlen kann. Mit dem Schwinden des Strahls wird in manchen Fällen auch der Huf an den Trachten enger (Zwanghuf). Dabei ist in der Regel keine vermehrte Wärme, kein Schmerz urd auf festem, ebenem Boden kein Lahmgebcu zu bemerken, wohl aber zeigt sich das letztere zuweilen in einem geringen Grade, wenn die Thiere auf weichem oder auf har­tem, unebenem Boden gehen; denn im erstem Falle drängt sich etwas Erde oder Sand in die hohlen Stelleu und drückt den Fleischst raid und im letzlern Falle erfolgt der Druck auf denselben durch hervorstehende Steine und dergleichen. Unter diesen Umsländeu kann auch eine Ent­zündung des Fleischstrahls entstellen und dadurch Hitze, hefligcr Schmerz, grosse Lahmheit und nach einigen Tagen Eiterung hinzutre­ten. Dergleichen Fälle sind aber sehr selten. — Die gutartige Strahl­fäule ist einer der häufigsten Huffehlcr und kommt an den Vorder-und HinlerfUsseu vor; zuweilen leidet nur ein Huf, oft sind zwei, oft alle vier Hufe ergrill'eu. Sie findet sich bei alten und jungen Pferden von jeder Art, aber Pferde mit Platt- und Vollhufen sind ihr äusserst selten unterworfen.
Die meisten Thierärzte betrachten die guiartige Strahlfäule als ein rein örtliches Uebel, welches durch längere Zeit dauernde Einwirkung von Koth und Urin, durch zu dünnes Ausschneiden des Strahls, durch Quetschungen desselben, cutgcgcngeselzt auch durch zu hohe Trachten, bei welchen der Strahl zu weit vom Boden entfernt bleibt und sich nicht selbst reinigen kann, entsteht. Wenngleich diese Ursachen das Entstehen des Uebels sehr häufig herbeiführen, so habe ich doch auch bestimmte Erfahrungen darüber. dass es in manchen Fällen mit einem Innern, krankhaften Zustande in Verbindung steht und selbst als Folge davon entsteht; denn ich sähe es nicht nur bei und nach Druse, bei gastrischen und rheumatischen Krankheiten u. s. w. zur Zeit der Ge­nesung plötzlich hervortreten, und zwar bei Pferden, welche an den Füssen sehr reinlich gehalten wurden, sondern auch in einzelnen (aller­dings nur seltenen) Fällen nach dem schnellen Austrocknen des Ge­schwürs Anschwclluugcu der Füsse, Appetitlosigkeit, selbst Augenent­zündungen culslehen.
Die Beurtheilung ist günstig, da die gutartige Strahlfäule in den meisten Fällen sich durch Jahre auf einer massigen Stufe erhält, ohne andere üble Folgen zu erzeugen, diese überhaupt mehr zufällig sind, und da das Uebel auch raehreutheils leicht und sicher zu heilen ist. Dass es im letzten Grade in das bösartige Slrahlgeschvvür übergeht, wie die meisten Schriftsteller sagen, habe ich nie beobachtet, — will aber desshalb die Möglichkeit nicht bestreiten.
Kur. Man entfernt die noch fortwirkenden Ursachen, sorgt für reinen, trockenen Fussbodeu, reinigt den Huf täglich mit Wasser, schnei­det die losen Hornblätter und Lappen bis zum Grunde der Trennungen ab und wendet austrocknende und zusammeuziehende Mittel au, wie
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Strahlkrebs. Kur,
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namentlich: Dinte, Aloe- oder Myrrhentinkfur, Holzessig, eine Auflösung von Kreosot, von Chlorkalk, von Kupfer- oder Zinkvitriol, oder diese Mittel als Pulver. In letzterer Form ist der Zinkvitriol selbst bei hohen Graden des Uebels fast spezifisch wirksam. — Entsteht zufallig Entzündung des Fleischstrahls, so sind Fassbäder von Bleiwasser anzuwenden. — Ausserdem müssen immer, wenn das Uebel plülzlich an mehreren Fassen entstanden, oder wenn es veraltet und reichlich sezernirend ist, wenn die Thiere vollsäftig sind, Purgir- und diuretische Mittel, selbst Fonta­nelle und magere Diät in Anwendung kommen.
b. Die bösartige Strahlfäule oder der Strahlkrebs ist eine zerstörende Ulceration in dem sogenannten Fleischstrahl, auch in der Fleischsohle und in der Fleisehwand. Das Uebel kommt bei Pferden von jeder Art und jeden Alters vor und befällt bald nur einen, bald mehrere Füsse4 Es längt gewöhnlich am Strahl an und hat daher auch fast allgemein seinen Namen erhalten; zuweilen fängt es aber auch an der Fleischsohle an, namentlich in den Eckstieben; und in jedem Falle verbreitet es sich nach und nach auf sämmtliche Theile der Fleischhaut des Hufbeins.
Das Uebel beginnt äusserlich erkennbar mit Erweichung und schmutzig - gelber oder rölhlicher Färbung einer kleinen Stelle des Horns. Dieselbe bricht bald auf und es drängen sich aus der oflenen Stelle einzelne dunkelrolhe Fleischwärzchen, welche eine gelbliche, sehr stinkende, seröse Flüssigkeit aussickern. Die Fleischwärzchen bleiben beständig von einander getrennt, bluten bei Verletzungen sehr reichlich, sind oft sehr empfindlich und wachsen, wenn man sie abschneidet, immer schnell wieder: an ihrer Spitze setzen sie zuweilen etwas Horn an und scheinen hiernach nur die krankhaft wuchernden Zotten der Flcischhaut zu sein. Die stinkende Jauche gerinnt zum Theil zwischen den Wärzchen und überhaupt an der Oberfläche der ulcerirenden Stelle zu einer grauen, schmierigen IMasse, dem alten, schmierigen Käse ähn­lich. Die Hornrändcr im Umfange der oll'enen Stelle lösen sich allmä-lig mehr und mehr auf und die letzlere wird dadurch immer grosser, das Horn selbst wird dabei mehr mürb und gewöhnlich findet man bei der Untersuchung mit der Sonde einen grossen Theil desselben im Um­fange der offenen Stelle von den Weichgebilden gelrennt. Zuletzt wird der ganze Strahl, der grösste Theil der Sohle, namenllich am hintern Ende, auf die bezeichnete Weise zerstört und dann auch die Hornwand von der Fleischwand allmälig immer höher hinauf getrennt. Dabei schonen die Pferde den leidenden Fuss bei dem Stehen und Gehen in der Regel sehr wenig, so dass man ihnen das Leiden oft kaum anse­hen kann. In den meisten Fällen findet, man das sogenannte Saum­band,- d. i. die Fortsetzaus der Epidermis von der Krone auf' den ober­sten Theil der Hornwand, eigenthüinlich verändert, mehr weiss und rauh als im normalen Zustande, so dass man schon von fern den Fuss als leidend erkennen kann. Im Uebrigen ist gewöhnlich an demselben nichts Krankhaftes zu entdecken und eben so ist nichts Abnormes an dem Thiere wahrzunehmen, wenngleich mehr als ein Fuss von dem Uebel ergriffen ist und man somit vermuthen muss, dass ein krankhaf­ter Zustand in der Ernährung und Säftebildung des Thieres besteht. Bei anatomischen Untersuchungen der kranken Gebilde hat sich die
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Stralilkrebs. Kur.
Textur des Krebses iu ihnen niclil gefunden uuil das üebel ist desshalb auch nicht für wirklichen Krebs zu haiten.
Die Ursachen sind gänzlich unbekannt; mau beschuldigt dieselbeu wie bei der gutartigen Stralilfaule, aber es ist darüber uichts erwiesen. Mehrere von mir gemachte Ausleckuiigsvcrsuche hatten keinen Erfolg. Höchst wahrscheinlich ist oft ein inneres Leiden milwirkend.
Die Beurtheilung ist einigermassen günstig zu machen, wenn das betreil'ende Thier jung, gut genährt und ohne andere quot;Krankheiten, das Uebel erst kürzlich entstanden ist und nur einen massigen Grad der Ausbildung erreicht hat; feiner wenn es nur an einem Fusse erscheint; doch ist es auch unter diesen umständen stets langwierig, oft bei der zweckmässigsfen Behandlung auf drei und mehrere Monate ausgedehnt. Uuter entgegengesetzten Umständen ist der Strahlkrebs zuweilen gar nicht oder erst so spät heilbar, dass die Kur- und Erhaltungskosten den Werlh des Thicres übersteigen und desshalb die Durchführung der Kur aufgegeben werden muss. Oft bleibt aber das Uebel unheilbar, weil die Besitzer und Wärter der Pferde, so wie der Thierarzt, bei der langen Dauer des Leidens müde werden und die Kur nicht mit der erforderlichen Energie und Sorgfalt fortsetzen. In solchen Fällen schrei­tet das Uebel immer weiter zerstörend vor, so dass die Thiere nicht mehr zur Arbeit benutzt werden können und zuletzt sich die Hornwand auch von der Krone trennt. Zuweilen entwickelt sich auch in Folge des lange dauernden Säftcverlustes und der Resorption der Jauche Rotz, Wurm oder Faulüeber und die Thiere gehen zu Grunde.
Die Kur wird von verschiedenen thierärzllichen Schriflstellern in sehr verschiedener Weise gelehrt, jedoch nicht immer nach richtigen Prinzipien, da man das Uebel zu allgemein für ein wirklich krebsartiges hält. Nach rirhligen Grundsätzen hat man die Aufgabe: 1) alle losen Hornlheile gründlich zu entfernen, um den Abfluss der Jauche und die vollständige Einwirkung der lleilmitlel zu bewirken; 2) eben so die üppige Granulation wegzunehmen, ohne jedoch die Fleischhant selbst zu verletzen; 3) die Umslimmnng der letztem zur normalen Bildung herbeizuführen und 4) innerlich abzuleiten und die Ernährung umzu­stimmen.
Die Erfüllung der ersten Aufgabe geschieht durch das Wirk- und Hufmesser so weit, wie und wo sich nur eine Spur von Trennung vorfindet, und immer muss sie bei der forlgeselzlea Kur noch mehr­mals wiederholt werden.
Das Abschneiden der warzenähnlichen Auswüchse bewirkt man mit einem scharfen Bistouri uur ganz flach und stillt die Blutung durch kaltes Wasser. Hierauf bestreuet man sämmlliche entblösste Stellen mit fein pulverisirtem Eisenvitriol und legt einen Verband von Werg und Leinwand au, welcher überall gleichmässig drückt. Nach 24 Stun­den nimmt man denselben ab, reiniget das Geschwür mit Wasser und nagelt, — wenn die Wände es gestatten,—ein hohl gerichtetes Hufeisen auf, unter welches man eine feste Schicht Werg und einen Deckel legen und somit einen gleiclnnässigen Druck auf den Strahl anbringen kann; an den entblössten Wänden muss der Druck mittelst Binden ausgeübt werden. Der Druck ist eine wesentliche Mithülfe, aber er darf immer uur in der Stärke statlGuden, wie etwa von dem gesunden Ilorn. Im
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Strahlkrcbs. Kur.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;789
Uebrigen wendet man bei dem fernem Verbinden auch entweder den Ei­senvitriol in Pulver an, wenn die Wucherung sehr bedeutend ist, oder in Auflösungen (sect;j zu sect;iij bis gvj), wenn sie geringer ist, oder den Kup­
fer- oder Zinkvilriol, Aloeiinktur und dergleichen. Nach meinen Beob-
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achtungen muss ich den Eisenvitriol für das wirksamste Mittel und — wenn die Fläche einigermassen rein ist, den Theer für das geeignetste Heilmittel halten. Letzteren wendet man recht reichlich an und ver­bindet, wie angegeben ist.
Dabei erhalten die Thiere mageres Futter und alle 8 Tage eine Purgirpille, oder auch diurelische und umstimmende Mittel, namentlich Spiessglanz, Quecksilber und kleine Gaben Arsenik.
Vom tiefen Schneiden, vom starken Brennen und Aetzen sähe ich keinen guten Erfolg.
Es sind jedoch noch sehr verschiedene Methoden gegen das Lei­den empfohlen worden. So z. B. soll man, nach Dieterichs '), das Pferd niederwerfen und alles Entartete und Krankhafte am Hufe, nicht nur des Strahls, sondern auch seiner Umgebungen bis auf das Hufbein und die Beugesehnc desselben mit dem Messer wegnehmen (nur dasnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1
Gelenk und die Sehnenscheide nicht offnen), die blutenden Arterien unterbinden, dann ein vorher schon aufgepasstes Hufeisen in die alten Löcher wieder aufnageln, die mit einem Schwamm getrocknete Wund­fläche mit pulverisirtein Kupfervitriol so dick bestreuen, dass sie völlig bedeckt ist; dann soll man die ganze Fläche mit Chlorkalk, welcher mit Kalkwasscr zur stark gesättigten Milch gemacht worden ist, be­tulichen, und zuletzt mit trockenem Werg und mit einem unter das Eisen geschobenen Spahn verbinden, um einen Druck auf die operirte Fläche zu veranlassen. Ausserdem soll man noch einen 4 Zoll langen und 1^ Zoll dicken, hölzernen Keil, welcher so breit ist, dass er zwi­schen den Schenkel des Hufeisens sich auf- und niederbewegen kann, vermittelst eines Riemens oder einer Binde an den Huf oder resp. an das Hufeisen unter den hölzernen Spahn befestigen und dadurch einen stärkern Druck auf den Strahl appliziien. Hierauf beachtet man die eintretenden Zufälle. Der erste Verband soll 3 Tage liegen bleiben, dann aber alle 1 Tage mit denselben Mitteln erneuert werden. Inner­lich giebt man dabei etwa alle 8 Tage eine Aloepille mit Calomel und ausserdem Spiessglanz- und Terpenlliinmillel, und endlich soll man auch an der Brust oder an den Hinlerschenkeln ein Haarseil ziehen.
Bei diesem A'erfahren geht jedoch der Fleischstrahl verloren und es bildet sich dann kein gesundes Horn wieder, sondern höchstens ein trocknes, sprödes Narbenhorn, auf welchem die Pferde schlecht gehen. Ausserdem ist das Verfahren sehr schmerzhaft und die Thiere kommen gewöhnlich bei demselben sehr herunter; auch ist es nicht vollständig anzuwenden, wenn die Ulceralion sich auch auf die Fleischwand er­streckt. — Will man dasselbe bei einem Pferde anwenden, bei welchem mehrere Füsse leiden, so darf dies bei dem zweiten Fusse nur mit der Vorsicht geschehen, dass der erste Fuss bereits wieder ohne Schmer' zen ist.
