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Handbuch
der
Veterinär-Ophthalmologie
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T h i e r ä r z t e.
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BIBUOTHEEK UNIVERSITEIT UTRECHT
2856 708 3
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Handbuch
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^ * y/
Veterinär-Ophthalmologie
für
Thierärzte.
Von
Dr. Johann Friedrich Müller
in Mainz.
V,K I #9658;squot;
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Mit zahlreichen in flen Text gedruckten/Holzachuitten #9632;#9632;4i£'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;/^\
und drei Instrumenten tafeln.
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Braunschweig, Druck und Verlag von George Westermann.
1847.
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SV Hochwohlgeboren,
dem Grcossherzoglich Hessischen Geheimen Rathe, Kitter des Grossherzogllch Hessischen Ludwigsordens
Herrn
Ernst Ludwig Wilhelm Nebel,
Doctor der Philosophie, Medicin, Chirurgie und Geburtshülfe, öffentlichem,
ordentlichem Professor und Primarius der medicinischen Facultät zu Giessen,
Mitgliede mehrerer naturwissenschaftlicher, ärztlicher und historischer
Gesellschaften;
und
S' Hochwohlgeboren,
dem Königlich Bayerischen ßegierungs - und Kreismedicinalrathe
zu Würzburg
Herrn
Carl Friedrich Anton Schmidt,
Doctor der Philosophie, Medicin, Chirurgie und Geburtshülfe, Mitgliede meh­rerer gelehrten Gesellschaften,
aus unbegrenzter Verehrung und Hochachtung
gewidmet
Verfasser.
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o r r e d e.
-
i/ie neuem Ergebnisse der medicinisehen Bestrebungen waren eben auch von sehr günstiger Rückwirkung auf die Veterinärwis­senschaft; „Rückwirkungquot; sagen wir, weil die Veterinärkunde die Mutter unseres medicinischen Wissens ist, nicht sowohl der Prio­rität wegen, als auch ob derlleinheit der Form, in der die Krank­heiten am Thierkörper erscheinen. Diese Rückwirkung aber dehnte sich jedoch nicht auf jede einzelne Spalte dieser Wissenschaft aus und dies am wenigsten auf die Ophthalmologie. Worin aber der Grund der gänzlichen Vernachlässigung dieser Doctrin auch liegen mag, so lässt er sich wohl im Allgemeinen und vorzugsweise dem mangelhaften, oft gänzlich vernachlässigten Studium des Thier-auges in seinem normalen Verhalten, zurechnen. Obgleich die meisten anatomischen und physiologischen Untersuchungen gerade an Thieraugen vorgenommen wurden, so geschah dies doch nur, um solche auf das Menschenauge anzuwenden; denn es waren blos Menscheuärzte, welche sie anstellten und sammelten; oder es war das Auge der verschiedenen Thiergattungen blos als rein op­tisches Werkzeug, Gegenstand einer vergleichenden Betrachtung. Darum vermisst man gerade in den Handbüchern der Zootomie und Zoophysiologie allzusehr eine ausführlichere Behandlung die­ses Geffenstandes und darum erlangte die Kenntniss über das Thierauge noch keine Specialität und durfte sie bisher noch keine Ansprüche auf isolirte Wissenschaft geltend machen; darum kannte man eine solche — eine Zoo - Ophthalmologie — noch nicht einmal dem Namen nach.
C. H. T. Schreger d. j. war unseres Wissens der erste und der einzige, welcher in einer Monographie „Versuch einer verglei­chenden Anatomie des Auges und der Thränenorgane des Men­schen nach Alter, Geschlecht, Nation u. s. w. und der übrigen Thierklassen, Leipzig bei Reclam 1810,quot; das Thierauge einer spe-
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vmnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Vorrede.
cielleren und der gestellten Aufgabe entsprechenden, jedoch blos summarischen Betrachtung unterzog. — In den übrigen Bear­beitungen des Thierauges in den Handbüchern der Zootomie, werden nur die Hauptgebilde des Auges oberflächlich beschrie­ben und selbst bei Gurlt, dem ausgezeichneten und fleissigen Zootomen, findet man das Auge weniger als optisches Werkzeug, in seine Häute zerlegt und behandelt, denn als sensibles und irritables Gebilde zergliedert und abgebildet. Mehr noch als in der Zootomie ist dieser Gegenstand in der Physiologie zurück, wenn man denselben dem Menschenauge gegenüberstellt.
Anlangend die Pathologie und Therapie des Thierauges, so findet sich diese nur in einer einzigen Schrift, U. Leblanc's ge­krönter Preisschrift „Traite des maladies des yeux observees sur les prineipaux animaux domestiques, principalement le cheval, con-tenant les moyens de le prevenir et de les guerir de ces affections,quot; (deutsch bearbeitet von D. J. Radius. (Leipzig, 1825) gesammelt und in würdige Ordnung gebracht. Auch dieser Schrift hatte die Menschenophthalmologie zur Grundlage und zum Muster zu dienen; darum aber fehlt es ihr doch nicht an Eigenthümlichkeit, an rein Ve­terinär wissenschaftlichen'Grundsätzen, an eigenen, naturgetreuen Erfahrungen und an Rationalität der Behandlung. Das Verdienst dieser Arbeit ist um so grosser, als durch sie der Grund zu einer iso-lirten Wissenschaft gelegt worden ist, indem in ihr die verschieden­sten , vordem generell unter einander gemengten Krankheitsformen getrennt wurden und gegen dieselben ein rationelles Heilverfahren festgestellt ward, welches ausserdem noch zu einer Zeit geschah, wo die Veterinärwissenschaft auf der heutigen Stufe sich noch nicht befand. Vor Leblanc hatte man wohl einzelne Bearbeitungen über verschiedene Gegenstände aus der Veterinär-Oj)hthalmologie, wel­chen jedoch im Allgemeinen weniger wissenschaftliches Verdienst zugerechnet werden darf. Den damaligen Stand dieses Wissens beleuchtet zum Theil die Veranlassung, welche Leblanc's Abhand­lung hervorrief. Es hatte nämlich die königliche Central - Gesell­schaft für Ackerbau eine Abhandlung „über die Blindheit der Pferde, über die Ursachen, welche unter gewissen Verhältnissen dazu Ver­anlassung geben können und über die Mittel, sie zu verhüten und zu heilen,quot; zum Gegenstande einer Preisfrage machen zu müssen ge-
I
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I
Vorrede.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;ix
glaubt, bis Leblancquot; erst einige Jahre nachher diese generelle Frage in einer 25 Bogen starken Abhandlung über sämmtliche Au­genkrankheiten der wichtigsten Hausthiere beantwortete, und dabei selbst fühlte und nicht verhehlte, dass seine Arbeit allen Anforderun­gen der Vollständigkeit noch nicht entspreche, da dieselbe als die erste, und hauptsächlich nur auf seine eigenen Beobachtungen ba-sirte, noch viele Mangelhaftigkeit haben müsse und ihn in seinem Interesse für Wissenschaft hoffen Hess, zur Ausbildung der Thier-heilkunde beigetragen zu haben, wenn sein Beispiel erfahrenere Aerzte veranlasse, einen Zweig der Kunst zu vollenden, den er nur schwach andeuten könne.
Da nun zwischen damals und jetzt ein Zeitraum von etlichen und zwanzig Jahren liegt und die Veterinärwissenschaft im Allge­meinen vorangeschritten ist und im Gebiete der Menschen - Augen­heilkunde bedeutende Fortschritte gemacht worden sind, so hielten wir es für gemessen, sowie für nicht minder verdienstlich, der AutForderung Leblanc's folgend, diesen Gegenstand einer neuen Bearbeitung zu unterwerfen und dies um so mehr, da bis jetzt in diesem Zweige des Wissens von Seite der Schriftsteller der Veteri­närwissenschaften keine Fortschritte gethan worden sind, auch seit­dem Nichts geschehen ist, um die Thieraugenheilkunde- der ver­dienten Stufe der Wissenschaftlichkeit näher zu rücken und ihre Ansprüche auf Selbstständigkeit mehr zu begründen.
In dieser unserer Bearbeitung des Auges der Haussäugethiere waren wir bemüht. Alles auf dasselbe bezügliche bei möglichster Gedrängtheit in vollständiger Ausdehnung zu geben.
Anatomisch und physiologisch führen wir das Thierauge als Ganzes und in seine Einzeltheile zergliedert vor, wobei wir zu­gleich es uns zur besondern Aufgabe stellten, die Wechselverhält­nisse der einzelnen Organtheile zu einander zu verdeutlichen und vorzugsweise das hervorzuheben, was in engere Bezüglichkeit zur Pathologie, sowie zur pharmaceutischen und operativen Therapie steht. Mit der anatomischen Beschreibung verbanden wir auch die bildliche Darstellung, indem wir jedem wesentlichen Theile eine Abbildung beigaben und seine Stellung, sowie sein Verhältniss zu den übrigen Organtheilen noch speciell verauschaulichten und beim Schlüsse der einzelnen Abtheilungen eine summarische vergleichende
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Vorrede.
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Uebersicht sämmtlicher, vorher behandeltef Gebilde-, an den Au­gen der nutzvollsten Haussäugetbiere gaben. Die zur Veranscbau-lichung verwandten naturgetreuen Abbildungen zogen wir tbeihveise aus den quot;Werken der beiden Sömmering, Weber und Gurlt, nachdem wir solche grössern Theils nachpräparirt hatten und zu­gleich nach der Natur aufnehmen und zu unserm Gebrauche ent­sprechend verkleinern Hessen. Wenn wir bei diesen Darstellungen sowohl, als in dem erklärenden Texte den von obigen Meistern ein­gehaltenen Gang gerade auch verfolgten, indem wir den Lauf der Nerven und Gefässe vorzugsweise zur Grundlage nahmen und zu verdeutlichen suchten, so geschah dies, weil bei einer Veranschau-lichung dieser, die meisten übrigen Augengebilde sich fast sänmitlich darstellen, das Auge mehr in seiner Totalität erscheint und weil durch ein Nachpräpariren die Häute an Augen mit wenig Mühe, selbst ohne grosse Uebung, in der Natur besser, als durch Abbil­dungen dargestellt werden können.
Sors-fältio- benützten wir alle uns zu Gebote stehenden älteren und neueren Forschungen im Gebiete der Physiologie für unseren Zweck und glauben denselben auch in soweit erreicht zu haben, als es zur leichtem Erklärung der normalen vegetativen, irritablen und sensitiven Thätigkeiten dieses abgeschlossenen Organes, sowie ihrer krankhaften Störungen erforderlich seyn wird.
Aussei- den angegebenen Werken dienten uns vorzugsweise zur Grundlage: F. Arnold's anatomische und physiologische Unter-suchmigen über das Auge des Menschen (und der Thiere), Scwab's Zootomic, die Werke über Physiologie von Gurlt, Magcndie, J. Müller, K. A. Eudolphi, Ph. Fr. v. Walther u. A., sowie vorzugsweise ein noch nicht beendigtes Werk über die gesammte Thierheilkunde von uns.
In gleicher Folge und Ordnung lassen Avir aber auch die gleich­artigen Krankheitsformen der verschiedenen Gebilde und Organ-theile des Auges und seiner Hülfswerkzeuge folgen, einmal weil sich Krankheitszustäncle des Auges nicht sowohl immer auf gleich­artige Gewebe, als auf die benachbarten Organtheile weiter verbrei­ten und das andere Mal, weil ein solcher Gang für deren Studium sehr erleichternd wird. Sämmtliche Krankheitszuständc des Auges fassen wir in zwei Ilaubtabthcilungen: in die dynamischen und in
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Vorrede.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; xi
die organischen Krankheiten zusammen und lassen erstere wieder in zwei Unterabtheilungen; in die Phlogosen oder ent­zündliche Krankheiten und in die Neurosen oder Nervenkrankhei­ten zerfallen, während wir letztere, als den sämmtlichen Gebilden und Systemen ebenmässig eigenthümlich, nach ihrem besondern Charakter classificiren.
Auf die Darstellung und Eichtung der dynamischen Krankhei­ten verwendeten wir besondern Fleiss und waren darin vorzugs­weise ausführlich und genau, weil aus ihnen die organischen Krank-heitszustände zum grössern Theile ihren Ursprung nehmen oder von ihnen begleitet sind. — Darum verbreiten wir uns in dem den Phlogosen vorangehenden einleitenden Theile sehr ausgedehni über Wesen, Ursache, Verlauf, Ausgänge und Behandlung der Entzün­dungen des Auges und fügen die dabei gebräuchlichen Ueilope-rationen und die speciellen Mittel, unter Anführung ihrer Wir­kungsart , Heilkraft und specieller Indication, im Allgemeinen bei.
Im therapeutischen Theile waren wir besonders bemüht, die mannichfaltigen Heilindicationen gehörig zu fixiren und beschränk­ten uns nicht blos auf Aufzählung der entsprechenden Heilmittel und mechanischen Operationsverfahren, sondern suchten deren Wir­kungen und Frfolgc, gemäss dem Stande unseres medicinischen Wissens im Allgemeinen und in der Ophthalmiatrik insbesondere, zu definiren. — Auch über jene Augenkrankheiten, die nach den Civilgesetzen zu den Hauptfehlern oder Gewährsmängeln gerechnet werden und Gegenstand einer gerichtlichen Frage für den Thicr-arzt werden können, handeln wir an den entsprechenden Orten noch speciell.
Zum Schlüsse lassen wir noch eine kurze Beschreibung nebst Abbildung der speciellen, zu den gewöhnlichen Augenoperationen nöthigen Instrumente folgen.
Eintheilung und Ordnung unseres pathologisch-therapeutischen Theiles hielten wir überhaupt nach Chclius's Handbuch der Men­schen-Augenheilkunde, dessen Inhalt, uns schon seit einer langen Reihe von Jahren aus dem Munde und Hefte dieses aussrezeichneten Lehrers und meisterhaften Ordners vertraut, uns zur Richtschnur und liier zur Hauptgrundlage diente. — Als speciell vetcrinärisch unsern Gegenstand berührend, benutzten wir vorzugsweise Lcblanc's
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xnnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Vorrede.
erwähnte Schrift, Dietrich's Veterinär - Chirurgie und dessen Akiurgie, H. Waldinger's, sowie E. Herings specielle Patho­logie und Therapie und J. E. Veith's Handbuch der gerichtlichen Arzneikunde. Ferner schöpften wir, in Uebertragung von der Men­schen-Augenheilkunde auf die Veterinärophthalmologie, aus v. Am-mon's Preisschrift „de iritidequot; und aus den Handbüchern und Schriften Benedict's, Beck's, Chelius's, Fischer's, Dief-fenbach's, Jüngken's, ßosa's, Ruete's, Weller's u. m. A. und bedienten uns derselben, in so weit sich deren Ansichten mit unseren seit vielen Jahren sorgfältig gesammelten eigenen Erfah­rungen und Grundsätzen vereinbarten, frei oder gebunden. Den allgemeinen Theil der materia medica zogen wir aus Yogt's Phar-makodynamik, Graefe's Eepertorium augenärztlicher Heilformeln, Rieke's neuern Arzneimitteln und vorzugsweise aus einem noch ungedruckten Werke über die Augenheilmittel von uns.
Das specielle Studium der Veterinärwissenschaften und der vergleichenden Krankheitslehre erweckte in uns für dieses Fach schon auf der Schule das lebhafteste Interesse und Hess uns jeden auf dem Lande und in grösseren Oekonomien gegebenen interessan­ten Thierkrankhcitsfall sorgfältigst benützen, veranlasste uns auch zu verschiedenen kleineren und grösseren literarischen Versuchen in diesem Fache, welche wir theilweise schon in Journalen erschei­nen Hessen oder noch nicht vollendet unter der Hand haben, und weckte überhaupt das Verlangen in uns, vielleicht auch einstens bei einer thierärztlichen Lehranstalt als Lehrer zu wirken. Möchte darum auch diese unsere Arbeit eine Frucht eifrigen Studiums, aufmerk­samer und vorurtheilsloser Beobachtungen und für ein grösseres Publicum gegeben, sowie fast sämmtliches thierärztliche Wissen um-schliessend, dazu dienen, uns eine bescheidene Stelle neben den Vertretern dieses Faches zu verleihen; möge sie endlich selbst will­kommen geheissen werden, gerechte Beurtheilung finden und durch wissenschaftlich begründete Rectification, unter unserer, für deren Vervollkommnung gleichmässig wie zu deren Vertheidigung stets be­reiten Hand für die Zukunft auf eine höhere Stufe gebracht werden!
Mainz im Februar 1847.
Der Verfasser.
.
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n
halt.
Seite.
Vorrede...............nbsp; nbsp; nbsp;vn
Erste Abtheilung.
Anatomie und Physiologie der Gesichtswerkzeuge.
Erster Abschnitt.
A. Anatomie der Gesichtswerkzeuge........nbsp; nbsp; 3
I. Der Augapfel..................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3
I. Die Muskeln des Augapfels............nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 4
II. Die Augenlider .................nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 8
III.nbsp; nbsp; Die Thränenorgane.................nbsp; nbsp; nbsp; 15
Gesammtüberblick der Augenmuskeln, der Augenlider, der Thrä-nenwerkzeuge, sowie der übrigen wesentlichsten Tbeile des Kopfs
der nutzvollsten Haussäugethiere............nbsp; nbsp; nbsp; 22
IV.nbsp; nbsp; Die harte Haut des Augapfels ............nbsp; nbsp; nbsp; 28
V. Die durchsichtige Hornhaut..............nbsp; nbsp; nbsp; 30
VI. Die Haut der wässrigen Feuchtigkeit...........nbsp; nbsp; nbsp; 32
VII. Die Spinnwebenhaut.................nbsp; nbsp; nbsp; 33
VIII. Die Aderhaut...................nbsp; nbsp; nbsp; 34
IX. Die Nervenhaut..................nbsp; nbsp; nbsp; 39
X. Das Strahlenblättchen................nbsp; nbsp; nbsp; 44
XI. Die Regenbogenhaut.................nbsp; nbsp; nbsp; 45
XII. Die beiden Augenkammem, die Wasserhaut und die wässrige
Feuchtigkeit..................nbsp; nbsp; nbsp; 53
XIII.nbsp; nbsp; Die Krystalllinse..................nbsp; nbsp; nbsp; 54
XIV.nbsp; nbsp; Der Glaskörper...................nbsp; nbsp; nbsp; 58
Gesammtüberblick sämmtlicher Augenhäute und der von ihnen
gebildeten Räume.................nbsp; nbsp; nbsp; C2
XV.nbsp; nbsp; Die Nerven des Auges................nbsp; nbsp; nbsp; C4
I. Der Sehnerve.................nbsp; nbsp; nbsp; C4
II. Der Augenmuskelnerve..............nbsp; nbsp; nbsp; 05
III.nbsp; nbsp; Der Rollmuskelnerve...............nbsp; nbsp; nbsp; 07
IV.nbsp; nbsp; Der dreiästige Nerve...............nbsp; nbsp; nbsp; 07
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x,vnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Inhalt.
Seite.
V. Der äusscre Augemnuskelnervo...........nbsp; nbsp; nbsp; 72
Summarische Uebersicht lt;lcr Nerven des Auges an verschiede­nen Thierklassen dargestellt..............nbsp; nbsp; nbsp; 73
XA'I. Die Blntgefässe des Auges..............nbsp; nbsp; nbsp; 70
I. Augenpulsader.................nbsp; nbsp; nbsp; 7C
II. Venen dos Auges................nbsp; nbsp; nbsp; 81
Zweiter Abschnitt.
B. Physiologie der Gesichtswerkzeuge.........nbsp; nbsp; nbsp;84
I. Ber Augapfel.............'......nbsp; nbsp; nbsp; 84
II. Die harte Haut des Augapfels...........• •nbsp; nbsp; nbsp; 8'r)
III.nbsp; nbsp; Die durchsichtige Hornhaut..............nbsp; nbsp; nbsp; 87
IV.nbsp; nbsp; Die Spinnwebenhaut................nbsp; nbsp; nbsp; 88
V. Die Aderhaut...................nbsp; nbsp; nbsp; m
VI. Die Nervenhaut..................nbsp; nbsp; nbsp; ^2
VII. Das Strahlenblättchcn................nbsp; nbsp; nbsp; 93
VIII. Die Kegenbogenhaut.................nbsp; nbsp; nbsp; ^
IX.nbsp; nbsp; nbsp;Die beiden Augentammern, die Wasserhant und die wässrige
Feuchtigkeit..................nbsp; nbsp; nbsp; 97
X.nbsp; nbsp; nbsp;Die Krystalllinse..................nbsp; nbsp; nbsp; quot;
XI. Der Glaskörper...................nbsp; nbsp; 101
XII. Die Muskeln; dos Augapfels..............nbsp; nbsp; iO2
XIII.nbsp; nbsp; Die Augenlider..................nbsp; nbsp; 105
XIV.nbsp; nbsp; Die Thränenorgano.................nbsp; nbsp; I08
Zweite Abtheilung.
Pathologie und Therapie der Augenkrankheiten.
Von den Krankheiten des Thierauges im Allgemeinen........nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3
Erster Abschnitt.
Dynamische Krankheiten des Auges.
1.
Phlogosen.
A. Von der Entzündung des Auges im Allgemeinen. . .nbsp; nbsp; nbsp; c
a.nbsp; nbsp; nbsp;Oertliche Mittel, welche die gesteigerte Thätigkeit des Ge-
fässsystems des Auges herabsetzen.........nbsp; nbsp; nbsp; 22
b.nbsp; nbsp; nbsp;Oertliche Mittel, welche die krankhaft gestörte Sensibilität
herabstimmen.................nbsp; nbsp; nbsp; 23
c.nbsp; nbsp; Mittel, welche die gesunkene Vitalität des Auges erheben .nbsp; nbsp; nbsp; 3G
d.nbsp; nbsp; nbsp;Umstimmende Mittel...............nbsp; nbsp; nbsp; S7
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Inlialt.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; xv
Seite-
e. Ableitende Mittel................nbsp; nbsp; nbsp;52
B. Von den Augenentzündungen in's Besondere.....nbsp; nbsp; nbsp;es
I. Von der reinen Augapfolentzündung...........nbsp; nbsp; nbsp; lt;!4
II.nbsp; nbsp; nbsp;Von der Entzündung der Augenlider..........nbsp; nbsp; nbsp; 70
i. Von der reinen Augenliderentzündung........nbsp; nbsp; nbsp; 71
2.nbsp; nbsp; nbsp;Von der rosenartigen Entzündung der Augenlider. ...nbsp; nbsp; nbsp; 73
3.nbsp; nbsp; nbsp;Von der entzündlichen Nasemviukelgeschwulst......nbsp; nbsp; nbsp; 75
4.nbsp; nbsp; nbsp;Von dem Gerstenkorne..............nbsp; nbsp; nbsp; 77
5.nbsp; nbsp; nbsp;Von der idiopatlüschen Augenliderdrüsenentzündung. . .nbsp; nbsp; nbsp; 79
III.nbsp; nbsp; Von der Entzündung der Bindehaut..........nbsp; nbsp; nbsp; 87
I. Von der idiopatlüschen Entzündung der Bindehaut. ; . .nbsp; nbsp; nbsp; 92
II. Von der catarrhalischen Entzündung der Bindehaut. ...nbsp; nbsp; nbsp; 9G
III.nbsp; nbsp; nbsp;Von der rheumatischen Entzündung der Bindehaut. . . .nbsp; nbsp; 102
IV.nbsp; nbsp; nbsp;Von den exanthematischen Entzündungen der Bindehaut. .nbsp; nbsp; 104
1.nbsp; nbsp; Von der rosenartigen Entzündung der Bindehaut . .nbsp; nbsp; 104
2.nbsp; nbsp; Von der varlolösen Augenentzündung.......nbsp; nbsp; 105
a.nbsp; nbsp; nbsp;Von der variolösen Entzündung der Bindehaut. .nbsp; nbsp; 10R
b.nbsp; nbsp; nbsp;Von der variolösen Augenliderdrüsonentzündung. .nbsp; nbsp; 108
c.nbsp; nbsp; nbsp;Von der variolösen Augenliderentzündung. . . .nbsp; nbsp; 109
d.nbsp; nbsp; Von dem Schleimflusse der variolösen Augenentzün-
dung.................nbsp; nbsp; 110
V.nbsp; nbsp; nbsp;Von den impetiginösen Augenentzündungen.......nbsp; nbsp; 111
1. Von den psorischen Augenentzündungen......nbsp; nbsp; Ill
VI.nbsp; nbsp; nbsp;Von dem Triefauge.'..............nbsp; nbsp; 115
VII. Von der Entzündung der Blinzhaut.........nbsp; nbsp; 11C
VIII. Von der Entzündung der Thränenorgane.......nbsp; nbsp; 118
1.nbsp; nbsp; Von der Entzündung der Thränendruse......nbsp; nbsp; 119
2.nbsp; nbsp; Von der Entzündung der Thränencarunkel.....nbsp; nbsp; 123
3.nbsp; nbsp; Von der Entzündung des Thränensaekes......nbsp; nbsp; ]2G
IV.nbsp; nbsp; Von der Entzündung der Sclcrotica...........nbsp; nbsp; 137
V. Von der Entzündung der Hornhaut...........nbsp; nbsp; 145
VI. Von der Entzündung der Aderhaut...........nbsp; nbsp; 148
VII. Von der Entzündung der Nervenhaut..........nbsp; nbsp; 149
VIII. Von der Entzündung der Regenbogenhaut im Allgemeinen. .nbsp; nbsp; 151
1.nbsp; nbsp; Von der traumatischen Iritis............nbsp; nbsp; 1G1
2.nbsp; nbsp; nbsp;Von der Entzündung der vordem serösen Membran der Re-
genbogenhaut.................nbsp; nbsp; ICC
3.nbsp; nbsp; nbsp;Von der parenehymatösen Entzündung der Regenbogenhaut.nbsp; nbsp; 169
4.nbsp; nbsp; nbsp;Von der Entzündung der Uvea oder des hintern serösen
Ueberzuges der Iris..............nbsp; nbsp; 171
IX. Von der Entzündung der Linsenkapsel..........nbsp; nbsp; ]7C
X. Von der Entzündung der Glashaut...........nbsp; nbsp; 177
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xvinbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Inhalt.
Seite.
XI. Von der Entzündung der Gebilde in der Augengrube. . . .nbsp; nbsp; 178
1.nbsp; nbsp; Von der Entzündung der Augenmuskeln und ihrer Scheiden.nbsp; nbsp; nbsp;179
2.nbsp; nbsp; Von der Entzündung der Knochenhaut der Augengrube. .nbsp; nbsp; 180
3.nbsp; nbsp; Von der Entzündung des Zellgewebes in der Augengrube. .nbsp; nbsp; 181 XII. Von der intermittirenden oder periodischen Augenentzündung. .nbsp; nbsp; 183
XIII. Von der Ansammlung des Eiters im Auge........nbsp; nbsp; 19!)
11.
Neurosen.
Von den Neurosen des Auges im Allgemeinen.....nbsp; nbsp; 208
I.nbsp; nbsp; Scnsibilitäts-Neurosen des Auges............nbsp; nbsp; 210
I. Von der veränderten Sensation durch gesteigertes Nervenleben.nbsp; nbsp; 210
a. Von der Lichtscheue..............nbsp; nbsp; 210
Tl. Von der geschwächten oder vernichteten Sensation durch
Sinken der nervösen Stimmung..........nbsp; nbsp; 211
a. Von der Gesichtsschwächc...........nbsp; nbsp; 212
A. Von dem schwarzen Staare.............nbsp; nbsp; 212
a.nbsp; nbsp; Von der erethischeu Amaurose..........nbsp; nbsp; 219
b.nbsp; nbsp; Von der torpiden Amaurose...........nbsp; nbsp; 221
c.nbsp; nbsp; Von der congestiven und entzündlichen Amaurose. . .nbsp; nbsp; 223
d.nbsp; nbsp; Von der Nachtblindheit............nbsp; nbsp; 224
e.nbsp; nbsp; Von der Tagblindheit.............nbsp; nbsp; 225
f.nbsp; nbsp; Von dem amaurotischen Katzenauge........nbsp; nbsp; 22G
II.nbsp; Motilitäts-Neurosen des Auges.............nbsp; nbsp; 227
I. Von der Steigernng der bewegenden Thätigkeit des Auges,
ausgesprochen in tonischen und clonischen Krämpfen. .nbsp; nbsp; 227
1.nbsp; nbsp; Von dem Augenliderkrampfe...........nbsp; nbsp; 228
2.nbsp; nbsp; Von dem Augapfelkrampfe...........nbsp; nbsp; 229
3.nbsp; nbsp; Von dem Schielen..............nbsp; nbsp; 231
4.nbsp; nbsp; Von dem Iriskrampfe.............nbsp; nbsp; 233
Tl. Von der Verminderung der bewegenden Thätigkeit des Au­ges, ausgesprochen in Paralyse.........nbsp; nbsp; 235
1.nbsp; nbsp; Von der Augenlidlähmung...........nbsp; nbsp; 237
2.nbsp; nbsp; Von der Lähmung der Augapfelmuskeln......nbsp; nbsp; 240
3.nbsp; nbsp; Von der Lähmung der Iris...........nbsp; nbsp; 240
Zweiter Abschnitt.
Organische Krankheiten. I.
Störung des Zusammenhanges. A. Von den durch Trennung des Zusammenhanges bewirkten Stö­rungen.....................nbsp; nbsp; 244
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Inhalt.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;xvii
Seite.
I. Von den Wnnden der Augenlider und des Augapfels. . .nbsp; nbsp; 244
li. Veraltete Treunungen.................nbsp; nbsp; 2G2
I. Von der veralteten Spalte des Augenlides.......nbsp; nbsp; 2(J2
11. Von der Spalte der Iris.............nbsp; nbsp; 2G3
C.nbsp; nbsp; AVidernatürlichc Cohärenz...............nbsp; nbsp; 2G5
I. Von den durch widernatürliche Cohärenz bewirkten Störungen. .nbsp; nbsp; 2G5
T. Von der Verwachsung der Augenlider........nbsp; nbsp; 265
1.nbsp; nbsp; Von der Verwachsung der Augenlider unter sich. . .nbsp; nbsp; 2CU
2.nbsp; nbsp; Von der Verwachsung; der Augenlider mit dem Augapfel
und der ßlinzhaut..............nbsp; nbsp; 207
;t. Von der Verwachsung der Ausführungsgänge der Tlirä-
nendrüse.................nbsp; nbsp; 2G9
4.nbsp; nbsp; Von der Verengerung und Verschliessung der Thriinen-
punkte und Thränencanälchen..........nbsp; nbsp; 270
5.nbsp; nbsp; Von der Thränensackgeschwulst, der Thränensackfistel
und der Unwegsamkeit des Nasencanals......nbsp; nbsp; 273
G. Von der Verengerung und Verschliessung der Pupille. .nbsp; nbsp; 287
D.nbsp; nbsp; Veränderte Lage der Theile, Ectopia...........nbsp; nbsp; 29G
Von den Ectopien im Allgemeinen...........nbsp; nbsp; 29G
I.nbsp; nbsp; nbsp;Fehlerhafte Lage der Augenlider............nbsp; nbsp; 29G
1.nbsp; nbsp; Von der fehlerhaften Kichtung der Wimpern.....nbsp; nbsp; 29G
2.nbsp; nbsp; nbsp;Von der Einwärtsstülpung der Augenlider......nbsp; nbsp; 300
3.nbsp; nbsp; nbsp;Von der Auswärtsstülpung der Augenlider......nbsp; nbsp; 307
II.nbsp; nbsp; nbsp;Fehlerhafte Lage der Augapfelgebilde..........nbsp; nbsp; 314
1.nbsp; nbsp; Von dem Hornhautbruche............nbsp; nbsp; 314
2.nbsp; nbsp; Von dem Regenbogenhaut vorfalle.........nbsp; nbsp; BIG
3.nbsp; nbsp; Von dem Vorfalle der Aderhaut.........nbsp; nbsp; 319
4.nbsp; nbsp; Von dem Vorfalle der Krystalllinse........nbsp; nbsp; 320
5.nbsp; nbsp; Von dem Vorfalle des Glaskörpers........nbsp; nbsp; 321
fi. Von dem Vorfalle des Augapfels.........nbsp; nbsp; 324
II.
Veränderte Beschaffenheit der durchsichtigen Medien des
Auges, hinsichtlich ihrer Qualität und Quantität.
A. Trübungen der durchsichtigen Medien des Auges......nbsp; nbsp; 32G
I.nbsp; nbsp; Von den Verdunkelungen und Flecken der Hornhaut. . .nbsp; nbsp; 326
II.nbsp; nbsp; Von dem grauen Staare.............nbsp; nbsp; 337
Von der Operation des grauen Staates........nbsp; nbsp; 357
1.nbsp; nbsp; Von der Sclcroticonyxis............nbsp; nbsp; 359
2.nbsp; nbsp; Von der Keratonyxis.............nbsp; nbsp; 363
3.nbsp; nbsp; Von der Ausziehung des grauen Staares......nbsp; nbsp; 305
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xvmnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Inhalt.
Seite.
III.nbsp; nbsp; Von dem Nachstaare..............nbsp; nbsp; 370
IV.nbsp; nbsp; Von dem Glaukome.......,......nbsp; nbsp; 371
B.nbsp; nbsp; Wassersüchten des Auges...............nbsp; nbsp; 372
1.nbsp; nbsp; Von der Wassersucht der vordem Augenkammer. . .nbsp; nbsp; 372
2.nbsp; nbsp; Von der Wassersucht des Glaskörpers.......nbsp; nbsp; 373
3.nbsp; nbsp; Von der totalen Augenwassersucht........nbsp; nbsp; 374
C.nbsp; nbsp; nbsp;Von dem Staphylome der Hornhaut...........nbsp; nbsp; 37C
III.
Entartung der organischen Theile des Auges und Production neuer Gebilde.
I.nbsp; nbsp; Von den Augenfellen................ 383
1.nbsp; nbsp; Von dem dichten Augenfelle..........nbsp; nbsp; 383
2.nbsp; nbsp; Von dem Flügelfelle.............nbsp; nbsp; 385
3.nbsp; nbsp; Von der Entartung der Thränencarunkel......nbsp; nbsp; 38G
4.nbsp; nbsp; Von den warzen,-fleisch - und fettartigen Geschwülsten
der Conjunctiva...............3^quot;
5.nbsp; nbsp; Von der schwammigen Degeneration der Conjunctiva . 391 C. Von dem Augapfelkrebse............392
Von der Exstirpation des Augapfels........394
IV.
Von den fremden Körpern im Auge.
I. Von den fremden, von aussen eingedrungenen Körpern. . . . 39C
II.nbsp; nbsp; Von den Läusen und Würmern im Auge....., ... 398
V.
Von dem Schwinden und Verluste einzelner Theile und des ganzen Auges.
1.nbsp; nbsp; Von dem Verluste der Augenwimpern.......401
2.nbsp; nbsp; Von dem Mangel und Schwinden der Thränencarunkel. 401 8. Von der Verschrumpfung der Hornhaut.......402
4.nbsp; nbsp; Von der Auflösung des Glaskörpers........402
5,nbsp; nbsp; Von dem Schwinden des Augapfels........403
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I
Erste Abtheil uns.
Anatomie und Physiologie der Gesichtswerkzeuge.
Miillpr, TeterinSr-Ophtbalmologie. I-
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Erster Abschnitt.
A. Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
(Organa visus.)
sect;. 1. Die Sehwerkzeuge unserer Haussäugethiere beste­hen als getrenntes Ganzes, aus dem Haupt or ganc, dem Aug­apfel mit seinen Muskeln, aus den Hülfsorganen, den Augen­lidern und den Thränenwerkzeugen, nebst den dazu gehörigen Be­wegungsapparaten. Diese einzelnen Organe stehen unter sich im engsten WechselYerhältnisse und fester organischer Verbindung.
I. Der Augapfel, (Bulbus oculi).
sect;.'2.
Der Augapfel liegt zu beiden Seiten des Gesichtes in einer, von sieben Knochen gebildeten und mit einer starken Sehnenhaut umkleideten kegelförmigen, vorn offenen, Höhle, deren Grund nach vom und aussen, und deren Spitze nach hinten und innen gerichtet ist. Selbstständig befestigt sich derselbe in dieser Höhle durch seine sieben Muskeln und durch das, an seiner hinteren Fläche anhängende Zellgewebe und Fett und verbindet sich zu­nächst durch den Sehnerven mit dem Gehirne, und mit den äussern Theilen des Kopfes, sowie mit dem Gesammtorganismus mittelst zahlreicher Blutgefässe und Nerven.
Die Grosse des Augapfels ist nicht nur nach den einzelnen Thiergattungen., sondern auch bei verschiedenen Säugethieren ab­weichend, so dass sie fast immer im umgekehrten Verhältnisse zu der übrigen Körpergrosse steht, z. B. beim Katzenauge.
i*
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4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Anatomie der Geslolitswerkzeugo.
Im Allgemeinen ist die Gestalt des Augapfels eine beinahe kugelrunde und erscheint wie aus zwei Kugelabschnitten zusam-raengesetzt, deren grösserer von der harten Haut gebildete, zum grösseren Theile in der Augenhöhle liegt und deren kleinerer frei aus der Augenhöhle hervorragt.
In Bezug auf die Form des Augapfels verschiedener Siiuge-thiere, findet man diesen bei den Vierfüssern im Verhältniss zu seiner Liünge oder Tiefe mehr in die Breite gezogen, als beim Men­schen, — dies besonders bei den Wiederkäuern, mithin hori­zontal-oval — und den perpendiculären Durchmesser immer klei­ner , als den horizontalen. So ist nach Home *) das gegenseitige Verhältniss der Breite und Bange des Ochsenauges wie 110/16 zu 16/i6 Zoll. Nach Cuvier verhält sich sein perpendiculärer Durchmesser zum horizontalen wie 23 : 27. Beim Pferde und Schaafe bemerkt man deutlich diesen Unterschied. Schwer zu ent­scheiden ist es, ob das Katzenauge mehr perpendicular - oval als kreisrund ist **), dies ist das gewölbteste und dabei sehr hervor­ragend. Beim Schweine nähert sich der Augapfel der völligen Kugelform mehr, als beim Pferde und Wiederkäuer, wo über­dies der Querdurchmosser auch nur etwas grosser, als der gerade Durchmesser ist ***).
f 3.
Es ist der Augapfel aus verschiedenen Häuten, Nerven, Blut-gefässen, Schleim-und FärbestofFen, Flüssigkeiten und eigenthüra-lichen durchsichtigen, in besonderen Häuten eingeschlossenen Mas­sen, welche letzterenden durchsichtigen, in der Höhle eingeschlos­senen Kern bilden, zusammengesetzt, und die sich sämmtlich durch eigenthümliche Structur und Form unterscheiden, mehr oder we­niger organisch untereinander verbunden sind und theihveise die Bestimmung haben, dem Auge Gestalt, Schutz, Empfindung und Nahrung zu geben, den Stoffwechsel zu vermitteln, die Lichtein­flüsse zu reguliren, das von der Nervenhaut aufgenommene Bild auf das Gehirn zu leiten und zum Bewusstsein zu führen.
I, Die Muskeln des Augapfels, (musculi bulbi).
sect;.4. An der Aussenseite des Augapfels befinden sich Muskeln, die
*) i. d. Philos. Trans. 1790 I. p. 4.
**) Schrcger, Versuch einer vergleichenden Anatomie des Auges etc. S. 9 u. 10 ***) Schwab, Lehrbuch der Anatomie der Hausthicre.
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An.tomio der Gesiclitswerkzeuge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;5
ihm allein angehören-, aus der Tiefe der Augenhöhle entspringen und die Bewegung desselben vermitteln.
Von den Muskeln des Augapfels entspringen sechs aus dem Hintergrunde der Augenhöhle und einer vom untern Theile des vorderen Umfanges derselben, treten in versehiedener Richtung zum Augapfel hervor, an den sie sich fest heften und dabei gleich­sam in die harte Haut übergehen. Nach der Richtung ihres Lau­fes und ihrer Lage werden sie eingetheilt und zerfallen demnach in fünf gerade und zwei schiefe , in zwei obere und untere, in einen innern, einen äussern und einen hintern.
. sect;. 5.
Der obere gerade Muskel, Heber, Aufwärtszieher des Augapfels (Musculus rectus oculi superior) (Fig. 1.4.) entspringt über dem Sehnervenloche aus der Beinhaut der Augenhöhle, geht dicker und breiter werdend, nach oben und gerade nach vorn, legt sich an den obern Theil des Umfanges des Augapfels und setzt sich mit einer breiten und dünnen Sehne, einige Linien über der Hornhaut, an die harte Haut des Auges.
Er hebt das Auge in die Höhe.
Fig. I-
Katzenauge in Naturgrösse.
Der untere gerade Muskel, Niederziehor des Aug­apfels (Muse, rectus oculi inferior, sive deprimens)' (Fig. I. (gt;.) beginnt unter dem Sehnervenloche, wendet sich an der untern Fläche des Augapfels nach unten und vorn, gibt eine kleine Por-
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f.
Anatomie der Gcsiclitswerkzcuge.
tion an den Knorpel der Blinzhaut und heftet sich mit einer brei­ten Sehne unten an die weisse Haut.
Seine Function ist, die Blinzhaut zurück- und den Augapfel herabzuziehen.
sect;• 7.
Fig. 11.
Katzenauge inXatnr
grüssc.
Der innere gerade Muskel, Anzieher, Einwärtszieher des Augapfels (M.rectus
oculi internus s. adducens) (Fig. II. 2.) ent­steht seitlich und nach innen, neben dem Seh-nervenloche, geht über die nach innen gekehrte Fläche des Augapfels weg, ist von derselben durch eine Fettschichte getrennt, und inserirt sich mit einer dünnen kurzen Sehne vorn an der weissen Haut.
Er bewegt den Augapfel nach Innen.
sect;. 8.
Der äussere gerade Muskel, Abzieher des Augapfels (M. oculi rectus externus sive abducens) (Fig. II. 4.) entspringt neben und aussen dem Sehnervenloche, verläuft wie der innere und inserirt sich an der weissen Haut nahe an der Hornhaut.
Seine Bestimmimg ist, das Auge zum Seitwärtsschen nach Aussen zu richten.
sect;• 9.
Der hintere gerade oder Grund-Muskel (Musculus re­tractor, suspensorius sive bulbosus) (Fig. III. 5. 5.) befindet sich
Fig. 111.
Ochsenauge in halber NatuigrOsse.
in der Tiefe der Augenhöhle, ist von den vier genannten Muskeln umgeben, nimmt im Umfange des Sehnervenloches seinen Ursprung
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Anatomie der Gesichtswcrkzougo.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 7
und den Sehnerven in sich auf und inserirt sich kurz vor dem stärksten Durchmesser des Augapfels an die weisse Haut und be­steht aus mehreren grossen Fleischbündeln. Der oberste Theil die­ses Muskels ist der längste und pflanzt sich, fast kreisförmig in der Richtung des Sehnerven, gerachvinkelich mit der Sehaxe ein. Beim Rhinoceros besteht er aus zwei Parthien; beini Pferde u. a. hat er eine trichterförmige Gestalt (Schreger).
Er zieht den Augapfel in die Tiefe der Augenhöhle zurück und comprimirt denselben, wodurch die Augcnaxc sich verlängert.
sect;. 10._
Der obere oder grosse schiefe oder Rollmuskcl des Augapfels (M. obliquus superior slve longus, sive trochlearis) beginnt an dem hinteren Theile der inneren Fläche der inneren Auixenhöhlenwand am Schnervenloche des Keilbeins mit einer kur-zen dünnen Sehne, verläuft auf der inneren Seite des Augajrfels nach oben und vorn his zur Rollgrube des Augenbogenfortsatzes, formirt sich zu einer langen rundlichen Sehne, tritt durch eine knorpeliche Rolle, (Fig. IV. 7., V. 7.) wird dort durch Zell­gewebe beweglich befestigt, tritt gegen den äussern Augenwinkel und inserirt sich unter dem obern geraden Augenmuskel mit einer breiten Sehne an die weisse Haut.
Fig. IV.
Pferdeauge, nur zum Theil und mit (icm Rollknorpel sichtbar.
Derselbe zieht den hinteren obern Theil des Augapfels nacli vorn, innen und unten, er ist der längste unter allen Augenmus­keln, lang und schlank.
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8nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Anatomie der Gesichteirerkzeuge.
sect;• 11.
Der untere oder kleine schiefe Muskel des Augapfels (M. oculi obliquus inferior) (Fig. V. 6.) entspringt in der Grube des Thränenbeins, läuft quer unter dem Augapfel weg und zum äusseren Augenwinkel, wo er sich zwischen dem äusseren und unteren geraden Muskel fleischig an die weisse Haut anheftet. Von Gestalt ist er kurz und dick.
Er rotirt den hinteren und unteren Theil des Augapfels nach unten und innen.
Fig. V. Schaaf sauge.
II. Die Augenlider ( Palpebrae ).
Die Augenlider sind aus der Stirn- und Wangenhaut ge­bildete Falten, welche vor der vorderen Oefthung der Augenhöhle so liegen, dass sie dieselbe mehr oder weniger vollständig bedecken oder frei lassen.
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Anatomiü der Geachtswerkzeuge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 0
Die Gestalt mid Beschaflenheit beider Augenlider ist sich im Allgemeinen gleich, unterscheidet sich jedoch in mancher Beziehung, namentlich in jener der Grosse und Lage. Es gibt sonach ein oberes (Palpebra superior) grösseres und ein unteres (Palp, inferior), kleineres Augenlid, welche am inneren grösseren und äusseren kleineren Augenwinkel, Nasen- und Schläfenwinkel (Canthus oculi internus et externus) sich vereinigen und durch die Augcnlidspalte (Fissura sive liima palpebrarurn) in ihrer ganzen Breite getrennt sind.
Fig. VI. ri'erdeauire halbverklemert.
fi. Oberes Augenlid, n. Unteres Augenlid, a. Innerer Augenwinkel, b. Aeusserer Augenwinkel, c. Angenlidspalte.
sect;• 13.
Sie bestehen aus zwei Hauptplatteu oder Flächen, einer äu'sscren gewölbten, aus dem Felle gebildeten, mit feinen und weichen Ilaaren bedeckten und einer inneren ausgehöhlten, aus einer zarten röthlichen, aus einem Oberhäutchen und aus einer Schleimhaut zusammengesetzten, Membran, der sogenannten Bin­dehaut der Augenlider (Conjunctiva palpebrarurn).
sect;#9632; 14. Diese beiden Hauptplatten werden an ihren Endigungen durch die Bänder (Margines) geschieden, wovon der obere nach unten und der untere nach oben so gerichtet ist, class sich beide einan­der entsreirengewandt berühren.
sect;. 15. Im Innern dieser Ränder liegen die Augenlidknorpel (Tarsi); sie sind länglicht, platt und dünn; ihre Dicke ist an ihrem freien, geraden Rande beträchtlicher, als an ihrem gewölbten, wo
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10
Anatomie iler Gesichtswerkzeii'rc.
sie sich verjüngen; nach innen endigen sie vor den Thränenpunk-ten, nach aussei! etwas vor der Vereinigung beider Augenlider. Durch sie werden die Ränder fest und gespannt.
An ihrem gewölbten Rande und ihrem Uusseren und inneren Ende gehen sie in festes Zellgewebe über, welches an den Winkeln mit dem Namen eines Bandes (Ligamentum tarsi, internum et externum) belegt wird, mittelst dessen sie mit dem äusseren und inneren Rande der vorderen Oeffnung der Augenhöhle verbunden werden.
sect;. 16.
Auf der äusseren Kante der Augenliderränder befinden sich die Augenwimpern (Cilia), (Fig. VII. 8.) straffe Ilaare, welche am oberen Augenlide länger und stärker sind, häufiger und ge­drängter zusammenstehen, als an dem unteren.
sect;. 17.
Im Inneren der Ränder zwischen der inneren Membran und dein Augenlidknorpel liegen gelbe, fast cylindrische Körper, welche zahlreich und von einem Winkel zum andern laufen, Talgdrüsen sind und auf der inneren Seite der Augenlidränder zahlreiche, kleine, in einer lieihe liegende Ansfuhrunscssänge haben.
Man nennt sie Mci bom is ehe Drüsen der Augenlider (Glandulae Meibomü palpebrarum) (Fig. VII. 7.). Ihr Absonde-
Fig. VII.
Pferdeauge halbverkleincrl.
rungsproduet ist eine halbflüssige Hautsalbe (SebumMeibomü), die im gesunden Zustande mild ist.
sect;. 18. Um das untere Augenlid stehen in einein nnregelmässigen Halb­kreise die Fühlhaare oder Augenborsten, lange, steife, borsten­ähnliche Haare, mit grossen, unter der Haut liegenden Zwiebeln.
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Anatomie dor Gesiclitswerkzouge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; II
sect;. 19. An der innern Wand der Augenhöhle, im inneren Winkel der Augenlider befindet sich in einer gefleckten Falte der Bindehaut eingeschlossen ein platter, unregehnässig halbmondförmiger Knor­pel, welcher in der Tiefe schmal, dick und mit Zellgewebe und Fett umgeben, nach aussen breit, dünn und ausgeschnitten ist. Von der Bindehaut überzogen, gestaltet er sich zu einer Decke, welche beim Zurückziehen des Augapfels sichtlicher wird und den Charakter und die Function eines dritten Augenlides besitzt. Dieser Knorpel wird die Blinzhaut (Membrana nictitans) ge­nannt.
sect;. 20. Im inneren Augenwinkel und theihveise von der Blinzhaut bedeckt, liegt bei verschiedenen Vierfüssern und den Wiederkäuern die sogenannte Harder'sche Drüse (Fig. VIII. 2.). Bei den letzteren hat sie eine länglichte Form und eine ziemlich compacte Masse; — bei anderen Thieren, z. B. dem Hasen, scheint sie aus zwei, blos durch Zellgewebe verbundenen Thcilen zu bestehen, die wieder in mehrere -andere Klümpchen sich zerlegen lassen. — Der obere Theil ist kleiner und von weisslicher Farbe, der untere ist viel grosser und sieht röthlich aus. Ihr AusfdhrunnrsKane; liegt unter der Blinzhaut bedeckt. Ihr Absonderungsproduct ist eine dicke weissliche Feuchtigkeit.
Fig. VIII.
Blinzknorpel u. Harder'sche Drüse des Pferdeanges in Naturgrösse.
1. 1. Der Blinzknorpel. 2. die Hardcr'sehe Drüse.
sect;. 21. Als Verbindungshaut der Augenlider und des Augapfels dient die Bindehaut; sie umkleidet, die innere Platte beider Augenlider abgebend, diese auf ihrer inneren Seite, schlägt sich bei dem be­festigenden Bande derselben, oder Augenhöhlenrande, gegen sich selbst um,—jene des oberen Augenlides, von oben nach unten, und die des unteren, von unten nach oben sich verbreitend, in der Mitte des Augapfels zusammenstossend und in einander übergehend, —
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12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
und heftet sich so als angewachsene Haut (Tunica adnata) locker an die vordere Fläche des Augapfels.
Diese Haut steht in ihrer Structur und Function in Mitte der Schleimhäute und serösen Membranen. Arnold erkannte unter dem Mikroskope in ihr zahlreiche Netze von Saugadern, die in meh­reren Schichten übereinander lagen. Das Zellgewebe, wodurch die Bindehaut mit der Sclerotica zusammenhängt, besitzt Lymphge-fässe in Menge, welche in Netze übergehen, die an der Bildung der Conjunctiva der Sclerotica grossen Antheil haben. Ihr Ge­webe wird in der Nähe der Hornhaut dünner, einfacher und jenem des die Hornhaut überziehenden Theiles ähnlich, nach aussen aber dichter, schwammiger, von grösseren und zahlreicheren Gefässen durchzogen und von feinen Nervenzweigen, vom Nervus lacrvmalis und infratrochlcaris versehen, so dass sie eine gewisse Aehnlichkeit mit einer Schleimhaut erhält.
Nach Einigen, worunter Zinn, soll die innere Augenlidplatte mit einem äusserst dünnen Oberhäutchen überzogen se3'n.
Es besitzt die Bindehaut eine Menge feiner Gefässe, welche von den Blutgefässen in der inwendigen Platte der Augenlider Acste sind, deren meiste aber ihrer Feinheit wegen, im gesunden Zustande nicht roth erscheinen. Man sieht daher in der Conjunc­tiva eines ganz gesunden Auges, zu welchem gar kein krankhafter Zufluss des Blutes stattfindet, nur sehr wenige und sehr feine Blut-gefässcheu; übrigens erscheint diese Haut in ihrer ganzen Aus­dehnung durchsichtig und farblos, so dass sie an der vorderen Fläche dos Augapfels, sowohl die weisse Sclerotica, als die durch­sichtige Hornhaut durchscheinen lässt.
sect;• 22.
Nach Ruysch ist die innere Oberfläche der Augenlider mit vielen, sehr empfindlichen Papillen besetzt, die noch sichtbarer sind, wenn die Blutgefässe sehr vollkommen mit flüssigem Wachse gefüllt werden. Arnold läugnet ihre Gegenwart. Nach vielen Anatomen und fast allen Pathologen befinden sich diese Papillen nur an der unteren Augenlider-Conjunctiva.
sect;• 23.
Die Augenlider der Quadrumanen sind nicht im mindesten von den Augenlidern der Menschen unterschieden; beide sind mit Wimpern besetzt, die sich auch bei dem Elephanten, bei der Giraffe u. s. w. vorfinden. Aber die respective Grosse der ei-centlichen Augendeckel zeigt bei den Säuffethieren mancherlei Ver-schiedenheiten. So sind die oberen bei dem Bullenbeisser (Canis Molossus s. mastinus) dick, wie aufgeschwollen und hängen tiefer herab; die unteren beim Elephanten ganz ansehnlich; beim
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Anatomic der Gosiclitswerkzeugc.
i:t
Pferde sehr klein und bei diesem, so Avie bei den meisten Vier-f'üssern ohne Wimper. Kielit selten ist das untere Augenlid be­weglicher, als das obere.
Die Blinzhaut ist bei manchen Vierfüssern, namentlich im Katzengeschlechte, bei Hunden, vor allen beim Elephan-ten sehr gross; sehr dick, hart und knorpelig beim Ochsen und vertritt hier mehr die Stelle des dritten Augenlides, wiewohl sie nicht bei allen ihren eigenen Muskel hat*), noch auch das ganze Auge überdecken kann**).
sect;. 24.
Bios das obere Augenlid hat einen eigenen Muskel, den Augeu-höhlenmuskel (Levator palpebrac suporioris) (Fig. IX. (j.) und zwei andere, beiden Augenlidern gemeinschaftlich, ganz und theil-weise angehörige Muskeln, den Kreismuskel (M. orbicularis palpebramm) und den Stirnmuskel (Corrugator supercilii).
Fig. IX. Pferdeauire verkleinert.
sect;. 25. Der Augenhöhlenmuskel liegt in der Augenhöhle, wo er nahe am Seheloche (der Oeffnung für den Sehnerven) entspringt und sodann an der oberen Wand der Augenhöhle vorwärts o-eht. Er ist lang, schlank, fleischig, wird nach aussen breit und endet mit einer starken breiten Aponeurose am Kandc des oberen Augen­lides, welches er in die Höhe hebt.
*) Nach Schwab a. a. O. geschieht das Zurückziehen der Blinzhaut theils durch Zusammenziehen ihres Zellgewebes, theils durch eine Portion des unteren geraden Muskels. **) Schreger a. a. O. S. 30. u. f.
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Anatomie dlaquo;r Gesichtswerkzenge.
Der Kreismuskel (Fig. X. 1.) besteht aus ringförmigen Fleischfasern, fängt mit einer kurzen starken Sehne am oberen und unteren Fortsatze des Thränenbeines an, ist ferner an diesem, am Jochbeine, Stirnbeine und Augenbogenfortsatze desselben befestigt und endigt in der äusseren Haut der Augenlider *). Die Faserbündel der gewölbten Fläche beider Augenlider liegen um den äusseren Win­kel der Augenliderspalte unter spitzen Winkeln verflochten und vermischt. Die des untern Augenlides stehen mit jenen des oberen in soweit in antagonistischem Verhältnisse, als sie dazu dienen, das Aufwärtsziehen des unteren Augenlides zu erschweren oder dasselbe, wenn es hinaufgezogen ist, wieder herabzuziehen. Eben
Fig. X. Schaafsausre niehvfaeli verkleinert.
solche Faserbündel liegen an dem ßande des oberen und unteren Augenlides, sie entspringen an dem sehnigen Bande, welches die Augenlider am inneren Winkel zusammenhält und heften sich an den Nasenfortsatz des Oberkiefers und laufen, in einander über­gehend, um den äusseren Augenlidwinkel herum. Der innere weit kleinere, in den Augenlidern, unmittelbar unter der äusseren Platte
*) Schwab a. a. O. S. 151.
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Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
IS
derselben enthaltene Theil des Muskels ist aus mehr geraden, dün­nem und blässern Fasern als der äussere, gebildet, hängt aber ununterbrochen mit ihnen zusammen, wenn er gleich vor A1 b i n als eigener Muskel (Musculus ciliaris) angesehen wurde und heute von Vielen noch wird.
Der Stirnmuskel ist klein, kurz, breit, etwas dick, fast ganz fleischig, entsteht am Stirnbein, geht schief herab, vermischt sich mit den Fasern des Kreismuskels und endet nahe am inneren Augenwinkel, im oberen Augenlide, welches durch ihn etwas in die Höhe bewegt werden kann.— Beim Ochsen ist dieser Muskel stärker und reicht bis zum Horn hinauf*).
III. Die Thränenprgane (Organa lacrymalia).
Fig. XI. Die Tliränonorgane am rechten Auge des Pferdes.
i Vj,quot;l*i
sect;. 28.
Die Thränenorgane bilden einen eigenthümlich angeord­neten drüsigen und häutigen Apparat, dessen Function die Bildung und Fortleitung einer eigenthümlichen dünnen durchsichtigen Flüs­sigkeit, der Thränen (lacrymae) ist.
Die einzelnen Theile dieses Apparates sind: 1. die Thräncn-drüse (glandula lacrymalis) mit 2. ihren Ausführungsgängen
*) Schwab a. a. O.
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nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Anatomie dor Geslcbtswerkzonge.
und (J. (!. ihren Tliränencanälchen oder Röhrchen (canalicuB lacrymales); 7. der Thränensack (sacous lacrynialis) mit 8. 8. dem Thränencanale (eanalis laerymalis) und die sogenannte, in dem, vom oberen Augenlide 3., und dem unteren 4., gebildeten, inneren Augenwinkel gelegene, Thränenkarunkel (caruncula laerymalis) 5. (Vergl. Fig. XL Seite 15.)
sect;. 29.
Die Thräncndrüse besteht aus zwei selbstständigen Drüsen, welche aber auch wieder aus zusammengehäuften Drüsen zusam­mengesetzt sind. Man theilt sie in eine obere und untere Thrä-nendrüse, besser aber in zwei Ilauptlappen, einen oberen und einen unteren. Sie liegt unter dem obern Augenlide in der Augenhöhle, dicht unter der oberen Wand des Stirnbeins, gegen vorn und aussen über dem Augapfel.
Der obere Hauptlappen liegt oben, hat eine dreieckige,*von oben nach unten platt gedrückte Gestalt; der untere .an den vorderen Theil des oberen angeschlossen, liegt mehr gegen aussen und unten und erstreckt sich bis an den äusseren Theil des convexen Bandes des Tarsus; er ist von gleicher Structur, nur sind seine Körnchen-iihnliche Drüschen lockerer verbunden, dabei kleiner und flacher, wie jene des oberen.
sect;. 30. _ Aus beiden Hauptlappen entspringen 7 bis 9, nach Gurlt 12 bis 18 Ausführungsgänge, die von hinten, aussen und nach innen nebeneinander laufen und sich in der Nähe des Augenwinkels auf der inneren Fläche des oberen Augenlides und über dem Tar­sus durch ganz kleine, warzige Mündungen endigen. Diese Aus-führungsgänge sind im Ochsenauge verhältnissmässig grosser, als bei anderen vierfüssigen Hausthieren; sie haben hier gewöhnlich solche Weite, dass man eine Schweinsborste in dieselbe einzufüh-
sect;. 31. Die Bindehaut des Auges kann gewissermassen auch zum Thränenapparate gezählt werden, sofern sie mit den Aus­führungsgängen der Thränendrüse und der Tliränencanälchen ein ununterbrochenes Ganze bildet und wirklich eine sehr erweiterte Stelle des abführenden Theiles des Thränenorganes ist *).
*) Meckel a. a. O. S. laquo;7
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Anatomie der Gesicbtewerkzeuge,
17
sect;• 32.
An dem oberen und dem unteren Augenlide befinden sich an
der Stelle, wo der innere Winkel beginnt und die Oeffnungen der
Augenliddriisen endigen, als kegelförmige erhabene OefFnimgen
Fig. XII.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;oder Wärzchen (S. auf
Fig. Xu.) der 4 a. obere und 4b. untere Thränenpunkt (Punc-tum lacrymale superius et inferius). Sie beste­hen aus Zellgewebe, sind fest geformt und rund. Der obere 4 a. kehrt seine Mündung nach unten und lie^t mehr nach innen, als der untere 4 b., et­was grössere mit seiner Mündung nach oben gerichtete; ob ihrer Lage berühren sich die beiden Oeffnungen bei geschlossenen Au­genlidern nicht. Sie bilden die Anfänge der Thränencanälchen, welche dicht über den Augenlidrändern, — vorn von dem Kreis­muskel bedeckt und mit demselben innig verwachsen und hinten
Fisr. XIII.-
durch die innere Augenliderplatte überzogen, — liegen, wovon (S. auf Fig. XIII.) das obere 6 a. fast senkrecht nach oben steigt
Müller, Vetoriniir-Oplillialmolo^io. I,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;2
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18
Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
— senkrechter Schenkel oder Anfangsstück, sich in einen rechten Winkel nmbeugt — blindes Stückchen, — dann nach innen und unten, unter das innere Augenlidband sich fortsetzt — querer Schenkel — und in den vordem und äussern Theil des Thränensackes mündet — Endestück; —|das untere G'j. senkrecht nach unten geht — senkrechter Schenkel, Anfangs stück — ebenfalls einen rechten Winkel bildend — blindes Stückchen — und in den vordem und äussern Theil des Thränensackes 7. einmün­det — Ende stück. — Vor ihrem Eintritte in den Thränensack treten die beiden Röhrchen dicht zusammen, so dass sie nur durch eine Scheidewand, die eine Duplicatur ihrer beiderseitigen Haut ist, bis zu ihrer Einmündung getrennt sind.
Diese Thränenröhrchen sind zwei kurze enge Canäle und be­stehen aus einer zarten, weissen, inwendig röthlichen und glatten Haut. Vorn sind sie etwas angeschwollen, verjüngen sich in der Mitte und gewinnen gegen ihr Ende etwas mehr Ausdehnung.
Was die hier von uns gegebene Eintheilung der Thränenröhrchen betrifft, so ist zu bemerken, dass diese sich so nur am Menschenauge deutlich zeigen und am Thierauge im Allgemeinen mehr rund, als eckig erscheinen, jedoch bei verschiedenen Thierklassen variiren.
sect;. 33. Fig. XIV.
Der Thränensack, (S. auf Fig. XIV. 7.) am Ende der Thränencanälchen in dem trichterförmigen Umfange des, in dem
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Anatomie der Gesichtswerkzeuge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 19
Thränenbeine befindlichen, Canals gelegen, und darin mit kurzem Zellgewebe befestigt, ist ein kleiner Behälter von länglicher Gestalt und kreisförmigem Umfange. Seine vordere und äussere, aussei-dem rinnförmigen Canale befindliche Fläche ist von einem Theile des Eingmuskels der Augenlider und dem inneren Augenliderbande bedeckt. Sein oberer Theil bildet ein stumpf abgerundetes ver­schlossenes Ende (finis coecus), unter welchem er die Thränen-röhrchen aufnimmt; •— sein unteres, abwärts und schräg nach aus-sen laufendes, im Umfange sich verjüngendes Ende, geht in den häutigen Thränencanal über,
sect;. 34.
Der Thränensack ist aus drei Häuten zusammengesetzt.
Die äussere, zugleich Knochenhaut, ist weisslich und von faseriger Beschaffenheit.
Die mittlere ist dünn, zellig und entspricht der Zellhaut der Schleimhäute.
Die innerste, wesentliche ist dick, rauh, schwammig, war­zenähnlich, dunkelroth, und sondert immer reichlichen Schleim ab, der aus länglich rundlichen, mit deutlichen Oeffnungen versehenen, dicht stehenden Drüschen quillt. Sie erscheint als eine Verlänge­rung der Nasenschleimhaut, während die innere Hülle der Thränen-röhrchen eine Fortsetzung der Bindehaut ist.
sect;. 35.
Slatt des Thränensackes, hat der Ochse sehr erweiterte Thrä-nenröhrchen.
Beim Schaafe findet man nebst diesem noch eine Thränen-höhle, welche ausser der Augenhöhle und unter dem Nasenwinkel liegt und von dem Felle gebildet wird. In der Tiefe ist diese Höhle sparsam mit dünnen Haaren versehen, und unter der Haut liegen viele gelbe Drüsen, welche denMeibomischen ähnlich sind und ein schmieriges fettes Oel absondern (Schwab).
sect;. 36. Als eine Fortsetzung des Thränensackes ist der häutige Thränencanal (S. Fig. XIV. 8. 8.) anzusehen. Derselbe ist enger, als jener und an seinem mittleren Theile am engsten, bildet eine lange, häutige Röhre, die von dem Thränensacke massig ge­bogen nach unten laufend, in der Thränenrinne des grossen Kiefer­beines, bis in die Nähe des Nasenloches 10., herabsteigt und in den untern Nasengang mit einer länglich runden Oeffnung 9. mün­det, die mit einer halbmondförmigen häutigen Klappe versehen ist.
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20
Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
Der Thränencanal besteht aus denselben Häuten, wie der Thrä-nensack.
sect;• 37.
Der gesammte Apparat zur Ableitung der Thränen soll sich durch Ringmuskeln oder durch ein contractilcs Gewebe einzeln ab­theilen, da es bemerkbar ist, dass die Thränenpunkte bei mecha­nischem Keize sich contrahiren und da eben auch jenem Theile, welcher den Thränensack vom Thränencanale scheidet, Contractions-vennögen zugerechnet wird, weil die Thränen in jenem sich sam­meln und nur tropfenweise aus diesem abfliessen, und auch beim Thiere durch Reiz oder andere Anlässe ein Uebcrfliessen des Thrä-nensackes veranlasst werden kann.
Janin will auch in gekochten Thränenorganen Fasern wahr­genommen haben, die nach allen Richtungen lagen und da, wo der häutige Canal am engsten ist, kreisförmig waren.
Dicht am inneren Augenwinkel zwischen den Rändern der beiden Augenlider, an der von derBindehaut gebildeten Falte, liegt dieThrä-nencarunkel (caruneula lacrymalis) (S. Fig. XV. 5.), ein kleiner
Fig. XV.
runder warzenförmiger, mit etlichen Härchen besetzter Körper von schwarzer oder brauner Farbe, dessen stumpfe Spitze vom inneren
Augenwinkel abgewandt ist
Sie ist eine conglomerirte Drüse, deren
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Anatomie der Gesichtswerkzeuge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;21
Bälge an ihrer auswendigen Fläche, in zwei bis drei kurzen Aus­führungsgängen sich öffnen und einen öligen Saft, Augenbutter (Lema), absondern, welche theils zum Schatze des Xasenwinkels gegen die Schärfe der Thränen dient, theils durch den, dem inneren Augenwinkel gegebenen fettigen Ueberzug das Ueberfliessen der Thränen hindert. — Aeltere Anatomen glaubten, dass sie zur Ab­sonderung der Thränen beitrage, woher ihr der Name Thränenca-runkel geworden ist. Wenn gleich diese frühere Meinung nun widerlegt ist, so gehört diese Drüse doch eigentlich zu den Thränen-Averkzeugen; ihr gleicht vielleicht in Bezug auf ihre anatomische und physiologische Bedeutung die oben erwähnte Harder'sehe Drüse.
sect;. 39. Beim Auerochsen, dem Stammvater unseres Hornviehes, ist sie von ansehnlicher Grosse; bei unseren zahmen Kindern hat sie sieh durch Ausartung mehr oder weniger verwischt. Beim Schweine ist die Carunkel eine ganz geringe, länglich - schmale Erhöhung (Schwab).
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22
Anatomie der Gesichtswerkzcuge.
sect;• 4U.
Gesammtüb erblick
der
Augenmuskeln, der Augenlider, der Thränenwerkzeuge,
so wie der übrigen wesentlichsten Theile des Kopfes der
nutzvollsten Haussäugethiere.
Filt;r XVI.
Die tiefer liegenden Muskeln am Kopfe des Pferdes von der linken Seite gesehen.
1.1. Der kurze erweiternde Muskel der Nase (musculus dilatator nasi brevis).
2.nbsp;2. Der Aufheber der Oberlippe (m. levator labü superior, propr.).
3.nbsp; Der Backenmuskcl (musculus buc­cinator).
4.nbsp; Der Backenzahnmuskel (m. molaris).
5. 5. Der Niederzieher der Unterlippe (m. depressor labü inferioris). In der von oben und aussen ge­öffneten Augenhöhle sieht man: G. Den innern Aufheber des obern Au­genlides (m. levator palpebrae supe-rioris).
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Anatomie der Gesiohtswerkzeuge.
23
7.nbsp; nbsp;Der grosse oder obere schiefe Au­genmuskel (m. obliquus superior).
8.nbsp; Der obere gerade Augenmuskel (m. rectus superior).
9.nbsp; nbsp;Der äussere gerade Augenmuskel (m. rect. externus).
10.nbsp; Der kleine oder untere schiefe Au­genmuskel (m. obliquus inferior).
11.nbsp; 11. Der Schlätemuskel (m. tempo-ralis).
12.nbsp; nbsp;Der Griflelkiimbackenmuskel (m. stylomaxillaris).
13.nbsp; Der Brustkinnbackenmuskel.
14.nbsp; nbsp;Der Muskel der Ecke (musculus tragicus).
Fig. XVII.
Zungen- und Augenmuskeln des Rindes von der linken Seite gesehen.
10.nbsp; der zwoibäuchige Muskel, vorn ab­geschnitten,
11.nbsp; der Schildzungenbeinmuskel,
12.nbsp; der Schulterzungenbeinmuskel,
13.nbsp; der Brustzungenbeinmuskel,
14.nbsp; der Brustschildmuskel,
15.nbsp; nbsp; der Schlundkopf, unten abge­schnitten.
Am Auge sind sichtbar:
16.nbsp; der Kreismuskel der Augenlider,
17.nbsp; nbsp;der innere Aufheber des oberen
3
8
über
Augenlides,
18.nbsp; der obere oder grosse schiefe Au­genmuskel,
19.nbsp; der untere kleine, schiefe Augen­muskel,
20.nbsp; der untere )
21.nbsp; der äussere ? gerade Augenmuskel.
22.nbsp; der obere '
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24
Anatomie der Gesicbtswerkzeuge.
Fig. XVIII.
Die Muskeln des linken Auges vom Rinde, von oben gesehen, halbe Naturgrösse.
a. Der Rollknorpel (cartilago troch- 2. der innere gerade Augenmuskel (in.
learis),
b. der Augapfel (bulbus oeuli), von der Bindehaut und den Augenlidern ent-blösst,
1.1. der obere oder grosse schiefe Au­genmuskel,
rect. internus), 3. der obere gerade und der äussere
gerade Augenmuskel, 5.5. der Grund- oder Anfhängemus-
kel (m. retractor oculi, s. suspenso-
rius, s. bulbosus), C. der Sehnerv.
Fig. XIX.
Die Muskeln des linken Auges vom Rinde, von unten
gesehen.
1.nbsp; Der untere oder kleine, schiefe Au­genmuskel,
2.nbsp; der äussere gerade Augenmuskel,
3.nbsp; der untere gerade Augenmuskel,
4.nbsp; der innere gerade Augenmuskel,
5.nbsp;5. der Grundmuskel.
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Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
23
Fig. XX.
Muskeln des Auges und der Zunge des Schaafes, von der rechten
Seite gesehen.
Der rechte Ast des Unterkiefers, der Augenbogen, die Augenhöhlenhaut und die meisten Lippenmuskeln sind entfernt worden.
1.nbsp; Der Kreismuskel der Augenlider,
2.nbsp; der Aufheber des obern Augenlides,
3.nbsp; der obere \
4.nbsp; der iiussere gt; gerade Augenmuskel, ö. der untere ;
G. der untere oder kleine, schiefe Au­genmuskel,
7.nbsp; der obere oder grosse schiefe Au­genmuskel,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;^
8.nbsp; nbsp;der Schläfemuskel (musculus tem-poralis),
9.nbsp; der innere Kaumuskel oder Flügel-muskcl (m. pterygoideus),
10.nbsp; nbsp; der Schildzungenbeinmuskel (m. thyreo • hyoideus),
11.nbsp; der Griffekungenbeinmuskcl, 12.12. der zweibäuchige Muskel des
Unterkiefers (m. digastricus s. bi-
venter maxillae inferioris), 13. der lange Zungenbeinmuskel (m.
stylohyoideus), 14.14. der Zungenbein-Zungenmuskel
(m. styloglossus), 15. der Grundzungenmuskel (m. baseo-
glossus), 10. der Kinnzungenmuskcl (m. genio-
glossus),
17.nbsp; der Kinnzungenbcinniuskel (m. ge-niohyoidcus),
18.nbsp; der Brustzungenbeinnmskel,
19.nbsp; der Schulterzungenbeinmuskel,
20.nbsp; der Brustschildmuskel,
21.nbsp; nbsp;der Schildschlundkopfmuskcl (m. thyreopharyngeus),
22.nbsp; nbsp;der lling-Schlundkopfmuskel (in, ericopharyngeus),
23.nbsp; der Schlund,
a. der Pyramidcnmuskel der Nase.
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26
Anatomie der üesichtswerkzeugc.
Fig. XXI.
3
Augenmuskeln des Hundes, von der linken Seite.
a.nbsp; der Rollknorpel,
b.nbsp; der Augapfel, 1.1. der Kreismuskel der Augenlider,
2.nbsp; nbsp; der Aufheber des oberen Au­genlides,
4.nbsp; der untere schiefe Augenmuskel,
5.nbsp; der obere gerade Augenmuskel, G.nbsp; der äussere „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,,
7.nbsp; der untere ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,,
8.nbsp; der innere Kaumuskel.
3.nbsp; der obere schiefe Augenmuskel,
Fig. XXII
Die Augen- und Kiefermuskeln
a.nbsp; der Rollknorpel,
b.nbsp; der Augapfel,
1.1.nbsp; der Kreismnskel der Augenlider,
2.2.nbsp; der Aufheber des obern Augenlides,
3.nbsp; der obere oder grosse schiefe oder Rollmuskel (m. obliquus super, s. trochlearis),
4.nbsp; der obere gerade Augenmuskel,
der Katze von der linken Seite.
9
5. der äussere gerade Augenmuskel, G. der untere ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,,
7.nbsp; der untere oder kleine schiefe Au­genmuskel (musculus obliquus in­ferior),
8.nbsp; nbsp;der innere Kaumuskel (m. ptery-goideus intemus),
9.nbsp; der Schläfemuskel.
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Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
27
Fig. XXIII.
Der linke Augapfel mit den Muskeln, von der Katze, von unten gesehen.
a.nbsp; Knorpel der Blinzhaut (cartilago membranae uic-titantis),
b.nbsp; der Augapfel,
1.nbsp; der untere schiefe Augenmuskel,
2.nbsp; nbsp;der innere gerade Augenmuskel,
3.nbsp; der untere „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
4.nbsp; der äussere ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;
5.nbsp;5. der Grundmuskel.
Fig. XXIV.
Dieselben Theile von oben gesehen.
a.nbsp; der Augapfel,
b.nbsp; der Eollknorpel,
c.nbsp; der Knorpel der Blinzhaut,
1.nbsp; der äussere gerade Muskel,
2.nbsp; der oberenbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ 5. der Grundmuskel.
Eis. XXV.
Die beiden Augenlider mit dem Blinzknorpel des Pferdes, von der innern Seite gesehen.
1.nbsp; der Blinzknorpcl,
2.nbsp;2. die Harder'sche Drüse mit ihrem
3.nbsp; Ausfübrungsgange, in welchem eine Borste eingebracht ist,
4.nbsp; nbsp;4. Thränenpunkte (puneta lacry-malia),
5.nbsp; nbsp;die Thränenkarunkel,
6.nbsp; das obere Augenlid,
7.nbsp; 7. die Meibomischen Talgdrüsen,
8.nbsp; die Augenwimpern,
9.nbsp; das untere Augenlid,
a.nbsp; der innere Augenwinkel,
b.nbsp; der äussere Augenwinkel,
c.nbsp; die Augonliderspalte.
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28
Anatomie der Gesiohtswerkzeugc.
IV. Die harte Haut des Augapfels, die undurchsichtige Hornhaut, (Tunica sclerotica, T.
albuginea).
Fig. XXVI.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sect;• 41-
Pferde äuge in halber Grosse.