') Handb. d. Veter.-Chirurgie. 6te Aufl., S. 224. Berlin 1845.
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790nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Strahlkrebs. Kur.
Dagegen isl eiue von E ich bäum empfohlene Behandlung ') viel milder. Nach ihm beruht die Kur in der Enlfernung der zerstörenden Eigenschaft der abgesonderten Jauche und in der Aufhebung der Ab­sonderung selbst. Diesen Indikationen gemäss wird zuerst der kranke Fuss rein abgewaschen und dann alles überflüssige Horn, besonders da, wo es der Einwirkung der Arzneimittel hinderlich ist, weggenom­men. Leidet der Strahl allein, so höhlt man die Sohle aus und lässt die Wände stehen; wo aber eine oder die andere Wand leidet, nimmt mau auch sie so weit weg, wie sich eine Spur von Trennung zwischen ihr und der Fleischwand zeigt; eben so die Eckstreben. Dabei ist es wesentlich, alle Blutungen zu vermeiden und man nimmt desshalb auch die Wucherungen selbst nur so weit weg, als dies ohne Blutung mög­lich ist; denn letztere slört die weitere Behandlung und ein tieferes Wegschneiden nutzt auch sehr wenig, da die Wucherung in kurzer Zeit wieder üppig nachwächst. Nach gescheliener Blosslrgung der ganzen ulcerirenden Fläche bedeckt man dieselbe mit einem Irisch zu-sammengerührten Brei von Chlorkalk und Wasser an allen Punkten und drückt ihn bis in die tiefsten Spalten und Zwischenräume, so dass er mit der kranken Fläche selbst in unmittelbare Berührung kommt. Es ist hinreichend, wenn der Brei etwa 2 Linien dick liegt. Da aber eigentlich eine so dicke Schicht: aufgestrichen werden innss, dass sie mit dem Tragerande der Ilornwand gleich hoch ist, so kann man, um Kosten zu ersparen, diese dickere Schicht von blossem Aelzkalk, mit Wasser zum Brei gerührt, machen. Nun zieht man einen Lederschuh über den Huf und lässt diesen Verband 24 Slunden sitzen, wo man ihn und fernerhin täglich 1 — 2 Mal erneuert. Sind die Absonderungen sehr profus, so nimmt man zu dem ferneren Verbinden ein Gemenge von Chlorkalk und Eichenrindenpulver, streuet dasselbe einige Linien dick auf die Geschwürsfläche, überklebt es mit Aelzkalkbrei und zieht dann den Schuh darüber. Gleich vom Anfange der Kur giebt man eine Laxirpille aus Aloe und Seife und wiederholt dies 2 — 3 Mal in Zwischenzeit von 8 Tagen, und in schwierigen Fällen reicht man auch von Zeit zu Zeit diuretische Mittel, namentlich Kanthariden. Ausserdem applizirt man Fontanelle an und unter die Brust, und wenn das Uebel an einem Hinterfusse ist, Haarseile an der Hinlerbacke. Bei dieser Be­handlung erhärten die Wucherungen zu einer spröden Hornmasse, die man recht oft, jedoch ohne Blutung zu erregen, immer vor dem neuen Verbande mit einem Bistouri wegnimmt. Wenn sieh hierbei der Ge­ruch verliert und keine neue Wucherungen erscheinen, was mit 2 bis 3 Wochen geschieht, so kann man annehmen, dass die zerstörende Kraft der Jauche aufgehört hat. Es ist nun hinreichend, den kranken Fuss täglich durch etwa 4 Stunden'in ein Fussbad von Aetzkalk in Breiconsislenz zu stellen, oder, wo mehrere Füsse leiden, einen Ver­band von diesem Mittel täglich erneuert anzuwenden. Die Heilung wird auf diese Weise, und indem man zuletzt einen passenden Huf­beschlag dazu benutzt, nach Eichbaums Angabe in manchen Fällen binnen 4 — 5 Wochen herbeigeführt.
l) Magazin f. ThierheilU. Jahrg. XII, S. 27'^.
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Bösartiges Kliiuengesdiwur der Schare.
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Ich habe iu mehreren Fällen dieses Verfahren genau nach der Vorschrift angewendet und zuweilen auch Besserung bis zu einem ge­wissen Grade, in anderen Fällen auch wirkliche Heilung, aber niemals iu der angegebenen kurzen Zeit erfolgen sehen.
Eben so war es bei Anwendung der, vor einigen Jahren von der Kaiserl. österreichischen Regierung als Geheimmillel angekauften soge­nannten Krebstinktur des Oberschmiedes Hoffmann1). Dieselbe wird, nachdem alles getrennte Horn mit grossier Sorgfalt entfernt ist, mittelst eines VVergbiindels, welches man mit einer Kornzange in die Tinktur gelauchl, auf alle von dem Uebcl ergrilTene Stellen bei jedem Verbinden wiedeholt gewischt und gestrichen:, darauf bedeckt man die Fläche mil Werg, verbindet kunstgemäss und zieht einen Lederschuh über oder umwickelt den Huf mit einem Lappen von Leinwand und dergleichen. Sind die Wucherungen bedeutend, so legt man nach dem Bestreichen mit der Tinktur auch noch mit ihr befeuchtete Wergpolster auf die kranken Theile. Vor dem neuen Verbinden müssen die sich abschälenden Massen mit einem stumpfen Spatel (Haarseilnadel) abge­strichen werden. Das Verbinden geschieht täglich 3 Mal, so lange bis die Absonderung nachlässt und das Werg anklebt, — wo dann das zweimalige Verbinden genügt. Erscheinen dann einzelne Stellen spek-kigt, so reibe mau sie blutig, bestreue sie mit Aloepulver und bedecke sie mit trockenem Werg, alle wuchernde Slclleu aber mit der Tinktur; dies ist besonders mit einzelnen Stellen der Fall, die gleichsam tiefe Wurzeln bitden. Zuletït kann mau noch ein Pulver von gebranntem Alaun und Aloe aufstreuen, am das junge Horn härter zu machen. Gut genährten Pierden giebt man von Zeit zu Zeit eine Purganz. Die Hei­lung soll in 4 — (i Wochen erfolgen.
Ausserdem hat mau, bald mit mehr bald mit weniger Glück, die arseiiige Säure, die Salpeter- und Schwefelsäure, den Holzessig, den Sublimat, da.- phagedänischc Wasser, den Grünspan, die ägyplische Salbe, Chlorzink und Chlorspiessglanz, Höllenstein und dergleichen Mittel angewendet.
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Achtes Capitel.
Das bösartige Klauengeschwür der Schafe.
An der Klane der Schafe kommen mehrere Entzündungen und Dlcerationen vor, welche entweder Folge örtlicher Verletzungen oder
') Dieselbe besteht aus: 4 Gran weisseai Arsenik, 60 Gran AeUstein und 'i Unzen riestUlirtem Wasser, worin man nach der Auflösung noch 60 Gran lern gepulverte Aloe hinzuthut.
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Bösartiges Klauengeschwür der Schafe.
rein epizootischeu Ursprunges sind und von denen die letzteren in der Regel eine chirurgische Behandlune nicht erfordern. Eine besondere Art aber, welche man als das bösartige oder contagiöse Klauen-wcli, das spa n is eh e Kl au cn weh, die spanische Krümpc oder, weil sie gewöhnlich bei vielen Thieren verbreitet auftritt, die bösar­tige Klauenseuche nennt, kann nur durch eine rein chirurgische Kur gehoben werden und gebort (laber vollständig in das Gebiet der Chirurgie.
Dieses letztere Fassleiden soll angeblich in Deutschland erst seit Einfiibrnng der Merinoschafe bckannl geworden sein. Dasselbe änssert. sieh dadurch, dass die Tbiere zuerst einen oder den andern Fuss etwas sebonend bewegen, beim Geben auch mit dem Kopfe wackeln und beim Stehen, wenn die Vordeifüssc leiden, die hinteren mehr unter den liauch stellen. Bei der Untersuchung des leidenden Fusses findet man die Klaue, besonders an der Krone und an den Ballen, vermehrt warm, die erstcre auch slellenweis oder ganz angcsehwollen, den Klaucnspalt trocken, das Horn daselbst spröde, schuppig oder splilterig und am obern Ende des Spaltes ist die Haut geröthet und oft mit einer lym­phatischen Feuchtigkeit bedeckt. Weiterhin, mitunter schon nach eini­gen Tagen, ist die llilzc und der Schmerz vermehrt und zuweilen Ei­terung zugegen: die Klauen entfernen sich mehr von einander, so dass der Spalt zwischen ihnen breiter wird; die Zehe und die Sohle werden ebenfalls rauh und splilterig, die abgesonderte Flüssigkeit übelrieclicnd, die Krone wird weich und an einer oder der andern Stelle findet sich eine Oelfnung, aus welcher eine übelriechende Jauche sickert; auch löst sich in dieser Periode gewöhnlich an einer oder der andern Stelle der Saum von der Krone ab, besonders an der Innern Seite im Klauen-spall. Dabei sind die betreffenden Thiere ohne Fieber, bei sehr gutem Appetit und überhaupt völlig gesund; doch wird bei dem weitein Ver­lauf durch die heftigen Schmerzen und durch den Verlust an Säften der Appetit vermindert und die Ernährung gestört. Denn in der Hegel breitet sich in dem leidenden Fusse das Uebcl allmälig mehr aus, indem im Innern die Jauche sich anhäufl, die Hornklauc von den Weichgebil-den trennt und die Klauenknochen nebst Bändern anätzt, so dass Caries zuweilen an verschiedenen Punkten entsteht. Gewöhnlich wird auch mehr als ein Fuss auf dieselbe Weise ergriffen. Beim höchsten Grade des Uebels löst sich die llornklaue vollständig ab, aber bald, d, i. in etwa 14 Tagen, erzeugt sich hier eine neue Klane, welche jedoch, zu­weilen kaum ausgebildet, durch neue Ulceration von der Fleischwand und von dem liufbein her in derselben Weise zerstört wird. Bei die­sen höheren Graden des Uebels liegen die Tbiere viel, und sie rutschen, wenn sie sich fortbewegen, häufig mehr auf don Knieën, als sie wirk­lich geben. Auf diese Weise dauert bei einem Tbiere das Leiden nicht seilen einige Jahre.
Ueber die Ursachen dieses Leidens weiss man nur das mit Ge-wissheit, dass die Gescliwürsjaucbe einen Ansteckungsstoff enthält, durch welchen das Uebel sich sehr leicht überträgt, wenn gesunde Thiere in die Fussstapfen der Kranken treten, oder auf der mit Jauche besudelten Streu stehen. Ob das Uebel wirklich, wie man glaubt, bei uns ur­sprünglich nicht entsteht, sondern durch Merinoscbafe aus Spanien und
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Bösartiges Klauengeschwiir der Schafe. Behandlung.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 793
Frankreich zu uns eingeführt worden ist;, — oder ob es unter noch unbekannten Unisländcn durch Entartung des epizoolischen Klauen­wehs auch in Deutschland erzeugt wird, ist noch nicht entschieden.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; v']
Die Behandlung. Zuerst schneidet man mit einem geeigneten Messer, am besten mit einem schmalen loibeerblatlförmigcn Messer alles splilterige und getrennte Horn der Klaue rein ab, so dass die Geschwürsfläche an der Fleischwand oder der Fleischsolde in ihrem ganzen Umfange vollsliiudig blossgelegt wird. Hierauf bestreicht mau dieselbe mit irgend einem kräfligen umstimmenden, austrocknenden oder selbst mit einem ätzenden Millel, z. B. mit brenzlichem Holzessig, mit einer konzentrirlen Auflösung von Kupfer- oder Zinkvilriol oder Grün-spahn in Essig, mit dem Ünguento egyptiaco oder einer Salbe aus Grünspahn (g/ï) und Leinöl (^ij), oder mit einer Auflösung von Chlor­kalk (3j zu sect;j Wasser)1)) oder mit pulverisirtem Kupfervitriol, oder mit Spiessglanzbutler oder mit rauchender Salpetersäure. Von allen diesen Mitteln haben sich der Kupfervitriol als Pulver eingeslreut und die Salpetersäure den meislen Ruf erworben; allein der erstere heilt oft nicht gründlich, indem er zu schnell an der Oberfläche eine Kruste bildet, unter welcher die Ulceraiion noch fortdauert. Desshalb ist das von Ehrenfcls angegebene2) quot;Verfahren, die Geschwürsfläche mit Sal­petersäure und unmittelbar darauf mit stinkendem Thierül zu bestreichen, vorzüglicher, um so mehr, da man hierbei keinen künstlichen Verband noting hat und zugleich die Ansteckung sicher vermieden wird. Das lelztere Verfahren muss in Zwischenzeiten von etwa 6 — 8 Tagen noch ein oder zwei Mal wiederholt werden, bis neue Hornbildung auf der ganzen Gcschwiirsfläfhe gleicbmässig eingetreten ist.
Die Thiere müssen von den gesunden getrennt gehalten, während dieser Krankheit gut genährt und der Stall täglich mit frischer Erde oder mit Sand ausgestreut werden.
Ausartungen des epizootischen Klauenwehes in bösartige Geschwüre werden nach allgemeinen Regeln behandelt.
Ueber die Speichelfistel siehe Seite 353 u. 11., über die Aderfistel S. 145, über die Kothfislel S. 397, über die Saamenslrangfislcl S. 410, über die Milchfistel S. 413, über die Schwciffistel S. 414 und über die Harn- oder die Urinfistel S. 748.
') Wo viele Thiere zugleich leiden, wie es so häufig der Fall ist, kann man, um die Heilung und zugleich die Desinfektion der Heerde auf leichte und schnelle Weise zu bewirken, 1 — 2 W Chlorkalk mit 2 Eimern Wasser gemengt, in einen Trog giessen, neben denselben in seiner Längenrichtung zu beiden Seiten Hürden so stellen, dass die Thiere nicht anders gehen können, als in den Trog zu treten, und nun die Herde täglich 2 31al durch den letztern treiben.
gt;) Oekonom: Wenigkeiten u. Verhandl. Von Andrce. Jahrg. 1819. lift. 9.
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Anhang.