Diese Haut umgibt den
Augapfel gleich einer Schale und lässt an ihrem vorderen Theile und in ihrer Mitte eine länglich runde Oeffnung, welche durch eine andere aber durchsichtige Haut ähnlicher Structur, Horn­haut, geschlossen wird; an ih­rem hinteren Theile lässt sie ebenfalls eine solche, jedoch viel kleinere nicht in der Axe des Auges, sondern etwas nach der Nase hin befindliche, an ih­rer auswendigen Fläche weitere, nach innen zu allmälig enger
werdende Oeffnung, zum Durch-
a. a. Die andurchsichtige Hornhaut durch einen
Kreuzschnitt in vier Lappen zurückgelegt, durch
welche der Selmerve b. hervortritt.
tritte des Sehnerven, in Mitte mehrerer kleiner Ocffnungen,
durch welche Zweicre der vasa ciliaria und nervi cillares zur Ader- und Regenbogenhaut eintreten; welche Stelle dieserhalb quot;-emeinhin das Siebblättchen genannt wird. An ihrem hinteren Theile ist sie am dicksten, dünner an ihrer vorderen Fläche, am dünnsten aber in der Mitte, an jener Stelle, wo der Querdurchmesser des Augapfels am grössten ist.
sect;• 42-So ist sie beim Ochsen, Schaafe, Pferde und Schweine in der Mitte auffallend am dünnsten, vorn und hinten aber mehr oder weniger beträchtlich dicker. — Je mehr sich das Auge der Kugelgestalt nähert, um so weniger Steifheit bedarf die Sclerotica, wie dies bei den meisten Säugethieren, deren Augen ziemlich rund sind, gefunden wird, während im Vogelauge dieselbe weit steifer an sich ist und noch sogar eigene Knochenplatten dazu besitzt; ähnlich dem knöchernen Ringe des Vogelauges erscheint die be-trächtiiehe und begränzte Dicke der Sclerotica des Katzenauges im Umkreise der Hornhaut, während deren Hintcrtheil so dünn ist, dass die Gefässe und sogar die Ciliarnerven durchscheinen.
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Anatomie der Gesichtsworkzeuge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2!(
sect;. 43.
Von Structur ist die Sclerotica hart und dick, dabei biegsam und zähe, aber doch auch elastisch; sie besteht nicht, wie man früher annahm, aus Schichten, sondern sie zeigt mehr einen fase­rigen Bau und scheint nach Arnold aus verdichtetem Zellgewebe zu bestehen, weshalb sie eigentlich mehr das Ansehen einer Faser­haut, als jenes einer fibrösen Membran gewinnt, welcher letzterer sie jedoch eben auch in mancher Beziehung nahe steht.
sect;. 44.
Auf ihrer vordem äusseren gewölbten Fläche ist sie von der durchsichtigen Bindehaut bedeckt, seitlich und hinten setzen sich die Augenmuskeln an dieselbe und die übrige Oberfläche ist von einem Polster von Zellgewebe umgeben.
Die innere, ausgehöhlte Fläche derselben umkleidet eine zarte, dünne und glänzende Membran in solch fester Verbindung, dass eine Trennung beider sehr schwierig ist, woher man diese Umklei­dung als eine Schichte der Sclerotica ansah.
Blutgefasse enthält die weisse Haut wenige, Nerven keine, dagegen nach Arnold einen Reichthum an Saugadern, sowie auch L y m p h g e fä s s e.
sect;. 45.
An dem vordem Ende der Sclerotica und deren Verbindung mit der Hornhaut und dem Ciliarbande, findet sich in den meisten Augen der Säugethiere, ganz besonders sichtbar bei dem Pferde-, wie auch beim Menschenauge, eine kreisförmig laufende Furche zur Aufnahme eines Canales, welchen man den Fontana'-schen nennt.
sect;•.46-
Die Verbindung der Sclerotica mit der Hornhaut ist eine sehr innige, welche sich nur durch Maceration, nicht aber mit dem Mes­ser trennen lässt, da beide Häute an ihren Enden sich übereinander schieben und fest aufeinander liegen und so gleichsam in einander übergehen.
sect;. 47.
An die hintere, zur Aufnahme des Sehnerven bestimmte OofF-nung der Sclerotica schliesst sich die aus der harten Hirnhaut ge-bildete Umhüllung des Sehnerven fest an, so dass früher die Scle­rotica als deren Fortsetzung angesehen wurde, bis die acht- bis zehnfach grössere Dicke und Stärke, so wie die mögliche Trenn­barkeit und einige Verschiedenheit in ihrem Gewebe, beide als verschiedene Häute unterschieden.
Diese Verbindung der harten Hirnhaut mit der Sclerotica ist ungefähr dieselbe, wie jene der letzteren mit der Hornhaut; auch
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30
Anatomie der Gesiclitswerkzeuge.
in einem gleichen Verhalten scheint die Texturbeschaffenheit dieser Häute zu einander zu stehen, indem die Selerotica auf einer höhe­ren Organisationsstufe steht als die harte Hirnhaut, während die Hornhaut eine weit feinere Structur besitzt, als die Selerotica.
sect;• 48.
Der mit dem Sehnerven verwachsene Theil der Selerotica ist beim Hunde dick, verdünnt sich aber beim Hervortreten zu dem vorderen Theile, bis er an der Stelle, wo sich die Sehnen der ge­raden Augenmuskeln an sie ansetzen, eine noch grössere Dicke annimmt, als jene im Hintergrunde ist.
Die um die Hornhaut dichte Selerotica ist im Katzenauge, wie oben angegeben, besonders stark und dick; an jener Stelle, wo die Retina fehlt, verdünnt sie sich und gewinnt im Grunde fast die­selbe Dicke wieder, die sie vorne hat.
Beim Pferdeauge ist die Selerotica dicht und dick, unter den Sehnen der geraden Augenmuskeln jedoch zarter; obschon gross, bewirkt sie demunjieachtet eine feste Umhüllungr.
V. Die durchsichtige Hornhaut (Cornea pellncida).
sect;. 49.
Diese Membran füllt die vordere Oeffnung der Selerotica aus und bildet durch ihre convexe Form das Ansehen eines Kugelab­schnittes.
Die Hornhaut der Vierfüsser ist eonvexer und breiter, hat aber bei einigen vorne, bei anderen hinten eine andere Dimension. So zieht sie sich augenscheinlich bei den Wiederkäuern nach hin­ten zu, mehr in die Breite und setzt sich mit ihrer Hinterfläche schräg gegen die Selerotica an, während sie vorne mit dieser gleich­sam in Eins verschmilzt.
Enge, kaum trennbar verbunden mit der Selerotica ist sie in ihrem ganzen Umkreise hierdurch, dass sich ihr äusserer, verjüng­ter Band unter die scharfe Kante der Selerotica schiebt und mit ihr sich organisch vereinigt.
sect;. 50.
Die Hornhaut ist völlig durchsichtig beim ausgetragenen Thiere; im Embryo erscheint sie röthlich und nicht völlig durch-
m
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Anatomie der Gesichtswerkzeuge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 31
sichtig und gleicht mehr der Sclerotica; welche Aehnlichkeit zur Zeit der vollständigen Entwickelung sich verliert. In ihrer Textur und Form ist sie ebenfalls von der weissen Haut sehr verschieden. Während letztere mehr aus Zellen zusammengesetzt erscheint, be­steht erstere mehr aus Schichten, zwischen welchen sich eine helle wässrige Feuchtigkeit befindet. Gleich der Sclerotica ist die Horn­haut stark und hart, doch biegsam, zähe und elastisch; statt der, der Sclerotica eigenen Derbheit, bietet sie ein mehr schwammiges Ansehen; dicker ist sie aber, als jene; in ihrer Mitte ist sie am dicksten und verjüngt sich gegen ihre Peripherie hin; ihre Dicke hingegen ist bei manchen Thiergattuugen verschieden.
sect;. 51.
Es ist beim Ochsen und Pferde die Cornea noch einmal so dick, als bei dem Hunde, der Katze und dem Menschen.
Beim Katzengeschlechte ist die Cornea rund, gewölbt, dicker an ihrer grösseren inneren Ausbreitung, als an ihrer äusseren, wo sie allerdings zum Theile von einem Rande der Sclerotica be­deckt erscheint. Die Hornhaut des Pferdeauges ist massig ge­wölbt, eiförmig oder stumpf dreieckig, mit gegen den äusseren Augenwinkel längern convergirenden Seiten und einer kürzeren, gegen den inneren Augenwinkel gerichteten Basis; ihre hintere Ober­fläche erscheint beinahe rund, wobei die Sclerotica allerdings unten und oben mehr, als an den Seiten über ihren Rand hervortritt.
Beim Hunde ist die Hornhaut gross, beinahe zirkeiförmig, sehr convex und dick; an die innere Fläche der Sclerotica fügt sie sich unter einem scharfen Rande.
sect;. 52.
Die äussere gewölbte Fläche der Hornhaut ist von einem Theile der Bindehaut, dem sogenannten Bindehautblättchen bedeckt, ihre innere convexe, der Regenbogenhaut zugekehrte, ist mit einer fei­nen durchsichtigen serösen Haut, der demours'schen Haut, umkleidet. Blutgefässe und Nerven scheint die Hornhaut nicht zu besitzen. Mehrere Beobachter wollen wohl solche aufgefunden haben; welche Annahme jedoch auf Täuschung beruhen dürfte. Die darin ent­deckten Nerven sollen Verzweigungen der Blendungsnerven seyn.
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32nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
VI. Die Haut der wässrigen Feuchtigkeit
Wrisbergische oder Demours'sche Haut, (Mem-
brana humoris aquei).
sect;.53.
Die Membran der wässrigen Feuchtigkeit befindet sich zwischen der Hornhaut und der Iris. Sie ist eine zarte, feine, durchsichtige Haut, welche mit der hinteren Fläche der Cornea und mit der vorderen der Regenbogenhaut so innig verbunden sich zeigt, dass man sie im Auge Erwachsener nicht isolirt dar­stellen kann *).
Am besten und leichtesten überzeugt man sich von der Exi­stenz des serösen Ueberzuges der Iris durch die Untersuchung der Augen vom Fötus und Keugeborner; denn hier sieht man ganz deutlich, dass sie von der hinteren Fläche der Hornhaut zur Iris hinzieht und deren vordere Seite umkleidet.
sect;. 54.^
Die Haut der wässrigen Feuchtigkeit kommt mit den serösen Häuten in mehreren Punkten überein, denn sie besitzt, wie diese, ausser ihrer Aehnlichkeit in der Structur und physiologischen Be­deutung zahlreiche Lymphgefässe, welche ein feines Netz bilden, das man schon bei SOmaliger Vergrösserung erkennt.
An ihrer inneren Fläche ist sie glatt und glänzend.
sect;. 55.
Verschieden im Ansehen ist der, die Hornhaut überziehende Theil von jenem, welcher den vorderen Theil der llegenbogenhaut umkleidet; denn als Ueberzug der Hornhaut zeigt sie sich sehr durchsichtig und glatt, als Bekleidung der Blendung aber etwas zottig und weniger klar. Das villöse Aussehen rührt übrigens nicht von der serösen Membran selbst her, sondern von den Ge-f ässen der Iris, welche an der vorderen Fläche derselben sehr feine
Zotten bilden **)
*) Am deutlichsten wird sie sichtbar (wie Hildebrand gefunden hat), wenn man die Hornhaut lange (24 Stunden und länger) kocht; denn da diese Haut sich nicht zu Leim auflöst, wie die Hornhaut, so bleibt sie, ob sie gleich sehr dünn ist, doch unzerstört übrig.
**) Anatomische und physiologische Untersuchungen über das Auge des Menschen. Von Friedr. Arnold, Heidelberg und Leipzig. 1832.
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Anatomie der Gesichtswerkzeuge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 33
VIT. Die SpimiAv eben haut, (Tunica arachnoidea oculi.)
....nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sect;• 56-
Als eine \ erbindungshaut zwischen der inneren Platte der
Selerotica und der äusseren der Chorioidea ist die Spinnwebenhaut
anzusehen und gleicht in dieser Beziehung jener des Gehirns,
welche auf gleiche Weise die harte und Gef ässhaut verbindet.
Bei den Vögeln präsentirt sich diese Haut am deutlichsten; bei manchen Säugethieren, wie z. B. beim Ochsen und Schaafe, ist sie ob der festen Zellgewebeverbindung zwischen der Aderhaut und Selerotica nicht darstellbar, bei andern Säugethieren hingegen ist sie durch Maceration trennbar.
sect;. 57.
Die Spinnwebenhaut ist zart und fein und gehört nach ihrer Structur und Function den serösen Häuten an; sie gleicht eben darin, wie oben gesagt, jener des Gehirns, ganz besonders aber der Haut der wässrigen Feuchtigkeit der vordem Augenkammer und der Bindehaut des Augapfels und besteht aus zwei Platten. Entfernt man, sagt Arnold, durch einen Zirkelschnitt die wTeisse Haut, so sieht man an den meisten Augen, besonders an nicht pigmentreichen, zwischen ihr und der Chorioidea, etwas wenig Flüssigkeit, wodurch die äussere Fläche dieser und die innere je­ner Membran, einen Glanz erhält, wie man ihn an Gefäss- und rein fibrösen Häuten nicht wahrnimmt.
Arnold erkannte bei einer 550fachen Venirösseruns zwischen den Netzen von Saugadem, die man schon bei schwacher Ver-grösserung wahrnimmt, eine Verflechtung von sehr feinen und engen Canälchen, wTelche mit den grössem in Verbindung standen und bemerkte ausserdem auf den Wandungen der weiteren Gefässe zahlreiche, theils grössere, theils kleinere Vertiefungen oder OefF-nungen, die sich ganz so, wie die Poren der Haut, seiner Beobach­tung darstellten.
Müller, Veterinär-Ophthalmologif. I.
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31
Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
VTTL Die Aderhaut, (Tunica chorioidea).
sect;. 58.
Die Chorioidea oder Choriodea*) ist eine dünne, weiche, schwärzliche (russbraune) beinahe ganz aus zahlreichen Gefässen, den hintern Blendungsarterien und nur wenigen schwachen aus dem Xeurilem des Sehnerven in sie übergehenden Nervenzweigen gebil­dete Membran. In ihrer Structur ist sie weich aber fest und gleicht der pia mater des Gehirns, mit welcher sie auch durch die gefass-rciche Umkleidunff des Sehnerven in Verbindung steht.
sect;. 59.
Gleiche llichtung und Ausdehnung wie die Sclcrotica verfol­gend, verbreitet sich die Aderhaut (Fig. XXVII. c.) über die innere Fläche der Sclcrotica, indem sie an der, für den Eintritt des Seh­nerven gelassenen Oeffnung ihren Ursprung nimmt, conccntrisch mit der, über ihr liegenden Membran verläuft und sich bis zum vorderen Ende derselben, sowie bis zum grössten Umfange der Linsenkapsel erstrecht, wodurch dieselbe als eine in der Sclcrotica liegende Halb­kugel erscheint, die hinten vom Sehnerven durchbohrt ist und wel­cher vorn ein Stück fehlt, das ungefähr so gross ist, wie die Hornhaut.
Fig. XXVII.
rterdeauge.
*) Xi'inwi- heisst die mittlere Haut des Eies, welche das siftviov um-schliesst. XcootoetSns heisst diese Haut des Auges wegen einer Aelmlichkcit mit
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Verbunden ist die Aderhaut auf ihrer ganzen äusseren Fläche mit der Sclerotica durch lockeres braunes Schleimgewebe, welche Verbindung nur durch die zwischen ihnen von vorn nach hinten verlaufenden Blendungsnerven und langen Blendungsgefässe un­terbrochen wird.
Nach Schwab befindet sich zwischen diesen beiden Häuten beim Pferde etwas wässrige Feuchtigkeit.
sect;. 60.
Durch kurzes imd dichtes Zellgewebe geht der hinterste Theil der Aderhaut an dem Loche, durch welches der Sehnerve eintritt, mit der Sclerotica und der weichen Hirnhaut des Sehnerven eine innigere, jedoch nach Maceration und Zerschneidung der vasa ci-liaria postica und behutsamer Lösung des erweichten Zellgewebes, ohne Verletzung von der weichen Hirnhaut trennbare, Verbindung ein, als sie in ihrer weitern Ausbreitung hat.
Verbindung mit der unten liegenden Netzhaut hat sie blos in so weit, als beide Häute an einander liegen.
sect;. 61. ^
Bevor die Aderlmit zum Ende der Sclerotica gelangt, verdickt sich ihre äussere Grenze, indem sich dabei die, ihre innere Ober­fläche bildende Lamelle in Falten legt und erhält sie noch etwas weisses Zellgewebe, mittelst dessen eine engere Verwachsung mit der Grenze der Sclerotica, Hornhaut und Iris zu Stande kommt. Diese Verbindung an dem äusseren Ende dieser Membran gleicht in ihrer Form einem weissen Ringe, der vorn am weissesten ist und hinten alhnälig in den braunen Theil der Haut verläuft; man nennt ihn nach seiner Gestalt und Stelle das Strahlen- oder Ci-liarband, orbiculus ciliaris oder ligamentum ciliare, auch plexus ciliaris oder circulus ciliaris.
sect;. 62.
Das Strahlenband ist platt und schmal, grenzt mit seinem vorderen Rande an die Hornhaut, in einer, an deren äusserstem Um­fange und an deren innerer Fläche befindlichen, Falze aufgenom­men und schliesst sich mit einer grösseren Fläche der Sclerotica an. Es ist überall von gleicher Breite, so dass sein hinterer und vorderer Rand sich einander parallel sind. Da es am vorderen
jener, weil sie auch weich und dünn ist und Blutgefiisschen hat. Aber in der Chorioidea des Auges sind bei weitem mehr, wenigstens rotho Gefässe, als in jener Haut des Eies. Vielleicht hat man die. Aehnlichkeit auch darin gefun­den, dass die Chorioidea in der Sclerotica eben so concentrisch ausgespannt ist, als das Chorion im Uterus. (Heister, de chorioid. T. 2. Ilildebrand, Handb. d. Anat. d. Menschen. IV. Bd. 1832. p. 71.)
3*
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Anatonne der Gesichtswerkzcuge.
g
Theile des kugelförmigen Auges liegt, so ist sein hinterer, zugleich etwas weiter von der Augenaxe entfernt gelegener Rand etwas grosser, als sein vorderer, der mehr nach vorn und der Axe näher Es ist hinten dünner und wird nach vorn wieder all-
mälig dicker
63.
Zwischen dem Rande der Sclerotica und Cornea auf der einen, und dem orbiculus ciliaris auf der andern Seite, befindet sich eine kreisförmige Furche. Indem sich beide Furchen an einander legen, entsteht bei grösseren Säugethieren ein Zwischenraum oder Canal, der sogenannte Canalis Fontanae *), welcher sich längs dem gan­zen Rande der Sclerotica herumkrümmt. Er ist dreieckig, prisma­tisch und allenthalben geschlossen und enthält etwas durchsichtige Feuchtigkeit. Hier und da sieht man in ihm einiges zarte Zell­gewebe. Beim Ochsen und Schaafe stellt er sich am deut­lichsten dar.
sect;• 64. Da, wo die äussere Aderhautlamelle in das Strahlenband über­geht, schlägt sich die innere Lamelle dieser Membran fein in viel­fache niedrige und nach innen convergirende Strahlen gefaltet, nach vorn um. Auf diesen äusseren, aus niedrigem Strahlen gebildeten Kreis, den Strahlen- oder Faltenkörper, corona ciliaris vel
corpus ciliare, folgt ein klei-
Fig. XXVIII.
Pferdeauge.
nerer, innerer, der aus weit
höheren, mit einem gewölb­ten inneren Rande versehe­nen, von aussen nach innen erst höher werdenden, dann rundlich geendigten, Falten gebildet wird. Diese Fal­tenfortsätze, processus ci-liares, sind in geringerer An­zahl vorhanden und belaufen sich etwa auf 70. Ihr vorderes Ende ist frei, mit dem vor­dem Theile ihres festsitzenden Randes sind sie an den gröss-ten Umfang der Linsenkapsel geheftet, wo diese Falten, in ihren genau entsprechenden Vertiefungen aufgenommen werden.
d. d. Faltenkranz, auf dessen Fitltchen die Ci-liararterien verzweigt sind. c. c. Ein kleiner Theil der Aderhant. c. e. Die Regenbogenhaut.
*) Circulus venosus der Alten; firms circularis iridis nach Arnold.
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. sect;-. 65-Aus ihrer Verbindimg isolirt, präsentirt sich die Chorioidea
auf ihrer inneren, der Nervenhaut zugewendeten, Fläche nach Ent­fernung des ihr anhängenden schwärzlichen Schleimes, pig-mentum nigrum, bräunlich, bei Jüngern Thieren etwas röthlich und durchsichtig; an der, für den Sehnerven offen gelassenen, ringför­migen Stelle aber, erscheint dieselbe weiss und frei von schwarzem Schleime.
Die innere Oberfläche hat ein sammtartiges Ansehen, durch eine mit blossem Auge sichtliche Menge kleiner, freihängender Flocken, die am Strahlenkörper sehr deutlich und stärker ent­wickelt sind. Gebildet sind dieselben grösstentheils durch ein, vorzüglich im hintern Theile der Aderhaut sehr dichtes Gefässnetz, das sie nach vorn aber freier lassen. Bei wohlgelungener Injection füllen sich diese netzförmigen Gefässe, wie auch die daran hän­genden Flocken, woraus diese ebenfalls als Gefässnetze zu erken­nen sind.
Das Ochsenauge zeichnet sich durch die ganz eigene und un­gemein schöne Gestalt des Gefässnetzes der Aderhaut vor allen übrigen aus.
sect;._ 66. _
Auf ihrer äusseren Fläche ist die Aderhaut durch zwischen­liegendes braunes Zellgewebe, braun gefärbt.
Bei Thieren lassen sich beide Flächen trennen, so dass diese Membran gedoppelt erscheint, wovon die innere Lamelle als ta-petum chorioideae, oder nach ihi-em Auffinder membrana Kuyschii, die äussere dagegen als chorioidea sic dicta bezeich­net wird.
Bei mehreren Säugethieren wird die der Retina zugekehrte Fläche, zumal auf dem Grunde, mit einer eignen glatten und hier und da flockigen Lamelle überdeckt. Ihre Flocken geben an der Stelle, wo kein schwarzes Pürment ist, einen vielfarbigen blausrii-neu, schön silberfarbenen, bei verschiedenen Thieren sehr lebhaf­ten Glanz von sich, der einen grossen Theil der Aderhaut, entwe­der in ihrem ganzen Umkreise, wie beim Hammel, der Katze u. a. oder nur auf einer Seite, wie beim Rinde u. s. w. einnimmt, oder wie beim Bären ganz fehlt, er siebt z. ß. beim Pferde silbergrau, in's Violette spielend (lasurblau), bei dem Katzenge-schlecbte gelblich, bei der Nacht einen Schein von sich gebend, bei den Wiederkäuern goldgrün, ins blaue spielend, beim Schaafe grün aus.
Die lluysch'sche Haut zeigt beim Durchschnitt die Mündung offener Gefässe.
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Anatomie der Gesiclitswerkzeufrc.
sect;. 67. Die Blutgefasse, welche die Aclerhaut durchziehen und bilden, bestehen ans den Blendungsarterien (arteriae ciliares) und aus den Blendungsblutadern (venae ciliares), welche dann wieder, jede in zwei Unterarten zerfallen.
sect;. G8._
Die langen Blendungsarterien (arteriae ciliares longae). Diese finden sich gewöhnlich nur doppelt, eine aussen und oben und eine innen und unten und laufen durch den hinteren Theil der Sclerotica, ins Auge gelangt, an der äusseren Fläche der Aderhaut in beinahe gerader Richtung nach vorn zur Iris, worin sie sich ver­ästelnd verbreiten.
sect;. G9.
Die kurzen oder hinterenBlendungsarterien (art. cilia­res breves s. posteriores). Es finden sich diese in grösserer An­zahl vor, als die langen, und sind deren meist ^0, treten mehr gegen innen, weiter hinten und näher dem Sehnerven, in gerader [Richtung durch die Sclerotica zur Aderhaut, sind von ungleicher Grosse und laufen in spitze Winkel getrennt auf der äusseren Fläche der Aderhaut, bis sie in deren Mitte dieselbe durchbohren, auf dem inneren Blatte anlangen und parallel laufend, sich durch Zwischenäste verbinden und am äusseren Bande des Strahlenkranzes sich in einem verschlungenen Kreis vereinigen.
70.
Die langen Blendlingsblutadern (venae ciliares longae vel anteriores) begleiten die langen Blendungsarterien von ihrer En-digans aus und durchbohren nach aussen den hinteren Theil der Choroidea und begeben sich thcils isolirt, theils mit den vasa vor-ticosa vereinigt, mittelbar zur Augenvene.
sect;.71.
Die Wirbelgefasse (vasa vorticosa) entspringen zwischen den Ciliararterien in, von der Iris und von dem vordersten Theile der äusseren Fläche der Aderhaut kommenden Verästelungen, welche sich büschelförmig verschlingen und dann zu 12 — 14 Stämmchen gesammelt, ungefähr in der Mitte des Augapfels die Sclerotica durch­brechen und dann in 4 — 5 Stämmchen vereinigt, über die Hälfte des Auges fortlaufend, sich in die Augenvenen endigen.
Die Blutadern der Choroidea sind grosser, als deren Arterien und liegen oberflächlicher, als diese.
sect;. 72.
Uebcr das feinste Gefässnctz der Aderhaut hat uns vor Allem
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Anatomie der Gresichtswerkzeiure.
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S. Th. v. Söimuering *) herrliche Beobachtungen hinterlassen. Er hat gezeigt, class erstens die Blutgefässe der Choroidea nicht mit der Kleinheit des Augapfels sich verkleinern, sondern dass die Aderhaut eines kleinem Augapfels sich gewissermassen nur als ein Stück oder als ein Theil der Aderhaut bei jeder Thiergattung, bei jedem Geschlechte und in den verschiedenen Classen eine besondere und charakteristische ist, und so auch die Choroidea des mensch­lichen Auges ihren eigenen, ganz beständigen, unwandelbaren Ty­pus hat; drittens, dass die kurzen Ciliararterien sich in der Ader­haut baumartig in Aeste und Zweige theilen, sich bald als fast gleich dicke, plattcylindrische Zweige endigen, welche thtils häutig unter einander münden, theils unmittelbar in gleichbeschaffene ve­nöse Reiser übergehen und dadurch ein so dichtes Xetz bilden, dass dessen Maschen, schlangenförmig verschlungen, fast keine Zwischen­räume für noch feinere Reiser übrig lassen.
Die Choroidea ist demnach eine an Blutgcfässen sehr reiche Membran, in welcher man aussei- diesen nur ein feines, die Grund­lage bildendes Zellgewebe wahrnimmt, sonst aber keine besondere aushauchende oder absondernde Gefässe erkennt, die Sömmering nicht ohne Grund in Zweifel zog und von denen er sehr richtig be­merkte , dass sie entweder als zu fein oder als zu besonders be­schaffen gedacht werden müssen, um kein Blut mehr, sondern lediglich nur ganz besondere Theilchen des Blutes aufzufassen und abzusetzen **).
IX. Die Nervenhaut, Netzhaut, Markhaut, (Tunica retina).
sect;• 73. Diese Haut schliesst sich an die innere Fläche der Aderhaut an und liegt frei um den Glaskörper, sie verläuft concentrisch mit der Aderhaut, von dem hinteren Grund des Auges nach vorn und schliesst sich mit ihrem vorderen Ende beim Uebergangc der Cho­roidea in den Ciliarkörpcr etwas dicker werdend, an letztere fest
*) Ueber das feinste Gefässnetz der Aderhaut im Augapfel. S. i). fiquot;. **) Arnold a. a. O. S. 53.
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Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
an und geht, durch das Strahlenblättchen ergänzt, mit der Krystall-linse eme Vereinigung ein*).
sect;• 74. Die Verbindung der Ketina mit der Choroidea ist durch ein zwischen liegendes, letzter Membran angehöriges schwarzes Pig­ment **) einestheils, und durch eine, von Jacob zuerst aufgefundene und mehreren Anatomen ebenfalls nachgewiesene, nach deren Ent­decker genannte, Jacob'sche Haut anderntheils vermittelt***).
*) Die Meinungen älterer und neuerer Anatomen über die Eudigungsstelle der Ketina sind noch sehr abweichend, es dürfte übrigens diese Annahme un­gefähr die Mitte halten.
**) Das schwarze Pigment (Pigmentum nigrum) ist eine dunkel, schwarz­braun oder ganz schwarz, gefärbte schleimige Substanz, welche sich über die ganze innere Fläche der Choroidea verbreitet und die hintere Fläche der Regen­bogenhaut überzieht und besonders dort in Gestalt einer zusammenhängenden Membran abgelöst werden kann und auf der Kegenbogenhaut, in ihren Falten, sowie an ihrem Umfange, vorzugsweise an der inneren Fläche des Ciliarkörpers und an deren äusscrem, von dem Faltenkranz nicht bedeckton Theile haftet und von noch dunklerer Farbe ist und am Ciliarkörper besonders fest anhängt. Bei beginnender Fäulniss trennt sich derselbe mehr von der glatten Oberfläche und bleibt in den Furchen der Falten am festesten haften und bietet dann nach behutsamer Lösung des Ciliarkörpers das Ansehen eines Ringes, annulus mu-cosus oder corona ciliaris an der Zonula ciliaris. Am hinteren Theile der in­neren Fläche der Aderhaut liegt er dünner auf und fehlt um die Oeffnung für den Sehnerven ganz, wodurch ein weisser Ring entsteht. Bei jungen Thieren ist das Pigment in grösserer Masse vorhanden, als bei älteren, ist auch dicker, crassius und zusammcnhalteniler, splissius. Seine chemische Zusammensetzung besteht vorzüglich aus Kohlenstoff und Eisen und seine färbende Substanz er­scheint aus Kügclchen, die mehr als dreimal grosser sind, als Blutkügelchen, gebildet, welche übrigens nicht ganz schwarz, sondern gefleckt aussehen, un-regelmässig rund und an den Ciliarfortsätzen kleiner, aber schwärzer sind und schichtenweise aufeinander liegen. Es charakterisirt sich dasselbe als eine eigene, geformte, feste, dem Malpighi'schen Schleime verwandte Substanz. In kaltem und kochendem Wasser, in Alkohol und verdünnter Salpeter- und Salzsäure und in concentrirtem Essig ist dasselbe nicht, und in verdünntem kaustischem Kali nur schwer und erst nach längerem Digeriren lösbar. Ueber dessen Be­reitung ist man noch nicht sicher. Vielleicht bereiten die Flocken ihn, welche an der inneren Fläche der Aderhaut auf dem Ciliarkörper und auf der Uvea sind. (Hildebrand a. a. O.)
***) An der äusseren Seite der Nervenbaut befindet sieh nach Jacob eine sehr zarte, zottige, mehr oder weniger mit Pigment gefärbte (nach Hildebrand gelbe) vom Eintritt des Sehnerven bis zu den Strahlenfortsätzen reichende Lage, die er eine eigenthümliche Haut nennt, weil es ihm gelang, eine Sonde unter sie zu schieben und sie von der Netzhaut zu trennen, oder auch sie stückweise abzulösen. Beim reifen Fötus fand er sie sehr dünn und schwer darstellbar, in der Jugend durchsichtig und kaum durch das Pigment gefärbt, in Erwachse­nen fester,und durch das anhängende Pigment fast so dunkel, als die Aderhaut gefärbt. Bei einer jungen Leiche war sie von der Netzhaut durch ergossene Flüssigkeit getrennt. Sie ist an der Netzhaut, ausserdem aber auch vermuth-
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sect;. Ib.^
Die Retina ist weiss, auf ihrer innersten Oberfläche mit einem zierlichen, schön rothen, von den Centralgefassen gebildeten Netze überzogen — dünn — im Leben oder ganz frischem Zustande ganz durchsichtig, nach dem Tode und bei Erkaltung halb durchsichtig, weich, glatt, fast breiartig, leicht zerreissbar und mit Ausnahme einer einzigen Stelle an ihrem hinteren Umfange, von gleicher Dicke. Nach der älteren Eintheilung ist sie aus zwei untrennbaren Blättern zusammengesetzt, der äusseren Markschichte (tunica retinae stricte s. dicta) und einer inneren aus Zellgewebe und Gefässen bestehenden (tunica retinae vasculosa) und erscheint als eine Membran - artige Ausbreitung der Marksubstanz des Sehnerven, welche Marksub­stanz von weisser Farbe ist und bis zum Anfange der Ciliarfort-sätze verfolgt werden kann, wo sie in einen wulstigen, im aufge­schnittenen Auge bei noch bestehender Wölbung gezähnt, bei auf­gehobener dagegen, mit einem geradeaus sehenden Bande endigt.
sect;• 76.
Nach Johannes Müller*) ist das Wesentliche in der Structur der Nervenhaut Folgendes. Sie besteht aus drei Hauptschichten: einer äusseren breiartigen oder pflasterartigen Körnerschicht, einer mittleren Nervenschichte und einer innersten Cylinderschichte, welche die Fortsetzung der Faserschicht ist. Der Sehnerve zertheilt sich in Nervencylinder, welche in die mittlere oder Faserschicht aus-
lich durch Zellgewebe und Gefässe an die Aderhaut geheftet. (Hildebrand a. a. O.)
Die Darstellungsweise derselben nach Jacob, ist sehr umständlich, aber auch unnöthig. Bei Säugethieren gelingt es oft, sie sogleich aufzufinden, wenn man das irische Auge vorsichtig öifnet und nur im hellsten Sonnenlichte den Zwischenraum zwischen Choroidea und Ketina betrachtet; ein Tropfen Spiritus dient zuweilen dazu, die Haut noch leichter zu Gesicht zu bringen, welche hier frei in dem angegebenen Zwischenräume schwebt. Sie ist das feinste Häutchen, welches im Organismus zu finden ist, und so durchsichtig, dass sie nur durch Spiegelung sichtbar wird und selbst auf Glas ausgebreitet, noch kaum sichtbar ist. Dennoch ist sie so entschieden von häutiger Bildung, dass sie selbst star­ken Druck zwischen Glasplatten verträgt, ehe sie zerreisst. An einen coagu-lirten Schleim ist dabei gar nicht zu denken. Gewöhnlich erscheint sie bei schwacher Darstellungsweise in kleine Stücke zerreissend, von einigen Linien Breite und von viereckiger Gestalt. Unter dem Mikroskop erscheint sie, noch nass, kaum durch etwas ausgezeichnet, als durch schwache Grübchen; diese treten stark hervor, wenn sie trocknet und dann ist sie so fein, dass sie stets in bläulicher und röthlicher Färbung erscheint, was sich aus dem bekannten Newton'schen Gesetze erklärt. (Novorum actorum academiae caesareae Leo-poldino-Caroliuae naturae curiosorum. Vol. XI. Pars II. Michaelis, über die Ketina etc.).
*) Handbuch der Physiologie des Menschen für Vorlesungen II. Bd. 1. Ab­theil. Coblenz, 1840.
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42nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Anatomie der Gesiclitswerkzeuge.
strahlen. Jeder Nervencylinder oder jedes aus mehreren Cylindem bestehende Bündel, biegt nach Treviranus's Entdeckung an einer gewissen Stelle des Verlaufs, von der horizontalen Richtung ab und wendet sich nach der entgegengesetzten inwendigen Seite der Netzhaut, wo er als Papille endigt. Frisch untersucht zeigt die Retina in allen Classen der Wirbelthiere auf ihrer inneren Fläche dichtgedrängte Cylinderchen, deren Ende gegen das Innere des Auges sehen. Leicht lösen sich diese Cylinderchen oder stabför-migen Körperchen ab und schwimmen herum. Dieselben kann man nur an ganz frischen Augen untersuchen.
sect;• 77-
Die oben genannte dünne Stelle befindet sich in einiger Ent­fernung vom Eintritte des Sehnerven nach aussen, wo die Nerven­haut eine nach innen gerichtete, mit einer feinen Spitze beginnende und in ein stumpfes Ende auslaufende, 1 — 1 y, Linien lange Falte bildet; an diesem Faltenencle gewahrt man beim Menschen und vielen Thieren, einen ovalen gelben Fleck von 1 Linie Höhe und l1/^ Linie Breite.
Die Untersuchungen von A mm on vorzüglich, haben darge-than, dass dieser in der Augenaxe befindliche Fleck eigentlich nur aus einer, mittelst des Liclueinflusses hervorgerufenen Alinuation des Pigmentes besteht. Uebrigcns sind die Ansichten über die Entstehung und Bedeutung dieses Fleckes verschieden. In dem Um­stände, dass bei vielen Thieren und Menschen in Mitte der Quer­falte sich ein Loch, das sog. Foramen centrale befindet und durch dieses aber auch bei manchen ein Blutgefäss tritt, will na­mentlich Stark die Veranlassung zur Bildung dieses Fleckes von einem üefässe der Aderhaut, welches ein Pigment auf der Retina selbst absetze, herleiten.
. sect;' 78-Ein Analogen des Querfältchens, nemlich eine conische Her­vor rag ung mit einem etwas dunkleren Kreise sah Home*) auch im Ochsenauge. Diese Verlängerung verliert sich mit einem fei­nen Faden in den Glaskörper und wird für ein lymphatisches Ge-fäss gehalten. Kürzer, aber ohne Kreis und ohne deutlichen Saum zeigt sich diese in Schaaf- und andern Thieräugen; nach Wan-zel vorzüglich gross in Kalbs-, etwas kleiner in Stieraugen, undeutlich bei Schweinen, gar nicht bei Pferden, Hunden, jungen Katzen, Hasen und Kaninchen. quot;Wanzel glaubt, class sie nur bei jungen Thieren vorhanden und bei älteren verwischt sey.
*) E. Home an account of tlie orifice in the retina of the human eye. In Phil, transact. 1798. P. 11. Uebersetzt in Reil's Archiv Bd. 1. S. 410 ffi
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sect;. 79.
Als selbstständiges Organgebilde erscheint nach Arnold die Eetina aus der Art ihrer Entstehung. Sie entspringt als eine Masse aus den neurilematischen Canälen des Sehnerven, welche am Ende des Sehnerven gänzlich aufhören und nicht in die Ketina selbst übergehen. Eben so ist durch sie ihr Gefässsystem, von dem Sehnerven isolirt anzusehen, indem sich in dem Inneren des Seh­nerven ein enger cylindrischer Canal zur Aufnahme der arteria und vena centralis befindet und ersterer aus dem kegelförmio-cn Ende des Sehnerven hervortritt, sich gewöhnlich in drei Stämmchen theilt, als ein höchst feines Ketz verzweigt und für die Markmasse der Ketina die Stelle eines Neurilems vertritt.
sect;. 80.
Die Eetina besteht nach Arnold aus zahlreichen Kügelchen, die dicht neben einander und übereinander liegen, ohne sich zu Fasern aneinander zu reihen. quot;Weder in der Nähe der Eintrittsstelle des Sehnerven, noch in der Mitte, noch am Ciliartheile der Markhaut konnte derselbe eine 2;ewisse Reamp;elmässisrkeit in der Anordnung der Nervenkügclchen erkennen, sondern an allen Punkten der Netzhaut lagen die Kügelchen ungeregelt auf und neben einander. Die klei­nen Kügelchen schienen ihm durch ein sehr zartes, vollkommen durchsichtiges Zellgewebe unterstützt und verbunden zu werden. Das Zellgewebe wird von Zweigen der arteria centralis retinae durchzogen, welche in demselben höchst feine Netze bilden und von denen die Ernährung der Markhaut abhängig ist. Die Zweige dieser Arterien sind sehr fein und nicht im Stande viel Blut aufzu­nehmen, sondern nur für einzelne Blutkügelchen gangbar, da sonst die Durchsichtigkeit der Nervenhaut, so wie der übrigen, von der­selben überzogenen Organe z. B. der Linse und des Glaskörpers beeinträchtigt werden würde.
, sect;-. 81- . Beim Schweine greift die Ketina von aussen wulstig und
plötzlich abgeschnitten in ihrer ganzen Dicke über die Zonula über und diese setzt sich an der inneren Fläche der Ketina schief auslau­fend, an. Beim Kalbe dagegen verdünnt sich die Ketina diciit am Rande und setzt sich an die Zonula mit scharfem Bande fest, so dass die Verbindung von innen und aussen ganz gleich er-scheint. *)
*) Kovorum actoitun Academiae caesar. Leop. Carol, naturae enriosorum Vol. 11. Pars II. Ueber die Ketina etc. von Michaelis.
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Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
X. Das Strahlenblättchen, (Zonula ciliaris).
sect;. 82. Am äussersten Ende der Nervenhaut und dem Rande der Kry-stalllinsenkapsel befindet sicli ein dünnes, durchsichtiges, leicht zerreissbares, feines, grün gefärbtes Häutchen, von manchmal ho­mogener markiger Structur. Es ist dasselbe an der Nervenhaut und an dem äussersten, dem Glaskörper zugewandten Rande der Krystalllinsenkapsel in der Art angeheftet, dass es jener als Ver­bindungshaut dient, indem es von deren Befestijmngsstelle an der Choroidea von aussen nach innen über den Glaskörper, respective über die denselben umkleidende Haut, die Hyaloidea, hinwegläuft und sich an den Rändern des vorderen Segments der Krystalllinse inserirt, dabei in angenommener Verjüngung, Verminderung ihres Durchmessers, gegen vorn sich in strahlenförmige Falten legt, in deren Vertiefungen die Ciliarfortsätze münden, welche darin, nach geschehener Wegnahme das schwarze Pigment in der Form der corona ciliaris zurücklassen.
Das Strahlenblättchen hielt Zinn für die vordere Lamelle der Glashaut; Camper hingegen war der erste, welcher diese Behauptung widerlegte, indem er sagte, dass dasselbe muskulöser Natur sei; Rudolph!*) und Döllinger**) verfolgten diese Idee mit grösserer Genauigkeit und zeigten, dass dasselbe nicht für die Fortsetzung der Glashaut gehalten werden könne; denn: 1) die Glas­haut ist so dünn, dass sie unmöglich in zwei Lamellen getheilt werden kann; 2) das Strahlenblättchen besitzt eine von der Glashaut verschiedene Structur, letztere ist durchaus nicht fibrös; 3) die Glashaut ist nicht dünner in der teller­förmigen Grube, als in den übrigen Theilen der Glasfeuchtigkeit; 4) das Strah­lenblättchen kann ohne Verletzung der Glasfeuchtigkeit von letzterer getrennt werden und bleibt in Verbindung mit dem zackigen Ende der Netzhaut; 5) die Gefässe der Linsenkapsel und des Strahlenblättchens können injicirt werden, die Gefässe hingegen der Glashaut hat man nicht gesehen ***).
Rudolphi -j-) widerspricht der Meinung, dass die Zonula muskulöser Na­tur sei und bezweifelt die von Döllinger angenommenen Faserbündel in der­selben.
sect;. 83. Mit Hülfe des Strahlenblättchens, der Linsenkapsel und Glas­haut entsteht in der Mitte ein hohler Zwischenraum, den man nach dem Entdecker den Petit'schen Canal, Canalis Petiti nennt. Es wird dessen Basis durch den grössten Umfang der vorderen
*)nbsp; Dessen analom. physiolog. Untersuchungen Bd. I.
**)nbsp; Döllinger, über das Strahlenblättchen.
***)nbsp; Salomon, in Walther und Gräfe's Journal 7. Bd. S. 401.
f)nbsp; Dessen Grundriss d. Physiol. 2. Bd. S. 175 f.
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Hälfte der Linsenkapsel, die vordere Wand durch den gefalteten Theil der Ciliar-Krone und die hintere durch jenes Blättchen der Glashaut gebildet. Dieser Canal hat also nicht die Breite des ganzen Strahlcnblättchens oder des Strahlenkörpers, sondern er entspricht in dieser Hinsicht dem Umfange der Ciliarfortsätze. Derselbe ist überall geschlossen, steht weder mit der Höhle der Linsenkapsel noch mit den Zellen des Glaskörpers durch Oeffnun-gen in Zusammenhang *).
Dieser Canal ist durch Aufblasen leicht sichtlich darzustellen, wo dann auch die Falten des ganzen Strahlcnblättchens rings um die Linse sich in isolirten Blasen erheben.
XT. Die Regenbogenhaut, Blendung, (Tris).
sect;. 84.
Fig. XXIX. Pferdeauge.
Die Iris d. ist eine ovale, selbst­ständige, verschieden gefärbte,
mit einem ovalen Loche verse­hene Haut, welche in der Au-genaxe und zwischen beiden Augenkammem von der wässri-gen Feuchtigkeit frei umspült, aufgespannt, von vorn durch die Hornhaut gedeckt ist und an ih-f rem äusseren Rande von vorn mit der Hornhaut, der weissen Haut und dem Ciliarband, von hinten mit dem Ciliarkörper auf die oben angegebene Weise zusam­menhängt und ihre Kehrseite der Linse zuwendet.
d. Regenbogenhaut, e. Pupille.
sect;. 85. Auf der vorderen Fläche ist die Iris meist und in verschie­denen Abstufungen braun gefärbt und zeigt zweierlei Streifen, wo­von die einen in länglichen lichtem Kreisen um die Sehe herumlau-
*) Arnold a. a. O.
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46nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Anatomie der Gesichtsvrerkzeugc.
fen, die andern hingegen wie Strahlen vom Umfange nach der Sehe gehen. Auf der hinteren Fläche ist sie von schwarzer Farbe *). Diese schwarze Farbe ist übrigens nur durch den Ueberzug von schwarzem Pigmente gegeben, nach dessen Entfernung die hintere Fläche weiss erscheint und auch die vordere Fläche lichter wird.
sect;. 86.
Die hintere, gegen die vordere Linsenkapselwand gekehrte Fläche der Iris, die Traubenhaut, Tunica uvea, hat ein dunkel­braunes , selbst schwarzes, sammtartiges Ansehen und zeigt kleine, gegen die Pupille hin gerichtete Falten. Sie bestheht aus Pigment­zellen. Diese liegen dicht aneinander und bilden ein festgefügtes durchsichtiges, einer serösen Membran ähnliches Ganze, das aus pflasterformigen Zellen besteht (die nach Pappenheim nur junges Pigment ohne dunkele Körner sind) und eine ziemlich feste Structur hat. Die Pigmentzellen gruppiren sich hier sonach dicht aneinan­der, liegen nicht locker vereinzelt, leicht sich trennend beisammen, sondern als gefügte Membran **).
sect;• 87.
Man thcilte bisher die Eegenbogcnhaut gewöhnlich in zwei Blätter, wovon die vordere, der Hornhaut zugekehrte Fläche als das vordere Blatt oder die eigentliche llegenbogenhaut (iris poprie sic dicta) und die hintere der Linse zugekehrte Fläche als das hintere Blatt oder Traubenhaut (uvea) gelten. Gegen diese anatomische Theilimg hat namentlich Arnold Einsprache erhoben, so viel Begründung dieselbe auch für sich haben mag, so ist doch diese künstliche Theilimg in Bezug auf die pathologischen Zustände dieser Membran unentbehrlich.
sect;. 88.
Die Substanz der Iris ist weich, schwammig und locker; ihre Grosse ist bei verschiedenen Thiergattungen abweichend, im Ka­tzenauge hat sie die grösste Ausdehnung.
Ihre vordere Fläche, die eigentliche Eegenbogenhaut, ist, wie bereits oben schon gesagt, mit einer serösen Haut, der Haut der wässrigen Feuchtigkeit, überzogen; ihre hintere Fläche aber wird mit einer Schichte schwarzen Pigments überkleidet, unter welcher die sogenannte Traubenhaut, eine Fortsetzung der Aderhaut liegt.
sect;. 89.
Die ovale Oeffnung in derselben befindet sich in ihrer Mitte,
*) Schwab, Lehrbuch der Anatomie der Ilausthiere.
**) Anatomie und Physiol. der Iris von v. Animon. Im Journal für Chi­rurgie und Augenheilkunde von Walther und v. Ammon. 31. Bd. Berlin. 1843.
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Anatomie der Gesiclitswerkzcugc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;47
besitzt Contractions- und Expansions vermögen und wird Sehe, Schcloch oder Pupille (Pupilla) genannt.
sect;. 90. Bei mehreren Säugethicren, Hunden, Katzen u. s. w. ist nach der Geburt das Seheloch mit einer dünnen, nach Manchen zweischichtigen, mit einem Gefässnetze versehenen Membran, dem Augenstern- oder Lichtlochhäutchen (Membrana pupillaris) noch auf einige, meist 8 — 9 Tage geschlossen. Erst mit Vollen­dung des ganzen Organismus, somit auch des Auges, bildet sich die Pupille durch eine Contraction der Iris und durch ein Heraus­bilden von dem Mittelpunkte nach der Peripherie: so dass in dem Moment ihrer ersten Thätigkeit sich mit ihrer Masse nun auch die Gefässe derselben nebst den Ciliamerven zurückziehen und die Pupille entsteht. In der früheren Bildungsperiode existirt also eine Iris ohne Pupille *).
sect;• 91. Die bei den Säugethicren überhaupt ovale Pupille, doch mit umgekehrter Richtung, ist bei den Wiederkäuern und einigen anderen grasfressenden Thicren mit gespaltenen Klauen ho­rizontal-oval, so dass der längste Durchmesser mit den Augen­winkeln parallel ist, wie z. B. bei dem Schaafe, Pferde, Och­sen und Esel; bei den fleischfressenden u. a. Raubthie-ren dagegen perpendiculär-oval oder den Längcndurchmcsscr beider Augen durchschneidend. Das Katzengcschlecht hat eine längliche, sowie andere Thierc, welche schärfer bei Nacht sehen, eine den Tag über mehr verengerte, aber zur Nachtzeit sehr er­weiterte und ungemein bewegliche Pupille haben. Im Stadium ih­rer grössten Erweiterung nimmt sie eine fast runde Form an. Die Bewegung der Iris, welche der Richtung der Ciliarnerven zu folgen scheint, ist überhaupt bei den Säugethicren centripetal **).
• Im Katzenauge erscheint die Iris am vollkommensten, hat eine sehr grosse Flüche und ist -weit mehr nach dem Hintergründe des Auges gerückt, als bei den übrigen Thieren, ihre Form ist die ovale, aber in entgegengesetz­ter Richtung. Ihre sonst gewohnliche glatte und ebene Vorderfläche ist hier wie beim Hasen, schön gestreift, fast wie gefaltet. Die Entfernung, in wel­cher die Fiebern, auf ihrer sonst runden Ilinterfläche verschwinden, ist hier, statt nach den Winkeln der Pupille zu, nach oben und nach unten geringer und nach den Augenwinkeln hin, grosser an beiden Seiten. Von der beinahe kreisförmigen Beschrankung der Fibern oder vielmehr Streifen der Uvea er­streckt sich die Iris von den beiden Augenwinkeln her, als eine sehr zarte Membran, nach dem Centrum der Pupille hin, verengt diese also von beiden
*) S. Kieser, in Ilimly's und Schmidt's ophthalm. Biblioth. IL S. 119. u. Schreger, vergleich. Anatomie des Auges. S. 7!). **) Schreger, a. a. O. S. 84.
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Anatomie der Gesiehtswcrkzeuge.
Seiten und gibt ihr so die perpcndiculür-ovale Form. Der innere Irisrand ist hier ganz glatt, rein und weit dünner. An ihrer Hinterfläche, oder sogenann­ten Traubenhaut, bemerkt man nicht weit von dem Lichtloch einen ovalen, beim Pferde 2—3 Linien vom Irisrande entfernten Kreis, welcher durch die Begrenzung der sternförmig laufenden Fibern der Uvea gebildet wird, die am spatesten, später als die Ciliarfortsätze, zum Vorschein kommen. Sie er­heben sich bei den einzelnen Species dieser Thierklasse verschiedentlich und fallen dann mehr ins Auge, verschwinden aber nie ganz, so, dass die Uvea, wie bei den Vögeln, homogen erscheint. Am deutlichsten sind sie bei der Gemse und dem Steinbocke und zwar hier getrennt von der Uvea; schwä­cher schon beim Hirsche, Eehe, Schaafe, Pferde und noch schwächer beim Ochsen. In die Zwischenräume der Fibern senkt sich, so wie in jene der Ciliarfortsätze, das schwarze Pigment. Da der innere Rand der durch diese Fibern gebildeten Fläche weit ovaler ist, als der äussere, so ist auch die Länge der Fibern selbst verschieden; breiter ist die Fläche nach oben und unten, als nach den beiden Augenwinkeln zu und am schmälsten in dem Nasen­winkel. Durch die Cornea erscheint die Iris in umgekehrter Form an den Augenwinkeln breiter, als nach oben und unten, weil nach der letzten Rich­tung die Sclerotica weiter hervortritt und die Cornea schwindet. Von diesem, durch die Fibern der Iris gebildeten Kreise dehnt sich diese weiter nach dem Mittelpunkte als eine dünne, nach abgewaschenem schwarzen Pigmente, mit der Rückseite durchscheinende Membran aus. Auf dieser ganz einförmigen Rück­seite unterscheidet man blos die sanften Hervorragungen der sich um die Oeff-nung des Lichtloches zusammendrängenden Gefässe. Dieser Rand ist bei den verschiedenen Thieren dieser Klasse verschiedentlich gestaltet; so verlängert er sich beim Schaafe in zwei von oben nach unten in die Pupille sich sen­kende lappenähnliche Fortsätze, welche an der Vorderseite gefaltet sind. Das Lichtloch verliert hierdurch ganz seine ovale Form und erscheint bisweilen dop­pelt, wenn die beiden Fortsätze der Ränder sich in der Mitte berühren und nur nach den beiden Augenwinkeln eine Oeffnung lassen. Am stärksten ist dieser verlängerte Rand beim Ochsen und verkleinert sich beim Schaafe, ganz fehlt er beim Pferde, wo der innere Irisrand vollkommen oval ist. Da­gegen senken sich bei allen Säugethieren mit horizontal-ovaler Pupille, am voll­kommensten beim Pferde, von dem oberen Irisrande, bei einigen auch vom untern, doch nie in der Vollkommenheit, wie vom obern, eine Menge Blutge-fässe in keulenförmige Nervenendigungen in die Pupille herab, welche verschie­dene, bei jedem Individuum an Zahl ungleiche, Bündel bilden. Beim Pferde z. B. entspringen sie nach Kieser eine halbe Linie über dem inneren Rande der Iris an ihrer inneren Fläche, 10 —12 an der Zahl, und man bemerkt deut­lich ihre Fortsetzung höher hinauf an derselben Fläche, durch die grössere Dicke der Iris an dieser Stelle. Von da, wo sie zuerst an der Innenseite der Iris erscheinen, laufen sie oberflächlich, nur schwach durch Zellstoff mit der Irissubstanz verbunden in einer nach dem Mittelpunkte der Pupille geneigten Richtung, gehen dann in die Pupille über, wo sie sich durch häufige Anasto-mosen zu einem netzförmigen Bündel vereinigen, von welchem einzelne Gefäss-enden herabhängen. So wie sie von dem Irisrande herabsteigen, breiten sie sich nicht allein in der Richtung der Iris aus, sondern auch nach der Irisaxe, so dass die von ihnen gebildeten Bündel beim lebenden Thiere, wo sie mit schwarzem Pigment durchzogen sind, wohl viermal dicker, als der anstossende Irisrand sich darstellen; #9632; der innere Irisrand bleibt ganz frei und behält seine ovale Form. Von ihrem schwarzen Pigment können sie nur durch eine starke Maceration befreit werden und sehen dann wie schwarze traubenähnliche Fort-
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Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
4it
sätzc aus. Beim Pferde sind diese sogenannten Trauben oder Trauben-körncr von unbestimmter Zahl; oft findet man um- zwei, oft drei bis vier,
Fig. XXX.
Pferde a ufre.
c. Regenbogenhaut, d. Pupille, e. Schwämmchen oder Traubenkörner. von ungleicher Länge und Dicke, letztere oft von einer Linie, mit unebenem Kande, je nachdem die Endigungen der Gefässbündel sich tiefer in die Pupille senken oder nicht. Am grössten sind sie beim Pferde, wo der obere und un­tere Irisrand gar nicht hervortritt und die vollkommen ovale Form der Pupille bleibt; kleiner und schwächer, so dass sie schon beim lebenden Thiere sich lostrennen und als schwarze in der wässerigen Feuchtigkeit schwimmende Flöck-chen erscheinen, findet man sie beim Schaafe, wo sie an beiden sehr weit in die Pupille hineintretenden Rändern der Iris oft 10 — 12 an der Zahl sieh vor­finden. Fast ganz verschwinden sie hingegen und sind blos durch kleine Knöt-chen am oberen Irisrande angedeutet, beim Ochsen, wo die Ränder der Iris am weitesten sich in die Pupille hinein erstrecken.
Am veränderlichsten zeigt sich die Regenbogenhaut bei Säugethieren in ihrem Farbenspiele, häufig findet man sie grün bei der Katze, bei andern schwarz. Bei allen nicht schwarzäugigen Thieren sah Zinn den inneren Kreis der Iris immer dunkler. Gefleckte Hunde, Schaafe, Pferde u. s. w. haben sehr oft auch eine fleckige Regenbogenhaut. Die bekanntlich blass-rosenrothe oder lichtblau-röthliche Iris der weissen Spielarten unter den Pferden u. s. w. ist sehr zart und fast wie durchsichtig. Uebrigens gibt es auch weissgeborene Pferde mit schwarzer Iris *).
sect;. 92. Die Frage über die Structur der Iris ist heute noch nicht ent­schieden; dass Blutgefässe und Nerven einen wesentlichen Theil
*) Schreger a. a. O. S. 79 u. ff.
Müller, Veterinär-Oplilhalraologic. I.
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so
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derselben abgeben, ist allgemein anerkannt und nachgewiesen, ob sie aber contractile Fasern, namendich Muskelfasern, Quer- und Radial-Muskelfasern enthalte, oder ob am Pupillarrande sich nach Travers*) und Jennings**) ein Schliessmuskel befinde, sowie ob diese Muskelfasern, wenn wirklich vorhanden, nach Jacob***) an der inneren oder äusseren Fläche der Iris liegen, bleibt immer noch Gegenstand weiterer Forschung. Arnold tritt deren Annahme entschieden entgegen, indem er am a. O. S. 73. sagt:
„Bei dieser grossen Verschiedenheit in den Ansichten vorzüg­licher Beobachter über das Vorhandenseyn, die Natur und das Ver­halten von Fasern in der Regenbogenhaut war ich ganz besonders bemüht, mir mit Hülfe des Mikroskops über den Bau dieser Mem­bran Aufhellung zu verschaffen. Ich untersuchte die Regenbogen­haut ganz frisch und macerirt, uneingespritzt und injicirt, bei schwacher und bedeutender Vergrösserung, bei weniger und starker Beleuchtung, besonders aber, ohne an die Existenz von Fasern zu glauben und daran zu zweifeln. Legt man eine ganz frische, nicht injicirte, vom Pigment gehörig gereinigte Iris unter das Mikroskop bei 30, 48 und 70maliger Vergrösserung im Durchmesser, so zeigt sich uns dieselbe als eine aus Zellgewebe gebildete Membran, in der man zahlreiche, von dem äusseren nach dem innern Rande ge­schlängelt verlaufende Fasern wahrnimmt, die bei sorgfältiger Prü­fung bestimmt als Gefässe erkannt werden. Ausser ihnen und den Fädchen, die nichts anders als die Zweige der Ciliarnerven sind, konnte ich nie etwas anderes bemerken, was als eine Faser ange­sprochen werden dürfte, wie sie von vielen Anatomen beschrieben und von Home so deutlich abgebildet worden ist.quot;
„In dem grössten Theile der Regenbogenhaut, von dem äusseren Umfange bis nahe zum Pupillarrande, ist das Zellgewebe, welches in die Bildung der Iris eingeht, ziemlich dünn, locker, schwammig und bildet an mehreren Punkten der vordem Fläche grössere und kleinere Maschen, an dem inneren Rande aber sammelt es sich an, drängt sich zusammen, wird dichter und gestaltet sich zu einem vollkommenen Ringe um, der eben jenen Rand bildet. Bei aller Mühe, die ich auf diese Untersuchung verwandte, war es mir nicht möglich, Kreisfasem zu erkennen, wie sie so viele gesehen haben wollen. Die Regenbogenhaut besteht also aus zahlreichen Ge-fässen, vielen Nerven und aus contractilem Zellgewebe, das an der
*) Hamburger Magazin der auslandisclien Literatur der Heilkunde. Bd. IT. S. 425.
**) Frorieps Notizen. Bd. 21. S. 133 ff. ***) Mod. Chirurg, transact. Vol. XII. p. 509 ff.
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Pupille einen ununterbrochenen Ring bildet. Schneidet man die Iris von einem Kande zum andern durch und bringt sie so unter das Mikroskop, dass man die Dicke der Substanz dieser Membran aussen, in der Mitte und innen gehörig ermessen kann, so sieht man die beträchtliche Ansammlung des Zellgewebes an dem Pupil-larrande, die sich nur bei solcher Vergrösserung als eine Wulst darstellt; in der Mitte aber scheint die Substanz etwas dünner, als an dem Ciliarrande.quot;
sect;.93. Das Schlagadergeflechte der Regenbogenhaut entspringt aus den hinteren und vorderen Ciliarschlagadern.
sect;.94. Die längeren Aeste der hinteren Ciliarschlagadern (arteriae ciliares posticae) durchbohren in schiefer Richtung, wie oben schon angegeben, zu zwei, jederseitig eine, den hinteren Theil der Sclerotica, an deren innerer Fläche in dem, die Sclerotica mit der Chorioidea verbindenden, Zellgewebe sie gerade gegen das Strahlenband, von welchem bedeckt sie sich in zwei spitze Winkel theilen und in zwei grossen Aesten über die Iris, der eine Ast nach oben, der andere nach unten weggehen, sich beiderseitig begegnen und in vier Zweigen in den grösseren Kreis der Iris endigen.
sect;. 95. Die vorderen Ciliarschlagadern (arteriae ciliares anticae) treten durch die Sclerotica an ihrem vorderen Theile und ziehen auf deren vorderer Fläche zum Umfange der Iris hin, wo sich jede
Fig. XXXI.
Pferdeaugo in natürlicher Grosse.
Fig. XXXII. Pferdefötus-Auge in natürU-cher Grosse.
2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1
a. a. der Faltenkranz, b.b. ein Theil der Aderhaut. 1. Die Arterien der Kegenhogenhaut, ausgedehnt über 2. die Pupillarhaut.
a. Pupille, b. Schwainmohon, c. c. Aderhaut, d. d. Faltenkranz mit der Verzweigung der Ci-liararterien, e. e. Arterien der Regenbogenhaut.
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in zwei Seitenäste theilt, in deren Mitte die meisten einen mittleren Ast abgeben, der den Stamm gerade zur Pupille fortsetzt, und welche, sich aneinander anschliessend den grossen geschlängelten Kreis, (circulus arteriosus iridis major) formiren, zu dessen äusse-ren Seiten die vier längeren, in kleinere Aeste der hinteren Ciliar-arterien treten und damit sich verbinden. Nur wenige kleinere Aeste gehen zur Aderhaut zurück, viele hingegen gehen unter sich verflochten zur Pupille, andere laufen in ganz geradem Wege gegen dieselbe oder bilden in gegenseitiger Verschlängelung Bogen um sie, die man den kleineren Kreis (circulus minor) nennt, der übrigens unvollständig ist, da nicht sämmtliche Bogen untereinan­der verbunden sind. Aus diesem kleineren Kreise gehen ebenfalls Aestchen zum Pupillarrande.
Auch einige kleine Aeste von den Ciliararterien, welche die Sclerotica hinten durchbohren, die nicht in die Processus ciliares gehen, kommen aus der Aderhaut zur Iris.
sect;. 96.
Die Ciliarvenen, venae ciliares, haben mit den Schlagadern ganz gleichen Verlauf, nur formiren die vordem Ciliarvenen keinen Ciliarcirkel. Auch einige Zweige der vasa vorticosa bemerkt man auf der Iris. — Jede derselben ist von einem Nervenzweige be­gleitet.
sect;• 97.
Die Nerven der Kegenbogenhaut, oder die Ciliar-nerven (nervi ciliares), (S. Fig. XXXIII. f.), entspringen von
Fig. XXXIII.
Pferdeauge.
dem ersten Aste des fünften
Paares, dem dritten Hirnnerven und dem Gangliennerven und dringen zu edichen und zwanzig in die Sclerotica, theils nahe am Sehnerven, theils etwas hinter ihrem grössten und Querdurch­messer, laufen einige Linien in dieser fort und setzen sich zwi­schen dieser und der Aderhaut weiter fort, theilen sich spitz­winkelig an der vorderen Fläche der Iris, jeder in zwei Aeste, gehen auf der vorderen Fläche der Aderhaut und unter dem Strahlenbande weg und treten auf die vordere Fläche der Iris, wo sie in Ansehen und Gestalt
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weisser, zusammenstrahlender Fasern und Ganglien sichtlich wer­den und gegen den kleinen Kreis der Iris hin, sich erstrecken.
Auf der Iris haben die Nerven verhältnissmässig die grösste Entwickelung und Anzahl. Auch sind sie als eine selbstständigc Nervenparthie anzusehen, da sie gar keine Zweige anderswohin abgeben. *)
XII. Die beiden Augenkammern, (Camerae oculi); die Wasserhaut, (Membrana humoris aquei) und die wässrige Feuchtigkeit (Humor aqueus).
sect;. 98.
Augenkammern nennt man die von der coneaven Fläche der Hornhaut von vornen, von der convexen der Krystalllinse von hin­ten und seitlich von dem freien Theile der auswendigen Fläche des Ciliarkörpers gebildeten, durch die beiden freien Flächen der Iris getrennten aber durch die Pupille communicirenden und mit einer wässrigen Feuchtigkeit angefüllten, Eäume.
sect;. 99.
Diese werden nach ihrer Lage und Gestalt in die vordere (camera oculi anterior) und hintere (camera oculi posterior) ge-theilt. Ihre Grosse ist verschieden bei den verschiedenen Thiergat-tungen und relativ nach der Grosse des Auges, und hauptsächlich bedingt durch den mehr oder weniger convexen Bau, sowie durch die Ausdehnung der Hornhaut und der Eegenbogenhaut. Im Allge­meinen aber ist die vordere Augenkammer grosser, als die hintere, indem der Abstand der Iris von der Hornhaut ein weit grösserer ist, als jener von der Iris und der Linse.
. sect;• 1?0-. Beide Augenkammern sind mit einem sehr dünnen, durchsich­tigen, dichten Häutchen überzogen, welches eines Theils die Be­stimmung hat, die wässrige Feuchtigkeit abzusondern und aufzu­saugen und anderen Theils den unterliegenden Gebilden zum Schütze zu dienen. Man ist geneigt, die Function der Absonderung jener Parthie, welche die Iris zu beiden Seiten überzieht, sowie jener.
*) Mcckel a. a. O. Hildcbraml a. a. O.
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S-inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Anatomie der Gesiclitswerkzeuge.
welche die convexeLinsenfläche bedeckt, zuzulegen und der, wel­che die innere Fläche der Hornhaut umkleidet, die Function der Aufsaugung zuzurechnen.
sect;. 101. Die wässrige Feuchtigkeit (humor aqueus) ist eine völlig freie, durchsichtige, farblose und reinem Wasser gleiche Flüssigkeit.
Nach Berzelius enthält die des Ochsen in 100 Theilen: 1,15 Kochsalz mit geringer Spur von Alkoholextract, 0,75 extractartige, nur in Wasser lösliche Materie, 98,10 Wasser, Eiweiss; aber kaum eine Spur.
Bei dem Katzengeschlechte enthalten die Augenkammern sehr viel wilssrige, aber wenig gläserne Feuchtigkeit, so dass letz­tere ersterer kaum gleichkommt.
XIII. Die Krystalllinse, der Krystallkörper, (Lens crystallina, corpus crystallinum).
sect;. 102. Die Krystalllinse liegt mit ihrer hinteren Fläche in einer, an der vorderen Fläche des Glaskörpers, bei-Fis: XXXIVnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;nahe in der Axe des Auges und etwas seit-
lich gegen die Nasenseite hin befindlichen, runden, flach convexen Vertiefung; mit ih­rer vorderen ragt sie in die hintere Augen­kammer und gränzt an die Regenbogenhaut. Nahe an ihrem Umfange wird sie von dem Ciliarkörper und dem Strahlenbändchen be­deckt, wo sich letzteres befestigt und die Ci-a. Glaskörper, b. Linse in liarfortsätze lose auf ihr liegen, während der natürlicher Grosso aus dem übrige Theil ihrer vorderen Fläche frei liegt Auge emes Pferdefötus, yj^j von foj. wässrigen Feuchtigkeit umspiüt wird.
sect;. 103. Die Linse ist ein völlig durchsichtiger, rundlicher und weicher Körper, dessen vordere und hintere Fläche convex sind, sich an ihrem Umfange begränzen und einen kreisförmigen Hand bil­den. Ihre vordere Fläche ist im Allgemeinen convexer, als ihre
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Anatomie der Gesiclitswerkzeuge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; So
hintere, jedoch in verschiedeneu Thiergattungen abweichend. Durch ihre Form gleicht sie einer Linse oder einem convex-convex ge­schliffenen Vergrösserungsglase.
Der kleinere Durchmesser der Linse geht vom Mittel­punkte der vorderen Fläche zu jenem der hinteren und bildet die Axe der Linse, der grössere Durchmesser derselben ist eine gerade, von einem Punkte im Kande der Linse zu einem andern gezogene und die Axe derselben durchschneidend, gedachte Linie.
_ sect;. 104.
An der Linse unterscheidet man die, sie umhüllende Kapsel, (capsula lentis), und ihre eigentliche Substanz. Dieser, die eigent­liche Linsensubstanz gleichmässig und durchaus frei umhüllende und überall geschlossene Behälter, besteht aus einer durchsichti­gen, farblosen Haut, welche an der vorderen Fläche der Linse dicker ist, am Eande dünner wird und an der hinteren Fläche am dünnsten ist, wo sie sich mit der Glashaut so fest verbindet, dass sie nur durch Maceration getrennt werden kann.
sect;. 105. Den zwischen der Linsenkapsel und Linsensubstanz gelassenen freien Raum füllt eine gleichfalls durchsichtige, dünne Flüssigkeit, die Morgagnische Flüssigkeit (Liquor Morgagni) aus.
sect;• 106-Die eigentliche Krystalllinse, Lens crystallina proprie
sic dicta, sive humor crystallinus, behält, von ihrer Hülle befreit, ganz die oben angegebene Form und Gestalt, besteht aus einer aussen weichem Masse, der sogenannten Rinde und aus einer fe­stem, innen befindlichen Masse, dem Kerne der Linse, nucleus lentis.
sect;. 107.
Die Gesammtmasse der Linse besteht aus einem eiweissartigen Stoffe, der beim Kochen in reinem Wasser hart, undurchsichtig und weiss wird und sich in mehrere äusserst dünne, concentrisch auf einander liegende Blätter scheidet, welche durch die, zwischen ihnen verlaufende Fasern zusammengeheftet sind und zugleich selbst aus, nach der Peripherie verlaufenden, Längefasern bestehen und sonach das Gefüge der Linse als blätterig faserig darstellen.
Durch Maceration oder mit Säure behandelt, theilt sich der Körper der Linse von aussen nach innen in mehrere dreieckige Abschnitte, deren Spitzen in dessen Mitte sich berühren und ihre breitere Grundfläche nach aussen richten.
Arnold*) gelangte durch seine Untersuchungen zur Gcwissheit, dass die
•) a. a. O. S. 119 u. ff.
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8(5nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
Linse aus einer grossen Menge von Canalen zusammengesetzt sei, welche mit Lymphgefässen eine nicht zu verkennende Aehnlichkeit hätten, und es unter­schieden sich aber diese Canäle, welche er als Saugadern der Linse betrachtet, von den Lymphgefässen in den übrigen Organen durch eine gewisse Unregel-mässigkeit der Anordnung. Er resumirt die verschiedenen und oben angege­benen Ergebnisse der Untersuchungen Anderer in Verbindung gebracht, mit den seinen dahin, indem er sagt: „Demnach wäre also die Linse gebildet durch eine unzählige Menge von höchst dünnen und zarten in einander geschlossenen häutigen Kapseln, deren Wandungen durch zahlreiche netzartig sich verbin­dende Lymphgefässe constituirt sind, ein Organ, welches wie die Hornhaut durch diese Gefässe in seinen Form-und Mischungsverhältnissensich erhält, in­dem es die von der Kapsel abgesonderte Feuchtigkeit aufnimmt und wieder von sich gibt, sowie eine Zwiebel in viele übereinanderliegende Häute sich zerlegen lässt, indem man unter dem Mikroskope eine Menge von saftführenden verlän­gerten Zellen wahrnimmt, die wohl in ihrer Bildung den Uebergang zu den Saftgefässen der Pflanzen machen; eben so besteht die Linse aus zahlreichen feinen, geschlossenen Membranen, die in ihren Wandungen sehr viele Gefässe erkennen lassen, welche wir gern als die einfachste und [niedrigste Form des Lymphsystems im menschlichen Organismus bezeichnen möchten. Es scheint, wie wenn diese Gefässe zunächst aus der ursprünglichen organischen Masse als die niederste Form der Saugadern hervorgegangen wären. Sowie forner die Zwiebel in sich die Verrichtungen des Blattes, der Wurzel, des Stengels unter der Form der Wurzel vereinigt, so ist die Linse ein Gebilde, welches ohne besondere und getrennte Organe, Stoffe aufnimmt und von sich schiebt und sich auf die allereinfachste Weise ernährt. Sowie endlich bei den Zwiebeln die erste Ernährung und Belebung des in dem Zwiebelkuchen ruhenden Kei­mes mit von den Zwiebelsohuppen ausgeht, so ist bei dem Krystallkörper die Bildung, das Wachsthum und das Bestehen abhängig, und bedingt durch die gefässreiche Kapsel.quot;
Auch Fontana glaubte absorbirende Gefässe in der Linse wahrgenommen zu haben.
sect;. 108. Die Linse löst sich in Wasser, bis auf eine geringe Menge häutiger Substanz; ihre chemischen Bestandtheile sind:
Wasser.................58,0
Eigenthümliche Substanz...........35,9
Salzsäure, milchsaure Salze und thierische Substanz, in
Alkohol auflöslich .......... 2,4
Thierische, nur in Wasser lösliche Substanz nebst einigen
phosphorsauren Salzen......... 1,3
Uebrig bleibende häutige Substanz........___ 8,4
100^57 sect;. 109. Die Linsenkapsel erhält Blutgefasse von der Centralarterie und von den Gefässen des Strahlenkranzes.
Zweige der Centralarterie dringen durch den Glaskörper und gelangen durch ihn in die Grube für die Linse, laufen hinter die­ser gegen den Kand des Glaskörpers, schlagen sich dann um und
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Anatomie dor Gesichtsweikzouge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 57
laufen über die Linsenkapsel gegen innen weg, kreuzen sich in
deren Mitte und verlängern, ihre Endigungen oft über denLinsen-
¥'lt;t xxxvnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;rand zur vorderen Fläche der Kapsel, andere
durchbohren dieselbe und setzen sich in die
Linsensubstanz fort.
Die von den Gefässen des Strahlenkran­zes zur vorderen Fläche der Linsenkapsel tre­tenden Arterienzweige verbinden sich mit den Endigungen der Centralarterie zu einem Kranze, welcher um die Peripherie der Lin-Linse und Glaskörper genkapSel läuft. Be;m geborenen Thiere sind
aus einem Pferdefötus- ,. *„ „..nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;0, . . nnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1 ,-,
äuge. 1. Centralarterie, 2. diese Gefasse nur schwierig darzustellen, Verzweigungen, a. Glas- auch nicht sichtlich, da sie kein Blut oder korper, b. Krystaiuinse. nur Kügelchen davon zu enthalten scheinen.
Will man sich von der Gegenwart der Blutgefässe überzeugen, so nehme man ganz frische Avigen eines Kuhfötus aus dem 3gt;—4ten Monat und unter­suche diese unter dem Mikroskop, wo man dann in den durchsichtigen glas­hellen Theilen, in denen man mit blossen Augen keine Blutgefässe zu bemer­ken oder in denen man nur hie und da einen rothen Punkt zu sehen vermag, eine Menge von Gefässen, die zahlreiche, theils gefärbte, theils ungefärbte Blutkörnchen in sich schliessen, wahrnimmt (Arnold).
sect;. 110. Blutadern der Krystalllinse rermochte man noch nicht be­stimmt darzustellen, übrigens kennt man solche, welche an der hin­teren Fläche der Linsenkapsel verlaufen und sich in die Blutadern der Aderhaut senken, zu welchen sie auf der äusseren Fläche des Strahlenblättchens treten.
Arnold*) machte die Entdeckung, dass diese Gefasse nicht in der Sub­stanz der Linsenkapsel selbst, sondern auf ihr verlaufen, indem dieselben sich sehr leicht abstreiften, ohne die Kapsel zu verändern und gelangte nach seiner Beobachtung zur Ueberzeugung, dass die Linsenkapsel aus zwei Häuten be­stehe, von welchen die äussere eine aus Zellgewebe gebildete und von zahlrei­chen Blutgefässen durchzogene Membran ist, die innere aber, als seröse Haut keine Blutgefässe besitzt. Wir unserer Seits glauben uns nach unsern Unter­suchungen zur Annahme berechtigt, es sei dies nicht eine eigentliche Membran, sondern nur eine dünne Schicht Zellgewebes, welches gleich dem, der Linse und dem Glaskörper zur Verbindung dienenden, zu betrachten seyn dürfte.
sect;. 111.
In der serösen Umkleidung der Linse beobachtete Arnold nach Hin wegnähme des Gefässnetzes ein äusserst feines Netz von Saug­adern. Nerven hat man weder in der Linse, noch in ihrer Kapsel wahrgenommen.
*) a. a. O. S. 111.
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Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
sect;. 112.
Im Allgemeinen steht die Convexität der Linse im umgekehrten Verhältnisse mit der Hornhaut und folglich ihre Dicke eben so mit der wässrigen Feuchtigkeit. Beim Pferde, Rinde, Hunde, der Katze u. a. ist die Linse vorn platter und hinten gewölbter. Die Linse des Pferdeauges berührt die Uvea und ragt aus der Pu­pille ein wenig vor. Beim Hundeauge befindet sich die Linse fast in der Mitte des Augapfels gleichweit von der Hornhaut und dem Grunde der Retina. Im Katzenauge befindet sich die Linse im grossen Mittelpunkte des Auges und obwohl dieselbe fast ku­gelig ist, so hat sie einen weit convexeren und grösseren vorderen Theil, als der hintere ist.
sect;. 113.
Sehr verschieden sind auch die Durchmesser der Linsen.
Beim Schaafe findet man das Verhältniss ihrer hinteren Con­vexität gegen die vordere B1/^ beim Ochsen 41/2; denBogensinus ihrer vordem Convexität beim Ochsen 0,189, der den hintern 0,266.
sect;. 114.
Das Gewicht der ganzen Linse beim Ochsen verhält sich nach Monro gegen jenes vom Wasser wie 1104 : 1000; ihre Schaale wie 1070 und ihr Kern wie 1160 zu 1000. Nach Chenevix ist sie 30 Gran schwer. Das specifische Gewicht derselben aus Schaafs-augen beträgt nach ebendemselben 11000, aus Ochsenaugen 10765.
sect;. 115.
In den meisten Thierlinsen laufen die Strahlen vom Mittel­punkte aus gegen den Rand. Das Verhältniss dieser Strahlen im Vordertheile der Linse des Ochsenauges gegen jenes im Hinter-theile fand Monro einen Zoll in 40 Theile getheilt, wie 21 zu 15.
sect;. 116.
Bei allen Vierfüssern sah Haller vor der Linse die Glasfeuch­tigkeit auf allen Seiten hervortreten, so dass jene in dieser, wie in einem tiefen Grübchen liegt.
XIV. Der Glaskörper, (Corpus vitreum).
sect;. 117. Den hinteren und grössten Theil der Hohle des Augapfels füllt der, nach seiner Farblosigkeit und Durchsichtigkeit benannte Glaskörper aus. (S. Fig. XXXVI a.). Derselbe hat eine runde,
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doch nicht völlig kugelige Gestalt und an seinem vorderen Theile eine entsprechende Grube zur Aufnahme der hintern convexen Fig. XXXVI.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Fläche der Krystalllinse.
Er besteht aus der sogenannten Glas­feuchtigkeit (humor vitreus) und aus der, dieselbe einschliessendenMembran, der Glas­haut (membrana hyaloidea s. vitrea), welche sich zugleich in die Glasfeuchtigkeit fortsetzt und diese in einzelne Zellen einschliesst. Aus dem Auge eines Pfer- welche Fortsetzung man als Zellhaut (mem-defötus a. der Glaskörper, |3rana cellularis corporis vitrei) zur Unter-
b. die Krystalllinse, 1. die , . tnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;j .-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;tt-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i /nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;i
Centraiarterie, 2. deren Scheidung von der ausseren Kapsel (membrana Verzweiguiignbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;capsularis corporis vitrei) näher bezeichnet.
sect;. 118.
Der Theil der Glashaut, welcher dem Glaskörper seine äusserc Hülle gibt, oder die tunica capsularis, schlägt sich da, wo der Seh­nerve in's Auge tritt, in sich selbst zurück, um einen Canal, der von hinten nach vorne durch den Glaskörper geht und einen Ast der arteria centralis retinae aufnimmt, zu bilden.
Ihn nennt Jules Cloquet „Canalis hyaloideus.quot; Denselben sah Arnold an Thier- und Menschenaugen häufig, Wanzel, *) so wie Sömmering **) fanden ihn sowohl in den Kalbs, als Schaafs-und Schweinsaugen. Am frischen Glaskörper kann man ihn nicht wahrnehmen, sondern nur das helle Köhrchen erkennen, wel­ches als ein Ast der Centraiarterie durch den Glaskörper zieht. An Augen dagegen, die in Weingeist gelegt sind, sieht man den Canal im Glaskörper leicht und hier fällt es nicht schwer, sich von dem Vorhandenseyn desselben zu überzeugen. Martegiani ***) hat den Umfang dieses Canals als einen eigenen leeren Raum zwischen dem Glaskörper und der Netzhaut beschrieben und diesen seinem Vater zu Ehren „area Martegianiquot; genannt. Dieser Kaum existirt, wie natürlich, in dem lebenden Auge nicht, sondern wird erst dadurch gebildet, dass beim Herausnehmen des Glaskörpers die Centraiar­terie abreisst und dabei ein Stückchen derselben aus dem Canal und Glaskörper herausgezogen wird |).
sect;. 119.
Die Glashaut ist eine höchst feine, sehr dünne und zarte Mem­bran, dünner und feiner als eine andere Haut des Auges oder übri-
*) A. a. O. S. 179. **) Med. Chirurg. Zeitg. B. 3. S. 382. ***) Novae obss. de oculo. humane. Neap. 1814 p. 19. t) Arnold a. a. O. S. 97.
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I
60nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
gen Körpers. Sie ist frei von irgend einem andern Gefüge; weder Canalchen für Blut oder Lymphe noch Nerven lassen sich in der­selben entdecken.
Die von der Glashaut und in den, von derselben gebildeten Zellen eingeschlossene Flüssigkeit ist wässerig, völlig durchsichtig und farblos und in der Hitze nicht gerinnbar. Sie fliesst bei vor­sichtiger Eröfihung der Kapsel nicht sogleich ganz aus, da sie in den Zellen zurückgehalten wird; dabei scheint es übrigens doch, dass diese Zellen unter sich communiciren, da aus einer OefFnung die Kapsel sich doch allmälig ganz entleert. Lässt man diese Flüs­sigkeit gefrieren, so gelingt es, die einzelnen Zellchen sichtlicher darzustellen. Sie erscheinen dann im Umfange grosser als innen und gegen die Linse zu, und lassen wahrnehmen, dass die zarten Wände der einzelnen Zellen hinten geräumiger, vorn enger sind und alle so zu einander liegen, dass sie nach dem hinteren Umfange der Linse gewandt sind und um diese herum eine Vertiefung lassen, welche man die fossa hyaloidea nennt.
sect;. 121. Vennischt man, fagt Berzelius, die Substanz des Glaskör­pers mit Alkohol, so wird sie oberflächlich milchig, erhält sich aber unter der Glashaut durchsichtig. Allmälig wird diese jedoch durch­drungen, der Alkohol nimmt nach und nach das Wasser in sich auf und der Glaskörper zieht sich zusammen. Bringt man den frischen Glaskörper in warmes und siedendes Wasser, so zieht sich die Glashaut zusammen und presst die Flüssigkeit aus, die Flüssigkeit aber bleibt durchsichtig. Bringt man die Substanz des frischen Glaskörpers auf ein Linnentuch und presst sie, so fliesst eine klare, unbedeutend schleimige Flüssigkeit aus und auf dem Tuche bleibt eine so sehr feine, durchsichtige und wenig volumi­nöse Membran zurück, dass sie eines jeden Aufmerksamkeit ent­gehen würde, wenn er sie nicht absichtlich suchte. Die Flüssig­keit hat einen salzigen Geschmak und enthält so wenig Eiweiss, dass sie nach dem Auskochen nur opalisirend wird. Beim Ver­dunsten hinterlässt sie 0,016 eines farblosen Rückstandes, wovon das Meiste aus Kochsalzkrystallen besteht *). Sie enthält in 100 Theilen:
Kochsalz mit ein wenig extractartiger Materie . 1,42
In Wasser lösliche Substanz.......0,02
Eiweiss..............0,16
Wasser.............. 98,40
__________nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;100,00
*) Berzelius, Thierchemie, übers, v. Wölilcr 1831. S. 425.
#9632;
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Anatomie der Gesiclitswerkzouge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;61
sect;. 122.
Im Ochsenauge verhält sich nach Monro das Gewicht der Glasfeuchtigkeit zum Wasser, wie 1016 : 1000. Im Schaafauge beträgt ihr specifisches Gewicht nach Chenevix 11000, im Ochsen­auge 10088.
Die Substanz der Glasfeuchtigkeit hat bei den Wiederkäuern mehr Consistenz als beim Pferde.
sect;. 123.
Blutgefasse erhält der Glaskörper durch die Arteria cen-tralis, welche, wie oben angegeben, gerade durch denselben geht und nach allen Seiten in die verschiedenen Zellchen des Glashäut-chens Aeste abgibt. Nur beim Fötus sind sie sichtlich mit Blut-kügelchen angefüllt.
Venöse Gefässe konnte man nicht entdecken; solche würden wohl in die vena centralis münden. Nerven enthält derselbe keine.
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12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
sect;• 124.
Gesammtüberblick
Scämmtlicher Augenhäute und der von ihnen gebildeten
Räume. Fig. XXXVII.
#9632;
~laquo;
1
ihgsc
Figur XXXVII stellt die untere, vordere Hälfte eines horizontal durch­schnittenen Menschenaugapfels der linken Seite in dreifacher Vergrösserung dar.
I.nbsp; nbsp; nbsp;Der Augapfel bildet eine ungleich geformte Kugel, -welche aus zwei Segmenten zweier verschieden grosser Kugeln zusammengesetzt ist, das hintere Segment a. 4. ist bedeutend grosser, als das vordere Nro 1.
II.nbsp; nbsp; Der Augapfel wird von mehreren Membranen gebildet, die schicht­weise über einander liegen oder in einander eingreifen, und die Flüssigkeit der Augenkammern, die Krystalllinse, und den Glaskörper einschliessen.
III.nbsp; nbsp; Die Schichten des hinteren Segmentes a. 4. folgen also auf einander:
1)nbsp; nbsp; Harte Haut, undurchsichtige Hornhaut, Tunica sclerotica, a. Lamina fusca.
2)nbsp; nbsp; Gefässhaut, T. chorioidea, b. c. — Sie besteht aus zwei Lamellen: b. aus der äusseren Gefässhautlamelle, Membrana Euyschiana. Die äusscre Gefasshautlamelle b. geht in das Strahlenband, ligamentum ciliare d. über; und
die innere Fläche der inneren Gefasshautlamelle c. in die Processus ci-
liares e).
Pig-die
Die innere Fläche der innern Gefässhautlamella
c. ist mit einem nach vorn f1 f'.
mont, pigniontum nigrum, f. belegt und bildet Ora serrata.
3)nbsp; nbsp; Jacob'sche Haut, membrana Jacobi s. serosa, g.
4)nbsp; nbsp; Nervenhaut, tunica retina, h. i. Auch sie besteht aus zwei Lamellen h. tunica retina stricto sic dicta; i. tunica retinae vasculosa.
5)nbsp; nbsp; Zonula Zinnii, k. Sie bildet mit dor Membrana hyaloidea I. den Pe-tit'schen Canal, canalis Petiti, k. k.
C) Glashaut des Glaskörpers, membrana hyaloidea, I.
7) Kapsel der Krystalllinse, capsula lentis crystallinae, m.
IV.nbsp; nbsp;Schichten des vorderen kleinern Segmentes des Augapfels.
1)nbsp; nbsp; Hornhaut oder durchsichtige Haut, cornea, n.
2)nbsp; Haut der wässrigen Feuchtigkeit, membrana humoris aquei s. tunica Wris bergii, o.
3)nbsp; Demonrs'schc Haut, p.
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Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
63
4)nbsp; Regenbogenhaut, iris, g.
5)nbsp; nbsp;Traubenhaut, uvea, r.
V.nbsp; Vordere Augenkammer, 1.
VI.nbsp; Hintere Augenkammer, 2. 2. VII. Krystalllinse, lens crystalüna, 3.
VIII. Glaskörper, corpus vitreum, 4.
n1. Verwebung der Cornea mit der Sclerotica.
n2. Vorsprung der Cornea nach innen, woran die Iris und das Ligamen-
tum ciliare festsitzen. Fig. XXXVIII.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Fig. XXXIX.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Fig. XL.
(Simla Inuus)nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; (Caniä Lupus)
Fig. XLI. (Felis Lynx.)
Fig XL1I. (Equus Caballus.)
Figur XXXVIII gibt den Umriss des ganz halbirten Augapfels, wonach die vorhergehonde Figur vergrössert wurde. Man sieht an ihm nur die vier Haupt-Augenhäute a. b. h. n., wie sie bei der einfachsten Zergliederung des Auges zu Tage liegen *).
Die Figuren XXXIX, XL, XLI und XLII stellen ganz horizontal hal-birte Thieraugäpfel zur Vcrgleichung dar.
*) Aus Prof. Weber's anatomischem Atlas.
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04nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
lijf
XV. Die Nerven des Auges.
sect;. 125. Die Augennerven entspringen sämmtlich aus dem Gehirne und bestehen aus den Stämmen und Zweigen des 2ten, 3ten, 4ten, 5ten, 6ten und 7ten Paares. Sie sind nach ihrer Function sensi­tive, reproductive oder motorische.
I. Der Sehnerve (Nervus optiens).
i
sect;. 126.
Der Sehnerve (zweites Paar) entspringt in zwei Stämmen und jeder für sich von dem Sehnervenhügel seiner Seite. In einer wei­chen Scheide eingeschlossen, treten sie an der Basis des Hirns unter der Schleimdrüse zusammen, vermischen sich und hilden gleichsam ein Ganglion, entfernen sich dann wieder von einander und es geht sodann jeder der beiden Stämme für sich, mit einer festen Scheide versehen, und im Innern in Eöhren abgetheilt, aus dem Gehirne durch das Sehloch seiner Seite in die Augenhöhle und wird von den Portionen des hinteren geraden Augenmuskels ein­geschlossen. — Bei seinem Durchgange durch den Knochencanal ist der Sehnerve etwas platt gedrückt, nimmt aber nachher eine cylindrische Form an und beugt sich schlangenförmig in dem hin­tern Räume der Augenhöhle, zwischen dem Sehloche und dem hinteren Theile der Augenhöhle zu dem Augapfel vorwärts, zugleich schräg abwärts und auswärts in einem flachen, nach der Schläfen­seite convexen Bogen, um sich hinter der Nasenseite näher, doch in der Mitte zwischen der oberen und imteren Seite durch das runde Loch der Sclerotica und Chorioidea in die Höhle des Augapfels einzusenken und in diesem sich als Netzhaut auszubreiten.
Die Vereinigung beider Sehnerven findet bei allen Vierfüssem Statt, aber nicht bei allen erstreckt sie sich gleich weit, beim Biber z. B. sieben Linien, bei andern Thieren noch weiter. Sömmering bemerkte ihre Durchkreuzung bei den Pferden, Eichhörneben u. a. Indess laufen ihre Fäden bei den Sau-gethieren schon so wenig deutlich dureb und neben einander, dass mehrere Zergliederer blos eine Partial-Decussation hier haben annehmen wollen. Bei den Wallfischen durchläuft jeder einen Canal, dessen Wände durch die feste Hirnhaut gebildet werden. Beide gehen in den Aflen-, Kalbs-, Ochsen-, Pferde-, Schaafsaugen u. s. w. ununterbrochen bis zu Hunter's Eminentia conica fort, und lassen die Centralarterie durch. (Schreger a. a. O.)
Erst vor der Vereinigung sind die Sehnerven vom Neurilem, welches hier fester, als bei den übrigen Nerven ist, umgeben. Sie unterscheiden sich von allen übrigen Nerven, ausser ihrer Vereinigung unter einander, auch durch den
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Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
GS
Umstand, dass sie in ihrem ganzen Verlaufe von einer faserigen Scheide eng umgeben werden, welche hinten mit der Beinhant, der Augenhöhle und der harten Hirnhaut, vorn mit der harten Haut des Augapfels zusammenlliesst *).
Fig. LXIII. zeigt die Nerven am rechten Auge des Pterdes von innen und oben, wobei der Sehnerve 1. nur bis an die Augenmuskeln sichtbar ist. Ferner sind auf dieser Abbildung folgende benachbarten Theile dargestellt:
Der Schädel ist der Länge nach senkrecht durchschnitten, die innere Wand der Augenhöhle, der Augenbogen und die Augenhöhlenhaut sind hinweggenom­men, a. Die Thränendrüse, b. der Heber des oberen Augenlides, c. der Koll-rauskel, d. der Rollknorpel, e. der obere gerade, f. der innere gerade Augen­muskel, g. das obere Augenlid, h. Schnittfläche des Augenbogens, i. Joch­brücke, k. Schläfengrube, 1. Höhle für das grosse Gehirn, m. Höhle für das kleine Gehirn.
II. Der Augenmuskelnervc, (Nervus oculomotorius s. tijrtius).
sect;. 127. Der dritte oder gemeinschaftliche Augenmuskelnerve entsteht von den grossen Schenkeln des grossen Gehirnes, geht nach aüssen, macht einen beinahe rechten Winkel und läuft nun auf diesen Schenkeln, neben dem Himanhange und dem cavernösen Blutleiter, nach dem hinteren Augenhöhlenloche, durch welches er mit dem ersten Aste des fünften Nervenpaares in die Augenhöhle gelangt.
*) Meckel's Handbuch der menschlichen Anatomie. III. Bd. S. 752.
Miillor. VHorinar-OiihthalmoIogH*. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Ö
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r.(i
Anatomie iler Gcsichtswerkzongc. Fig. XLIV.
12 11 10 18 10 n 0 10
Die Fig. XLIV. priisentirt ilie Nerven am rechten Ange des Pferdes von innen und unten, und liisst 1. den Sehnerven unmittelbar vor seinem Eintritte in den Augapfel und 2. den dritten oder gemeinschaftlichen Augenrauskelncrvcn unmittelbar nach seinem Eintritte in die Augenhöhle, sclien.
Ausserdcm finden sich folgende benachbarte Thcile auf vorstehender Ab­bildung dargestellt:
a. Das untere Augenlid, b. der Blinzknorpel, c. der untere schiefe Augen­muskel, d. der üussere gerade, e. der untere gerade, f. der innere gerade Au­genmuskel, g. der Grundmuskel, h. der Rolhnuskol.
Der Augenmuskelnerve theilt sich in folgende Aeste, in:
a)nbsp; den oberen Ast (ramus superior) 3., welcher in dem obe­ren und unteren geraden Augenmuskel (f.), im lieber des Augen­lides und im Grundmuskel sich vei-zweigt;
b)nbsp; den unteren Ast (ramus inferior) 4., -welcher stärker ist und zuerst die kurze Wurzel zum
c)nbsp; Augenhöhlen- oder Blendungsnervenknoten (gan­glion ciliare) 5. abgibt, aus welchem
d)nbsp; kleine Fäden zum Keil- und Gaumenbeinknoten (rami ad ganglion sphenopalatinum) C, abgehen (hier aber abgeschnitten sind), dann gibt der untere Ast noch Zweige für den inneren (f.) und den unteren (e.) geraden Muskel und einen langen Zweig zum un­teren schiefen Muskel.
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Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
(i7
Fig; XLV.
Der hier abgebildete lilendungsknoteu rechter Seite, am einem Pferdeauge genommen, j)riisentirt ausserdem:
1. den Sehnerven, 2. den gemeinschaftlichen Augenmuskelncrven, (3. ist der Blcndungsknoteu selbst), 4. seine kurze Wurzel; vom gemeinschaft­lichen Augenmuskelnerven 5. ein dünner Faden, der vom Blendimgsknoten wieder an den dritten Nerven geht; C. Zweige zum Keil-Gaunienbciu-knoten.
III. Der Rollmuskelnerve, (Nervus trochlearis s. patheticus).
sect;. 128. Der Roll nerve oder pathetische Nerve (4tes Nervenpaar) ist ein sehr feiner, fadenförmiger Nerve, welcher zwischen dem hinteren Paare der Vierhügel und den unteren Schenkeln des klei­nen Gehirnes entspringt, schief nach aussen geht, zwischen die Platten der harten Hirnhaut tritt, und mit dem dritten Paare nach dem Augenhöhlenloche läuft, wo er durch das kleine Rollnerven-loch in die Augenhöhle kommt, und sieh in dem grossen schiefen Muskel verästelt.
Fig. XLVI.
Pfeiileauf'e.
3. 3. Bollnragkelnerve, c. Rollmuskel. IV. Der dreiästige Nerve, (Nervus trigeminus s. sympatlncns medins).
sect;. 129. Der dreiästige oder gemeinschaftliche Sinnesnerve (5tes Paar) entsteht mit vielen Wurzclfäden von den Seitenschen-
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CS
Anatomie dtr Gesichtswerkzeuee.
'li-
kein des kleinen Gehirnes da, wo dieselben aus dem Gehimknoten hervorgehen und ist hier in eine kleinere innere, und grosse äus-sere Portion getheilt. Beide vereinigen sich zwischen den Platten der harten Haut in einen Knoten (Ganglion semilunare), woraus sodann drei Aeste entstehen, nämlich: der Augenast, der Vorder­kieferast und der Hinterkieferast.
Hl
hi:,#9632;
sect;. 130. Fig. XLVII.
if
1) Der Augenast (ramus ophthalmicus s. orbitalis) 4 b., ist der kleinste von den drei Hauptästen und geht, in der inneren Rinne des Keilbeins liegend, mit dem dritten Nervenpaare in die Augen­höhle, wo er sich in folgende Aeste und Zweige spaltet:
a)nbsp; Der Stirnnerve oder Stirnast (ramus frontalis) 8., liegt an der oberen Wand der Augenhöhle und gibt ab:
laquo;) den äusseren Augenlidnerven, welcher durch das Au-genbogenloch geht und sich ebenfalls in dem oberen Augenlide ver­zweigt, hier aber abgeschnitten ist.
b)nbsp; Der Thränennerve oder Thränenast (r. lacrymalis) 5., Hegt ebenfalls an der oberen Wand der Augenhöhle, jedoch mehr nach aussen und theilt sich in den äusseren 6., und in den inne­ren Zweig 7., welche sich unter einander verbinden; jener geht über die Jochbrücke nach hinten, dieser durch die Thränendrüse in die Stirnhaut und in's obei-e Augenlid.
c)nbsp; Der Nasennerve, Nasen- oder Augenast (ramus naso-ciliaris, s. naso-ocularis) ist stärker, als die beiden vorigen Aeste, und geht zwischen dem oberen und hinteren geraden Muskel nach der inneren Wand der Augenhöhle. Aus ihm kommen:
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Anatomie der Gcsichtswerkzeuee.
69
Fie. XLVIII.
- 11 Mi Ih 10 17 U 111
a)nbsp; nbsp;Dei- Slebbeia- oder innere Nasennerve (ramüs eth-moidalis s. nasalis internus) 14., (ist hier abgeschnitten). Dieser geht durch das Augenhühlenloch des Stirnbeins in die Hirnschale, wo er über die Siebplatte läuft und durch die Sieblöcher in die Xa-senhohle kommt, um sich in der Riechhaut zu verästeln.
b)nbsp; Der untere Rollnerve oder untere Augenlidnerve, (ram. infratroclilearis) 15., lauft nach dein inneren Augenwinkel der Augenlider und verzweigt sich in dem Thränensacke, in der Ca-runkel und in dem unteren Augenlide.
c)nbsp; Der Blendungsnerve (ramus ciliaris) 10., und dieser theilt sich in
laquo;) die lange Wurzel zum Blendungsknotcn (ram. ciliaris ad ganglion) und in
,9) den ei ge n iliclre n Bleu dun g s ner v en, von welchem zwei Aestchen mit mehreren dünnen Fäden am Ende dos Sehnerven in den Augapfel treten.
m
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Anatoiiiif der Gesichtänrorkzengcr.
sect;. 131.
Fig. XLIX.*)
1
'2. Der Vorderkieferast (ram. maxillaris superior) 4., ist viel grosser als der Augcnast; er liegt neben diesem in der grös-seren Kinne des Keilbeins und geht durch das Kinnbackenloch in den Grund der Augenhöhle. — Aus ihm entstehen:
a)nbsp; Der untere Augenhöhlennerve (Xervus infraorbitalis) 5., dieser liegt an der äusseren Wand der Augenhöhle, läuft vor-#9632;\varts und geht in das untere Augenlid, in die Thränendrüse und in den Thränensack.
b)nbsp; der Gaumenkeilbeinnerve (n. spiicnopalatinus) 6., die­ser verbindet sich mit dem Flügelnerven des grossen sympathischen Nerven und bildet an dieser Stelle
laquo;) den Gaumenknoten (Ganglion sphcnopalatinum) 9., aus welchem der Flügelnerve, zurücklaufende oder Vidi'schc N er ve (n. pterygoideus s.Vidianus) 10.,entspringt, der k 1 eine Z w ei-ge 11. an die Schleimhaut der hinteren Xasenöffnungen, so wie an jene des Schlundkopfes abgibt, und Yerbindungszweige 12. zwischen dem sechsten Nerven und dem Kcilgaumenbeinknoten bildet.
1
*) Diese Abbildung stellt den rechten Augapfel des Pferdes mit den au seiner inneren Seite liegenden Nerven um '-/-, verkleinert vor.
a. Der Augapfel von der Augenhöhlenliaut bedeckt, b. der Oberkiefer, c. die Schädclhohle, d. Durchschnitt des Keilbeinkörpers.
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Auatomiu der GL-siditsu'Crkzeu'ru.
71
Fig. L. Die Neryeii am rechten Auge des Pl'erdeb von innen und unten gesehen
c. der Vorhangnervc (u. palatinus minor) 19., geht an dem Haken des Flügelbeines vorbei und endet in dem Gaumenvorhange.
d)nbsp; Der obere Zahn nerve (n. dentalis superior) 23., gibt Fäden an die oberen Stockzähne, und vereinigt sielt mit dem vorde­ren Zahnhöhlennerven.
e)nbsp; Der Gaumennerve (n. palatinus major) 20., liegt in dem Gaumencanalc und in der Gaumenrinne, neben der Gauntcnartcrie und bis zu dem Einschncideloche der kleinen Kieferbeine. Er gibt, aussei- einigen kleinen Fäden für den Vorhang, Zweige an den Gaumen und an-das Zahnfleisch.
f)nbsp; Der Nasengaumennerve (nerv, nasopalatinus) 21.
g)nbsp; Der vordere Zahnhöhlcnnerve (n. alveolaris superior) ist die Fortsetzung des Hauptastes und liegt in dem Vordcrkicfer-canale, worin er Zweige an die Zahnwurzeln und an die Neben­höhlen der Nase abgibt. Sobald er aus dem unteren Kiefcrlochc hervorgekommen ist, verbindet er sich mit dem siebenten Nerven­paare und verästelt sich sodann .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;/
laquo;) in die Muskeln der vorderen Lippe und des Nasenloches, ß) in Hautzweige,
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Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
;) in die Nerven der vorderen Lippe und S) in die unteren Xasennerven *). Der Ilinterkicferast des dreiästigen Nerven stellt mit dem Seh­organe in zu wenig Sympathie, als dass er hier eine besondere Darstellung finden sollte.
V. Der äussere Augenmuskelnerve, (Nervus sextus s. abduceus).
sect;. 132. Der äussere Augenrauskelnerve (6tes Paar) ist ein klei­ner Nerve, welcher zwischen den hinteren Schenkeln und den Py­ramidenkörpern des verlängerten Markes mit mehreren Wurzelf'äden entspringt, durch den cavernösen Sinus geht, hier nehen der Ca-rotis liegt und sodann, mit dem ersten Aste.des 5ten Nervenpaares verbunden, in die Augenhöhle kommt, wo er sich in den äusseren geraden Muskel verzweigt. (S. Fig. L. 16. 16.)
*) Schwab a. a. ü. S. 3(JG.
I
I
; , '#9632;
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Anatomie der Gt'sifLtswcrkzeuge.
73
Summarische Uebersicht
der
Nerven des Auges an verschiedenen Thierclassen dargestellt.
sect;. 133. Fig. LI.
15nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Unbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 1nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;13
Die Nerven am linken Ange des Kalbes von oben und innen ge­sehen. Ein Drittheil der natürlichen Grosse.
a. Die Thränendrüse (durchschnitten), b. Augenvene (abgeschnitten), c. oberes Augenlid.
1. Höhle des Eiechnervenkolbens, 2. der Sehnerve, 3. der dritte Gehirn-nerve oder Rollnerve, er thcilt sich in: ü. den äussoren schwächeren Zweig und G. den inneren stärkeren; 7. der fünfte Gehirnnerve, 8. der halbmondförmige oder Gasser'sche Knoten, von diesem Nerven gehen ab: 0. der Thränennervc, 10. 10. der Stirnnerve, ebenfalls stark und mehr ästig, 11. der Nascnnerve oder Nasenaugennerve, er spaltet sich in 12. den Unterrollennerven und in 13. den Siebbeinnerven, verbindet sieh durch 14. Fäden mit dem llirnnerven; 15. der sechste Gehirnnerve.
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71
Anatomie der Gesichtswcrkzcugc. Fig. LII.
Die Nerven am linken Auge ties Kalbes von unten und innen gesehen.
1. Der Sehnerve, 2. der dritte Gehirnnerve, er spaltet sieh in 3. den obe­ren Ast und 4. den unteren Ast, an welchem 5. der Ciliarknoten liegt und 0. die Cilianierveu; 7. der Ast für den unteren schiefen Augenmuskel, 8. der sechste Gehimnerve, 9. der fünfte Gehirnnerve, 10. der Augenast, 11. der Ober­kieferast, 12. der Wangenast oder Unteraugenlidnerve, 13. Fäden vom Keilbeiu-gaumenknoten (welcher entfernt ist).
Fig. LIII. Der Augenhöhlen-oder Ciliarknoten am rechten Auge des Schwei­nes von innen und oben. Natnrgrösse.
a. Der Augaplel, 1. der Sehnervc, 2. der dritte Gehirnnerve, 3. der Augen-hohlen- oder Ciliarknoten und 4. Ciliarnerven.
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Anatomie der Gesichtsweitzeuge.
75
Fig. UV.
Der Augenhöhlen- oder Ciliarknoten am linken Auge des Hun­des von der inneren Seite. Naturgrosse.
a. Der Augapfel, 1. der Sehnervo, 2. der dritte Gehirnnerve, 3. der Au­genhöhlen- oder Ciliarknoten, 4. Ciliarnerven, 5. der vierte Gehirn- oder llollnerve.
Fig. LV.
Der Augenhöhlen- oder Ciliarknoten am rechten Auge der Katze
von unten und innen gesehen. Naturgrösse.
I l
a. Der Augapfel, 1. der Sehnerve, 2. der dritte Gelürnuerve, 3. der Augen­höhlen- oder Ciliarknoten und 4. Ciliarnerven.
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7laquo;
AiKilomie der Gesichtswerkzeusre.
XVI. Die Blutgefässe des Auges.
sect;. 134. Sämmtliche Sclilagadergef asse des Auges entspringen mittel­bar aus der Inneren Kopfpulsader, vorderen Hirnpuls­ader (arteria carotis interna s. cerebralis, art. cerebralis anterior, art. encejjhalica), und unmittelbar aus der Augenpulsader (arteria ophthalmica).
I. Die Augenpulsader (Arieria ophthalmiea).
sect;. 135.
Die Augenpulsader verbreitet sich nach ihrem Eintritte in die Augenhöhle durch eine beträchtliche Menge von, aus ihren bei­den Hauptästen 1.1. entspringenden Zweigen an das ganze Seh­organ und dringt überdies noch zu einem grösseren oder kleineren Thelle aus der Augenhöhle in die Nasenhöhle und das Antlitz.
sect;•136.
Ihre Aeste, die jedoch in Hinsicht auf Ursprungs stelle, Grosse und Anzahl ausserordentlich viele Verschiedenheiten darbieten, und dem Auge ausschliesslich angehören, sind vorzüglich:
Oberer Theil des Augapfels:
Fig. LVI.
Pferdeauge, in halber Naturgrüsse, von oben gesehen.
a) Die hintere Blendungs­pulsader (arteria ciliaris poste­
rior) 1 a., die in der Tiefe der Augengrube entspringt, sich theils in feineren Verästelungen 4 a. 4 a., an die Gaumenmuskeln verzweigt, theils sich nach vorn begibt und (licht vor dem vorderen Ende die harte Haut des Auges durch­bohrt.
b) Der stärkere Ast der Au­genpulsader 2.2. biegt sich nach innen und vom über den Muskelast der hinteren Ciliararterie und den Aufheber des obern Augenlides, gibt Zweige an den oberen geraden Mus­kel (d. d.) den Grundmuskel (h.), in einem Bogen über den grossen schiefen Augenmuskel (g.) und den Blinzknorpel (i.) weglaufend, an den Aufheber des oberen Augenlides,
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Anatomie der Gesichtswerkzeuge.
77
so wie nach aussen einen, sich vorn verästelnden Zweig, als Ci-liararterie (3. 3.) ab, sodann biegt er sich, noch 4. 4. an den Auf­heber des oberen Augenlides (c), an den oberen geraden Muskel (d.d.), an den inneren(e.) und den äusseren geraden (f.) abgebend, nach hinten zurück, um sich in die obere Nasenarterie 5. zu er-giessen.
c) Die Thränenpulsader (arteria lacrymalis). Diese ent-sjmngt vom oberen Theile des Umfanges des stärkeren Astes der Augenpulsader 1 b. etwas nach aussen, gewöhnlich weit nach hinten über dem äusseren geraden Augenmuskel nach vom, indem sie noch an ihn einen Zweig abgibt. Hierauf tritt sie an und durch, oder über oder unter der Thränendrüse b. und am äusseren oberen Augenwinkel aus der Augenhöhle hervor und ergiesst sich in das obere Augenlid.
sect;. 137.
Unterer Thoil des Augapfels.
Fig. LVII.
POrdeango in halber Naturgrüsse, von unten gesehen.
Am unteren Theile des Augapfels entspringen aus der Augen­arterie 1. zwei Aeste, wovon der innere 2., über den kleinen schiefen und inneren geraden Muskel (e.) weglaufend und an den­selben einen Zweig abgebend in den Blinzknorpel (c.) und in das untere Augenlid (a.) mündet, der untere dagegen im unteren gera­den Muskel (f.) aufsteigt, die Sclerotica durchbohrt und zur Ciliar-arterie wird.
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78
Anatomie der 6esichtswerkz6use.
sect;. 138.
Fig. LVIII.
Fig. LIX.
PTerdeange in halber Naturgiösse. Oljere Fläche.
Pferileäuge in halber Naturgiösse. Untere Fläche.
'fe
a. Der Augapfel, b. der obere ge­rade Muskel, c. c. der Grnndmus-kel, d. der Sehnerve, e. e. die Ciliararterien.
a. Der Augapfel, b. b. der Grund-nmskel, c. der Seluien'e, d. d. die Ciliararterien , e. die Muskel-
Auf diesen beiden Abbildungen wird der Eintritt der Ciliar­arterien in den Bulbus veranschaulicht.
sect;. 139. Nach ihrem Eintritte durch die Sclerotica in den Augapfel verbreiten sich die Zweige der Augenarterie, als vordere Ciliarar­terien (art. ciliares antic); strahlig getheilt und untereinander zu einem zusammenhängenden Gefässnetze verbunden, bilden sie die Grundlage der Aderhaut. (Fig. LX. f. f.)
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Anatomic der Gesichtswerkzcujre.
Fig. LX. Pferde au go in halber Naturgrösse, von vorn und oben gesellen.
a. a. Die durchsiditige und unilurclisichtige Hornhaut, durch einen Kreuzschnitt geöffnet und in vier Lappen zurückgelegt, zwischen welcher b. der Sehnerve hervortritt und e. die Kegenbogenliaut mit d. der Pupille und e. dem Scluväimnchen, so wie f. die Aderhaut frei daliegen.
sect;; 140.
Fig. LXI. Pferdeaugamp;, von hinten gesehen. Xatargrösse.
Sobald die Ciliargefässe dem Ende der Äderhaut (wovon liier ein kleiner Theil zu sehen ist c. c.) sieh genähert haben, treten sie in Verzweigungen über den Faltenkranz d. d. zur Iris und bilden dort die Arterie der Iris e. e.
I,
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Anatomie der Gesichtswerkzeuffe.
Fig. LXII.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;. 141.
Auge eines Pferdefütus in Natur-nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Bei dem Auge ungeborner Thiere
grüsse, von vorn gesehen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;un(] ^e; Fleischfressern noch nach der
#9632;
Geburt, setzen sich die Arterien der Iris 1. auch auf die Pupillarmembran fort, verschwinden aber bei vollen­deter Entwickelans; des Auges. sect;. 142. Weiter hinten, als die vorherge­henden Arterien entspringt die Netz­hau tpulsader (art. centralis reti­
nae) dringt in den Sehnerven, läuft in seiner Axe nach vorn, tritt mit dem
. a. Der FaUenkranz, b. b. einTheil der Aderhaut.
Sehnerven an der bekannten Stelle
(Fig. LXIII. d.) in das Innere des Augapfels und verbreitet sich in dem, die Netzhaut (e.) bildenden
Marke des
Sehnerven in kleinen Zweigen 1.
Fig. LXIII.
#9632;'
......i
Die Arterien der Netzhaut am l'ferdeauge von vorn gesehen, in halber Naturgrösse.
Das Auge ist durch einen Kreuzschnitt aufgeschnitten, die Lappen der durchsich­tigen und undurchsichtigen Hornhaut a. a. sind zurückgelegt und die Regenbogenhaut und der Faltenkranz #9632;weggenommen; b. der Sehnene, c. c. die Aderhant.
Von da geht ein grösserer Ast der Centralarterie (Fig. LXIV. 1.) durch den Glaskörper a.; in den für sie gebildeten Canal (Cana-lis hyaloideus nach Jules Cloquet), theilt sich in der, zur Aufnahme der Linse bestimmten Grube in zwei Zweige (rami capsulae lentis crystallinae), welche sich sodann in dem hinteren Theile der Lin­senkapsel b. ausbreiten 2.
Fig. LXIV.
Die Fortsetzung der Centralarte­rie der Netzhaut im Glaskörper und der Krystalllinse des Iquot;ötusauges, in natürlicher Grosse.
li
•1
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Anatomie der Gesiclitswerkzcnge.
81
II. Die Venen des Auges.
sect;. 143. Das hintere Ende des vornehmsten Augenvenenstam-mes liegt in dem Blutbehälter des Türkensattels, beinahe nach un­ten, manchmal verbunden mit der Hauptvene der harten Hirnhaut, oder findet sich in dem kreisförmigen, auch wohl in dem oberen Blutbehälter des Felsenstückes vom Schläfenknochen. Die Cen-tralvene thcilt sich um die Ketina herum in zwei, selten drei Zügen. Ciliarvenen gibt es vier, auch wohl fünf oder sechs und scheinen im Ochsenauge einen wirklichen Kreis zu bilden, im Uebrigen verhalten sie sich, wie die Ciliararterien. — Sie tre­ten an denselben Stellen, wo die Ciliararterien in das Auge drin­gen, aus dem Auge und bilden, mit diesen strahlig getheilt und unter einander zu einem zusammenhängenden Gefässnetze verbun­den, die Grundlage der Aderhaut.
Fig. LXV.
Die Cilinrnervnn am Auge des Pferdes in naturUeher Grosse von vorn und oben gesehen.
Die durchsichtige und undurchsichtige Hornhaut durch einen Kreuzschnitt geöffnet und im grössten Umkreise des Bulbus abgetragen (a. a.), hinter deren Rand der Sehnerve (b.) hervortritt. Kegenbogenhaut (c), Pupille (d.), Sckwänun-chen (e. e.) und Aderhaut sind unbedeckt sichtbar *).
*) Aus E. F. Gurlt's anatomisch. Abbildungen der Haussäugothierp. Berlin.
Müller, Veterinär-Ophllialmologii'. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; (gt;
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82nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Anatomie der Gcsiclitsworkzeugc.
sect;. 144. Die Obcraugenhöhlenblutader (vena supraorbltalis) verläuft unter dem Stirnnmskel, in querer Richtung längs dem oberen Bande der Augenhöhle, fliesst nach aussen mit dem Stirn-astc von der Schlafblutader zusammen, und entspringt mit aus dem Stirnmuskel, dem Angcnlidschliesser und Augenbrauenmus-kcl kommenden Zweigen.
Die äusscre Oberaugenhöhlenblutader (v. supraorbi-taria externa) verläuft in querer Richtung über dem oberen Augen­höhlenrande unter dem Augenlidschliesser und Augenbrauenrunzler und fliesst mit der inneren Oberaugenhöhlenblutader zusammen.
sect;, 145.
Die innere Untcraugenlidblutader (v. palpebralis in­ferior interna) liegt im unteren Augenlide zwischen der Haut und dem Augenlidschliesser, bildet ein sehr zusammengesetztes Netz, das nach aussen mit der oberen Augenlidblutader, der Schlafblut­ader und der ausseien Augenlidblutader zusammenmündet.
Die äusserc, untere Augenlidblutader (v. palpebralis inferior externa) steigt längs dem äusseren Rande des Augenlid-schliesscrs, unmittelbar unter der Haut herab, mündet nach oben und innen mit der oberen äusseren Augenlidblutader von der S c h 1 ä f b 1 u t a der, nach aus sen mit der u n t e r e n i n n e r e n A u-genlidblutader zusammen, und senkt sich, indem sie unter den grossen Jochmuskel tritt, vor dem Jochbein in den Stamm der Antlitzblutader.
sect;. 146.
Die vordere und obere innere Kieferblutader (vena maxillaris interna anterior superior) entspringt mit einer ansehnli­chen Menge von Zweigen und der vorderen Augenblutader (v. oph-thalmica anterior) aus den oberen Zähnen und dem Oberkiefer, dem hinteren Theile der Nasenhöhle und dem unteren und vorderen Theile der Augenhöhle.
sect;• 147.
Wie beim Menschen, so auch bei den übrigen Säugethieren, drängen sich die Gefässe der Chorioidea immer mehr nach vorne hin, zerästeln sich in's Unendliche, um sich wieder zusammen zu münden, und indem sie nach der Axe des Auges gehen, die Falten des Ciliarkörpers zu bilden. Beim Hasen u. a. sieht man deut­lich die meisten grosseren Ciliararterien in diesen übergehen. Aeste davon will Petit*) wenigstens in der Krystalllinse der Katze und des Braunfisches (Phocaena) bemerkt haben. Auch
*) i. (1. Mem. 1730. S. 438.
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Anatomie dor GcsichtswerkzeuM.
83
dringen nach Albin im Wallfischauge Gefässchen bis in den Glas­körper. Beim Seehunde fand Blumenbach*) die Cjliargefässe nicht in der Iris vertheilt, sondern grüsstentheils frei auf der Vor-derfläclie liegen. Beim Elephanten und Hunde ist der Ciliar-körper äusserst zart und ausgezeichnet schön. Der bei den langen Ciliararterien gebildete Kreis ist bei vielen Thieren, z. B. dem Wallfische, der Katze u. s. w., fast ebenso gestaltet, wie beim Menschen, wohl noch schöner. Zinn**) zählte drei dergleichen Gcfässe im Schaafauge. In diesem haben auch die Gefässe der hinteren Irisfläche, welche, indem sie sich in die Pupille herein­senken, die traubenförmigen Anhänge der Iris bilden, so ausser-ordentlich feine Endigungen, worein 'sie sich verspalten, dass sie schon bei der geringsten äusseren Gewalt sich von der Iris trennen. Die Centralarterie, welche nur bei jüngei-en Thieren vorkommt, hat oft mehrere Stämmchen; Haller sah beim Ochsen acht, beim Wolfe, Schaafe, bei der Katze u. a. drei bis vier, Möller beim Hunde sechs. Alle zerästeln sich und verlaufen endlich bei einigen, wie beim Meerschweinchen (Porcellus) u. a., am vorderen Umfange der lletina in einen Kreis. Andere Aestchen davon kom­men auch beim Ochsen, Schaafe als rothe Blutgefässe zum Glaskörper. Der Hauptstamm von ihr dringt bei den Vicrfüs-sern mitten durch diesen, und vertheilt sich in die Krystalllinse, beim Meerschweinchen mit zwei Aesten. Die Centralarterie der Retina fehlt, nach Schwab, im Pferdeauge ganz. — Ausser-dem findet sich bei den Thieren auch noch das sogenannte Pete admirabile, ein aus Arterien und Venen zusammengesetztes Ge-fässnetz im Augapfel unterhalb dem Aufliebemuskel des Auges ***).
*) i. s. vergleichenden Anatomie. **) in d. Comment. Gotting. IV. Tab. VIII. Fig. 1. ***) S. dnverney Posthum. I. p. 577.
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Zweiter Abschnitt.
B. Physiologie der Gesichtswerkzeugeraquo;
sect;. 148. Die Gesichtswerkzeuge zerfallen physiologisch, wie anato­misch in das Hauptergan, den Augapfel mit seinen vegetativen, sensitiven, irritablen Gebilden und Bewegungsapparaten und in die Hülfsorgane, die Augenlider und die Thränemverkzeuge mit ihren Bewegungsapparaten.
#9632;!
I, Der Augapfel (Bulbus oculi).
sect;. 149. Das Hauptorgan des Gesichtssinnes ist der Augapfel, mit Hülfe dessen werden das Licht und die Eigenschaften der Gegen­stände, welche durch das Licht unterscheidbar sind, zur Wahrneh­mung gebracht, welche Thätigkeit demnach an die Mitwirkung ei­nes Excitans, des Lichtes, gebunden ist, zu dessen Modifici-rung, Aufnahme und Fortleitung demselben besondere Or-gantheilc gegeben sind, welche wieder nach dem Grade der Verschiedenheit ihrer Organisation in verschiedenen Thierclas-sen, quantitativ abweichend sich darstellen, so dass sie zum Theile dem speciellen Bedürfnisse der einzelnen Thierclassen entsprechen, anderen Theiles auch von deren allgemeiner Orga­nisationsstufe abhängig sind; welche letztere Beziehung jedoch nicht als allgemeine Norm angesehen werden kann, da die Ausbil­dung der verschiedenen Systeme und Organe in der Thierreihe nicht gleichmässig nach einem allgemeinen Evolutionsgesetze ge­schieht, wonach eben solche eine höhere Bildungsstufe bei niedriger stehenden Thieion inne hnben, während sie bei anderen, wTelche
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Physiologie der Gcsiohtswcrkzeugc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;83
sich durch ausgebildete Entwickelung wichtigerer Systeme und Or­gane auszeichnen, minder vollkommen sind.
sect;. 150. _
In optischer Hinsicht zerfallen die einzelnen Theile des Aug­apfels in die Gestalt-gebenden, umhüllenden, Licht-brechenden, und reflectirenden, sowie in das eigentliche Empfindungsorgan; zu jenen gehören als mittelbar und unmittelbar wirksam die vegetati­ven Häute und Blutgefässe, die flüssigen und halbfiüssigen Stoffe, die vegetativen und Bewegungsnerven, wie auch dunkelgefärbter Schleim, das schwarze Pigment, zum Theile auch die Muskeln des Augapfels, zu diesem zählt man die eigentlich sensitiven oder nervösen Gebilde, die Netzhaut und den Sehnerven.
In Rücksicht auf die anatomisch - physiologische Bedeutung zerfallen die Einzeltheile des Augapfels in fibröse, durchsichtige und undurchsichtige, in seröse und durchsichtige Häute, in netz-artig; verflochtene und mittelst Zwischenlasje von Zellsrewebe ver-bundene Blute'efasse und Nerven, in wässrise und gallertartiare, helldurchsichtiffe Stoffe und in schwarzen unchirchsichtiquot;en zu Mem-brauen coaguhrten Schleim.
sect;. 154.
Behufs der Erklärung des Mechanismus des Sehens ist die optische Eintheilung zu bevorzugen. — Wir übrigens sind gewillt, der Einfachheit wegen und zur Vermeidung von Verwirrung bei der somatisch-physiologischen Beschreibung der Sehwerkzeuge, den bei der Anatomie eingehaltenen Gang zu verfolgen, wozu uns noch besonders der Umstand bestimmt, dass sämmtHche Augenge­bilde, obwohl sie viel Aehnlichkeit mit andern gleichartigen Ge­bilden des übrigen Organismus haben, doch in Structur und Func­tion sehr viel Eigenthümlichkeit besitzen, welche sie füglich als Gebilde sui generis charakterisirt, wonach das Sehorgan als ana­tomisch , physikalisch, chemisch und physiologisch abgeschlossenes
Ganze mit Kecht zu betrachten ist.
f
II. Die harte Haut des Augapfels, die undurch­sichtige Hornhaut, (Tunica sclcrotica s. Tunica albuginea).
sect;. 152. Die Sclerotica, welche den Augapfel bis auf zwei Stellen von allen Seiten umgibt und demselben als ätissere, schützende und
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Physiologie der Gesiclitswcrkzeugc.
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Gestalt gebende Hülle gilt, ist von bläulich-weisser, glänzender Farbe und faseriger Struetur, älmlich der harten Hirnhaut, als deren Fortsetzung sie anzusehen ist, indem bei vorsichtiger Prä­paration der Uebergang zahlreicher Fasern auS der Scheide des Sclmerven in dieselbe sich darstellt, und beim Fötus noch deut­licher erscheint.
sect;. 153. _ Unterzieht man die Sclerotica einer nähern und sorgfältigen Prüfling, so scheint es, Avie wenn sie nur aus verdichtetem Zellge­webe bestände, oder wenigstens hauptsächlich durch dasselbe ge­bildet wäre; denn obgleich bei feinerer Zerlegung an frischen und macerirten Häuten, Fasern erkannt werden, so sind diese docli so mit einander verwebt und in einer so verschiedenen und wenig be­stimmten Richtung gelagert, dass sie ganz den Anschein von dicht zusammengedrängtem Zellgewebe hat, dessen Fasern gleichfalls keine so regelmässige Anordnung zukommt, wie wir sie in so vie­len fibrösen Gebilden wahrnehmen. — Mikroskopische Untersu­chungen an Menschen- und Thieraugen bestätigen vollkommen die Vermuthung, dass nämlich die Faserhaut des Auges aus verdich­tetem und fest gewobenem Zellgewebe bestehe. — In einzelnen dünnen Blättchen der Sclerotica konnte Arnold durchaus nichts von den primitiven seimigen Fasern oder CMindern des Fontana erkennen, sondern es hatten diese bei schwächerer (30 Mal) und stärkerer (150 Mal im Durchmesser) Vergrössenmg ganz das An­sehen von einer Schichte verdichteten Zellgewebes, indem man in ihnen ganz deutlieh und bestimmt äusserst feine und gedrängte Netze von Liymphgefässen wahrnahm, welche wie mit einer eiweiss-stoffigen Masse durchzogen zu seyn schienen. Auch Mascagni sail sie in der Sclerotica der Menschen und Thiere (Arnold).
sect;. 154. Durch den Reichthum der weissen Haut an Saugadern, lassen sich nunmehr Erscheinungen erklären, die auf der andern Seite Mieder für die Existenz von Lymphgefässen in dieser Membran sprechen, z. B. dass die Sclerotica im Wasser etwas aufschwillt, dass getrocknete Stücke in demselben das frühere Ansehen wieder erbalten und dass sie in der Gelbsucht meist etwas gelb gefärbt sich zeigt (Arnold).
sect;. 155. Die verschiedene Dicke und Stärke der Sclerotica hat wohl keinen anderen Zweck, als den der möglichen Compressionsfähig-keit einerseits, und der festen Spannung andererseits. So ist sie in der Mitte, in ihrem'grössten Querdurchmesser am dünnsten, da beim Fernsehen unter Einfluss der geraden Augenmuskeln der
#9632;
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Physiologic der Gesichtswerkzcnge.
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Längendurchmesser des Angapfels sich verlängert und sie gerade da nachgiebiger seyn muss und vorn am stärksten ist, um die Spannung der Hornhaut und Regenbogenhaut zu verstärken und hinten am dicksten ist, um den Augapfel dem Drucke der, an die­ser Stelle dicht nebeneinander und kegelförmig auslaufenden Aug­apfelmuskeln, kräftiger widerstehen zu können und eine festere Basis zu haben.
HI. Die durchsichtige Hornhaut (Cornea pellucida).
sect;.156.
Auf der höchsten Stufe der Entwickchmg fibrös faseriger Häute steht die Cornea, und ist in ihrer Bildung von den andern sowohl in ihrer Structur, als hauptsächlich durch ihre Durchsichtigkeit verschieden.
sect;. 157.
Durch ihre vielen Saugadern nimmt die Hornhaut die, in der vordem Augenkammer befindliche, wassrige Feuchtigkeit in sich auf und setzt sie nach aussen wieder ab, wodurch sie sich eines Theils ernährt und andern Theils bei dem ununterbrochenen Stoff­wechsel ihre Durchsichtigkeit erhält.
sect;• 158. ....
Als optisches Werkzeug dient die durchsichtige Hornhaut dazu, die unter einem kleineren, als 48 Grade betragenden Win­kel auftällenden Lichtstrahlen zu brechen und zur convergirenden Richtung zu bestimmen; diese Wirkung der Hornhaut richtet sich übrigens nach dem Grade der Dichtigkeit, Combustibilität und Convexität der letzteren, sowie nach der Dichtigkeit und Mischung der sie durchdringenden Flüssigkeit *). Eine weitere Verschieden­heit der Strahlenbrechun'j; bedingt noch die nähere Beschaffenheit der Cornea, je nachdem sie am Rande dicker, als in der Mitte ist
11
*) Beim Ochsen und Pferde ist die Cornea wenigstens noch einmal so dick, als bei dem Hunde, der Katze und den Vögeln und bei dem Men­schen, dabei ist sie immer von geringerer Durchsichtigkeit, als bei den letz­teren, wahrscheinlich weil die, in ihr befindliche Flüssigkeit einen grössoren Koichthum an Eiweissstoll'besitzt, als bei anderen Thieren, bei welchen das vegetative Leben nicht in solch hohem Grade vorherrscht.
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88nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;rhysiologio der GesicLtswerkzeuge.
oder das Gegentheil davon Statt hat oder die Flächen einander concentrisch sind. — Am schwächsten 1st die Eefraction der Strahlen bei der letzten Form. Bei mehreren Thieren, wo wir die beiden ersteren Formen wahrnehmen, muss der Hornhaut eine stärkere Wirkung auf die Strahlenbrechung zuerkannt werden (Arnold).
IV. Die Spinn webenhaut (Tumca araclmoidea).
sect;. 159.
Unter dem Mikroskope erkannte Arnold diese Membran als eine seröse, deren beide Platten aus feinem, zartem Netze von Saugadern bestehen und frei von Blutgefässen sind. Nach anatomi­schen Forschungen erweist sich dieselbe als eine Fortsetzung der Spinnwebenhaut des Gehirns und steht nach Me ekel zur Aveissen Haut in gleichem Verhältnisse, wie die Arachnoidea zur harten Hirnhaut.
sect;. 160,
Angehend die Functionsbestimmung dieser Haut, so spricht sich Arnold a. a. O. S. 37 hierüber folgendermassen aus: „Wozu diese seröse Membran zwischen der Sclerotica und Chorioidea? ist die Frage, die sich zunächst aufdrängt und deren Beantwortung wir in dem Zweck der serösen Häute überhaupt, sowie in dem Verhalten der einzelnen Theile des Augapfels unter besonderen Verhältnissen, finden werden. Ueberall im Organismus, wo Or­gane oder die einzelnen Theile derselben nicht fortwährend in der Lage überhaupt oder in dem bestimmten Verhältnisse zu einander bleiben, sondern gewisse, mehr oder weniger beträchtliche Verän­derungen erfahren, erhalten sie eine, durch eine seröse Membran gebildete Bekleidung, wodurch diese in verschiedenem Grade be­günstigt werden. So haben die Organe des Unterleibs besonderes Leben, Magen und Darm, ferner Herz und-Lungen und endlich das Gehirn und Eückenmark seröse Hüllen, welche um so voll­ständiger und eigenthümlicher gebildet sich zeigen, je mannichfal-tiger und bedeutender die Veränderungen sind, welche sie in ihrer Lage erleiden.
Wenn nun zwischen den Theilen des Augapfels eine ähnliche Membran sich vorfindet, wie an jenen Organen, namentlich aber
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Physiologie der Gesichtswerkzenge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 89
an dem Gehirn, so sind wir offenbar zur Vermuthung, ja ich möchte sagen, zu dem sehr wahrscheinlichen Schlüsse berechtigt, dass auch am Aujje rücksichtlich der Laweverhältnisse der einzel-nen Theile zu einander Veränderungen Statt haben. Diese Ansicht hat noch um so mehr für sich, als die gerinjie Dicke der Sclero-
'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; DO
tica gerade da, avo der Querdurchmesser am beträchtlichsten ist (an jener Stelle, wo sich die geraden Augenmuskeln anheften), solche Veränderungen begünstigt.quot;
Uebor die Beziehungen, welche diese Haut zu der, zwischen der weissen Haut und Gefässhaut nach dem Tode sich vorfinden­den Flüssigkeit hat, Averden wir bei Behandlung der Gefässhaut uns näher verbreiten.
V. Die Aderhaut, (Tunica chorioidea).
sect;. 161.
Die Ader haut hat eine doppelte Bestimmung, nämlich die Absonderung des schwarzen Pigmentes und einer serösen Flüssig­keit; ersterer entspricht sie durch sich allein, letzterer unter Mit­hülfe der serösen Arachnoidea. Auf ihrer inneren, der Nervenhaut zugewendeten Fläche, sondern deren zahlreiche und sehr angefüllte Blutgefässe das schwarze Pigment ab, welches beide Häute durch eine gleichmässige Schichte verbindet, während selbe auf der äusseren, von der Spinnwebenhaut überzogenen Fläche den serösen Theil des Blutes abscheiden, welchen dann die Spinnweben­haut aufnimmt in die Saugadernetze der Sclerotica überführt und zur Ausscheidung bringt *).
Schwab sagt in seiner Zoophysiologie: „die Gefässe der Aderhaut führen dem Auge das Blut zur Ernährung seiner Theile zu, denn es ist sehr wahrscheinlich, dass die Krystalllinse und der Glaskörper nach der Geburt nur von den Gefässen des Falten­kranzes den ernährenden Stoff erhalten, weil die Ideine Arterie der Netzhaut, die bei dem Fötus durch den Glaskörper und die hintere Wand der Linsenkapsel geht, geschwunden ist.quot;
Mariote, Liecat und Andere hielten die Aderhaut für licht­empfindlich, welche Meinung keine Bestätigung findet.
*) S. Arnold a. a. O. S. 37.
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90nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Physiologie der Gesiclitswevkzeuge.
sect;. 162.
Das Strahlen- oder Ciliarband, welches von vielen Ana­tomen für einen, aus den Blendungsnerven und Blutgef äs sehen gebildeten Nervenknoten gehalten wurde, scheint nach Arnold's mikroskopischen Untersuchungen und Versicherung ein, aus Zell­gewebe gebildeter Ring zu seyn, durch den die Nerven, gleichwie die Gefässe der Blendung nur hindurchtreten, sich vielleicht auch in ihm, wie diese, netzartig verbinden.
sect;. 163.
Es cehört das Strahlcnband der Aderhaut eigens an und
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; -r
ist ein zellgewebio-es Gebilde, welches diese und die weisse Haut verbindet.
Aeltcre und neuere Anatomen, worunter besonders Keppler und Robert Knox, haben angenommen, der C ilia r kör per enthalte Muskelfasern und bewirke im Innern des Auges Lagever-änderungen*) und Porterfield **) und Knox***) nennen ihn deshalb „musculus ciliaris.quot; Die Gründe, welche sie für diese Behauptung anführen, finden sich in Arnold's angegebener Schrift folgender Massen ansreftihrt: 1) Wenn man den Strahlen-korper durch das Mikroskop untersucht, so hat er dasselbe Aus­sehen , wie die Iris und zeigt dieselbe Anordnung der Theilchcn. Da nun die Iris anerkannt muskulös ist, oder wenigstens die Kraft zur beträchtlichen Bewegung besitzt, so muss dies auch von dem Strahlenkörper gelten. 2) Bei den meisten Vögeln und sehr vielen Säugethieren, wie bei Aften und Hunden, gehen zahlreiche Ner­ven zu dem musculus ciliaris und vertheilcn sich in seine Substanz. Sie stehen rücksichtlich ihrer Menge mit den Kräften des Auges in Proportion. Diese Gründe sind vielfach bestritten worden und erscheinen bis jetzt weder widerlegt noch bestätigt. Von Vielen angenommen ist daher, dass der Strahlenkörper rein vasculüser Natur scy. Ebenso unentschieden ist es, ob das corpus ciliarc Ci-liarnerven enthalte. Auch war man geneigt anzunehmen, es habe
*) Keppler nahm nämlich an, dass dieses Gebilde, welches wie ein be-•wcglicher Muskel die Linsenkapsel umgebe, bei seiner Contraction den Glas­körper zurück und dadurch die Linse vorwärts treibe und diese Annahme be­hielten die Meisten mit mir geringen Abweichungen bei. Unter den Neuern hat diese Lehre mehrere Autoritäten zu Anhängern gefanden, welche die Aehn-lichkeit im Bau des Ciliarkörpers mit dem der Iris, die Beobachtungen An­derer und eigene Untersuchungen über Nerven zu diesem Gebilde, die Exi­stenz des Petit'schen Canales sowie vergleichend anatomische Untersuchungen als Beweise für ihre Ansicht anführen (Arnold n. a. O.).
**) On the eye Vol. II.
***) Froriep's Notizen Bd. 7.
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Physiologie der Gesiclitswerkzcugo.
91
der Ciliarkörper sein eigenes Gefässsystem, während es erwiesen erscheint, dass dessen Gcfässe eine Fortsetzung jener der Ader­haut sind und nur auf andere Weise dort verlaufen.
sect;. 164. Die Production des schwarzen Pigments ist an dem Cili-arkörjier Aveit reichlicher als an dem übrigen Theile der Aderhaut, es wird übrigens auch das schwarze Pigment an dieser in verschie­dener Quantität vorgefunden, so dass es manchmal bis auf die äussere Fläche dringt und diese gleichfalls färbt, welcher Umstand zur Annahme Veranlassung gab, es sondere auch diese Fläche schwarzes Pigment ab, welcher aber die Gegenwart eines serösen Ueberzuges dieser Fläche widerspricht.
Was weiter die Secretion des schwarzen Pigments angeht, so ist diese eben auch noch im Dunklen; so viel scheint man mit Gründen grüsserer Wahrscheinlichkeit annehmen zu dürfen, dass diese Absonderung lediglich durch die Gefässe dieser Membran geschieht und keine Drüsen dabei mitwirken, wie man annehmen wollte. Gleicher Weise ausser Zweifel gestellt scheint es auch, dass die Färbung dieses Schleimes keine ursprüngliche ist, sondern auf einem, unter Einfluss des Lichtes stehenden Oxydationsprocesse beruht, indem erwiesener Massen bei Neugebomen und in der ersten Lebensperiode diese Dunkle noch nicht besteht, sondern erst später zu Stande kommt.
sect;. 165. Abnorme Zustände der Chorioidea bedingen und verursachen mehr oder weniger beträchtliche Abweichungen des schwarzen Schleimes in Farbe, Consistenz, Menge und in anderer Hinsicht; denn die naturgemässe Secretion ist an den normalen Zustand der Gefässhant gebunden und von ihr durchaus abhängig *).
sect;. 166. Der Zweck des Daseyns dieses schwarzen Schleimes besteht lediglich darin, die in's Innere des Auges gelangten Lichtstrahlen zu absorbiren und dadurch das Sehen auch bei stärkerm Lichte möglich zu machen, woher denn auch der Zustand des Sehvermö­gens von dessen Beschaffenheit so sehr abhängig ist. Von gleicher Wirkung auf den Mechanismus des Sehens ist der Ciliarkörper, indem durch das an ihm haftende schwarze Pigment besonders die, in schiefer Bichtonsr nach dem Rande der Linse in das Auge fal-lende Lichtstrahlen absorbirt werden, damit dieselben nicht zurück­geworfen oder die Deutlichkeit des Bildes auf der Netzhaut gestört werde.
*) Arnold a. a. O.
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92nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Physiologie der Gesichtswerkzeuge.
sect;. 167.
Ausserdem hat aber der Strahlenkörper noch einen besonderen Zweck nach Arnold's Angabe. Die Chorioidea, Retina und Hya-loidea sind um die Linsenkapsel herum sehr genau mit einander verbunden, indem die Fortsätze des Ciliarkörpers in die Vertie­fungen des Strahlenblättchens eingreifen und beide das Ende der Nervenhaut zwischen sich nehmen. Dadurch Averden diese drei Häute in ihrer gehörigen Lage zu einander erhalten und zugleich die Linse an ihrer Stelle im Glaskörper befestigt. Wäre dieser innige Zusammenhang nicht, so würde die Linse mit dem Glas­körper bei äusseren Einwirkungen auf den Augapfel oder bei etwas starken Contractionen der Augenmuskeln, leicht aus ihrer Verbin­dimg und ihrer Lage gebracht werden können.
sect;. 168.
Aus Arnold's anatomischen Untersuchungen geht hervor, dass der sogenannte Fontana'sche Canal ein venöser Sinus der Iris ist, in den die Venen der Iris zum Theil sich inseriren, auf dem zugleich mehrere feine Venenzweige entspringen, die als vor­dere Ciliarvenen sich theils in die vena ophthalmica facialis, theils in die v. cerebralis einsenken, und zeigt sich ferner, dass derselbe zur Sclerotica in einer ähnlichen Beziehung steht, wie die Blut­leiter der harten Haut des Gehirns. Seine Beobachtungen über den Zweck dieses Canales lassen denselben als einen Sinus des Auges betrachten, welcher der Iris zugehört und mit den Verände­rungen, die dieselbe in ihrer Gestalt erfährt, in nächster Bezie-hung steht. Bei der Erweiterung der Pupille strömt, nach ihm, das Blut stärker in den Sinus ein, bei ihrer Verengung findet das Gegentheil Statt. Diese Ansicht sieht derselbe nicht allein dadurch gerechtfertigt, dass die Venen der Iris in ihn sich zum Theil inse­riren und aus ihm einzelne vordere Ciliarnerven entspringen, son­dern auch durch Schlemm's und eigene Beobachtungen, denen zufolge bei gehindertem Rückflusse des Blutes dieser Canal damit angefüllt sey.
VI. Die Nervenhaut, Netzhaut, Markhaut, (Tunica retina).
sect;• 169-Die Verrichtung der Netzhaut ist ein vitaler Act, dessen Me­chanismus gänzlich unbekannt ist, sie fallt mit jener des Sehnerven,
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Physiologic der Gcsiclitswerkzcuge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;93
Gehirns und fünften Nervenpaares zusammen (Magendie). Sie ist das Empfindungsorgan für den Lichtreiz, welche Empfindung mittelst des Sehnerven zum Gehirn fortgeleitet und dort zum Be-wusstseyn gebracht wird.
Michaelis sagt: Es ist durch alle unsere Erfahrungen über die Structur der Sinnesnerven fast zum Axiom erhoben, dass nur die freien Enden der Nerven der speeifischen Sensation fähig sind. Die Retina ist in toto ein solches freies Ende des nervus options. Tndess, glaube ich, darf man auch sicher voraussetzen, dass jede einzelne Primitivfaser dieser Haut nur an ihrem freien Ende per-cipire. — Ausserdem hält Michaelis dafür, dass nicht die Ner­venmasse es sey, welche den Grad der Unterscheidungsfähigkeit der Retina vermittele, sondern der Reichthum oder Mangel an Nerven, indem in grösserer Entfernung vom foramen centrale, wo die Nervenmasse bedeutender sey, als neben und in demselben, erwiesen ein geringer Grad von Perceptionsfähigkeit bestehe, wäh­rend der am reichlichsten mit Nervenfäden versorgte Punkt das foramen centrale sey. Diese Annahme findet eben auch in dem Umstände, dass zum deutlichsten Sehen das Auge gegen den zu betrachtenden Gegenstand in solche Richtung sich versetzt, in welcher das Bild auf den Centraltheil der Markhaut fallen kann, eine weitere Bestätigung.
VII. Das Strahlenblättchen, (Zonula ciliaris).
sect;. 170. Aus der innigen Verbindung, welche das Strahlenblättchen mit der vorderen Linsenkapsel eingeht, kann man schon mit Recht schliessen, dass dasselbe die Linse in ihrer Lage erhalte und es kann sonach das Strahlenblättchen das Band der Linse genannt werden. Diese Ansicht bestätigt sich auch durch pathologische Beob­achtungen ; denn nach Verletzungen des Auges geschieht es bis­weilen, dass das Strahlenblättchen von der Linse getrennt wird; in einem solchen Falle wird die Linse beweglich und verdunkelt sich (hieher gehören die Cataracta tremula et natatilis traumatica); die Verdunkelung der Linse lehrt hierbei ferner, dass das Stralden-blättchen mit derselben in einem dynamischen Verhältnisse stehe, so fern die Ernährung der Linse auch von dem Strahlenblättchen bedingt werde. Ob die fibrösen Fascikeln des Strahlenblättchens vermöge ihrer Contractilität oder Elasticität auf die Linse wirken.
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94nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Physiologie der Gesichtswerkzeuge.
ist nicht bestimmt nachgewiesen. Döllinger sagt: das Strah-lenblättchen stehe im Verhältnisse eines Erectors der Regenbo­genhaut.
sect;' 17L
Der Petit'scho Canal enthält, Avie die Zellen des Glaskör­pers, im lebenden Auge wahrscheinlich etwas Flüssigkeit, durch ihn werden die Veränderungen, welche die Linse in ihrer Lage beim Nahe- und Fernsehen erfährt, möglich gemacht und begün­stigt. Diesen Zweck des genannten Canales erkannten schon meh­rere Physiologen und bezeichneten ihn deswegen als einen um die Linsenkapsel gelegenen Raum, welcher die Bewegungen des Kry-stallkörpers, sein Vor- und Rückwärtsschrciten, gestatte.
VIII. Die Regenbogenhaut, Blendung, (Iris).
sect;. 172. Die Iris hat im Auge eine doppelte Bestimmung, eine vege­tative und eine irritable. Durch diese Membran wird die Abson­derung der was srigen Feuchtigkeit, wie auch die des schwar­zen Pigments vermittelt, wodurch sie sich als ein für das Auge sehr wichtiges, vegetatives Gebilde darstellt. Vermöge ihres gros-sen Reichthums an arteriellen Gelassen effectuirt sie auf ihrer vor­deren Fläche die Absonderung der wässrigen Feuchtigkeit und durch ihre mehr venöse Rückseite jene des Kohlenstoff- und Eisen­haltigen schwarzen Schleimes. In dieser Beziehung, in ihrer vegetativen Eigenschaft nämlich, agirt die Iris als selbstständigcs Organ; in ihrer irritablen Eigenschaft dagegen gehen ihre Functio-nen unter eigenem und fremdem Reize vor sich.
sect;. 173. Vermöge ihrer aus contractilem Zellgewebe, aus einem gleich­sam isolirten Nervensysteme und zahlreichen Blutgefässen beste­llenden Zusammensetzung, ist ihr die Fälügkeit gegeben, sich auf direetc und indirecte Einflüsse in actives und passives Verhalten zu versetzen, d. i. sich zu expandiren und zu contrahiren, oder zu expandiren und dadurch auf die sensitiven Gebilde des Auges gegen zu grelles Einfallen des Lichtes schützend, so wie auf deutliches Sehen durch Abschneiden der Randstrahlen, unterstützend einzu­wirken. Diese veränderten Zustände der Iris haben entgegenge­setzte der Pupille zur Folge, daher erscheint bei expandirter Iris die Pupille contrahirt, bei contrahirter Iris die Pupille erweitert.
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Physiologie der Gcsichtswerkzeuge.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 9tt
Nach unsorm Dafürhalten scheint der Zustand der Pupille mit dem Ver­halten der Augenlider in der Hinsicht zu sympathisiren, dass erstere sich ver­engert , sobald letztere sich öffnen, und umgekehrt, welche Thätigkeiten man theilweise als durch Willkühr hervorgerufen betrachten dürfte, und andern-thcils aber und hauptsächlich als einen, auf die motorischen und die Ciliarner-ven übergegangenen Reflex der in der Netzhaut Statt gehabten und durch den Seliuerren zum Gehirne fortgeleiteten Lichtempfindung anzusehen berechtigt ist, wie folgende Vorsuche beweisen:
Wird einem lebenden Thiere der Sehnerv durchschnitten, so wird die Pu­pille unbeweglich; das Gleiche ist der Fall bei Hunden und Katzen, wenn man das fünfte Paar abschneidet. Bei Kaninchen und Meerschweinchen dagegen zieht sich die Pupille nach Durchschneidung der letztern Nerven zusammen. Die Durchschneidung der Ciliarnerven hebt auch die Bewegungen der Pupille auf und Mayo hat sich überzeugt, dass bei Vögeln auch das Abschneiden dos ersten Paares Unboweglichkeit hervorbringt.
\l
sect;. 174.
Die Kegenbogenhäute und Pupille beider Augen sympathisiren stets mit einander, sogar bei Lähmung des einen Auges zeigt sich .meistens die Reaction der Pupille unverändert, insoweit selbe von jener des andern abhängig ist.
sect;. 175.
Ansehend die Ermittelung; des Zweckes und der Ursache der verschiedenen Formen der Pupille war man bisher noch nicht be­sonders glücklich, was v. Walt her in seiner Physiologie des Menschen mit durchgängiger Rücksicht auf comparative Physiolo­gie der Thiere hierüber und wie folgt, sagt, ist das Beachtens-wertheste, obwohl etwas hypothetisch.
,,Die Iris hat ein eignes Leben, welches die Verklärung des eigenthümlichen Lebens der Gefässhäute des Auges überhaupt ist. Die Gefässhaut aber ist in dem Bulbus das dem Lichte Avider-streitende, ihm nicht assimilirbare, undurchsichtige, das Licht mittelst des Pigmentes auszulöschen bestrebende. Die Regenbogen­haut ist eine Opposition gegen das Licht: — und so wie die Pu­pille ursprünglich geschlossen, oder vielmehr gar nicht vorhanden ist, bei dem menschlichen Fötus und im Insectenauge, so hat die Iris das Bestreben, sich wieder zu ergänzen, die Continuität her­zustellen, und in den Zustand ihrer ursprünglichen Bildung zurück­zukehren, somit dem Lichte den Eingang in das innere Auge zu wehren. Daher verengert sich die Pupille um so mehr, je heftiger das Licht ist, welches nicht die vordere Fläche der Regenbogen­haut, sondern welches den Pupillarrand der Iris trifft. Sie erweitert sich dagegen im Verhältniss der Beschattung des Auges. Das Licht, fodert also nicht als ein aus serer Reiz weder mittelbar noch unmittelbar die Bewegungen der Iris, sondern es ist die Heteroeenität und die Unbczwingbarkeit der Gefässhäute
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96nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Physiologie der Gcsichtswerkzouge.
des Auges durch das Licht, wodurch die Iris diesem die Pupille zu schliessen trachtet. Es ist also die entgegengesetzte Natur der Netzhaut und der Gefässhäute des Auges, des Sehnerven und des Ciliarnervensystems, wodurch die| Bewegungen der Iris bestimmt werden. Diese geschehen in doppelter Eichtung.
Die äusseren Influenzen, welche eine Veränderung der Di­mensionen der Pupille veranlassen, z. B. eine Erweiterung dersel­ben, thun diess mittelbar oder unmittelbar. Die Pupille erweitert sich, wenn die Iris unmittelbar zur Contraction sollicitirt wird, z. B. durch den Contact der austretenden Staarlinsc. Aber sie erweitert sich auch in allen Zuständen von deprimirter Sensibilität, bei der Apoplexie, Epilepsie, bei einigen Gattungen der Amaiirose, nach der Wirkung narkotischer Mittel, welche die Sensibilität her­abstimmen. Denn sie verengert sich nur im Conflicte des äussern und des inneren vom Sehnerven und der Netzhaut ausstrahlenden Lichtes: und da wo jene Quelle des Lichtes im Auge versiegt ist^
—nbsp; da ist es eben so viel, als wäre das äussere Licht hinwegge-nommen.