Das Aderlassen. Fontanellsetzen und Haarseilziehen.
I. Das Aderlassen.
Das Aderlässen oder Blutlassen bestellt in der kunstmässigeu Er­öffnung einer Vene oder einer Arlcrie für den Zweck, eine Quantiläl Blutes zu entleeren, um Krankheiten zu verliüten oder zu heilen. An den Bluladern heisst die Operation die Blutaderöffnung (Venaeseclio, Phlebotoniia), an den Pulsadern die Schlagadcröffnuog (Arteriotoinia). Man pflegt das Blullassen in das allgemeine und das örtliche zu unter­scheiden, streng genommen wirkt aber jeder Blutverlust auf Verminde­rung der ganzen ßlulmasse und auf Minderung der Energie des Herzens und der Gefasse; doch wird unter erstem' Bezeichnung immer das Blutlassen aus grosseren Venen, unter der letztern aber die Bluleullee-rung aus den kleinen Gefasseu des Parenchyms eines Theils verstanden.
Zum Blutlassen eignen sich alle nahe der Oberfläche des Körpers liegenden, mehr oder weniger sichtbaren und fühlbaren Adern, nament­lich die Hals- oder Drossclvenen, bei Pferden die Sporadern, die Vorder-schciikel-IIaulvcnen, die Fesselvenen und die mittlere Schweifvene, bei dem Rindvieh die Bauchliautvenen oder die Milchadern, die Vorarms­venen und die Ohrvencn; bei Schafen die Halsvenen, die Gesichtsvenen oder Lichtadern, die Vorarms- und Hinterschenkel-Hautvenen; bei Schweinen die Unlerzungcnveue, die Ohrvene, die Hinterschenkcl- und die Vorarmsvcnen; bei Bunden die äusseren Hals venen, die Vorarms-nnd Hiiitorschenkclhautvenen; bei Katzen die Drosselvenc und bei Hüh­nern und anderen grossen Vögeln die Arravenen und die Halsvenen. Für den Zweck ist es gleichgüllig, welche Ader man zu dem Aderlass wühlt, aber diejenige hat immer den Vorzug, welche am meisten ober-fliichlich liegt, deullich zu sehen, leicht zu verschliessen ist und dabei in kurzer Zeit das meiste Blut giebl.
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Das Aderlassen.
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Die Operation kann mit der Lanzette, mit der Fliete, oder auch mit dem Schnepper ausgeführt werden. Die erstcrc hat den Vorzug, dass sie das einfaehste Instrument ist, dass man es ganz in seinem Willen hat, wie lief oder wie seicht man dasselbe einstechen will und ebenso wie gross man die Oeflnimg machen will; auch sieht der Ge­brauch der Lanzette am geschickleslen aus; aber sie verlangt auch die grösste üebung, führt leicht zu Verletzungen derThcile, welche hinter der Vene liegen, namentlich am Halse zu Verletzungen der Drossel­arterie, und in anderen Fallen fehlt man damit oft das Gefäss. Die Fliele ist leicht zu gebrauchen, bei guter Construktion sehr sicher, so dass die tieferen Verletzungen vermieden werden, aber die Ausführung der Operation mit ihr sieht immer ungeschickt aus. Der Schnepper gewährt keinen besondern Vortheil, hat aber den Nachtheil, dass das Instrument immer, die Dicke und Festigkeit der Haut mag auch noch so verschieden sein, mit gleicher Kraft seiner Feder wirkt, dass die Thiere sich durch den harten Schlag des Instrumentes leicht erschrecken und dass dasselbe zu complizirt und mühsam zu reinigen ist.
Vor dem Aderlassen muss man im Allgemeinen an der Operations­stelle entweder die Haare glatt an die Haut streichen und sie hierzu nöthigenfalls etwas befeuchten oder man mnss sie, besonders wo sie zu dick und lang sind, wie z. B. bei Schalen mit langer Wolle, auf einem Raum von circa 1 Quadratzoll dicht an der Haut abscheeren. Ausser-dem muss daselbst die Haut gespannt und die Vene recht mit Blut vollgefüllt werden, damit sie sich mehr ausdehnt und an die Ober­fläche mehr hervortritt. Für diesen Zweck unterdrückt man sie ent­weder mit den Fingern oder man legt ein Band ziemlich fest um den betreffenden Theil und hemmt auch die eine oder die andere Weise den Rückfluss des Blutes. Hierauf sticht oder schlagt man die Klinge des Aderlassinstrumentes in der Mittellinie der Längenaxe des Blutge-fässes so tief ein, dass bei grossen Thieren eine Gcfiisswnnde von circa 6 — 9 Linien, bei kleineren von 2 — 3 Linien entsteht. Während der vorhin angewendete Druck auf die Vene nun noch fortgesetzt wird, fliesst das Blut aus derselben hervor und wird in einem hierzu be­stimmten Gefäss aufgefangen, bis die dem Zweck entsprechende Quan­tität entleert ist. Die letztere ist bei den verschiedenen Thieren nach ihrer Grosse und Constitution und bei verschiedenen Krankheiten ver­schieden, so dass sie nicht für alle Fälle beslimmt voigeschrieben werden kann. Als ungefähre Andeutung darf es daher nur gelten, wenn man angiebt, dass bei Pferden Aderlässe \on 4 — 12 11, bei dem Kindvieh von 4 —16 W, bei Schafen, Ziegen und Schweinen von 4 Unzen bis 1 tt und bei Hunden von 1 Unze bis 1 U gemacht zu werden pflegen. Nach geschehener Entleerung des Blutes muss der bis dahin {lurch die Finger oder ein Band auf die Vene angebrachte Druck aufgehoben und die Wunde wieder geschlossen werden, was am besten und gewöhnlich vermittelst eines Heftes der umschlungenen Naht (S. 321) geschieht; zuweilen sind bei grossen Oeffnungen und bei hefligem Blutandrange auch 2 solche Hefte erforderlich. Bei dem Schliessen der Wunde wird nur die äussere Haut mit den Nadeln durchstochen, und es ist dabei zu beachten, dass weder die Haut zu sehr von den darunter liegenden Theilen abgezogen wird, noch dass die Ilaare zwischeu die Wuud-
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796
Das Aderlassen.
ränder eimlringen. Hierauf werden die Thicre so angebunden, dass sie sich an der Aderlassstelle nicht reiben oder sonst wie verletzen können, damit nicht neue Blutung oder heftige Entzündungen der Vene entstehen; auch ist es zweckmässig, den Thicrcn wenig und nur weiches Futter zu geben, besonders wenn der Aderlass an der Drosselvene gemacht, wird. Eine besondere Behandlung ist in der Regel an der Wunde nicht er­forderlich. Nach Verlauf von 24 Stunden wird die in die Wundränder gesteckte Nadel so herausgezogen, dass keine Zerrung entstellt; die Heilung ist in der Regel zu der Zeit erfolgt.
Dies ist das Grundverfaliren, nach welchem man an den einzelnen Venen mit geringen Abweichungen, welche von der Lokalität etwa be­dingt sind, verfährt. So z. B. bei dem Aderlassen an der Drosselvene, welches am häufigsten stattfindet:
Man lässt das Pferd an einer Trense, deren Zügel unter dem Kinn zusammengenommen sind, mit massig hoch aufgerichtetem Kopfe lialten und dabei von dem Gehülfen, der dies thut, zugleich dem Thicre das Auge derjenigen Seite zuhalten, an welcher man eben die Operation unternehmen will. Hierauf befeuchtet man die Slelle, wo der Aderlass an der Drosselvenc geschehen soll, mit ein wenig Speichel und streicht daselbst die Haare recht glatt an die Haut. Die Stelle wird am besten in der Gegend der Mitte der Länge des Halses oder ein wenig darüber gewählt. Will man mit der Lanzelte Ader lassen, so eignet sich hierzu die rechte Seite des Halses am bequemsten, zur Operation mit der Fliete dagegen die linke. Man nimmt die Klinge des erstcren Instru­ments zwischen den Daumen und Zeigefinger der rechten Hand und lässt die Spitze so lang über dieselben hervorstehen, wie uugefäiir die Dicke der Haut, des Zellgewebes und der Venenwand beträgt; mit den Fingern der linken Hand unterdrückt man, indem man sich neben die rechte Schulter geslellt hat, die Vene unmittelbar unter der Opera­tionsstelle und wenn sie sich recht voll gefüllt zeigt, setzt man die Lanzette auf die Mittellinie der rundlich hervorgedrängten Vene in etwas schräger Richtung mit der Spitze nach oben auf und sticht sie dann mit möglichster Schnelligkeit durch die Haut in die Vene ein. Bei dem Einstechen schiebt man das Instrument ein wenig nach vorn und oben, erleichtert hierdurch das Eindringen und vergrössert zugleich die Wunde, wie es eben die Grosse des Thieres und die Heftigkeit der Zufälle verlangen. Im Uebrigcn verfährt man, wie im Vorstehenden angegeben ist.
Zum Aderlässen mit der Fliete nimmt man dies Instrument an dem Charnier der Schale oder an dem hintern Ende dos Sliels lose zwischen die Spitze des Zeigefingers und des Daumens der linken Hand und zwar so, dass die Klinge von der Hand weggerichtet steht. Man stellt sich neben die linke Schulter, unterdrückt mit den ausgerlreckten 3 letzten Fingern der linken Hand die Vene, und nachdem man, wie vorhin, ein wenig die Haare glatt gestrichen hat, setzt man die Flictenklinge auf die Mitte der Vene in ihrer Längenrichtung und schlägt dann mit einem hierzu eigens gemachten Klopfschlägel oder mit einem Stückchen Holz oder auch mit dem aussein Rande der blossen rechten Hand auf den Rücken des Flietenstiels kurz und kräftig, so dass die Klinge durch die Haut in die Vene eindringt.
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.
Das Aderlassen.
797
Der Schuepper kann an beiden Seileu des Halses gleichmässig leicht, gebraucht werden. Man spannt seine Feder und legt hiernach die Klinge an dieselbe zurück. Nachdem die Haare an der Aderlassstelle be­feuchtet sind, stellt man sich neben die eine oder die andere Schulter, unterdrückt mit den Fingerspilzen der linken Hand die Vene, setzt das Instrument mit der Klinge in der Längenaxe auf die Mitte der letztern, jedoch so, dass zwischen der Klinge und der Haut ein circa 1 Linie breiter Zwischenraum bleibt und drückt dann die Feder des Schneppers ab, so dass diese die Klinge in die Haut u. s. w. hineintreibt. Damit durch das hervorspritzendc Blut das Instrument im Innern weniger ver­unreiniget wird, ist es zweckmässig, den Schnepper umgekehrt, d. h. sein oberes Ende nach unten gewendet, gegen die Haut zu halten. Auch hier verfährt man dann hinsichtlich des blutauäfliessens, des Verschlies-sens der Wunde u. s. w , wie angegeben ist.
Bei Aderlässen in den Fesselvcnen kann man die Blutstillung zweck­mässig auch ohne die Naht, durch einen umgelegten Druckverband bewirken und hierzu nöthigenfalls ein mit eiuem Knoten versehenes Strohseil benutzen. Der Knoten wird dabei unter die Aderlasswunde gelegt und das Band fest zugebunden oder zugedreht.
Bei Hunden mit dickem, fettem Halse und eben so bei Schweinen sieht und fühlt man die Venen in den meisten Fällen nicht deutlich ge­nug, um sie sicher zu treilen. Es ist desshalb unter diesen Umständen zweckmässig, an der Operatlonsstelle einen etwa f — 1 Zoll langen 11a ul sehn ill zu machen, dadurch die Vene blosszulegen und sie dann für sich allein zu öffnen.
Zuweilen erfolgt nach geniachlem Einstich die Blutung nicht oder zu schwach. Die Ursache kann hierzu sein:
a.nbsp; nbsp;dass das Instrument nicht in die Vene gedrungen ist, weil man entweder dieselbe verfehlte, oder weil zu wenig Kraft angewendet oder das Instrument zu seicht eingestochen worden, oder
b.nbsp; nbsp;die Wunde ist zu klein geworden, oder
c.nbsp; nbsp;die Haut oder Zellgewebe und Feit haben sich über die Vene verschoben, oder
(/. die Vene wird nicht gehörig comprimirt, oder e. das Blut ist zu dickllüssig und zäh, oder endlich ƒ. die Vene ist wirklich leer, weil das Blut sich wegen des Krank­heitszustandes in anderen Organen massenhaft anhäuft. In den beiden ersten Fällen muss jedenfalls eine neue Oellhung. aber wenigstens 1 Zoll von der ersten entfernt gemacht werden; im dritten und vierten Falle lässt sich durch Forlziehen der Haut und besseres Comprimircn der Vene dem Mangel abhelfen: in den beiden letzten Füllen aber kann nur eine gelinde Bewegung und Reibung des Körpers den Ausiluss etwas verbessern.
Ein eigenthümlicher Zufall bei dem Aderlassen ist zuweilen das Eindringen von Luft in die Vene, der dadurch veranlasst wird, dass die Compression nicht gehörig stattfindet oder die Wunde auseinander ge­zogen wird. Häufig entsteht hieraus kein Nachtheil, in manchen Fällen aber wird das Athmeu und der Puls beschleunigt, es tritt Zittern, Tau­meln, Niederstürzen und zuweilen heftiger Krampf am ganzen Körper
.
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798
Applikation der Fontanelle,
ein. Um diese Zufälle zu vermindern, lässt man das Blut noch etwas länger fliessen und raaehl Reibungen am ganzen Körper.
Oft entstehen Nachblutungen, indem die Tbierc sicli au der Ader-lassstellc drücken oder reiben, oder selbst die Nadeln herausreissen, zuweilen auch wenn die Carotis mit verletzt ist. Man zieht die alten Nadeln heraus und vereiniget die Wunde von Neuem regelmässig, oder man steckt wohl eine Nadel mehr als vorher ein, bindet die Thiere kurz und hoch, am besten umgekehrt im Stande an und befeuchtet die Operationsstelle durch einige Stunden oft wiederholt mit kaltem Wasser. Bei Verblulungsgefahr muss die Carotis unterbunden werden.
Zuweilen entstehen auch Entzündungen und Eiterungen der Vene, worüber S. 145 nachzusehen ist.
il. Applikation der Fontanelle.