Aus diesem eigenthümlichen, und in der Natur der Gef äss­häute des Auges gegründeten, spontanen Streben der Regenbogen­haut, die Pupille zu schliessen, — erklärt sich bei den Säugethieren die horizontale Pupille der Wiederkäuer, der einhufigen Thiere u. a., und die senkrechtstehende Pupille im Katzengeschlechte. Beide Pupillen sind schon zur Hälfte geschlossen, nur in sich entgegen­gesetzten Richtungen. Die Katzenpupille hat keine Breite mehr, und die Pupille der Wiederkäuer keine Länge. Eine Dimension ist überall schon vernichtet. Die runde, oder der Rundung sich annähernde Pupille des Menschen und der Menschen-ähnlichen Thiere entsteht aus der Multiplication jener sich entgegengesetzten Formen durch einander. Unter den Säugethieren repräsentiren sich, wie Kieser will, die einhufigen Thiere und die mit gespaltenen Hu­fen, welche die horizontaloblonge Pupille besitzen, das sensible Geschlecht: nichts berechtigt zu einer solchen Annahme. Die Sen-sibilitätsthiere unter den Säugethieren sind entschieden Quadru-manen, die am meisten Menschen ähnlichen: — die Reproductions-thiere sind die Wiederkäuer und die an sie zunächst angereiheten;
—nbsp; nbsp;die Irritabilitätsthiere unter ihnen aber sind die katzenartigen, die Raubthiere. Nur bei den Sensibilitätsthieren ist die Pupille ge­rundet und kreisig: aber da, wo eine der niedern Dimensionen, wenn auch nur comparativ, vorherrschend wird, bei den irritabeln katzenähnlichen, bei den animalibus nocturnis, und von der andern Seite, bei den reproduetiven Wiederkäuern, bei den animalibus
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Physiologie der Gesichtswerkzeuge.
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diurnis, ist das Gleichgewicht der Dimensionen aufgehoben, und die Pupille strebt sich zu schliessen.
Bei den irritabeln Katzen-ähnlichen Säugethieren erscheint auch wieder eine Spur von willkiihrlicher Bewegung der Iris; — so wie sich umgekehrt bei einigen der irritabelsten Geschlechter aus der Classe der Vögel die verticalovale Pupille wieder findet. Bei den Wiederkäuern und bei den Thieren mit ungespaltenem Hufe sind die Traubenfortsätze, welche sich in die Pupille hereinsenken, nur der Ausdruck des Strebens, die Pupille zu schliessen und die Con-tinuität der Iris wiederherzustellen, daher sind sie um so mehr ent­wickelt, je weniger der obere und der untere Rand der Iris in die Pupille hervorragt. Vergleichbar den Traubenfortsätzen ist der Substanzenwucher am Pupillarrande der Iris im menschlichen Auge, die fungösen, oft condylomatösen Auswüchse, welche zuweilen bei der Entzündung der Regenbogenhaut entstehen, und mittelst derer die Pupille sich ebenfalls zu schliessen strebt.
Eben so liegt hierin die Bedeutuno; des Gesetzes: dass im Säugethierange die Iris früher ist, als die Pupille, und im Vogel­auge die Pupille früher als die Iris. Denn im Vogelauge ist die irritable oder Gefässbildung übermächtig: und die ganze Metamor­phose desselben ist ein Streben, eine Iris zu bilden und die Pupille zu schliessen. Im Auge des Säugethieres aber bricht die im gröss-ten Expansionszustande gebildete Iris in der Mitte auf, und athmet das hereindringende Licht.
n
IX. Die beiden Augenkammern, (Camera oculi an­terior et posterior), die Wasserhaut, (Membrana hu-moris aquei) und die wässrige Feuchtigkeit, (Humor aqueus).
. ii
sect;• 176. Die beiden Augenkammern haben die Bestimmung, die wäss­rige Feuchtigkeit in sich aufzunehmen und der Regenbogenhaut freien Raum zu geben.
sect;• 177. Die Wasserhaut, eine seröse, zarte, durchsichtige Haut mit glatter und glänzender innerer Oberfläche, welche beide Augen­kammern innen, noch unentschieden ob ganz oder theilweise um­kleidet, hat den Zweck, die wässrige Feuchtigkeit ab- und aus-
Müller, Vplprinär-Ophthalmologie. I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 7
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98nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Physiologie der Gesichtswerkzeuge.
zuscheiden, auch sind mehrere Anatomen geneigt, in ihr jene Haut zu erkennen, welche beim Fötus und neugebornen Thiere die Pu­pille verschliesst, welcher Meinung jedoch wieder andere wider­sprechend entgegentreten. Nach unserer combinirten Ansicht son­dert der, die vordere Fläche der Linsenkapsel und des Glaskörpers, so wie der die Iris überziehende Theil derselben, diese Feuchtig­keit ab, während der, die innere Fläche der Hornhaut überziehende kleinere Theil, dieselbe wieder aufsaugt und in die Hornhaut über­setzt, wo sie die einzelnen Zellen der Hornhaut erfüllt, die Durch­sichtigkeit derselben erhält und in ununterbrochenem Stoffwechsel aufgenommen und nach aussen durch das Bindebautblättchen aus­geschieden wird. Während des Fötuslebens und beim neugebornen Thiere scheint die Pupillarmembran, welche aus zwei Schichten besteht, durch Aufsaugung und Abscheidung die Verbindung zwi­schen beiden Augenkaramern zu vermitteln.
sect;. 178. Die Absonderung dieser Feuchtigkeit geht sehr rasch vor sich, wie man bei Verletzungen der Hornhaut wahrzunehmen Gelegenheit hat, eben so rasch zugleich die Kesorption, so dass man zur An­nahme sich veranlasst fühlte, es hätten die Blutgefässe an dieser doppelten Thätigkeit ihren Antheil.
Gewohnlich nimmt man an, dass bei der Aufsaugung der wässrigen Feuch­tigkeit die Gefässc der Ciliarfortsätze und der Iris eine wichtige Kolle spielen, dass durch sie also nicht allein die Secretion, sondern auch die Kesorption be­dingt sey. Wenn anatomische Untersuchungen uns lehren, dass diese Gebilde grösstentheils aus Arterien und Venen, die netzartig mit einander verbunden sind, bestehen, das Lymphsystcin laquo;aber einen geringem Antheil an deren Zu­sammensetzung hat, so müssen wir auch annehmen, dass von ihnen mehr eine Seeretion, als Resorption geschieht, dass, wenn durch sie die Aufsaugung der wässrigen Feuchtigkeit zum Theil auch vermittelt ist, doch hauptsächlich durch ein anderes Gebilde dieser Process zu Stande gebracht wird (Arnold).
sect;. 179.
In Bezug auf die Menge, die Mischung und auf das Ansehen, die grössere oder mindere Durchsichtigkeit der wässrigen Feuch­tigkeit, ist zu bemerken, dass erstere bei Nacht - sehenden Thieren, den Katzen, verhältnissmässig am grössten und die beiden letzteren dichter und minder hell bei solchen Thieren sind, die ein mehr re-produetives Leben führen, z. B. bei dem Pferde und Ochsen.
sect;• 180._
Angehend den Nutzen der wässrigen Feuchtigkeit, so scheint dieser ein doppelter zu seyn. Einmal die Augenkammern in gleich-massiger Ausdehnung und die Iris frei schwebend zu erhalten; das andere Mal die auf der Hornhaut gebrochenen Lichtstrahlen wieder zu sammeln, weiter zu führen und sie entweder von der vor-
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Physiologie dor Gosiclitsworkzcugc.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 99
deren Fläche der Iris noch reflectiren zu lassen oder durch die Pu­pille in die hintere Augenkammer bis zur Krystalllinse zu leiten.
X. Die Krystalllinse, Krystallkörper, (Lens crystallina, corpus crystallinum).
sect;. 181.
Als vegetatives Gebilde erhält die Linse ihre Ernährung auf der vorderen Fläche durch die Ciliargefässe, auf der Rückseite durch die arteria centrahs retinae einestheils und anderntheils durch sich selbst, da sie ein eigenes Rcproductionsvermögen besitzt.
Sogar Substanzverlust in derselben reproducirt sich wieder.
sect;. 182.
Demnach hat nun die Linse einen getrennten Kreislauf und bildet in sich ein abgeschlossenes Ganze, ähnlich der Iris; indem sie gleich dem sinus venosus iridis, um ihre ganze Peripherie zwi­schen ihrer Kapsel und weichern Substanz von einer Flüssigkeit (Morgagnische Flüssigkeit) umspült wird, die von denBlut-gefässen vielleicht dunstförmig abgeschieden und nach Erkalten tropfbar flüssig geworden, von den regelmässig geordneten Saug­ader-ähnlichen Gefässen aufgesogen und in einen gewissen Kreis­laufgebracht, zur Ernährung und Erhaltung der Durchsichtigkeit sowohl, als zur Ausdehnung zu dienen scheint. Der in ihr vor sich gehende Stoffwechsel geschieht sehr langsam, wesshalb einmal entstandene Trübungen derselben äusserst selten oder niemals wieder auflöslich sind.
sect;. 183.
Als optisches Werkzeug hat die Linse gleiche Verrichtung mit der Hornhaut, mit welcher sie auch in ihrer Textur übereinstimmt. Was ihre Grosse betrifft, so steht diese mit der übrigen, frei in den Augenkammern befindlichen Feuchtigkeit in umgekehrtem Verhält­nisse, so dass letztere um so geringer ist, je grosser die Linse ist.
sect;. 184.
Sie bricht die Lichtstrahlen zur convergirenden Richtung im Ver­hältnisse der Convexität ihrer Oberfläche und im Verhältnisse ihrer Dichtigkeit, welche nicht nur absolut, sondern auch relativ zu jener der wässrigen Feuchtigkeit zu betrachten ist. Die Krystalllinse lässt die Lichtstrahlen nicht blos mechanisch durch sich gehen, sondern die
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Physiologie tier Gesichtswerkzeuge.
Leitung ist als eine dynamische zu betrachten; sie erleidet selbst hier­bei eine progressive Entmischung; daher ist Verhärtung und die Ver-Avachsung ihrer Lamellen bei der C'ataracta senilis die Folge ihrer endlichen totalen Combustion durch das Licht, ihre letzte Meta­morphose *).
Ferner vermehrt die Krystalllinse die Intensität des, in den Grund des Auges fallenden Lichtes und zwar um so stärker, je convcxer ihre Fläche geformt ist. Hierzu kann gefugt werden, dass das Licht, welches am Umfange der Linse durchgeht, wahrschein­lich auf eine andei'e Art gebrochen wird, als das durch den Mittel­punkt gehende, und dass folglich die Verengerung und Erweiterung der Pupille einen sehr bemerkenswerthen Einfluss auf den Mecha­nismus des Sehens ausüben muss (Magcndie); daher das Sehen naher und ferner Gegenstände.
Camper, Troviranus und Poullet haben die Meinung ausgesprochen, dass nämlich bei der Zusammensetzung der Linse aus Schichten (deren Manche drei, nämlich eine, äussere, eine mittlere, und einen Korn annehmeji, in Wirk­lichkeit aber mir zwei, eine äussere, iveiche, zähe und eine innere feste und in einander übergehende, von welchen jene die Kinde, diese der Kern ge­nannt werden, vorhanden sind) von, gegen das Centrum hin, zunehmender Dichtigkeit und Krümmung, die Deutlichkeit des Sehens bei sehr verschiedenen Kntt'ernungen des Objectes vom Auge möglich ist, da die Strahlen eines fernen Punktes schwächer gebrochen werden müssen, als die, welche von einem nähe­ren kommen, um die Augenaxe in einerlei Punkte zu schneiden und da jene wegen des, beim Sehen in die lerne erweiterten Znstandes der Pupille auch durch den äusseren, weniger stark brechenden Theil der Linse, diese aber we­gen der Verengerung der Pupille beim Naheschen nur durch das Centrum der­selben gehen (Arnold).
^ sect;. 185.
Das Licht, welches auf die vordere Linsenfläche fällt, dringt nicht ganz durch sie hindurch, da es zum Theil reflectirt wird; es geht dasselbe einerseits durch die wässrige Feuchtigkeit und die Hornhaut zurück und hilft dem Auge seinen Glanz geben, anderer­seits fällt es auf die hintere Fläche der Iris, wo es durch das schwarze Pigment nbsorbirt wird.
sect;. 186.
Das Sehen ist jedoch auch ohne Krystalllinse möglich, allein das auf der Netzhaut dargestellte Bild wird dann viermal grosser und nicht scharf begränzt.
Da der Nutzen der Linse darin besteht, den Glanz und die Nettigkeit des Bildes durch Verminderung seiner Grosse zu erhöhen, so steht es zu erwarten, dass die Hinwegnahme dieses Korpers eine entgegengesetzte Wirkung haben werde. Macht man die Extraction oder Deproäsion der Linse an einem Auge,
*) v. Walther a. a. O. S. 333.
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Phvsiologie der Gesichtswerkzeufire.
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bo erscheint das Bild doch noch auf dem Grunde dos Auges, aber es nimmt sehr an Grosse, wenigstens um das Vierfache, in Vergleich mit dem Bilde in einem unverletzten Auge, zu, ist überdem noch schlecht begränzt und schwach beleuchtet. Wird an einem Auge die wüssrige Feuchtigkeit, die Linse und die Hornhaut weggenommen, so entsteht gar kein Bild mehr auf der Netzhaut; das Licht gelangt zwar noch dahin, nimmt aber keine, dem Körper, woher es kommt, entsprechende Gestalt an (Magendie).
XI. Der Glaskörper, (Corpus vitreum).
sect;. 187.
Der Glaskürjjer ist von seiner vegetativen Seite, so wie als optisches Werkzeug zu betrachten.
In ersterer Bezielmno; ist folgendes bemerkenswert}!. Der Stoffwechsel im Glaskörper, die Absonderung der Glasfeuchtigkeit ist gebunden an die Existenz der Blutgef asse und abhängig von dem Vorhandenseyn lymphatischer Canäle, welche höchst wahr­scheinlich in die Bildung der Glashaut eingehen. Letztere nimmt wohl durch diese Lymphgefasse den wässrigen Theil des Blutes aus dem'Gefassnetze auf, welches den Glaskörper bedeckt und setzt alsdann denselben in die Zellen und Bäume ab, welche sie im In­nern erzeugt. Vielleicht class grössere Saugaclerstämme im canalis hyaloideus liegen, welche gewisse Stoffe aus dem corpus vitreum zurückführen, damit so nicht blos die normale Secretion, sondern auch die Resorption der Glasfcuchtigkeit zu Stande gebracht und der Glaskörper in seiner Integrität, wie in seinen Form- und Mi­schungsverhältnissen erhalten wird. — Rib es glaubt, dass die Glashaut auf keinem andern Wege das Blut zu ihrer Ernährung und zur Absonderung bekomme, als durch die Fortsätze des Strah-lenkörpers, welche in die des Strahlenblättciiens eingeschoben sind. Er nimmt an, dass die Augenfeuchtigkeiten durch Absonderung in die Augenhäute gelangen und durch Aussonderung aus dem Innern des Auges wieder in den allgemeinen Kreislauf kommen. Die Auf­saugung soll durch die Venen der Strahlenfortsätze geschehen, die Absonderung aber durch die Zotten des Strahlenkranzes, welche aus dem Ciliarkörper die zur Ernährung der inneren Theile erfor­derliche Substanz aufnehmen. — Es mag seyn, dass in dem vor­dersten, um den Kiystallkörper gelegenen Theile des corpus vitreum der Stoffwechsel auf diese Weise geschieht, class durch die Ciliar-fortsätze und das Strahlenblättchen, welche so innig mit einander verbunden sind und von denen jene viel Blut enthalten, dieses aber
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102nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Physiologie der Gesiclitswerkzeuge.
durch seine Saugadern zur Aufnahme seröser Flüssigkeiten geeignet ist, die Ernährung eines Theiles des Glaskörpers und die Secretion der Glasfeuchtigkeit in den vorderen Zellen vermittelt wird. Allein es kann nicht das ganze corpus vitreum auf diesem einzigen Wege Stoße zu seiner alleinigen Subsistenz erhalten; sondern hierzu sind auch jene Gefässe nothwendig, welche den Glaskörper umgeben und mitten durch ihn ziehen. Diese sind die wesentlichsten Or­gane, von deren normalen Verhältnissen die Gestalt, Grosse und vollkommene Durchsichtigkeit des Glaskörpers abhängt.
sect;. 188. Als optisches Werkzeug hat der Glaskörper, minder dicht als die Linse, eine geringere Brechungskraft, als jene, deren Besitz ihm übrigens auch minder eigen zu seyn hat, als das Vermögen zur Bewirkung der Convergenz der Lichtstrahlen, d. i. die Licht­strahlen, nach allen Richtungen zu vertheilen, so wie die gleich­zeitige Aufnahme mehrerer Bilder möglich zu machen. Ausser-dem hat dieser gleichmässig und prall gespannte Körper der hinteren Hälfte des Augapfels Form und Festigkeit zu geben und die Augenhäute gespannt zu erhalten imd auf diese Weise na­mentlich die Netzhaut in allen ihren Punkten den Lichtstrahlen zusänoriff zu machen.
XII. Die Muskeln des Augapfels, (Musculi bulbi).
sect;. 189. Die Muskeln des Augapfels haben die Bestimmung, den­selben um seine Drehungsaxe nach verschiedenen Richtungen zu drehen. — Reine Rotation ohne Locomotion. — Diese Drehungs­axe ist ein imaginärer Punkt im Augapfel, welcher durch Durch­kreuzung der Augenaxen entsteht, deren mehrere zugleich die Drchungsaxen für die Function mehrerer Muskeln abgeben. Der Drehungsaxen giebt es drei, auf welche die drehenden Kräfte in sechs verschiedenen Richtungen wirken, um den kugelförmigen Augapfel nach allen Richtungen in den drei Dimensionen des Rau­mes drehen zu können.
sect;. 190. In den horizontalen Querdurchmesser von der Schläfen- zur Nasenseite des Augapfels fällt die Drehungsaxe des oberen und unteren geraden Muskels, in den Vcrtlcalduichmesscr die Drehungs­axe des inneren und äussereu geraden Muskels. Die Drehungsax
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Physiologie der Gesichtswerkzeuge.
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der beiden schiefen Augenmuskeln läuft schräg horizontal von vorn und aussen.
sect;. 191.
Die Lage der Drehungsaxen wird nach der Richtung der auf sie wirkenden Kraft, mit welcher sie stets in einem rechten Winkel steht, bestimmt, diese wieder nach dem Ursprünge und dem Ansatz­punkte der Augenmuskeln.
So vermittelt der obere gerade Muskel das Sehen nach oben, der untere nach unten, der innere nach innen, der äus-sere nach aussen, indem bei dem jedesmaligen Anziehen eines Muskels der Augapfel sich gegen die entsprechende Seite zurück­zieht und die Pupille in diese Richtung hinwendet.
Bei gleichzeitigem Anziehen zweier nebeneinander liegenden Muskeln wird der Augapfel in der Richtung der zwischen beiden liegenden Gegend gezogen und das Sehen dahin möglich gemacht; spannen sich aber gleichzeitig und gleich stark die vier geraden Muskeln, so ziehen sie den Augapfel gerade rückwärts gegen das foramen opticum.
Der hintere gerade Muskel (Musculus retractor) zieht den Augapfel gegen die Spitze des Kegels der Augenhöhle zurück, dies die allgemeine, aber doch nur mutbmassliche Meinung.
Die Erfahrung, dass bei Tliieren, z. B. den Pferden, welche diesen Muskel sehr ausgebildet besitzen, nach eröffneter Hornhaut die Kiystalllinse sehr schnell vorspringt, lassen uns vermuthen, dass er zur Accommodation, d. i. zur Verlängerung des Augapfels nach vorne und Hervortreibung der Linse, behufs des Nahesehens, hauptsächlich diene.
sect;. 192.
Bei gleiclimässiger Spannung der vier geraden Muskeln und nach vorn gerichteter, optischer Axe influiren auf das Sehen die schiefen Muskeln auf folgende Art:
Der obere schiefe Muskel stellt die Pupille durch seine Rotation des Augapfels, wobei jene, in der Richtung von unten nach aussen ein Segment eines kleinen Kreises beschreibt — nach unten und aussen; der untere schiefe Muskel bewegt den Aug­apfel in der von ihm bewirkten Rotation desselben auf einem andern Segmente desselben Kreises, nach oben und aussen.
Soll die isolirto Wirkung eines einzelnen schiefen Muskels dahin verstärkt werden, dass die Pupille stark nach unten oder oben und aussen gerichtet werde, so muss der gerade äusserc Muskel mitwirken. In welchem Falle sich die Pupille in einer Ellipse befindet, welche in die Diagonale der Wirkung des Musculus obliquus superior und rectus inferior oder oblicpuis superior fällt.
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Physiologie der Gesichtswerkzciige.
Unter gleichzeitiger Wirkung beider schiefen Muskeln wird das Auge ohne Rotation hervorscezosen.
Es unterstützt sonach der ilussere gerade Muskel die seitliche Wirkung der beiden schiefen, wirkt mit ihnen zugleich in Bezug auf ihre Richtung nach vorn und verhindert hierdurch das Hervor­treten des Bulbus. Bei den Thieren, wenigstens beim Hunde, Kalbe und Kaninchen fällt die Drehungsaxe mit der optischen Axe zusammen, indem der Verlauf der schiefen Muskeln mit letzterer einen schiefen Winkel bildet*).
Zur Versinuliclmng der TbUtigkeit und Wirkung, so wie des Nutzens der Augapfelmuskeln fügen wir einen, obgleich nur auf das Menschenauge bezüg­lichen, von Professor Ructe in seinem ersten, unten genannten Werke abge­bildeten Apparat, bei, welcher auch hier, wenn man die oben in Bezug auf die Wirksamkeit der schiefen Muskeln angegebene Verschiedenheit berücjssichtigt, gewiss zur Verdeutlichung beitragen wird.
Am deutlichsten lassen sich alle Functioneu der Augenmuskeln an einem künstlichen Auge machen, wovon die eingeschobene Figur eine Abbildung liefert.
A. Der Augapfel. B. Vorderes Ende, welches mit einer convexen Linse verse­hen ist, und welches zum Zwecke der Accommodation für nahe und ferne Ob-jeete, nach rück- und vorwärts sich verschieben lässt. C. Hinteres mit einem
*) Nach Kueto's Beitrag zur Physiologie des Gesichtssinnes, Gottingen 1841, und Lehrbuch der Ophthalmologic I. Lieferung, Braunschweig 1845.
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Physiologie der Gesichtswerkzeuge.
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matt geschliffenen Glase versehenes Ende, auf welchem sich die Objecte ver­kleinert und umgekehrt, wie auf der Retina abbilden. D. Ein Metalldraht, die verticale Trennungslinie darstellend. E. E. E. Ein hölzerner Kreis, der zur Auf­nahme der acht Schrauben, welche den acht im Bulbus befindlichen Stiften ent­sprechen , dient, und der in den beiden Klammern von Messing F. F. ruht und um seinen Mittelpunkt gedreht werden kann. G. Der Fuss. Werden die Schrau­ben 1.1. bis auf die ihnen entsprechenden Stifte fortgeschraubt, so stellen diese die verticale Drehungsaxe vor, um welche der Eect. externus oder iuternus den Bulbus wälzen kann. Verfährt man auf dieselbe Weise mit den Schrauben 2. 2., während man 1.1. lüftet, so hat man die horizontale Drehungsaxe für den Eect. superior und inferior. Denkt man sich ein linkes Auge und schraubt 3. 3. an, so ist die Drehungsaxe fixirt, um welche der Eect. superior und iuternus, oder der Eect. externus und inferior den Bulbus wälzt, und die Pupille nach oben und innen oder nach unten und aussen richtet. Wird nun z. B. die Pu­pille nach oben und innen gerichtet, so weicht die verticale Trennungslinie mit ihrer oberen Spitze nach rechts, mit ihrer unteren nach links ab, daher erscheinen verticale Objecte auf dem matten Glase, wie auf der Eetina schief, mit ihrem oberen Ende nach links, mit ihrem unteren nach rechts abgewichen. jUm die Treumingslinie wieder vertical zu stellen, ahmt man auf dem Instru­mente die Wirkung des Obliquus inferior nach, indem man den unteren Theil des Kreises E. E. E. von links nach rechts um seine Axe dreht. Verfährt man auf ähnliche Weise mit den Schrauben 4. 4., so ist die Drehungsaxe für den Eect. superior und externus, oder für den Eect. inferior und internus fixirt. Bei der Eichtung der Pupille des linken Auges nach oben und aussen, weicht die Trennungslinie mit der oberen Spitze nach links, mit der unteren nach rechts ab, wie auf beistehender Figur. Dreht man den unteren Theil des Kreises, indem man die Wirkimg des Obliq, superior nachahmt, von rechts nach links, so stellt man die verticale Eichtung der Trennungslinie wieder her. Je nachdem man diese oder jene Schrauben anzieht, oder lüftet, und sich ein rechtes oder linkes Auge denkt, kann man alle Bewegungen des Auges nachahmen und sich die Wirkungen der Muskeln verdeutlichen.
XIII. Die Augenlider, (Palpebrae).
193.
Die Augenlider bieten dein Augapfel mannichfaclien Schutz und Vortheil. Sie bedecken den grösseren Theil der vorderen Fläche des Augapfels, schützen dieselbe vor schädlichen Einflüssen, vor fremden, in der Luft schwebenden Körpern, vor anhaltendem Einflüsse allzuheller oder greller Lichtstrahlen, sowie kalten Luft­zuges , indem sie in fortwährender Bewegung sich befinden, wo­durch sie eben auch, da sie sich dem Augapfel genau anschliessen, durch glcichmässige Verbreitung der Thränen, denselben auf seiner Oberfläche beständig feucht erhalten.
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106nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Physiologie der Gesichtswerkzeuge.
Ausserdem sind sie auf deutliches Sehen in der Ferne und in greller Beleuchtung von Einfluss, sie lassen nemlich, indem sie sich nähern, nur die zum Sehen nöthige Lichtmenge durch, um einen fernen Gegenstand besser zu fixiren und deren so viel, als dem Auge nicht beschwerlich fällt.
sect;. 194.
Die anhaltenden Bewegungen der Augenlider, welche man Augenlidschlag oder Augenblick nennt, sind die Folge des Reflexes von der Netzhaut und dem Nervus trigeminus auf den Gesichtsnerven, daher KeizunKen dieser Membran und des Auges überhaupt, Schliessung der Augenlider sogleich hervorrufen.
sect;. 195.
Die äussere, aus dem Felle bestehende Platte ist dick und behaart, nach welcher Beschaffenheit sie zum Schütze des Auges besonders gecigenschaftet ist, während die innere Platte sich durch die Zartheit ihrer Oberfläche besonders auszeichnet und selbst das,' beide Platten verbindende Zellgewebe ebenfalls sehr fein ist und statt des Fettes eine dünne Scrosität enthält, wodurch die freie Be­weglichkeit der Augenlider besonders begünstigt wird.
sect;. 196.
Die Bindehaut, tunica conjunctiva, welche die innere Au­genlidplatte bildet, verbindet mit der Function einer serösen Haut, jene einer Schleimhaut. Letztere gewinnt sie durch ein Pflaster-epithelium, welches sie überzieht, sowie durch eine unterliegende feine, weiche Faserschicht, in welcher die Schleimdrüsen und der aus Gefäss - und Nervenknäucln bestehende PäpiUarkörper sich be­findet. Dieser Theil der Bindehaut unterscheidet sich nach seiner Structur und Function von jener des Augapfels; während erstcre mehr das Ansehen einer Schleimhaut hat und eine consistentere, schleimartige Masse secernirt, ist letztere dünn, serös und sondert einen dünnen, wässrigen, Thau - ähnlichen Stoff ab. Das Pflaster-epithelium und die PäpiUarkörper will man auch bis zur Hornhaut, um welche beide einen dicken, wulstigen Ring (Annulus Con-junetivae) bilden sollen, verfolgt haben. Isolirte pathologische Zu­stände der Augenlidbindehaut lassen uns auf einen getrennten Zu­stand und auf verschiedene Function beider Membrantheile schliessen und die Gegenwart eines Epitheliums und des Papillarkörpers auf dem Augapfel in Zweifel ziehen.
sect;.. 197.
Die von der Bindehaut gebildete Falte, die Blinz-oder Nick-haut (Membrana nietitans), welche den Blinzknorpel zum Theil aufnimmt und theils durch die eigenen dünnen Muskelfasern, thcils durch das Zurückziehen des Augapfels etwas verschoben wird, hat
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Physiologie der Gesichtswerkzeuge.
107
die Bestimmung, das Auge im Schlafe mehr gegen das Einfallen des Lichtes und beim Wachen gegen äussere Schädlichkeiten zu schützen.
sect;. 198. .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;_nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; .
Zur Erhaltung freier Beweglichkeit der Augenlider, sowie zu deren festerer Spannung und sichererem Schlüsse befinden sich zwischen ihren äusseren Bändern die Augenlidknorpel (Tarsi), deren zellgewebige Enden eine Verbindung mit dem äusseren und inneren Bande der vorderen Oeifnung der Augenhöhle, als inneres und äusseres Band, zu Stande bringen.
sect;• 199-
Die auf der äussere Kante der Augenlidränder befindlichen Haare, Augenwimpern, dienen insbesondere zur Beschattung des Auges.
sect;. 200.
Die, von den, an der inneren Fläche der Lider mündenden Meibomischen Drüschen abgesonderte, ölige Flüssigkeit dient zur Einölung des Augenlides, um das Ueberfliessen der Thränen so­wohl zu verhindern, als deren reizenden Einfluss auf die Haut zu ermässigen: gleichen Zweck für den inneren Augenwinkel hat die Thräncnkarunkel und die Harder'sche Drüse, deren Se-cretionsproduet jedoch dicklicher und mehr schleimig, als ölig ist.
sect;. 201. Die drei Muskeln, welche die Bewegung des oberen Augenlides bewerkstelligen, stehen im wachenden Zustande in gegenseitiger Wechselwirkung, wodurch das Auge bald geschlossen, bald ge­öffnet wird. Es hat sonach der Heber des oberen Augenli­des (Levator palpebrae superioris) in Verbindung mit dem Stirn­muskel (Corrugator supcrcilii) die Bestimmung, das Augenlid in die Höhe zu heben, wodurch die vordere Fläche des Augapfels frei und dem Lichte das Einfallen in den Augapfel gestattet wird; der Kreismuskel (Musculus orbicularis palpebrarum) dagegen bewirkt das Schliessen der Augenlider. Aus den antagonistischen Verhalten dieser Muskeln zu einander geht nun das Oeffnen und Schliessen der Augenlider hervor und werden die oben angegebe­nen Vortheile dieser Bewegung erzielt.
sect;. 202.
Die Nerven, welche die Augenmuskeln bei den Wirbelthieren versehen, kommen theils als besondere Nerven unmittelbar aus den Gehirne, theils sind es Aeste von anderen Gehirnnerven.
Einen eigenen Gehirnnerven und noch dazu, wenn man die Nerven des Gehirns in der Ordnung, von vom nach hinten zählt, den vierten, aus dem Gehirn entspringenden, nämlich den Nervus
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108nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Physiologie der Gesichtswerkzeuge.
trochlearis, erhält der obere schräge Augenmuskel; einen eigenen, den sechsten, Nervus abducens, der aus sere gerade Augenmuskel, — und nicht ein einziger Nervenast wird von diesen Nerven an ir­gend ein anderes Organ geschickt; der dritte Gehirnnerv (Nervus oculomotorius) ist für die übrigen vier Augenmuskeln bestimmt. Dieser letztere Nerv setzt aber, indem er das Ganglion oph-thalmicum bilden hilft, die Augenmuskeln mit dem inneren Auge, mit der Iris, Chorioidea u. s. w. in eine unmittelbare Verbindung und dient ohne Zweifel hauptsächlich mit dazu, einen Consensus und eine Sympathie zwischen dem Auge und den, dasselbe bewe­genden Gebilden zu veranlassen. Aber auch das fünfte Nerven­paar gibt bei Thieren einige Aeste an die Augenmuskeln ab, und zwar an den Musculus bulbosus s. retractor, welcher auch Zweige vom N. abducens erhält. Ferner ist es das fünfte Paar, welches den Augennervenknoten mit bilden hilft, das dem Sinne des Ge­schmackes und bei den Fischen sogar dem des Gehörs vorsteht.
XIV. Die Thränenorgane, (Organa lacrymalia).
sect;. 203.
Zu den Ilülfsorganen des Auges gehört noch ein kleiner Se-cretionsapparat, der durch seine merkwürdige Einrichtung dem Auge von sehr grosscm Nutzen ist und von den Thränenorgancn gebildet wird.
. sect;. 204._
Die Thränenorgane zerfallen in die Thränen - erzeugende, Thrä-nen- zuführende und in die Thränen-ableitende Parthie. Zu der Thränen-erzeugenden Parthie gehören die beiden Thränendrüscn mit ihren 12 bis 18 mündigen Ausführungsgängen. Die von ihnen abgesonderten Thränen sind eine seröse, schleimige Flüssigkeit von nur wenig grösserem specifischem Gewichte, als das Wasser, welche viel Soda sowohl in reinem als kohlensaurem, kochsalzsau­rem und phosphorsaurem Zustande und etwas phosphorsaure Kalk­erde enthält. Die Quantität des Secretes ist verschieden, wie auch seine Mischung inconstant. — Da die Mündungen der Ausführungs­gänge der Thränendrüsen sich an der inneren Oberfläche des oberen Augenlides, in der Nähe dos äusscren Augenwinkels, befinden, so
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Physiologie der Gcsielitswerkzeuge.
109
gelangen die Thränen in den Zwischenraum zwischen dem Biilbus und den Augenlidern. Indem nämlich der. Kand der beiden Au­genlider etwas wulstig hervorragt, so liegt blos er allein, und nicht die ganze innere Oberfläche des Augenlides selbst, an dem ßulbus an. Es bleibt daher zwischen ihnen ein freier, dreieckiger Zwischen­raum übrig, in welchem die Thränen durch die abwechselnden Be­wegungen der Augenlider gegen den inneren Augenwinkel hin be­wegt werden: so verbreiten sich die Thränen über die vordere Fläche des Augapfels. — Gewiss ist die Wirkung der Thränen nicht blos darauf beschränkt, dass sie den Augapfel gegen den rauhen Eindruck der atmosphärischen Luft, sowie gegen die Be­rührung der Augenlider schützen, sondern sie stehen noch in einer innigen dvnamischen Verknüpfung mit der Function des Gesichtes.
sect;. 205.
Die Thränen sammeln sich allmälig im inneren Augenwinkel im Thränensee an und werden da von den Thränenpunkten eingesogen. Diese sind die absorbirenden Mündungen der Thrä-nenröhrchen, zweier gefässartiger Canäle, welche die Thränen in den Thränensack führen. Im Zustande von vermehrter Thä-tigkeit gerathen die Papillen der Thränenpunkte in eine Art von Erection, sie erheben sich und ziehen sich wechselsweise wieder in sich zurück, so dass ihr Längendurchmesser hiebei sehr verändert wird; die Contractilität der Thränenpunkte ist sehr gross, wie man sich durch das Einschrumpfen ihrer Papillen bei der Berührung mit einer Sonde überzeugen kann.
sect;. 206.
Die beiden Thränenröhrchen vereinigen sich in einen gemein­schaftlichen Canal und dieser inserirt sich in den Thränensack, wo­hin die Thränen allmälig gelangen; schon vorher mit dem Talge der Meibomischen und Harder'schen Drüsen gemengt, sowie durch die Einwirkung des atmosphärischen Sauerstoffgases im geringeren Grade oxydirt, werden sie als eine schon ursprünglich etwas mu-cöse Flüssigkeit durch die Zumischung des von der Schleimhaut des Thräncnsackes abgesonderten Schleimes, dem Nasenschleime verähnlicht nicht periodisch, sondern stetig und in kleiner Quan­tität, durch den häutigen Xasencanal in der Nasenhöhle entleert. Diese Fortleitung wird sehr durch die Richtung der schief von oben nach unten herabsteigenden unteren Portion des Thräncn­sackes und des häutigen Nasencanales, durch dessen progressive Verengerung, durch die eigene Schwere der mit Schleim gemisch­ten Thränenfeuchtigkeit und durch die mitgethcilte Bewegung des Schliessmuskels der Augenlider, der bei seiner Zusammenziehung auf das obere blinde Ende des Thräncnsackes drückt, befordert.
I
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HOnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Physiologie der Gesichtsenvkzeuge.
Sie steht übrigens unter dem allgemeinen Gesetze der Gefassbe-wegung, nach welchem die Fortleitung jeder Flüssigkeit in einem organischen Canale geschieht. Gewiss ist es, dass es in den Wandungen des Thriinensackes keine Muskelfasern, keine peri-staltische Bewegung, an seinem Ausgangsloche keinen Schliess-muskel gibt; Annahmen, die leiliglich dazu dienten, die richtige Ansicht von den Krankheiten dieser Parthie des Thränenorganes zu verwirren *).
*) v. Walthcr a. a. O. S. 313 u. f.
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Zweite Abtheiluns;.
Pathologie und Therapie der Augen­krankheiten.
Miiller, Veterinär-Ophthalmologie. II.
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Von den
Krankheiten des Thierauges
im Allgemeinen.
sect;. 1. So wie im normalen und gesunden Verhalten das Auge als Mikrokosmus im Makrokosmus des thierischen Körpers zu betrach­ten ist, ebenso ist es dasselbe in seinem gestörten oder krankhaft veränderten Zustande, indem sich die meisten Krankheitsformen des Thierkörpers isolirt oder reflectirt in demselben vorfinden, wobei sie theils als selbstständige, theils als abhängige Augenkrankheiten erscheinen; sie entwickeln sich aus denselben Ursachen, nach glei­chen Gesetzen und ganz ähnlichen Erscheinungen und haben hier, wie dort, gleichartige Gebilde zur Lagerstätte und charakterisiren sich ebenso distinct durch die Eigenthümlichkeit ihrer Form und ihres Charakters; sie machen sogar ihre Diagnosticirung leichter möglich, als in den Theilen des übrigen Körpers, weil sie sich am Auge, dem Organe höchster und feinster Organisation deutlicher ausprägen und dabei, vermöge dessen Lage und eigenthümlichen Structur eine freie Untersuchung bis in seine Tiefe gegeben ist und dadurch eine mehr objective Einsicht in das Leiden zulässig wird, was bei den meisten Krankheiten des übrigen Körpers minder möglich ist.
sect;#9632; 2. Die Krankheiten des Auges zerfallen generell in Bezug auf Zeitdauer in acute, schnell verlaufende und chronische, lang-
1 *
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#9632;inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Von den Krankheiten des Thierauges im Allgemeinen.
wierig verlaufende; speciell nach Wesen und Form in dynami­sche, organische und mechanische.
sect;#9632; 3. Unter acuten Augenkrankheiten versteht man vorzugs­weise solche, welche entweder durch einen hohen Grad von Bewe­gung im Gefäss- und Nervensystem ausgezeichnet sind oder durch­weg nur in einem Zeiträume von einigen oder mehreren Tagen ihren Ausgang erreichen; dagegen nennt man chronische, dieje-nio;en, welche im Allgemeinen weder mit localer noch allgemeiner Aufregung verbunden sind, sich langsam entwickeln und in ihrem Verlaufe nur langsam oder gar nicht ihre Form verändern.
Diese Unterscheidung hat in mancher Beziehung praktischen Werth, eignet sich jedoch nicht zu einer systematischen Ordnung, um so weniger, da letztere nur als eine fortlaufende Recidive der erstem anzusehen ist.
sect;• 4- . Die dynamischen Krankheiten begreifen jene in sich, in
welchen das Kräfteverhältniss in der irritablen, wie sensiblen Le-
benssphäre qualitativ und quantitativ gestört ist; unter dieselben
zählt man die Phlogosen und die Neurosen.
Beide Formen zerfallen nach der Beschaffenheit und der Function der Or-gantheile oder des Systems, worin das Leiden seinen Sitz hat, wieder in Dnter-abtheihingcn.
sect;. 5.
Als organische Krankheiten gestalten sich die Verände­rungen in der Structur und Mischung der Organtheile. Diese bilden sich oft aus einander hervor und sind dabei meist Product einer vorhergegangenen dynamischen Störung und zerfallen nach ihrer Beschaffenheit in allgemeine oder theilweise ubermässice Zu-oder Abnahme der organischen Masse — Hypertrophie, Atrophie und Wucherung — oder in organische Zerstörung — Exulceration — oder in organische quantitative oder qualitative Masseveränderung — Afterproduction — und verbinden mit sich je nach ihrer Natur und ihrem Charakter, als Folgen ihres pathalogischen Zustandes, ver­schiedenartige Störungen der Se- iindExcretionen^—Schleim-Flüsse, Ausschwitzung plastischer Lymphe, Vereiterung, Wassersucht, Blutaustritt u. s. w.
sect;. G.
Zu den mechanischen Krankheiten zählt man, Störungen im Zusammenhange und Lage der einzelnen Gebilde, so wie jener unter einander — fehlerhafter Zusammenhang, fehlerhafte Trennung der Theile, Lageveränderung und fremde Körper in denselben. —
In Bezug auf die Behandlung der einzelnen Formen von
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Von don Krankheiten tics Thiemuges im Allgemeinen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 5
Augenkrankheiten gelten die allgemeinen Kegeln der Therapie. Sie werde daher, sobald dieselben ein Ausfluss eines allgemeinen Leidens sind, mittelbar unter Anordnung sachgemässer allgemeiner Mittel und entspreehender localer Berücksichtigung geführt; so fern dagegen das Augenleiden als ein ursprünglich locales und von allge­meinem Krankheitszustande gänzlich freies, Leiden sich charakte-risirt, vorwaltend örtlich berücksichtigt und ein allgemeiner Eingriff auf den Gesammtorganismus nur in so weit instltuirt, als er von specieller Wirkung auf das locale Leiden betrachtet werden kann und nöthig erscheint.
Es gelte daher die allgemeine Eegel, dass das erkrankte Auge, gleich jedem andern Organe oder Organtheile des Körpers behan­delt werde, nur dass man bei Wahl der einzelnen Mittel, ihrer Dosen und Formen die Eigenthümlichkeit des Organeraquo;, seine com-plicirte und höher stehende Organisation, neben Berücksichtigung des Grades des Ergriffenseyns und der Krankheitsursache, jede nöthige Modification eintreten lasse und stets nur die einfache Na-turthätigkeit als Norm nehme und ihr in einfachen Fällen bloss un­terstützend nachhelfe, dagegen aber auch in intensivem Fällen es nicht scheue, durchgreifende Mittel zu adhibiren, während man eben auch niemals aussei-Acht lassen darf, dass die Kunst gar häufig nur vermag, im günstigsten Falle ein Stillstehen des üebels zu erzwecken und sich begnügen muss, Deformitäten des Auges zu verhüten.
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Erster Abschnitt.
Dynamische Krankheiten des Auges.
i.
Phlpgosen.
Von den Entzündungen des Auges im Allgemeinen.
Eine Augcnentziindung ist ein iinoinaier, durch gesteigerte Thätigkeit des leidenden Theiles erzeugter Vegetationsprocess des Auges und seiner einzelnen Gebilde, welcher sich durch liöthe, Geschwulst, erhöhte Temperatur, gestörte Function und erhöhte Empfindlichkeit oder heftigen Schmerz in den leidenden Theilen zu erkennen gibt *).
Die Entzündung haftet ursprünglich oder bleibend in einem einzelnen Organtheile des Auges, zuweilen verbreitet sie sich über das ganze Organ, seltner aber ergreift sie uranfänglich einen grössern Theil oder den ganzen Umfang desselben.
sect;. 10.
Modificirt sind die Erscheinungen der Entzündimg durch die anatomisch-physiologische Dignität, von der grössern oder gerin­gern Empfindlichkeit des ergriffenen Gebildes, durch ihren Höhe­grad, durch die, sie bedingende, Ursache und durch die constitutio-nellen Verhältnisse des Subjectes.
*) Jüngken, Lehre v. d. Augenkrankheiten. 2te Aufl. fcgt;. -10.
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Djnamisclie Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 7
#9632;sect;. 11.
Die ersten Erscheinmigen der Entzündung geben sich in er­höhter Empfindlichkeit des Auges gegen äussere Eeize kund. — Die Eöthe des Auges gibt ein sehr variirendes Zeichen ab, indem sie anfänglich oft ganz fehlt oder in nur sehr geringem Grade zu­gegen ist, im spätem Verlaufe der Krankheit aber zur Haupter­scheinung sich erhebt. Intensiver zeigt sie sich bei oberflächlich liegenden, reichlich mit Capillargefässen ausgestatteten Gebilden. — Geschwulst der ergriffenen Organtheile tritt in der Regel erst bei vollständig entwickelter Entzündung hervor und ist ebenfalls von der mehr oder weniger zarten und lockern Structur des Ge­bildes selbst abhängig. So zeigen die Bindehaut und die zellge-webigen Gebilde die grösste Neigung zur Anschwellung. — Tem­peraturerhöhung findet sich vorwaltend bei Entzündung der äussern Theile des Auges, insbesondere der Augenlider und Bindehaut, wo sie dem Gefühle der Hand bemerkbar wird. — Die gestörte Function des Auges gibt ein sehr wichtiges und constantes Zei­chen bei der Augenentzündung ab, steht mit der Heftigkeit dersel­ben stets in gleichem Verhältnisse und ist von der Dignität des ergriffenen Gebildes immerhin abhängig.
sect;. 12.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; _
Zu diesen Erscheinungen treten nach dem Grade ihrer Heftig­keit noch andere in den benachbarten, dem Sehorgane angehörigen, Gebilden und drüsigen Organen. So verändert sich häufig und meistens die Secretion der Thränendrüse, welche minder in den entzündlichen Zustand verflochten, reichlicher absondert, dagegen aber stärker an der Entzündung partieipirend, gar nicht absondert: daher im erstem Falle die Irritation des Auges durch das Ueber-fliessen der Thränen die Reizung der Augenlider steigert, im letz­tern Falle hingegen das Auge trocken erscheinen lässt und dabei die Entzündung vermehrt.
sect;. 13.
Als Ursachen der Entzündung unterscheidet man vorbe­reitende, prädisponirende, und Gelegenheits-, excitirende, Ursachen.
sect;• 14- .nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;.
Die prädisjionirenden Ursachen sind theilweise in der allge­meinen Constitution des Körpers, der Stimmung der Haut und in dem Grade der Reizempfänglichkeit des Auges selbst einerseits, so wie in der Lebensweise und Blutmischimg andererseits, be­gründet,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i
Angehend die allgemeine Constitution des Körpers und der Hautstimmung, so sind es besonders Thiere von schlaffem oder zar-
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8nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dynamische Krankheiten des Auges.
tem Körperbaue, welcher, dünner Haut, hellem Haare und sehr empfindlichen, pigmentarmen, prominenten oder sehr flach gebauten Augen, welche dieser Krankheitsform vorzugsweise ausgesetzt sind.
sect;•15.
Zunächst befordert alles die Prädisposition zu einer Augenent­zündung , was die Vitalität dieses Organes steigert und die Plasti-cität der Säfte mehrt *). Daher sind junge, kräftige, gutgenährte oder in der Zahnperiode begriffene Thiere vorzugsweise Augenent­zündungen ausgesetzt.
'sect;.16.
Als Gelegenheitsiu-sachen zur Entwickehmor entzündlicher Au-genkrankheiten unterscheidet man aus sere und innere. Zu erste-ren gehören hauptsächlich folgende:
Die atmosphärische Luft gibt unter gewissen Umständen eine der wichtigsten und häufigsten Veranlassungen zu Augenentzün­dungen, so wohlthätig und unentbehrlich sonst eine gesunde atmo­sphärische Luft dem gesunden Auge ist; ja dasselbe erkrankt, wenn es unnöthigerweise der Einwirkung jenes Avohlthätigen Ele­mentes entzogen wird. Ist aber die Atmosphäre mit fremdartigen Stoffen gemischt, oder durch Stürme bewegt oder einem häufigen und schnellen Temperaturwechsel unterworfen, dann wirkt sie nach­theilig auf die Augen ein und gibt Veranlassung zu Entzündimg. Heftige Winde, vorzüglich von Regen und Schnee begleitet, wie sie besonders im Herbste und Frühjahre erscheinen; auch eine mit Staub oder mit Kauch oder mit Ausdünstungen thierischer oder putrescirender vegetabilischer Körper gemischte Atmosphäre wirkt nachtheilig auf die Augen und erregt Entzündung, z. B. die Aus-dünstungen in sumpfigen und morastigen Gegenden, in Cloaken und Ställen; auch Miasmen gehören dahin. Es gibt Angenent-zündungen, deren epizootischer und enzootischer Charakter gar nicht geleugnet werden kann.
Das Licht gehört zwar ebenfalls mit zu denjenigen Elementen, deren Einfluss dem Auge, soll es gesund bleiben, nothwendig ist; es kann aber imter gewissen LTmständen und wenn es zu heftig auf das Auge einwirkt, ebenfalls höchst schädlich werden und Ent­zündimg erregen. Auf Reisen und beim Triebe von Viehheerdcn in Gegenden, wo ein heller Kalkboden und Kalkberge sich Aveit-hin ausdehnen, oder im Winter auf grossen Ebenen oder Gebirgen, wo grosse Saud- oder Sehneeflächen von der Sonne stark beschie­nen sind, entwickeln sich Augenentzündungen. Auch durch Inso­lation kann eine äusserst heftige Augenentzündung erregt werden.
*) Jüngken a. a. O.
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 0
Fremde Körper geben eine häufige Veranlassung zu Augen­entzündungen; sie kommen entweder zufällig in die Augen, wie Staub, Sand, Spitzen von Kornähren, Haarspitzen, Kalk u. dgl., oder sie sind absichtlich zu irgend einem Heilzwecke am Auge an-gewandt worden, wie z. B. eingeblasenes Ziegelmehl. So geben bisweilen auch Arzneimittel, welche unzeitig oder in zu geringer Verdünnung, zu häufig oder in unpassender Form angewandt wer­den, Veranlassung zu Augenentzündungen. Ebenso können durch fehlerhafte Stellung der Augenlider und der Wimpern Entzündun­gen des Auges erregt und unterhalten werden.
Selbst die Absonderungen aus den Augen können wieder als ursächliche Momente auf dieselben wirken und eine Augenentzün­dung hervorrufen und unterhalten, wenn sie z. B, scharf sind und sich in übermässiger Menge im Auge ansammeln oder wenn sie an den Augenlidern verhärten und diese Crusten wieder in die Augen kommen, und daher sowohl chemisch, als mechanisch auf das Auge wirken.
Ferner gehören hierher die Contagien, Krankheits Stoffe, welche durch immittelbare Uebertragung auf das Auge Entzündung des­selben erregen, z, B. beim Eotze.
Die innem prädisponirenden Ursachen zur Entstehimg von Augenentzündungen sind theilweise in functionellen Störungen oder in der Gegenwart anderer Krankheiten im thierischen Körper oder in einer krankhaften Säftemischimg, sey sie abhängig von erblicher Anlage, von einer überstandenen oder zurückgetretenen Krankheit, fehlerhafter Fütterungsweise oder von ähnlichen Anlässen be­gründet.
Zu den functionellen Störungen sind insbesondere zu rechnen: Stockungen in den gewohnten Absonderungen in dem Darm, woher gastrische, biliöse Reize, Stockungen in den Drüsen, letzteres vor­zugsweise bei dem Milchgeschäfte, in den Nieren durch Erkältung, übermässige Anstrengung oder localen traumatischen Reizeinfluss hervorgerufen, in Unterdrückung des Geschlechtstriebes, namentlich bei Stuten; ebenso bei übermässigen Anstrengungen hierin und ferner in mehrfachen Beeinträchtigungen des thierischen Haushal­tes, durch äussere und innere Lebensverhältnisse der Thiere, wie sie im Gefolge regelwidriger, allzu erliitzender Fütterungsweise zu erscheinen pflegen. — Störungen im Kreislaufe, Blutcongestionen nach dem Kopfe, als Folge gewohnter und unterdrückter Secretio-nen, starker körperlicher Anstrengungen, starker Hitze oder localen Reizes auf den Kopf (traumatische Verletzung, Sonnenstich).
Daliin gehörige Krankheiten sind die acuten Hautausschläge, Krätze, Flechten, Furunkelkranklieit, die Räude und Mauke des
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10nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
Pferdes und der übrigen Hausthiere und verschiedene andere der­artige Hautaffectionen und allgemeine mit Eeizfieber verbundene, acute und chronische Zustände.
Ein häufig vorkommendes ursächliches Moment zu langwieri­gen, oft sehr gefährlichen Krankheiten entzündlicher Art des Auges ivad seiner Hülfswerkzeuge geben die krankhaften Säftemischungen ab, welche man im Allgemeinen als Dyskrasien und Cachexien be­zeichnet, die entweder primär, gleich bei ihrem Erscheinen im Kör­per, oder secundär, nachdem sie bald längere oder kürzere Zeit unter andern Formen im Organismus bestanden haben, die Augen befallen. Dahin sind zu rechnen: die cachektischen, lymphatischen Krankheiten, als da sind, die oft in Rotz übergehende Drüsenkrank­heit des Pferdes, des Maulthieres und Esels, die venerische Krank­heit , der Rheumatismus, die Gicht, eingewurzelte oder zurückge­tretene chronische Hautausschläge u. s. w.
sect;. 17.
Wie eine Sichtung der Krankheiten nach ihrem Wesen, ihrer Natur, ihren Ursachen und Erscheinungen überhaupt in Bezug auf ihre bestimmte Unterscheidung, Erkenntniss und Behandlung von hohem Werthe ist, so ist sie es ganz besonders bei der Entzündung des Auges.
Eine, obwohl allgemeine, jedoch für die Kenntniss der Natur, so wie für die Behandlung der Augenentzündungen sehr werthvolle, sowohl auf deren Sitz als Ursache noch ganz besonders anwendbare, Eintheilung ist diejenige, welche solche nach dem Charakter des Vegetationsprocesses in dem entzündeten Organtheile, d. i. nach dem Grade der Vitalität, mit welcher die Vegetation in demselben erscheint und zugleich nach dem Verlaufe der Krankheit selbst sichtet. Demzufolge zerfallen die Augenentzündungen nach Jüngken und Chclius *) in diejenigen, welche mit dem synochösen Cha-rak-ter erscheinen, in diejenigen mit dem er ethischen Charak­ter und in diejenigen mit dem torpiden Charakter.
sect;. 18.
Augenentzündungen mit synochösem Charakter, reine Augenentzündung, Ophthahnitis, nach Cheüus, geben das vollkommenste Bild des gesteigerten Vegetationsprocesses; alle Er­scheinungen einer erhöhten Vitalität des leidenden Organes sind hier am deutlichsten vorhanden; sie geben daher das reinste Bild der Entzündung, besonders wenn dieselbe frei von fremdartiger Beimischung ist. Solche zeigen eine lebhafte, gleichmässig ver-
*) Deren gedrängte Darstellung wir nachfolgend und theihveise zu über­tragen, wir uns erlauben wollen.
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theilte Hochröthe. Der Schmerz äussert sich lebhaft und steht genau mit den übrigen Erscheinungen in Harmonie; das Auge ist lichtscheu und thränt stark; die Temperatur ist erhöht und gibt sich dem Gefühle der Hand zu erkennen, die Geschwulst besonders in den äussern Theilen massig stark und gespannt. Alle Erschei­nungen nehmen gegen Abend zu und lassen des Morgens nach. Lagert die Entzündung in einem wichtigen Organtheile oder hat sie einen bedeutenden Umfang erreicht, dann verbreitet sich der Reflex derselben über den Gesammtorganismus und es begleitet sie ein allgemeines, synochöses Gefässfieber. Der Verlauf dieser Ent­zündungen ist rasch, diese enden schnell entweder unter Zerthei-lung oder unter Exsudation von Faserstoff oder Eiter, auch haben sie Neigung zu plastischen Processen; häufig entstehen sie nach der Einwirkung äusserer Schädlichkeiten.
sect;• 19.
Die erethische Augenentzündung, Ophthalmia erethica, zeichnet sich vorzüglich durch vorwaltende Thätigkeit des sensiblen Systems aus. Der Schmerz steht in gar keinem Verhältnisse zu den übrigen Erscheinungen der Entzündung; er ist heftig, vermehrt sich bei jeder Einwirkung des Lichtes, woher die Function des Sehens sehr gestört ist. Die Thränen schiessen periodisch strom­weise und sehr heiss aus dem Auge und diesen periodischen Thrä-nenfluss unterbricht eine, die Empfindlichkeit steigernde Trocken­heit. Die Köthe ist Verhältnissmässig unbedeutend, ungleich, gewöhnlich fleckenweise verbreitet, entweder von livider, blassrother oder dunkler, blaurother Farbe. Die Geschwulst pflegt ebenfalls verhältnissmässig unbedeutend zu seyn; in den äussern Gebilden ist sie ödematöser Art. Die Hitze zeigt sich objeotiv gering. Diese Entzündungsform hat grosse Neigung zu lymphatischen Ex­sudationen und Exuleerationen, wesshalb sie häufig in den durch­sichtigen Theilen des Auges Trübungen zurücklässt. Sie macht unregclmässige Exacerbationen imd hat einen langsamen Verlauf bei grosser Neigung zu Recidiven.
Augenentzündungen, welche aus Innern, besonders dyskrasi-schen Ursachen hervorgegangen sind, pflegen mit diesem Charakter aufzutreten.
Diese Modification der Augenentzündung ist solchen Subjecten eigen, deren Sensibilität zu sehr gesteigert ist, wesshalb sie zarte Organisationen und Thiere jugendlichen Alters vorzugsweise be­fallen.
sect;. 20.
Die torpide Augenentzündung, Ophthalmia cum torpore, zeigt in ihrem Verlaufe eine grosse Langsamkeit und scheint in
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12nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dynamische Krankheiten des Auges.
ihren Erscheinungen mehr ein örthehes Impediment im Capillar-gefässsysteme, als einen erhöhten Lebensprocess zur Grundlage zu haben und bildet daher in dieser Beziehung einen Gegensatz zur synochösen Entzündung. Die Störung der Function des leidenden Organes ist bedeutend, während die eigenthehen Entzündungser-scheimmgen verhältnissmässig gering sind. Die Röthe findet man meistens stellenweise verbreitet und durch einzelne, sehr ange­schwollene, varicose Gefässe gebildet. Die Geschwulst ist verhält­nissmässig stark, jedoch nicht erhaben oder gespannt, sondern er­scheint mehr diffus und von geringer Temperatur.
Es ist grosse Neigung zu profusen Secretionen' vorhanden, diese sind trübe, schleimig, scharf, ätzend und veranlassen Ge­schwüre , wenn sie längere Zeit auf einer Stelle haften. Ausgänge in Ulcerationen, Indurationen und Hypertrophien sind hier häufig und erscheinen vorzugsweise in den, auf einer niederen Stufe der Vegetation stehenden Gebilden, z. B. in den Drüsen und Schleim­häuten. Diese Entzündungsform wird durch Cachexie erzeugt und erscheint bei Individuen, deren Vegetationsprocess im Allgemeinen sehr gesunken ist und bei pastosem Habitus, überhaupt bei solchen Individuen, welche einen geringen Grad von Eeceptivität und VVir-kungsvermögen besitzen. — Dieser Entzündungscharakter kann unter begünstigenden Umständen ursprünglich auftreten, oder aus den andern Formen hervorgehen.
Mi.
Die Entzündungen des Auges nach der Verschiedenheit der sie bedingenden Ursachen eingetheilt, geben folgende Formen ab: die idiopathische, die sympathische, (speeifike und me­tastatische) und symptomatische.
sect;. 22.
Die idiopathisehen Augenentzündungen entstehen mi­ter dem Einflüsse äusserer, das Auge unmittelbar berührender Schädlichkeiten, nach deren Grad der Einwirkung, so wie durch die constitutionellen Verhältnisse des ergriffenen Individuums sie qualitativ und quantitativ näher bestimmt werden und noch nach Aufhören der schädlichen Ursache selbstständig fortbestehen. Es sind diese aussei- den mechanischen und rein chemischen Schäd­lichkeiten, welche das Auge treffen, besonders kalte, zersetzte, mit Elektricität überladene Luft, plötzliche Einwirkimg eines sehr star­ken Lichtes oder ein, von einer weissen Fläche reflectirtes Licht.
Diese Entzündungen können in jedem Gebilde des Auges ent­stehen, auf welches die äussere Schädlichkeit einwirkt.
sect;. 23.
Die sympathischen Augenentzündungen gehen aus
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Dynamische Krankheiten des Auges.
13
einem consensuellen Wechselverhältnisse hervor, indem das Aim-e mit ii-gend einem andern kranken Organe steht, oder auch, sie ist Product einer im Körper vorhandenen Krankheit, durch dieselbe unterhalten und bezüglich der Dauer von derselben abhängig. Ist jene speeifiker Natur, so nennt man sie speeifike Augenentzündun­gen. Hat eine Krankheit ein anderes Organ verlassen und dafür das Auge entzündlich afficirt, so bezeichnet man sie als metasta-tische Augenentzündungen.
Der Sitz dieser Entzündungen ist je nach der Verwandtschaft der betreffenden Gebilde verschieden.
sect;. 24.
Die symptomatischen Augenentzündungen sind mit einer allgemeinen Krankheit verkettet, deren Einzeltheil sie gewis-sermassen abgeben; dies z. B. bei den Pocken. Auch können sie aus einer allgemeinen Krankheit hervorgehen, so dass sie als deren Keflex erscheinen.
sect;. 25.
Primär sind die Augentzündungen, wenn sie die Form, unter der sie entstanden sind, beibehalten; seeundär sind solche, welche ihre frühere Form, unter der sie aufgetreten sind, abgelegt und un­ter prädisponirenden Verhältnissen, Complicationen oder fremdar­tigen Einflüssen überhaupt, eine andere Form angenommen haben.
sect;. 26.
Nach der Art des Erscheinens theilt man die Atigenentzün­dungen in sporadische, enzootische und epizootische.
sect;' 27-
Sporadische Augenentzündungen nehmen ihren Ur­sprung in, nur auf das kranke Individuum eingewirkt habenden, Ursachen, wahrend enzootische Augenentzündungen von, an die Oertlichkeit des Aufenthaltes geknüpften Ursachen abhän­gen; epizootische Augenentzündungen nennt man solche, welche durch irgend ein, in der Atmosphäre vorhandenes Miasma bei mehreren Individuen zugleich erzeugt werden.
sect;. 28.
Die verschiedenen Zeiträume der Augenentzündungen fallen eigentheh in zwei zusammen, nämlich in den ersten, den Zeit­raum des Keizes, Stadium irritationis, und den zweiten, den Zeitraum der Abnahme, Stadium decrementi.
Im ersten Zeiträume sind die einzelnen Erscheinungen der Entzündimg in verschiedenem Grade nach der Heftigkeit der Ent­zündung zugegen und treten um so deutlicher hervor, je reiner die Entzündung ist. Im zweiten Zeiträume sind die eigentlichen Ent-
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linbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dynamische Krankheiten des Auges.
zündvmgserscheimmgen im ßückschreiten begriffen und mein- Er­schlaffung und Ueberfüllung der Gefässe zugegen.
sect;.29.
Die Augenentzündungen gehen über in Zertheilung, Eite­rung, Exsudation, Erweichung, Atrophie und Brand.
sect;. 30.
Die Zertheilung, der günstigste Ausgang der Entzündung des Auges steht in Aussicht, wenn dieselbe mit synochösem Charakter auftritt, nicht-allzu rasch verläuft, alle Erscheinungen gleichmässig abnehmen, die Krankheitsursachen gehoben sind und das Gefäss-system thätig genug ist, um die Krankheitsproducte gehörig zu resorbiren.
sect;. 31.
Der üebergang in Eiterung kommt bei Augenentzündungen vor, die bei fortwirkender Ursache sehr schnell einen hohen Grad erreichen, in dem Zellgewebe und in den Drüsen, in der Bindehaut und in den gefässhäutigen Gebilden lagern. Die Eiterung er­scheint entweder in der Form des Abscesses oder Geschwüres oder als Absonderung von irgend einer Fläche äusserlich oder im Innern des Auges. Sie ist entweder mit entsprechender Steigerung der Lebensthätigkeit verbunden und von plastischer Katur oder bedingt durch gesunkene Plasticität und vermehrte Aufsaugung, wie In der Verschwärung, Ulceration (Chelius).
fr 32.
Die Exsudation von Eiweiss-Faserstoff oder seröser Flüssigkeiten ist Ausgang sowohl reiner, vorzüglich aber dys-krasischer und kachektischer, lange dauernder Augenentzündungen. Eiweiss - oder Faserstoffexsudat ist meist Product gefasshäutiger, auch spongiöser Gebilde, z. B. der Hornhaut, ergiesst sich auf der Oberfläche oder in das Gewebe oder in den freien Band des ent­zündlich ergriffenen Theiles und hat Verwachsungen, Trübung, Verdunkelungen, selbst auch Verdünnung durch Verdrängen des ursprünglichen Gewebes, ferner Verschliessung und Verwachsung offenstehender und jm gesunden Zustande getrennter Theile, des Sehloches, der Hornhaut mit Begenbogenhaut und dieser mit der Eegenbogenhaut, zur Folge. Wässriges Exsudat entsteht bei ere-thischen und rothlaufartigen, heftigen und langwierigen Entzündun­gen und bewirkt an den Augenlidern Oedem oder Blasen, auf der Bindehaut Wasserbläschen und in den Höhlen des Augapfels Was­sersucht.
sect;. 33.
Erweichung geht nur aus langwierigen dyskrasischen und kachektischen Augenentzündungen hervor, welche zugleich mit
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1quot;gt;
serösen nicht plastischen Exsuclationen verbunden sind und aus diesem Grunde dabei zuweilen aufgelockert und verdickt werden, oder sie besteht in einer wirklichen Deliquescenz und Schmelzung der Theile — wahrscheinlich durch gehemmten oder verminderten Nerveneinfluss bedingt. — Dieser Ausgang der Entzündung, wenn er die Augenhäute betrifft, ist um so wichtiger, weil er zu bedeu­tenden Verbildungen Veranlassung gibt, indem die erweichten Stel­len der Augenhäute dem Drucke der wässrigen Feuchtigkeit nicht mehr widerstehen können und sich ausdehnen (Chelius),
sect;•34.
Atrophie ist der mögliche Ausgang heftiger, auf das Ciliar-nervensystem und die gefässhäutigen Gebilde influirender, vorzüg­lich gichtischer Augenentzündungen, in Folge deren die Secretions-und Nutritionsprocesse bedeutend vermindert und beeinträchtigt werden.
sect;. 35.
Verhärtung ist das Product langwieriger, erethischer Ent­zündungen, vorzüglich der drüsigen Gebilde, welche mit Dyskrasie und Cachexie verbunden sind mid unter Einfluss unzweckmässiger Behandlung, namentlich der Anwendung austrocknender Mittel in ihrem Verlaufe und ihren kritischen Absonderungen gestört werden. Sie entsteht durch den Erguss von plastischen Stoffen in das Ge­webe und den Umfang der entzündeten Theile, dessen Folge Ver­änderung der Vitalität, Verdickung und Verwachsimg in denselben ist. Die aus diesem Ermisse hervorgegangene Masse verhärtet oder wird durch Fortsetzung der Blutgefässe in dieselbe organisch, degenerirt oder wird durch spätere Suppuration wieder ausge-stossen.
sect;. 36.
Die Prognose der Augenentzündungen gestaltet sich nach deren Charakter, Grad der Heftigkeit ihrer Erscheinungen, nach der Ursache und der Art ihrer Wirkung, nach der Länge ihrer Dauer, nach der Constitution des Individuums und nach dessen äussern Lebensverhältnissen und nach der Wichtigkeit des ergrif-fenen Theiles und endlich nach der Behandlung.
Synochöse Augenentzündungen verlaufen im Allgemeinen gün­stig, sobald ihre Verbreitung nicht auf die wichtigsten Gebilde ausgedehnt und der Verlauf kein zu rascher ist, besonders unter dem günstigen Einflüsse entsprechender Behandlung. Dagegen ist die Prognose bei erethischen Augenentzündungen im Allgemeinen weniger günstig, da diese hartnäckiger in Heftigkeit und Dauer sind, leichter reeidiviren und vorherrschende Neigimg zu lympha­tischen Exsudationen, Ulcerationen und Trübungen haben und des
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Dynamische Krankheiten des Auges.
doppelten Leidens im sensiblen und irritablen Systeme wegen, eine difficilere Behandlung erfordern. Die torpiden Augenentzündungen machen ob ihrer vorherrschenden Neigung zu ülcerationen, Trü­bungen, Auflockerungen und anderen Entartungen die wenigst gün­stige Vorhersage zulässig und gestatten der Kirnst oft nur wenig Zugang. Bei leicht zu entfernenden äussern Ursachen nimmt die Krankheit einen günstigem Verlauf, als bei innern. — Oertliche oder allgemeine Prädispositionen erschweren den Heilerfolg und geben die Neigung zu llecidiven. Je neuer der Fall, um so gün­stiger der Heilerfolg. Kräftige Organisationen pflegen intensiver ergriffen zu werden, dabei aber vermag die Kunst um so mehr zu nützen, da ihr hier mehr, als anders wo alle Mittel frei stehen, während auf der andern Seite bei schwächlichen Constitutionen eine energische Behandlungsweise der Entzündung einen anderen und oft weit misslichern Charakter aufdrückt, die Heilung verzögert oder unmöglich macht. Aehnlich verhält es sich bei solchen Ent­zündungen, welchen innere Causalmomente zum Gnmde liegen, de­ren Beseitigung eine weit längere Zeitdauer erfordert, als sonst die Entzündimg zu ihrem Verlaufe nöthig hat.
Die Prognose ist eine weit ungünstigere, sobald das Leiden eine Folge äusserer Lebensverhältnisse und jene unbeseitigbar sind, während sie andern Falles eine sehr günstige ist.
Von der sensiblen, irritablen, wie auch functionellen Bedeu­tung des ergriffenen Organtheiles hängt die Aussicht auf mehr oder weniger günstigen Ausgang der Entzündung ab; es sind im Allge­meinen die Entzündungen der innern Gebilde weit gefährlicher, als jene der äussern, indem sie häufig das Sehvermögen ganz aufheben oder Avenigstens sehr beeinträchtigen, während Entzündungen der äussern oder Hülfsorgane selten Beeinträchtigung des Sehvermögens zur Folge haben. Wie überhaupt bei jeder Krankheit und insbe­sondere bei Entzündungen gibt auch hier und noch weit mehr die Behandlung bezüglich der Prognose den Ausschlag, wesshalb bei Beurtheilung eines schon länger dauernden Falles die vorherige Behandlungsweise von wesentlichem Belange seyn muss.
sect;. 37.
Bei Behandlung der Augenentzündungen ist die vorzüg­lichste Rücksicht auf deren Grad, Ursache, Sitz, Dauer und ge­wöhnlichen Ausgänge zu nehmen.
Die erste Aufgabe ist Zertheilung und Entfernung etwa noch fortbestehender Krankheitsursachen. Jene folgt oft schon sogleich auf diese. Um beide zu erzielen, berücksichtige man die Entzün­dung ihrem Charakter gemäss, d. h. nach dem Grade der Vitalität, mit welchem der Vegetationsprocess im entzündeten Theile auftritt,
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beseitige vorerst und zugleich die localen oder entferntem äussern oder innem Keize, besorge die Entfernung etwa Torhandener, schädlicher Krankheitsproducte und habe femer ein wachsames Augenmerk auf vorhandene prädisponelle oder constitutionelle Ver­hältnisse des erkrankten Individuums, in so weit sie den Entzün-dungscharakter alieniren könnten, sowohl, als auf die Ausgänge, zu welchen die Entzündung unter ungünstigen Verhältnissen hin­neigen könnte und suche überhaupt durch entsprechendes Verfah­ren eine reine Form der Entzündung zu erhalten und üblen Aus­gängen möglichst vorzubeugen.
sect;•38.
Die Herabstimmung des krankhaft erhöhten Lebensprocesses wird auf doppelte Weise ausgeführt, einmal durch Depotenzirung der Irritabilität und das andere Mal durch Herabziehen der Sensi-bilität. Zu ersterm Zwecke bedient man sich örtlicher und allge­meiner Blutentziehungen, der örtlichen Anwendung der Kälte und kühlender, niederschlagender, auf den Darmcanal ableitender Salze zum innerlichen Gebrauche, zugleich mit reizloser, wenig nährender Nahrung; zu letzterm Behufe nützen schleimige und lauwarmeFo-mentationen auf das leidende Auge, nach Umständen mit, die Sen-sibilität herabstimmenden, Mitteln, namentlich mit Opium, verbun­den, ableitende Mittel auf die Haut, entfernt vom Auge angewendet, so wie zertheilende und resorbirende Einreibungen von Quecksil­bersalben in die Umgebung des Auges.
sect;. 39.
Angehend die Beseitigung localer oder entfernterer Reize, unter deren Einwirkung die Entzündung entstanden ist oder unter­halten wird, so besorgt man diese, indem man etwa vorhandene in's Auge gelangte fremde Körper wegnimmt oder feststeckende vor­sichtig auszieht, dynamisch *) oder mechanisch reizende entfernt
*) Die periodische Augenentzündung beim Pferde rührt häufig von Irri­tation einiger Zahnnervenfäden der Nerven des fünften Paares her und endigt nicht vor Ausziehung des auf den Nerven wirkenden Zahnes. Tenon hatte be­merkt, dass bei dem Pferde der Backzahn vor dem vierten Lebensjahre keine Wurzel hat, bis wohin der Zahn gerade auf dem Nervus maxillaris inferior ruht und ihn drückt. So wie die Wurzel sich bildet, was zwischen dem vierten und achten Jahre Statt hat, wird der Nerv durch sie auf die Seite gedrängt und hört auf gedrückt zu werden.
Dies erklärt, warum bei dem Pferde die Verdunkelung der Linsenkapsel gewöhnlich nur während oder vor der vollständigen Bildung des Backzahnes eintritt und sehr selten später.
Diese Beobachtung erklärt zugleich, warum bei den Race-Pferden die Ca­taract so selten ist, nämlich, weil bei den englischen Race-Pferden der nervus maxillaris sich von Natur vor und nicht unter dem Backzahne befindet.
M ü II er, Veterinär-Ophthalmologie. II.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 2
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i8nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dynamische Krankheiten des Auges.
und chemisch reizende Stoffe mit einhüllenden Flüssigkeiten aus­spült, so auch etwa Statt gehabte Verwundungen der äussem und bedeckenden Theile kunstgerecht verbindet.
Femer dadurch, dass man Unreinigkeiten in den ersten Wegen, wenn solche vorhanden sind und Entzündungsanlass abgeben, nach den Regeln der Therapie und unter Berücksichtigung der entzünd-lichen Erscheinungen löst und entleert wie auch dabei eine sach-gemässe Diät anordnet.
sect;. 40.
Augenentzündungen mit torpidem Charakter machen theils er­weichende , theils mehr oder weniger reizende Mittel nothwendig, deren Wahl durch die speciellen Verhältnisse näher bestimmt wird. Es sind dies lauwarme Bähungen von Altheschleim, Mal-vendecoct, Fliederblumenaufguss, selbst mit einem Zusätze von Kamferspiritus.
sect;• 41.
Die Entfernung vorhandener, schädlicher Krankheitsproducte, als da sind reizender, ätzender Schleim, Eiter und scharfe Thrä-nenflüssigkeit, ist eine höchst nöthige Beihülfe, dann um so mehr, wenn die beiden erstem specifiker und ansteckender Natur sind. Dabei wird es manchmal nöthig, selbe durch desinficirende Rea-gentien zu neutralisiren, wozu man sich hauptsächlich des Chlors oder Höllensteins in Auflösung zu bedienen hat.
sect;• 42.^
Sind die Augenentzündungen in besondern Prädispositionen oder constitutionellen Verhältnissen des erkrankten Individuums be­gründet, oder mit solchen complicirt, so suche man ihre Natur sorg-fältig zu ermitteln und behandle solche für sich und nach den spe­ciellen Gesetzen der Therapie, unterlasse aber dabei nicht, das vorhandene entzündliche locale Leiden mit aller Energie zu be kämpfen.
sect;. 43.
Beim Uebei'gange der Entzündung des Auges in Eiterung hat man bei der Behandlung alle Aufmerksamkeit auf den noch beste­henden Grad der Entzündung zu richten, da derselbe begonnener Suppuration Vorschub gibt und sie unterhält, während selbe mit Aufhören der Entzündung häufig zu Ende ist und ein, in den hohlen
Charakteristisch dabei ist, dass sich oft bei solchen Entzündungen auf der Oberkiefergegend derselben Seite eine Geschwulst findet, die eben auch eine Zusammendrückung einiger Nervenfäden des fiinften Nervenpaares ist, und nach deren Eröfihung die Entzündung alsbald, aber nur momentan, schwindet und erst nach Entfernung des Zahnes gänzlich ausbleibt.
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Räumen des Augapfels oder zwischen den Häuten des Auges er­gossener Eiter sich oft schnell und ganz resorbirt. Im erstem Falle wird die entzündungswidrige Behandlung eine mittelbar nütz­liche, nach vollständiger Beseitigung der Entzündung dagegen selbst unstatthaft sein, und muss durch Mittel, welche die Aufsau­gung befördern, ersetzt werden. Verräth die Eiterung unter allge­meiner oder örtlicher Schwäche und Auflockerung eine vorherr­schende Tendenz zur Verschwärung, so wird es Aufgabe der Be­handlung , den allgemeinen Schwächezustand durch stärkende, die abnorme Secretion beschränkende innere Mittel aufzuheben. Gelingt es der eigenen und durch dynamisches Kunstverfahren unterstützten Naturthätigkeit nicht, in geschlossenen Höhlen angesammelten und in fortdauernder Zunahme begriffenen Eiter zur Resorption zu bringen, so besteht die letzte Zuflucht in dem operativen Verfahren durch Eröffnung der Höhle.
Eiteransammlungen in den Augenlidern oder deren nächster Umgebung gebieten die Anwendung örthch erweichender, oder nach Umständen die Cohäsion unterstützender Mittel, überhaupt eine locale und allgemeine Behandlung nach den Regeln der Chi­rurgie.
sect;. 44.
Eine beinahe gleiche, auf dieselben Gesetze basirte Behandlung trifft die Augenentzündungen mit vorwaltender Neigung zu lympha­tischen , albuminösen und serösen Exsudationen; auch hier sind es unter vollständiger Beseitigung der rein entzündlichen Erscheimm-gen die resorbirenden Mittel, welche der Heilaufgabe entsprechen, wobei ausserdem trockene und, bei torpider Organisation, aroma­tische Wärme sich sehr zuträglich erweist. Jedoch ist hier die, durch operatives Einschreiten, Vornahme der Punction der Hornhaut, bewirkte Endeerung der wässrigen Feuchtigkeit mit weit weniger gefährlichen Nebenumständen verbunden, nur ist ihr Erfolg minder constant, da sich nach Verlauf kürzerer Zeit gewöhnlich die Spannung wieder auf den frühem Höhegrad steigert. Eine Vor­beugung der Uebergänge in Erweichung oder Atrophie dürfte wohl eben kaum mehr gelingen, als deren wirkliche Heilung. Angezeigt zu diesem Zwecke sind im Allgemeinen tonisirende und solche Mittel, wie sie von dem mit der Entzündung oder deren Ausgang im Causalverhältnisse stehenden Allgemeinleiden oder von den spe-ciellen Dyskrasien geboten werden.
sect;• 45.
Der Uebergang der Entzündung in Verhärtung erfordert, aussei' genügender Berücksichtigung der noch vorhandenen Ent­zündung, die Anwendung zertheilender, die Resorptionsthätigkeit
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20nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
befördernder Mittel unter Beihülfe von Hautreizen, so wie die Be­kämpfung obwaltender Dyskrasien. Durchaus torpide Verhärtun­gen sind durch erweichende Mittel flüssig zu machen oder bei ihrer Neigung zur Entartung mit dem Messer zu entfernen.
sect;.46.
Der Brand als Ausgang der Entzündung macht nicht sowohl eine allgemeine Unterstützung des Kräftezustandes nothwendig, sondern gebietet auch locale Erhebung der Vitalität durch aroma­tische trockene oder geistig feuchte Wärme, je nach den obwalten­den Umständen. Bei damit verbundenen, kakoehymischen Secretio-nen sind flüssige Aetzmittel und die Opiumtinctur zu empfehlen; jedoch erweist sich in der Eegel jeder Curversuch erfolglos, inso­weit es die Integrität des Sehvermögens betrifft, wenn es gleich wohl gelingen dürfte, die Gestalt des Auges zu erhalten.
sect;. 47.
Ein häufig vorkommender Ausgang der Augenentzündung ist eine erhöhte Empfindlichkeit des Auges, begründet in einer allzu grossen Reizbarkeit der peripherischen Nervenendigungen, so wie des Netzhautgeflechtes, und begimstigt von einem sehr verletzbaren Zustande des Hautorganes. Veranlasst ist sie meistens durch sehr ängstliches Bedecktlialtenlassen der entzündeten Augen und durch den Aufenthalt in dunklem Stalle. quot;Wenn vorsichtiges Gewöhnen an Luft- und Lichtreize nicht zur Entfernimg derselben zureicht, so ist es besonders das Einstreichen der Opiumtinctur, deren Reiz stärker ist, als es die gewöhnlich das Auge berührenden Reize und natürlichen Einflüsse sind, welche die krankhafte Empfindlich­keit beseitigt.
sect;.48.
Die Mittel, welcher man sich bei Behandlung der Augenent­zündungen bedient, sind mittelbar oder unmittelbar wirkende, d. i. innere und äussere Heilmittel.
sect;• 49.
Die Innern, hi eher gehörigen Heilmittel sind aber auch von mittelbarer oder unmittelbarer Einwirkung auf den Entzündungs­zustand, indem sie Istens feindlich und schwächend die Digestion berührend, schwächenden Einfluss auf das irritable System des Ge-sammtkörpers ausüben, sohin gewissennassen mittelbar die Irrita­bilität des Auges herabsetzen — Neutralsalze, Salpeter, versüsstes Quecksilber — oder aber die Säftemasse allgemein oder örtlich durch directe Entziehung vermindern — Aderlässe an, dem Auge nähern oder entfernteren Theilen*); 2tens den Säftezufluss nach
*) Unter dem antiphlogistischen Apparate der Phlogosen des Auges stehen
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dem, auf höchster Stufe der Entwickelung stehenden Organe ver­mindern, da sie auch in den schleimhäutigen Umkleidungen eines entfernt liegenden, auf niederer Stufe der Organisation stehenden Organes, des Darmcanals, künstUchen Eeiz bewirken und selbe zur vermehrten Absonderung stimmen — salzhaltige Abführmittel, versüsstes Quecksilber —; oder aber 3tcns Verminderung der krankhaft gesteigerten und mit der Entzündung idiopathisch oder sympathisch verbundenen Sensibilität des Gesammtorganismus er-zwecken — Opiate, Brechnuss —; 4tens auch entgegengesetzt die, unter die Normalität gesunkene Nerventhätigkeit erheben, zugleich die gleichmässig beschränkte Blutbewegung bethätigen und das Aufsaugungsvermögen allgemein und örtlich unterstützen — Arnica, Angelica, Calamus u. s. w. —; femer Stens die gesunkene Repro­duction im vegetativen Systeme beleben und unterstützen — Ange­lica, Calamus, China, Eatanhia, Quercus —; ötens kakochymische Zustände der allgemeinen und localen Säftemasse umstimmen, rei­nigen und regeneriren — Schwefelmittel, Antimonialien in Verbin­dung mit Doppelsalzen, Rhabarber, Jalappe—; endlich 7tens noch specifike Krankheitszustände specifisch umändern — Quecksilber, Jod. —
Die weitere Anleitung zur Anwendung dieser Mittel gibt so-wold die Therapie, als Pharmakodynamik, weshalb wir glauben, dem allgemeinen Bedürfhisse durch diese allgemeinen Andeutungen genügend entsprochen zu haben.
sect;. 50.
Die äussern Heilmittel, von welchen man bei Augenent­zündungen Gebrauch macht, werden entweder rein örtlich auf das Auge selbst oder auf dessen nächste Umgebung angewandt.
die allgemeinen Blutentziehungen oben an, sie sind in allen Fällen geboten, wo eine bedeutende Ursache eingewirkt hat, welche zu einer heftigen Entzündung Anlass geben kann oder in Wirklichkeit ein hoher Grad synochoser Augenent­zündung sich entwickelt hat, und dies vorzugsweise bei gut genährten, kräftigen und jugendlichen Thieren. Sie werden stets, dem Grade der Heftigkeit der Entzündung entsprechend, reichlich gemacht, in der Kegel bis zum Eintritt mo­mentanen Nachlasses der entzündlichen Erscheinungen fortgesetzt und unter gebotenen Verhältnissen, bei Fortdauer oder Steigerung der Entzündung so oft erneuert, als es der allgemeine Kräftezustand zulässt.
Um eine mehr allgemeine Wirkung auf den Organismus zu erzielen, wähle man grössere Blutadern, dagegen aber, um selbe mehr auf den Kopf und na­mentlich das Auge einzuschränken, eröfihe man den Augen nahe liegende Blut­adern. Erstere nimmt man bei heftigem Entzündungen und im ersten Zeit­räume derselben, letztere nach erstem, bei schon gebrochener oder sehr heftiger Entzündung oder allein bei leichten Entzündungsformen.
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22nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dyuamisclie Krankhciteu des Auges.
Auch diese vermindern die gesteigerte Irritabilität und Sensi­bilität des Auges, erheben selbe, wenn sie gesunken sind und ver­mitteln dadurch eine gesteigerte Lebensthätigkeit und einen regem Stoffwechsel, hemmen abnorm gesteigerte Secretionen auf der Ober­fläche des Auges, schützen zugleich durch Einhüllung dasselbe vor deren reizendem Einflüsse und zerstören entstandene Desorgani­sationen, endlich noch erzwecken sie Ableitungen des Krankheits­reizes auf niederer stehende Hautgebilde.
Nach ihrer Wirkungsweise werden diese Mittel in verschiedene Classen getheilt.
a. Oertliche Mittel, welche die gesteigerte Thätigkeit des Gefässsystems des Auges herabsetzen.
sect;. 51. Die Localblutentziehungen sind unentbehrlich bei sehr intensiven Entzündungen nach vorausgeschickten allgemeinen Blut­entziehungen, falls eine directe Schwächung der Irritabilität des Auges geboten erscheint oder eine Wiederholung der allgemeinen Blutentziehung unzulässig geworden ist und bei minder bedeuten­dem Grade der Entzündung oder falls sie bei sehr jungen oder geschwächten Thieren vorkommt. Sie müssen entsprechend reich­lich gemacht werden, da sie bei zu geringer Quantität des entleer­ten Blutes mehr reizen, als herabstimmen. — Sie werden effectuirt durch Anlegen von Blutegeln, Aufsetzen von Schröpfköpfen und Vornahme von Sacrificationen der Bindehaut des Auges. Die Blut­egel setze man im Umkreise des Auges und entfernt von den Au­genlidern, hinter die Ohren oder an die Winkel des Unterkiefers *). —
*) Um die Blutegel ansetzen zu können, ist es meistens erforderlich, zuvor die entsprechenden Theile zu enthaaren, zu welchem Zwecke man sich der Scheere, des Scheermessers oder des sogenannten Khusma bedient. — Als Eut-haarungssalbe wandte man früher 1 Theil Schwefelarsenik mit 2 Theilen ge­löschten Kalkes an; jetzt weiss man, dass eine Verbindung mit Schwefel und Wasserstoff mit Schwefel und Calcium die Eigenschaft hat, in 3—5 Minuten die Haare in eine weiche Gallerte aufzulösen. Kitzel empfiehlt folgende Bereitung: Einem dünnen, aus frisch gebranntem Kalk bereiteten Brei wird unter stetem Umrühren durch einen Gasapparat SchwefelwasserstofTgas so lange zugeleitet, bis die Masse dunkelblaugrau geworden ist. Es darf alsdann der Kalk die Haut des Menschen nicht mehr schmerzhaft angreifen, sonst ist noch Schwefelwasser­stofTgas zuzuleiten. Die durch Aufbewahrung zu dick gewordene Masse kann mit Wasser verdünnt werden. Die Haut schwitzt nur unter der Salbe, wird aber nicht verletzt. In medicinischer Hinsicht empfiehlt Verfasser dieses Mittel, um Blutegel anzusetzen, die sonst der Haare wegen bei den Hausthiercn nicht saugen würden; man sshmiero z. B. '/s Drachme um das Auge.
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Scluöpfköpfe erweisen sich bei minder acuten, rheumatischen und gichtischen Entzündungen und da von grösserem Nutzen, wo ein, damit in Verbindung gebrachter Hautreiz forderlich erscheint. Die Stellen ihrer Application sind die Schläfen, der Nacken und die Schultern. Die Scarificationen der Bindehaut verrichtet man durch Incision mit der Dancette oder besser durch Excision einer Bindehaut-Falte, wodurch man zugleich den Vortheil der Entleerung vorhandener wässriger Bindehaut-Ergüsse damit verbindet. Die Nachblutungen nach Anwendung der Blutegel und Vornahme der Scarification imterhält man sorgfältig mittelst feuchtwarmer Schwämme. Sie erweisen sich nützlich: bei starker Auflockerung der Bindehaut, besonders wenn selbe mit Augenschleimfluss ver­bunden ist und der vorfindliche Zustand derselben nur als ein ört­liches Symptom der Synocha übrig blieb und vorzüglich wirksam sind sie, wenn die Bindehautgeschwulst in sehr bedeutendem Grade über den Kand der Hornhaut hervorragt.
sect;. 52. '
Die Kälte stimmt den Vegetationsprocess direct herab und wird in dieser Wirkung von keinem andern Mittel übertroffen. Sie verhindert den allzustarken Andrang des Blutes nach dem leidenden Organe, vermindert das expansive Leben in den Blutgefässen, ebenso die serösen Secretionen im Auge und stimmt den Wärme­grad dieses Organes herunter. Sie findet bei allen synochösen Augenentzündungen ihre Anwendung und speciell bei traumatischen und bei vielen Formen idiopathischer, sympathischer, symptomati­scher und specifischer Augenentzündungen Platz, manche Formen von Rheumatismus, Gicht, Scropheln und Lustseuche ausgenom­men. — Die Hauptsache bei der Anwendung der Kälte ist, dass sie gleich im Anfange, wenn noch keine bedeutende Geschwulst eingetreten, der Schmerz und die Hitze aber stark ist, angewendet werde.
Sie wird gewöhnlich durch Auflegen von, in kaltes Wasser getauchten, Tüchern angewendet. Um nach Bedürfniss den Kälte­grad zu vermehren, fügt man dem Wasser Eisstücke bei und erhält die Tücher durch fleissiges Wechseln in gleichem Kältegrade. Ihre Anwendung geschehe so lange, bis der Schmerz, die Wärmeentwickc-lung und die Röthe sich vermindern. Sie dienen häufig auch als Excipiens mancher anderer entzündungswidriger Mittel.
sect;. 53.
Der Kälte reihen sich die Bleimittel in ihrer Wirkung an. Ihr Nutzen aber beschränkt sich mehr auf die rein synochöse Form und auf die traumatischen Ophthalmien, in welcher sie sehr wohl-thätige Wirkungen hervorbringen. Man wendet sie zwar auch bei
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Dynamische Krankheiten des Auges.
andern Entzündungen des Auges an, allein dann sind es entweder leichtere Formen, die nur mit vermehrter Drüsenabsonderung ver­bunden sind, oder auch solche, bei denen wir die Thätigkeit der äussersten Geiassenden sehr schnell zu beschränken wünschen, um dem raschen Fortgange der dadurch angerichteten Zerstörung Ein­halt zu thun. Inzwischen in beiden Fällen gebraucht man die Blei-mittel nie fur sich allein, verbindet sie vielmehr mit mancherlei Zu­sätzen und wendet sie aber nur für kurze Zeit an, um dann nach Beseitigung einzelner dringender Symptome durch eine andei'e Me­thode das Haupdeiden zu heben (Benedict). Es sind dieselben nur im ersten Zeiträume der Entzündung passend und müssen in den spä­tem Zeiträumen, namentlich bei Entzündungen mit innerer Dys-krasie mit direct gegen diesen Charakter gerichteten Mitteln vertauscht werden. Bei zu lange ausgedehntem Gebrauche entfaltet sich die zusammenziehende Wirkimg derselben, wo sie häufig die nor­malen und kritischen Secretionen abnorm zurückhalten, auch können sie bei Oph thai mien, die sich mehr durch den Charakter des Tor­pors und der specifiken Dyskrasie, als durch jenen der Synocha auszeichnen, Anlass zu Verdunkelungen und Verdichtungen der Häute und Drüsen des Auges und seiner HülfsWerkzeuge geben, besonders dann, wTenn sie in unaufgelöster Gestalt, in Salbenform, angewendet werden. Diese nachtheilige Wirkung kann übrigens durch den corrigirenden Beisatz des Opiums vermieden werden. — Als Neben- und verbesserndes Mittel findet das Blei auch vielfache Anwendung in den spätem Zeiträumen der Entzündimg und zwar mit Mercurialien, Zink und Kupfer. Die gewöhnlichen Präparate, deren man sich als Augenmittel bei Entzündungen bedient, sind: Das Bleiextract, Extractum Saturni und der Bleizucker, Plumbum aceticum, Saccharum Satumi. Die Anwendungsform dieser Mittel ist die flüssige, wässrige Auflösimg oder die Salbenform. Das Bleiextract und den Bleizucker löst man von dem erstem 1 Loth, von dem letztern 1 Scrupel in 1 Pfund Wasser und gebraucht selbe zu Umschlägen, wie zu Einträufelungen; von erstenn nimmt man 1 bis 2 Quentchen, von letzterm 1 Quentchen zu 4 Loth Fett.
Bei Ophthalmoblennorrhöen und Augenvereiterungen der Thiere gebraucht man einfache Bleisalben mit viel Vortheil.
sect;. 54.
Die Ausleerung der wässrigen Feuchtigkeit des Auges durch künstliche Eröffnung der Hornhaut hat sich in der Menschenaugenheilkunde sehr vortheilhaft bei Entzündungen der innem Theile des Auges gezeigt, in solchen Fällen, wo die Production der wässrigen Feuchtigkeit sich so abnorm steigerte, dass die allzugrosse Ausdehnung der Wände der Augenkammern
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lähmend auf die irritablen Gefässe und nervösen Gebilde einzuwirken drohte oder einwirkte. — In gleicher Weise dürfte sich dieselbe auch bei Entzündungen des Thierauges erweisen, dabei jedoch auf der andern Seite mehr Vorsicht und Beschränkung nothwendig machen, da beim Thierauge die Neigung zu Vorfällen der Linse und des Glaskörpers ob der Wirkung des musculus retractor grosser ist, als beim Menschenauge. — Man verrichtete sie am Menschenauge durch einen senkrechten Einstich mit der Lancette in die Cornea, nahe ihrer Verbindung mit der Sclerotica, und erweiterte die Wunde beim Ausziehen des Instrumentes. Auf gleiche Weise dürfte diese Operation beim Thierauge anwendbar werden, wenn man die Oeflf-nung statt an ihrem untersten Eande im obem Theile der Hornhaut und seithch vornähme. Das Nähere dieses Verfahrens werden wir bei der Operation des Hypopiums geben.
b. Oertliche Mittel, welche die krankhaft gesteigerte Sensibilität des Auges
herabstimmen.
sect;. 55. Bei jenen Ophthalmien, welche mit dem erethischen Charakter erscheinen, nützen zwar auch Mittel, welche die erhöhte Vitalität herabstimmen, wenn man mit ihrem Gebrauche solche Mittel ver­bindet, welche die erhöhte Sensibilität beschränken, somit das Hauptsymptom dieser Entzündung beseitigen., Die geradezu schwä­chenden Heilmittel bedürfen einer vorsichtigen Anwendung, weil sie leicht den Erethismus mehren und dadurch die Entzündung verschlimmem können. Ein mit Vorsicht angewendetes schwä­chendes Heilverfahren, in Verbindung mit dem Gebrauche besänf­tigender, beruhigender Mittel, ist hier an seiner Stelle, wobei man sehr auf Alter und Constitution des erkrankten Individuums, so wie auf die Länge der Dauer der Entzündung Rücksicht nehmen muss.
sect;• 56-Oertliche Blutentziehungen entsprechen bei jugendlichen
und kräftigen Thieren der Heilaufgabe zur Herabstimmung gestei­gerter Sensibilität und erweisen sich oft wiederholt von entschie­denem Nutzen; jedoch ist mehrentheils ihr günstiger Erfolg von nur kurzer Dauer, da derselbe nur ein symptomatischer ist. An­gezeigt, ja manchmal dringend geboten sind sie besonders bei chro­nischen Entzündungen mit vorherrschend gesteigerter Sensibilität. Sie werden hier, wie bei den synochösen Entzündungen angeordnet, nur erweisen sich hier die mittelst Schröpfköpfen instituirten am nützlichsten, da mit dieser Art der Blutentziehung, sowohl Ablei­timg des Blutandranges, als Hautreiz verbunden wird.
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Dynamische Krankheiten des Auges. sect;• 57.
Die örtliche Application der Kälte sagt blos neu ent­standenen, idiopathischen Augenentzündungen erethischen Charak­ters, denen Ursachen zum, Grunde liegen, #9632;welche zu ihrer Besei­tigung ein kühles Verhalten nothwendig machen, zu. In solchen Fällen muss sie übrigens anhaltend, jedoch nur kurze Zeit in Wirk­samkeit gesetzt werden, damit schnell der ganze Vegetationspro-cess des Auges herunter gestimmt werde. Vermindern sich dabei die Schmerzen aber nicht, oder nehmen sie gar zu, dann muss dies Mittel ausgesetzt werden. — Man bedient sich bei erethischen Au­genentzündungen der Kälte ebenfalls in Form kalter, nasser Um­schläge; bei rheumatischer Complication und aufinerksamer Hand­habung dürften wohl trockene, auf Eis erkaltete Leinwandcompressen zu empfehlen seyn.
Die feuchte Wärme liefert in ihrer Wirkung ein, jener der Kälte entgegengesetztes Resultat. Wo die Kälte Contraction der Gefässe, ßückdrängen des Blutes in denselben, theilweise Beschrän­kimg äusserer Absonderungen, Rigidität in den äussern Häuten und Gefässen erzeugt; verursacht ehe feuchte Wärme: Expansion, An­drang des Blutes nach der berührten Fläche, Vermehrung und Ver­besserung äusserer Absonderungen, Erschlaffung in den absondern­den Häuten und Drüsen. Beide aber haben mit einander gemein, dass sie mechanisch oder chemisch einwirkende Körper, so wie scharfe Secretionen des Auges selbst, einhüllen, wegspülen und somit reizmindernd wirken. Nach längerer Dauer des Einflusses der feuchten Wärme auf das Auge, verlieren dessen bedeckende und durchsichtige Häute ihre Trockene, erscheinen sammtartig auf­gelockert und trübe, werden die Absonderungen reger und dicklicht, nehmen früher bestandene seröse und scharfe Secretionen eine schleimigte Beschafienheit an; erweichen und offnen sich vorhan­dene Eitergeschwülste; erhalten die Geschwürsflächen eine hübsche Granulation mit reiner Eitersecretion; wird im Innern des Auges die absondernde Thätigkeit gleichfalls vermehrt, dicklichter, oft milchigt und werden verhärtete Ablagerungen aufgelöst und zur Aufsaugung gebracht. — Bei zu langer Dauer des Gebrauches der feuchten Wärme werden obgenannte Absonderungen zu copiös, die häutigen und drüsigen Gebilde sehr erschlafft, aufgewulstet, wu­chernd, die äussern und Innern Blutgefässe strotzend und das ganze Auge netzartig überziehend, die äussern Bedeckungen ödematös aufgetrieben und schwer bewegheh.
Im Allgemeinen sagt die feuchte Wärme Entzündungen mit crethischem Charakter besonders zu; daher passen bei solchen in
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der Regel warme Fomentatlonen, vorzüglich dann, wenn die Ent­zündung nicht mehr frisch ist. Sind die Schmerzen heftig und alle Erscheinungen von der Art, dass sie von der Gegenwart eines leb­haft gesteigerten Vegetationsprocesses mit vorwaltender Sensibilität, zeugen, so findet die feuchte Wärme in Form einfacher, massig warmer Fomentationen mit lauem Wasser, im Allgemeinen ihre
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Anwendung.
Specielle Indication findet sie demnach in erethischen Ent­zündungen des Auges, vorzugsweise in solchen, welche durch den Einfluss mechanisch oder chemisch wirkender fremder Körper oder Substanzen, wie auch durch reizende, ätzende Secretionen hervor­gerufen wurden; auch in denjenigen, bei welchen ein kritisches Streben durch die Conjunctiva und Meibomischen Drüsen obwaltet, überhaupt die Kälte wegen vorherrschender Neigung zur rheuma­tischen Complication nicht zur Anwendung kommen darf, woher sie dann meist dort ihre Stelle findet, wo die Kälte aufhört ange­zeigt zu seyn. Man bindet die feuchte Wärme an ganz indifferente Flüssigkeiten und schleimigte Vehikel.
Die Formen ihrer Anwendung sind Waschungen, Bähungen und Einspritzungen. Der Grad ihrer Temperatur darf jenen der gewöhnlichen Hautwärme nicht weit überschreiten und hat ungefähr 26—27 Grad Eeaumur gleich zu kommen.
Die warmen Fomentationen werden, wie die kalten, mittelst befeuchteter Compressen über die Augen gelegt, vor dem Erkalten erneuert, täglich zu einigen Stunden, mit mehrstündücher Unter­brechung , fortgesetzt und in der Zwischenzeit die Augen mit einer leichten Compresse verhängt.
sect;. 59.
W a r m e s W a s s e r. Die reinste Wirkung der feuchten Wärme findet sich in der Anwendung des warmen Wassers, dasselbe löst den Schleim, hüllt scharfe Absonderungen gehörig ein, reinigt das Auge von fremden und ausgeschwitzten Stoffen und lässt sich während des Bestehens der ersten Entzündungsperiode eher, als andere wärmegebende Mittel in Anwendung bringen und erschlafft weit weniger, als diese; es erhöht die arterielle Thätigkeit in nur geringem Grade; weshalb von demselben in den meisten entzünd­lichen Zufällen des Auges schon zu Ende des ersten Zeitraumes Gebrauch gemacht werden darf.
Seine Wirkung ist als eine beruhigende, auflösende und er­weichende anzusehen. Speciell anwendbar ist das warme Wasser bei erethischen Augenentzündungen und catarrhalischen Entzün-dungen der Augenliderbindehaut und der Augenliderdrüsen, beim
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Dynamische Krankheiten des Auges.
Beginne des zweiten Zeitraumes, und vorhandener Trockenheit des Auges oder beginnendem Schleimflusse.
sect;. 60. Schleimhaltige Mittel. Aus der Zahl der Pflanzenschleime sind besonders jene für das Auge passend, welche den Gummistoff rein und ohne Zusätze enthalten. — Um die Wirkung der Pflan­zenschleime auf das Auge gehörig würdigen zu können, muss vor allem der Gang der Natur in den Entzündungen dieses Organes, die ohne Zuthun der Kunst von selbst wieder verschwinden, uns zur Richtschnur dienen. In allen Ophthalmien, sie mögen die Augenlider allein, oder den Augapfel und die Augenlider zugleich ergriffen haben, tritt die Abnahme der Entzündimg, des Schmerzes und der Lichtscheue dann erst ein, wenn eine massige und gelinde Absonderung in den Augenlider - Drüsen begonnen hat, wenn die, daselbst ausgeschiedene, schleimige Feuchtigkeit den Augapfel zu bähen und als ein natürlicher Balsam die Fläche des entzündeten Organs gegen die Einwirkung aus serer Reize zu decken beginnt.
Alle Pflanzenschleime, bei Augenentzündungen den Augen­wässern zugesetzt, sind also wahrscheinlich ein nothwendiger Ersatz jener Absonderung, die wegen der Heftigkeit der Entzündung frü­her einzutreten verhindert winde. Sie sind es also, die die Ein­wirkung der äussern Reize auf das leidende Organ mindern, dadurch indirect der Entzündung entgegenwirken und durch Herabsetzung der letztern auch jene Absonderung der Augenlider-Drüsen hervor­rufen. Daher passen sie aber auch nicht mehr, sobald die letztere bereits in Thätigkeit getreten ist, und es wird dann ihr fortgesetzter Gebrauch leicht langwierige Blennorrhöen, Erschlaffung und Ge­schwulst der Bindehaut, und Oedem der äussern Hautdecken der Augenlider veranlassen *).
In der Veterinärophthahnotherapie ist es vorzüglich die Mal-venabkochung, welche zum Zwecke schleimiger Umschläge benützt wird. Ihre Beschaffenheit ist eine gelind schleimige und schwachbitterliche, ihre Wirkung eine einhüllende, erweichende und erschlaffende.
Man bedient sich auch des Schleimes der Quittenkerne, mehr jedoch nur als Zusatz zu Cataplasmen, als zu schleimiger Abkochung.
Minder gebräuchlich ist der AI the schleim seines ihm eige­nen bitterlichen und adstringirenden Stoffes halber, ebenso der Auf-guss der Fliederblumen.
*) Benedict Handbuch der praktischen Augenheilkunde. Bd. 1. S. i.
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Mit gleich gutem Erfolge könnte eine gehörig concentrirte Ab­kochung des Leinsamens als erweichendes und einhüllendes Mittel benützt #9632;werden, wenn nicht die vielen öligten Theile, die be­sonders in das concentrirte Decoct übergehen, zu viel erschlaffende Wirkung besässen und ausserdem noch manchen Arten desselben ein gewisses scharfes Princip eigen wäre, welches nicht von jedem Auge ertragen wird. Daher findet die Anwendung des Leins eher auf der äussern Bedeckung des Auges ihre Stelle, weshalb derselbe grösstentheils nur als Zusatz zu Breiumschlägen dienlich ist.
sect;. 61. Arabischer Gummischleim, dieser ist bindender, consi-stenter, als die bisher abgehandelten Schleime und geht weniger in die Hautporen und Lymphgefässe ein, weshalb er in dieser Be­ziehung den erstem nachsteht, als einhüllendes Mittel aber vorzüg­licher ist als jene, und daher auch zur Einhüllung stark reizender Arzneistoffe sowohl, als zur Bindung scharfer Abscheidungen im Auge, wie sie bei heftigen Entzündungen und Blennorrhöen vor­kommen, vielfach benutzt wird. — Mit der sechsfachen Wassermenge wird die Consistenz eines Syrups, mit der vierfachen aber jene eines dicken Schleimes erzeugt, durch welchen die verschiedensten Arzneistoffe im Wasser gebunden und schwimmend erhalten wer­den können, hauptsächlich aber die innige Verbindung der Arznei­körper vermittelt wird. — In Bezug auf die Wahl der Gummisorte steht noch zu erwähnen, dass man die feinsten, weisshchen und durchsichtigen Stücke des Gummi's dazu auszuwählen habe, indem die in das Gelbe, Eöthliche und Bräunliche spielenden, wegen ihres Gehaltes an Gerbestoff für den Gebrauch in Augenkrankheiten ver­dächtig erscheinen.
sect;. 62. Eiweiss. Unter den schleimigen Mitteln behauptet das Eiweiss den Vorrang. Vermöge seines dichtem animalischen Schleimge­haltes geht es bei weitem leichter eine Verbindung mit dem Auge ein, umgibt seines Klebers wegen viel leichter fremde, im Auge befindliche Körper, so wie es auch sich mit den Augensecreten leicht verbindet und dieselben für den Augapfel unschädlich macht. — Man benützt dasselbe bei schmerzhaften Entzündungen des Auges verschiedener Art, insbesondere häutiger Gebilde, bei Blennorrhöen derselben und bei fremden Körpern auf der Oberfläche des Auges.
sect;•63. Kuhmilch. Die Milch, zwischen vegetabilischem und anima­lischem Schleime die Mitte haltend, besitzt, als hier besonders in Betracht kommend, Oel und Eiweiss. Die der Milch innewohnen­den Bestandtheile sind der Oberfläche des Auges schon sehr ver-
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wandt, sie werden daher am ehesten und leichtesten aufgesaugt und vermögen deshalb ihre Wirkung auf das Innere des berührten Or-ganes um so gewisser auszudehnen. Es ergibt sich hieraus nun, das s die Milch als auflösendes Mittel nicht allein überall dorthin passt, wo bisher die übrigen Mittel als indicirt aufgeführt wurden, sondern dass auch dieselbe in asthenischen Entzündungen, wo die Anwendung der feuchten Wärme sonst unstatthaft wäre, noch ihre Stelle findet.
Hierher gehören, ihrer summarischen Wirkung wegen, auch die fetten Oele, unter welchen vorzüglich das Baum- oder Oli­venöl benützt wird, welches als das reinste und deshalb dem Eanzigwerden weniger ausgesetzte, bekannt ist.
sect;. 64.
Beruhigende oder narkotische Mittel. Die summa­rische Wirkung jener Mittel besteht in primärer, schnell vorüber­gehender Erhebung und seeundärer nachhaltiger Verminderung der Nerventhätigkeit. Ausser diesen nervösen Wirkungen rufen sie auch in andern Organen Avichtige Veränderungen hervor; sie vermindern die Thätigkeit der contractilen Gewebe des Auges bis zur Erschlaffung und Lähmimg und beschleunigen je nach ihrem Harzgehalte, seeundär den Blutlauf. — Die beruhigende, besänf­tigende, schmerzstillende Kraft, welche man denselben beilegt, be­sitzen sie nur unter gewissen individuellen Bedingungen, da sie umgekehrt bei excessiver Anwendung und vorhandener gesteigerter Gefässthätigkeit höher erregen und die Reizempfänglichkeit stei­gern, Schmerz und krampfhafte Zustände hervorbringen. — Je mehr die narkotischen Mittel Harz und scharfen Stoff' enthalten, desto reizender wirken sie bei äusserer Anwendung auf das Haut­organ, desto leichter bewirken sie VegetationsumStimmungen der Bindehaut und Erhitzung der Capillargefässe. — Je reiner der narkotische Stoffquot; in den Naturkörpern enthalten ist, desto eindrin­gender und tiefer wirken die Mittel auf das Sinnesnervensystem des Auges, auf die Retina und den Sehnerven, desto leichter bringen sie durch Vermitdung dieser Gebilde veränderte Gestaltung in der Iris hervor. So wirkt z. B. der Mohnsaft, in die Augen geträufelt, durch seinen bedeutenden Antheil an Harz speeifisch auf Vege­tationsanomalien der Bindehaut, und das Bilsenkraut, das Kirsch­lorbeerwasser und das Belladonnaextract, in gleicher Weise ange­wendet, durch ihr Uebergewicht von narkotischem Stoffe vorzüglich auf Erweiterung der Pupille *), —
*) Repertorium augenärztlicher Arzneiformeln von C. Graefe. S. 4G u. f.
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sect;. 65.
Es wirken sämmtliche narkotische Mittel in den Krankheits­formen schädlich ein, in welchen ein rein synochöser Zustand von grösserer Heftigkeit vorhanden ist; erst dann können sie in densel­ben gebraucht werden, sobald die nöthigen Blutentziehungen vor­ausgeschickt worden sind und dadurch der Charakter der Synocha gemindert oder in den des Erethismus übergegangen ist. Daher auch so oft ihre gepriesene Heilkraft in vielen Formen der Augen­entzündung und besonders der Iritis, die Erwartung der Aerzte täuschte, indem nach ihrer Anwendung die Entzündungszufälle noch in stärkerem Grade hervortraten. Endlich ist auch der, län­gere Zeit hindurch fortgesetzte, örtliche Gebrauch dieser Mittel nicht ohne auffallende Einwirkung auf das Auge. Mit Ausnahme des Mohnsaftes und des Safrans, veranlassen sie sämmtlich in ver­schiedenem Grade eine Verminderung des Sehvermögens. Vor­züglich zeichnen sich hier die Datura Stramonium, die Belladonna und die Pulsatilla und nach diesen das Bilsenkraut und die Digi­talis aus. Es mag nmi die Sensibilität des Auges krankhaft er­höht gewesen seyn oder sich im Normalzustande befunden haben; immer wird durch den längere Zeit auf und neben dem Auge fort­gesetzten Gebrauch derselben das Sehvermögen bedeutend gemin­dert. Auch bleibende Erweiterungen der Pupille, Lähmung des obem Augenlides u. s. w. gehen ebenfalls daraus hervor *).
Gegen Photophobie sind die narkotischen Mittel um so kräf­tiger wirkend, je reiner der Zustand und je unabhängiger derselbe von andern Krankheiten des Auges ist.
. sect;' 66-Opium. Bei der unmittelbaren Berührung des Opiums mit
der Bindehaut entwickelt dasselbe primär einen reizenden Einfluss auf die Capillargefässenden und Nervenendigungen der Bindehaut, welcher Wirkung eine Verminderung der Eeizempfänglichkeit und Aufhahmsfähigkeit äusserer Eindrücke im äussem expansiven Pole, dagegen eine Erhebung des Wirkungsvermögens im innern, con-tractiven Pole secundär nachfolgen. Welche Wirkungsweise the­rapeutisch als eine beruhigende, schmerzlindernde, krampfstillende und zugleich als belebende und erhebende benützt wird.
Chelius **) beschreibt die Wirkung des Opiums in folgenden Sätzen:
sect;. 67.
Das Opium äusserlich auf das Auge angewandt, ist ein vor-
*) Benedict a. a. O. S. 8 u. f. **) Handbuch der Augenheilkunde. Erster Band sect;. G7.
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32nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Kranklieiten des Auges.
treffliches, die vielfachsten Wirkungen in sich schliessendes Mittel, deren gehörige Erkenntniss die schlendrianmässige Zuthat dieses Mittels zu beinahe allen Augenwässern und Salben als höchst ver­werflich erscheinen lässt. Das Opium als topisches Augenmittel wirkt nur dann narkotisch, besänftigend, wenn es in der Form eines Ueberschlages oder als Einreibung in die Umgegend des Auges angewandt Avird, — in allen Fällen aber, wo dieses Mittel mit der Oberfläche der Conjunctiva oder des Bulbus in unmittelbare Berüh­rung kommt, wie bei den Augenwässern, Augensalben und Destil­lationen wirkt es vorzugsweise, um nicht zu sagen ausschliesslich, als kräftiges Reizmittel auf die erschlafften, mit Blut überfüllten Gefässe, steigert ihre Contraction, mindert dadurch die üeberfül-lung derselben, beschränkt die Expansion der Schleimhaut und die zu copiösen Secretionen; — durch seine reizende Wirkung erhöht das Opium die Lebensthätigkeit im Auge überhaupt, steigert den Stoffwechsel und die plastische Thätigkeit, so wie durch die heftige Reizung, die es bei der Instillation im Augenblicke der Anwendung hervorbringt, die erhöhte Sensibilität abgestumpft und dem Auge erträglich gemacht wird. #9632;— Aus dieser verschiedenen Wirkung des Opiums ist der glückliche Erfolg bei seiner richtigen Anwen­dung in vielfachen Krankheitszuständen des Auges zu erklären: bei torpiden Entzündungen mit atonischer Ueberfülhmg der Gefässe, bei Auflockerung und Wucherung der Conjunctiva, bei copiöser Schleimabsonderung; — bei Ulcerationen, besonders der Hornhaut, mit torpidem Charakter, bei Verdunkelungen und Suffusionen der Hornhaut, besonders bei Fortsetzungen der Gefässe auf dieselbe, beim Pannus — und endlich bei andauernden erethischen Augen­entzündungen, wo das Auge seinen natürlichen Einflüssen ganz entfremdet ist, durch deren Einwirkung immer wieder Recidive her-voreebracht werden. — Hinsichtlich des verschiedenen Grades der Wirkung bieten die Präparate des Opiums folgende Scala: Aqua opiata, Opiumextract in destillirtem Wasser aufgelöst oder einfache Opiumtinctur, Laudanum.
sect;. 68.
Bilsenkraut, herba Plyoscyaini. Die ersten Erscheinungen der Wirkung des Bilsenkrautes werden nur bei krankhaften Zu- ' ständen der Sensibilität bemerkbar, und es ist dessen Wirkungs­kraft mehr gegen den peripherischen, als gegen den centralen Theil des ^Nervensystems gerichtet; woher man denn auch primär eine Reizverminderung bei der krankhaft aufgeregten Sensibilität und Beruhigung der, mit ihr verbundenen und in Mideidenschaft gezo­genen Systeme und Gebilde wahrnimmt; hingegen aber eine ge-
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ringe, schnell vorübergehende Aufregung des Innern Nervenlebens, der centralen sensiblen Sphäre kaum auffindet.
Als Folge dieser primären Wirkung erscheint die Irritabilität der Blutgefässe, Muskeln und des contractilen Gewebes der Iris vermindert, die liesorption und Secretion im vegetativen Leben gestei­gert, woher denn die Absonderungen in der Bindehaut und in den Drüsen vennehrt erscheinen.
Die weitem Erscheinungen, den zweiten Grad der Wirkung des Bilsenkrautes abgebend, werden nebst den allgemeinen Störun­gen, hauptsächlich durch Depression der innem contractiven Thä-tigkeit und in grösserer Verminderung der Eeizempfänglichkeit des äussern expansiven Pols erkennbar. Gleich den sensiblen, werden auch die irritablen Actionen geschwächt.
Es eignet sich das Bilsenkraut besonders zur Anwendung: bei auf erhöhter Eeizbarkeit der centralen Parthie des Nervensystems und krankhaft vermehrter Empfänglichkeit der peripherischen be­ruhender, Entzündung des Auges.
Man bedient sich gewöhnlich des aus den Blättern oder auch aus dem Saamen des Hyoscyamus gewonnenen Extractes (Extractum herbae vel seminum Hyoscyami) in Wasser gelöst, zur Einträufe-lung, des Aufgusses zur Bähung oder als Zusatz zu Cataplasmen und des Extractes mit Fett zum directen Gebrauch auf das Auge oder zur Einreibung um das Auge.
sect;.69.
Die Blätter der Tollkirsche, herba Belladonnae, sprechen ihre Grundwirkung im gesammten Nervensysteme, in der sensiblen und irritablen, in der centralen und peripherischen Parthie dessel­ben aus.
Die ersten Erscheinungen der Wirkung sind im centralen, sen-soriellen Theile des Nervensystems zuerst auffindbar und geben sich durch eine erhöhte Empfindlichkeit gegen äussere Eindrücke zu erkennen. Alle Vitalitätserscheinungen sind erhöht, der Blut­umlauf im Auge wird beschleunigt, das vegetative Leben und der Stoffwechsel bethätigt und überhaupt der Trieb zur Bildung in's Flüssige, bei verringerter Massenbildung, vorherrschend.
Obwohl hierdurch schon ein Ergriffenseyn des peripherischen Ner-ventheiles bemerkbar gemacht wird, so producirt sich dasselbe eigent­lich doch erst durch die, in Folge des gesteigerten Wirkungsvermö­gens erfolgende. Contraction der Eadialfasern der Regenbogenhaut.
Bei höherm Grade der Einwirkung der BeUadonna, treten die genannten Erscheinungen im Nervensysteme immer deutlicher her­vor, indem in Folge des Ueberreizes der sensitiven, innern Parthie und des schwächenden, der Lähmimg sich annähernden, Ergriffen-
M Uli er. Veterinär-Opbthalmologie. II.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;3
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34nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
werdens der Bewegungsnerven der Iris, Verworrenheit und Un-deutlichkeiit im Sehen, Gesichtstäuschungen, starke, zuweilen para­lytische Contraction der Iris eintreten, wobei die letztere oft bis zu einem schmalen Streif sich zurückzieht, und das Wechselverhältnis s zwischen der Retina und Iris in der Art gestört oder ganz aufge­hoben ist, dass der Einfluss des sensitiven Theiles über den bewe­genden, oft ganz aufhört.
Als entzündungs widriges Mittel machte sich die Belladonna bisher bei exsudativen Entzündungen der Iris am verdientesten und wir werden daher bei Behandlung dieser Entzündungsform über dieselbe uns weiter zu verbreiten, Gelegenheit nehmen.
Ihre Anwendungsform ist jene des Bilsenkrautes; das Alkaloid der Belladonna aber, das Atropin, kann seiner hohen Whksamkeit wegen nur sehr verdünnt gegeben werden; es wird daher ein Gran desselben in zwei Drachmen Wassers gelöst, zu einem Tropfen in's Auge geträufelt. Es ist die wässrige Lösung des Atropins nach Geiger ein vortreffliches Mittel zur Erweiterung der Pupille. Da dasselbe durchaus keine Nebenwirkungen besitzt, so ist selbes dem Extracte noch darum vorzuziehen, weil es nach dem Grade der Verdünnung oder Concentration die Erweiterung kürzere oder längere Zeit zu unterhalten vermag.
Auch dürfte der äussere Gebrauch der Tinctur in manchen krankhaften Veränderungen des Auges von heilbringendem Erfolge seyn und nach ihrer Wirkungsweise sich vielleicht Vorzüge vor der Opiumtinctur erwerben, wofür Arnemann's Erfahrungen sprechen.
sect;. 70.
Der Stechapfel, Datura Stramonium, gleicht im Wesent­lichen seiner Wirkung der Belladonna.
So wie die Belladonna wendet der Stechapfel, aber in höherm Grade als diese, seine Hauptkraft gegen das Nervensystem und zwar gegen dessen bewegende Seite, ohne eine bemerkbare Keaction im Gef äss - Systeme anzuregen, indem dieses vielmehr eine Ver­minderung seiner Lebensthätigkeit und Herabstimmung seiner Energie erleidet. Und dieser Herabstimmung ungeachtet, ist des­sen Wirkung auf das vegetative Leben eine intensivere, als jene der Tollkirsche.
Im niedern Grade der Wirkimg contrahirt sich die Iris massig, das Sehen wird klarer und die Absonderungen der serösen Häute werden lebhafter.
Vermöge der angeregten directen Wirkung auf das periphe-rische und Ciliamervengeflecht entstehen nun im hohem Wir­kungsgrade des Stechapfels Erweiterung der Pupille, mydriasis, Verengerung derselben, myosis, oder Wechsel beider Zustände,
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spasmus iridis clonicus, hippus pupillae, und dazu consecutive Zu­fälle in der centralen Parthie, der Netzhaut, ausgesprochen in man-nichfachen Täuschungen des Gesichts, Verworrenheit und selbst in gänzlichem Verluste des Sehvermögens.
Der Absonderungsprocess in den Schleim- und serösen Häuten des Auges und den Drüsengebilden desselben wird bei Anwendung dieses Mittels sehr lebhaft und stürmisch.
Es ist diese Wirkung der vereinigten des Mohnsaftes und der Tollkirsche gleich zu halten und kann in aUen dort angegebenen Krankheitsfällen Anwendung finden, besonders wenn mit einer in­tensivem Wirkung eine regere Metamorphose der vegetativen Ge­bilde zu Stande gebracht Averden soll. — Es fördern daher haupt­sächlich solche krankhafte Veränderungen der bewegenden Thätig-keiten des Auges, welche Folge einer auf dyskrasischen Leiden beruhenden Entzündung, oder aus anderweitigen in dem vegetativen Leben haftenden Veränderungen hervorgegangen sind, die Anwen­dung des Stechapfels.
Wenn das besondere Wirkungsvermögen des Stechapfels bei den entzündlichen Metamorphosen der Regenbogenhaut jenem der Toll­kirsche entgegengehalten wird, so gebührt dem erstem vor der letztem in chronischen Fällen, da, wo eine lange andauernde Wirkung un­terhalten werden soll, demnach die Belladonna gefahrvoll werden könnte und das Leiden mehr in den vegetativen Gebilden und Ver­richtungen seinen ursprünglichen Sitz hat, der Vorzug, indem die bisherigen Beobachtungen für die Anwendung des Stechapfels all­gemein günstige Aussprüche geben und sie besonders in Beziehung auf ihre heilbringende Wirkung bei Störungen in den Bewegungs-fasem der Iris bevorzugen.
Von dem Stechapfel sind die Blätter, derSaamen, das Extract, der suecus inspissatus, der Aufguss der Blätter, die Tinctur der Blätter und des Saamens als Ausenheilmittel gebräuchlich. — Den Saamen hat man kräftiger und in der Wirkung sicherer gefunden, als die Blätter und deren Präparate.
Der Blätter bedient man sich, indem man sie zerquetscht auf das Auge oder dessen Umgegend legt oder selbe mit heissem Was­ser infundirt, als Augenkollyrien benützt, zu Umschlägen oder Einträufelungen verwendet; auch die Tinctur gebraucht man wie jene der Belladonna und mit gleichem Erfolge. Am reinsten ent­hält das Extract den narkotischen Stoff, weniger eigenthümlich ist derselbe dem Durchgusse.
Zum Durchgusse zur äusserlichen Anwendung werden von den narkotischen Mitteln und dem Stechapfel, 1 bis 2 Drachmen auf 4 Unzen, zur wässrigen Auflösung des Extracts 10 Gran auf
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36nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dynamische Krankheiten des Auges.
1 Unze, zur weingeistigen 6 Gran auf 1 Unze Flüssigkeit genom­men. Die Tinctur wird unverdünnt zu einem Tropfen einige Mal täglich, als Einträufelung angewandt; am üblichsten ist es, die Tinctur mit 6 Theilen Wassers zu verdünnen und in Form eines Augenwassers gebrauchen zu lassen. — Das neuerlich empfohlene Daturin steht in seiner Wirkung dem Atropin gleich, bewirkt sogar noch stärkere und anhaltendere Erweiterung der Pupille.
c. Mittel, welche die gesunkene Vitalität des Auges erheben.
gt; 71-Die Mittel, welche bei torpidem Charakter der Augenentzündung,
der atonischen Ueberfüllung der Gefässe, der Auflockerung, den vermehrten und veränderten Secretionen entgegnend, die Lebens-thätigkeiten erhöhen und den Vegetationsprocess umstimmen, ge­hören verschiedenen Classen der materia medica an und wirken im Allgemeinen theils direct, theils indirect entzündungswidrig, sobald es Aufgabe ist, starke Ueberfüllungen der Gefässe und fortdauern­den congestiven Zustand zu beseitigen — Blutegel, Schröpf köpfe, Scarificationen, Excisionen der Bindehaut; theils bestehen sie aus solchen, welche die gesunkene Sensibilität des Auges erhöhen — trockene aromatische Wärme, kräftige und andauernde Ableitungs­mittel auf die Haut — theils beschränken sie ausserdem, vermehrte Secretionen und Auflockerungen auf der Oberfläche des Auges — Opium, Safran, Bilsenkraut — oder sie wirken letztern geradezu entgegen — Quecksilbersublimat, Lapis divinus, Zink und schwe­felsaures Kupfer in Auflösung, allein oder in Verbindung mit Opium, lauwarm als Fomentation oder als Einträufelung.
sect;• 72. _ _ 'nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; . _
Der Safran, Crocus, ähnelt hinsichtlich seines Wirkungsver-mö^ns dem Opium, insofern er primär die Nerventhätigkeit erhebt, den Blut- und Säfteumlauf überhaupt bethätigt, die Absonderungen vermehrt,, äusserlich erweicht, mittelbar beruhigt und Erschlaffung nach sich führt.
Der Reiz, den der Safran auf das Nervensystem ausübt, ist übrigens bei weitem grosser, als jener des Opiums, ebenso der-er­regte Zustand ein verschiedener, das Nervensystem krankhaft ver­ändernder. Man bedient sich seiner bei Entzündungen mit An­schwellungen als reizendes, zertheilendes, erweichendes und krampf­stillendes Mittel, in welcher Eigenschaft er an Wirksamkeit das Opium in den Fällen, wo der Heilzweck es erfordert, zunächst die, auf gesunkener Kraft des Nervensystems und auf gehemmten Ab-
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sonderungen beruhende, geschwächte Sensibilität und Irritabilität wieder emporzurichten, weit übertrifft.
Ebenfalls gebührt demselben als äusserm Mittel bei torpiden, asthenischen oder chronischen Entzündungsformen, namentlich der äussern Gebilde des Auges, der Vorrang vor dem Opium und es kann der Safran etwa nur von der Opiumtinctur in dieser Eigen­schaft ersetzt werden. Es findet demnach der Safran seine Anwen­dung: bei asthenischen Entzündungen des Auges, beruhend auf allgemein oder örtlich gesunkener Energie des Nervensystems, verbunden mit Störung der irritablen Thätigkeit, bedingt durch Blutleere, nach vorausgegangenem Säfteverluste, Lianguor der arteriellen Blutgefässe, in Folge unterdrückter normaler oder ge­wohnter Absonderungen. — Bei torpiden Augenentziindüngen im Zeiträume der Krise, so lange noch das Auge trocken und die Krise retardirt ist. In diesem Falle dient der Safran hülfreich, die Capillargefässe irritirend und Beförderung der absondernden Thätigkeit der Bindehaut und der Augenliderdrüsen erzweckend.
d. Umstimmende Mittel.
sect;.73._
Unter den Mitteln, welche die Eigenschaft besitzen, die gesun­kene Gefässthätigkeit zu heben, gibt es einzelne, welche die krank­hafte Reproduction zum Nonnalgrade zurückführen.
Sie zerfallen nach ihrer allgemeinen Wirkungsart in chemisch und in mechanisch reizende und nach ihren besondem Eigen­schaften in speeifisch und adstringirend wirkende.
Die chemisch wirkenden Stoffe erregen in geringerer Quantität oder in sehr verdünntem Zustande und nach dem Grade der, ihnen eigenthümlichen chemischen Keizkraft, nur eine Entzündung der äussern Oberfläche des Auges, in concentrirtem Zustande, oder der Classe der Aetzmittel angehörig, bewirken sie eine mehr oder min­der bedeutende Zerstörung der Punkte der Oberfläche des Auges, auf welche sie angebracht werden (Benedict). Nach der Weise und dem Grade ihrer Wirkung auf das Gefässsystem oder auf die rein vegetativen Gebilde Sverdensie in Reiz- und Aetzmittel unterschie­den. Erstere werden als chemische Reizmittel gegen Producte idio-pathischer Augenentzündungen torpiden Charakters gebraucht; letz­tere dienen zu langsamerer oder schnellerer Zerstörung organischer Aftergebilde auf der Oberfläche oder in der Umgegend des Auges.
Die mechanisch reizenden Körper, welche als Augenmittel ge­braucht werden, erregen nach ihrer Anwendung, je nach der Reiz-
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38nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamisclie Krankheiten des Auges.
barkeit des Aums einen leichtern oder höhern Grad von Matzünduiur auf dessen Oberfläche, welche Wirkung bei solchen Uebeln, die auf diese Weise gemindert und gehoben werden, therapeutisch benützt wird. Einzelne derselben verbinden mit ihrer mechanischen Wirk­samkeit noch eine chemische und theilweise dynamische. Man be­dient sich derselben nur selteit- mehr, da man sie durch den Vorrath zweckdienlicherer Mittel ersetzt findet.
Zu der Classe chemisch reizender und ätzender Mittel gehören ebenfalls die speeifischen, welchen bei gehöriger Verdünnung eine, die krankhafte lieproduetion des Auges speeifik umändernde Kraft innewohnt. Es bestehen diese Mittel hauptsächlich aus den ver­schiedenen Quecksilberpräparaten.
Dem Pflanzen- wie dem Mineralreiche gehören die adsringirend-wirkenden Mittel an. Sie veranlassen mit der Oberfläche des Aug­apfels und mit jener der benachbarten Theile in Berührung gebracht, einen leichten Eeizzustand auf derselben. Contraction der Hautporen, der Blutgefässe, sowie der Ausführungsgänge der Drüsen und ver­mehren somit die organische Cohäsion, beschränken die krankhaften Absonderungen der Sclüeimhäute und Drüsen, geben reizlosen Ge­schwüren der Oberfläche des Augapfels Ton und führen sie zur Hei­lung. Die dahin gehörigen Pflanzenstoffe, die China, Eichen- und Rosskastanienrinde, die Granatenblüthen, Granatschalen u. s. w. vermehren auf der Oberfläche des Auges die Entzündung in hohem Grade, hinterlassen Verdickung und Verdunkelung der Bindehaut, weshalb man lieber zu den mineralischen Mitteln greift, die einer­seits den antiphlogistischen Mitteln angehören, z. B. das, sich durch seine wohlthätige Wirkung in Beschränkung der Seeretionen des Auges auszeichnende, Blei, andererseits chemisch reizende, speeifik auf die Reproduction des Atfges wirkende Mittel sind. Dahin ge­hören die Kupfermittel, die Zinkpräparate, der Bolus, das Salpeter­säure Silber, auch das Opium mit seiner seeundären Wirkung auf die Secretionen. Wenn gleich die umstimmenden Mittel nur gegen Krankheiten der Vegetation und der Oberfläche des Auges ange­wandt werden, so. excitiren sie ebenfalls die gesunkene Sensibilität des Auges, welche Wirkung jedoch nur eine seeundäre und durch die vorausgegangene Reizung des Gefässsystems vermittelt ist.
sect;. 74. Quecksilbermittel, Hydrargyri praeparata pharmaceutica, werden zum Heilzwecke theils innerlich, theils äusserlich bei Augen­krankheiten verordnet. — Innerlich äussert das Quecksilber seine Wirkung in einer allgemeinen Beschleunigung der absondernden Thätigkeiten, hauptsächlich und mehr in den Innern Umkleidungen, als in der äussern Umhüllung des thierischen Organismus, begün-
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stigt den Verflüssigungsprocess und beschränkt die Bildung in's Feste, wobei sowohl durch die vermehrten Abscheidungen, als Avie durch chemische Einwirkung das Mischungsverhältniss der Säfte anders gestaltet wird. In höherm Grade der Wirkung erscheint unter deutlicher wahrnehmbarem Hervortreten genannter Vorgänge, fortwährender Beschränkung des Assimilationsprocesses und vor­waltender Verflüssigung, ein noch höher gesteigerter Vegetations­und Aufsaugungsprocess, Avelcher in beständigem Duften der äussern Haut, copiöser Absonderung im Darme und den Unterleibsdrüsen, reichlich fliessendem und mit thierischen Stoffen saturirtem Urine, in auffallend vermehrter Abscheidung in der Bindehaut des Auges und der Umkleidung des Thränensackes, so wie in flüssig werden­dem Speichel bemerkbar wird, besonders aber bei Entzündungsfor­men durch Hebung der Spannung, Bethätigung des Säfteumlaufes, Herstellung normaler Secretionen und Erregung kritischer Thätig-keiten sich kund gibt, abgelagerte als Krankheitsursache oder als Product vorhandene Stoffe und Ergüsse ausscheidet, Stockungen im Laufe der Lymphgänge aufhebt, deren Gang frei macht und sonach Stockungen im Drüsensysteme zum Schwinden bringt.
Durch diese, auf längere Dauer unterhaltene Abscheidungen in den reproduetiven Organen und der dadurch bedingten Verflüs­sigung wird alhnälig die Ernährung zurückgedrängt, die Blut- und Säftemasse in ihrer Mischung alienirt, dieselbe aller Neigung zur Bildung in's Feste beraubt und sonach in derselben der Verflüssi­gungsprocess vorherrschend.
Es verliert das Bluf nicht sowohl seine phlogisdsche Beschaf­fenheit, als dessen Faserstoff sich allmälig vermindert und durch seröse Massen ersetzt wird.
Mittelst dieses höchsten Grades arzneilicher Wirkung des Quecksilbers vermag die Kunst hartnäckige Ophthalmien, verbun­den mit stockenden Absonderungen und begründet in vorwaltendem Faserstoffe im Blute, so wie die Neigung zu abnormer Massenbil­dung, Aftergebilden und Ausschwitzungen zu heben.
Werden einzelne Präparate des Quecksilbers in relativ grosser Gabe gegeben, so erscheinen die aufgeführten Egestionen bei wei­tem rascher und intensiver, beschränken sich aber grossentheils auf den Darmcanal und erregen in diesem, gleichsam durch einen me­chanischen Reiz, profuse Erideerungen, welchen immerhin ein, län­gere Zeit andauernder, seeundär bethätigender Einfluss auf das Unterleibs- und gesammte Drüsensystem folgt. Es ergibt sich hieraus, dass das Quecksilber mit diesen Wirkungen, jene drasti­scher, darmreinigender Abführungsmittel, so wie jene der Ableitung verbindet und in dieser Eigenschaft sich rühmlichst hervorthut.
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Diese Erscheinungen folgen auf den innerlichen Gebrauch der Quecksilbermittel und sind allgemeine, jene der äusserlichen An­wendung folgende sind örtliche, welche sich jedoch je nach der Art ihres Gebrauches, der Wahl des Präparats, der Grosse der Gabe, des Ortes und der Ausdehnung der Application zu allgemei­nen, auf den Gesammtorganismus übergehenden, erheben und behufs der Heilung benutzt werden können. Bei directer Anwendung auf das Auge ist wohl der kleinen Gabe wegen, und ob der mehr secer-nirenden, als absorbirenden Thätigkeit der Conjunctiva, eine solche Ausdehnung weder möglich, noch Heilzweck.
Die Mercurialien liefern bei der äussern Anwendung ein, der innerlichen Wirkung analogres Resultat. Auf der Oberfläche des berührten Theiles erregen dieselben einen gelinden Reiz, bringen Erschlaifung und Abspannung in demselben hervor, erregen darin eine freiere Bewegung der Säfte, vermehren die Abscheidungen und den aufsaugenden Process, vermindern das Streben zur Massenbil­dung und erheben sonach den Verflüssigungsprocess. — In höherin Wirkungsgrade nach äusserer Anwendung bewirken dieselben durch Ueberreizung Entzündung, heben die Normalmischung der berührten Stellen auf und wirken ätzend. — In der Umgegend des Auges einverleibt, erregt der Mercur im Auge Vermehrung der Resorption und stärkere Zertheilung bei gegenwärtigen organischen Fehlern oder Entzündungen, deren intensivster, acuter Grad bereits gehoben seyn muss; ebenso veranlasst derselbe durch den lebhaftest hervor­gerufenen Stoffwechsel, kräftige Reactionen gegen vorhandene, mit dem vorliegenden Augenleiden complicirte', Dyskrasie und bringt anomale Ergiessungen im Auge zur Aufsaugung selbst dann noch, wenn sie bereits verhärtet sind, indem er dieselben zuvor erweicht.
Die bei der Quecksilberanwendung vorschlagende, umstimmende Wirkung auf das Mischungsverhältniss der Säfte, qualificirt die Quecksilbermittel zur Anwendung bei den meisten vegetativen Au­genleiden, deren Quelle in einer allgemeinen Dyskrasie liegt, oder mit derselben verbunden ist und sich als acrimonia humorum dar­stellt ; auch dort, wo vorwiegende Plasticität des Blutes, phlogistische Beschaffenheit desselben, vorhanden ist, Stockungen in dem Fort­gange der Lymphe und in den Absonderungen der Drüsen und häutigen Gebilde vorkommen, abnorme' Secretionen erscheinen, Af-terproduete sich bilden, Trübungen und Verdichtungen das Sehver­mögen beeinträchtigen, überhaupt solche kranke Zustände eintreten oder vorhanden sind, welche als Entzündung oder als deren Aus­gang betrachtet werden dürfen.
Ein niederer Stand der Ernährung, üble dünnflüssige Beschaf-
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fenheit der Säfte, mit zurückgedrängter Neigung zur Massenbildung ertragen den diluirenden Einfluss innerer Anwendung des Queck­silbers nicht; während bei rein örtlichen, in Auflockerung und pro-fuser Secretion nach aussen, begründeten, Störungen, durch dessen äussere Anwendung, vermehrte Cohäsion und verminderte Abschei­dung erzielt werden kann; dahingegen auf der andern Seite Nach­theil gebracht wird, wenn die Krankheit die innem Theile des Bulbus ergriffen hat und dieselbe einen acht synochösen Charakter verräth.
Die vorzüglichem Krankheitsformen, gegen Avelche die Queck­silbermittel heilförderlich sich erweisen, sind entzündlichen, acuten oder subacuten, chronischen Charakters und specifischer oder rheu­matischer Natur. Und diese Heilförderung besteht in der chemi­schen und dynamischen Verbesserung der Säftemasse, in dem Um­wandeln und Normalisiren der Functionen des Organismus, in dem Entfernen des, den Krankheitserscheinungen zum Grunde liegenden Krankheitsstoffes und in dem Bekämpfen des feindlichen Princips.
Entzündungen gefäss- und blutreicher, zur Eiter- oder After-production, Verdickung und Verwachsung geneigter Gebilde, oder zur serösen Exsudation prädisponirter Häute, sind es vorzugsweise, bei welchen Mercur als Heilmittel sich auszeichnet.
Nach den vorliegenden Verhältnissen, der Höhe und Dauer des Leidens wird der Grad der Quecksilberwirkung, die Art und der Ort der Einverleibung des Mittels selbst bestimmt.
Die innere Anwendimg kann meist nur dann mit Vortheil Statt finden, wenn bereits das erste Stadium der Entzündung beseitigt ist; die äussere aber beschränkt sich grossentheils auf den, der Entzündung als letzter Zeitraum oder als Nachkrankheit folgenden Zustand.
Zur Erzeugung einer durchgreifenden, allmäligen Wirkung, welche durch gelinde Secretionsbeforderung, successive Veränderung der Säftemasse und Umwandlung der Metamorphose zum Zwecke haben soll, bedient man sich relativ kleiner und seltner Gaben und regulirt dieselben mit Eücksichtnahme auf die constitutionellen Ver­hältnisse nach den vorliegenden Umständen.
Hat man die Absicht, hauptsächlich nur auf den Darmcanal oder schnel|p- und stärker, als es mit andern Mitteln geschehen kann, auf den ganzen assimilativen Process vermittelst des Queck­silbers zu wirken, so muss es gleich anfangs in solcher Gabe ge­reicht werden, dass es täglich 3 bis 7 breiige oder dünne Darm-entleerungen erregt. Dies z. B. bei plastischen Entzündungen oder solchen, welche zu einem Ergüsse in's Innere tendiren, und wobei der Darmcanal zur Ableitung benutzt werden soll (Vogt).
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42nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dynamische Krankheiten des Auges.
Zur Vermeidung mancher, nicht in Absicht liegender, in Folge andauernden oder zu starken Quecksilbergebrauches eintretender, Zufälle bedient man sich oft zweckmässig verschiedener Zusätze, wie z. B. des Zusatzes von Schwefel und Guajac, um durch leb­haftere abscheidende Thätigkeit auf der äussern Haut, oder des Beisatzes von Rhabarber, um durch vermehrte Darmabsonderimg, eine Wiederausscheidung des Quecksilbers zu veranlassen.
Gilt es aber der Entfernimg eines inveterirten, dyskrasischen, constitutionellen Leidens, ist zu diesem Zwecke eine anhaltendere, intensivere Quecksilberwirkung, ein tieferes Eingreifen in das vege­tative Leben, sind lebhaftere Secretionen im Drüsen- und Haut­systeme, überhaupt ein regerer Stoffwechsel erforderlich: so wird der Gebrauch des Quecksilbers anhaltender, in grössern und stei­genden Gaben angeordnet und bis zum Eintritt der Erscheinungen allgemeiner und örtlicher Beschränkung der Assimilation, copiöser Absonderungen, namentlich im Drüsensysteme, bis zum Speichel­flusse, fortgesetzt.
Gegenanzeigen gegen die äusserliche directe Anwendung des Quecksilbers geben sowohl der Zustand vermehrten Säfteandranges nach dem Auge, wenn derselbe eine Folge allgemeinen Uebermasses an Flüssigkeiten oder allgemein verstärkter Thätigkeit des Gefäss-systems ist, als auch Augenentzündungen mit wahrhaft sthenischer Diathesis, wo der Mercur durch sein Contractionsvermögen den freien Säfteumtrieb hindert, dadurch das Blut aus den peripherischen Aestchen zu den Centralorganen zurücktreibt oder in erstem stocken lässt, im erstem Falle vermehrten Blutandrang nach tief liegenden Gebilden und in denselben Entzündung oder durch die, mittelst des, von Seite der überfüllten Gefässe veranlassten Druckes, unter­drückte Functionsfähigkeit, Lähmung bewirken, im letztern Falle Verhärtungen in den Gefässen, Drüsen und Häuten hervorrufen und auf diese Weise zu den verschiedenartigsten organischen Fehlem und Afterproducten Veranlassung geben kann.
Auch bei mittelbarer Anwendung des Mercurs auf das Auge, indem man denselben der benachbarten Haut einverleibt, ist die Vorsicht nöthig, dass man deBsclben ja nie vor Brechung acut ent­zündlicher Zufälle und bei erethischem Charakter derselben, in An­wendung bringe, weil durch den engen Consens der jmssem Haut mit den Häuten des Auges, letztere in der Regel an der Reizung der erstem partieipiren.
Die besondere Art und Gabe der Anwendung des Mercurs richtet sich nach den vorliegenden Verhaltnissen, den verschiedenen Curanzeigen und der Beschaffenheit und besondern Wirksamkeit des gewählten Präparates.
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sect;-.75.
Das versüsste Quecksilber, Hydrargyrum muriaticum mite, ist #9632;vor den übrigen Mercurialpräparaten in''seiner Wirkungs­weise besonders dadurch ausgezeichnet, dass es kräftiger die innere Resorption anregt, gleichsam speeifisch auf die seröshäutigen Gebilde einwirkt, die Darmthätigkeit lebhaft anregt und seine, die Absonde­rungen im Allgemeinen bethätigende Kraft auch auf die Nieren aus­dehnt und sonach auffallend auf die Mischimg und Beschaffenheit des Blutes influirt, während die übrigen mehr nur das Drüsensystem berühren.
Allgemeine Anzeige zur Anwendung findet das versüsste Queck­silber :
Bei allen acuten und chronischen reinen und gemischten, so wie speeifischen Augenentzündungen, wo es Aufgabe ist, die phlogisti-sche Beschaffenheit des Blutes zu heben, die Kesorption zu ver­mehren, die Säftemasse, die Drüsen und den Verdauungsschkuch in vermehrte Thätigkeit zu versetzen, so wie auch von Krankheits-produeten oder Krankheitsstoffen zu befreien. — Unter den hierher gehörigen gemischten und speeifischen Entzündungen sind in's be­sondere die rheumatischen, gichtischen, psorischen Ophthalmien mit ihren Folgen, ihren Ablagerungen und Metastasen zu begreifen.
Bei Augenentzündungen mit Hinneigung zur Exsudation von Wasser und Serum, Eiterbildung und Schleimflüssen, oder bei deren bereits geschehenem Eintritt und Ausbildung, so wie bei allen an­dern organischen Verbildungen des Auges.
Bei den verschiedenartigsten Ablagerungen von krankhaften, fremdartigen, in der Säftemasse enthaltenen, dyskrasischen Stoffen auf die bedeckenden Theile des Auges und bei den dadurch herbeige­führten Geschwüren; so wie bei allen solchen Störungen im vege­tativen Theile des Nervensystems, die gewöhnlich Unterbrechung des Sehvermögens und Störung in den bewegenden und gesammten vegetativen Thätigkeiten des Auges zur Folge haben und als Pro­dukte anomalen Bildungsprocesses oder fortbestehenden Entzün­dungszustandes zu betrachten sind.
Bios innerlich wendet man das versüsste Quecksilber bei Oph­thalmien an, die äusserliche Anwendung dagegen, ist hier unstatthaft.
gt; 76-Der Quecksilbersublimat^ Hydrargyrum muriaticum cor-
rosivum, spricht die erste und wahrnehmbare Wirkung seiner inner­lichen Anwendung in der äussern Haut und in dem Drüsen- und uropoetischen Systeme aus, indem er die absondernde Thätigkeit dieser Organe vermehrt und erst in grösserer Gabe und bei lange andauerndem Gebrauehe desselben, den Darmcanal ergreift, corrodirt,
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44nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; üynamisclie Krankheiten des Auges.
dessen Secretionen vermehrt und sich in dieser seiner Wirkung wesentlich von dem versüssten Quecksilber unterscheidet; jedoch auch in zweckmässig gewählter Gabe, und unter den, bei dem Quecksilbergebrauche nöthigen, Cautelen zur Bekämpfung einer Dyskrasie dienlicher wird, als jenes, ohne auf der andern Seite den Stand der Ernährung so sehr zu gefährden.
Da die Wirkung massiger Gaben des Sublimates sich in dem Hautorgane und dem Drüsensysteme feststellt, so geht schon hier­aus hervor, dass dieselbe nur eine allmälige ist und demnach sich von jener des versüssten Quecksilbers wesentlich unterscheidet.
Aeusserlich angewendet, erregt dieses Mittel auf der berührten Oberfläche, gewöhnlich auf der Bindehaut und in den, zu den Au­genlidern gehörigen Drüschen einen, allmähg in organische Zerstö­rung übergehenden Reizzustand. In geringerm Grade der Einwir­kimg wird in der berührten Oberfläche und in den, damit in un­mittelbarer Verbindung stehenden, Organtheilen, so Avie in den Absonderungsproducten eine auffallend hervortretende Metamorphose wahrgenommen.
Als Heilmittel bewährt der Quecksilbersublimat im Allgemei­nen seinen Nutzen in den verschiedensten Krankheiten des vege­tativen Lebens, besonders da, wo Dyskrasien in demselben vor­walten, eingewurzelt und veraltet sind und als solche unter mancherlei Formen auftreten, eine höhere Organisationsstufe erreicht haben, und ein Weitergreifen der krankhaften Veränderungen erwartet werden darf und der torpide Zustand des Individuums selbst eine kräftige Mercurialwirkung erforderlich macht. — Als Dyskrasien, gegen welche der Sublimat heilkräftig erscheint, sind besonders die psorische, herpetische, impetiginöse, und arthritische anzu­führen.
Unter den vielfachen Formen von Augenentzündung sind be­sonders nachstehende, in welchen der Sublimat sich besonders wirksam und heilkräftig erweist, namhaft zu machen:
Entzündungen der Bindehaut und der Schleimhaut des Thrä-nensackes und Nasencanales, nach geschehenem Uebergange in Blennorrhöe, wobei der Sublimat die Schleimsecretion ermässigt und nicht colliquativ Averden lässt. Ansammlung von Wasser oder Eiter, verdichtete, ausgeschwitzte und organisch gewordene pla­stische Lymphe in den Augenkammern oder zwischen den Häuten, Verdunkelung der Krystalllinsenkapsel, Trübheit, Flecken und Entzündung der Hornhaut. Als Reiz- und die vegetativen Thätig-keiten im Allgemeinen und die Aufsaugung insbesondere, antrei­bendes Mittel, leistet hier der Sublimat Avesentliche Dienste. Zur Erreichung einer Heilwirkung genügt in vielen dieser Fälle, der
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Dynamische Krankheiten des Augeraquo;.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 45
äusserliche Gebrauch dieses Mittels, zuweilen jedoch 1st auch dessen Innere Anwendung geboten, besonders Im Falle diese Krankheits-zustände von einer Dyskrasie abhängen oder sich damit verknüpft haben.
Specifische Augenliderentzündungen, und die in deren Folge entstandenen Geschwüre, werden am sichersten durch die äusser­liche Anwendung des mit Opium verbundenen Sublimats entfernt.
Die innerliche Gabe des Sublimates ist nach der Thierclasse, welcher das leidende Individuum angehört, so wie nach dessen Le­bensalter, Constitution u. s. w. besonders zu bestimmen. Im All­gemeinen dürfte die Anfangsgabe auf einen Viertel Gran zwei bis dreimal täglich gegeben, festgesetzt, und diese je am zweiten oder dritten Tage um ein Drittheil erhöht werden, bis der erwünschte Erfolg erzielt ist oder solche excessive Wirkungen oder andere Wirkungen eingetreten sind, welche die fernere Anwendung dieses Mittels unnöthig machen oder contraindiciren. — Die bessere innere Anwendungsweise des Sublimats in der Veterinärmedicin dürfte wohl die wässrige Auflösung oder die Bolusform seyn, weil durch beide Formen eine gleichmässige Vertheilung der Gaben möglich gemacht ist.
Aeusserlich gebraucht man den Sublimat lediglich als Augen­wasser, zum Einträufeln oder Einspritzen, zum Benetzen der Au­genlider oder zu Bähungen, je nach dem die Krankheitszustände die eine oder die andere Weise der Anwendung bevorzugen. Die Gabe wird nach dem Erforderniss bald höher bald niederer gegrif­fen , rathsam bleibt es jedoch, immer mit einer kleinem zu begin­nen, etwa mit Va Gran auf 4 Loth Wasser. Schleime beizu­mischen, ist unstatthaft, da sich selbe zersetzen und das Mittel selbst theilweise unwirksam durch sie wird.
sect;. 77.
Quecksilbersalpeter, Mercurius nitrosus. Das oxydulirte salpetersaure Quecksilber soll nicht so heftig wirken, auch nicht so leicht Nachtheile erzeugen, als der Sublimat, aber doch an in­tensiver Stärke der Wirkung ihm gleichstehen, besonders auch stark auf die Absonderungen der Haut und der Nieren, so wie auf die lymphatischen Drüsen und Gefässe wirken. — Man reicht es in derselben Form und Gabe und unter denselben Vorsichtsmassregeln, wie den Sublimat (Vogt).
#9632; Die Auflösung einer Drachme Quecksilbers in zwei Drachmen starker Salpetersäure mit zwölf Unzen Wassers verdünnt, war schon in den ältesten Zeiten unter dem Namen Aqua divina. Liquor Hydrargyri nitrici oxydati, Liquor Bellostü bekannt. Ihre Wir-
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46nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dynamische Krankheiten des Auges.
kung ist eine sehr starke und heftige auf die Metamorphose, welche sie alterirt und gelinde anätzt.
Die Auflösung des Quecksilbersalpeters mit einer hinreichend grossen Menge destillirten Wassers verdünnt, ist in der neuern Zeit auch bei Augenkrankheiten örtlich angewendet worden. Der Theorie nach sollte dieses Mittel in allen den Formen anzuwenden seyn, in denen sich der Sublimat als kräftiges Heümittel zeigte. Allein die Erfahrung hat das Gegentheil erwiesen. Selbst in höchst verdünnter Form gebraucht, liess es die Entzündungen eher zu-als abnehmen. Dazu kommt noch eine höchst verdächtige Wirkung des Mittels auf das Bindehautblättchen der Hornhaut, die schon früher von den Aerzten beobachtet wurde und die in einer auffal­lenden Trübung und angeblichen Verschrumpfung dieses Organes bestand. Selbst der Zusatz der Opiumtinctur scheint nicht die schädliche Wirkung örtlicher Anwendung dieses Mittels beseitigen zu können, daher es billig aus der Zahl aller ördich auf das Auge anzuwendenden Stoffe ausgescldossen wird (Benedict).
sect;• 78. _
Der rothe Quecksilberpräcipitat, Hydrargyum praeci-pitatum rubrum, verräth in seiner äusserlichen Anwendung eine zweifache Wirkung, eine die Lebensthätigkeit anregende und eine, die Säftemischung umändernde. Erstere geht der zweitem voran, und letztere wird durch erstere theilweise vorbereitet.