Fontanelle sind künstliche Geschwüre im Zellgewebe unter der Haut und für die Zwecke erzeugt, um a. entweder von edleren Theilen eine Ableitung zu machen, oder auch h. um zu der betrelfeuden Stelle selbst eine Zuleitung von Säften zu bewirken. Man benutzt sie daher besonders bei inneren Entzündungen, bei rheumatischen Affektionen, bei Metastasen, bei Hypcrtrophieen und entgegengesetzt ad b. bei dem Schwinden. Sie sind fast an allen Sieilen des Körpers zu eröffnen, namentlich aber an der Stirn, den Backen, an den Seitcntheilcn des Halses, auf den Schultern, an der vordem Fläche der Brust, bei dem Rindvieh auch an dem sogenannten Brustlappen oder Triel. an der untern Seite der Brust und au den Hinterbacken. Die Thiere können zur Operation stehen, niiissen aber gebremset und festgehallen, nöthi-genfalls auch gespannt oder ihnen ein Vorderfuss in die Höhe gehallen werden. Man operirt entweder mit einem geballten Bistouri oder mit einer sogenannten Fontanellscheere. Ersteres ist das gewöhnliehe und man verfährt dabei auf folgende Weise:
Ist die Haut verschiebbar, so bildet man von ihr mit Unterstü/-zung eines Gehülfen au der Operationsstelle eine Querfalte und durch­schneidet dieselbe in senkrechter Richtung so, dass bei Pferden und Rindvieh eine etwa li Zoll lange, bei den kleineren Thieren eine circa •J—1 Zoll lange Wunde entsteht. Ist die Haut festsitzend, wie nament­lich auf der Kruppe, so nimmt man das Bistouri so in die Hand, dass die Klinge nur gegen -J Zoll lang über den zusammengekrümmten Zeige­finger und Daumen hervorsteht; dann setzt man den letztem fest auf die Haut neben der Stelle, an welcher mau eben die Fontancllöffnung machen will und, indem man das Bistouri auf diese Stelle massig stark eindruckt, zieht man zugleich die Hand etwa 1 — l-J Zoll weit zurück und bildet so die Oellnung in angemessener Grosse, — Die Fon­tanellscheere kann man nur bei schlaffer, verschiebbarer Haut ge­brauchen. Man drückt sie, nachdem sie geöffnet ist, mit den Spitzen ihrer Blätter in die Haut, hackt diese dadurch gleichsam au die Scheeren-
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Applikation dor Fontanelle.
799
blatter, iiiui iuclcm mau die Scheere scbliesst, zieht man die Haut zuerst in eine Falle zusammeu und durchscheidel dieselbe gleicbzcilig.
Nachdem der Haulsclmilt gemacht ist, dringt man mit einer Finger­spitze in die Wunde und trennt bei grossen Tbieren das Zellgewebe im Umfange von etwa 1 Zoll rund herum zwischen der Haut und den darunter liegenden Theilen los, bei kleinen Thieren ist es hinreichend, wenn die Trennung von der Wunde nach allen Seilen nur ^—-y Zoll beträgt. In die so entstandene Höhle legt man irgend einen reizenden Körper, z. B. ein Stück Filz, oder ein Slück mit Werg umwickeltes Leder, eine fest zusammengedrehte Wiecke von Werg u. dgl. Diese Körper macht man mit Terpeulliinöl oder Lorbeeröl oder mit Terpen* Ihinsalbe, Kanlharideusalbe u. dgl. mehr reizend. Zuweilen benutzt man auch hierzu ein Slückchen weisse Niesswurz oder mehrere zu­sammengebundene, etwa-f—1| Zoll lange Fasern der schwarzen Niess­wurz und nennt dann die Operation nach alter Weise das Niess­wurz- oder Christ wurzstecken. Hierauf reiniget mau die Wunde und die Umgegend von dem etwa ausgellosseneu Blut und bestreicht die Haut unler der Fonfanellöflhuug mit Feit oder mit einfachem Gerat, um die Einwirkungen des Fontanelleiters auf die Haut zu verhüten.
Die von dem fremden Körper in Heizung versetzte Stelle schwillt an, entzQndct sich, es findet in ihr Ausschwitzimd zuerst von Serum, später aber mehr und mehr von reinem Eiter statt und die Eiterung dauert in der Regel so lange fort, wie eben der fremde Körper zugegen ist, und dann auch noch mehrere Tage. Je nach dem therapeulischen Zwecke und dem Grade der eingetretenen Wirkung lässt man den fremden Körper 4 —14 Tage liegen und entfernt ihn dann, indem man mit gekrümmtem Finger in die Höhle geht oder eine Pinzette in die­selbe einfülut und ihn mit dein einen oder mit dem andern ergreift und hervorzieht. Die älteren Thiciärzte liessen gewöhnlich die fremden Körper eine viel längere Zeit in dem Geschwür liegen; es ist jedoch zvveckmüssiger, dies nur in der angedculeleii Zeit zu thun, weil sonst leicht Callosiliiten und bei der Heilung hässliche Narben entstehen. Ver­langt der therapeulische Zweck eine längere Reizung, so ist es besser, ein zweites Fontauell zu eröffnen.
Während der fremde Körger liegt und eben so nach seiner Ent­fernung, so lange die Eiterung dauert, drückt man täglich ein oder zwei Mal, je nach der reichlichen Sekretion, das Geschwür gelind aus, und reinigel es mit einem Schwamm.
Die Heilung erfolgt nach Eullernung des fremden Körpers in der Regel ganz von selbst. In einzelnen, seltenen Fällen entstehen Sen­kungen des Eiters und man ist dann genöihiget, entweder Gegenolf-nungen zu machen, oder die ursprüngliche Oellnung nach abwärts zu erweitern.
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im
800nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Das Ziehen der Haarseile.
111. Das Ziehen der Haarseile.
Die Haarseile sind Bänder, welche mau durch Hautwunden im Zellgewebe unter der Haut oder auch durch tiefer liegende Theile zieht, hierdurch diese Theile reizt, in Entzündung uud Eiterung versetzt und somit eine Art künstlicher Geschwüre durch sie bildet. Der Zweck ist derselbe, wie bei den Fontanellen.
Die Haarseile werden au denselben Stellen applizirt, welche als die passendsten für die Funlanelle bezeichnet worden sind; ausserdem aber zieht man sie auch auf den Rippenwänden, neben dem Hüftge­lenk, an dein Sprunggelenk, durch den Fleisch- und Hornstrahl des Hufes, bei dem Rindvieh an dem Triel und bei Hunden in dem Nacken. Die Richtung, in welcher das Eiterband verläuft, soll der senkrechten Linie sich nähern oder unter der Brust und an der Kruppe der Längen-richtuug des Körpers folgen. Wenn Haarseile durch Fisteln oder ver­altete Wunden gezogen werden, müssen sie natürlich der vorhandenen Richtung derselben folgen.
Die grosseren Thiere können bei dem Ziehen der Haarseile meh-rentheils stehen, wenn sie gehörig gebremset, gehalten oder gespannt sind; da aber die Operationquot;schmerzhaft ist, so müssen empGndliche Thiere hierzu oft niedergelegt werden.
Das Durchziehen des Bandes durch einen erst neu zu machenden oder durch einen schon vorhandenen Kanal setzt immer zwei Oell'univ gen desselben voraus. Mau macht dieselben entweder beide mit dem geballten Bistouri oder man macht nur die eine derselben mit dem Messer, die zweite aber mittelst einer scharfspitzigen Haarseiinadel, oder mit einer scharfen Troikarnadel. In Deutschland ist das erstere Ver­fahren das gebräuchliche uud mau übt dasselbe auf folgende Weise:
Man bestimmt an der gewählten Stelle die Richtung und die Länge des zu machenden Kanals. Letztere ist, je nach der Grosse des Thieres und nach dem Orte verschieden, z. ß. bei Pferden und Rindvieh am Halse, auf den Schultern, auf den Rippen und auf dem Kreuz gewöhn­lich etwa 10 Zoll, an der Stirn, unter der Brust, am Sprunggelenk etwa 4 Zoll, bei Schweinen und Hunden 2 — 4 Zoll. Hierauf scheert man an den bezeichneten Eudpunklen die Haare auf einer Fläche von circa 1 Zoll ab und durchschneidet dann mit dem geballten Bistouri zuerst an der niedrigem uud dann an der obern Stelle die Haut nebst dem Hautmuskcl bei grossen Thieren gegen 1 — li Zoll, bei kleinen •|-—1 Zoll lang. Hierauf führt man die slumpfspitze (deutsche) Haar­seilnadel durch die untere Oell'nung in das Zellgewebe unler dem Haut­muskel und durch gelindes Drücken schiebt man die Spitze des Instru­ments alhnälig weiter vorwärts bis zur obern Wunde und durch dieselbe hervor. Nun fädelt man in das am hinlern Ende der Nadel befindliche Ochr ein rauhes etwa fingerbreites Band, welches mit Terpenthinöl oder Lorbecrol oder mit Kanlharidensalbe bestrichen ist, (nach alter Vorschrift eine aus Haaren geilochtene Schnur, daher der Name Haar­seil) und indem man die Nadel hierauf an ihrer Spitze erfasst und hervorzieht, wird das Band in den so gebildeten Kanal gezogen. Die Luden des Bandes werden entweder gegenseitig zusammeugebundenj
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Dus Ziehen der Haarteile.
801
oder mit hüizerucn Knebeln oder mit dickeu Kuotcn versehen, um das Herausfallen aus dem Kanal zu verhüten. — Benutzt man eine scharl-spilzige Uaarseilnadel, so braucht man bloss eine Oeilhuug mit dem Messer vorzubilden, die zweite erzeugt man mit der scharfen Spitze des Instrumenles, indem man am Ende des gemachten Kanals das In­strument kräftig durch die Haut hervordrängt. Nach eingezogenem Bande streicht man unter die Wunden Feit oder Gerat und bindet dann die Tfaiere so an, dass sie mit dem Maule nicht zu dem Haarseile ge­langen, auf die betrell'enden Körperstellen dringen und durch Reiben sich beschädigen können.
Die Wirkungen sind ganz ähnlich denen wie bei den Fontanellen, Entzündung, Anschwellung, zuerst serös-lymphatische und dann eiterige Sekretion. Treten diese Wirkungen in den ersten 24 Stunden nicht gehörig ein. so kann das Band nachträglich noch einmal mit Terpen-thinöl u. s. w. mehr reizend gemacht werden; ausserdem reizt man durch gelindes Hin- und Herziehen des Bandes täglich den Kanal. Der Eiter wird zum ïheil hierdurch, theils durch gelindes Drücken entleert und die Umgegend mit einem Schwamm und lauwarmem Wasser gerei­nigt. Gewöhnlich bleiben die Haarseile 8 —14 Tage liegen, worauf man sie entfernt, indem man das eine Ende abschneidet und am andern Ende das Band herauszieht. Die Heilung erfolgt dann bei einfacher Reinigung von selbst.
51
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Register.
A,
Seite
Abbinden der Balggescliwiilste .nbsp; nbsp; 712
des männlichen Gliedesnbsp; nbsp; 775
der Mastdarmfislcl . .nbsp; nbsp; 774
der Polypen ....nbsp; nbsp; 719 der Slollbeulen . . . _ 252
der Warzen ....nbsp; nbsp; 729
Abblätterung.......nbsp; nbsp; nbsp;194
Ablagerung von Serum . . 45,nbsp; nbsp; 674
Abnorme Bildungen im Allgem. .nbsp; nbsp; 698
Abscess.........nbsp; nbsp; nbsp; 52
kalter.......nbsp; nbsp; nbsp; 53
Abscesshaut.......nbsp; nbsp; nbsp; 54
Absterbung........nbsp; nbsp; nbsp; 65
Abtragung der Zungenspitze .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;550
Abweichung der Beckenknochennbsp; nbsp; 519
Achternaht........nbsp; nbsp; 3'il
Aderfisteln........nbsp; nbsp; nbsp;14G
Aderlässen......32,nbsp; nbsp; 7i)4
Aderpresse........nbsp; nbsp; 307
Adhäsionen........nbsp; nbsp; 639
Aetzungcn........nbsp; nbsp; nbsp; 75
After, künstlicher......nbsp; nbsp; 397
verschlossener ....nbsp; nbsp; 644
widernatürlicher ....nbsp; nbsp; 397
Al'terbildungen......nbsp; nbsp; 699
Aftergeschwülste......nbsp; nbsp; 699
Afterhaut........nbsp; nbsp; nbsp; 46
Afterfisteln........nbsp; nbsp; nbsp;1-16
Afterverletzungen s. Verletzungen.
Albugo.........nbsp; nbsp; 117
Allenthesen........nbsp; nbsp; 650
Atnaurosis........nbsp; nbsp; 129
Seite
Amputation des Euters ....nbsp; nbsp; 163
der Gebärmutter . .nbsp; nbsp; 564
des männl. Gliedes .nbsp; nbsp; 776
des Mastdarms . .nbsp; nbsp; 555
Anätzungen.......nbsp; nbsp; nbsp; 75
Anchylosis........nbsp; nbsp; 648
Aneurysma........nbsp; nbsp; nbsp;613
Angeborner Fehler.....nbsp; nbsp; b95
AnÜcoeur........nbsp; nbsp; 243
Anliphlogislische Methode ...nbsp; nbsp; nbsp; 32
Apostema........nbsp; nbsp; nbsp; 53
Atlieroma........nbsp; nbsp; nbsp;710
Atresieen........nbsp; nbsp; nbsp;639
Atrophia.........nbsp; nbsp; 693
Aul'rciten, Auftreten der l'ferde .nbsp; nbsp; 267
Augapfel-Vorfall......nbsp; nbsp; 543
Wassersucht ....nbsp; nbsp; 677 Augenentzüudung im Allgemein.nbsp; nbsp; nbsp; 96 Folgen dersel­ben .......116,
119, 121, 128, 129, 131,nbsp; nbsp; 132
Augenentzündung, intermittirendenbsp; nbsp; 109
katarrhalische.nbsp; nbsp; nbsp;104
periodische .nbsp; nbsp; nbsp;109
bei Pocken .nbsp; nbsp; nbsp;116
rheumatische .nbsp; nbsp; nbsp;107
spezifische . .nbsp; nbsp; nbsp;109
traumatische .nbsp; nbsp; nbsp; 97
von Würmernnbsp; nbsp; nbsp;115
Augenfell........nbsp; nbsp; nbsp;119
Augenverletzungen siehe Verlez-zungen.
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Register.
raquo;03
Seite Ausilelininigeii im Allgenieiiien . amp;)'l Ausilelinung und Erweiterung der
Arterien.......613
Ausdehnung und Erweiterung der
Blutadern.......613
Ausdehnung und Erweiterung der
Gelenkkapseln.....606
Ausdehnung und Erweiterung des
.Mastdarms.......619
Ausdehnung der Muskeln . . . 603 Ausdehnung und Erweiterung des
Ohrdrüsenkanals.....616
Ausdehnung und Erweiterung der
Schleimbeutel......606
Ausdehnung und Erweiterung des
Schlundes.......617
Ausdehnung der Sehnen . . . 603 Ausdehnung und Erweiterung der
Sehnenscheiden.....606
Ausrcissen der Polypennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;7111
Ausschälung s. Exstiipation.
Ausschwitzung......44
plastische . . . 46 Auszichuiiquot; des Staars .... 127
Seite
Blasenstich........nbsp; nbsp; 687
Blastem.........nbsp; nbsp; (jyg
Blutadergeschwulst.....nbsp; nbsp; 307
Blutbruch......569,nbsp; nbsp; 588
Blutegel........nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3^
Blutentleerung, allgemeine. . .nbsp; nbsp; nbsp; 32
örtliche....nbsp; nbsp; nbsp; 34
Blutlassen......32nbsp; nbsp; nbsp;794
ßlutohr der Hunde.....nbsp; nbsp; 282
ßlutpfropf (Thrombus) ....nbsp; nbsp; 306
ßlutschwamm.......nbsp; nbsp; 722
Blutspath........nbsp; nbsp; 614
Blutstillung....... .nbsp; nbsp; 305
Blutungen bei Wunden ....nbsp; nbsp; 294
Bougies.........nbsp; nbsp; 760
Brand, heisser.......nbsp; nbsp; nbsp; 66
kalter.......nbsp; nbsp; nbsp; 65
trockner und feuchternbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 67
- im Schweife.....nbsp; nbsp; 415
Brandblasen.......nbsp; nbsp; nbsp; 67
Brandlieber........nbsp; nbsp; nbsp; 68
Brandlleck........nbsp; nbsp; 233
ßreigeschwulst.......nbsp; nbsp; 710
Breiumschläge, Wärmegrade der­selben ........nbsp; nbsp; nbsp; 39
Bremsenlarven in der Stirnhühle.nbsp; nbsp; 654
Bremsenschwindel.....nbsp; nbsp; 654
Bremsenstiche.......nbsp; nbsp; 333
Bronchocelc.......nbsp; nbsp; 729
Bruch, Knochenbruch (Fractura)
im Allgemeinen.....nbsp; nbsp; 441
Bruch des Armbeins.....nbsp; nbsp; 478
des Backenbeins ....nbsp; nbsp; nbsp;491
der Beckenknochen. . .nbsp; nbsp; 474
des Ellcnbogenbeins . .nbsp; nbsp; 480
des Fesselbeins ....nbsp; nbsp; 484
der Griffelbeine ....nbsp; nbsp; 483
der llalswirbelbeine . .nbsp; nbsp; 470
des llinterkiefers. . . .nbsp; nbsp; 466
des llirnschädels ....nbsp; nbsp; 457
des llornfortsatzes . . .nbsp; nbsp; 460 des Huf- und Hufgelenk-
heins........nbsp; nbsp; 48S
des Jochbeins.....nbsp; nbsp; 462
der Kniescheibe ....nbsp; nbsp; 493
des Kronenbeins ....nbsp; nbsp; 486
der Lenden - Rückenwirbelnbsp; nbsp; 470
der Nasenbeine ....nbsp; nbsp; 463
der Rippen.....nbsp; nbsp; 472
des Unterschenkelbeinsnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 494
des Schienbeins ....nbsp; nbsp; 483
des Schulterblattes . . .nbsp; nbsp; 477
der Schwanzwirbel . . .nbsp; nbsp; 476
des Sprunggelenks . . .nbsp; nbsp; 495
der Stirnbeine ....nbsp; nbsp; 460 51'
B.
Bärenf'uss........nbsp; nbsp; 604
Balggesrlnviilste......nbsp; nbsp; 701)
iichte. unächte .nbsp; nbsp; 70'J
Balkenstaar........nbsp; nbsp; 121
ßallengcschwür siehe Panari-tiuni.
Bauchhruch........nbsp; nbsp; 594
innerer.....nbsp; nbsp; 597
Bauchfellbrach......nbsp; nbsp; 597
Bauchwunden.......nbsp; nbsp; 386
oberllächliche . .nbsp; nbsp; 386 einfache eindrin­gende ........nbsp; nbsp; 388
Bauchwunden, complizirte ein­dringende .......nbsp; nbsp; 390
Beinfrass........nbsp; nbsp; 194
Beinhautentziimlung.....nbsp; nbsp; 192
Beinhaulsdinitt......nbsp; nbsp; 202
Beinschwiele.......nbsp; nbsp; 445
Bienenstiche.......nbsp; nbsp; 333
Bildungsfehler.......nbsp; nbsp; 675
Bindehautentzündung, katarrha­lische ........nbsp; nbsp; nbsp;104
Bisswunden mit Wuthgift . . .nbsp; nbsp; 333
Blasen - Polypen......nbsp; nbsp; 713
Blasenschnilt.......nbsp; nbsp; 738
Blasensteine.......nbsp; nbsp; 736
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804
Register.
Seite
Bruch des Strahlbeins ....nbsp; nbsp; 488
des Voranns.....nbsp; nbsp; 48(1
der Vorderkieferbeine . .nbsp; nbsp; 465
des VorderUniees . . .nbsp; nbsp; 482
des Zungenbeins ....nbsp; nbsp; 469
des Penis......nbsp; nbsp; 283
Bruch (Hernia) im Allgemeinen.nbsp; nbsp; 567
wahrer und falscher . .nbsp; nbsp; nbsp;569
Bruchgeschwulst......nbsp; nbsp; 576
Bruchoperation......nbsp; nbsp; 576
Bruchring........nbsp; nbsp; 57fi
Bruchsack........nbsp; nbsp; 576
Brustbeule........nbsp; nbsp; 243
Brustlahmheit.......nbsp; nbsp; 522
rheumatische. . .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;86
Brustwunden, durchgehende . .nbsp; nbsp; 379
einfache ....nbsp; nbsp; nbsp;378
Bubonocele........nbsp; nbsp; 584
Buglähme, Buglahinheit. . . .nbsp; nbsp; 522 rheuma­tische ........nbsp; nbsp; nbsp; 86
Bundnaht........nbsp; nbsp; 319
Seile D.
Darmbruch......568,nbsp; nbsp; 585
Darmfistel........nbsp; nbsp; 397
Darmnaht........nbsp; nbsp; 322
Darmvorfall bei Wunden . . .nbsp; nbsp; 390
Darmwunden.......nbsp; nbsp; 395
Dasselbeulen.......nbsp; nbsp; 652
Decubitus........nbsp; nbsp; 272
Degenerationen .... 699,nbsp; nbsp; 727
Demarcationslinie......nbsp; nbsp; nbsp; 69
Diastasis.........nbsp; nbsp; 519
Digestivwasser.......nbsp; nbsp; nbsp; 61
Dismorphcn........nbsp; nbsp; 690
Distorsio.........nbsp; nbsp; 506
Drehen oder Drillen der Blutge-
fässe........nbsp; nbsp; 314
Druckschaden ,......nbsp; nbsp; 231
Durchliegen, das......nbsp; nbsp; 272
Dysuria.........nbsp; nbsp; 680
c.
Calculi.........nbsp; nbsp; 734
Callus.........nbsp; nbsp; 445
Capelets.........nbsp; nbsp; 256
Cancer.........nbsp; nbsp; 721
Carcinoma........nbsp; nbsp; 721
Caries.........nbsp; nbsp; 194
Cataracta........nbsp; nbsp; nbsp;121
Catheter s. Katheter.
Cele..........nbsp; nbsp; 567
Chirurgie, allgemeine ... 2,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3
spezielle .... 2,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3
Geschichte der ...nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 4
Chlorzinkpaste.......nbsp; nbsp; 710
Chondroïden.......nbsp; nbsp; 656
Cicatrix.........nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;46
Cirsocele........nbsp; nbsp; 569
Commotio cerebri.....nbsp; nbsp; 457
Concremente, Concretionen 699,nbsp; nbsp; 734
Conglutinationen......nbsp; nbsp; 639
Conquassationes......nbsp; nbsp; 223
Contracturae.......nbsp; nbsp; 621
Contrafissurae.......nbsp; nbsp; 457
Contrafracturae......nbsp; nbsp; 457
Contusiones........nbsp; nbsp; 223
Cosmesches Pulver.....nbsp; nbsp; 726
Courbe (curb).......nbsp; nbsp; 221
Cystides.........nbsp; nbsp; 709
Cystotomia........nbsp; nbsp; 738
Cytobl^slem.......nbsp; nbsp; 698
E.
Ectiisiecn........nbsp; nbsp; 602
Ectopia.........nbsp; nbsp; 541
Eingipsung........nbsp; nbsp; 453
Einhauen über die Kette s. Tre­ten etc.
Einklemmung.......nbsp; nbsp; 571
Einschicbung.......nbsp; nbsp; 541
Einschnitte........nbsp; nbsp; nbsp; 34
Einschuss........nbsp; nbsp; 16S
Eintheilung der Chirurgie ...nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2
Eiter und Eiterung
50, 328
Eiterauge........nbsp; nbsp; 132
Eiterband........nbsp; nbsp; 800
Eiterbeule........nbsp; nbsp; nbsp; 53
Eitelerzeugende Jlittel ....nbsp; nbsp; nbsp; 56
Eitergeschwulst......nbsp; nbsp; nbsp; 53
Ellenbogenbeulen......nbsp; nbsp; 247
Emphysem........nbsp; nbsp; 380
Encephaloid.......nbsp; nbsp; 703
Enchondroma.......nbsp; nbsp; 704
Engerlinge........nbsp; nbsp; 652
Entartung der Gewebe . . 099,nbsp; nbsp; 727
Entzündung im Allgemeinen . .nbsp; nbsp; nbsp; 12
asthenische....nbsp; nbsp; nbsp; 28 der Augen 96, 97,
104, 107, 109, 115,nbsp; nbsp; 116
der Beugesehnen .nbsp; nbsp; 178
der Drosselvene . .nbsp; nbsp; 145
dyscratische ...nbsp; nbsp; nbsp; 24
erethische ....nbsp; nbsp; nbsp; 29
erysipelatöse ...nbsp; nbsp; nbsp; 79
-ocr page 821-
Register.
80S
Seite Entzündung gangraenöse ...nbsp; nbsp; nbsp; 27 des aussern Gehör-ganges ........nbsp; nbsp; nbsp; 94
Entzündung, idiopathische ...nbsp; nbsp; nbsp; 27
der Hoden ....nbsp; nbsp; 150 der Hufe und der
Klauen........nbsp; nbsp; 180
Entzündung der Knochen und der
Beinhaut........nbsp; nbsp; 192
Entzündung der Lymphdrüsen im
Kehlgange.......nbsp; nbsp; 137
Entzündung der Lymphgefässe .nbsp; nbsp; 166 der Alilchdriisen oder
des Euters.......nbsp; nbsp; 157
Entzündung des Nabels . . .nbsp; nbsp; 148
der Ohrdrüsen . .nbsp; nbsp; 134
der Ohrmuschel . .nbsp; nbsp; nbsp; 93
rosenartige. ...nbsp; nbsp; nbsp; 87 der Schaamlcfzen und
der Multerscheide ....nbsp; nbsp; nbsp;164
Entzündung der Schilddrüse . .nbsp; nbsp; 142
sthenische ....nbsp; nbsp; nbsp; 27
sympathische ...nbsp; nbsp; nbsp; 27
synochöse ....nbsp; nbsp; nbsp; 27
torpide.....nbsp; nbsp; nbsp; 29
traumatische ...nbsp; nbsp; nbsp; 24 der UntcrUiefcrspci-
cheldrüse.......nbsp; nbsp; 138
Entzündung der Unterzungcnspei-
cheldrüse.......nbsp; nbsp; 138
Entzündung der Vorhaut und des
männlichen Gliedes ....nbsp; nbsp; 151
Entzündung der Zunge ....nbsp; nbsp; 140
Entzündungsausgänge ....nbsp; nbsp; nbsp; 22
Entzündungsfieber.....nbsp; nbsp; nbsp; 17
Erfrierungen.......nbsp; nbsp; nbsp; 77
Ernährung, übermässige . . .nbsp; nbsp; 690
Erschütterung des Gehirns. . .nbsp; nbsp; 457
Erweichung.......nbsp; nbsp; nbsp; 46
Erweiterungen......nbsp; nbsp; 602
Erysipelas........nbsp; nbsp; nbsp; 78
Esparvin.........nbsp; nbsp; 213
Eutercntzündung......nbsp; nbsp; 157
Exania.........nbsp; nbsp; 551
Exfoliatio........nbsp; nbsp; 194
Exomphalos........nbsp; nbsp; 579
Exophthalmos.......nbsp; nbsp; 543
Exostosis......193,nbsp; nbsp; 197
Exstirpation' des Augapfels. . .nbsp; nbsp; 545
der Balggeschwülstenbsp; nbsp; 711
des Euters ....nbsp; nbsp; nbsp;163
der Polypen . . .nbsp; nbsp; 717
der Stoilbeulen . .nbsp; nbsp; 253
Exgudatio ,,.,,,..nbsp; nbsp; nbsp; 44
Seite F.