Die Systeme und Gebilde, in welcher diese Wirkungser­scheinungen wahrnehmbar werden, sind das sensible, das irritable und vegetative System, die häutigen, drüsigten und fleischigen (Muskel-) Gebilde. Vermittelt aber wird dieser vielseitige Einfluss auf den Organismus des Sehorganes, namentlich auf dessen äussere Theile, lediglich durch das irritable System, geht nur von dem pe-ripherischen Theile desselben aus xind verbreitet sich, von dessen Endigungen in die Säftemasse eindringend, auf die übrigen Systeme und Gebilde.
Der rothe Präcipitat mit der Bindehaut des Auges in Berüh­rung gebracht, erregt auf derselben je nach dem Grade ihrer Reiz­barkeit, so wie nach der Stärke des Mittels selbst, einen für län­gere oder kürzere Zeit fortdauernden Keizzustand, den ein starker Blutandrang nach dem Auge begleitet, in Folge dessen der Säfte-umfluss, wie auf der Oberfläche, so im Innern des Auges rascher vorslchgeht, alle Se- und Excretionen zunehmen, die Aufsaugung in den Lymphgefässen reger, die Thätigkeit in den Saugadern.er­erhöht und der Resorptionsprocess gesteigert, somit der Stoff­wechsel bethätigt, Metamorphose und Reproduction erhoben werden.
Durch diese Anregungen werden Stockungen aufgehoben, ab-
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gelagerte Stoffe erweicht, gelöst und zur Aufsaugung oder Aus­scheidung gebracht, gebundene Muskelthätigkeit frei gemacht und endlich der Zustand der Spannung in jenen der Erschlaffung ver­setzt. Vermöge dieses letztern Grades wird es gleichfalls möglich, abnorm erhöhte, auf Missverhältniss in den vegetativen Thätigkei-ten begründete Abscheidungen zur Normalität zurückzuführen und zugleich das bestehende Missverhältniss zu heben.
So kräftig die äussere Anwendung dieses Mittels in ihrer Wir­kung sich ausspricht, erscheint dieselbe doch nur als eine rein ört­liche , indem selbst auf theilweise wunden und geschwürigen Stellen sehr wenig von demselben absorbirt wird, und deshalb bei der ohnedies auf dem Auge nur sehr gering zulässigen Gabe, wohl schwer ein anderer allgemeiner Zustand erregt werden dürfte, als auf Kechnung der Rückwirkung von dem Auge, dem individuali-sirtesten Organe, auf den Gesammtorganismus wahrnehmbar wäre.
Im Allgemeinen gilt für die Anwendung des rothen Präcipitats die Kegel, dass man nie bei mehr acuten Entzündungen, während eines gereizten Zustandes der äusseren Gebilde und niemals bei Formen, welchen ein gewisser Mangel an organischer Cohäsion zum Grunde liegt und die in einem Zersetzungs- und Auflösungs-processe sich verkünden, sie instituire, sondern nur bei mehr chro­nischen, langwierigen und hartnäckigen Formen von ihr Gebrauch mache. Am vorzüglichsten erweist sich seine Heilwirkung, wenn Ablagerungen von einer gewissen Schärfe, eine Dyskrasie oder mi­asmatische Metastase und dergl. das Augenleiden unterhalten und eine gewisse Neigung zu abnormer Wucherung und Afterbildung vorhanden ist (Vogt).
Nachtheilig wirkt der rothe Präcipitat bei Augenentzündungen mit wahrhaft sthenischer Diathesis, befördert höher reizend, durch gesteigerte Entzündungszufälle die Uebergänge in Eiterung oder Brand, bringt ferner durch vermehrte Contraction die Flüssigkeiten in den Haargefässen zum Stocken oder bewegt sie gewaltsam zu­rück nach den Innern Theilen. Im erstem Falle entstehen durch herbeigeführte Stockungen organische Fehler aller Art, Trübungen der durchsichtigen, Verhärtungen und Trübungen der drüsigen Theile, je nachdem die Entzündung hier oder dort unterdrückt ward. Im zweiten Falle sammeln sich die Säfte in den tiefer liegenden Gebilden, überfüllen diese und erzeugen durch die erregte Conge­stion, wenn sie länger andauert, entweder Entzündungen der Or­gane, Iritis, Chorioideitis, Sclerotitis und Retinitis oder sie bringen unverzüglich Lähmung hervor, die sich als Amblyopie und Amau-rose zu erkennen geben. — Eben so nachtheilig kann auch dieses Mittel durch plötzliche Unterdrückung ulcerativer sowohl, als bleu-
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norrhoischer Secretionen und dies um so sicherer werden, als die krankhaften Absonderungen durch längere Dauer und Gewohnheit in die naturgemässen Reize des Gesichtsorganes eingeschaltet waren.
Die verschiedenen Grade der Wirkung sind von der Quantität des angewandten Mittels, so wie von dem Grade der Empfindlich­keit des Auges selbst abhängig. Zur Erzeugung eines gelinden Eeizzustandes ist dessen Verhältniss zur Salbenmasse 1 zu 10, zur Aetzwirkung 1 zu 4, 3 und 2, je nach der individuellen Stimmimg der Eeceptivität des Auges oder nach dem gegebenen Heilzwecke.
Die Zusätze zu den Präcipitatsalben sind gewöhnlich Bleimittel (eine alte, von Jördens und Andern empfohlene Mischung), Kupfer­kalke, der Grünspan, Lapis divinus, Zinkkalke und Opium. Man sucht durch diese Zusätze die, durch das Mittel aufgeregte Entzün­dung zu mindern, die gleichzeitig stattfindenden krankhaften Se­cretionen zu beschränken und die krankhafte Reproduction des Auges mehr zu dem Normalgrade zurückzufuhren. Der Zusatz des Mohnsaftes, so häufig er auch Statt findet, scheint jedoch, da man Mohnsaft in Substanz, welcher bekanntlich wenig oder gar keine Wirkung auf das Auge hervorbringt, zusetzen muss, und der Zusatz der Opiumtinctur die Consistenz der Salbe stören würde, wenig Empfehlung zu verdienen. Eher kann man gleichzeitig ne­ben der Präcipitatsalbe auch die Mohnsafttinctur in das Auge strei­chen lassen, wenn die Form der Krankheit dieses erforderlich macht (Benedict).
Es findet der rothe Präcipitat bei allen jenen Krankheitszustän-den, welche sich durch profuse Secretionen auszeichnen und als Entzündungsausgänge zu betrachten sind, seine Anwendung.
sect;. 79.
Der weisse Quecksilberpräcipitat, Hydrargyrum mu-riaticmn ammoniatum, unterscheidet sich in seiner Wirkung we­sentlich von der des rothen. Er greift mehr auf die krankhaften Absonderungen, besonders ulceröser Art, ein, und ist schon von Janin mit Erfolg in seiner bekannten Augensalbe mit einem Zusätze adstringirender Stoffe häufig angewendet worden. Am wohlthä-tigstcn zeigt sich die Wirkung dieses Mittels bei Geschwüren und Flechten der Augenlider, ebenso bei psorischen und impetiginösen Geschwüren der Oberfläche des Bulbus.
Man verordnet den weis sen Präcipitat, wie den rothen in Sal­benform, doch kann die Dosis überhaupt höher gegriffen werden, sie beträgt gemeinhin gr. x bis xv auf das Loth Fett. — Die Zu­sätze sind gewöhnlich Kupferkalke, Zinkblumen und der Bolus. Die Beimischung der Bleimittel scheint wegen der stattfindenden wechselseitigen Zersetzung nicht empfehlenswerth (Benedict).
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sect;. 80.
Kupfermittel. Das kohlensaure Kupferoxyd (Cu­prum carbonicum oxydatum) und das essigsaure Kupfer (Cu­prum aceticum), werden häufig bei Abnormitäten der Secretion in den äussern Gebilden des Auges oder bei geschwürigen Affectionen derselben, besonders dann mit Nutzen angewendet, wenn sich dys-krasisches Leiden in diesen Gebilden reflectirt und die Individuali­tät von schlaffem, aufgedunsenem, energielosem Ansehen ist, oder auch nur in der örtlichen Affection diese Schlaffheit und Neigung zur Auflockerung sich kund gibt. Da jedes dieser Mittel bei höhe­ren Graden der Schlaffheit und Atonie starke Contraction veran-lasst und die Secretionen beschränkt, aber diese Wirkung leicht excessiv wird, ist es förderlich, (um die schleimigen, serösen und eiterigen Secretionen aufrecht zu halten, ohne welche Trokenheit, Spannung, stärkere entzündliche Affection unausbleiblich erfolgen), selbe mit Mercurialpräparaten zu versetzen. — Sie sind von vor-theilhafter Wirkung bei allen exanthematischen Keizungen, Exul-cerationen und scharfen Secretionen des Auges.
sect;.81.
Kupfervitriol. Von gleicher Wirkung, jedoch in höherm Grade, als die oben angeführten Präparate, ist dieses Mittel. Man hat von demselben die verschiedensten Zusammensetzungen, wovon die erheblichsten sind: der Lapis divinus von St. Yves (Vi­triol, de Cypro, alumin aa ünc. j, Liquefact. nond. refrigeratae massae add. Camphor, ras. 3 y) j der Beer'sehe Lapis divinus (Aerugin., Nitri, Alumin. crud. äa ^j Liquefact. add. Camphor. 5'j — ij-) — Zu den Augenmitteln, in welchen das Kupfer den Hauptbestandtheil abgibt, gehören ferner: die Aqua saphirina (aus etlichen Gran Grünspan oder Lapis divin., Salmiak doppelt so viel und unc. 4 — 6 destillirten Wassers be­reitet), — oder auch eine Mischung, die durch das Digeriren von Kalkwasser mit Salmiak (drachm, j auf Pfund j Kalkwassers) in einem kupfernen Gefässe erhalten wird, der Hartmann'sche Augenwein, durch Abkochen von einem Loth Grünspan, einem Loth Alaun imd zwei Loth Honig in ij Pfund weissen Weins be­reitet, und ähnliche Vorschriften.
Gewöhnlich werden den Kupfermitteln, die man an das Auge bringt, Bleimittel, besonders der Bleiessig (Plumbum aceticum) zugesetzt, theils um die durch das Mittel verursachte Reizung zu mindern, theils auch um die Secretion, insofern sie durch Entzün­dung vermittelt wurde, desto schneller zu unterdrücken. Benedict gebraucht an der Stelle des Lapis divinus allein den Grünspan und findet, dass er dieselben Wirkungen, wie jener hervorbringt. Die
Müller, Veterinär-Ophthalmologip. II.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;4
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Formeln sind folgende: Rec. Aerugin. crystallisat. Gr. j — ij, solv. in Aq. destill. 4 — 8 Unzen; adde Extr. Saturn, gtt vj—xij, Lau­dan, liquid Sydh. j—jv, oder als Salbe mit rotliem Präcipitat: Rec. Hydrargyr. oxydat. rubr. finiss. triti gr. vj—xij, Aerugin. crystallisat. bene triti, Sacchar. Saturni aa gr. üj.— vj., Butyr. rec. insuls J/S m. exaete. Die letzte Mischung soll dann den Vor­zug haben, wenn die Blepharophthalmie und Blepharoblennorrhöc mit bedeutender Verhärtung und Verknotung des Augenlidrandes bereits in Verbindung getreten ist.
sect;• 82.
Zinkpräparate (Zinci praeparata pharmaceutica). Von Zink sind in der Augenheilkunde das schwefelsaure Zink (Zincum sul-phuricum), der Zinkkalk (Zinc, oxydat alb.), das rohe Erz in der Form des Galmei's (Lapis calaminaris), die Tutie (Tutia) u. s. w. und ein Bestandtheil des Zinks. das Cadmium (Cadmium sulph.) gebräuchlich.
In unaufgelöstem Zustande, in Pulverform auf die Oberfläche des Auges gebracht, bewirken die meisten Zinkpräparate einen starken, ätzenden Reiz, welche Wirkung aber ausser arzneilichen Gebrauch kam, da sie von allzugeringem Heilerfolge ist, um die Nachtheile, welche sie mit sich verbindet, aufzuwägen. Im aufgelösten und verdünnten Zustande, so wie mit andern corrigirenden Stoffen, den Bleimitteln und dem Opium verbunden, und durch Schleim einge­hüllt, üben sie einen gelinden Reiz auf die Oberfläche des Auges aus, welcher seeundär eine vortheilhafte Beschränkung krankhafter, schleimiger und eiteriger Absonderungen zur Folge hat, und eine wohlthätige Metamorphose in reizlosen Geschwüren bewirkt.
Jüngkensagt vom Zinke: „Das Zink ist in seinen verschiedenen Präparaton in häufigem Gebrauche in der Augenheilkunde und zeichnet sich vor andern ähnlichen Mitteln dadurch aus, dass es, ausser der adstringirenden Wirkung, auch zugleich beruhigt, besänftigt; ja man möchte ihm eine, den narkotischen Mitteln ähnliche Wirkung zuschreiben und könnte es nicht mit Unrecht als eine Art von Narcoticum unter den Metallen betrachten. Dabei wirkt es nur massig austrocknend und unterdrückt vermehrte Absonderungen aus dem Auge nur allmälig. —#9632; Es leistet daher in allen den Fällen vortreffliche Dienste, wo noch ein etwas gereizter Zustand vorhanden ist und wo anomale Secretionen in den Augen nur allmälig unterdrückt werden dürfen.quot;
Das gebräuchlichere Präparat ist der Zink kalk: er wird ge­gen dyskrasische und auf miasmatischen Mischungsfehlern beru­hende, chronische, mit Schlaffheit und Neigung zur Zersetzung verbundene Entzündungsformen an den Augenlidern, der Bindehaut und den Meibomischen Drüsen angewandt. Bei recenten Trübun­gen der Hornhaut erweis't sich der Zinkkalk ebenfalls nutzvoll. — Als Augenheilmittel bedient man sich seiner selten allein, weil er
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gleichzeitig mit der schleimigen und eiterigen Secretion auch die seröse in den äussern Gebilden anhält und dadurch leicht Trocken­heit und Spannung erregt, welche Nebenwirkung der Beisatz von Quecksilbermitteln corrigirt. Das Mischungsverhältniss in der Auf­lösimg ist 2 bis 4 gr. zu unc. 4 Wasser und 1 Theil zu 4 Theilen Fett als Salbe.
sect;. 83.
Das schwefelsaure Zinkoxyd (Zincum sulphuricum) ist auch sehr gebräuchlich und wird nur in wässriger Lösung an­gewendet. Man nimmt gewöhnlich von ihm 1 bis 2 gr. auf die Unze und verwendet es zur Einträufelimg oder als Fomentation.
sect;. 84.
Das Cadmium sulphuricum gleicht nach Rosenbaum's Versuchen an Menschen- und Thieraugen, dem vorigen an Heilkraft; von ihm rühmt Gräfe seine Wirkung gegen torpide, chronische Ent­zündungen und Blennorrhöen. Er gebrauchte es anfänglich in Auflö­sungen von 1 gr. auf Yj unc. Wasser, später 2, 4 — 6 gr. zu dersel­ben Quantität Flüssigkeit als Einträufelungsmittel. Jainac und Giordano benutzten es besonders gegen chronische Augenentzün­dungen mit scorbutischer, herpetischer, überhaupt dyskrasischer Complication. Ganz besonders nützlich soll das Cadmium sich ge­gen die nach Blennorrhöen zurückbleibenden Bindehautauflokerun-gen und Hornhauttrübungen erzeigen.
sect;. 85.
Der Höllenstein, Argentum nitricum, in der Eigenschaft als entzündungswidriges Mittel, bewirkt eine vollkommene Umstim-mung in der Absonderung der Scldeimhaut, vermehrte Contraction der Gefässe, selbst Vernichtung einer grössern Menge derselben, wodurch der Zufluss des Blutes nach verschiedenen Stellen vermin­dert und gehemmt und die aufgelockerte Schleimhaut zur Contrac­tion und llückbildung gestimmt wird.
Chelius *) verbreitet sich über den Höllenstein in Folgendem: „Der Höllenstein, welcher früher nach Scarpa's Angabe zur Zer­störung bösartiger Hornhautgeschwüre empfohlen worden war, hat in neuerer Zeit, vorzüglich durch englische Augenärzte und durch Kerst in Holland eine häufigere Anwendung in verschiedenen Au­genentzündungen gefunden. — Hierauf gründet sich seine Anwen­dung in acuten, catarrhalischen und rheumatischen Augenentzün­dungen mit und ohne Blennorrhöe, in chronischen, mit Pannus und Hornhauttrübungen und Auflockerungen verbundenen, Entzündun-
*) A. a. O. Bd. I. S. 35.
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Dynamische Krankheiten des Auges.
gen der Conjunctiva, in den verschiedenen Blennorrhöen und beson­ders bei sarkomatösen Entartungen der Bindehaut.quot;
„Nach dem verschiedenen Grade der Einwirkungen, die man nach dem Verhältnisse der Krankheitszustände erzielen will, Avendet man ihn entweder in Auflösung, oder in Salbe, oder in Substanz an.quot;
„Die Auflösung (1 —15 gr. in 1 Unze destill. Wassers) wird 2 — 3 mal täglich in's Auge getröpfelt.quot;
„Die Salbe (3, 6 — 9 Gran auf 1 Drachme Fett, auch mit Zusatz von einigen Tropfen Acet. saturni) wird mittelst eines Pinsels unter das Augenlid gestrichen und das Augenlid sanft mit dem Finger gegen den Augapfel gerieben.quot;
„Bei der Anwendung in Substanz wird der Höllenstein wie ein Bleistift zugeschnitten, über die angeschwollene Conjunctiva der Lider gestrichen und diese damit oberflächlich oder tiefer touchirt; hierauf wird das Auge mit Milch gebadet und mit kalter Fomen­tation bedeckt. Die Cauterisation kann nach Massgabe der Um­stände und in gehörigen Pausen 2 — 3 mal wiederholt werden. — Die Reizungszufälle, welche unmittelbar auf die Anwendung des Höllensteins folgen, verlieren sich bald und die Besserung tritt oft überraschend schnell ein. -— Die Auflösung, so Avie die Salbe, las st eine gleichmässigere Vertheilung im Auge zu und ist daher in den meisten Fällen der Amvendung in Substanz vorzuziehen.quot;
Ableitende Mittel (Derivantia).
sect;. 86.
Allgemeine Wirkung und AnAvendung. Zur Beseiti­gung übermässig hervortretender Irritabilität mit anomaler Sensibi­lität, so Avie bei umgekehrtem Verhalten in dem Auge, bedient man sich solcher Mittel, welche in einem, mit dem erkrankten Sehor­gane in antagonistischem Wechselverhältnisse stehenden oder von demselben entfernten Systeme oder Körpertheile, einen, der Natur des Reizes A'erwandten und jenem gleichkommenden, Reiz her­vorzubringen im Stande sind, um durch diese künstliche Steigerung und Exaltation, die früher vorhandene, krankhaft excedirende Irri­tabilität oder Sensibilität auf den Normalzustand zurückzuführen.
Diejenige Sphäre des Nervensystems aber, die wir hierbei am häufigsten in Anspruch nehmen, ist vorzugsAveise die mittlere, gang-liöse, welche, Avenn sie künstlich in den Zustand der erhöhten Thä-tigkeit und Exaltation versetzt Avird, geeignet ist, sOAVohl die exce­dirende Sensibilität der obersten Potenz, im Sensorium, als auch in den peripherischen Nervenendigungen, als der untersten Potenz des Neiwensystems, zu beschränken.
Hieraus wird erklärbar, Avarum gerade solche Mittel, als anta-
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gonistisch wirkende bei genannten Störungen und Steigerungen der Lebensfunction die wichtigsten Dienste leisten, da sie ihre rei­zenden Kräfte ursprünglich und zunächst in dem Abdominalnerven-systeme und den vegetativen Abdominalorganen überhaupt äussern; woher sie denn auch die excedirende Thätigkeit des Gehirns durch Uebertragung auf den Abdominalnervenplexus beschränken und ausserdem dann vorzüglich brauchbar und nützlich Averden, wenn bei einer gleichzeitigen Exaltation der Gehirnthätigkeit, sich ein torpider, reizloser Zustand des Gefäss- und Nervensystems im Unterleibe einstellt, der sich durch Unregelmässigkeit und Lang­samkeit in den Abdominalsecretionen, durch Torpidität in den Func-tionen des Darmcanals, durch Cessation der Excretionen und dergl. zu erkennen gibt.
Diese durch künstlichen Reiz in den Abdominaleingeweiden laquo;•zielte Ableitung, nennt man allgemeine oder innere.
Ausser der sensiblen Sphäre des Unterleibs benutzt man auch jene der äussern Haut zur Bewirkung eines antagonistischen Reizes; diese und das darunter liegende Zellgewebe, gleich der Darm­schleimhaut, zur Erzeugung einer künstlichen Secretion. Die in­nige Verkettung der häutigen Gebilde des Auges mit der äussern Haut, der Consens zwischen den nervösen, centralen und periphe-rischen Theilen des Auges und den Nerven der äussern Haut und endlich der Antagonismus zwischen schleimhäutigen Abscheidungen und der Hautsecretion machen es möglich, die Wiedererzeugung oder einen Ersatz derjenigen Krankheit oder normal gewordener, sonst krankhafter Secretionen, deren Verschwinden das entzündliche Augenleiden hervorrief, zu erwirken oder aber umgekehrt den idio-pathisch aufgetretenen, phlogistischen Zustand des Auges auf eine, dem Sehorgane nahe stehende Hautstelle zu übertragen, festzuhal­ten und durch unterhaltene künstliche Secretion dort zu Ende zu fuhren.
Diese künstlich vicariirende Thätigkeit in der äussern Haut nennt man örtliche oder äussere Ableitung.
sect;• 87.
Bei Anwendung der ableitenden Mittel sind folgende Punkte besonders zu berücksichtigen: es muss der erste Grad der Ent­zündung gebrochen seyn, bevor eine Ableitung stattfinden darf, es muss ein solcher Krankheitszustand erregt werden, der mit der ursprünglichen Krankheit einige Aehnlichkeit hat, daher auch die Wahl der Mittel höchst sorgfältig getroffen, die arzneiliche Gabe nach Alter und Constitution modificirt, so wie die Ausdehnung der Wirkungskraft genau fixirt und etwaige Complicationen oder Dys-krasien in Rücksicht gezogen werden müssen.
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Dynamische Krankheiten des Auges.
sect;. 88.
Besondere Wirkung und Anwendung. Die inneren Ableitungsmittel üben einen chemischen Eingriff auf die schleim­häutige Ausbreitung des Darmcanales aus und erregen in ihr eine lebendige Gegenwirkung gegen diese Irritation, welche letztere übri­gens, obwohl nach der Stärke ihrer Concentration und der Empfäng­lichkeit der Darmschleimhaut mehr oder minder heftig, nie über die Oberfläche der berührten Fläche hinausgeht und eine vermehrte seröse, lymphatische Secretion zur primären Folge hat, dadurch die Darmcontente flüssiger macht, zur raschern Ausscheidung führt, secimdär das Gleichgewicht zwischen Secretion und Assimilation beeinträchtigt und sohin, bei ununterbrochener Consumtion, mehr oder minder die Production der Säftemasse stört, so wie auch einen lebhaftem Säftezufluss zu der irritirten Darmfläche bewirkt — Neutral- und Mittelsalze —. Oder sie wirken zunächst auf den untern Theil der Gangliennervenverzweigungen reizend, stimmen dann die, dadurch angeregte, Irritabilität des Darmes zu vermehrter peristaltischer Bewegung, deren unmittelbare Folge reichlichere Entleerung des Darminhaltes, vermehrter Blutandrang nach den Hin-terleibsgefässen und freiere Bewegung in denselben sind. Diese Wirkimg pflanzt sich auch als umstimmende auf das gesammte Nervensystem der Hinterleibseingeweide in der Art fort, dass deren sensible, irritable und vegetative Activität überhaupt einer Umstim-mung unterliegt und vermöge dieser, nicht ohne Einfluss auf das Cerebralsystem bleibt — Purgantia drastica. —
Die erste Gattung dieser Mittel findet ihre besondere Anwend­barkeit :
Bei allen rein activen Entzündungen des Auges.
Bei Augenentzündungen jeden Charakters, wenn solche auf über-Aviegender Plasticität der ganzen Säftemasse, vorzüglich des Blutes, und vorherrschendem, bildendem Processe in der Metamorphose des Sehorganes beruht oder von solchen begleitet ist.
Bei überwiegender Gefässthätigkeit des Auges mit gleichzei­tigem Bestände allzu grosser Blutüberfiillung, allgemeiner oder örtlicher Plethora.
Bei erhöhter Sensibilität, verbunden mit allgemeiner oder loca-ler Anregung der Irritabilität des Auges.
Die zweite Gattung dieser Mittel dient, vermöge ihres, auf die nervösen Gebilde ausgeübten, kräftigen Reizes, so wie vermöge ihrer, mittelst der bewirkten copiösen Darmexcretionen herbeige­führten, allgemeinen Schwächung, zur Herabsetzung der Irritabilität des ganzen Körpers und somit auch des Auges und zugleich zur
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Depotensirung der Cerebralscnsibilität. Es wird dieselbe daher ganz besonders geeignet befunden:
Bei Entzündungen des Auges mit träger Bewegung und Stockung des Blutes im Auge, mit allgemeiner Torpidität des Kör­pers oder Stockung in der Darmtbätigkeit.
Bei Exsudaten seröser, purulenter oder sanguinolentcr Art in dem Auge.
Bei plastischen Desorganisationen, Varicosität und allen, auf gestörtem Aufsaugungsvermögen beruhenden Krankheitszuständen des Auges.
Von den Mitteln der ersten Gattung erwähnen wir nur das Glaubersalz, Natrum sulphuricum, als das gebräuchlichste und wirksamste, welches man grössern Thiercn von 2, 4 bis 6 Unzen auf die einzelne Gabe täglich 2 mal gibt und bis zum Eintritte dünner Darmexcretionen fortsetzt.
Unter den Mitteln der zweiten Gattung erwähnen wir die Rhabarber (Radix Rhei), die Jalappc (Rad. Jalappae), die Aloe (Aloe suecotrina) und das Crotonöl (Oleum Tigl. Crotonis), wel­ches letztere man bei Pferden besonders erfolgreich gefunden ha­ben will.
sect;• 89:
Aeusserlich ableitende Mittel. Die Hauptwirkung der Hautreize besteht in Wiederherstellung des gestörten Gleichge­wichts der in einem Wechselverhältnisse stehenden Organe und Systeme: so erhöhen und beleben sie die Empfindlichkeit der peri-pherischen und vermindern auf antagonistischem Wege krankhaft erhöhte Thätigkeit der centralen Nervenparthie, während sie aber auch auf der andern Seite deren gesunkene Vitalität aufzurichten vermögen.
Der Hautreize unmittelbare Folge ist ein vermehrter Säftetrieb nach aussen, nach der gereizten Hautstelle, wodurch die Central-organe, auf diese Weise von ihrer Ueberfüllung befreit, zur nor­malen Function wieder zurückkehren können und zugleich die äussere Haut in ihrer Secretionsthätigkeit gehoben wird.
Es ist demnach die Wirkung der Hautreize eine dreifache, eine ableitende, eine herabstimmende und eine belebende.
Sie werden in den meisten Formen der Entzündungen des Sehorganes mit Vortheil in Gebrauch gezogen, sobald der grössere Reiz in den häutigen Gebilden gehoben und kein sehr starker Blutandrang nach dem Auge mehr vorhanden ist.
Ihre Applicationsstellen sind zur Erzielung ihrer verschieden beabsichtigten Wirkung dem leidenden Organe bald näher, bald entfernter zu wählen; im ersten Falle verbreiten sie sich auch reizend
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über das Auge selbst, im letztern bewirken sie nur Ableitung; daher jene bei torpiden oder mit nervöser Schwäche verbundenen und diese bei rein synochösen Ophthalmien ihre Stelle finden.
Nach ihrer Wirkungsweise unterscheiden die Hautreize sich in rothmachende Mittel: Senfteige, Glühhitze in ihren gelindern Graden; Blasen erregende Mittel: Scharfsalben, Blasenpflaster, Glühhitze in höhern Graden; Eitei-ung erregende Mittel: Eeizsalben nach vorheriger Anwendung der genannten Mittel, Fontanelle, Haarseile. —
Die Dauer des Einwirkens derselben richtet sich nach dem Charakter, Zeitraum und Sitz der Entzündung, so wie nach der Individualität des Thieres und der Reizbarkeit des Hautorganes.
sect;. 90.
a. Roth machende Mittel, Rubefacientia, diese geben sich in ihrer Wirkimg als örtliche und allgemeine, als primäre und secundäre, als dynamische, antagonistische und consen-sueile zu erkennen.
Die Application rothmachender Mittel erregt sowohl auf der berührten Hautstelle, Entzündung, als in den, von derselben be­deckten, nervösen, irritablen und vegetativen Gebilden, erhöhte Vitalität, — örtliche Wirkung — und dehnt dieselbe auf die ner­vösen, irritablen und vegetativen Thätigkeiten überhaupt aus, — allgemeine Wirkung —; sie ist primär in der peripherischen, se-cundär in der centralen Nervenparthie, dem irritablen und vegeta­tiven Leben zu erkennen und erscheint dynamisch in der afficirten Stelle; antagonistisch erstreckt sie sich auf die, mit dem afficirten Organe in entfernter und consensuell auf die, mit demselben in naher Verkettung und Verbindung stehenden Organe.
Vorzüglich nützen sie bei beginnenden catarrhalischen und rheumatischen Augenentzündungen, welche durch Unterdrückimg der Hautfunction bedingt, in ihrem ersten Entstehen bisweilen ge­hoben werden können, wenn nur die Thätigkeit der Haut zeitig und schnell genug durch jener Anwendung wieder aufgeregt wurde.
sect;• 91.
1. Der Senfsaamen (Semen Sinapios), ist mit seinen be­kannten Wirkungen das gebräuchlichste unter den rothraachenden Mitteln und als solches ob seiner sichern und schnellen Wirkung vor den andern bevorzugt. — Um seiner Wirkungskraft mehr Nachdruck zu geben, verbindet man dieselben mit Sauerteig, Essig oder auch mit Meerrettig. — Die Dauer der Einwirkung des Senfs richtet sich nach dem Grade der Empfindlichkeit des Hautorganes und der beabsichtigten Wirkung; gewöhnlich lässt man Senfteige bis zu eintretender Unruhe des Thieres liegen.
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Man applicirt dieselben auf die Wangen, hinter die Ohren oder auf die Seiten des Halses.
sect;. 92._
b.nbsp; nbsp;Beizende Klystiere. Wirkungsverwandt sind diese mit den aufgeführten rothmachenden Mitteln. Durch Injection einer reizenden Flüssigkeit in den Darm wird die Darm sei Jeimhaut in einen erhöhten Grad von Empfindlichkeit versetzt, vermöge welcher deren ab- und ausscheidende Thätigkeit vermehrt wird und sämmt-liche Hinterleibsgefässe erhöhte vitale Thätigkeit, Anschwellen der Blutgefässe, als Folgen künstlicher Congestion, zu erkennen geben.
Eben diese Erregung ist von entschiedenem und kräftig durch­dringendem Erfolge, indem sie in einer, dem Gehirne näher ste­henden Nervenparthie und in den, auf einer hohem und bedeutungs­vollem Bildungsstufe befindlichen und der Construction der Augen­häute verwandteren, häutigen Gebilden ihren Sitz nimmt.
Es sind die Eeizklystiere bei heftigen Entzündungen des Auges, sowohl in dem acuten und ersten Zeiträume, wie auch in den blen-norrhoischen und in letzteren ganz besonders wirksam, Aveil durch die erregte Eeizung einer entferntem Schleimhautparthie, zur Be­schränkung des ursprünglich ergriffenen Theiles Veranlassung ge-tjeben wird.
Ihre o-ewölmliche Zusammensetzung besteht aus einer Schlei­esnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; o
migen oder rein wässrigen Flüssigkeit, welcher man Essig, Salz und Seife beisetzt.
sect;. 93.
c.nbsp; nbsp;Blasenziehende Mittel, Vesicantia. Sobald diese einige Zeit mit der äussern Haut in Berührung waren, erregen sie gleich den rothmachenden Mitteln, örtliche Entzündung der Haut, welche dann bald in Absterben der Oberhaut und in wässrige Ausschwitzung unter derselben übergeht, allmälig aber sich in eine eiterige Secre­tion verwandelt und nach Wunsch durch fortgesetzte Anwendung reizender Mittel längere Zeit unterhalten werden kann. Ebenso folgen ihrer Anwendung seeundär vermehrte Abscheidungen in der äussern Haut. Im höhern Grade ihrer Wirkung, bei vor sich ge­gangener Blasen- und Eiterbildung, dehnt sich die seeundäre Wir­kung auch auf die Innern häutigen Gebilde aus, wodurch der ab­scheidende und der einsaugende Process erhöht wird, krankhafte Ablagerungen aufgelöst und resorbirt werden können.
Als Abscheidungsorgan für eben solche aufgesaugte Stoffe ist die künstlich unterhaltene Eiterwunde zu betrachten und wird da­durch sinnlich erkennbar, dass die benachbart gelegenen Gebilde des Auges durch die, in seiner vegetativen Sphäre angeregte, auf­saugende Thätigkeit, von abgelagerten Krankheitsstoffen allmälig
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Dynamische Krankheiten des Auges.
frei werden und unter Zunahme des Eiterungsprocesses ein Unge-bundenseyn aller Verrichtungen sich wiederherstellt.
Vermöge der fortdauernd unterhaltenen, entzündlichen Reizung entsteht ein Säftetrieb nach der künstlich gereizten Stelle, in Folge dessen von dem ursprünglich entzündeten Organe eine Ableitung des Leidens Statt findet und der Sitz desselben in ein Organ nie­derer Dignität verlegt wird.
Es wird die Wirkimg der blasenziehenden Mittel demnach heil­kräftig :
Bei Entzündungen des Auges, nach Beseitigung der intensivem Entzündungserscheinungen; bei darauf begründeten, verschiedenen Störungen der vegetativen Thätigkeiten, bei mangelnden oder über-mässig vermehrten Absonderungen.
Bei, als Product der Entzündung eingetretener. Ausschwitzung oder Eiteransammlung.
Bei Hypervegetationen in den Augenhäuten.
Bei verschiedenen dynamischen, aus der Entzündung hervorge­gangenen Krankheitszuständen.
Zur Bewirkung dieser ableitenden Hautreize dienen die be­kannten Scharfsalben und Blasenpflaster aus Canthariden, Seidel­bast und dergl., welche man auf die Wangen, auf den Hals, Wider­rist und auf die Innern Seiten der Schenkel einwirken lässt, bis Blasenbildung eintritt und die daraus entstehenden Wunden mit Reizsalben aus Sabina, Terpenthin, Canthariden u. s. w. in Eiterung versetzt.
sect;. 94
d. Eiterung bewirkende Mittel. Die Wirkung der Ei­terung bewirkenden und unterhaltenden Mittel unterscheidet man als örtliche und allgemeine. Die örtliche zeichnet sich durch Entzündung und Eiterung in einer, von dem erkrankten Auge mehr oder minder entfernten Stelle aus; die allgemeine hingegen erstreckt sich auf das gesammte vegetative Leben und wird darin durch regere Abscheidungen, Neigung zur Verflüssigung, Verbesserung krankhafter Metamorphose und Freierwerden gebundener Nerventhä-tigkeit wahrnehmbar.
Verschieden sind die Mittel, vermittelst welcher künstliche Ei­terung veranlasst und unterhalten wird. Die einen begleitet nur ein niederer Grad der Entzündung, hingegen haben die andern nicht nur heftige Entzündung und hohen Nervenerethismus zur Folge, sondern ertödten auch die äussere Haut und die periphe-rischen Nervenenden.- Erstere werden durch Blasenpflaster, rei­zende Salben und auf blutigem Wege durch mechanische Trennung,
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;59
Einlegen oder Einziehen eines fremden Körpers oder durch das Cautc-rium actuale oder das Cauterium potentiale zu Stande gebracht.
Die Dauer ihrer Unterhaltung richtet sich nach der therapeu­tischen Aufgabe, wie auch nach den constitutionellen Verhältnissen des ergriffenen Subjectes.
sect;. 95.
1. Die Fontanellen mittelst Blasenpflaster sind die einfachsten und darum die gewöhnlichsten, wenn eine mehr ober­flächliche, weiterverbreitete Eiterung gebildet werden soll.
Ihre Anwendung finden sie insbesondere bei vegetativen Ent­mischungen, Ablagerung auf das Auge als Folge unterdrückter Exantheme, bei fortbestehender chronischer Entzündung oder lang­wierigen Blennorrhöen, überhaupt da, wo die Wirkung der Fonta­nelle nicht sehr lange unterhalten werden soll.
Das Setzen einer solchen Fontanelle geschieht durch Auflegen eines mittelgrossen Blasenpflasters und Einlegen einiger Erbsen in die entstandene Wunde, welche sodann mit einem Druck verbände bedeckt wird.
sect;. 96.
2) Die Fontanellen durch Zerstörung der Haut mit­telst einer aufgelegten Aetzpaste oder Einbrennen eines Brenncylinders von Baumwolle oder des Glüheisens sind ungleich kräftiger als die vorigen, indem sie weit stärker ableiten und eine reichlichere Secretion herbeiführen als jene, somit tiefer in die Vegetation eingreifen, wie auch die gesteigerte Irritabilität und Sensibilität des Auges kräftiger herunterstimmen.
Sie finden bei allen hartnäckigen und heftigen Entzündungen des Auges und allen daraus entsprungenen Folgekrankheiten ihre Anwendung.
Man applicirt sie nach den Vorschriften der Chirurgie in der Kegel am Hinterkiefer in die Ohrengrube, welche Stelle den Vor-theil bietet, dass die davon entstehende Narbe von dem Zaume oder Halsriemen bedeckt wird.
Zum Setzen einer Fontanelle mit Aetzstein, bedient man sich eines Täfel­ehens desselben von der Grosse der zu bildenden Fontanelle, legt dasselbe zwi­schen die Ränder eines eigends ausgeschnittenen gefensterten Heftpflasters auf die erwählte Stelle und befestigt es durch ein, darüber gelegtes, zwoitcres Heft­pflaster, lässt es nach der Dicke des Felles mehrere Stunden und länger liegen, löst dann den Brandsohorf und behandelt die Eiterstelle mit reizenden Salben und Einlage von Erbsen oder Wergballen.
Auch bedient man sich zur Fontanellbildung eines Breies von Aetzkali. Nach Dr. Heunau in Odessa braucht man das Kali causticum auf folgende Art: Sechs Theile pulverisirte Calx viva und fünf Theile Kali causticum werden vor­sichtig in einem eisernen Mörser gemischt, das erhaltene sehr feine, trockene, weissgraue Pulver bewahrt man dann in einem gut verstopften Glase. Beim
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(iOnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
Gebrauche bringt man etwas davon in ein Sehälchen, giesst etwas Weingeist oder kölnisches Wasser darauf und mischt es mit einem silbernen Spatel zu einem Teige. Der zu cauterisirende Theil wird ungefähr so dick als die Haut selbst ist, mit einem Teige bedeckt und mit dem Spatel genau der Umkreis bezeichnet, innerhalb dessen sich der Schorf bilden soll, indem dieser gewöhn­lich genau die Gestalt und Grosse annimmt, in der man den caustischen Teig auftrug. Der dadurch verursachte Schmerz ist sehr massig und selbst geringer, als von einem Blasenpflaster. Nach einigen Stunden ist die Haut cauterisirt, bis auf das Zellgewebe, was man an einer grauen Linie erkennt, die an den Rändern des caustischen Teiges sich zeigt. Man kann dann diesen wegnehmen und die Stelle mit etwas Essig oder Wasser abwaschen. Wollte man tiefer cautorisiren, so lässt man den Teig länger auf der Haut liegen. Durch den Kalkzusatz wird das Zerfliessen des Kali causticum gehindert, die Teigconsistenz befördert, und die vielleicht noch vorhandene, Kohlensäure absorbirt. Er wirkt nicht als Causticum sondern als Excipiens. Der Weingeist löst das Causticum vollkommen auf und bildet in der Pasta eine saturirte Lösung, die durch ihre Concentration und Flüssigkeit höchst intensiv wirkt.
Der Schorf löst sich innerhalb 4—5 Tagen, wenn die unterliegenden Theile stai-k eitern, sonst Tcann dies auch, zumal bei schwächlichen, herabgebrachten Individuen 15 Tage und länger dauern. Das weitere Verfahren ist das all­gemeine.
Gräfe gibt in seinem Repertorium augenärztlicher Arzneiformel^ ein ähn­liches Verfahren an, nach welchem die erwählte Hautstelle im Durchmesser von 1' 4 Zoll von den Haaren sorgfältig befreit und dann aus Heftpflaster ein Cylin­der von der Stärke eines massigen Federkiels geformt und hieraus ein Kranz von einem Zoll im Durchmesser gebildet und auf die zu ätzende Stelle aufge­drückt wird, bis er genau in allen Punkten anschliesst. Mitten in diesem Kranz werden nun so viel klein geschnittene Stückchen Höllensteins gelegt, dass die Haut ganz gedeckt wird oder man streut gröbliches Pulver desselben Reizmit­tels einen Mcsserrückoraquo; hoch auf, legt über das Ganze eine runde Platte von Heftpflaster, die in ihrem Umfange genau auf den früher aufgelegten Kranz anschliessen muss, der das beizende Material gleich einem Walle umgibt. Zu vollkommener Sicherstellung wird über die, auf vorstehende Weise bereitete Kapsel blosser Pflastermasse, noch ein rundes, auf feste Leinwand gestrichenes, genau schliessendcs Heftpflaster geklebt, welches so weit, als die Haare wegge­schoren werden, die entblöste Stelle deckt. Nach wenigen Stunden entsteht heftiger Schmerz, der sich bald über den ganzen Kopf verbreitet, mit welchem aber das fürchterlich rcissende und bohrende Augenweh aufzuhören pflegt. Nach Ablauf von 48 Stunden nimmt man alles ab, schabt die etwa nicht zer­setzten Theilchen des Höllensteins vorsichtig weg, legt ein erweichendes Pflaster über und wendet besänftigende Cataplasmen an, die gewöhnlich erst gegen den 7. Tag einen sehr dicken Aetzschorf ablösen und geregelte Eiterung erzeugen. Höchst wichtig war Gräfe diese Art von Cauterium, da er durch dessen ab­leitende Wirkung in mehreren Fällen Hülfe gab, wo alle übrigen Mittel ihn verlassen hatten. Da die Krankheiten, wobei selbes angewendet wurde — Chorioideitis, Scleiotitis — gewöhnlich oft reeidiren, so ist es rathsam, die her­vorgebrachte Eiterung lange durch reizende Salben zweckmässig zu unterhalten. Wurde der Kranz von Heftpflaster nicht hinreichend aufgedrückt, wurden die Haare nicht glatt abrasirt und hinderten sie durch ihre vorstehenden Spitzen das genaue Anschliessen des Kranzes, so läuft sehr leicht ein Theil des, durch die Hautausdünstung flüssig gewordenen Höllensteins unter dem kreisförmigen Walle aus und verletzt die benachbarten Theile; daher die oben gegebenen Vorsichtsmassregeln mit aller Genauigkeit zu beobachten sind.
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Wir haben zur Fontanellbildung schon mehrfach eine Paste von Chlorzink, Zincum muriaticum, verwendet und fanden uns über den Erfolg weit befriedigter, als durch die andern Hülfsmittel, denn wir erlangten durch sie immer eine sehr gleichmässige, wie mit dem Messer ausgeschnittene Fontanelle. Die dazu ge­brauchten Pasten Hessen wir gewöhnlich in der Grosse eines 1/3 Thalers, drei bis 4 Linien dick, aus 1 Theile salzsauren Zinks, 1 Theile Spiessglanzbutter und l'/a Theile Mehl, mit 30—40 Tropfen Wassers auf die Unze Zinks fer­tigen. Nachdem wir durch ein Vesicator oder heissen Dampf oder einige Tropfen siedenden Wassers die Oberhaut entfernt hatten, legten wir die Paste in die Aushöhlung eines gefensterten Heftpflasters, Hessen solche zwei Tage liegen und beförderten durch erweichende Mittel die Losstössung des Schorfes, welche in der Regel am 2—3. Tage eintrat.
sect;. 97.
3.nbsp; nbsp;Die Fontanellen durch den Schnitt, nach den von der Chirurgie näher bestimmten Vorschriften an den genannten Stellen gesetzt, gehörig in Eiterung gebracht und sorgfältig gepflegt, haben in solchen Fällen den Vorzug, wo es mehr um eine kräftige Eite­rung, als um einen sehr schnellen Eeiz zu thun ist. Ihre Grosse richtet sich nach den, ihre Anwendung gebietenden Umständen, so wie nach der Stelle, wo sie placirt werden sollen.
sect;. 98.
4.nbsp; nbsp;Die Haarseile, das Eiterband, Setaceum, wirken rasch und sind sicherer, als die Fontanellen in ihrer Anwendung und in ihren Folgen. Ihre primäre Wirkung besteht immer in heftiger Reizung und Entzündung, ihre secundäre Wirkung erscheint als eine künstlich hervorgerufene neue (seröse) Secretion, die in Eiterung über­geht, wenn diese anhält, organische Stoffe consumirt und dadurch sodann im Allgemeinen kräftig die Eebensthätigkeit, zunächst jedoch nur die vegetative Sphäre, herabstimmen kann (Dietrichs).
Die Stellen ihrer Application sind bei Augenkrankheiten am Hinterkiefer oder hinter den Ohren am Halse oder durch den Grund der Mähne.
Will man ein Haarseil (Eiterband) an der Backenfläche des Hinterkiefers ziehen, so geschieht dies amraquo; besten und leichtesten mit einer breiten, recht scharfen Bauchheftnadel, indem man, wenn das Pferd aufgetrenset oder an ein anderes Thier in einer gleichen Lage fixirt, steht, demselben eine Nasenbremse anlegt oder das Maul verbindet und den entgegengesetzten Vorderfuss aufheben lässt; dann mache der Operateur mit der linken Hand eine starke horizontal laufende Hautfalte am Hinterkiefer, lasse sich, wie bereits angegeben ist, dabei unterstützen, nehme die mit einem Bande ver­sehene Nadel in die rechte Hand, so dass der Zeige- und Mittel­finger sich auf der convexen Fläche, der Daumen aber sich in der coneaven Fläche nahe am Ohre befinden und stosse sie von oben nach unten, nahe am Grunde der Hautfalte, quer und rasch durch
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62nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dynamische Kranklieiten des Auges.
und ziehe das Band auch nach: so hat man ein senkrechtes Haar­seil, welches 4—5 Zoll unter der Haut hinlaufen kann und gross genug istj um eine bedeutende Entzündung zu erregen; auch könnte man die Wirkung desselben vermehren, wenn man das Band mit Terpenthinöl tränkt, was bei unempfindhehen Tliieren geschehen muss, bei empfindlichen weder nöthig, noch rathsam ist. Zweck-massig ist es aber, dass man die Ausstichswunde mit einem Knopf­messer vergrössert. Dann mache man jedes Ende zu einer ein­fachen Schleife, ohne sie beide zusammenzubinden und warte den Erfolg ab.
Bei dem Haarseilziehen mittelst solcher Nadel, oder einer krummgebogenen, vorngeschärften Haarseilnadel, wie man sie für kleinere Thiere gebraucht, und durch eine Hautfalte verhütet man leicht die Verletzung der liier über den äussern grossen Käumuskel (M. masseter externus) laufenden rami nervi facialis des siebenten Nervenpaares. — In gleicher Weise zieht man die Haarseile am Halse; übrigens kann man besser in der Ohrengrube zwei Ein­schnitte mit dem Bistouri machen, die man aus freier Hand oder bei perpendicular gespannten Hautfalten verrichtet und mit einer stumpfen Haarseilnadel oder Oehrsonde die Schnur einzieht*).
Soll das Haarseil durch den Grund der Mähne gezogen M'er-den, so geschehe dieses mittelst einer breiten scharfen Haarseilnadel, nachdem man vorher einen Querschnitt mit dem Bistouri gemacht hat. Leblanc bediente sich hierbei statt des Bandes, eines Stückes gegerbten Leders als Wieke.
In der Ohrengrube, an dem Hinterkiefer der Pferde, besonders aber bei Hunden, Schaafen und den übrigen Ideinen Hausthieren kann man sich der grossen Heftnadeln, welche zur Vereinigung grosser Bauchwunden gebraucht werden, zum Haarseilziehen be­dienen.
sect;. 99.
5.. Eiterung unterhaltende Mittel. Zum Offenerhalten der künstlichen Geschwüre und deren eiteriger Secretion bedarf es häufig noch chemisch und dynamisch wirkender Reizmittel, welche die, von der Oberhaut entblöste Stelle reizen und zur Absonderung nothigen, dieselbe verbessern und eine gesunde Secretion veranlas­sen, einen fortwährenden entzündlichen Zustand unterhalten und unter ihrem fortgesetzten oder wiederholten Einflüsse das Schliessen des Geschwüres verhindern. — Man bedient sich dieser Reizmittel theils zum Bestreichen der Verbandstücke und Betupfen der Wund-fläche selbst, oder zum Einlegen in die Wunde.
*) Dietrichs's Handbuch der Veterinärakiurgie. Berlin 1842. S. 132 u. f.
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;63
Das, zur Unterhaltung der Eiterung gebräuchlichste Mittel, ist der Terpenthin, indem er zur Erhebung gesunkener Vitalität, so wie zur Erreffuns: der Gefäss- und Nerventhätijjkeit in der Geschwürs-fläche, wesentlich beiträgt, weshalb derselbe einen gehaltvollen Be-standtheil der meisten, Eiterung befördernden Salben und Pflaster abgibt. — Man verwendet ihn zu diesem Zwecke rein oder mit an­dern Harzen oder reizenden Bestandtheilen vermischt. Sowohl das Terpenthinharz, als das Terpenthinöl sind hierzu gebräuchlich. Das wirksamste und zur Anwendung bequemste, ist das Gel.
Kräftiger regt die S ab in a die Metamorphose der, von der Oberhaut entblösten Stelle an, als der Terpenthin; sie unterhält einen dauernden Entzündungsprocess in derselben, steigert aber die Sen­sibilität der peripherischen Nervenparthie ungemein und ist insbe­sondere bei gracilen Individuen von erregender Rückwirkung auf die centrale Parthie. — Man macht von dieser Wirkung bei künst­lichen Geschwüren mit atonischem Charakter Gebrauch, meidet aber dieselbe bei leicht erregbaren Individualitäten und Augenleiden mit vorherrschendem nervösen Erethismus. Es erleidet daher durch die Stimmung des Nervensystems sowrohl die Anwendung selbst, als das Mischungsverhältniss, in welchem man dieselbe in Gebrauch zieht, eine besondere Beschränkung. Die Art der Anwendung ist dieselbe, wie jene des Terpenthins.
Weit stärker reizend auf die Vitalität der Wunde und produc-tiver auf die Eitersecretion wirkt ein, 1 bis ll/2 Zoll langes, einge­legtes Stück Nieswurz (radix hellebori albi s. nigri).
XL
B. Von den Augenentzündungen in's Besondere.
sect;• 100- . Das Auge kann in seiner Totalität oder in seinen einzelnen
Theilen von Entzündung ergriffen werden, worauf sich die specielle Eintheilung der Entzündungslehre gründet. Die bei dieser Ord­nung entstehenden einzelnen Abtheilungen zerfallen wieder nach ihrem Grundcharakter, nach ihren Ursachen und andern Momenten in ein­zelne Formen, weshalb uns eine anatomische Ordnung der Ent­zündungskrankheiten und eine Trennung derselben nach ihren äussern Erscheinungen, Grundursachen und functionellcn Störungen bei ihrer Betrachtung am förderlichsten erscheint.
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1. Von der reinen Augapfelentzündung.
sect;. 101. Die reine Augapfelentzündung, Ophthalmitis, vereinigt slimmtliche Erscheinungen der Entzündungen der einzelnen Theile dieses Organes in sich, welche bei ihr um so reiner hervortreten, als sie meist nur idiopathisch auftritt. Sie tritt ursprünglich in allen Ge­bilden des Ausres zugrleich auf oder verbreitet sich von einem ent-zündeten wichtigen Organtheile über den ganzen Bulbus, ist dem­nach primär oder secundär.
Eine Unterscheidung in dieser Beziehung ist für eine sichere Diagnose un­entbehrlich und für die Behandlung von grossem Belang.
sect;. 102. Die primäre Augapfelentzündung zerfällt in zwei Arten, welche je nach dem Grade und der Zeit, in welchen die Entzündung der Oberfläche des Auges dabei erscheint, sich unterscheiden; in der einen Art ist letztere beim ersten Eintritte des ursprünglichen Entzündungszustandes gering, sogenannte Taraxis, und steigert sich erst im spätem Verlaufe der Krankheit auf einen höhern Grad, welchen man als Chemosis gemeinhin bezeichnet; während bei der andern Art die Chemosis sich sogleich dem ersten Auftreten der Augapfelentzündung beigesellt.
Erstere Art verdient bezüglich der therapeutischen Behandlung dieser Krankheit ganz besondere Berücksichtigung, indem selbe irrig für eine leichtere Entzündung der iiussern Theile genoniinen werden könnte.
Bemerkenswerth dabei ist, dass die Erscheinungen äusserer Entzündung für sicli allein bestehen können, die innere aber der äussern vorangeht oder folgt; dass die äussere stets vorangellt, wenn die Ursache zuerst auf die Bindehaut wirkte — der gewöhnlichere Fall —, dagegen aber die innere Entzündung die äussere bedingt, sobald die Ursache in dem Augapfel selbst lag — der seltnere Fall — und dass sich endlich beide Entzündungen gleichzeitig ausbilden, in so fern deren Entstehung an allgemeine, innere Krankheiten ge­bunden ist oder von, den innern und äussern Theil des Augapfels zugleich treffenden Einflüssen abhängt — der häufigste Fall. —
sect;. 103.
Die seeundäre Angapfelentzündung entwickelt sich aus sehr intensiven, unter fortwirkenden nachtheiligen Ursachen, unter Vernachlässigung oder schlechter Behandlung auf den höchsten Höhepunkt gesteigerten Entzündungen der Hülfswerkzeuge des Auges, seiner einzelnen Organtheile oder seiner Höhle. — Sie
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iiussert sich weit intensiver und verläuft gefährlicher, als die idio-pathische Augapfelentzündung.
sect;. 104.
Beim Beginne dieser Entzündung zeigt sich in sämintlichen Gebilden des Auges eine sehr starke Reizung, wobei die Einwir­kung des Lichtes auf die Netzhaut, die ebenfalls in den entzünd­lichen Process verflochten ist, sehr schmerzhaft wird, weshalb die Thiere auch beständig die Augenlider schliessen und sich die Iris sehr expandirt, so oft das Auge geöffnet wird. Anfänglich, einige Stunden nach Eintritt der Entzündung, erscheint die Augapfelbin­dehaut und weisse Haut in der Regel wenig entzündet imd zeigen beide oft erst nach einigen Tagen, wenn die übrigen Entzündungs­symptome bereits den höchsten Grad erreicht haben, eine inten­sivere Röthe, oder sie verfallen gleich anfangs in einen höhern Entzündungsgrad, so dass die noch zerstreute Röthe schon nacli einigen Stunden dichter und stärker wird, die Bindehaut geschwillt, sich zu einem hohen, die Hornhaut fast ganz bedeckenden und zwi­schen den Augenlidern beträchtlich hervorragenden Walle erhebt, wobei die Augenlider in den Entzündungsprocess verwickelt werden, an ihren Rändern bedeutend anschwellen, über ihre ganze Fläche ödematös anlaufen und einen sehr hohen Grad von Hitze annehmen.
Während der Entwickelung dieser Entzündung auf der Ober­fläche und in dem bedeckenden Theile des Auges, bleibt das Binde-hautblättchen der Hornhaut und sie selbst noch durchsichtig, wo­gegen die Regenbogenhaut schon lebhaft entzündet ist, ihre blaue oder graue Farbe in eine grünliche und ihre schwarze in eine röth-liche verwandelt hat, starr und expandirt erscheint. Die Flüssig­keiten der Augenkammern verlieren an ihrer Durchsichtigkeit, werden trübe, weisslich und mit Blutstreifen durchzogen, manchmal gelblich oder weisslich purulent. Die äussern Absonderungen des Auges hören ganz auf, woher dessen Oberfläche trocken erscheint, Xerophthalmia.
Schreitet die Entzündung unaufhaltsam fort, so steigern sich die Entzündungssymptome auf den höchsten Punkt, der Augapfel selbst schwillt an, steht unbeweglich, die Geschwulst der Binde­haut des Augapfels vergrössert sich, wird livid und weich, sowie das obere Augenlid durch den angeschwollenen Augapfel gespannt und blauroth. Der noch sichtbare Theil der Hornhaut bekommt ein weissliches und zuletzt gelbliches Ansehen und schwillt an, so wie die Sclerotica. Dabei erreicht der Schmerz den höchsten Grad und erhebt sich das, von dem ersten Beginne der Entzündung vor­handene , synochale Fieber mit seinen, ihm eigenthümlichen allge­meinen Erscheinungen, zu einer ungewöhnlichen Höhe.
Müllerraquo; Veterinär-Ophthalmologie. II.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; quot;
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66nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dynamische Krankheiten des Auges.
sect;. 105.
Nach diesen Vorgängen, welche ihre, in bald kürzerer, bald längerer Zeit, in einigen Stunden oder Tagen, vollendete Entwicke-lung erreicht haben, bersten Blutgef ässe im Innern des Auges, ent­steht Eitererguss, der wegen Mangel an hinreichendem Aufsau-gungsvermögen, durch Abscessbildung öder Berstung des Augapfels nach aussen sich Bahn bricht, wenn die Kirnst nicht durch Eröff­nung der Hornhaut zu Hülfe kommt. Nun stellen sich die bisher unterdrückten schleimigen Absonderungen auf der Oberfläche des Auges und in den Lidern wieder ein und steigern sich oft zur Blennorrhöe. — Platzt der Augapfel, was meist mit einem hörba­ren Knalle geschieht, so entleert sich viel Eiter, Blut, seröse Flüs­sigkeit und es folgen allmälig aus der, mit gelblichen Rändern ver­sehenen Abscessöffnung die Linse, einzelne Theile der Kegenbo-genliaut, der Glaskörper und so fort nach, worauf der Augapfel zusammenfällt und die Augenhöhle beinahe leer erscheint, indem in deren Tiefe nur ein bläulicher oder graugelber Punkt, als der Kest des zerstörten Augapfels, zurückbleibt.
Betrachten wir diesen beschriebenen Uebergang der Entzün-dung in Eiterung, als den naturgemässesten, so finden wir doch zuweilen noch zwei Ausgänge, jenen in Brand tmd jenen in Ver­härtung.
sect;. 106.
Bei dyskrasischen oder sehr erschöpften Subjecten, oder in Folge ungeschickter Behandlung, etwa durch unzeitige Anwendung von Reizmitteln, entwickelt sich unter den heftigsten Schmerzen und starkem Fieber der Brand, wobei die Oberfläche des Auges dunkler, glänzender und missfarbig wird, auf derselben einzelne schwarze Punkte, Streifen tmd Blasen entstehen und endlich der Augapfel berstet, die reichlich ausfliessende Feuchtigkeit ein jau­chenartiges , dunkel gefärbtes, graulich - gelbes, selbst bräunliches Ansehen hat, und durch den fortschreitenden Zerstörungsprocess der Augapfel mit allen, ihn umgebenden Theilen unter typhösen und lebensgefährlichen Fiebererscheinungen vernichtet wird.
sect;.107.
Wenn in langsamer verlaufenden Entzündungen des Augapfels und in solchen Fällen, wo die Entzündung sich von einem Theile auf den andern erst fortsetzte, sobald der höhere Entzündungsgrad an der ursprünglich ergriffenen Stelle bereits gebrochen war und sich dennoch der Bulbus durch Abscessbildung eröfihete, ohne dass gerade sämmtliche innere Organtheile ausgetreten sind, der Bulbus dann anschwillt und die Eiterung abnimmt, so verdichtet sich der­selbe zu einer Masse, in welcher man dessen frühere Organisation
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nicht mehr zu erkennen vermag, welchen selten vorkommenden Ausgang man als den in Verhärtung bezeichnet.
sect;.108.
Dies der Verlauf und die Ausgänge einer sich selbst überlas­sen gebliebenen oder erfolglos behandelten Augapfelentzündung. Günstiger gestaltet sind deren Ausgänge, wenn es möglich war, die veranlassenden Ursachen ausser Wirksamkeit zu setzen und die Entzündung vor ihrem Uebergange in Eiterung zu brechen. In diesem glücklichen Falle zertheilt sich die Entzündung gänzlich und es tritt das Sehorgan in seinen integren Zustand zurück oder es bleiben nur einzelne Formveränderungen oder blutige, seröse, lymphatische und eiterige Ergüsse zurück, deren Heilung einem entsprechenden Curverfahren meistens möglich wird.
sect;.109.
Die Ursachen der Augapfelentzündung sind alle jene, welche eine idiopathische Augenentzündung hervorzurufen vermögen, namentlich: starke Verletzungen des Auges und seiner Umgebung, chirurgische Operationen, welche mächtig in den Augapfel ein­greifen und bei denen die Luft durch eine grössere Wunde in das Innere des Auges dringen kann; fremde Körper, Einwirkung der Kälte und Hitze auf das Auge, sehr kalter Nordoistwind, schneller Wechsel der Temperatur, Verbrennungen des Auges durch das Anschlagen der Flamme des Schiesspulvers; der Sonnenstich, hef­tige Einwirkung des Lichtes; Gicht und andere Dyskrasien u. s. w. — Am meisten prädisponirt zu dieser Entzündung sind junge, voll­blütige Thiere.
sect;. 110.
Die Vorhersage in der Augapfelentzündung ist im Allge­meinen sehr unsicher. Bei frühzeitig und zweckmässig eingelei­teter Behandlung und sonst günstigen körperlichen Verhältnissen des erkrankten Individuums und sobald der Entzündungsprocess sich nicht so intensiv der Nervenhaut bemächtigt hat, dass blei­bende Anomalien in deren Gebiete unabwendbar werden, darf ein günstiger Ausgang erwartet werden; minder günstig dagegen wird derselbe sich gestalten, wenn bereits Eitererguss in den Augen-kammem Statt hatte; den schlimmsten Ausgang dagegen verkün­den die Gegenwart bedeutender Geschwulst des Augapfels, bereits eingetretene Erblindung, verschlossene Pupille, bedeutender Blut­oder Eiter-Erguss, Abscessbildung oder Berstung des Augapfels.
Im ersten Falle vermag die Kunst totale oder partielle Hei­lung zu erwirken, im zweiten oft nur die Form des Auges zu er­halten und im letzten Falle oft kaum eine Weiterverbreitung der
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Entzündung des Auges auf das Gehirn und die Lebensgefahr ab­zuwenden.
sect;,111.
Bei Behandlung der Augapfelentzündung hat man sich des gesainmten entzündungswidrigen Apparates und zwar sogleich, bei deren erstem Beginne, zu bedienen, wobei eben auch die übrigen diätetischen Anordnungen und Vorkehrungen, wie sie ein allgemein werdender laquo;ntzündlicher Zustand sowohl, als eine sehr gesteigerte Empfindlichkeit des erkrankten Organs erforderlich machen, ange­wendet werden müssen.
Zunächst ist eine reichliche, dem allgemeinen Kräftezustande und dem Entzündungsgrade genügend entsprechende Aderlass, und zwar bei starker Blutcongestion nach dem Kopfe oder bei noch nicht vollständig entwickelter Entzündung, am Schweife, bei inten­siverer Entzündung, am Halse oder selbst die Eröflhung eines Schlagaderastes in der Umgebung des Auges vorzunehmen und das Auge mit kalten Umschlägen fleissig und anhaltend zu be­decken; darauf lege man eine verhältnissmässig grosse Anzahl Blutegel, bei Pferden 15—20, rings um die Augenhöhle und in die Genicksgegend, unterhalte sorgfältig und lange die Nachblutung mittelst feuchtwarmer Schwämme, setze Eeizklystiere und verab­reiche kräftige, ableitende Salzabfuhrungen, verfinstere massig den Aufenthaltsort, gestatte nur blande Nahrung und reiche diluirende Getränke. Hierauf gehe man zur innerlichen Anwendung grosser Gaben des versüssten Quecksilbers über, Aviederhole nach Bedürf-niss die allgemeinen und örtlichen Blutentleerungen und gehe so­dann, wenn die Entzündung einigermassen gebrochen erscheint und Neigung zu Exsudationen sich zu erkennen gibt, oder wenn solche bereits eingetreten sind, zu reichlichen, in die Gegend des Bogenfortsatzes vom Stirnbeine, des Thränen- und Jochbeines zu machenden, mit Opium verbundenen Quecksilbereinreibungen über, um die Resorptionsthätigkeit zu erhöhen und Zertheilung der Ent­
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zu bewirken.
sect;. 112.
Steigert sich die begleitende Taraxis nicht zur Chemosis oder tritt letztere zur erstem zurück und wurde die erhöhte Sensibilität in etwas gemindert, so applicire man flüchtige Hautreize hinter die Ohren, an den Nacken und an die Seitentheile des Halses und ver­tausche die kalten Umschläge mit feucht warmen, gelind schleimi­gen, reizlosen, aus Malvenabkochung bestehenden; oder mit trocke­nen, warmen und camphorirten Compressen. Ist es auf diesem Wege gelungen, die Entzündung zum völligen Stillstande oder zur Rückbildung zu bringen oder ganz zu beseitigen, so veranlasse
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 69
mau durch Application eines Haarseils oder einiger Fontanellen, eine dauernde Ableitung und Eiterung, verordne zugleich kräftige Abführungen aus Jalappe und Neutralsalzen oder nach Umständen noch aus Calomel und suche diese doppelte Ableitung bis zum gänzlichen Aufhören aller Entziindungserscheinungen und Ver-schwinden der krankhaften Sensibilität, z-\veckmässig zu unterhalten.
sect;. 113.
Vermochte diese Behandlungsweise der allzuheftigen Entzün­dung gegenüber, den genannten Erfolg nicht vollständig zu er-z wecken oder war die Krankheit vor eingeleiteter Behandlung schon zu weit gediehen und haben sich auf der Augapfelbindehaut starke Wülste gebildet, so trage man diese theilweise mit der Scheere sorgfaltig ab, indem man sie zuvor mit derselben einschneidet, den so gebildeten Lappen mit der Pincette fasst, sodann völlig aus­schneidet und die darauf folgende Blutung durch feuchtwarme Schwämme lange unterhält.
Haben sich scKon sehr starke Absonderungen eingestellt und sind diese ätzend scharf, ist aber der entzündliche Reizzustand nicht sehr gross, so träufle man eine leichte Höllensteinauflösung — etwa 2 Grane auf die Unze Wassers — ein, oder reinige das Auge zum Oeftem mit einem lauwarmen Kamillenaufgusse.
Vorhandene Ergüsse in den Augenkammem, welche letztere sehr ausdehnen und zum Bersten zu bringen drohen, entleere man durch eine Incision der Hornhaut, durch welche ungesäumt vorge­nommene Operation gewöhnlich den fernem Fortschritten der Eite­rung und Zerstörung des Auges entgegnet wird. Zwar bleibt oft auch hier die, durch Abscesse und innere Greschwüre desorgani-sirte, Hornhaut verdunkelt, so wie das Sehvermögen durch die Ent­zündung und Vereiterung der innem Gebilde aufgehoben, indessen wird doch durch die Entleerung der Augenkammern den fernem Zerstörungen Einhalt gethan und dem hohem Grade der Atrophie für die Zukunft vorgebeugt. Uebrigens muss diese Operation, wenn sie vollen Nutzen schaffen soll, gewöhnlich mehrere Male wie­derholt werden.
; sect;• 114.
Die Behandlung nach eingetretenem Uebergange der Entzün­dung des Augapfels in Berstung desselben, schliesst die fernere Anwendung der entzündungswidrigen Mittel gänzlich aus, weil dabei nur die Lebensthätigkeit gelind anregende und zugleich be­ruhigende Mittel von Nutzen sind.
Ebenso muss die Behandlung bei dem Uebergange in Brand eine sedativ-symptomatische seyn; war dieser die unmittelbare Folge der Heftigkeit der Entzündung, so bleibt wohl noch ein fort-
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70nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
gesetztes massig antiphlogistisches Verfahren angezeigt, wobei jedoch der Stand der Kräfte besonders zu würdigen ist, weil der Brand ohnehin auch aus einem allgemeinen Darniederliegen der Lebenskräfte hervorgehen kann und sonach dessen Behandlung nur eine unbedingt der Säfteauflösung entgegenwirkende, und den allgemeinen Kräftezustand unterstützende seyn darf.
Beide Uebergangsformen gebieten übrigens in den meisten Fällen eine gleiche äussere, auf locale Erhebung des Kräftezustan-des hingerichtete und dem Zerfalle der Cohäsion entgegengesetzte, Behandlung. Das Einträufeln einer Kupferauflösung in Verbin­dung mit Opiumtinctur, oder das blosse Einstreichen der letztem, das öftere Ausspritzen des Auges mit einem aromatischen Wasser und das Auflegen von aromatischen, camphorirten Kräuterkisschen, sind die hier zu empfehlenden äusseren Mittel.
Die Ausrottung des Augapfels, welche einige bei der bran­digen Entzündung vorgeschlagen haben, ist sehr gefährlich; besser ist es wohl, sich darauf zu beschränken, blos die abgestorbenen Theile auszuschneiden und die tiefer liegenden mit passenden Mit­teln zu behandeln, indem man auf diese Weise der Durchsclmei-dung des Sehnerven, welche oft tödliche Folgen hat, entgeht (Leblanc).
sect;. 115.
Eingetretener Uebergang der Entzündung in Verhärtung des Bulbus erheischt eben auch eine, den allgemeinen Kräftezustand unterstützende, innere Behandlung und die äussere Anwendung aromatischer trockener Wärme, nebst dem Beigebrauche eines ge­lind zertheilenden, zugleich der Bildimg von Wucherungen entge­gengerichteten und sedativen Mittels, wozu sich das Einstreichen einer gelinden, rothen Präcipitatsalbe besonders empfiehlt.
11. Von der Entzündung der Augenlider.
sect;. 116. Die Entzündung der Augenlider, Blepharitis, Blephar-ophthalmia, inflammatio palpebrarum, hat ihren Sitz in der äussern Hautplatte der Augenlider, im Zellgewebe, in den drüsigen Gebil­den, in dem dritten Augenlide, der Blmzhaut, und in der innem Augenlidplatte, der Bindehaut.
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Die Entzündung der äussern Haut, so wie jene des Zellge­webes zeigt sich als reine, phlegmonöse, oder erysipclatöse und erstreckt sich auf die ganze Ausdehnung der Augenlider oder beschränkt sich auf einzelne Punkte und zerfällt demnach 1) in die reine Augenliderentzündung, 2) in die erysipclatöse Augenliderentzündung, 3) in die entzündliche Nascn-winkelgeschwulst, 4) in das Gerstenkorn und 5) in die idiopathische Augenliderdrüsenentzündung.
Die Bindehaut als ein eigenthümliches Gebilde und selbstständiger Organ-theil, so wie die Blinzhaut, als durch sie grössern Theiles gebildet, finden an­dern Orts ihre specielle Behandlung.
1. Von der reinen Augenliderentzündung.
sect;. 117.
Die reine Augenliderentzündung, Blepharophthalmitis, erscheint meist nur an einem Augenlide und häufiger am obem, als am untern. Sie beginnt am Tarsalrande, als intensive Rothe, Hitze, Geschwulst, fühlbares Klopfen und grosse Empfindlichkeit und erstreckt sich in kurzer Zeit bis zum Orbitalrande, wodurch das ganze Augenlid durchaus unbeweglich wird. Die drüsigen Gebilde des Augenlides, so wie die Thränendrüse participiren an ihr, daher Trockenheit des Auges und der Nase und öfteres Niesen; es verbreitet sich endlich noch die entzündliche Reizung über die Bindehaut, welche dann geröthet und mit Blut injicirt erscheint. Häufig steigert sich die Localentzündung so weit, dass sie allge­meines Fieber erregt, das, wie jede der übrigen Erscheinungen, am Abende exacerbirt.
sect;. 118.
Wird der Fortentwickelung der Entzündung kein Einhalt ge-than und keine Zertheilung erwirkt, so dehnt sich die Geschwulst immer weiter aus, erhebt sich an ihrem höchsten Punkte, erscheint dort blässer als auf der übrigen blaurothen oder glänzenden Fläche und zeigt endlich Fluctuation; zugleich wird nun auch die Abson-derung der Drüsen nicht allein wieder hergestellt, sondern auch sehr reichlich. Die Geschwulst öffnet sich, wenn sie nicht künst­lich eröffnet wird, von selbst an einer oder mehreren Stellen, mei­stens am Tarsalrande und enüeert eine grosse Menge gutartigen, mit abgestorbenen Zellgewebeflocken und Blutstreifen vermischten Eiters.
Wird der Abscess, sey er von selbst aufgegangen oder künst­lich eröffnet, unzweckmässig behandelt oder wirken fortwährend nachtheilige Einflüsse direct oder schlechte Säftemischung indirect auf das erkrankte Organ, so erleidet die Haut und der Tarsus des
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72nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dynamische Krankheiten des Auges.
Augenlides verschiedene Form Veränderungen, sogar Verengerung und Verschliessung der Thränenpunkte und Kanälchen treten ein.
sect;.119.
Im scldimmern Falle, bei Vernachlässigung oder obwaltender Dyskrasie, geht die Entzündung in Brand über, wo dann auf der dunkelrothen oder glänzend gespannten Oberfläche des Augenlides zuerst eine bleifarbene, livide Stelle bemerkbar wird, welche bei der Untersuchung weich, ja breiartig anzufühlen ist, sich zuweilen schnell vergrössert und bei ihrer Eröffnung ein mehr oder weniger dünnes, übehiechendes Wasser mit Blut gemischt von sich gibt. Hat der Brand schon mehr, als die Oberfläche ergriffen, so sieht man nach Eröffnung des Fleckes einen bläulich braunrothen geschwüri­gen Grund. Je nach dem Grade der Heftigkeit der Entzündung oder nach dein allgemeinen Kräftezustande, schreitet der Brand vor­wärts oder bleibt stehen, bekommt eiternde Grenzen oder wird ab-gestossen, worauf dann gutartige Eiterung eintritt. Geht er aber weiter, so kann er grössere oder geringere Destruetionen hinter­lassen (Weller).
sect;. 120.
Prädisponelle Ursachen zu dieser Entzündung finden sich in einer grossen Vulnerabilität der Haut überhaupt und der Augen­lider insbesondere, vorzugsweise eine solche, wie sie durch irgend eine allgemeine Ivachexie olme bestimmten Charakter, erzeugt ist, wie sie bisweilen als Product des Aufenthaltes in einer ungesunden, schlechten Atmosphäre und bei schlechter Nahrung u. s. w. vor­kommt (Jüngken). — Es scheint dieser Entzündung zuweilen eine epizootische Ursache zu Grunde zu hegen, indem dieselbe zu ge­wissen Zeiten häufig ohne erkennbare äussere Veranlassung auf­tritt. Meistens entwickelt sie sich im Frühlinge nach einem nassen Winter und es steht ihr Vorkommen mit der Menge der exanthe-matischen Krankheiten in Verbindung. Sie ergreift da auch selbst die, mit dem derbsten Hautorgane begabten Thiere. Schnelle Ver­änderung der Temperatur des Auges, mechanische Verletzungen des Augenlides, besonders Streifverletzungen mit der Peitsche, Gerte oder Kugel, Verbrennungen, verletzende oder steckengeblie­bene fremde Körper und Insectenstacheln gehören zu den exciti-renden Ursachen,
sect;. 121.
Bei Behandlung der reinen Augenliderentzündung sind vor­zugsweise jene Momente, welche mit derselben in ursächlicher Be­ziehung stehen, zu berücksichtigen. Verwundungen müssen nach den Gesetzen der Chirurgie behandelt, fremde Körper entfernt, das Auge gegen schädliche atmosphärische Einflüsse geschützt und
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constitutionelle oder dyskrasische Verhältnisse nach den speciellen Eegeln der Therapie berücksichtigt werden. Besteht die Entzün­dung noch rein, d. i. neigt sie sich noch nicht zur Eiterbildung, so sind ausser den kalten Umschlägen auf das Auge auch Blutcnt-ziehungen geboten; bei sehr intensiver Entzündung, von welcher man befurchten könnte, sie setze sich auf den Augapfel fort, sind Aderlässe angezeigt, während man bei Augenliderentzündungeu geringem Grades, mit Apphcation der Blutegel ausreicht; dabei verordne man gelind abfiihrende Salze und kühlende Getränke.