Fadenwünner in den Augen . .115
Fäulniss der Ruthe.....nbsp; nbsp; 152
Fasergeschwulst......nbsp; nbsp; 702
Faserkrebs........nbsp; nbsp; 721
Feifelgeschwulst......nbsp; nbsp; 134
Feigwarzen.......nbsp; nbsp; 728
Fettfell.........nbsp; nbsp; 120
Fettgeschwulst.......nbsp; nbsp; 701
Fibroid ........nbsp; nbsp; 702
Filaria papillosa im Auge . . .nbsp; nbsp; 115
Fissura.........nbsp; nbsp; 457
Fistelgeschwüre......nbsp; nbsp; 752
Flankenbruch.......nbsp; nbsp; 594
Fleischbruch . . . 569, 587,nbsp; nbsp; 731
Fleischfell........nbsp; nbsp; 120
Fleischgeschwulst......nbsp; nbsp; 703
Fleischpolyp.......nbsp; nbsp; 713
Fleischwärzchenbildung....nbsp; nbsp; nbsp; 54
Flügelfell........nbsp; nbsp; 119
Flussgallen........nbsp; nbsp; 606
Fluxion lunalique......nbsp; nbsp; 110
Fontanelle........nbsp; nbsp; 798
Forme (Schale)......nbsp; nbsp; 203
Formfehler........nbsp; nbsp; 695
Fractura longitudinalis ....nbsp; nbsp; 442
obliqua......nbsp; nbsp; 442
transversalis ....nbsp; nbsp; 442
Fremde Körper......nbsp; nbsp; 650
im Maule . . .nbsp; nbsp; 663
-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;im Schlünde . .nbsp; nbsp; 664
-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;in Wunden . .nbsp; nbsp; 301
Fungöses Geschwür.....nbsp; nbsp; 752
Fungus haematodes.....nbsp; nbsp; 722
medullare.....nbsp; nbsp; 722
Fussräude........nbsp; nbsp; nbsp;176
Fussrollenentzündung ....nbsp; nbsp; 205
e.
Gallae.........nbsp; nbsp; 606
Gallen.........nbsp; nbsp; 606
durchgehende ....nbsp; nbsp; 607
Gallcrtkrebs.......nbsp; nbsp; 722
Ganglia.........nbsp; nbsp; 606
Gangraena........nbsp; nbsp; nbsp; 65
Gebärmutteramputation ....nbsp; nbsp; 564
Gebärmulterbruch......nbsp; nbsp; 585
Gebärmutterpolypen.....nbsp; nbsp; 716
Gebärmuttervorfall.....nbsp; nbsp; 560
Gegenbrüche.......nbsp; nbsp; 457
Gegenspalten...... lt;nbsp; nbsp; nbsp;437
-ocr page 822-
8(16
Register.
Gehirnerschütterung . Gelenk, künstliches . Gelcnkgallen . . . Gelenk Wassersucht Gelenkwunden. . . Genickbeulc, Genickfisteln Geschichte der Chirurgie Geschirrdruck .... Geschwüre im Allgemeinen
atonische.
brandige .
callüsc
Seite 457 447 606 606 423 227 4 231 750 753 753 752 723 723 753 753 753 752 753 752 751 752 751 752 751 751 754 752 753 752 751 752 752 754 751 752 751 751 750 453 128
Seite
Harnblasensteine......nbsp; nbsp; 736
Harnblasenstich......nbsp; nbsp; 687
Harnfisteln........nbsp; nbsp; 406
Harnrölirensteine ....;.nbsp; nbsp; 743
Harnröhrrnverengerung. . .nbsp; nbsp; 626 Harnverhaltung s. Urinverhaltung.
Hartschnaufigkeit......nbsp; nbsp; 366
Hasenhacke ........nbsp; nbsp; 221
Hascnohrigkeit.......nbsp; nbsp; 630
Hasenschaitennaht.....nbsp; nbsp; 321
llasenspalb........nbsp; nbsp; 221
llautgeschvvulst an den Augen .nbsp; nbsp; 706 Heften der Wunden s. Naht.
Heftnadcln........nbsp; nbsp; nbsp;319
Heftpflaster........nbsp; nbsp; 325
Helcos, llelcosis......nbsp; nbsp; 750
Hernia.........nbsp; nbsp; 567
Herzwunden.......nbsp; nbsp; 381
Hiebwunden.......nbsp; nbsp; 329
Hirnerschütterung......nbsp; nbsp; nbsp;457
Hirnschädelbrüche.....nbsp; nbsp; 458!
llodcnenlzündung......nbsp; nbsp; nbsp;150
Hodensackabscesse.....nbsp; nbsp; 409
Hodensackbriich......nbsp; nbsp; 584
Hodensackverletzungen ....nbsp; nbsp; 407
Hodenverletzung......nbsp; nbsp; 407
Hohlgcschwfire......nbsp; nbsp; 751
Honiggeschwulst......nbsp; nbsp; 710
Hornbildung, pathologische. . .nbsp; nbsp; 7lO
Hornhaulllecke.......nbsp; nbsp; nbsp;116
llornklüfte........nbsp; nbsp; 496
Hornspalten........nbsp; nbsp; 496
Hüftgelenkslahmheit.....nbsp; nbsp; 205
Uüfllahmheit.......nbsp; nbsp; nbsp;536
rheumatische ...nbsp; nbsp; nbsp; 66
Hufentzündung.......nbsp; nbsp; nbsp;180
metastatische . .nbsp; nbsp; nbsp;187
rheumatische . .nbsp; nbsp; nbsp;183
traumatische . ,nbsp; nbsp; nbsp;180
Hufknorpelfisleln......nbsp; nbsp; 777
Hundebiss, wulhkranker . .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;333
Hydatides........nbsp; nbsp; nbsp;710
Hydrarthos........nbsp; nbsp; nbsp;606
Hydrocelc......569,nbsp; nbsp; 678
Hydrophthalmus......nbsp; nbsp; 677
Hj%roma ........nbsp; nbsp; 719
Hyovertebrotomiequot;......nbsp; nbsp; 659
Hyperostosen.......nbsp; nbsp; nbsp;193
Hypertrophie, ächte, unachtequot; 690,nbsp; nbsp; 691
entzündliche ...nbsp; nbsp; nbsp; 46
Hypopium........nbsp; nbsp; nbsp;132
I.
Jauche.......51,nbsp; nbsp; 751
cancriise
carcinomatöse
94
cariöse .
entzündliche
crelhische
erhabene
faulige
fistulöse .
Hache. . .
fressende
frische -nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; fungöse .
habituelle
hohle. . .
idiopalhische
phagedänische
putride .
reine . .
runde. . .
schwammige
schwielige
symptomatische
unregelmäss. geformte
unreine .
veraltete. .
vertiefte . .
Geschwürshaut
54
Gipsguss ......
Glaucoma.....
Granulationen ....
träge, üppige Grützbeutel, Grfltzgeschwulsl Gulta serena.....
04
55 710 12lJ
H.
Haargcschwulst.....
an den Augen Haarseilapplikation . . . .
Haematocelc......
Hängegurt.......
Harnblasenschnitt.....
710 706 800 569 465 738
.li
-ocr page 823-
Register.
807
Seite
Ichor........51,nbsp; nbsp; 751
Igelsfiiss.........nbsp; nbsp; 172
Incarceratio.......nbsp; nbsp; 571
Induratio........nbsp; nbsp; nbsp; 46
Inflammatio........nbsp; nbsp; nbsp; 13
Insektenstiche.......nbsp; nbsp; 334
Invaginatio........nbsp; nbsp; 541
Inversio.........nbsp; nbsp; 541
Ischuria.........nbsp; nbsp; 6S0
Seite
Künstliches (ielenk.....447
Kürschnernaht.......322
Kummtdruck.......231
Ladenränder, verletzte ....nbsp; nbsp; 359
Lahmheit, Erkennung im Allgeni.nbsp; nbsp; nbsp; 87
Lapides.........nbsp; nbsp; 734
Leist........203,nbsp; nbsp; 537
Leistenbruch.......nbsp; nbsp; 584
Lendenlahmheit......nbsp; nbsp; 536
Leucoma........nbsp; nbsp; 117
Ligatur.........nbsp; nbsp; 311
Linsenstaar........nbsp; nbsp; 121
Lipoma.........nbsp; nbsp; 701
Lithotomia........nbsp; nbsp; 738
Luftröhrenerölfnung.....nbsp; nbsp; 367
Luftröhrenverengerung ....nbsp; nbsp; 624
Luftsackkatheter, Anwendung .nbsp; nbsp; 657
Luftsäcke, Anschwellung quot;der . .nbsp; nbsp; 655
Eröffnung der . . .nbsp; nbsp; 650
Lunds Trachtenzwinger . . .nbsp; nbsp; 558
Luxationes........nbsp; nbsp; 506
Lymphabscess.....53,nbsp; nbsp; nbsp; 64
K.
Kälte, Anwendung derselben . .
Kapselstaar........
Kathetcrapplikation.....
Katzenpeter........
Kehlkopfspfeifen .......
Klauengeschwür der Schafe
Kleisterverband......
Kniebeule und Knicschwainm .
Knochenbrand.......
Knochenbrüche im Allgemeinen . im Speziellen siehe Bruch.
Knocheneiterung......
Knochenentzündung.....
Knochenfrass s. Beinfrass. Knochengeschwulst ....
Knochenschwärung.....
Knochcnschwiele s. Callus.
Knochenwurm.......
KnoUhuf.........
Knopf..........
Knopfnaht . .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.....
Knorpelfistel.......
Operation ....
Knorpelgeschwulst.....
Knoten, schwarze.....
Knotengeschwulst, Knotenkrebs .
Knotennaht........
Kothfislel........
Krampfadeibruch .... 569,
Krebs.........
offener .......
verborgener .....
Krebsgeschwür......
am männl. Gliedc
Krebskürper .......
Krebsmilch........
Krebssaft.........
Krebszellen........
Kreuzgalle........
Kreuzlähmung, rheumatische . .
Kronentritt........
Kropf..........
36 121 684 134
366 791 452 255 194 441
193
192
704 193
K.
Macula corneae......nbsp; nbsp; 116
Mähler, blaue, rothe.....nbsp; nbsp; nbsp;268
Männliches Glied, Amputation des­selben ........nbsp; nbsp; 776
Maladie naviculaire.....nbsp; nbsp; 205
Mangel einzelner Theile . . .nbsp; nbsp; 697
Markschwamm.......nbsp; nbsp; 722
Mastdarmfisleln.......nbsp; nbsp; 772
Masldarmvorfall......nbsp; nbsp; 561
Mastitis.........nbsp; nbsp; 157
Mauke t Brand-)......nbsp; nbsp; 173
des Rindviehes ....nbsp; nbsp; 176
(Schrunden-) ....nbsp; nbsp; 172
- (Schutz-)......nbsp; nbsp; 171
Maulwurfsgeschwulst.....nbsp; nbsp; 227
Melanosen........nbsp; nbsp; 707
Meliceris.........nbsp; nbsp; 710
Metamorphosen......nbsp; nbsp; 699
Milchslaar........nbsp; nbsp; 121
Missbildungen.......nbsp; nbsp; 695
Mondblindheit.......nbsp; nbsp; 109
Mortilicatio........nbsp; nbsp; nbsp; 65
Mumificatio........nbsp; nbsp; nbsp; 65
Mumps.........nbsp; nbsp; 134
Muskelbruch.......nbsp; nbsp; 276
194 732 597 319 777 780 704 707 721 319 397 587 721 723 722 7'23 774 721 721 721 721 607 85 427 729
-ocr page 824-
Regifter.
Seite
Muskelzerreissung......nbsp; nbsp; 276
Mutterhränze....., .nbsp; nbsp; 563
m.
Nabelbruch........nbsp; nbsp; nbsp;579
NabelenUundung......nbsp; nbsp; nbsp;148
Nabelgeschwür......nbsp; nbsp; nbsp;148
Nackenfisteln.......nbsp; nbsp; 228
Nähte, blutige.......nbsp; nbsp; 319
Nageltritte........nbsp; nbsp; 435
Nasenpolypen.......nbsp; nbsp; 714
Navicular lamenes.....nbsp; nbsp; 205
Nebula.........nbsp; nbsp; nbsp;117
Necrosis.......65,nbsp; nbsp; nbsp;194
Nervenschnitt (Nervolonüe) . .nbsp; nbsp; 204
Netzbruch......568,nbsp; nbsp; 585
Neubildungen, pathol. im Allg. .nbsp; nbsp; 698
Nubecula........nbsp; nbsp; nbsp;117
o.
Obliteration der Schenkelartcricnnbsp; nbsp; 646
Ochsenspath.......nbsp; nbsp; 607
Oedem, akutes .... 45,nbsp; nbsp; 674
kaltes.......nbsp; nbsp; 674
Oesophagotoraie......nbsp; nbsp; 671
Ohrfistel.........nbsp; nbsp; 763
Ohrgeschwürc.....93,nbsp; nbsp; nbsp; 94
Ohrspcicheldriisencntzündung . .nbsp; nbsp; nbsp;134
Ohrwunden........nbsp; nbsp; 341
Ohrwurm......93,nbsp; nbsp; nbsp; 94
Omphalitis........nbsp; nbsp; 178
Omphalocele.......nbsp; nbsp; 579
Ophthalmus........nbsp; nbsp; nbsp; 96
Orchilis.........nbsp; nbsp; 150
Oscheocele........nbsp; nbsp; 5S4
Osteitis.........nbsp; nbsp; nbsp;192
Osleo-gangraena......nbsp; nbsp; 194
Osteo-necrosis......nbsp; nbsp; nbsp;194
Olterbisse........nbsp; nbsp; 334
P.
Pannus.........nbsp; nbsp; 119
Panaritium......180,nbsp; nbsp; 187
Paraphimosis.......nbsp; nbsp; 627
Paronychia equi......nbsp; nbsp; 171
Parotitis.........nbsp; nbsp; 134
Penis, Amputation des ....nbsp; nbsp; 775
Bruch des......nbsp; nbsp; 283
Entzündung des ....nbsp; nbsp; nbsp;151
Krebs des......nbsp; nbsp; 774
Periosteilis........nbsp; nbsp; 192
Periostotomie.......nbsp; nbsp; 202
Seite
Perlmutterfleck.....,nbsp; nbsp; 117
Pessarien........nbsp; nbsp; 563
Pflaster, englisches, scharfes . .nbsp; nbsp; nbsp; 48
Phlebitis.........nbsp; nbsp; 145
Phlegmone........nbsp; nbsp; nbsp; 25
Phlogosis........nbsp; nbsp; nbsp; 13
Piephacke........nbsp; nbsp; 256
Plasma.........nbsp; nbsp; 698
Pol-evil.........nbsp; nbsp; 227
Polypen.........nbsp; nbsp; 713
der Bindehaut ....nbsp; nbsp; 714
im Kehlkopfe ....nbsp; nbsp; 715 im Mastdarm . . . .716
in der Mutterscheide. .nbsp; nbsp; 716
in der Nasenhöhle . .nbsp; nbsp; 714
in der Rachenhühle . .nbsp; nbsp; 715
Procidentia........nbsp; nbsp; 541
Prolapsus........nbsp; nbsp; 541
Pseudo-organa......nbsp; nbsp; 69i)
Pseudo-plasmala......nbsp; nbsp; 699
Pterygium........nbsp; nbsp; 119
Pulsadergeschwulst.....nbsp; nbsp; 307
Pus (Eiter)........nbsp; nbsp; nbsp; 50
Pyogenia........nbsp; nbsp; nbsp; 50
Pyosis.........nbsp; nbsp; nbsp; 50
ft.