Sind diese Anordnungen zur Zertheilung fruchtlos geblieben oder kam der Fall erst bei dem Uebergange in Eiterung zur Be­handlung, so muss letztere befördert, die Geschwulst durch warme Breiumschläge erweicht und letztere sobald geöffnet werden, als sich der Abscess gebildet hat und Fluctuation fühlbar ist. Die Eröffnung muss mit der Lancette und zAvar längs des Laufes der Fasern des Orbicularmuskels geschehen.
2. Von der rosenartigen Entzündung der Augenlider.
sect;. 122.
Die rosenartige Augenliderentzündung (Blepharoph-thalmitis erysipelatosa), haftet, wie Erysipel überhaupt, in der Oberhaut, dem Schleimnetze und auch manchmal in der Lederhaut und hat nicht die Tendenz zur Abscessbildung, sondern zur Zer­theilung und Abschuppung. Eine blassrothe, in's Gelbliche spie­lende, bei dunkler Haut bläuliche, mehr oder weniger glänzende Geschwulst entsteht an den Augenlidrändern und verbreitet sich ungleichmässig über die Stirne und einen Theil des Gesichtes, und befällt selten nur ein Augenlid, meistens beide zugleich. Manch­mal ist die Haut blos geröthet oder glänzend und glatt, manchmal aber auch mit violetten oder gelblichen Pusteln und Blasen be­deckt. — Die sensitiven Gebilde des Auges sheinen hier nicht zu leiden. — Die Absonderungen der Meibomischen Drüsen und der Schleimhäute der Nase sind vermehrt, manchmal ist auch die Aug­apfelbindehaut geröthet.
Nach einigen Tagen ihres Bestandes geht die Entzündung in Zertheilung über, wobei die Geschwulst zusammenfällt, sich mit Schuppen bedeckt und die auf derselben befindlichen Blasen oder Pusteln bersten und die von denselben ergossene lymphatische Flüssigkeit zu gelblichen Krusten erhärtet.
sect;. 123.
Sobald diese kritische Desquamation und Transsudation durch
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74nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
nachtheilige äussere Einflüsse gestört wird oder das lockere, schlaffe Gefüge der Augenlider durch allzu langen Gebrauch erweichender Mittel in atonischen Zustand versetzt wird, entsteht wassersüch­tige oder ödematöse Anschwellung der Augenlider, oder aber es nimmt die erysipelatöse Entzündung einen synochalen Cha­rakter an und endet mit Gangrän.
sect;. 124.
Die Behandlung dieser Entzündungsform ist nach Umständen eine massig antiphlogistische und zugleich diaphoretische, — Man bedient sich in dieser Absicht der Blutegel, Kräuterkissehen, ab­fuhrenden Salze und der Anordnung eines warmen Verhaltens.
Bei ödematöser oder hydropischer Anschwellung der Augen­lider, als Folgen erysipelatöser Entzündung, dienen solche Mittel, welche eine gelinde Bethätigung der Wirksamkeit der Lymphge-fässe erregen. Die vorzüglichsten unter ihnen sind die geistigen Mittel — aromatischer Wein, Branntwein mit Wein verdünnt, oder auch mit etwas Kampfer versetzt, warme aromatische Kissen und Umschläge sind gleichfalls oft von grossem Nutzen und werden, wenn man sie trocken anwendet, oft noch besser, als feuchte Um­sehläge ertragen (Leblanc). In hartnäckigen Fällen dürfte man auch die Elektricität und den Galvanismus heilbringend finden.
sect;.125.
Sollte Gangrän der Augenlider eingetreten seyn, so lasse man eine nahrhafte, leicht verdauliche Nahrung reichen und gebe flüch­tig und permanent reizend stärkende Medicamente, z. B. Calmus, China u. s. w. Aeusserlich kann man Umschläge von Weiden­rinden- oder Eichenrindendecoct, mit geistigen Flüssigkeiten ver­bunden, lauwarm anwenden; ebenso die China, z. B. nach Tue Febure Eec. Cort, Chin. sect; j, salis ammon. dep. 5 ij j co1- c' alt;l' fontan. s. q., ad colat J viij adde camphor. ^ ij, spirit, vin. recti-ficatiss. ^ j- M. S. Zum Umschlag auf die Augenlider mittelst lei­nener Compressen. Nachher kann man die Stelle mit hals, arcaei verbinden und die Augenlider durch Heftpflasterstreifen stets ge­schlossen und somit ausgedehnt erhalten, damit die erfolgende Narbe so wenig als möglich die Parthieen des Augenlides zusam­menziehe und Contracturen in demselben errege, welche, wenn sie einigermassen bedeutend sind, nothwendig Ektropia verursachen müssen. In Folge der Eiterung wird nun der Substanzverlust durch Fleischgranulationen ersetzt, welche, wenn sie hinreichend vorhanden sind, mit einer Salbe aus laudan. liq. Sydh. 3 ij und unguent, basilic. sect;/3 bis zur gänzlichen Heilung verbunden werden können, damit eine möglichst gleichförmige Narbe zu Stande ge­bracht wird (Weller).
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3) Von der entzündlichen Nasenwinkelgeschwulst.
sect;; 126.
Die entzündliche Nasenwinkelgeschwulst, Anchylops inflammatoria, gleicht in Hinsicht des Entzündungscharakters, ihrer Form und ihres Ansehens der rosenartigen Augenliderentzündung und unterscheidet sich von derselben nur darin, dass sie eine be­schränkte Stelle einnimmt. Sie ist begründet in einer Entzündung der Oberhaut oder des Zellgewebes, welche die vordere Wand des Thränensackes mehr oder weniger in Mitleidenschaft zieht und be­steht aus einer, an dem Innern Augenwinkel und nahe dem untern Augenlide befindlichen glänzenden, heissen und schmerzhaften, nicht begrenzten, sich über das obere und untere Augenlid erstre­ckenden Geschwulst, deren Röthe dem Fingerdrucke weicht, nach Nachlass dessen aber, augenblicklich wiederkehrt. Anfangs werden die thränenleitenden Organe nicht in Mitleidenschaft gezogen, bis sich später, auch wenn die Krankheit hoch gestiegen und die Ge­schwulst bedeutend ist, der Keflex der Entzündung über die Thrä-nenwege verbreitet und diese in ihrer Function stört. — Wurde der Thränensack in entzündliche Mitleidenschaft gezogen, so fiihlt man in der erysipelatosen Geschwulst eine bohnenformige, be­grenzte, harte, äusserst empfindliche, durch stärkere Röthe ausge­zeichnete Geschwulst-, von welcher, bei mangelnder Affection des Thränensackes nichts Avahrzunehmen ist. Alsdann werden die Thränen nicht mehr gehörig nach der Nase fortgeleitet, sammeln sich im innem Augenwinkel an und fliessen über die Wange herab. Die Secretion der Nasenschleimhaut ist bei massiger Entzündung vermehrt, bei deren höherem Grade hingegen unterdrückt.
sect;. 127.
Haftet die Entzündung lediglich in der Oberhaut und verbleibt ihr der erysipelatöse Charakter, so endet sie in Desquamation und Reproduction der Epidermis, wobei die geschlossenen Thränen-punkte sich wieder öffnen und der Thränensackschleimfluss ver­schwindet. — Hat sich aber die Entzündimg noch über das unter­liegende Zellgewebe verbreitet, so entsteht ein Abscess, den man Aegilops *) nennt, wird die Secretion der Augenliderbindehaut sehr bedeutend und tritt selbst Thränensackblennorrhöe ein. Bleibt die Eröffnung des Abscesses der Natur überlassen, so dringt dessen flüssiger Inhalt gewöhnheh durch einige Oeffhungen der destruirten
*) Hiyücoy, auch ätyilmitta, zusammengesetzt aus älaquo;|, die Ziege und tSy das Gesicht. Die Ziegen werden häufig von dieser Entzündungsform befallen.
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76nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dynamische Krankheiten des Auges.
Haut hervor; auch kann der Eiter bei tiefer Lage und derber Ober­haut durch Senkung die vordere Wand des Thränensackes durch­bohren, ebenso kann auch umgekehrt der Thrünensack durch den, in ihm befindhehen, quantitativ und qualitativ veränderten Schleim sich nach aussen öffnen, seinen Inhalt in das Zellgewebe ergiessen und endlich die Haut durchbrechen.
sect;. 128.
Die ursächlichen Momente, welche dieser Entzündungsfbrm zum Grunde liegen, sind dieselben, wie sie bei der erysipelatösen Augenlidentzündung angegeben wurden.
sect;. 129.
Die Behandlung ist liier nach dem Charakter der Entzündung zu modificiren; während bei erysipelatöser Entzündimg trockene aromatische Wärme nützheh ist, sind bei pljlegmonöser Entzün­dung feuchtwarme Fomentationen von Bleiwasser und das Anlegen von Blutegeln im Umfange der Geschwulst, angezeigt. Im Falle die Entzündung solchem Verfahren nicht weicht und sich der Uebergang in Suppuration deutlich ausspricht, so müssen alsbald erweichende Umschläge veranstaltet und gleich beim Eintritte von Suppuration die Geschwulst geöffnet werden, da durch Senkung des Eiters die Continuität des Thränensackes gefährdet werden könnte. — Die Eröffnung geschehe mit der Lancette an der untem Stelle der Geschwidst und mit der Vorsicht, dass der Thränensack keine Verletzung erleide. Die entsprechend grosse Oeffhung werde mit erweichenden Umschlägen, welchen man, bei noch vorhandener entzündlicher Reizung, Bleiessig beigeben kann, offen erhalten. Im Falle der Thränensack perforirt ist, so erleidet die angegebene Be­handlung keine Veränderung, jedoch ist dann besonders die Vorsicht geboten, die äussere Wunde durch Einlegen von Charpie vor zu frühzeitiger Vereinigung zu wahren. Ausserdem sind hier auch noch Einspritzungen von lauwarmem Wasser nützlich, welchen man für den Fall, als durch die Aufwulstung der Schleimhaut des Thrä­nensackes dessen Ausfiihrungsgang verschlossen ist, Lapis divinus und Laudanum zusetzt, und bei vorsichtigem Offenhalten der Wunde so lange fortsetzt, als der Canal geschlossen bleibt. Ist der Canal auf diese Weise wieder wegsam gemacht, so befordere man eine etwa retardirte Heilung durch vorsichtiges Touchlren mit Höllenstein. — Beruht jedoch die Verschliessung des Abfiihrimgs-canales auf organischer Destruction, so ist nach vollendeter Heilmig der Hautwunde, das später anzugebende operative Verfahren ein­zuleiten.
sect;. 130.
Nicht immer aber ist der Heerd der Entzündung immittelbar
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über dem Thränensacke, zuweilen vielmehr etwas oberhalb dessel­ben ; auch dann ist dieser Fall nicht minder wichtig und muss im Zeiträume der Eiterung eben so behutsam behandelt werden; denn wird er vernachlässigt oder unzweckmässig behandelt und öffnet man den entstandenen Abscess nicht bald und erhält man nicht die gemachte OefFnung bis zur gänzlichen Heilung offen, so drängt sich der Eiter hier zwar nicht leicht durch die vordere Wand des Thrä-nensackes, wohl aber oberhalb desselben in die Orbita hinein. Im schlimmsten Falle wird dann die Knochenhaut gleichsam durchge­fressen und einer oder der andere der Knochen der Orbita cariös. Man entdeckt die cariöse Stelle theils mit der silbernen Sonde, theils aus dem Hervorsprossen von rothen, leichtblutenden, bei der Berührung sehr schmerzhaften Fleischschwämmchen, welche sich zuweilen an der Oeffnung des FIstelcanales zeigen. Solche Fälle sind, obgleich nicht besonders gefährlich, doch in der Regel höchst langwierig und erfordern eine sehr sorgfältige Behandlung. Die tiefe Lage des Knochenfrasses, so wie die Nähe des Augapfels und die Enge des ganzen Fistelcanales, behindern den Arzt nicht selten, die nöthigen örtlichen Mittel anzuwenden. Ueberlässt man die Beseitigung der Caries der kärglichen Eiterung allein, so kann, wenn die cariöse Stelle zolltief liegt, der Abstossungsprocess sich auf viele Monate hinausdehnen.
Ist ein solcher unangenehmer Zustand einmal vorhanden, so wird es vor Allem nöthig, die äussere Oeffnung nach Möglichkeit zu erweitern, den überflüssigen Eiter täglich einmal mittelst eines filtrirten Infus. hbae rutae mit etwas laudan. liq. S. gemischt, sanft auszuspritzen und hierauf bis auf den Grund des Fistelganges eine Wieke einzuschieben, welche mit einem Gemische von einem Theile tinet. asae foetidae und zwei Theilen liquamen myrrhae be­feuchtet worden ist. Schneller noch stösst sich die kleine cariöse Knochenparthie ab, wenn man im Stande ist, von folgender Masse etwas auf den Grund des Fistelganges zu bringen: Eec. Asae foe­tidae gummi myrrhae, terebinthinae venetae aa #9658;} ij, olei sabinae 9 /3. M. (Weller). Die übrige Behandlung richtet sich nach den ob­waltenden besondem Zuständen.
4. Von dem Gerstenkornc.
sect;. 131.
Unter Gerstenkorn, Hordeolum, versteht man eine kleine,
genau begrenzte, rundliche Entzündungsgeschwulst, von der Grosse
eines Gerstenkornes, einer Erbse oder höchstens einer Bohne,
welche an verschiedenen Stellen des äussern Tarsalrandes, mei-
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78nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dynamische Krankheiten des Auges.
stens in der Nähe des innern Augenwinkels vorkommt und deren Wesen in einer Entzündung der Haarwurzeldrüsen der Cilien be­steht und eine furunculöse Natur hat. Ihr Verlauf ist ein acuter oder chronischer, ihre Ausgänge sind Eiterung und Verwach­sung oder Verhärtung.
sect;. 132. Unter juckendem Gefühle, wie der häufige Drang zum Scheu­em an der gereizten Stelle anzeigt, entwickelt sich gegen den äussem oder innern Augenwinkel hin, eine von den Wurzeln der Cilien und deren Drüschen ausgehende, begrenzte, harte und bei der Berührung schmerzhafte Entzündungsgeschwulst von oben ge­nannter Grosse und dunkelrother Farbe, wobei die Schleimabson­derung der entzündlich gereizten Bindehaut der Augenlider und des Augapfels vermehrt erscheint. Nach ein bis -zweitägiger Dauer dieser Entzündung spitzt sich die Geschwulst in ihrer Mitte zu, wird oben blässer, endlich gelblich und an ihrem Umfange dunkel-roth. Nach vollendetem Uebergange der Entzündung in Eiterung öffnet sich die Geschwulst an dieser Stelle nach aussen, entleert etwas Eiter und bleibt noch härtlich, bis ein weisslicher Pfropf sich ausgestossen hat, worauf sie zusammenfällt, die Wände der Höhle sich nähern und verwachsen; dabei fallen die nächststehenden, ihrer Drüsen beraubten und an ihren Wurzeln nekrotisch gewordenen Cilien aus — acuter Verlauf •—.
sect;. 133. Bei chronischem Verlaufe entwickelt sich die Entzündung lang­sam und allmälig, und aus ihr geht erst nach längerer Dauer eine allgemeine oder partielle Eiterung hervor. Ist diese allgemein, so geschieht die Ausstossung des Balges nur langsam, bleibt dagegen letzterer nebst dem, ihn umgebenden Zellgewebe zurück, so wird die Drüse hypertrophisch und geht in Verhärtung über, welchen Zustand man Hagelkorn, Chalazion, nennt.
sect;. 134. Die prädisponirenden ursächlichen Momente zur Entstehung des Gerstenkornes findet man in lymphatischer Constitution, in ver­schiedenen Dyskrasien, namentüch der psorischen; excitirende Ur­sachen sind: schlechte oder allzuerhitzende Nahrung, namentlich der zu häufige und reichliche Genuss des Branntweinspülichts, Un-reinigkeiten in den ersten Wegen, schlechte Pflege der Haut und überhaupt Mangel an gehöriger Reinlichkeit in den Ställen, schlechte Luft, Erkältung, Staub u. s. f.
sect;. 135. Die Behandlung des Hordeolums hat die Erweichung der Ge­schwulst zur alleinigen Aufgabe, da eine Zertheilung derselben nie
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gelingt. Man bedient sich daher der erweichenden feuchtwftrmen Umschläge unter dem Zusätze von Safran und, wenn diese anderer Ursachen wegen nicht anwendbar sind, reizender Pflaster, deg Empl. diachylon, Empl. de galbano crocatum u. s. w. Ausserdem lässt sich nach den Beobachtungen von Zeis der Verlauf des Hor-deolums durch frühzeitiges Ausziehen der Cilien, deren Haardrüsen bei demselben leidend sind, sehr abkürzen. — Psorische und an­dere Dyskrasien, sowie gastrische Unreinigkeiten müssen nach den allgemeinen Kegeln mit umstimmenden und ausleerenden Mitteln besonders behandelt werden.
sect;. 136. Die zur Heilung eines noch nicht veralteten Hagelkornes ge­stellte Aufgabe geht dahin, dasselbe in den Zustand eines Gersten­kornes zurückzufiihren, deren Lösung durch Anwendung der oben erwähnten erweichenden und zertheilend auflösenden Mittel oder der reizenden Einreibungen aus Spiritus aromaticus, Balsamus vitae und dergl. erreicht wird. Veraltete Chalazien lassen sich nur auf operativen Wege entfernen, indem man die Hautbedeckun­gen durch einen Querschnitt ööhet, die Geschwulst aus ihren et-Avaigen Verbindungen trennt und entfernt.
5. Von der idiopathischen Augenliderdrüsenentzündung.
sect;. 137.
Die idiopathische Augenliderdrüsenentzündung, Ble-pharophthalmia glandulosa idiopathica, zerfallt je nach dem Grade ihrer Heftigkeit, nach ihrem Charakter und ihrer Verbindung in verschiedene Unterabtheilungen *).
sect;. 138.
a. Gelindere Form. Diese ist die häufigere und scheint als Urform auch allen andern Augenliderdrüsenentzündungen mehr oder minder vorauszugehen und bietet folgende Erscheinungen: erhöhte Empfindhchkeit gegen Lichtreiz, Drang zum Kratzen an den Augenlidrändem, ein kleiner, rother, auf der innern Fläche des Augenlidrandes, neben den Meibomischen Drüsen sich fortsetzender. Streif und eine unbedeutend vermehrte Röthe des übrigen Augen­lidrandes, vermehrte Absonderung aus den Meibomischen Drüsen und der Thränendrüse, quot;Verkleben der Augenlider bei Nacht.
Unter gehöriger Pflege und entsprechender Behandlung schrei-
*) Die Darstellung dieses Thema's entlehnen wir Benedict, indem wir selbe mit fremden und ungern Erfahrungen vereinbart, auf das Thierauge anwenden.
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80nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dynamische Krankheiten des Auges.
ten diese Erscheinungen wieder zurück, ohne irgend eine P^untions-störung zu hinterlassen oder gehen in die zweite, stärkere Form über.
sect;. 139. ,
b)nbsp; nbsp; Stärkerer Grad. Dieser entwickelt sich rasch oder langsam aus der ersten Form und zeichnet sich durch bestimmtes Hervortreten der einzelnen Entzündungssymptome vor derselben aus und durchläuft gewöhnlich vier Perioden.
Erste Periode: Entzündungsröthe, Lichtscheue, Schleim­und Thränensecretlon sind hier ungleich stärker und letztere sogar qualitativ verändert, indem dieselbe, selbst bei der Gegenwart star­ken Schleimflusses, corrodirend auf die äussere Haut, wirkt, sonach einen grössern Reichthum an chemisch reizenden Substanzen zu besitzen scheint.
In der zweiten Perlode erheben sich die Entzündungser-scheinungen zu heftigen Schmerzen und Geschwulst der Augen­lider und wird die absondernde Thätigkeit der Meibomischen Drü­sen in der Thränendrüse zunächst sehr beschränkt und endlich ganz aufgehoben. Die Unterdrückung der Thränenabscheidung möchte nach Benedict vielleicht weniger unmittelbar durch Entzündung des Parenchyms der Thränendrüse, als mittelbar in der Anschwellung jenes Theiles der Bindehaut, In welchen die Ausfuhrungsgänge der Thränendrüse münden, bedingt seyn. Constant ist übrigens die Unterdrückimg der Thränensecretlon bei der Augenliderdrüsenent­zündung nicht, da sie häufig auch nicht vorhanden Ist.
Die dritte Perlode charakterisirt sich sowohl durch Nach-lass der entzündlichen Spannung in den secemirenden Organen, als durch die Qualität und Quantität des Secrets. Während die schleimigen Secretionen, je nach dem vorhergegangenen Grade der Entzündung reichlicher, dicklicher,. gelblich und puriform wer­den, reducirt sich die Thränensecretlon oft unter den Normalzu­stand. Uebrigens richtet sich die Qualität der schleimigen Secre­tionen noch besonders nach der Dauer der ersten Periode der Ent­zündung , so wie nach dem mehr oder minder geschwächten Stande der Kräfte; ist derselbe unter den Normalzustand gesunken, so nehmen solche eine dünnere, wässrigere Beschaffenheit und eine bräunlich gelbe Farbe an.
In der vierten Perlode treten obgenannte, theilweise im dritten Zeiträume noch vorhandene, Entzündungserscheinupgen Im­mer mehr zurück und reduciren sich die kritisch gewordenen Schleimsecretionen allmälig auf ihren normalen Stand.
sect;. 140.
c)nbsp; nbsp;Augenliderdrüsenentzündung mit Schleimfluss.
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 81
Eine idiopathische Verbindung des Schleimflusses mit dieser Ent­zündung ist eine seltenere, als jene aus einem inneren Schwäche­zustande entstandene. Der Schleimfluss entspringt aus einem, durch wiederholt vorausgegangene Augenliderentzündungen ge­setzten, localen Schwächezustande und erscheint in der ersten oder zuweilen in der dritten Periode dieser Entzündung.
Unter glücklicher Behandlung tritt die mit Blennorrhöe com-plicirte Augenliderdrüsenentzündung wieder zur einfachen Form zurück, es legt sich die Geschwulst, nimmt die Masse des abge­sonderten Schleimes ab, wird dicklicher, und verliert sich in einen hellem Schleim, der nach seinem gänzlichen Verschwinden noch eine unbedeutende ßöthe des Augenlides zurücklässt. Bei ungün­stigem Verlaufe nimmt das Secret cine schärfere Beschaffenheit an, reizt das ganze Auge in hohem Grade, beeinträchtigt seine Vitalität beträchtlich und gibt zu verschiedenen Formveränderungen der Augenlider Anlass.
sect;. 141.
d) Augenliderdrüsenentzündung mit Exulceration verbunden. Hat die Augenliderdrüsenentzündung schon lange angedauert und haben die, sie bedingenden Ursachen bis dahin fort­gewirkt und wurde das Uebel überhaupt vernachlässigt, oder be­steht wegen wiederholten Auftretens desselben eine habituelle xVn-lage in den Augenüdern zu dieser Entzündung und ist letztere mit besonderer Anschwellung des Augenlidrandes verbunden; so ge­sellt sich zu diesen Erscheinungen jene der Exulceration der Au­genliddrüsen und des Augenlidrandes; welchen erstem Zustand wir als Blepharophthalmia ulcerosa bezeichnen und den letztern Peribrosis nennen.
sect;. 142.
Unter Zunahme der Rothe der leidenden Theile entstehen kleine gelbliche Pusteln auf der innern Seite des Augenlidrandes, welche sich später über den ganzen übrigen Theil des Augenlides verbrei­ten; dabei ist die Schleimabsonderung sehr gering und die freie Beweglichkeit des Lides sichtlich erschwert. Hierauf werden die, sich fortwährend vermehrenden, Pusteln breiter und zeigen in der Mitte ein deutlich bemerkbares Grübchen, wobei die noch sehr se-ringe Schleimabsonderung meistentheils dünner, eiterartiger wird und während der Nacht die Augenliderspalte verklebt. Die ver­tieften Grübchen verwandeln sich sodann in Geschwürchen und be­decken den rothen Grund der ganzen innern Augenlidfläche mit gelben Flecken, wodurch dieser das Ansehen einer aufgeschnit­tenen Feige gegeben wird, und wovon die ältere Bezeichnung dieses Zustandes, Sycosis, Palpebra ficosa, herzuleiten ist.
Müller, Veterinär-Ophthalmologie. II.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;6
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82nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
sect;. 143. Nehmen diese Geschwürclien eine sehr grosse Ausdehnung ge­gen den innem Augenwinkel, so ergreifen und zerstören sie die ThränenWärzchen und Thränenpunkte, so dass nach ihrer Heilung ein unheilbares Thränenträufeln zurückbleibt, ohne dass man eine Spur der zerstörten Organe weiter zu bemerken im Stande wäre. Fliesst die Geschwürsfeuchtigkeit nach dem äussern Augenwinkel und sammelt sie sich hinter der äussern Commissur der Augenlider, so vermehrt sich dort durch die erwiesene Schärfe derselben, die Verschwäruug und setzt sich auf die äussere Haut fort und zerstört die Augenliderverbindung, veranlasst eine Umstülpung des untern Augeidides und gibt zu sarkomatösen Substanzwucherungen der Bindehaut Veranlassung. War dagegen die Verschwäruug auf der Innern Fläche des Augenlidrandes sehr gross und tief dringend und erstreckte sie sich auf das Knorpelhäutchen des Tarsus, sowie auf das Knorpelgewebe selbst, und wurde wegen des grössern Schmerzes das Auge lange und krampfhaft geschlossen gehalten, dann bekommt wahrend der Vernarbung der Augenlidknorpel eine nach einwärts gekrümmte Stellung, die nach der Grosse der Exul-ceration entweder in der ganzen Länge des Augenlidknoi'pels oder auch nur auf einer Stelle desselben Statt findet und erleidet dadurch bald eine totale, bald eine partielle Verschrunipfung. Dieser letz­tere Ausgang ist jedoch nur eine Folge gänzlicher Vernachlässigung oder durchaus ungeschickter Behandlung. Als Verbindung mit die­ser fehlerhaften Stellung des Augenlides nach innen, wie auch mit einer solchen nach aussen, zeigt sich noch eine weitere Verunstaltung darin, dass die Wimpernhaare eine fehlerhafte Richtung annehmen.
. sect;• 144;
Der vorstehend beschriebene Krankheitsverlauf ist ein acuter, die blennorrhöische Krankheitsform dagegen erscheint chronisch und ist eigentlich als Ausgang der erstem anzusehen, indem sie sich lediglich aus einer Vernachlässigung der acuten Form der Blephar-ophthalmiä gianchdosa entwickelt, auch wohl nach Heilung der Blepharophthalmia ulcerosa zurückbleibt.
sect;. 145.
Ursachen. Die idiopathische Augenliderdrüsenentzündung entsteht häufig unter dem reizenden Einflüsse fremder Körper, äusserer Verletzungen, grellen Lichtes, rauher oder mit schädlichen Stoffen geschwängerter Luft. Ferner sind es Hautstörungen, aus gastrischen Unreinigkeiten, schlechter oder zu reizender, namentlich fuselartiger Nahrung entsprungene, mangelhafte Ernährung und scldechte Säftemischung, nachlässige Hautpflege, Aufenthalt in dumpfigen Ställen, welche zu diesen Zuständen am öftersten Ge-
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;83
legenheit geben oder dieselben vermehren. Auch können öftere Anfalle von Erysipelas und das Verschwinden von Balggeschwül­sten als Anlässe angesehen werden.
sect;• 146.
Die Prognose bei der idiopathischen Augenliderdrüsenent­zündung erscheint nur in solchen Fällen ungünstig, wo diese be­reits organische Fehler, Einwärts- oder Auswärtskehrung der Li­der und Cilien, Verschwärung hartnäckiger Art, Verwachsung der Thränenpunkte u. s. w. veranlasst hat oder ein gleichzeitiges be­denkliches Leiden des Augapfels hinzugetreten war, dessen Pro­gnose dann vor Allem zu berücksichtigen seyn wird. — Der gün­stigste Ausgang steht bei einer solchen Augenliderdrüsenentzün-dung zu erwarten, die sein- schnell in der zweiten Periode durch einfache Schleimsecretion sich entscheidet.
sect;. 147.
Nicht allein die Form der Krankheit selbst, sondern auch die Art und Weise ihrer Behandlung und diätetischen Pflege, der Beobach­tung der Reinlichkeit, Fütterungsweise, Art der Beschäftigung und der Benützung des Thieres geben in Bezug auf die Prognose für diese Entzündung der Augenliderdrüsen wichtige Momente ab. Unter gehöriger Würdigung und Kegulirung der letztern vermag die ei­gene Naturthätigkeit, bei Entfernung der veranlassenden Ursachen, das Leiden oft allein zu einem günstigen Ende zu führen, wahrend ein unzweckmässig geleitetes Curverfahren, namentlich die unge­eignete Anwendung adstringirender Aufgüsse und Metalle, Blei-und Kupfermittel, Alaun u. dergl. den Krankheitsverlauf reten-tiren und üble Ausgänge herbeiführen.
sect;. 148.
In Bezug auf die Therapie zerfällt die idiopathische Augen-liderdrüsenentzündung in gleiche Unterabtheilungen, wie in Bezug ihrer Symptomatologie, indem ihre verschiedenen Grade eine mehr oder minder eingreifende Behandlung, sowie ihre Complicationcn eine eigenthümliche therapeutische Berücksichtigung, und endlich ihre Ausgänge oft auch ein chirurgisch - operatives Einschreiten be­dingen.
sect;. 149.
Die Heilung der gelindern Form macht ausser der Besci-tigung noch fortwirkender Schädlichkeiten kaum eine andere, als symptomatische Behandlung nothwendig, welche jedoch nur immer unter besonderer Rücksichtnahme auf die ätiologischen Momente der Entzündung instituirt werden muss. So sind z. B. bei die­ser Entzündung, wenn ihr eine äussere Verletzung zum Grunde liegt, sogleich kalte Umschläge in Anwendung zu ziehen, hat da-
C*
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Rinbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dynamische Krankheiten des Auges.
gegen diese Augenkrankheit in Hautstörung oder in abdominellen Heizen ihren Ursprung genommen, so werden nur feuchtwarme, schleimige Fomentationen, etwa ein Malvendecoct, ertragen und mit nachhaltigem Erfolge angewendet.
sect;. 150.
Die schon heftigem Erscheinungen des stärkern Grades dieser Blepharophthalmie erfordern noch besonders wegen ihrer Neigung zum Uebergange in Verschwärung, Schleimfluss und in die, aus ihnen möglicher Weise entstehenden organischen Störungen und sich etwa hervorbildenden chronischen Entzündungszustände, sowie bei der mehr oder weniger gegebenen Möglichkeit einer Wei­terverbreitung der Entzündung über den Augapfel, ein eingreifen­deres Heilverfahren.
sect;. 151.
Die diätetischen Vorschriften in Beziilt;j auf Euhe des Auges und Fernehalten äusserer Einflüsse, sind hier sehr sorgfaltig anzu­ordnen und die Entzündungserscheinungen je nach ihrem Grade mittelst antiphlogistischer, örtlicher Mittel zu behandeln. Es sind die kalten Umschläge und selbst die Vornahme örtlicher Blutent­ziehungen hier besonders geboten und es wird bei Entzündungen, wenn solche nicht durch äussere Verletzungen veranlasst sind, ein Zusatz von Bleiextract zu erstem nöthig erscheinen, deren Anwen­dung so lange angezeigt bleibt und förderlich ist, bis die Entzün­dung unter Eintritt vermehrter Schleimabsonderung, in die zweite Periode überzugehen beginnt und völlig gebrochen ist. Bestehen übrigens noch Röthe, schmerzhafte Geschwulst und grosse Licht­scheue fort, so ist die wieder eingetretene Schleimabsonderung durch Anwendung lauwarmer, schleimiger Fomentationen zu bethätigen, um die noch übrig gebliebene Reizung und Spannung völlig zur Lösung zu bringen. Ist dieser Zweck erreicht, so besteht die wei­tere Pflege blos in sorgfältigem Reinigen der Augenlider mit lau­warmem Wasser; wird übrigens die Schleimabsonderung allzu co­pies , so schreite man zur Anwendung gelind adstringirender Wäs­ser, eines einfachen Kamillenaufgusses etwa, und bei deren Unzu-reichlichkeit zu leichten Auflösungen adstringirender Metalle, des Grünspans, des Bleies u. dergl. mit oder ohne Zusatz der zusam- #9632; mengesetzten Mohnsafttinctur.
Gegen zurückbleibende oder hartnäckige Excoriationen em-pfielüt sich besonders die Anwendung einer Sublimatsolution, auch Zink zeigt sich dagegen oft nützlich, dessen Anwendung auch in Salbenform schicklich ist.
Ist die. Entstehung oder Fortdauer der Entzündung an ga­strische Reize gebunden oder ein stark congestiver Zustand nach
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dem Kopfe zugegen, so sind die ersten Wege reinigende, und auf den Darm ableitende, innere Mittel noch besonders angezeigt. — Liegt übrigens im spätem Verlaufe der Krankheit die Reproduction darnieder und gibt solche ein Causalmoment zu Atonie des Auges und abnormer Secretion ab, so ist der Kräftezustand durch ent­sprechende diätetische Pflege und nöthigen Falles durch Anwen­dung roborirender Mittel zu heben.
sect;.152.
Bei dem, mit der Augenliderdrüsenentzündung verbundenen Schleimflusse, als auf einem hohen Grade örtlicher Schwäche der Bindehaut, sowie auf einem allgemeinen Mangel an Energie beruhend, ist ein örtlich reizendes und ein stärkendes inneres Heil­verfahren einzuhalten, mit dessen Hülfe nur eine schnelle Heilung gelingt.
Die zur Beseitigung der örtlichen Schwäche und Hebung der grössern Anschwellung der Bindehaut förderlichen Mittel sind opiumhaltige und schleimige Augenwässer, Auflösungen von Me­tallkalken und nach unserer Erfahrung, wenn die Auflockerimg sehr gross ist, der Höllenstein in passender Auflösung. — Die Auflösungsform aller, hier anzuwendenden Mittel hat vor der Sal­benform grosse Vorzüge, da jene zugleich dazu dient, den Schleim wegzuspülen und die Sensibilität der peripherischen Nervenendi-gungen weniger irritirt als diese, dagegen erweist sich letztere dort mehr von Vortheil, wo eine länger andauernde Wirkung der anzu­wendenden Mittel angezeigt ist und zugleich eine mehr corrodirende Einwirkung derselben nothwendig wird, wie dies bei Nachlass des Schleimflusses und Mangel an Schleimabsonderung der Fall ist und es ein bedeutender Grad von sarkomatöser Verdickung der Binde­haut und Anschwellung des Augenlidrandes erfordern. Dieser Absicht entspricht der rothe Präcipitat in grosser Dosis und unter dem Zusätze von Kupfermitteln und andern adstringirenden Stoffen ganz besonders.
Ausserdem ist die Anwendung trockener aromatischer Wärme, mittelst Kräuterkisschen angebracht und bei grosser Reizlosigkeit durch Kampfer verstärkt, hier von günstigem Heilerfolge.
Nur unter Mitwirkung allgemein tonisirender Mittel, vermögen die angeführten örtlichen Heilmittel bei allgemeiner Schwäche, Vortheil zu bringen, deren letztere Anwendung, sowie eine ent­sprechende Regulirung der übrigen Pflege und Fütterung unent­behrlich erscheint.
sect;• 153.
Die mit Exulceration verbundene idiopathische Au­genlid erdrüsenentzündung nimmt bei ihrer Behandlung aus-
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Dynamische Krankheiten des Auges.
scr sorgiältigem Reinhalten und Pflege des Auges und der gan­zen Haut eine sehr umsichtige und rasche Würdigung eines jeden einzelnen Momentes der Krankheit in Anspruch. — Besonders zu berücksichtigen ist der Stand der Empfindlichkeit der Bindehaut, welche, wenn sie sehr gross ist, die Anwendung der, die Meta­morphose kräftig umändernden Mittel mit corrosiver Wirkung nicht erträgt, während sie dagegen durch Bleiextract mit Opium sehr vortheilhaft umgestaltet und zur Anwendimg corrosiver Mittel vor­bereitet wird. Bei minder erethischer Entzündung mit Verschwä-rung zeigt sich der Sublimat, sowie der Höllenstein, von vorthcil-haftester Wirkung. Man hat auch von dem rodien Präcipitat, in der Form der janinischen Augensalbe *), Gebrauch gemacht und ihn besonders dort nützlich gefunden, wo die Auflockerung der Bindehaut und die Geschwulst der Augenlidränder gross oder nach Heilung der Geschwüre noch zurückgeblieben war. In jenen Fäl­len, wo die äussere Augenlidercommissur durch die Exulceration beschädigt zu werden beginnt, wird wohl die Anwendung der ge­nannten Mittel fortgesetzt, aber man bestreicht, um die fernere Consumtion des Zellgewebes zu verhüten, das Augengeschwür täglich zweimal mit Opiumtinctur. — Dabei sind es innerlich die Metamorphose umstimmende Mittel, das versüsste Quecksilber, der Aethiops antimonialis, die Schwefelblüthe und der präeipitirte Schwe­fel , deren Anwendung häufig noch geboten ist.
sect;. 154. Die chronische Form der Augenliderdrüsenentzündung, welche sich vorzugsweise durch Geschwulst und vermehrte Köthe charakterisirt und mehr torpider, als erethischer Natur ist, macht wohl ganz dieselben Mittel zu ihrer Behandlung nöthig, wie die acute Form, jedoch mit dem Unterschiede, dass bei ihr die Keiz-mittel vorzugsweise und in grösserer Gabe anzuwenden sind, um die vorhandene Torpidität zu heben. Diese Reizmittel sind haupt­sächlich die Opiumtinctur, der Lavendelgcist, der rothe Präcipitat und die trockenen aromatischen Kräuterkisschcn. Dabei quot;#9632;ebieten
o
die Umstände die Application kräftiger Hautreize, weshalb man Fon­tanelle und Haarseile bis zum völligen Schwinden des Leidens un­terhält.
*) Rec:
Axung. porc. 5 ß
Mere, praeeipitat. rubr. X\
Tutiae praeparat.
Holi armen, ana 3ij
M. f. Ungt. ophth. Janini.
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;87
III. Von der Entzündung der Bindehaut.
sect;. 155.
Die Bindehaut gibt die Ursprungsstelle fiir die grössere Zahl der Augenentzündungen ab, oder wird von ihnen in Mitleidenschaft gezogen. Tritt die Entzündung ursprünglich in ihr auf, so verläuft sie grösstentheils in ihr allein, ohne Weiterverbreitung auf den Augapfel; beginnt sie dagegen im Augapfel, so reflectirt sie sich alsbald und jedesmal in der Bindehaut. Hat die Entzündung in der Augapfclbindehaut begonnen, so erstreckt sie sich schnell über die Augenliderbindehaut, während sie umgekehrt lange in letzterer isolirt bestehen und verlaufen kann, ohne auf erstere überzugehen.
sect;. 156.
Die Bindehautentzündung, Conjunctivitis, zerfällt (nach Chelius) in drei Zeiträume, welche sind: 1) der Zeitraum der völ­lig unterdrückten oder serösen Secretion (Hydrorrhöe), wo viele Thränenfeuchtigkeit, mit wenig klarem Schleime vermischt, aus-fliesst; 2) der Zeitraum der Secretion eines weisslichen Schleimes (Phlegmatorrhöe); 3) der Zeitraum der Secretion eines puriformen Scldeimes (Blennorrhöe, Pyorrhöe).
Die beiden ersten Zeiträume bilden in der Eegel den ganzen Verlauf der Entzündung, wobei eigentlich der zweite mehr als kri­tische Thätigkeit, denn als pathologische Erscheinung zu betrach­ten ist. Der dritte Zeitraum ist daher nur Entzündungsausgang und gleichsam selbstständige Krankheit, welcher äussere oder in­nere und constitutionelle Anlässe zum Grunde liegen können.
sect;. 157.
Die Eintheilung der Bindehautentzündung geschieht nach ihrer Oertlichkeit, in die Entzündimg der Augenliderbindehaut, in jene des Augapfels oder in beide zugleich; ferner in den Schleimfluss der Augenlider und des Augapfels.
Es zeigt übrigens diese Eintheilung nur die verschiedenen Ab­stufungen der Krankheit an, ohne sie gerade als eigenthümliche, isolirte Krankheitsformen bestimmt zu charakterisiren.
sect;. 158.
Der Höhegrad und die Ausdehnung der Bindehautentzündung richtet sich nach der Art, Macht und Dauer der Einwirkung der veranlassenden Schädlichkeit, nach den constitutionellen Verhält­nissen, dem Verhalten, der Pflege und Behandlung.
Der Krankheitsverlauf ist acut oder chronisch; die Ausgänge
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88
Dvnaiuische Krankheiten des Auges.
sind Zertheilung, Ausschwitzung, Blennorrhöe, Geschwürsbildung, schwammige Wucherungen, Hellung, Uebergang in Form - und Functionsveränderung oder Zerstörung einzelner Organtheile oder des ganzen Auges.
sect;. 159.
Die Bindehautentzündung kann, wie jede andere Augenent-zündung idiopathisch, sympathisch, enzootisch, epizootisch und sporadisch vorkommen. Wirken die veranlassenden Ursachen un­mittelbar auf die Bindehaut, so entsteht die idiopathische Entzün­dung derselben, geht aber eine Entzündung der Nasenhaut vorher, wie dies oft bei jungen Pferden, Hunden und Katzen vorkommt, so muss man sie unter die sympathischen rechnen, vorzüglich dann, wenn das, der Augenentzündung unterliegende Thier, nach Ent­stehung des Catarrhs der Nasenschleimhaut, den Ursachen der ur­sprünglichen Krankheit nicht weiter ausgesetzt ist. — Ferner ist diese Entzündung sympathisch, wenn sie in Folge einer andern Krankheit, einer Entzündung des Magens oder der Leber entsteht. Dieser Fall kommt vorzüglich bei jungen Hunden, bei Ochsen und Kühen oft vor (Leblanc).
sect;. 160.
Als einzelne Krankheitsformen der Bindehaut betrachtet man: 1) die idiopathische, 2) die catarrhalische, 3) die rheuma­tische, 4) die exanthemathische und 5) die impetiginöse Entzündung, 6) das Triefauge und 7) die Entzündung der Blinzhaut.
sect;. 161.
Die allgemeinen Erscheinungen der Bindehautentzündung sind: erhöhte Empfindlichkeit, Lichtscheue, ßöthe, oft blutrothe Flecken, ilussere Anschwellung, manchmal kleine Pusteln, Wasser-oder Schleimfluss, lästige Trockenheit, welche Erscheinungen sich in zwei Zeiträumen aneinanderketten, so dass der erste Zeitraum aus­gezeichnet wird, durch: helle Röthe, Hitze, Geschwulst, Schmerz, stete Neigung, das Auge zu schliessen, Ausfluss scharfer oder mil­der, wasserheller, seröser oder Thränen - Feuchtigkeit, worin das ganze Auge gleichsam schwimmt, welcher Zustand aber bei zuneh­mender Heftigkeit sich in Trockenheit und Schwerbeweglichkeit des Auges verwandelt; Lichtscheue, die oft bei grosser Heftigkeit plötzlich nachlässt, nach Umständen und Verhältniss der Entzün­dung, Allgemeinleiden, Fieber u. s. w. Den zweiten, bisweilen fehlenden Zeitraum charakterisiren dagegen: Zustand der Erschlaf­fimg, Nachlass der Schmerzen, Fortdauer der Lichtscheue und Hitze; schmutzige, blaue oder braune Röthe, leichtes Oeffnen des Auges, zurückkehrende, aber jetzt sehr reichliche und abnorme.
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Dynamisclie Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;89
Ab- und Aussonderungen, Schleim- und Eiterfluss, Blut-, Wasser­oder Lymphextravasate, Verwachsung und Brand.
sect;. 162.
Wie in allen andern Organen des thierischen Körpers, so kommen auch in der Bindehaut Entzündungen vor, die eine beson­dere Geneigtheit haben, in Brand überzugehen. Hierher gehören vornämlich diejenigen, welche durch den lange andauernden schäd­lichen Einfluss feuchter, heisser, und mit bösartigen Dünsten an­gefüllter Luft entstehen, femer die, welche die sogenannten An-thraxkrankheiten des Hornviehes begleiten. Letztere ergreifen oft das ganze Auge, und endigen, wenn der Brand wirklich ausgebro­chen ist, allemal mit Verlust des Gesichtes, leider auch oft des Lebens des erkrankten Thieres, aus dem doppeltep Grunde, weil die allgemeine Krankheit überhaupt sehr schnell verläuft, und das Leiden der Bindehaut nur selten blos örtlich ist. Dass der Brand bevorstehe, erkennt man an der bläulichen Farbe der Bindehaut, an der ausaerordentlichen Empfindlichkeit des Auges, und einem eigenthümlichen Zustande des Kreislaufes, welcher das Herannahen eines allgemeinen Leidens verkündet. Der Puls nämlich ist klein, unregelmässig, und wird sehr bald aussetzend. Die übermässige Reizbarkeit der Bindehaut verliert sich und es tritt nun ein Abster­ben ein, welches auch bald die benachbarten Theile ergreift*).
sect;. 163.
Wenn eine Entzündung der Conjunctiva in Blennorrhöe über­geht, so verschwindet die einzelne Gefässinjection, die Conjunctiva wird gleichmässig roth, zinnoberfarbig und später noch dunkler gefärbt; sie verliert ihr glattes Aussehen und wird sammtartig. Dabei steigern sich die Erscheinungen der Reizung der Augen be­deutender und die Secretion einer dünnen, schleimigen Flüssigkeit wird copiöser, welche an den Augenlidrändern zu Krusten erhärtet und während der Nacht dieselben zusammenklebt. Es erheben sich, zuerst und am bedeutendsten an der Falte der Conjunctiva, wo diese auf die Sclerotica übergeht, rothe, an ihrer Spitze etwas durchsichtige Fleischwärzchen, gleich den Granulationen in eitern­den Wunden. Indem sie sich vermehren, werden sie vorspringen­der, vereinigen sich in Gruppen, zeigen verschiedene Grosse, von der eines Hirsenkornes bis zu der einer Erbse, meistens eine runde, manchmal eine ovale oder irreguläre Form und eine verschiedene Färbung von blasser bis zur dnnkelpurpurfarbenen Röthe. Die
*) Leb laue, Abhandlung über die Augenkrankheiten der Haustjiiere. 1825. S. 185.
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90nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
Auflockerung der Conjunctiva vermehrt sich, die Granulationen verschmelzen, so dass man sie einzeln nicht mehr unterscheiden kann; unter fortschreitender Zunahme der Anschwellung und der dunkleren Färbung der Conjunctiva, der Lichtscheue und der Schmer­zen, stellt sich der Ausfluss einer dicken, eiterartigen Flüssigkeit aus dem Auge ein, die so scharf ist, dass die Haut der Wangen davon aufgeätzt wird; die Augenlider, auf deren äusserer Fläche die Venen schdü' früher ausgedehnt und überfüllt waren, schwellen immer bedeutender an, besonders das obere, so dass sie oft gar nicht mehr geöffnet werden können. In der Kegel treten zugleich mehr oder weniger heftige Fieberbewegimgen auf. #9632;—#9632; Die Sclero-tical-Bindehaut verändert sich in derselben Weise, schwillt zuerst durch seröse Infiltration und dann chemotisch an und erhebt sich wallformig um die Hornhaut, die noch ihre Durchsichtigkeit und Glätte zeigt, aber meistens von dem in der wallformigen Vertiefung sich ansammelnden eiterigen Schleime bedeckt ist. Es entstehen auch in der Conjunctiva der Sclerotica Granulationen, die sich bis zum Kande der Cornea verbreiten. — Durch Zerreissung einzelner Gefässe der Conjunctiva, besonders bei unruhigem Verhalten oder starken Anstrengungen entsteht mitunter Blutung, die aber mei­stens erleichternd ist. Bei immer zunehmender Verschlimmerung werden die Sclerotica und die innem, gefässhäutigen Gebilde ergrif­fen, die Hornhaut wird matt, suffundirt, aufgelockert und erweicht, es entstehen schnell sich ausbreitende Ulcerationen, durch welche die Iris, manchmal selbst die Linse, mit gleichzeitigem Ausflüsse einer Fleischwasser ähnlichen Flüssigkeit hervorgetrieben und so zur Zerstörung des Augapfels, zu staphylomatösen Verbildungen, zu starken und dicken leukomatösen Verdunkelungen der Hornhaut mit Verwachsung der Iris und Verlust des Sehvermögens Veran­lassung gegeben wird. Im glücklicheren Falle bleiben als Folge der auf die inneren Gebilde ausgebreiteten Entzündung Exsudatio­nen in der Pupille, partielle oder totale Trübungen der Kapsel oder der Linse; am häufigsten aber granulöse Wucherungen der Con­junctiva, besonders der Augenlider.— und Trübungen der Horn­haut durch zahlreiche Entwickelungen von Gefässen, Pannus, zu­rück. — Im glücklichsten Falle, wenn die Entzündung zur Zer-theilung gebracht wird, vermindert sich bei gleichmässigem Zurück­schreiten der Entzündungs - Symptome die Menge der eiterigen Flüssigkeit, diese wird dünner, eiweissartig, die Granulationen treten zurück, verschwinden endlich ganz, es erscheinen wieder die ein­zelnen Gefäss-Ramificationen in der Conjunctiva, welche allmälig wieder ihre glatte und glänzende Oberfläche erhält. — Vermehrte Absonderung der Meibomischen Drüsen, grosso Empfindlichkeit
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;91
des Auges gegen äussere Einflüsse bleiben meistens aber noch lange zurück*).
sect;. 164. Nach den verschiedenen Ursachen, welche die Entzündung der Conjunctiva veranlassen, sehen wir nur im Anfange verschiedene, der Eigenthümlichkeit der Entzündung entsprechende Erscheinun­gen. Wenn sich diese aber zur Blennorrhöe steigert, so ver­schwinden alle Unterscheidungsmerkmale. Alle Blennorrhöen sind sich gleich und werden in ihrem Verlaufe nur durch constitutionelle Verhältnisse, durch den rascheren oder langsameren Verlauf einiger-massen modificirt; daher dieselben Eintheilungen, wie bei den Au­genentzündungen, in synochische, erethische und torpide, in acute und chronische Blennorrhöen.
Die Behauptung Jüngken's (a. a. O. S. 323), dass bei den primären Blen­norrhöen mit dem ersten Erscheinen des Augenleidens auch bereits der Anfang der charakteristischen Metamorphose der Conjunctiva wahrgenommen werde, ist ungegründet, wie sich bei der Betrachtung der einzelnen Blennorrhöen (am Menschenauge) ergeben wird. — Nur in obiger Beziehung ist Sichel's Mei­nung zu deuten, welcher die Blennorrhöen insgesammt nur für die Folge einer aussergewöhnlichen Entwickelung der catarrhalischen Entzündung der Con­junctiva hält, welche die zahlreichen Varietäten umfassen, welche als ägyptische Augonentzündung, Augenentzündung der Neugebornen u. s. w. aufgeführt wer­den, welche alle identisch seyn sollen und nur mehr oder weniger modificirt nach den Umständen, die ihre Entwickelung bedingen, und nach dem Alter des Kranken; — und dass selbst die dyskrasische Blennorrhöe sehr wenig durch ihre Erscheinungen, ihren Verlauf und ihre Dauer sich von der catarrhalischen Blennorrhöe unterscheide **).
sect;. 165. Hinsichtlich der Ursachen ist daher auch kein Unterschied zwischen den Entzündungen der Conjunctiva und den- Blennorrhöen festzustellen und es ist nur die besondere heftige oder fortdauernde Einwirkung von Schädlichkeiten, welche die Entzündung hervor­gebracht haben, sowie der Einfluss der Constitution und des Alters, welche die Entwickelung zur Blennorrhöe veranlassen. — In dieser Hinsicht sind hierher zu beziehen: schlaffe, aufgedunsene Körper­beschaffenheit, zartes Alter, anhaltende Congestionen nach den Augen durch Beschäftigung, enges Geschirr oder vorzüglich durch südliches Klima bedingt, welches theils durch die Einwirkung der Sonnenstrahlen auf die Augen, theils durch das reflectirte Licht nach­theilig wirkt; Reizungen der Augen durch Staub, Wind u. s. w., ver­dorbener , zersetzter Luftkreis, unterdrückte Thätigkeit der Haut
*) Chelius a. a. O. Bd. 1. sect;. 182. **) Chelius ebdslbst. sect;. 112.
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92nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
durch schnellen Wechsel der Temperatur, epizootische Constitution, Versetzung von Krankheitsstoffen, Contagium. — Blennorrhöen hinterlassen immer pine besondere Neigung zu ihrer Wiederent-stehung, sowie die Gegenwart von Granulationen*).
sect;. 166. Bei allen Blennorrhöen kann sich unter besonderen Verhält­nissen und in einer gewissen Periode der Krankheit ein Contagium entwickeln, wie wir dies für alle entzündliche Affectionen der Schleimhäute, die mit einer vermehrten und krankhaft veränderten Secretion verbunden sind, statuiren müssen. — Die Entwickelung des Contagiums wird vorzüglich durch die Höhe der Krankheit, durch fortdauernde Einwirkung schädlicher Einflüsse, besonders durch das Zusammenseyn vieler Kranken, am meisten bei schwüler, mit Elektricität überladener Luft bedingt. — Das Contagium haftet besonders im dicken, eiterartigen Schleime; in der Abnahme der Krankheit, im dünnen, schleimigen Secrete vermindert sich die Wirksamkeit des Contagiums oder verschwindet ganz. — Nur auf diese Weise lassen sich die verschiedenen Meinungen über die Con-tagiosität der einzelnen Formen der Blennorrhöen erklären. — Das Contagium kommt auf das Auge entweder durch Uebertragung des ausfliessenden Schleimes durch die mit demselben verunreinigten Finger des Wartepersonals oder den Gebrauch gemeinschaftlicher Schwämme und dergl., oder bei vielen Kranken in engem Räume und bei hohem Stande der Krankheit kann sich dasselbe auch dem Luftkreise mittheilen und in Distanz wirksam seyn**).
I. Von der idiopathischen Entzündung der Bindehaut.
sect;. 167. Unter schmerzhaften Zuckungen der Augenlider, starkem Thrä-nen und grosser Lichtscheue entwickelt sich und besteht die idio-pathische Bindehautentzündung, Conjunctivitis idiopathica. Die Bindehaut erscheint über ihrer ganzen Fläche durch einzelne überfüllte Gefässe lebhaft geröthet, bald gelblich, bald ziegel- oder dunkelroth und violett. Die blutinjicirten lymphatischen Gefässe der Bindehaut sind dick, strangartig, geschlängelt und geradelaufend, liegen oberflächlich, sind verschiebbar, lassen die Sclerotica weiss durchscheinen und erstrecken sich bis zum Rande der Hornhaut, ohne auf dieselbe überzugehen. Am Tarsalrande bemerkt man
*) Chelius a. a. O. Bd. 1. sect;. 113. **) Chelius ebdslbst. Bd. 1. sect;. 114.
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eine feine Röthe. Auf die Nacht verschlimmem sich gewöhnlich die Entzündungserscheinungen und am Morgen sammelt sich weiss-gelber Schleim in den Augenwinkeln. — Diesen Zusand bezeich­neten die Alten mit dem Namen Taraxis, die entzündliche ßöthung; wir lassen ihn den ersten Zeitraum der Entzündung abgeben.
sect;. 168.
Ecim Voranschreiten der Entzündung und selbst auch ohne dies, bei schlaffer, aufgedunsener, lymphatischer Organisation des erkrankten Individuums, ergiesst sich in dem, die Bindehaut und Sclerotica verbindenden Zellgewebe eine seröse Flüssigkeit, wo­durch sie sich in gelblichen Blasen erhebt und die Hornhaut wali-förmig umgibt und selbst in Wülsten zwischen den Augenlidern sieh hervordrängt. Mit dem Eintritte dieser Erscheinung, welche man mit dem Namen Chemosis belegt, verbreitet sich der Eeflex der Entzündung auch über die Sclerotica und treten zugleich ver-mehrte Schleimabsonderung aus den Augenlidrändern und ebenso Vermehrung in der Secretion der Thränenfeuchtigkeit ein. Dann wird die Röthe, Hitze und Schmerzhaftigkeit geringer, öffnet das Tliier die Augenlider freier, ist die Luft und das Licht ihm nicht mehr empfindlich. Das Bindehautexsudat kann in die Augenlider dringen und ödematöse Anschwellung herbeifüliren. Die Binde­hautblasen platzen oder es resorbirt sich allmälig, die in ihnen ent­haltene Flüssigkeit, worauf sie einschrumpfen und sich später ab-stossen, manchmal auch geschwürig werden.
sect;. 169. ^
Bei heftiger Entzündung bildet sich theils durch sanguinolcntc Transsudation, theils durch Zerreissung einzelner Gefässchen eine blutige Ergiessung unter der Bindehaut, wodurch eine festere, nicht verschiebbare, gleichmässige Anschwellung derselben entsteht, mit lebhafter, mehr oder weniger saturirftr Röthe, in welcher man die einzelnen Gefasse nicht mehr unterscheiden kann *).
Manchmal steigt diese Entzündung sehr hoch, geht auf die innern Theile über, und es bildet sich in der vordem Augenkam­mer eine weissliche, gelbliche Materie von verschiedener Dichtigkeit und Menge.
sect;. 170.
Ursachen zu der idiopathischen Augenentzüudung sind me­chanische und chemische Schädlichkeiten, als Schläge, Peitschen­hiebe, fremde, in die Bindehaut gedrungene Körper, eigenthümliche Luftmischung, namentlich Vorwalten der Elektricität in ihr; starke
*) Chelius a. a. O. Bd. 1. S. 67. sect;. 117.
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laquo;4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dynamische Krankheiten des Auges.
Erhitzung des Körpers, besonders wenn das Auge dem blendenden Sonnenlichte und dem Staube zu sehr ausgesetzt ist.
Dornenstiche in die Augenlider oder in den Augapfel selbst, Sand, Staub, der auf die innere Fläche der Augenlider kommt, geben sehr oft die Ursachen zu Augenentzündungen ab, wie dies häufig bei pflügenden Pferden und Hornvieh vorkommt.
sect;• 171.
Die Behandlung dieser Entzündung richtet sich intensiv wie extentiv nach dem Grade, Zeiträume, nach den tu-säclüichen Mo­menten und andern Umständen der Entzündung.
Ist die Entzündung noch im Entstehen oder in ihrer progres­siven Entwickelung begriffen, so ist die äussere Anwendung der Kälte, ausser sorgfältigem Entfernen der veranlassenden Ursachen, fest oder lose sitzender fremder Körper u. s. w. völlig zureichend; tritt die Entzündung schon deutlich hervor, so muss selbe mittelst Anwendung allgemeiner und örtlicher Blutentziehungen auf eine niederere Stufe zurückgeführt werden. Bei heftigen und ganz re-centen Entzündungen bedient man sich mit Vortheil der Aderlässe, welche man bei kräftigen Thieren am Halse und auf der Seite des erkrankten Auges, so wie in einem dem allgemeinen Kräftezustande des erkrankten Thieres entsprechenden Maassc, zu 3—4 Pfd., vor­nimmt. Ist das Thier schwach und steht allzu grosse Entkräftung zu befürchten, so hat Lcblanc durch die Schlag- und Blutaderlass (arterio - phlebotomia) am Schweife in dem ersten Zeitramne der Entzündung sein- oft den gewünschten Erfolg gehabt, indem er zu diesem Zwecke etwas von dem Schwänze abschnitt und nachdem er zwei Drittheile, des gewöhnlich aus der Drosselader zu entzie­henden Quantums entleert hatte, die Blutung mittelst des Glüh­eisens stillte.
Bei minder heftigen Entzündungserscheinungen, da wo diesel­ben schon dem zweiten Zeiträume angehören, was gewöhnlich 12 Stunden nach dem ersten Auftreten der Entzündimg der Fall ist, oder auch dann, wenn die allgemeinen Blutentziehungen in gleicher Frist noch keine bleibende Ermässigung zur Folge hatten, sind die Localblutentziehungen durch Blutegel, angezeigt, deren man ge­wöhnlich 10—20 an die Schläfe oder auf die Oberaugengrube an­legt und die Nachblutung lange unterhält.-
sect;• 172.
Gegen die Chemosis, den höchsten Grad der Sclerotical-Binde-hautentzündung, helfen nicht immer Aderlässe allein, da sie nicht genugsam einem Ausgange vorbeugen, der, wo das Uebcl sich selbst überlassen bleibt, häufig unglücklich ist. Unter den hier noch zu adhibirenden örtlichen Blutentziehungen sind die wirksam-
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sten die, durch Ausschneiden einer Bindehautfalte bewirkten; welche Operation auf die oben angegebene Weise oder nach Leblanc mit einer über die Fläche gebogenen, sehr dünnblättrigen Scheere aus­zuführen seyn dürfte. Es entleert sich dabei sogleich eine hinrei­chende Menge Blutes, wodurch jedem gefährlichen Zufalle vorge­beugt wird.
Die Excision einer Bindehautfalte ist auch bei vorhandenem Exsudate unter der Bindehaut, so wie bei bedeutenden sackförmi­gen Aufwulstungen der Bindehaut eine sehr nützliche oft dringend gebotene Operation.
Uebrigens behandle man die Chemosis, wie jede andere hef­tige Entzündung, die ihre grösste Höhe erreicht hat. Nur ist noch zu bemerken, dass wo die spätere Beschaffenheit der Krankheit etwa eine reizende oder gar tonische Behandlung fordert, es sehr unvorsichtig wäre, adstringirende oder reizende Augenwasser auf die eiternde Wunde zu bringen, wenn sie schon an sich fähig ist, sich zu vernarben. Hier ist es hinlänglich, das Auge mit verschla­genem Wasser zu waschen oder zu bähen, um die von Eiter und Schleim beschmutzten Wunden zu reinigen. Wird die Erschlaffung in der Wunde zu gross, so ist es allemal noch Zeit, reizende Mittel in Anwendung zu bringen*).
sect;• 173.
Nach Bekämpfung der abnormen Steigerung der Irritabilität gebietet zum Oeftern die Gegenwart einer vorwaltenden, krankhaft erhöhten Sensibilität des Auges, die äussere Anwendung schlei­miger, erweichender und beruhigender Mittel. Dahin gehören die Abkochungen von Malven, Eibischblättern, Hanfsaamen, Waizen-kleie, Umschläge von Leinsaamenmehl, Brodkrumen mit einigen Tropfen Laudanum oder der Abkochung von Mohnköpfen ange­feuchtet; bei heftigen Schmerzen Umschläge von Klatschrosenblu­men und Köpfen, die mit Malven zusammengekocht werden, Eiweiss imd Wachssalbe, um das Zusammenkleben der Augenlider zu ver­hindern ; eine strenge Diät und zum Getränke Wasser mit Gersten­mehl angemacht. Ist das Thier sehr reizbarer Constitution, so kann man auch Abführmittel aus Bitter- oder Glaubersalz in einer Abkochung von getrockneten Pflaumen anwenden.
Für ein Pferd drei Unzen des abführenden Salzes auf eine Kanne der Brühe; für einen Hund eine Unze auf zwei Gläser der Brühe. Bei dem Eindvieh ist es schon genug, ihm das trockene Futter zu entziehen, wo sich dies nämlich thun lässt; wo dies nicht angeht, müssen die Thiere weniger Heu und mehr Heckerling be-
*) Loblanc a. a. O. S. 132 u. f.
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Dynamische Krankheiten des Auges.
kommen. Die Hunde dürfen blos Pflanzenspeisen, z. B. Kohl­suppen gemessen. Auch ist ihnen der Genuss der Buttermilch dabei sehr dienlich*).
sect;. 174. Bei der, durch die violette oder carmoisinrothe Färbung der Bindehaut und durch die Schnelligkeit, mit welcher die Entzündung ihre Perioden durchläuft, als enzootisch sich charakterisirenden, Bindehautentzündung, ist besondere, ja hauptsächliche Rücksicht auf die Verbesserung und Desinficirung der Luft zu nehmen, falls eine Aufenthaltsveränderung der erkrankten Thiere unausführbar seyn sollte. Zur Zerstörung vegetabilischer und animalischer schäd­licher, sich in der Atmosphäre zersetzender Stoffe, sind bei sorg­fältiger Reinigung der Ställe, die salzsauren Räucherungen das beste Mittel, bei deren Anwendung noch besondere Vorsicht nöthig ist, da sie chemisch nachtheilig auf die ohnehin gereizte Bindehaut zu wirken pflegen.
11. Von der catarrhalisehen Entzündimg der Bindehaut.
sect;. 175.
Die catarrhalische Augenentzündung, Ophthalmia ca-tarrhalis, beginnt entweder in der Augenliderbindehaut, Blepharo-Conjunctivitis catarrhalis oder in jener des Augapfels, Ophthalmocon-junetivitis catarrhalis, verläuft in einer diespr Parthien allein oder setzt sich früher oder später von der einen auf die andere fort.
Sie besteht isolirt in diesem häutigen Gebilde, oder es sind die Meibomischen Drüsen in gleicher Weise afficirt, Blepharitis glan-dulosa catarrhalis, Blepharadenitis catarrhalis.
sect;. 176.
Die catarrhalische Entzündung der Augenliderbin­dehaut, Blepharo-Conjunctivitis, äussert ihre ersten Erscheinungen in geringer Röthe und Auftreibung der Augenwinkel, in etwas ge­hinderter Beweglichkeit der Lider bei ganz geringer Lichtscheue und massig vermehrter Absonderung von Schleim, welcher des Morgens vertrocknet an den Lidern und in den Augenwinkeln ge­funden wird. Dabei erscheint die Bindehaut leicht geröthet durch Eintritt von Blut in die lymphatischen Gefässe, die in paralleler Richtung von den Augenlidrändern gegen den Augapfel fortlaufen und sich in dessen Bindehaut verlieren. Unter dieser gelindern Form verläuft oft die Entzündung* ohne weitere Fortschritte oder es steigern sich diese Erscheinungen zur dunklern Röthe, grössern
*) Leblanc a. a. O. S. 133 u. f.
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und allgemeinem Geschwulst der Augenwinkel, zu juckendem und heftigem Schmerze, Schwerbeweglichkeit der Augenlider, weshalb dieselben meist geschlossen gehalten werden; an der Geschwulst participiren die Thränenpunkte und vermögen darum die Thränen-feuchtigkeit nicht aufzusaugen, weshalb dieselbe fortwährend mit vielem Schleime vermischt über die Augenlider und aus der Nase rinnt. Gegen Abend exacerbiren diese Erscheinungen und es wird die Lichtscheue grosser, des Morgens remittiren siö und es sind die Augenlidränder dann mit gelblichen, Crusten des vertrockneten Schleimes verklebt; die Bindehaut ist dabei aufgelockert und ge-rötheter durch ihre angefülltem Gefässe, die jetzt auch nicht mehr ihren geraden Gang einhalten, sondern unter sich anastomosirend, Netze bilden.
sect;. 177. Dehnt sich die Entzündimg von der Augenliderbindehaut auf jene des Augapfels aus oder hat sie ursprünglich dort schon begonnen, so steigern sich alle eben angeführten Erscheinungen und röthet
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sich die Augapfelbindehaut durch parallel nebeneinander laufende, an dem Hornhautrande spitz endigende Blutgefässe, welche bei voranschreitender Entzündung Eamificationen bilden. An den Stel­len ihrer engern Verbindung erhebt sich die anfangs gespannte, dann schlaffe und aufgelockerte Bindehaut zu kleinern, mit seröser Flüssigkeit gefüllten Bläschen (Phlyctenulae) oder auch zu grössern, serösen chemotischen Blasen. Dabei ist die Empfindlichkeit des Auges weit grosser und die Thränensecretion oft ganz unterbrochen und Xerophthalmie zugegen.
sect;. 178.
Sind die Meibomischen Drüsen zugleich und schon zu Anfang in die Entzündung verflochten, Blepharadenitis catarrhalis, so zeigt sich längs der Ausführungsgänge dieser Drüsen eine rothe härt­liche Geschwulst, welche sich über die äussere Augenlidhaut ver­breitet und diese, besonders an dem äussern Augenwinkel, wie excoriirt erscheinen lässt. Dabei ist die Augenliderbindehaut ge-röthet, etwas aufgewulstet, besonders in der Nähe des Tarsalrandes, haben die blutinjicirten Lymphgefässe den oben angegebenen Ver­lauf und Richtung, und sind dieselben von' verschiedenem Umfange und dunkelroth. Die Empfindlichkeit imd Schmerzhaftigkeit des Auges ist sehr gross und die Augenlider sind krampfhaft geschlos­sen, wodurch die Thränen zurückgehalten werden und nur zeit-weisse aus dem Auge stürzen.
Meistentheils sind mit der catarrhalischen Axigenentzündung entzündüche Erscheinungen der Schleimhäute der Thränenwege und der Nase verbunden, was man bei jungen Pferden, die auf
Müller, Veterinär-Ophlhalmologic. II.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;7
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98nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dynamische Krankheiten des Auges.
feuchten Weiden gehalten werden oder mit der Druse behaftet sind, bei Hunden, die an der Staupe leiden, bei Schaafen nach der Woll­schur und bei Katzen besonders bemerkt. — Sämmtliche Krank-heitserscheinungen exacerbiren des Abends und remittiren des Morgens.
Unter allmäligem Nachlasse dieser Krankheitserscheinungen beginnt eine vermehrte Absonderung consistenten Schleimes, Avelcher in dicklichen Streifen und Flocken die Oberfläche des Augapfels überzieht und während der Nacht die Augenlider verklebt, so wie die angeätzten Stellen der äussern Tarsalränder mit gelblichen Crusten bedeckt, dann nach und nach sich in Qualität und Quan­tität wieder normalisirt.
_ sect;. 179.
Manchmal wird die Schleimabsonderung chronisch, die Schleim­haut des untern Augenlides aufgewulstet und granulös und deren Absonderung puriform (eiterförmig).
Bei heftigerer, lange anhaltender oder vernachlässigter Entzün-dung der Meibomischen Drüsen entstehen am Augenlidrande Bläs­chen, welche in Erosionen und tief fressende Geschwüre übergehen und, gleich der erysipelatösen Augenliderdrüsenentzündung, zu verschiedenen Verbildungen der Augenlider Veranlassung geben.
sect;. 180.
Die catarrhalische Bindehautentzündung hat bei Fortdauer schädlicher Einflüsse, bei lymphatischer Constitution, dyskrasischen Individuen und nach mehrfach erlittener catarrhalischer Ophthalmic eine vorherrschende Neigung zum Uebergange in Schleimflüsse beider Bindehauttheile (Blepharophthalmoblennorrhoea), welche un­ter den oben (sect;. 163 u. if.) angegebenen Erscheinungen auftritt, im schlimmem Falle die Hornhaut in den entzündlich blennorrhoi-schen Process verwickelt, Eiteransammlungen in deren Gewebe und in der vordem Augenkammer veranlasst, jene zerstört und alle daraus hervorgehende, bei den Ausgängen der Hornhautvereiterung näher zu erörternde Destructionsfehler zur Folge haben kann und häufig zu den oben, bei der erysipelatösen Augenliderdrüsenent­zündung näher bezeichneten Formveränderungen der Lider, Anlass gibt.
sect;. 181.
Zu den Ursachen der catarrhalischen Augenentzündung gehö­ren im Allgemeinen auch jene, welche die idiopathische Bindehaut­entzündung hervorzubilden vermögen, insofern sie unter dem be­günstigenden Einflüsse nachtheiliger Luftmischung, besonders durch klimatisch-atmosphärische Veränderungen erzeugt, auf das Auge und besonders auf die Meibomischen Drüsen einwirken und das
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Auge ohnehin durch andere Schädlichkeiten, etwa durch über-mässige Einwirkung des Lichtes, Staubes und dergl. zuvor schon gereizt war.
Häufig entwickelt sie sich sympathisch aus einer Catarrhal-affection der Schleimhaut der Nase und der Luftwege, vorzüglich dann, wenn die letztern bei schnellem Wechsel der Witterung und der Temperatur des Körpers, bei feuchtem Wetter, kalten Nächten, plötzlichen Nachtreifen, Zugluft in den Ställen, schlechtem, dumpfi­gem Heu und Hafer, in dunstigen, feuchten Ställen und andern Ursachen, sich zur grössten Höhe erheben.
Daher auch an der Druse leidende Pferde, mit der Staupe be­haftete Hunde am häufigsten von der catarrhalischen Augenentzün-dung befallen werden und von letztern jene am häufigsten und heftigsten, welche sehr zärtlich erzogen und gehalten werden, die keine gehörige Bewegung haben und deren Nahrung sehr verschie­denartig ist und noch besonders bei solchen, die sorgfältig in Fe­derbetten gepflegt und zufällig oder plötzlich einer sehr abweichen­den Temperatur ausgesetzt werden.
sect;. 182.
Die Prognose bei der catarrhalischen Augenentzündung ist in allen recenten Fällen und dann, wenn das erkrankte Thier der Einwirkung der ursächlichen Momente gehörig entzogen werden kann, günstig. — Ist aber diese Entzündung sogleich mit grosser Heftigkeit aufgetreten oder schon weit gediehen oder chromsch ge­worden, dann ist sie oft sehr hartnäckig und für die Integrität des Organs in vielfacher Beziehung gefährlich. —- Zum Uebergange in Blennorrhöe neigen sich vor Allem jene Fälle, die mit grosser Hef­tigkeit verlaufen und bei Thieren vorkommen, die zu profusen Se-cretionen sich hinneigen oder deren Säftemasse mit irgend einer Dyskrasie behaftet ist. Die specielle Prognose ist von den vor­waltenden Umständen, dem Grade und der Dauer der Ophthalmic und der damit vergesellschafteten Krankheiten, Druse, Staupe und dergl., von den Verhältnissen, in welchen das Thier lebt u. s. w. ab-hänsriar und darnach besonders zu bemessen.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;'
sect;. 183.
Die Behandlung der catarrhalischen Ophthalmic hat vor Allem eine sorgfältige Berücksichtigung der ursächlichen Momente und deren mögliche Entfernung zur Aufgabe. Es ist darum ein massig diaphoretisches Heilverfahren in Verbindung mit entspre­chender Berücksichtigung des Localzustandes zunächst geboten.
Man versetze daher das Thier in eine warme Temperatur, reiche ihm blande Nahrung, schleimiges und laues Getränke, be­decke dessen Rücken, verhänge ihm bei massiger und gutartiger
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100nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
Entzündung das Auge mit einer trockenen Compresse, bei stärke­rer, nicht mit rheumatischer oder psorischer Dyskrasie verknüpfter Entzündung hingegen, mit nasskalten, bei erethischem Charakter der Entzündung mit feuchtwarmen, etwa in schleimige Malven-decocte, bei torpider, mit vorwaltender Aufwulstung verbundener, catarrhalischer Entzündung, mit, in einen gelind adstringirenden aromatischen, nach Umständen mit Kampherspiritus verstärkten Kamillenaufguss getauchten Compressen, wodurch man fast durch­gängig baldige und sichere Heilung zu erzwecken vermag.
sect;. 184. Ist die Entzündung mehr chronisch, jedoch gutartig, so darf weniger auf die Transpiration der Haut hingewirkt, dagegen mehr mittelst entfernter Application von Hautreizen derivirt und das vegetative und irritable Leben gelind angeregt werden, ein Verfah­ren, welches bei jungen Thieren, deren Augen für alle Einflüsse sehr empfänglich sind, um so empfehlenswerther ist, als deren Augen, ihres noch nicht ausgebildeten und zarten Baues wegen, jeder krankhaften Affection leicht unterliegen.
sect;. 185. Tritt die Entzündung mit grosser Heftigkeit und rasch auf, so ist ein intensiverer Eingriff geboten und es muss nothwendig auf eine allgemeine und locale Herabstimmung der Irritabilität hinge­wirkt werden, zu welchem Endzwecke allgemeine und örtliche Blutentziehungen, kräftig ableitende Hautreize, drastische Ablei­tungen auf den Darm, besonders nothwendig erscheinen, jedoch aber alle Vorsicht gebieten, indem dieselben in unverhältnissmässi-ger Ausdehnung angewendet, die Entzündung gerne zur Blennor-rhöe fuhren.
quot;Wurde durch die antiphlogistische Methode die Spännimg und Empfindlichkeit des Auges vermindert und tritt vermehrte Schleim­absonderung ein, kleben die Augenlider des Nachts zusammen, so sind leicht adstringirende Augenwässer, eine leichte Zinkauflösung in Verbindung mit Opium zur Einträufelung in das Auge beson­ders angezeigt. Bei veralteten Fällen torpiden Charakters zeigt sich auch eine rothe Präcipitat- oder Zink-Salbe heilbringend.
sect;. 186. Stellt sich Blennorrhöe ein, so wende man eine stärkere Zink­auflösung mit Opium an oder man greife zum salpetersauren Silber, von welchem man in Substanz durch Touchiren oder in concentrir-ter Auflösung Gebrauch machen kann.
sect;. 187. Gegen den, nach diesen Ophthahnien und Blennorrhöen häufig zurückbleibenden, hypervegetativen Process, welchen Guthrie unter
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dem allgemeinen Ausdruck „sore eyesquot; zu verstehen scheint, em­pfiehlt Weller den örtlichen Gebrauch seiner schwarzen Salbe, mit welcher er laut der Medico-chirurgical review, by Johnson. Oct. 1. 1828. pag. 569 et seqq. die veraltetsten Entzündungen in kurzer Zeit heilte. Er nimmt dazu 2 bis 10 Gran auf 1 Drachme Unguent. Cetacei und 15 Tropfen Acet. Saturni. Doch gibt er derjenigen Salbe, welche 10 Gran salpetersaures Silber enthält, den Vorzug. Je frischer dieselbe ist, desto besser wirkt sie, immer aber verur­sacht sie mehr oder weniger Schmerz, weswegen sie auch selten vor dem dritten Tage, zuweilen sogar vor dem 6., 7. oder 8. Tage wieder angewendet werden darf. Weller hat sie in mehreren Fäl­len, in welchen er fruchtlos die gerühmtesten Mittel versuchte, die ausgezeichnetsten Dienste geleistet. Oft Hess er den Bleiessig weg und bediente sich des Argenti nitrici crystallini, gewöhnlich zu 2 bis 5 Gran auf die Drachme und nahm für das Ungt. Cetacei lie­ber einen Theil Cacaobutter und 21/2 Theile frisch ausgepresstes Mandelöl.
sect;. 188.