Quetschungen im Allgemeinen .nbsp; nbsp; 223 der Ballen . . .nbsp; nbsp; 266 der Beugesehne .nbsp; nbsp; 259 an der Brust . .nbsp; nbsp; 243 am Ellenbogen . .nbsp; nbsp; 247 am Knie ....nbsp; nbsp; 255 des Köthengelenks.nbsp; nbsp; 261 der Sohle . . .nbsp; nbsp; 268 d. Spitze d. Sprung­gelenks ........nbsp; nbsp; 256
Quetschungen vom Uebertretcn der
Ilalfterkctte.......nbsp; nbsp; 269
Quetschungen am AViderrüstc . .nbsp; nbsp; 231
R.
Rachenpolypen.......nbsp; nbsp; 715
Ramm, Ramp, Rampf ....nbsp; nbsp; 537
Rehbein.........nbsp; nbsp; 220
Reposition der Brüche ....nbsp; nbsp; 575
der Knochenbrüche .nbsp; nbsp; 449
der Verrenkungen . .nbsp; nbsp; 509
der Vorfälle ....nbsp; nbsp; 542
Resolutio.........nbsp; nbsp; nbsp; 22
Retentio urinae......nbsp; nbsp; 680
Rhehe.........nbsp; nbsp; 183
Rhehehuf........nbsp; nbsp; 732
-ocr page 825-
Register.
809
Rheumatismus .... akuter chronischer
Ringbein.....
Ringeln......
Rinnraaschine ....
Rose, Rothlauf . . .
Rupturen im Allgemeinen
Ruthe, Fäulniss derselben Amputation . .
Seite
82
8;!
8fi 203 559 481
78 274 152 775
Seite
Sohlenflecken, rothe.....nbsp; nbsp; 268
Spalten.........nbsp; nbsp; 457
Späth.........nbsp; nbsp; 213
Speckgeschwulst......nbsp; nbsp; 701
Speichelfistel.......nbsp; nbsp; 354
Speirhelgang-Erweiterung. . .nbsp; nbsp; 615
Speichelsteine.......nbsp; nbsp; 735
Speiseröhre, das Oeffnen derselbennbsp; nbsp; 671
Sphacelus........nbsp; nbsp; nbsp; 65
Spondylarthrocace.....nbsp; nbsp; 447
Staar, grauer.......nbsp; nbsp; 121
grüner.......nbsp; nbsp; 128
schwarzer......nbsp; nbsp; 129
Staaroperation.......nbsp; nbsp; nbsp;125
Staarpunkte.......nbsp; nbsp; 121
Standmaschine.......nbsp; nbsp; 456
Staphelom........nbsp; nbsp; 119
Steatoma........nbsp; nbsp; 701
Steingalle........nbsp; nbsp; 268
Steinschnitt.....738,nbsp; nbsp; 745
Stelzfuss.......622,nbsp; nbsp; 632
Stelifussmaschine......nbsp; nbsp; 484
Stenochorieen.......nbsp; nbsp; 621
Stenosen........nbsp; nbsp; 621
Stiche von Insekten.....nbsp; nbsp; 334
Stichwunden.......nbsp; nbsp; 330
StoUbcule und Stollschwämme .nbsp; nbsp; 247
Strahlbeinslahmheit.....nbsp; nbsp; 205
Strahlkrcbs........nbsp; nbsp; 785
Stranguria........nbsp; nbsp; 680
Straublluss........nbsp; nbsp; 172
Streifen oder Streichen ....nbsp; nbsp; 261
Structuren........nbsp; nbsp; 621
Strick gittcr........nbsp; nbsp; 559
Struma.........nbsp; nbsp; 729
Subluxatio........nbsp; nbsp; 506
Suppuratio........nbsp; nbsp; nbsp; 50
Sulur;i.........nbsp; nbsp; 319
Symblepharon.......nbsp; nbsp; 641
Synechia........nbsp; nbsp; 643
T.
8.
Saamenstranglisteln.....
Saamenslrangwunden ....
Sanies........50,
Sarcocele .... 569, 580,
Sarcoma.........
Sarcosis.........
Satteldruok........
Scarificatio........
Schale.........
Schädelbrüche ......
Schädelvvunden......
Schenkelbruch ......
Schenkelgeschwulst, heisse . .
Schienenverband......
Schiffförmiges Bein, Krankh. des­selben ........
Schilddrüsenausschälung . . . Schilddrüsenentzündung . . .
Schlangenbiss......-.
Schlauch s. Vorhaut. Schleimbeutel-Wassersucht . .
Schlcimpolyp.......
Schlund, OcfTncn desselben . .
Schlundbruch.......
Schlundschnitt.......
Schlundzange.......
Schlundwunden......
Schnittwunden......
Schönblindheit.......
Schulterlahmheit......
Schusswunden.......
Schutzmauke.......
Schwebe, die.......
Schweiffisteln.......
Schweifschnitt.......
Schwinden........
Scirrhus.........
Sehnengallen.......
Sehnenklapp.......
Sequester........
Seröse Bälge.......
Setaceum s. Haarseil.
410 410 751 714 703 703 231 34 203 457 338 593 168 460
205 144 142 334
606 713 671 617 671 668 376 329 129 522 331 171 455 414 637 693 721 606 178 194 710
Tamponation .... Taupe mal de ... . Teleanjectasie .... Tetanus traumations . . Thränenfistel ....
Thrombus.....
Tolpa......
Torsion der Blutgefässe
Tourniquet.....
Träberausschlag . . , Tracheotomla .... Trachtzwinger von Lund
310 227
613 297 764 309 227 314 307 176 3(i7 558
-ocr page 826-
nfj
810,
Registert
Seite Tragen des Schweifes, schiefes . 417 Treten über die llalfterkette . , 259
Trisinus traumaticus.....297
Tumor cysticus......709
Seite
Verkürzung
der Schweifmuskeln.
636
Verkürzung
des Spanners der brei-
ten Schenkelbindc . . . .
636
Verletzungen des Afters . . .
401
-
der Augen . . .
347
-
des Augapfels .
348
-
der Augenlider
343
-
des Bauches
386
-
des Blinzknorpels .
345
-
der Brust,....
378
-
der Drosselarteric .
372
-
der Drosselvene
372
-
des Euters . . .
412
-
der Fleischkrone .
427
-
der Fleischsohlc
435
-
des Fleischstrahls .
435
-
der Flcischwand .
430
-
der Gallenblase
397
-
des harten Gaumens
363
-
der Gebärmutter .
398
-
der Gedärme . .
395
-
- Gelenke . .
523
-
- Gliedmassen .
418
-
- Ilalsblutader
372
-
- Halspulsader .
372
-
- Harnblase . .
399
-
- der Harnröhre.
405
-
des Herzens . . .
381
-
der Hoden . . .
407
-
des Hodensacks
407
-
der Hornhaut . . .
346
-
der llufbeinbeuge-
sehne .....
435
-
des Kehlkopfes .
370
-
der Laden . . .
359
-
- Leber . . .
397
.
- Luftröhre . .
370
-
- Lungen . . .
381
.
des Mageng . . .
393
-
des iMastdarms . .
401
-
der iMaulwinkel
351
-
der Milz ....
397
-
der Muskeln. . .
41S
-
der Mutterscheide .
403
-
- Nasenränder .
350
-
- Nieren . .
341
-
- Ohrdriise . .
353
-
in der Rachenhöhle
365
-
der Ruthe....
405
-
des Saamenslranges
537
.
des Schädels
338
_
der Schaamlefzen .
303
_
des Schlundes. . .
376
-
des Schweifs
414
U.
Ueberbein......193
Ueberkötlien.......
Uebertreten über d. llalfterkette
Ueberwurf........
Ueberzalil der Theile ....
Ulceratio.........
Ulcus .........
Umstülpung........
der Gebärmutter . .
Unbeweglicher Verband . . .
Unterbindung der Blutgefässe . . des Kanals der Ohr­speicheldrüse . . s. auch Abbinden.
Urethrotomia.......
Urinverhaltung ....
197 529 259 5S7 696 750 750 541 560 453 311
357
745 680
V.
Varix..........nbsp; nbsp; 613
Venaesectio s. Aderlassen.
Verballen........nbsp; nbsp; 266
Verborgener Krebs.....nbsp; nbsp; 722
Verbrennungen mit Eisen ...nbsp; nbsp; nbsp; 72 mit frischgelösch-
tem Kalk ...nbsp; nbsp; nbsp; 75
Verdunkelungen der Hornhaut .nbsp; nbsp; 116 Verengerungen und Verkürzungen
im Allgemeinen.....nbsp; nbsp; 621
Vererengerungen des Gehörgangesnbsp; nbsp; 623
der Harnröhre .nbsp; nbsp; 626
der Luftröhrenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 624
des Schlundes .nbsp; nbsp; 625
der Vorhaut .nbsp; nbsp; 627
Vereinigung der Wunden . . .nbsp; nbsp; 304
Verfangen........nbsp; nbsp; 183
Verhärtung (Induratio). ...nbsp; nbsp; nbsp; 46
chronische ....nbsp; nbsp; nbsp; 48 Verkürzungen der Muskeln und
Sehnen . . .....nbsp; nbsp; 630
Verkürzungen der Aufhebemus­keln des Ohrs.....nbsp; nbsp; 630
Verkürzung der Beugesehnen .nbsp; nbsp; 632 - des Niederziehers der
Ohrmuschel......nbsp; nbsp; 632
-ocr page 827-
Register.
811
Verwundungen der Seiinen und Sehnenscheiden . des Spcichclganges
-nbsp; nbsp; Wurfs . . .
-nbsp; nbsp; Zahnfleisches . der Zitzen . . . der Zunge . . . des Zwerchfells
Vernageln.......
Verrenkungen im Allgemeinen Verrenkung des Armbeingelenks des Backenheins . . der Beckenknochen . des Ellenbogens . des Fesselgelenks . der Halswirbel . des Hinterkiefers . der Kniescheibe . . der Lenden- u. Rücken­wirbel .....
des Rollbeins . . . des Vorarms . . . des Vorderknies . .
Vcrrucae.......
Verschlag.......
Verschwärung......
Verstauchung......
im Fcsselgelcnk Verwachsung . . . 46, 49. des Afters. . . der Augenlider . des aussein Gchö
ganges. der Gelenke . der Mutterscheide der Pupille . . Schenkelai teilen Vcrwarhsungsentzündung .
Villatsche Liijuor.....
Vipernbisse.......
Vitia primae formationis
Vollhuf........
Vorfall im Allgemeinen. , . des Augapfels . . . der Gebärmutter der Harnblase . . . des Mastdarms . . der Mutterscheide . . der Zunge ....
Vorhaulsteine......
Vorhaulsverengerung . . . Vulnus........
Seite
420 353 403 359 412 360 382 430 506 520 533 519 526 529 515 513 537
518 540
526 528 727 183 850 506 529 639 644 641
640 64S 645 643 646 295 760 333 695 832 541 543 560 565 55 J 557 547 748 627 291
Seite
w.
Warzen.........nbsp; nbsp; 727
Wasserbalg, Wasserblase . . .nbsp; nbsp; 710
Wasserbruch . . . 569, 587,nbsp; nbsp; 678
Wassergeschwulst......nbsp; nbsp; 674
Wassersucht des Augapfels . .nbsp; nbsp; 677 Wassersucht der Scheidenhäute, siehe Wasserbruch.
Weitobrigkeit.......nbsp; nbsp; 532
Wespenstiche, siehe Wunden, ver­giftete.
Widernatürlicher After ....nbsp; nbsp; 397
Widernatürliches Gelenk . . .nbsp; nbsp; 447
Widerrüstfisteln......nbsp; nbsp; 234
Widerrüstschädcn......nbsp; nbsp; 231
Winddorn........nbsp; nbsp; nbsp;194
Würmer in den Augen . . .nbsp; nbsp; nbsp;115 Wunden s. auch Verletzungen .nbsp; nbsp; 291 Wunden, allg. Verschiedenheitennbsp; nbsp; nbsp;298 - ursächliche Verschieden­heiten .....nbsp; nbsp; nbsp;329
einfache.....nbsp; nbsp; 299
vergiftete.....nbsp; nbsp; 333
mit Quetschung . . .nbsp; nbsp; 299
verwickelte.....nbsp; nbsp; 299
zusammengesetzte . .nbsp; nbsp; 299
Wundfieber.......nbsp; nbsp; 296
Wundliegen.......nbsp; nbsp; 272
Wundstarrkrampf......nbsp; nbsp; 297
z.
Zähne, zu lange......nbsp; nbsp; 768
Zahnfistcln........nbsp; nbsp; nbsp;766
Zapfennaht........nbsp; nbsp; 321
Zerreissungen im Allgemeinennbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;274
der Achillcssebnc .nbsp; nbsp; 286 Zereissungen des Beugers des
Schien- und Wadenbeins .nbsp; nbsp; 288 Zerreissungen der Beugesehnen .nbsp; nbsp; 284 von Bliitgefässen . .nbsp; nbsp; 278 der Muskeln ....nbsp; nbsp; 276 der Sehnen ....nbsp; nbsp; 278 der sehnigen Ausbrei­tungen .....nbsp; nbsp; 275
- der schwammig. Körpernbsp; nbsp; 283
der Zwillingsmuskcln .nbsp; nbsp; 286
Zertheilimg........nbsp; nbsp; nbsp; 22
Zurückhaltung von Säften ...nbsp; nbsp; 650
Zwerchfellsbrüche.....nbsp; nbsp; 384
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Gedruckt bei Julius Sittenfeld in Berlin.
,-#9632;#9632;:#9632;
H
-ocr page 829-
Im Verlage von August lllrschwald in Berlin sind erschienen und durch .alle Buchhandlungen zu beziehen:
Anweisung zur zwcckmässigen Behandlung und Rettung der Schcin-todten oder durch plötzliche Zufalle verunglückter Personen. 1847.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1 Sgr.
Barkoto, Prof. Dr. H. C. L., Der Winterschlaf nach seinen Er­scheinungen im Thierreiche. Mit 4 Steintafeln, gr. 8. 1846.
3 Thlr.
Brandt, Prof. Dr. J. F., und Prof. Dr. J. T. C. Ratzeburg, medi­zinische Zoologie, oder getreue Darstellung und Beschreibung der in der Arzneimittellehre in Betracht kommenden Thiere in systematischer Folge. 2 Bände. (13 Hefte) gr. 4. Mit 64 sauber color. Kupfcrlafeln. 1828—1834. Subsc. Pr. 17 Rthl. 10 Sgr.
Delafond, 0., Professor an der Königl. Thierarzneischule zu Alfort etc. Die Blutkrankheit der Schafe und die derselben ähnlichen Krank­heilen, als: die Karbuukelkrankheit, die Yergiftungskrankheiten von scharfen und giftigen Pflanzen, und die enzootische Blut­krankheit in der Sologne. Aus dem Französischen bearbeitet von Dr. C. H. Hcrtwig, Professor an der Königl. Thierarznei­schule zu Berlin, gr. 8. 1844.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 22^ Sgr.
Dieterichs, J. F. C, Königl. Oher-Thierarzt und Professor etc, Bei­träge zur Veterinär-Chirurgie und Akiurgie, als Nachtrag zu den älteren Auflagen obiger Werke. Für die Besitzer derselben, gr. 8. Mit Abbildungen. 1844.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 26| Sgr.
Edict, beireffend die Einführung einer neu revidirten Taxe für die Medizinal-Personen. Vom 21. Juni 1815. 4.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2f Sgr.
Entwurf der Grundsätze einer neuen Medizinal-Ordnung, der Gene­ralversammlung der Berliner Aerzte und Wundärzte vorgelegt von der dazu ernannten Commission. 1849. gr. 8. geb. 5 Sgr.
Gloger, Dr. C. W. L., der Wallischfang und seine Beförderung in Deutschland als vaterländische Zeitfrage in volkswirthschafllicher, seemännischer und staatlicher Beziehung, gr. 8. geh. 1847.
15 Sgr.
Graevell, Dr. Zwölf Gebote der Medizinal-Reform (Besonderer Ab­druck aus Graevell Notizen I.) 8. geh. 1848.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3 Sgr.
Gurll, Prof. Dr. E. F., Lehrbuch der vergleichenden Physiologie der Haus-Säugethiere. 2te Auflage. Mit 3 Kupfertafeln. 8. 1847.
2 Rthlr. 15 Sgr.
—nbsp; nbsp; — Anatomie der Hausvögel, gr. 8. geh. 1838.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 27 Sgr.
—nbsp; nbsp; — Verzeichniss der Thierärzte Preussens. gr. 8. geh. 1849.
2* Sgr-Gurlt, Dr. E., de ossium mutationihus rhachitide effectis. Dissert, inaug. cum 1. Tab. 4. 1849.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;15 Sgr.
Gurlt, E. F. und Dr. C. H. Herttcig, (Professoren an der Königl Thier­arzneischule zu Berlin). Untersuchungen über die Haut des Menschen und der Haus-Säugethiere, und über die Kratz- oder Räudemilbeu. Zweite, vermehrte Auflage der im Magazin für
#9632;raquo;^ -raquo;iraquo;_________
-ocr page 830-
die gesammle Thierheilkuude, Jaliig. 1835, abgedruckten Ab-handlungeij. gr 8. Mit 2 Kupiert. 1844.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;26i Sgr.
Uaser, Prol'. Dr. //.. die meuschliclie Stimme, ilu-e Organe, Ausbil-bilduug, PUege und Erballuug. Für Sänger, Lehrer, und Freunde des Gesanges. 8. Mit 2 Tafelii lithograph. Abbildungen in 4. 1839.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;17J- Sgr.
Haupt, Wilhelm, Ober-Thierarzt in Moskau, Uebcr einige Seuchen-krankheilcn der Säugetliierc in Sibirien und im südlichen euro­päischen Russlaud, namentlich über die (auch bei Menschen vorkommende) sibirische Beulenseuche, die Rinderpest und das bösartige Fieber. Mit einem Vorworte von Prof. Dr. E. F. Gurlt. gr. 8. 1845.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1 Rthlr. 25 Sgr.
Kluge, H. 0.. Schwimm- und Sprung-Gymnastik. Beschrieben und bildlich' dargestellt. 12. Mit 53 Taf, Abbildungen. Zweite Aus­gabe. 1847. broch.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;15 Sgr.
Löfflet; Stabsarzt Dr. F., Die deutsche Medizin, Vortrag zur Feier des 54. Stiftungstages des Königlichen mediz. chir, Friedr,-Wil­helm-Instituts am 2. August 1848 gehalten, gr. 8. geh. 1848.
5 ssr-
Magazin lür die gesaminie Thierheilkuude, herausgegeben von den Professoren Dr. Gurlt und Dr. Herlwig. Jahrgang 1835—1846. ä 4 Hefte mit Tafeln, gr. 8.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ä 2 Rthlr. 20 Sgr,
(quot;Von Jahrg. 1835 fehlt Heft 2 und 3).
Magnus, Dr. A., Ueber das Flussvvasscr und die Cloaquen grösserer Städte. In medizinisch-polizeilicher Hinsicht. 8, 1841. 10 Sgr.
Mandt, Geh. Rath Dr. M, W., praktische Darstellung der wichtigsten ansteckenden Epidemieën und Epizootieeu in ihrer Bedeutung für die medizinische Polizei. 8. 1830.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2 Rthlr,
Medizinal-Kalcndcr, Preussischer, auf das Jahr 1850, mit Geneh­migung und Unterstützung des Hohen Ministeriums der geistli­chen, Unterrichts- und Med.-Angelegenheiten. 1. Jahrg. 8. geb.
27 Sgr,
Müller, Johannes, Ueber die Compeusalion der physischen Kralle am menschlichen Slimmorgan. Mit Bemerkungen über die Stimme der Säugetliierc. Vögel und Amphibien. Fortsetzung u. Supplement der Untersuchungen über die Physiologie der Stimme. 1839. gr. 8. Mit 4 Kupiert, in 4.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1 Rthlr.
Munter, Dr. Julius, Die Krankheiten der Kartoffeln, insbesondere die im Jahre 1845 pandemisch herrschende Fäule, Mit 1 lith. Taf. gr. 8. 1846,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;24 Sgr.
Neumann, Kreis-Physikus Dr. A. C, Handbuch der gerichtlichen Ana­tomie lür Rechtsgelehrte, Pollzeibeamle und Studirende, die an den Universitäten medicina forensis hören, so wie überhaupt für Jeden, welcher den wichtigsten Bau des Menschen ohne ßei-hülfe von Leichen und analomischcn Abbildungen gründlich kennen lernen will. Nebst einem Wörterbache, welches gegen 5000 der gebräuchlichsten anatomischen Ausdrücke erklärt, 8. 1841,
1 Rthlr, 15 Sgr.
— — praktischer Arzt. Dr. S., Die öffentliche Gesundheitspflege und das Eigenlhum. Crilisches und Positives in Bezug auf die
-ocr page 831-
-preussische Mediaiual - Vi'rfassuugs - Frage. gr. 8. geheftet. 1847.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;15 Sgr.
Nicolai, Med. Rath Dr. G H., Handbuch der gerichllichen Medizin nach dem gegenwärtigen Standpunkte dieser Wissenschaft für Aerzte und Criminalistcu. Nebst Formularen zu Obduclions-Pro-tokollen, so wie zu Abfassungen von Gutachten.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;8. 1841*
Numan, Direct. Dr. A., Ueber die Bremsenlarven, welche sich im Magen des Pferdes aufhalten. Aus dem Holländischen frei über­setzt und mit Zusätzen versehen vom Prof. Dr. Hertwig. gr. 8. Mit 2 illumin. Tafeln. 1838.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 25 Sgr.
Petitpierre, C, Der Rathgebcr für die Erhaltung der Augen. Gebildeten Nichtärzten gewidmet. Mit einer 'Vorrede vom Geh. Rath etc. Dr. C. A. F. Kluge. Mit 3 Kupfert. gr. 8. 1828.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;20 Sgr.
Portrait des Herrn Professor Dr. Herlwig. Fol.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 15 Sgr.
Protokolle der zur Beralhuug der Medizinal-Reform auf Veranlas­sung Sr. Excellenz des Herrn Ministers von Ladenberg vom 1. bis 22. Juni 1849 in Berlin versanimellen ärztlichen Confe-reuz. gr. 8, geh. 1849.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1 Rtblr. 10 Sgr.
Ratzeburg, Prof. Dr. J. T. C, Untersuchungen über Formen und Zahlenverhältnisse der Naturkörper, gr. 4. Mit 1 Kupfert. 1829.
20 Sgr.
—nbsp; nbsp;— Tabelle über die verschiedenen Crystallisationssysterne. Nach
Prof. Weiss für Vorlesungen zusammengestellt und durch Fi­guren erläutert, gr. Fol. 1830.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 10 Sgr.
—nbsp; — Lehre von den Kennzeichen und deren Benennung bei den
Mineralien, tabellarisch angeordnet und für Vorlesungen zusam­mengestellt, gr. Koyal-Folio. 1830.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 7£ Sgr,
Regulativ für das Verfahren bei den medizinisch-gerichtlichen Unter­suchungen menschlicher Leichname (Obduktionen), gr. 8. geh. Berlin 1844.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;2| Sgr.
Reichert. Dr. K. B., Das Entvvickelungslebcn im Wirbelthierreich. gr. 4. 1840. Mit 5 Kupfertaf.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 4 Rthlr.
—nbsp; nbsp;— Beiträge zur Kcnutuiss des Zuslandes der heutigen Entwickc-
lungs-Geschichte, gr. 8. 1843.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 25 Sgr.
Ricardos, Prof. etc. in Paris, Neueste Vorlesungen über die Syphilis und die venerischen Schleimflüsse, gesammelt und ins Deutsche übertragen von Dr. W. Gerhard in Paris. 8. 1847.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;27 Sgr.
Romberg, M. H.. Dr, ord. Prof der Ucilk. etc.. Bericht über die Cho­lera-Epidemie des Jahres 1837. (Besonderer Abdruck aus Cas-pers Wochenschrifl 1838). gr. 8. geh. Berlin 1848. 7'- Sgr.
Scheller, Bataill. Arzt Dr., (7. F., Die amtlichen Cirkulare, welche von
dem Chef des Militair-Medizinal-Wesens der Königl. Preuss.
-Armee erlassen worden sind. Nach ihrem Inhalte alphabetisch
geordnet. 8. 1842.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1 Rthlr. 15 Sgr.
--------Zweiter Theil. 8. 1834.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2 Rthlr.
Schultz-Schnitzenstein, Prof. Dr. C. //., Neues System der Morpho­logie der Pflanzen nach den organischen Bildungsgesetzen als grüudl. und wissensch. Studium der Botanik besonders an Uni­versitäten und Schulen. Mit 1 Steindrucktafel, gr. 8. 1847. geh.
1 Rthlr.
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Schultz - Schultzenslein, Prof. Dr. C Ä, Natürliches System des Pflan­zenreichs nach seiner Innern Organisation nebst einer vcrglei--chenden Darstellung der wichtigsten aller früheren künstlichen und natürlichen Pflauzensyslenie. gr. 8. 1832. Mit einer Kupfer-lafelnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2 Rthlr. 25 Sgr.
—nbsp; — Ueber die Verjüngung des menschlichen Lebens und die Mittel und Wege zu ihrer Kullur. Nach physiologischen Untersuchun­gen in praktischer Anwendung dargestellt. Zweite vermehrte Auflage. 8. 1850.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3 Rthlr. 27 Sgr.
—nbsp; — Die Anaphytose oder Verjüngung der Pflauzen. Ein Schlüssel zur Erklärung des Wachsens, Blühens und Fruchltragens, mit praktischen Rücksichten auf die Kultur der Pflanzen, gr. 8.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1843.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1 Rthlr. 7£ Sgr.
|nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;— — Die Entdeckung der wahren Pflanzennahruhg. Mit Aussicht zu
einer Agriculturphysiologie. gr. 8. 1844,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 20 Sgr.
Schnitze, A. G. R., Compendium der ofiicinellen Gewächse nach na­türlichen Familien geordnet. 8. 1840.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1 Rthlr. 20 Sgr. Simon, Docent Dr. F., Beiträge zur physiologischen und pathologischen Chemie und Mikroskopie in ihrer Anwendung auf die praktische Medizin unter Mitwirkung der Mitglieder des Vereins für phy­siologische und pathologische Chemie und anderer Gelehrten herausgegeben. 1. Band. 8. 1843. Mit Abbild.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 4 Rthlr. Spinola, Dr. W. T. J, Die Krankheiten der Schweine. 8. 1842.
1 Rthlr. 7|- Sgr.
—nbsp; — Die Influenza der Pferde in ihren verschiedenen Modifikationen dargestellt. 2. Ausg. gr. 8. 1849.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 25 Sgr.
—nbsp; — Mittheilungen über die Rinderpest, gesammelt auf einer, im Auf­trag der von der Königlich Preussischen Staats-Regierung im Frühjahr 1845 nach Polen und Russland unternommenen Reise. gr. 8. 1846.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 22i Sgr.
—nbsp;*— Sammlung von thierärztlichen Gutachten, Berichten und Proto­kollen, nebst einer Anweisung der bei ihrer Anfertigung zu beobachtenden Formen und Regeln, in besonderer Beziehung auf die in den Königl. Preuss. Staaten geltenden Gesetze. Ein Handbuch zunächst für angehende Thierärzte. Zweite vermehrte und verbesserte Aufl. 1849.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1 Rthlr. 10 Sgr.
Vetter, Dr. A., Theoretisches Handbuch der allgemeinen und spe­ziellen Ileilquellenlehre. Nach dein neuesten Standpunkte der physikalischen und physiologischen Wissenschaften, so wie nach eigenen ärztlichen Erfahrungen systematisch bearbeitet. Zweite verbesserte und stark vermehrte Ausgabe. 2 Bände, gr. 8. 1845.
6 Rthlr. 20 Sgr.
Wollheim, Dr. H., Versuch einer medizinischen Topograghie und Sta­tistik von Berlin, Mit einem Vorworte vom Geh. Med. Rathe Dr. Casper, gr. 8. 1844.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2 Rthlr. 26|- Sgr.
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