Hat sich die catarrhalische Ophthalmie aus allgemeinem Ca-tarrhalfieber, der Pferde-Druse oder Hunde-Staupe hervorgebildet, so ist es nöthig, noch speciell auf den allgemeinen Körperzustand einzuwirken und man suche daher überhaupt die Ab- und Ausson­derungen zu bethätigen.
Bei Pferden wende man gleichzeitig besonders solche Mittel an, die vorzüglich auf die Hautausdünstung wirken; dahin gehören Wachholderbeeren, das Terpenthinharz, oder auch der gekochte Terpenthin (terebinthina coeta) und der gemeine Terpenthin; auch kann die Baldrian- und Calmuswurzel und das Terpenthinöl in Fällen von bedeutender Schwäche mit grossem Vortheil angewendet-werden. Femer ist der Schwefel, der rohe Spiessglanz und einige Präparate desselben, z. B. der Gold - Schwefel (sulphur stlbiatum aurantiacum), mit oder ohne vorgenannte und auch mit schleimigen Mitteln in Verbindung, zu empfehlen*).
Bei Hunden wirken in solch complicirten Fällen Brechmittel sehr gut, nach ihnen und ausserdem Fliederblumenaufgüsse mit einem Zusätze des flüssig essigsauren Ammoniums (Minderers Geist, Liquor Ammonii acetici) oder des Terpenthinöls, zu 20 Tropfen.
*) Dictrichs's Veterin.-Chirurgie. S. 289. sect;. 47.
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III. Von der rheumatischen Entzündung der Bindehaut.
sect;•189.
Die rheumatische Bindehautentzündung, Conjunctivitis rheumatica, fällt meistens mit der Entzündung der Sclerotica zu­sammen und charakterisirt sich niemals als reine Form; im Allge­meinen bietet sie folgende Kennzeichen:
Das Thier ist lichtscheu, die Augenlider sind oft nicht bedeu­tend geschwollen, aber fest verschlossen und die Thiere zeigen be­deutende Empfindlichkeit; — Hunde winseln und schreien oft laut auf — die Thränen fliessen periodisch und werden nicht so leicht schmierig, aber doch scharf. Die Bindehaut ist überall stark und netzförmig geröthet, hier und da sind einzelne Blutgefässchen stär­ker und ausgedehnter. Dann verliert sich die Lichscheue, es fliessen mehr Thränen aus und die geröthete Bindehaut wird nun deutlich sichtbar. — Es entstehen auch kleine, Serum enthaltende Bläschen (Phlyctänen), welche aufplatzen und sowohl die Theile des Auges (cornea, sclerotica) als auch die Umgebungen ätzen und in Eiterung versetzen. — Dieses Uebel verläuft oft in sieben bis vierzehn Tagen.
sect;.190.
Die Ursachen der rheumatischen Bindehautentzündung fal­len mit jenen, welche catarrhalische Augenentzündungen zu Stande bringen, zusammen, und unterscheiden sich blos in der Wirkung so, dass sie bei dem Eheumatismus mehr auf die fibrösen und serö­sen Häute, beim Catarrh (Druse, Euhr, Bräune u. s. w.) dagegen, besonders auf die Schleimhäute und die allgemeine Decke wirken.
Besonders aber bewirkt das Schwemmen und Schwimmen er­hitzter Thiere in kaltem Wasser und das Stehenlassen im Winde oder an Orten, wo starke Zugluft Statt findet, bei ihnen rheumatische Fieber, überhaupt rheumatische Krankheiten und Augenentzündun­gen. Daher kommt die letztere auch häufig mit Rheumatismus, Verschlag, Rehe, Rehekrankheit, catarrhös-rheumatischem.Fieber, besonders aber bei Hunden und zwar bei solchen vor, die viel in's Wasser gehen müssen; deshalb sieht man sie so häufig bei Hüh­nerhunden und bei allen Gattungen Jagdhunden entstehen. Auch leiden Weidepferde und besonders solche, die in sumpfigen Gegen­den weiden, nicht selten an dieser Krankheit.
sect;. 191.
Die Prognose bei der rheumatischen Bindehautentzündung ist gewöhnlich ungünstiger, als bei der catarrhalischen. Das Uebel verbreitet sich weit leichter und ergreift edlere Theile des Gesichts-
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organs. Nicht selten kehrt diese Krankheit wieder zurück und •wandelt sich in jene um, die wir periodische Augenentzündung nennen. — Ausserdem lassen die aufgeplatzten Bläschen üble Nar­ben und undurchsichtige Flecken zurück, die ihrem Sitze nach, oft sehr nachtheilig werden *).
sect;. 192.
Behandlung. Man muss hier vorzüglich die Kälte, das Waschen mit kaltem Wasser und die Zugluft meiden, desgleichen sind alle Schädlichkeiten, welche die Krankheit hervorbrachten und unterhalten könnten, zu verhüten.
Es werden dagegen die Augen mit trockenen Compressen ver­hängt.
Ist die Irritabilität des Auges sehr gross, so instituire man allgemeine und örtliche Blutentziehungen, Ableitungen auf den Darm und auf die Haut an entferntem Stellen des Körpers. — Prävalirt aber die Sensibilität und ist das Auge in sehr hohem Grade lichtscheu, schmerzhaft und thränend, so wende man anfangs örtliche Umschläge von Leinsaamen mit Bilsenkraut und dergl. an, vermeide aber noch die Hautreize, bis der nervöse Erethismus sich gelegt hat.
sect;. 193.
Fangen aber die Thränen an scharf zu werden, ist das Auge trübe und die Bindehaut schlaff, obgleich geröthet, so muss man das Auge erst mit lauem Wasser reinigen und dann Einträufelungen und Anfeuchtungen mit Auflösungen des schwefelsauren Zinks, Augensteins — 6—10 Grane auf 2 Unzen destillirten Wassers — zur Anwendimg bringen. Zeigt sich das Auge besonders torpid oder sind schon kleine Geschwürchen vorhanden, so setze man diesen Augenwässern noch Reizmittel, als Branntwein, einfache Opium- und Aloetinctur bei.
sect;. 194.
Im Falle die rheumatische Augenentzündung ihre veranlassende Ursache in der Localität des Stalles gefunden hat, so sey man be­müht, die veranlassenden Uebelstände zu beseitigen und besonders zu bewirken, dass die ammoniakalischen Dünste aus der Mist­jauche die Augen nicht treffen.
*) Die Diagnostik, Actiologio und Prognostik dieser Krankheit entlehnten wir Dietrichs a. a. O.
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IMnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dynamische Krankheiten des Auges.
IV. Von den exanthematischen Entzündungen der Bindehaut.
sect;. 195. Die exanthematischen Augenentzündungen sind in Wesen, Form und Verlauf den Exanthemen gleich, sie beruhen auf
# gleicher Grundursache, bieten ein gleiches Ansehen, unterscheiden sich in einzelne Species, haben dieselben Stadien und sind acut oder chronisch wie diese, an welche sie als Symptome gekettet sind.
sect;. 196. Die acut exanthematischen Ophthalmien gehören zu den fieber­haft, schnell und geregelt verlaufenden Krankheiten und entstehen vor, mit, oder nach Exanthemen; der Form nach treten sie als ört­liches Leiden auf, welches jedoch auf einer krankhaften Verände­rung der Säfte des Körpers beruht, durch unmittelbare Uebertra-gung des KrankheitsstofFes auf's Auge oder metastatisch entstan­den ist.
Sämmtlich entwickeln sie sich in der Bindehaut und nehmen von da ihre Weiterverbreitung.
1. Von der rosenartigen Entzündung der Bindehaut.
sect;. 197. Beider rosenartigenBindehautentzündung, Ophthalmo-Conjunctivitis erysipelatosa, ist die Bindehaut anfänglich massig geröthet, in's Gelbe hinüberspielend und ungleich geschwollen. Die Thränenabsonderung ist vermehrt, die Lichtscheue und Empfind­lichkeit des Auges aber nicht gross. Nach einiger Dauer oder so­gleich unter Einfluss ungünstiger Verhältnisse, erhebt sich die Bindehaut im Umfange der Hornhaut in blasenartige Wülste wie auch das Bindehautblättchen am Bande der Hornhaut in kleine, mit einer hellen oder gelblichen Flüssigkeit gefüllte Phlyctänchen, die sich zertheilen oder später platzen und wieder verschwindende Grübchen hinterlassen. Im Allgemeinen schreitet diese Entzün­dung bei entsprechender diätetischer Pflege wieder zurück, trägt den Charakter der Taraxis und entscheidet sich durch eine massige Schleimsecretion, während dagegen unter ungünstigen Verhältnissen oder schlechter Behandlung, etwa nach Anwendung zusammenzie­hender oder Reizmittel oder Salben, die Entzündung chemotisch wird und in bösartige und gefahrdrohende Vereiterung oder Brand der Bindehaut und Hornhaut übergehen kann.
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sect;. 198.
Fieber ist bald zuerst vorhanden und die nachfolgende Binde­hautentzündung erscheint als dessen Folge; bald ist das locale Leiden das primitive und seine Heftigkeit oder Ausbreitung hat das Fieber zur Folge. — Der Charakter des Fiebers ist in der Kegel der entzündliche, obgleich nicht rein, sondern annnähernd gastrisch-biliös, wie die gelbliche Farbe der Schleimhäute, die ge­sättigte Färbung des Blutserums und des Ergusses in das Zell­gewebe, zeigt*).
sect;. 199.
Diese Entzündung beobachtet man bei Pferden, Schaafen und Schweinen nach Erkältung auf Erhitzung, im Conflict mit einer in­dividuellen Anlage, die auf Störungen der Verdauung, chronischem Leberleiden u. s. w. beruht und zuweilen epizootisch.
sect;. 200.
Die Prognose dieser Entzündung geht aus der Symptoma­tologie hervor und erscheint im Allgemeinen günstig.
sect;.201.
Die Behandlung ist jene der rosenartigen Hautentzündungen überhaupt und erfordert selten mehr, als sorgfältiges Bedecken der Augen mit erwärmten Compressen und nach ermässigtem Beize mit aromatischen Säckchen, welchen man bei Neigung zu allzu starker Auflockerung oder Blennorrhöe etwas Campher beigeben kann.
Der Uebergang in Blennorrhöe oder Ülceration erfordert die vorsichtige Anwendung adstringirender Metalle, des Grünspans und Bleiextractes nur in wässriger Auflösung, da diese Entzündungs­form im Allgemeinen fette Mittel nicht wohl erträgt.
sect;. 202.
Gebietet die Intensität des Fiebers eine therapeutische Be­rücksichtigung, so besteht dieselbe ausser einer kühlenden Füt­terung in Anwendung gelind antiphlogistischer Mittel (z. B. des Weinsteins, der Salzsäure) in massiger Gabe; nur in höherm Grade des Fiebers, ist eine Aderlass mit Vorsicht zu unternehmen.
2. Von der variolösen Augenentzündung.
sect;. 203. Die variolöse Augenentzündung, Ophthalmia variolosa, ist nicht nothwendigc Erscheinung der Pockenkrankheit, daher auch
*) S. Spcciollc Pathologie u. Therapie für Thierärzte von Eduard Hering. S. 2G7.
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Dynamische Krankheiten des Auges.
nicht mit Bestimmtheit an ein geAvisses Stadium derselben gebun­den. Sie zeigt sich entweder als begleitendes Symptom der Blat­tern oder sie entsteht, wenn diese ihren Verlauf schon geendigt haben, aber eine bestimmte Dyskrasie im Körper zurückgeblieben ist. Sie beginnt meistentheils im Stadium des Ausbruchs — am siebenten oder achten Tage der allgemeinen Pockeneruption — und erreicht im Stadium der Eiterimg ihre grösste Heftigkeit. Sie ent­steht gewöhnlich bei einer gewissen Intensität der Krankheit; bei häufigem Ausschlage an den obern Theilen des Körpers vorzüglich am Gesichte; bei Verunreinigung des Auges mit den Klauen, mit welchen das Thier die Pocken gekratzt hat; oder auch, wenn früher schon krankhafte Empfindlichkeit der Augen zugegen war; bei un-regelmässig verlaufenden, zusammenfliessenden, so wie bei den bösartigen, bräunlichen, schwärzlichen, sogenannten Aaspocken.
sect;.204.
Sie hat ihren Sitz in der Bindehaut, Conjunctivitis variolosa. Ophthalmia variolosa externa, ergreift die Augenliderdrüsen, Ble-pharophthalmia glandulosa variolosa, oder die Augenlider, Blephar­itis variolcrsa vel pustulosa; verbreitet sich auf sämmtliche äussere Theile, Blepharophthalmia variolosa, so Avie auf den ganzen Aug­apfel, Ophthalmitis variolosa, und verbindet sich mit Schleimfluss, Ophthalmoblennorrhoea variolosa.
sect;. 205.
Der ganze Verlauf der Entzündung ist mit heftigen allgemei­nen Fieberbewegungen verknüpft und zerfällt in drei Zeiträume.
Nach den bisherigen Erfahrungen wurden bisher nur die Schaafe von dieser Ophthalmie befallen.
a. Von der variolösen Entzündung der Bindehaut.
sect;. 206.
Die Erscheinungen des ersten Zeitraumes der variolösen Bindehautentzündung, Ophthalmia variolosa externa, sind jene der Taraxis, ausgezeichnet durch grelle Röthe, Thränenfluss und massige Lichtscheue, auch mit mehr oder weniger Geschwulst der Augenlider verbunden.
Unter Zunahme der Lichtscheue verbreitet sich die Entzün­dung im zweiten Zeiträume über das Bindehautblättchen der Cornea, trübt dasselbe an verschiedenen Stellen und macht es un­durchsichtig , auf welchen Punkten dann rothe, kugelige, sich zu Blattern umwandelnde Erhabenheiten entstehen, wobei sodann die ßöthe in der Scleroticalbindehaut dunkler und ungleich wird, sich die Gefässe bündeiförmig um die Hornhaut sammeln, der Schmerz
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heftig erscheint, die Lichtscheue grosser wird und die Thränen-absonderung gänzlich aufhört, Xeroma eintritt.
Mit dem dritten Zeiträume erheben sich diese Blattern zu Eiter - gefüllten Pusteln und es entstehen solcher Blattern ebenfalls auf der Scleroticä, welche, mit einem rothen Gefässkranze um­schlungen und grosser sind, jedoch oberflächlicher sitzen, mehr her­vorragen und in das Gewebe der Scleroticä minder tief eindringen, als die erstem.
Nach vollendeter Eiterung öffnen sich die Pusteln entweder nach aussen, stossen ihre obere Decke ab und hinterlassen grosse, flache Eitergeschwüre, welche langsam vernarben und dicke, weiss-liche und gänzlich unheilbare Narben hinterlassen; oder sie durch­bohren durch Senkung des Eiters die Hornhaut nach innen und zerstören dieselbe oft gänzlich.
Auch auf der Bindehaut des obem Augenlides entwickeln sich Pocken von gleichem Ansehen, welche die Schmerzhaftigkeit sehr erhöhen, die Beweglichkeit des Augenlides sehr stören und grosse Geschwulst veranlassen.
sect;, 207.
Während dieser Vorgänge dehnt sich die Entzündung bei grosser Intensität auch auf die Iris aus, versetzt diese in sympa­thische Entzündung und führt zu Eiteransammlung in der vordem Augenkammer und gänzlicher Zerstörung des Augapfels, gleich einer heftigen Blennorrhöe.
Eine weitere Verbreitung der Entzündung und Blatternbildung hat auch auf die Blinzhaut und die Thränenwege Statt. Die Blinz-haut schwillt stark an, der Thränensack und der Thränencanal entzünden sich, die Eiterung der Pocken ergreift im schlimmem Falle den Blinzknorpel, zerstört ihn, veranlasst Schleimfluss des Thränensackes und Thränencanales, welcher bei ungünstigem Ver­laufe zu Adhäsionen und gänzlicher Umvegsamkeit des Canales, Vereiterung und Fisteln des Thränensackes Veranlassung geben kann.
sect;. 208.
Die Prognose bei dieser Species der variolösen Ophthalmic wird in den seltensten Fällen günstig, in vielen zweideutig, in den meisten ganz ungünstig für das Gesicht, für die Form des Auges, ja für das Leben des Thieres ausfallen müssen. — Da, wo es möglich ist, sogleich eine entsprechende Behandlung einzuleiten, wo die Entzündung sich nicht auf die Innern Theile fortsetzte, wo nur Avenige Pocken auf der Hornhaut sassen und diese ihren Inhalt nach aussen entleerten, gestaltet sich die Prognose insoweit gün­stiger, als die zurückbleibenden Folgen nur in Beschränkung des
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Dynamische Krankheiten des Auges.
Sehvermögens und krankhafter Empfindlichkeit des Auges bestehen.
sect;. 209.
Eine Behandlung dieser Augenkrankheit ist wohl nur selten möglich, weil das Uebel gewöhnlich ganze Heerden befällt und deshalb sich im ersten Zeiträume nur dahin beschränken kann, das Auge anfangs mit kalten, später mit lauwarmen, feuchten Fo-mentationen zu bedecken, Hautreize, Haarseile etwa, zu appliciren, um den Umfang und die Zahl der, auf der Oberfläche der Horn-haut emporkommenden Pocken zu beschränken, sowie für einen reinen trockenen und warmen Aufenthalt, reines Getränke und hin­reichend Salz zu sorgen, um die Hautthätigkeit zu unterstützen, oder entzündlicher Diathese und dem Zersetzungsprocesse in der allgemeinen Säftemasse zu entgegnen.
Der zweite Zeitraum erfordert unbedingt die Erweichung der Pusteln durch feuchtwarme, gelindreizende Umschläge abwechselnd mit camphorirten Compressen, sowie ein frühzeitiges Eröffnen der Pocken; welche Operation man mittelst des Staarmessers oder der Lancette, durch einen angemessenen Schnitt vornimmt, darauf die eröffneten Pusteln mit Opium haltigen Augenwässern reinigt und die geheilte Wunde und zurückgebliebenen Hornhautflecken mit Opiumtinctur und rother Präcipitatsalbe behandelt.
Bei einer Complication mit Iritis dürfte wohl kaum eine Be­handlung mehr, als symptomatischen Erfolg haben, da in diesem Falle an Erhaltung des Auges nicht wohl zu denken seyn dürfte. Kalte Umschläge, Hautreize, die Eröffnung der Hornhaut und ört­liche Blutentziehungen vermögen in solchen Fällen nur eine Ermäs­sigung des Schmerzes und Erhebung der gesunkenen Vitalität zu erwirken, sowie der Fortpflanzung der Entzündung auf das Gehirn vorzubeugen.
Die Behandlung der, auf die Thränenwege sich fortsetzenden Entzündung werden nach den, bei der idiopathischen Entzündung dieser Werkzeuge näher zu bestimmenden Grundsätzen und Regeln geleitet.
b. Von der variolösen Augenliderdrüsenentzündung.
sect;. 210. Die variolöse Augenliderdrüsenentzündung, Blephar-ophthalmia variolosa glandulosa, ähnelt dem Verlaufe der einfachen catarrhalischen Augenliderentzündungen und scheint nur durch con-sensuelle Reizung bei mangelhafter Pockenentwickelung bewirkt zu seyn, sie geht dem Exantheme selbst voran oder zeigt sich min­destens schon bei den ersten Spuren des Fiebers. Der Rand der
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Augenlicler zeigt sich geröthet, schmerzhaft und gespannt, einige Lichtscheue und Thränenfluss ist anfangs zugegen, die gehemmte Schleimabsonderung findet sich allmälig wieder ein und es endet das geringe Leiden in der Kegel mit der Abschuppung der Pocken, während sie übrigens, bei all ihrem gefahrlosen Ansehen, unter Einwirkung nachtheiliger Einflüsse zu seeundär - variolösen Augen­entzündungen Anlass geben kann.
Ein passendes allgemeines, diätetisches Verhalten und öfteres Auswaschen der Augen mit lauem Wasser ist genügend, das Lei­den gefahrlos zu machen und zu Ende zu führen.
c. Von der variolösen Augenliderentzündung.
sect;. 211.
Die variolöse Augenliderentzündung, Blepharitis va-riolosa, vel pustulosa, ist für nichts anderes anzusehen, als für eine weitere Verbreitung der Pockenkrankheit auf die Augenlider, mit welcher sie in Allem völlig übereinkommt und nur der grossen Empfindlichkeit des Organes und dessen grosser Neigung zur An­schwellung wegen, einen intensivem Charakter annimmt, wie auch ob dessen weicherer Structur, zu grössern Formveränderungen hin­neigt und dabei, der innigem Verbindung mit dem Augapfel halber, für das Sehorgan gefährlich werden kann.
Gewöhnlich sind die Augenlider so verschwollen, dass es un­möglich ist, die Oberfläche des Augapfels zu untersuchen und man erkennt nur ihr Ergriffenseyn aus der Gegenwart des anfangs star­ken und später aufgehobenen Thränenflusses und der grossen Licht-seheue, welche Erscheinungen im entgegengesetzten Falle fehlen.
sect;. 212.
Unter die, auf diese Entzündung folgenden Formveränderungen gehören: Desorganisationen der Hautstellen, aufweichen die Blat­tern sassen, Zerstörung der Wimperdrüsen und Haarwurzeln mit ihren Folgen, Geschwulst und Verschrumpfung des Tarsus und daraus entstehendes Entropium.
sect;. 213.
Die Prognose bei dieser Species der variolösen Ophthalmic richtet sich nach der Gestalt der, zur Ausbildung gekommenen Formveränderungen des Augenlides und nach dem Grade der Mit­leidenschaft des Augapfels.
sect;. 214.
Die Behandlung hat beim Beginne des ersten Zeitraumes zur Aufgabe, alles zu entfernen, was die Entwickelung der Pocken stören oder das Auge irgend zu reizen vermöchte, wonach ein jedes
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andere, als diätetisches Verfahren, ganz unanwendbar erscheint. Sind dagegen die Pusteln zur Keife gelangt, so müssen sie alsbald geöffnet und das Geschwür, so lange die specifische Eiterung fort­dauert , durch öfteres und sorgfältiges Reinigen mit Kamillenwasser offen gehalten oder bei etwaigem, zu frühzeitigem Schlüsse wieder geöffnet und durch Compressen vor Verunreinigung und nachthei-litrcn Lufteinflüssen geschützt werden.
d. Von dem Schleimflusse der variolösen Augenentzündung.
sect;. 215.
Die Ophthalmoblennorrhoea variolosa erscheint nicht als ein nothwendig integrirender Theil der Entzündung, sondern ist nur ein Uebergang derselben, sobald die Blattern ihrer grossen Anzahl und besondern Bösartigkeit wegen, eine vorherrschende Neigung zum Zusammenfliessen haben, die Eiterung allzu rasch sich entwickelt, die Säftemischung des ergriffenen Thieres eine krankhafte ist oder eine sehr gesunkene Reproduction obwaltet, und endlich, wenn die Abschuppung durch äussere Einflüsse, nament­lich durch Erkältung in ihrem Gange gestört wird.
_ sect;. 21G.
Unter ähnlichen Erscheinungen, wie sie die variolöse Augen­liderdrüsenentzündung darbietet, sowie mit Anschwellung der Scle-roticalbindehaut und des Bindehautblättchens der Cornea, nebst zunehmender rosenartiger Entzündung des äussern Augenlides, kündigt sich die erste Periode der Blennorrhöe an, welche darauf, wenn ihrer fernem Entwicklung nicht Einhalt gethan wird, in die zweite Periode übergeht, wo sodann die Schleimsecretion über der ganzen Fläche der Bindehaut ihren Anfang nimmt und die Hornhaut alsbald erodirt, nach und nach durchlöchert, ihr ganzes Gewebe destruirt und entweder in ein warzenartiges Leu-kom, (Leucoma verrucosum, Staphyloma racemosum), oder in gänz­liche Vernichtung ihres Fasergewebes, in eine einfache zapfen­artige vorgedrängte Masse (Staphyloma verum), oder bei Zerstö­rung der vordem Lamellen mit zurückbleibendem Gewebe der hin­tern Blätter der Hornhaut, in einen weissgetärbten Hornhautbruch (Ceratocele albida sive cicatrisata) umgewandelt wird oder das Aiigc platzt und wird gänzlich durch die darauf folgende Atrophie zerstört *).
*) S. Benedict, Handhuch der praktischen Augenheilkunde. 2terBd. S. 125.
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sect;• 217.
Die Prognose ist die allgemeine der Blennorrhöc und hier noch besonders ungünstig.
sect;. 218.
Die Behandlung ist nach den allgemeinen, bei den Blen-norrhöen gebotenen, Regeln zu leiten und besonders die Reinigung des Auges, sowie eine allgemeine, den Kräftezustand unterstützende Behandlung angezeigt.
sect;. 219.
Nach diesen verschiedenen Species der variolösen Ophthalmic bleibt häufig eine eigene Dyskrasie im Körper und -vorwaltende Neigung zur Entzündimg des ergriffen gewesenen Auges zurück, welche man als eine seeundäre Form dieser Krankheit betrachten muss, die oft nach Verlauf einiger Tage das Auge zur Vereiterung bringt.
Dagegen sind curativ und prophylaktisch solche Mittel zu ge­brauchen, welche die Secretionen des Körpers und die Thätigkeit des Lymphsystemes einige Zeit hindurch in verstärkter Thätigkeit zu erhalten im Stande sind; unter diesen verdienen der Spiess-glanzschwefel, das Spiessglanzquecksilber, das Calomel, die Neu­tral- und Mittelsalze u. dergl. besonders empfohlen zu werden.
V. Von den impetiginösen Augenentzündungen.
sect;. 220. Unter den impetiginösen Hautausschlägen, welche sich auch an den Augen zeigen, sind besonders die Krätze und die Flech­ten anzuführen, deren Erscheinungen sich im Wesentlichen glei­chen und unter dem Namen der psorischen Ophthalmic ge­wöhnlich aufgeführt werden. — Die Organtheile des Auges, wo man sie findet, sind die äusseren und bedeckenden, sowie die Drüsen; auf den erstem erscheinen sie als wirkliche Ausschläge, in den letztern veranlassen sie eine in Verschwärung übergehende Entzündung. Auch auf innere Organgebilde Averfen sie sich, jedoch ohne nachweisbaren Ausschlag.
1. Von den psorischen Augenentzündungen.
sect;. 221. Die psorische Ophthalmic, Ophthalmia psorica, Psorophthal-mia, erscheint als eine Entzündung in den Augenlidern, sowie in
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der Bindehaut und wird daher als Blepharophthalmia psorica und Ophthalmia externa psorica unterschieden.
sect;. 222. a) Blepharophthalmia psorica. Unter sichtbarem Ge­fühle von Jucken bricht auf den Rändern der Augenlider eine un­gleiche Röthe hervor, wobei die Bindehaut des Augenlides an­schwillt und besonders in der Nähe des Augenlidrandes entzündet erscheint. Auf dem Augenlidrande zeigen sich alsbald kleine, spi­tzige , dunkelrothe Knötchen, welche in juckende, weissgelbe Bläschen und Pusteln übergehen, besonders auf der Seite des Au­genlidrandes bemerkbar werden, und allmälig sich über die äussere und innere Augenlidplatte verbreiten, von einem dunkelrothen Hofe umgeben sind und auf deren Spitze ein kleines braunes Pünktchen sichtbar ist. Es bersten dieselben und entleeren eine scharfe Lymphe, welche die Oberhaut excoriirt, auf den Geschwüren ver­trocknet und selbe mit dunklen Crusten bedeckt. Die auf der Au­genlidbindehaut befindlichen minder grossen und geplatzten Pusteln verursachen in Verbindung mit der, in entzündliche Mitleiden­schaft gezogenen Bindehaut, eine Art gemischter Blennorrhöe, welche ein nächtliches Verkleben der Augenlider zur Folge hat, während gleichzeitig die Eiterung in den Geschwüren der Augen­lidränder unter den Borken immer weiter fortschreitet. Die Ge­schwüre beider Augenliderplatten treten nun mit einander in Ver­bindung und bilden dicke, die Wimpern verklebende, Crusten auf den Augenlidrändem. Das Jucken unter denselben wird heftig, und der Drang zum Scheuern und Kratzen sehr lebhaft, wodurch, sowie durch das corrosive Secret die Augenlider und die Bindehaut sehr gereizt werden, sich lebhaft entzünden, auflockern, und an­schwellen, die Bindehaut ein sarkomatöses Ansehen erhält und durch das Ineinanderfliessen der Geschwüre und ihre weitere Ver-breitunjj einer aufgeschnittenen Feige gleicht, welchen Zustand man Sycosis nennt. Es schwellen nun auch die Augenliderdrüsen und Augenwimperzwiebeln zu knotigen Geschwülsten an und wer­den , wie auch häufig der Tarsus selbst, zerstört. — Da das Auge ob seines gereizten Zustandes und der starken Geschwulst der Augenlider, oftmals gar nicht geöffnet werden kann, verwachsen häufig die, von der Oberhaut entblössten Augenwinkel mit einander und setzen jenen Zustand, welchen man als Ancyloblepharon be­zeichnet. Nach längerem Bestände dieses Uebels wird durch die ätzende Beschaffenheit des Geschwürsecretes auch die ganze Ober­fläche des Augapfels in krankhaften Zustand versetzt, es ent­wickeln sich Gefässverzweigungen auf derselben, wie auch Ver­dunkelungen in der Hornhaut, und es entsteht starke Lichtscheue
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und Thränenfluss. Wird ausserdem noch durch ungeeigneten Gebrauch stark ausammenziehender, namentlich der Bleimittel, das äussere Leiden unterdrückt, so wirft sich dasselbe auf die innern Gebilde des Augapfels, erregt dort Entzündung der Gefässhaut, Verdunkelung der Linse, glaukomatösen Zustand und gänzliche Vernichtung des Sehvermögens.
Bei günstigerm Verlaufe dieses Uebels und zweckmässiger Behandlung bleibt mindestens fur längere Zeit Geschwulst, Rothe und vermehrte Empfindlichkeit des Augenlidrandes, auch nach ge­heilten Geschwüren, zurück und es wiederholen sich gerne bei dem geringsten Anlasse neue Ausbrüche der Blepharophthalmie.
sect;. 223.
b. Ophthalmia externa psorica. Diese Form ist eine selten vorkommende und entsteht dann, wenn eine inveterirte Krätze zur Unzeit zurückgetrieben worden ist. Es zeigen sich in diesem Falle bei einer massigen, bündelartigen Rothe des äussern Aug­apfels , Lichtscheue und Thränenfluss, kleine, eiterlose, weissliche Pusteln auf der Oberfläche der Hornhaut, welche, ohne zu platzen, längere Zeit stehen bleiben, sich endlich abstreifen und oberfläch­liche Trübimg der Hornhaut in der Form hässlicher, dicht neben einander liegender Nebelflecke an ihrer Stelle zurücklassen.
Während bei der psorischen Form die Entzündung der Bindehaut reinere Röthe zeigt, ist solche bei herpetischer Entzündung schmu­tzig, gelbgrau und hellbraun, fleckenartig und zwischendurch die Bindehaut natürlich gefärbt. — Zu dieser Species gesellt sich auch häufig ein eiteriger Ausfluss, welchen besonders bei Hunden, Ka­tzen, Eseln und Schaafen als Folge von unterdrückter Flechten­krankheit Leblanc beobachtete und der vorzüglich bei Hunden des Kratzens wegen, sehr unglückliche Ausgänge nimmt.
sect;. 224.
Prädisposition zur Psorophthalmie wird durch Mangel an Rein­lichkeit entwickelt; als ursächliches Moment wirken zunächst die verschiedenen Arten der Krätze, welche entweder durch eine allgemein gewordene Dyskrasie auch auf den Augen ihren Sitz nimmt, oder sich bei einer allgemein gewordenen Ausbreitung über die ganze Haut auf dieselben fortsetzt oder durch schnelle Unter­drückung derselben metastatisch sich auf das Auge wirft oder end­lich durch unmittelbare Uebertragung dort entsteht. Auch andere Hautausschläge, die Flechten, die Fusswässer, die Mauke, die Fesselgeschwüre, die Druse u. s. w. erregen bei unzeiti­ger Unterdrückung eben auch eine solche Augenkrankheit.
Hunde, Katzen, Pferde und Schafe, Ziegen, Schweine und
Müller, Veterinär-Ophlhalmologie. !I.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;8
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Rinder werden häufig von dieser Augenkrankheit befallen, da sie besonders zu psorischen Krankheiten disponirt sind.
sect;. 225.
Die Prognose der psorischen Blepharophthalmie ist vorzüg­lich von den äussern Verhältnissen, in welchen die Thiere leben, abhängig, sie ist günstig, wenn diese so umgeändert werden kön­nen, dass die zur Heilung nöthige Reinlichkeit vorhanden ist. Im entgegengesetzten Falle ist sie aber sehr ungünstig, da die Ent­zündung ihren Ausgängen unaufhaltsam entgegeneilen wird. — Günstig ist sie ferner, wenn das allgemeine psorische Leiden nicht zu sehr inveterirt und nicht zur Dyskrasie geworden ist, das locale Leiden noch nicht zu lange besteht und zu weit vorangerückt, und sobald dasselbe auf metastatischem Wege entstanden ist und eine neue Weckung des unterdrückten Ausschlages gelingt, während sie entgegengesetzten Falles, sich sehr trübe gestaltet.
sect;. 226.
Die Entstehungsursache dieser Ophthalmic bestimmt die Be­handlung, insoweit dieselbe eine allgemeine und örtliche zu seyn hat. — Allgemein hat sie zu seyn, sobald durch längeres Beste­hen einer impetiginösen Dyskrasie in der Säftemasse, die Ophthal­mic hervorgerufen wurde. Hauptsäcldich sind es die Schwefel -und Antimonial-Mittel, welche hier nach den besonderen Regeln der Therapie, wie bei Psora u. s. w. anzuwenden sind, und durch drastische Abfuhrmittel unterstützt werden müssen. — Ist die Au­genkrankheit aber Folge einer unterdrückten Psora, so muss eben­falls ein allgemeines Verfahren gegen dieselbe gerichtet und dabei durch Hautreize dahin gewirkt werden, den Ausschlag auf seiner ursprünglichen Stelle wieder hervorzurufen, oder wenn diese zu entfernt vom Auge ist, oder der Ausschlag sich nicht völlig wieder wecken lässt, so müssen zugleich noch kräftige Ableitungen durch anhaltendes Einreiben scharfer oder Pustel - bildender Salben, oder wenn man, namentlich bei Pferden, auf Erhaltung der Haare und Vermeidung von entstellenden Narben Rücksicht zu nehmen hat, Haarseile applicirt und noch einige Zeit nach Entfernung des Augenübels unterhalten werden. Andere chronische Hautausschläge, als die Krätze, welche dieses Uebel begleiten oder vor deren Ent­stehen vorhanden waren und unterdrückt worden sind, sind speciell zu berücksichtigen. Eine rein örtliche Behandlung der Psoroph-thalmie ist nur im Falle einer unmittelbaren Ansteckung thunlich. Das erste Augenmerk hat man dann auf sorgfältiges Reinigen des Auges mit einem Malvendecoct durch Waschungen und In-jectionen, zu richten. Ausserdem erweisst sich gegen das starke Jucken sowohl, als zur Einhüllung des scharfen Secrets das Ein-
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träufeln einiger Tropfen feinen Oels, des Mandel- oder Wallnuss-öls, oder das Einstreichen eines milden Fettes zwischen die Augen­lider sehr vortheilhaft. So lange die Kratz - Pusteln noch geschlos­sen sind oder auch schon Exulcerationen zugegen sind, bedient man sich einer Sublimatsolution zu Bähungen, Einträufelungen und Einspritzung mit vielem Nutzen. — Nach gemindertem Reizzu-stande findet man auch die Schwefelleber als Beisatz zu den Wa­schungen der Heilung sehr förderlich.
In manchen Fällen werden die flüssigen Formen nach einigen Tagen und geschehener Eröffnung der Augenliderpusteln nicht mehr gut ertragen, wo dann der rothe oder weisse Quecksilberpräcipitat, 4 — 8 Gr. desselben auf 2 Drachmen Fett, zur Salbe bereitet und täglich zwei - bis dreimal auf die leidenden Augenlidränder aufgestri­chen werden müssen. Bleibt aber nach Heilung der Geschwüre die Haut noch roth, empfindlich und feucht, so wird solches durch das Aufstreichen folgender, von Weller empfohlenen Salbe in der Re­gel beseitigt. Rec. Butyr. recent, insuls. %ß, vitriol, cypr. 9j, camphor, gr. vj, tutiae praepar. gr. vj. M. exact, f. ungt. Führt auch diese Salbe nicht zum Ziele, so gebrauche man die janinische Salbe, jedoch nur einige Tage.
VI. Von dem Triefauge.
sect;. 227.
Das Triefauge ist ein, bei herabgestimmten und alten Thie-ren vorkommender Ausgang vernachlässigter catarrhalischer oder impetiginöser Ophthalmien und wird darum gewöhnlich Ophthal­mia cachectica, Lippitudo, Blepharoblennorrhoea senilis genannt.
Unter andern, schlechte Säftemischung und decrepiden Habitus anzeigenden Erscheinungen zeigt sich die Bindehaut der Sclerotica missfarbig, faltig, aufgelockert, oft fettig und anfänglich meist trocken, später sondert dieselbe einen eiweissartigen, trüben, mit consistentern Flocken vermischten Schleim ab, schwillt an und ver­wandelt sich zuweilen in eine sarkomatöse Masse, die sich zwischen den Augenlidern vordrängt und manchmal Umstülpung des untern Augenlides veranlagst. Dabei sind die Meibomischen Drüsen an­geschwollen, die Augenlider excoriirt und am Morgen meistens durch vertrocknete, dicke Crustcn verklebt. Das Bindehautblättchen sieht anfangs matt und gleichsam erschlafft aus und verdunkelt sich oft später ganz. Besteht das Leiden in dieser Form längere Zeit hindurch, so geht es in einen chronischen Zustand oder auch unter Einwirkung bedeutender Schädlichkeiten in eine höchst gefährliche und gewöhnlich den Verlust des Sehvermögens herbeiführende Ble-pharophthalmoblennorrhöe über.
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Dynamische Krankheiten des Auges.
sect;. 228.
Bezüglich der Prognose bei diesem Augenübel, ist zu be­merken, dass eine entsprechende Behandlung und ßegulirung der Lebensverhältnisse nur in solchen Fällen von Nutzen zu seyn pflegt, wo sich die Entzündung nicht auf die Hornhaut verbreitet hat, die Kachexic noch nicht zu tief eingewurzelt ist und es möglich wird, eine etwa vorhergegangene und unterdrückte Impetigo wieder zu wecken. — Ist übrigens schon Blennorrhöe eingetreten und die Hornhaut dabei geschwürig geworden, so darf man oft kaum die Hoffnung hegen, die Form des Auges zu erhalten.
sect;. 229.
Die Behandlung dieses Uebels ist jene der chronischen Ca-tarrhalentzündung oder eine antiimpetiginöse, wie sie eben an den entsprechenden Orten näher auseinander gesetzt worden ist. Besondere Berücksichtigung verdient dabei der allgemeine Kräftezu-stand und die specielle Kachexic der erkrankten Thiero. Die Blen­norrhöe erfordert als rein passiver Zustand unter Anderm ganz be­sonders adstringirende und styptische Mittel, von welchen wir vor­zugsweise das Einstreichen der zusammengesetzten Opiumtinctur, oder einer leichtem odequot; stärkern, rothen Präcipitatsalbe, des Einträufeins einer Solution des Lapis divinus, des schwefel­sauren Zinks, des Höllensteins oder dessen Gebrauch in. Sub­stanz zum Betupfen, bei sehr fester, granulöser Geschwulst der Bindehaut, hier namhaft gemacht haben wollen. Theilweise Exci­sion der Bindehaut und Scarification machte Leblanc mit sehr gu­tem Erfolge bei vorhandener grosser Auflockerimg und Entzün­dung dieser Membran. —#9632; Bestehende Ektropien sind noch beson­ders auf die später anzugebende Weise zu behandeln.
vu.
Von der Entzündung der Bliuzhaut.
sect;. 230. Die Entzündung derBlinzhaut oder des Nagels, welche man um-ichtig Unguis oder Pterygium nennt, geht aus allen den bisher abgehandelten Krankheits- und Entzündungszuständen der Bindehaut hervor, partieipirt stets an solchen und wird durch die­selben charakteristischen Merkmale' in Verlauf und Ausgängen aus­gezeichnet. Ausserdem zeigt die entzündete Blinzhaut ihres grös-sem Zellgewebgehaltes und ihrer schwammigen Structur wegen, noch eine weit grössere Neigung zu Auflockerung, Anschwellung und Entartung. Auch kommt diese Entzündung selbstständig vor und wird meistens in Folge von Stichen, Hufschlägen, Homstössen, Eindringen von fremden Körpern, feuchter Kälte, dicken Nebeln,
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denen die Thiere während der Nächte im Frühjahre oder zu An­fang des Herbstes ausgesetzt sind, beobachtet. Sie findet sich bei allen Haussäugethieren, vorzugsweise dem Rindvieh, bei Pferden und Hunden. Die gewöhnlichsten Ursachen bei dem Pferde sind langwierig gewordene Augeneutzündungen, Peitschenschläge, Bisse und dergl. Junge, alte und solche Pferde, welche gefüllte Augen­höhlen und Oberaugengruben haben, sind dem Uebel am meisten ausgesetzt. Der Hund ist, ungeachtet das dritte Augenlid bei ihm wenig entwickelt ist, am meisten unter allen Hausthieren der chro­nischen entzündlichen Anschwellung desselben unterworfen. Chro­nische Augenentzündung, sowie alle Ursachen, welche diese her­vorbringen, sind ebenfalls die gewöhnlichsten Veranlassungen dieses Uebcls, unter allen am häufigsten plötzliche Erkältung (Leblanc).
sect;. 231.
Ausgänge: Vergrösserung, Vereiterung und Zerstörung des, die Blinzhaut bildenden Theiles der Bindehaut, Wassersucht, Um­stülpimg, Fortsetzung der Entzündung auf den Blinzknorpel, Bein-frass desselben.
sect;. 232.
Die Behandlung der acuten Blinzhautentzündung erfordert ganz dieselben Hcilapparate, wie die Bindehautentzündung mit dem Unterschiede nur, dass der zelhdösc Bau der Blinzhaut weniger lange die kalten Umschläge erträgt und bald Avarme, erweichende nothwendig macht, welcher letzterer Anwendimg auch wieder nach 3 — 4tägigem Gebrauche in Verbindung mit gelind zusammenzie­henden, selbst bei intensiver Fortdauer der Entzündung, zu institui-ren sind, um der vorherrschenden Neigung zu Erschlaffung und Auflockerung zu entgegnen. Zu diesem Zwecke gebraucht man Auflösungen von essigsaurem und schwefelsaurem Kupfer, essig-saurem Blei und, bei gebrochener Entzündung, einen Beisatz von geistigem Schusswasser.
Zur Beseitigung der Auflockerung und Geschwulst be­diente sich Leblanc bei Ochsen mit Vortheil der Lebas'schen Au­gensalbe *) mit günstigem Erfolge. Erreicht man mit diesem Mittel
*) Lcbas, Pharmacic veterinaire Paris 181G, pag. 13(3. Von Leblanc in folgender Form modificirt:
Graues Zinkoxyd 3G Gr.
Rother Quecksilberpraeeipitat 1 Drachme.
Zinnober 18 Gr.
Schweinefett 1 Unze. Davon nimmt man so viel, als ein Wickenkorn beträgt, und streicht dies täg­lich zweimal auf den Innern Rand der Augenlider und fährt damit G Tage lang fort (ausser im Falle zu stark eintretender Entzündung) und wiederholt diese Gtägigc Anwendung vier bis fünf Male.
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Dynamische Krankheiten des Auges.
den gewünschten Zweck nicht, so hat man zur Ausrottung des, sich über die Thränencarunkel hervorerstreckenden, manchmal auch die Cornea ganz bedeckenden Theiles derselben zu schreiten. Zu dem Ende fasst man denselben mit der Plömmer'schen Pincette oder mit einem Haken, zieht ihn vom Augapfel ab und trägt ihn mit einer über die Fläche gekrümmten Scheere ab. Es kommt bei die­ser Operation wenig darauf an, ob man einen Theil des Knorpels erhält oder nicht.
Wasseransammlungen in der Blinzhaut müssen auf gleiche Weise, wie die chemotischen Blasen behandelt und dabei auf den Zustand der Auflockerung gehörige Rücksicht genommen werden.
VIII. Von den Entzündungen der Thränenorgane.
sect;. 233.
So Avie die Thränen secernirenden und leitenden Organe für das Auge von hohem physiologischem Werthe sind, eben so bedeu­tungsvoll sind die Folgen einer Störung in denselben für das Auge überhaupt; die Entzündung derselben gehört wegen ihrer Heftigkeit, mit welcher sie aufzutreten pflegt, zu den wichtigsten der Ober­fläche des Auges. — Wegen des Sitzes derselben in drüsigen und schleimhäutigen Gebilden ist ihr Verlauf ein langsamer und ihre Ausgänge, wenn sie sich selbst überlassen bleibt, bestehen in Ver­härtung, Vereiterung, Verwachsung, und in Blennorrhöe. — Ihre charakteristischen Erscheinungen sind Geschwulst, heftiger Schmerz, vermehrte Wärme und Functionsstörung.
sect;. 234.
Als Ursachen zu dieser Entzündung erkennt man im Allge­meinen Erkältung, äusserliche Verletzung durch Quetschung, Er­schütterung und dergl.; auch impetiginöse Metastasen vermögen dieselben hervorzurufen.
sect;. 235.
In prognostischer Beziehung hat man auf die Eigenthüm-lichkeit des Organtheiles und die Heftigkeit der Erscheinungen vor­zugsweise Rücksicht zu nehmen und zu berücksichtigen, dass Zer-theilung selbst bei recenten Fällen, nicht immer möglich ist und der Uebergang in Eiterung immerhin als ein günstigerer aufgenommen werden muss, als jener in Verhärtung oder Blennorrhöe.
sect;. 236.
Bei Behandlung der Entzündung der Thränenorgane hat man ganz besonders die Structur der, von vielem Zellgewebe gebildeten und eingehüllten Drüse, sowie das zellgewebige und schleimhäu-
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tige Gewebe des Thränensacks und Canals zu beachten, welche eine, längere Zeit fortgesetzte Antiphlogose nicht ohne Uebergang in seröse Infiltrationen ertragen. Im Uebrigen gebietet dieselbe im ersten Zeiträume oft den streng antiphlogistischen Heilapparat, welcher jedoch bald den erweichenden oder zusammenziehenden, die Metamorphose umstimmenden und zertheilenden Mitteln Platz geben muss, sowie auch alsbald die Sorge fiir baldige Entleerung reifen Eiters und Beschränkung abnonner Secretionen nothwendig wird.
1. Von der Entzündung der Thränendrüse.
sect;. 237.
Die Thränendrüsenentzündung, Inflammatio glandulae lacrymalis, Dacryadenitis, gehört zu den seltenem Krankheiten des Auges, zugleich aber zu den wichtigsten, welche am Auge erschei­nen. Sie hat alle Eigenthümlichkeiten, welche überhaupt die Ent­zündungen drüsiger Organe charakterisiren und zeichnet sich vor allen andern noch dadurch aus, dass von ihrem Beginne an, die Absonderung der Thränenfeuchtigkeit beinahe aufhört, grosse Lichtscheue zugegen ist, und der Augapfel in der Richtung nach unten und innen, gegen die Nase hin, aus seiner Lage gedrängt wird. Jeder Versuch, das obere Augenlid zu bewegen, oder den Augapfel nach auf- und abwärts zu stellen, scheint schmerzhaft zu seyn, weshalb das Auge fortwährend in dieser Stellung gehalten wird. Die Entzündung selbst fängt nach Weller immer in dem, die Thränendrüse umkleidenden Zellgewebe an, dringt endlich in den, die Acini glandulae lacrymales umgebenden Zellstoff ein, er­greift aber nie den Kern der Drüse selbst. Aus der nahen Ver­bindung dieses Zellgewebes mit der dura mater, mit der Beinhaut der Orbita, mit den vielen Nerven und mit der übrigen harten und weichen Nachbartheilen der Thränendrüse, wird es erklärbar, warum diese Entzündung unter die gefährlichsten gerechnet wird.
sect;. 238.
In der acuten Form dieser Entzündung schwillt das obere Augenlid, dort, wo die Entzündung ihren Sitz hat, an, wird hart, dunkehoth oder blau, gespannt, glänzend und äusserst empfindlich, ist die Thränenabsonderung gänzlich unterdrückt und die Augapfelober­fläche trocken; dabei erscheint die Bindehaut gegen oben leicht ge-röthet und aufgetrieben, der Augapfel prall und gegen den Druck sehr empfindlich. Gleichzeitig mit der Zunahme dieser Erscheinungen schwillt das Augenlid auch am Torsalrande ödematös an, sondern die Meibomischen Drüsen reichlichen und die Cilien verklebenden
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Dynamische Krankheiten des Auges.
Schleim ab, wird die Lichtempfindliehkeit sehr gross, die Pupille unbeweglich und cxpandirt. Diesen Höhepunkt begleiten allge­meine Fieberbewegungen. — Erscheinungen, welche als Folge der durch das Hervorgedrängtwerden des Bulbus bewirkten Dehnung der Sehnerven und der Ciliarnerven zu betrachten sind. —
Darauf, gewöhnlich am 4—5 Tage, verbreitet sich die Ge­schwulst mehr gegen den Augenwinkel hin und über das untere Augenlid, wird empfindlicher, dunkler, glänzender, härter und die Unruhe des erkrankten Thieres grosser, die fieberhafte Aufregung bedeutender, wobei unter öftern Horripilationen die Eiterbildung beginnt und sich auf der äussern Oberfläche des obern Augenlides ge­gen die Scldäfe hin oder auf der innern Fläche, in der Bindehaut des Augapfels, welche sich in diesem Falle zwischen dem obern Augenlide und dem Bulbus hervordrängt, ein deutlich fluetuirender Eiterpunkt bildet, unter oder auf welchem der zufiihlende Finger deutlich Fluctuation wahrnimmt. Oeffnet sich nun diese Ge­schwulst durch sich selbst oder die Kunst, so wird in grosser Menge ein, mit Blutstreifen, abgestorbenem Zellgewebe, Drüsen­flocken und Thränenfeuchtigkeit gemischter, graugelber Eiter ent­leert, worauf alle Schmerzhaftigkeit aufhört und ein saniöses Ge­schwür von bedeutendem Umfange zurückbleibt.
Wurde dagegen die Eröffnung des Abscesses verspätet, was bei sehr derber Haut oder versäumter Hülfe geschehen kann, so greift die Eiterung nicht selten in den benachbarten Stimknochen ein und erzeugt ein Fistelgeschwür, welches gewöhnlich an der äussern Augenlidfläche mündet und das cariöse Fistelgeschwür der Thränendrüse genannt wird. Hat sich die Entzündung von der Thränendrüse ebenfalls über und in den Augapfel selbst ver­breitet, so wird auch dieser meistens zerstört.
1
sect;. 239.
Die chronische Entzündung der Thränendrüse tritt allmälig und unter gelindem Erscheinungen auf, die Thränensecre-tion, wenn gleich beschränkt, besteht bei ihr noch fort, auch ist die Geschwulst bei ihr minder gross und weniger ausgedehnt, als bei der acuten Entzündung. Ein charakteristisches Merkmal derselben ist es, dass der Druck des Fingers auf die Drüse sogleich starken Thränenabfluss verursacht. Dir Verlauf ist langsam, ihre Ausgänge sind Verhärtung oder Abscessbildung.
sect;. 240.
Prädisponirt zu der acuten Entzündimg der Thränendrüse sind besonders junge Thiere mit empfindlichem Hautorgane, woher denn eben auch Erkältimg die häufigste Entstehungsursache derselben
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abgibt; catarrhalisch-rheumatische und arthritische, so auch impe-tiginöse Dyskrasie, besonders die Druse, wie überhaupt allgemeines Drüsen- und Schleimhautleiden, tragen oft zur Entstehung dersel­ben, vorzugsweise der chronischen Form, bei. Ihre Entwickelung unter traumatischen Einflüssen hat hauptsächlich dann Statt, wenn die benachbarten Nervenparthien oder das Zellgewebe oder die Kno­chenhaut der Augengrube eine heftige Erschütterung oder Verletzung erlitten haben. Jäher Wechsel der Lufttemperatur oder Zugluft werden am häufigsten als Ursachen angeführt.
sect;.241.
Die Prognose bei einer erst entwickelten, noch nicht sehr hoch gestiegenen Entzündung der Thränendrüse, sobald noch keine bedeutende Geschwulst zugegen, der Augapfel noch nicht aus seiner normalen Lage getrieben und das Leiden nicht dyskrasischen Ur­sprungs ist, kann überhaupt günstig gestellt werden, insofern unter diesen Verhältnissen eine Zertheilung zu erwairten steht, während entgegengesetzten Falles der Uebergang in Suppuration unver­meidliche Folge ist, deren Ausgänge nur unter sehr vorsichtig und umsichtig geleiteter Behandlung ein günstiges Ende erreichen können.
Als Nachtheile und üble Ausgänge eines ungünstigen Verlau­fes der Thränendrüsenentzündung sind namhaft zu machen: Wei­terverbreitung der Entzündung über den ganzen Augapfel, auf die ganze Orbita und selbst auf das Gehirn; Lähmung der Netzhaut und des Ciliarplexus durch den heftigen Druck, bleibend schiefe Stellung des Augapfels, ausgebreitete Zerstörung des Zellgewebes in der Augenhöhle, Fistelgänge, Thränen-Drüsenfistel, cariöse Af­fection der Knochen und Verhärtung der Thränendrüse.
sect;.242. .
Hat sich die Abscessöffhung nicht geschlossen, sondern nur verengert, so ist die Entstehung einer Fistel in Caries des Orbital­fortsatzes des Stirnbeins oder in der Zerstörung eines Ausführungs­ganges der Thränendrüse begründet. Eine grössere Höhle im Boden des Fistelganges und schwielige Verengerung gegen die Oeffnung hin, verhältnissmässig allzu copiöser Abfluss schlechten, jauchigen Eiters, Härte und Eöthe im Umfange der äussern Oeff­nung, aus welcher manchmal schwammige Excrescenzen hervor­treiben und eine tiefe Härte, die man beim Zufühlen mit dem Finger wahrnimmt, sind die Zeichen vorhandener Caries. — Ist die Oeff­nung sehr fein, weich und nicht missfarbig in ihrem Umfange, sickert aus ihr Thränenflüssigkeit, findet sich in der Tiefe keine Härte vor und fühlt man mit der Sonde keine Rauhigkeit der Kno­chen, so besteht eine Thränenfistel. Die nähere Prognose dieser
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Dynamische Krankheiten des Auges.
einzelnen, als Ausgänge dieser Entzündung vorkommenden Krank­heitszustande, so wie ihre Behandlung werden entsprechenden Ortes besonders abgehandelt werden.
sect;. 243.
Als erste Heilaufgabe bei der Behandlung erst entstandener, so wie schon vorgerückter Entzündung der Thränendrüse, ist der Versuch zur Zertheilung und Ermässigung der entzündlichen Er­scheinungen zu betrachten und es ist dem zufolge der gesammte, streng antiphlogistische Heilapparat zu Hülfe zu nehmen. Aderlässe nach Massgabe der Constitution des Kranken, sowie nach dem Höhe­grade und der Ausdehnung der Entzündung vorgenommen, örtliche Blutentleerungen durch Anlegen von Blutegeln in die Umgegend der Geschwulst, Ableitungen auf den Darmcanal durch abführende Salze und vorzugsweise mittelst durchschlagender Dosen von Ca­lomel, zertheilende, die Resorptionsthätigkeit befördernde und die erhöhte Sensibilität)raquo; ermässigende und reichliche Einreibungen von grauer Quecksilbersalbe mit Opium, Cicuta oder Hyoscyamus sind besonders geboten. Hat die Entzündung traumatischen Ursprung, so dienen in der ersten Zeit vor Beginn der Eiterimg kalte Um­schläge auf das Auge, während dagegen in allen andern Fällen ein Bedeckthalten des Auges mit erwärmten trockenen oder feucht warmen, in schleimige Flüssigkeit getauchten Compressen nöthig erscheint. Impetiginös metastatischer Ursprung oder Complication werde nach den früher angesehenen Grundsätzen und ausserdem durch Ableitungsmittel auf die Haut, möglichst beachtet.
Gelingt es nicht, auf die angegebene quot;Weise die Entzündung zur Zertheilung zu führen oder ist dieselbe bei der einziüeitenden Be­handlung schon in Eiterbildung übergegangen, so hat man alsbald, unter fortwährender Anwendung der Quecksilbereinreibungen, durch ungesäumtes, abwechselndes Auflegen erweichender Umschläge aus Brodkrumen und Leinsaamen und eines Seifen-Cicuta oder, bei geringerer Reizbarkeit, eines Mercurialpflasters die Resorptions­thätigkeit zu befördern und die Suppuration zubethätigen.
sect;• 244.
Hat nun die Eiterung ihre völlige Reife erlangt, haben sich die weissen durchscheinenden Punkte gebildet und scheint die Er­öffnung durch eigene Naturthätigkeit nicht frühzeitig genug zu Stande kommen zu wollen, so ist alsbald die Eröffnung durch einen nach dem Laufe der Fasern des Orbicularmuskels geführten, ge­hörig grossen Schnitt vorzunehmen und nach beendigtem freiem Ausflusse des Abscessinhaltes, die Oeffnung mit einem Mercurial-oder einfachem Klebepflaster bis zur völligen Vemarbung zu be­decken.
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Hat sich dagegen der Abscessinhalt noch nicht völlig entleert und findet sich noch Verhärtung und Anschwellung in der Tiefe, so ist es rathsam noch für einen Tag, durch feucht warme, schlei­mige Fomente die vollständige Entleerung und Erweichung zu be­fördern, welches Verfahren sich uns nützlicher erwiess, als das empfohlene Einlegen eines mit Digestivsalbe, Mandelöl oder Opium-tinctur bestrichenen Bourdonets.
sect;. 245.
Zurückbleibende Verhärtungen und Anschwellungen der Thrä-nendrüse erfordern die Anwendimg zertheilender Pflaster und Sal­ben aus Quecksilber, nebst dem Beigebrauche innerer, die Thätig-keit des Lymphgefässsystems anfachender Mittel, namentlich der Antimonialien.
sect;. 246.
Die Behandlung der chronischen Thränendrüsenentzündung werde ganz nach den obigen Heilmaximen geleitet, mit dem Unter­schiede jedoch, dass hier nur örtliche und wiederholte Blutentzie­hungen anzuwenden sind und zugleich schon im Anfange einer meist vorhandenen rheumatischen Störung, durch Belebung der Thätigkeit der Haut und jener des lymphatischen Systems durch die bekannten Mittel innerlich und aus serlich entsejien zu wirken ist. Angehend die örtlichen und äussem Mittel, so sind solche ebenfalls aus der Zahl der auflösend zertheilenden zu entnehmen, unter welchen sich Jodsalben sehr nützlich erweisen, im Falle nicht schon ein Eiterungsprocess sieh entwickelt hat, wo dann ebenfalls für Erweichung des Abscesses gleicherweise Sorge getragen wer­den muss, indem man noch, bei vorwaltendem Torpor oder Schlaff­heit, den Kataplasmen einen gelind reizenden Beisatz in dem Safran gibt und den geöffneten Abscess mit gelind reizenden aromatischen Mitteln behandelt, in welcher Absicht Kamillenaufgüsse mit Opium oder Campher in der Form von Bähungen, und Einspritzungen, bei erysipelatöser Reizung dagegen, in der Form von Kräutersäck-chen vorzugsweise in Gebrauch gezogen werden können.
2. Von der Entzündung der Thränencarunkel.
sect;. 247. Unter Schmcrzensäusserungcn des Thieres bei der Bewegung der Augenlider, entsteht eine hochrothe entzündete Geschwulst der Thränencarunkel, Encanthis inflammatoria, so wie der Blinzhaut, von welcher eine dunkle, durch stark gefüllte Gefässe gebildete, Röthe bis gegen den Band der Hornhaut hinläuft und eben auch eine blasse, rosenfarbenc Röthe sich von dieser Stelle über die Au-
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124nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
genlkler verbreitet. Mit der voranschreitenden Entzündung wird die ßöthe der Carunkel intensiver und die Geschwulst, immer grosser und gewinnt oft eine solche Ausdehnung, dass sie die Thränenpunkte bedeckt und sie an der Fortleitung der, ohnehin vermehrten Thränenflüssigkeit stört, weshalb diese ununterbrochen über das untere Augenlid wegläuft und deshalb die entsprechende Nasenhälfte trocken bleibt. Steigert sich dagegen die Entzündung immer noch, so zieht sich die Geschwulst mehr gegen den innern Augenwinkel zurück, wird fester, röther, und schmerzhafter bei der Berührung, wozu sich auch allgemeines Fieber gesellt.
sect;. 248. Ist bei einer zeitlich und zweckmässig eingeleiteten Cur eine Zertheilung der Entzündung bewirkt worden, so folgt ihr eine kri­tische Schleimsecretion, die sich noch einige Zeit als pathologische Erscheinung forterhält. — Geht dagegen im minder günstigen Falle die Entzündung in Eiterung über, so färbt sich die Geschwulst dunkler, nimmt an Grosse zu, und an Weiche und Schmerzhaftig-keit ab, Avährend die unterdrückt gewesenen Absonderungen, jedoch vermehrt und auch qualitativ von der Norm abweichend, wieder­kehren; dabei wird die Anschwellung stärker und ihre Röthe aus­gebreiteter und erhebt sich zuweilen in chemotischen, wassergefüllten Blasen. Zwischen der Carunkel und Blinzhaut oder seltener auf jener selbst, erhebt sich ein Eiterpunkt, welcher sich öffnet, seinen eiterigblutigen Inhalt endeert, dann zusammenfällt und heilt. Der
g
e
anze Verlauf ist von kurzer Dauer, gewöhnlich in einem Zeit-
räume von 9 Tagen beendet.
sect;. 249. Bei übrigens sehr ausgebreiteter Eiterung und dyskrasischem Leiden, wird leicht das ganze, die Körner der Drüse bindende Zellgewebe zerstört und entweder Schwund, Ehyas oder selbst eine gänzliche Vernichtung derselben, Rhacosis und in beider Folge ein bleibendes Thränenträufeln erzeugt. Auch Geschwüre bleiben auf der Oberfläche oder in dem Umkreise der Thränen-carunkel zurück. Barth^lemy führt in seinen Vorlesungen an, dass weisse Pferde einer Art Geschwulst auf der Thränencarunkel aus­gesetzt sind, welche denen ganz gleich ist, welche sie um den After herum bekommen. Leblanc sah dies nur einmal bei einer weissen Stute; die Scheide und der After waren mit diesen schwärzlichen Geschwülsten umgeben, von denen mehrere schon in Eiterung über­gegangen waren; auf der rechten Thränencarunkel waren ebenfalls zwei wahrzunehmen, jede von der Grössc eines Saamenkorns der wohlriechenden Wicke; sie waren unschmerzhaft und hart.
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Unter ungünstigen Verhältnissen geht- die acute Entzündung in chronisch hypertrophischen Zustand über. In diesem Falle ist die Canmkel etwas roth und mehr oder weniger aufgetrieben, manchmal von der Grosse einer Haselnuss, gewöhnlich von der einer Erbse, und hindert die freie Bewegung und das Schliessen der Augenlider, wozu manchmal krampfhafte Bewegungen, Blinzeln, derselben treten. Diese chronische Geschwulst bezeichnet man mit dem Namen Encanthis fungosa, über welche wir unter den organischen Krankheiten des Thierauges näher handeln werden.
sect;. 250.
Die Ursachen dieser Entzündungen liegen vorzugsweise in mechanischen und chemischen Verletzungen der Carunkel. Holz­splitter, Aehrenspitzen, Glassplitter, Sandkörnchen, nach innen ste­hende Wimpern, Insectenstiche, Aetzmittel, Verbrennungen durch Kalk, Mineralsäuren und dergl., welche in das Auge kamen und auf die Thränencarunkel trafen, sind die gewöhnlichen Veranlas­sungen.
sect;. 251.
Die Prognose dieser Entzündungen ist durchweg günstig, da ein frühzeitig eingeleitetes Heilverfahren meistens Zertheilung der Entzündung bewirkt und selbst auch ein entsprechend einge­leitetes Verfahren den Uebergang in Eiterung glücklich zu besei­tigen vermag. Nur können nach obiger Angabe verschiedene Formveränderungen und Functionsstörungen, namentlich anhalten­des, unheilbares Thränenträufeln, unter ungünstigen äussern und innem Einwirkungen, die Folge seyn.
sect;. 252.
Die Behandlung hat zunächst ihr Augenmerk auf die Entfer­nung etwa eingedrungener und zurückgebliebener Körper zu richten, welche manchmal bei schon vorhandener Geschwulst dieses schwam­migen Gebildes, nicht ohne Schwierigkeiten ist, auch zuweilen auf operativem Wege gar nicht gelingt und einer vorsichtig geleiteten Ei­terung überlassen bleiben muss. — Im andern Falle sucht man durch Anlegen von Blutegeln in die innem Augenwinkel, Auflegen von kal­ten Umschlägen und Anwendung antiphlogistischer Abführmittel die Entzündung zu heben oder zu mildem und dann der grossen Nei­gung zur Auflockerung, Geschwulst und Hypertrophie durch Ein­träufeln und Umschlagen adstringirender, aus schwachen Solutionen von salpetersaurem Silber, Grünspan, schwefelsaurem Zink, ver­dünntem Laudanum und Quittenschleira bestehender Augenwässer entgegenzuwirken. — Bei schon eingetretener Eiterung oder nicht entfernbaren fremden Körpern schreite man alsbald zum Auflegen erweichender Fomentationcn oder Kataplasmen und sorge für so-
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126nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
fortige Entleerung des angesammelten Eiters durch einen an der, gegen die Blinzhaut gerichteten Seite vorgenommenen Lancettstich und leite die Nachbehandlung zuerst mit warmen, schleimigen Fo-mentationen und später, nach vollständig gehobener entzündlichen Keizung mit den angegebenen adstringirenden Augenwässern.
3. Von der Entzündung des Thränensackes.
sect;. 253.
Die Innere, aus der Augenliderschleimhaut fortgesetzte und in die Nasenschleimhaut übergehende, schleimhäutige Auskleidung des abführenden Theiles des Thränenorganes, unterhegt häufig der Entzündung, welche selten rein idiopathisch ist, dagegen öfter mit catarrhahschen, rheumatischen oder andern dyskrasischen Krank­heiten in ursächlicher Verbindung steht. Sie gleicht in Verlauf und Ausgängen überhaupt, den Entzündungen der Schleimhäute, sie durchläuft wie diese, zwei Hauptstadien, jenes der veränderten Secretion und jenes der Blennorrhöe und verknüpft sich, gleich ihnen, mit einer Veränderung ihres Parenchyms, welches bald auf­gelockert und angeschwollen, bald derb und fest und wuchernd er­scheint und deshalb die thränenabführenden Organe unwegsam macht.
sect;. 254.
Thiere mit niedergedrückter, platter Nasenwurzel sind zu der Entzündung des Thränensackes besonders inclinirt, weshalb auch ganz junge Thiere, deren Gesichtsknochen ihre vollständige Aus­bildimg noch nicht erlangt haben, und auch Avegen der grössern Empfindlichkeit der Schleimhäute in diesem Alter, häufig an Ver­engung des Nasenganges, so wie an entzündlichen Affectionen der Thränenwege leiden. Hein catarrhahsches Leiden weckt eine ge­lindere Form von Entzündung, während ein solches, mit exanthe-matischer und impetiginöser oder anderer Dyskrasie verbundenes, eine complicirtere und hartnäckigere Form zur Folge hat. Ferner kann eine qualitativ oder quantitativ alienirte Thränensecretion zu­weilen als ein ursächliches Moment der Entzündimg der Thränen­wege angesehen werden.
sect;. 255.
Die Entzündung des Thränensackes, Inflammatio sacci lacrymalis, Dacryocystitis, hat drei verschiedene Arten ihres Vor­kommens, die einfache oder gelindere Form, die mit Eiterung und jene mit Blennorrhöe verbundene Form.
sect;. 256.
a. Gelindere For in, diese hat die Eigenthümlichkeiten eines
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 127
rein catarrhaUschen Leidens und zeichnet sich vor den übrigen For­men dadurch aus, dass bei ihr der Thränenabfluss frei bleibt, dass sie nicht in Eiterung und selten in Blennorrhöe übergeht. — Unter dem Zeichen eines Schnupfens und mit Ausfluss eines ätzenden Schleimes und etwas reichlicherm Thränenabflüsse aus der Nasen­seite, in welche der leidende Thränengang einmündet, so wie unter massig vermehrter, mit leichter Röthung der Bindehaut und ge­ringer Geschwulst des Eandes des untern Augenlides verbundenen, Schleimabsonderung der Meibomischen Drüsen, erhebt sich in der Gegend des Thränensackes eine bohnenförmige, begränzte, harte, empfindliche Geschwulst, über und neben welcher ebenfalls das Zellgewebe, so wie die äussere Haut aufgelockert, leicht geröthet und ausgedehnt erscheint. Bei einem auf den Thränensack ange­brachten Druck mit der Fingerspitze entleert sich aus den Thrä-nenpunkten eine geringe Menge gelblich - weissen mit Thränenflüs-sigkeit vermischten Schleimes.
sect;. 257;
Zu dieser Höhe gelangt, bildet sich unter günstigen Verhältnis­sen und entsprechender Behandlung, auch selbst bei einem geregelten Verhalten diese gelindere Form der Thränensackentzündung nach und nach zurück, die Anschwellung des Sackes, die Erscheinungen des Schnupfens, die Köthe und vermehrte Absonderung der Binde­haut, wie der Meibomischen Drüsen des untern Augenlides, nehmen ab und sind mit der zweiten oder dritten Woche verschwunden. — Ist sie dagegen chronisch geworden, sind ihr entweder schon meh­rere gleiche Anfälle vorher gegangen oder ist dyskrasisches Leiden mit ihr in Verbindung getreten, so wird sie torpid und endigt in Blennorrhöe oder geht in die stärkere Form über.
sect;. 258.
Die Prognose der gelindern Form ist stets eine günstige, so lange sie nicht einen chronischen Charakter angenommen hat oder in stärkere Blennorrhöe übergegangen ist, da bei derselben ein Uebergang in organische Fehler nicht vorkommt.
sect;.259.
Der Behandlung dieser Form ist zunächst die Minderung der Entzündung und nach dieser die Beschränkung der vermehrten Schleiinabsonderung zur Aufgabe gegeben.
Zur Erfüllung der ersten Aufgabe sucht man einer idiopathi-schen Entzündung durch Auflegen von Blutegeln auf den Thränen­sack und mit örtlicher Anwendung kalter Umschläge entgegenzu-wirken und die erhöhte Vitalität dieses Organes herunter zu stimmen, so wie mittelst abführender Mittel aus Doppelsalzen oder dem Ca­lomel vorhandenen starken Blutandrang nach dem Kopfe zu be-
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128nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
schränken und die bestehende Neigung zur Exsudation zu heben, zugleich allgemeine und örtliche Vermehrung der Resorption durch letzteres Mittel, wie auch durch Einreibung der grauen Quecksil­bersalbe, hervorzurufen. Bei catarrhahschem oder erysipelatösem Charakter der Entzündung dagegen, greife man statt der kalten Umschläge zur trockenen Wärme mittelst Bedecken des Auges mit erwärmten Compressen oder aromatischen Kräutersäckchen und zu dem Einleiten warmer Wasserdämpfe in die Nase. Ist nun die Entzündung gebrochen und hat sich solche durch Vermehrung der Schleimsecretion kritisirt und ist letztere über ihre NormaUtät ge­stiegen und als selbstständiges Leiden zurückgebheben, so wird der zweiten Indication entsprochen, wenn man alle bei der catarrha-lischen Entzündung der Bindehaut und Augenliderdrüsen nützli­chen, gelind adstringirenden Mittel, Augenwässer von Grün­span, Lapis divinus, Bleiextract, Zinkvitriol mit oder ohne Opium-tinetur als Einträufelung in den Innern Augenwinkel anwendet, um solche durch die Aufsaugimg der Thränenpunkte in den Thränen-sack gelangen zu lassen, sich dabei aber jeglicher Heizung des letztern, durch etwaige Einspritzungen oder Einführen von Sonden in dieselben, enthält und ferner diese 'abwechselnd in Wirksam­keit gesetzten Mittel noch einige Zeit nach Entfernung des Schleim­flusses, bei etwa zurückbleibender localer Erscldaffung, fortgebrau­chen lässt oder dieselben mit geistigen Umschlägen oder Verdunstun­gen, denen man nach Umständen Kampher beigeben kann, ver­tauscht.
sect;. 260.
b. Die Thränensackentzündung, mit Eiterung ver­bunden, Dacryocystitis apostematosa, unter den Erscheinungen der gelindem Form beginnend, weicht alsbald von derselben da­durch ab, dass die innere schleimhäutige Umkleidung der Thränen-wege, namentlich an ihren Anfangs - und Endpunkten, sich auf­lockert, anschwillt oder letztere, auch gleichzeitig durch eine fe­stere Ausschwitzung verstopft, den indem obem Theile des Sackes befindlichen Inhalt einscldiesst und durch dessen mechanischen Heiz einer heftigem Entzündung und darauf folgenden Vereite­rung unterliegt.
sect;. 261.
Ist nun dieser vorbenanntc höhere Grad der Entzündung aus der mildern Form drei bis viertägigem Bestände hervorgegangen, so zeigt sich alsbald eine, mit viel heftigerm Schmerze verbundene grössere Geschwulst in der Gegend des Thränensackes, sowie die Röthe der Bindehaut, des untern Augenlides weit lebhafter und über sämmtliche Organe des innern Augenwinkels verbreitet; es
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verschrumpfen die Thränenpunkte, daher fortwährendes Thränen-träufeln, Stillieidium, und es verschwillt der Nasengang, daher Trockenheit der Nase auf der leidenden Seite, Xeromykter *), Auf diese, hei dem höhern Grade der Thränensackentzündung nie feh­lende Erscheinung, gründet sich allein der weitere Verlauf der Krankheit, indem durch die in dem Sacke angehäuften Flüssigkei­ten, besonders bei nicht völlig verschlossenen Thränenpunkten und gänzlich unterbrochenem Abflüsse aus dem Nasencanale, verbunden mit beträchtlicher Anschwellung des Sackes, dessen vordere quot;Wand anfänglich zu einer bohnengrossen Geschwulst und später der Art ausgedehnt wird, dass sie sich stark entzündet, und ihre grellroth oder bläulieh gefärbte Geschwulst über die Augenlider, Backen und manchmal über die ganze Gesichtshälfte verbreitet, ein ödematös erysipelatöses Ansehen erhält imd ein sicheres Kennzeichen des geschehenen Ueberganges der Entzündung in Eiterung abgibt. Hierauf bekommt die frühere intensive Röthe eine blaurothe Fär­bung und zeigt auf ihrer erhabensten Stelle einen von innen aus­gehenden Eiterpunkt. Während der Entwickelung der Eiterung ist das Verhalten des Nasencanals ein nach den obwaltenden Ver­hältnissen verschiedenes. Bei raschem Verlaufe der Entzündung und baldiger Eröffnung der Eitergeschwulst partieipirt die Schleimhaut des Nasencanals minder und ihre Geschwulst, wie die Unwegsamkeit, hebt sich alsbald nach Eröffnung des Abscesses. Verläuft dagegen die Entzündung sehr langsam und entwickelt sich wegen torpiden Charakters der Entzündung und allgemeiner Schwäche die Eiterung langsam zur Reife, steht jene unter dem Einflüsse dyskrasischer Verhältnisse oder wurde die Eröffnung des Abscesses verzögert, so scheint die Schleimhaut des Nasenganges ihren Charakter als Schleimhaut zu verlieren; statt Schleimes schwitzt sie dann, wie auch die Bindehaut der Augenlider in ähnlichen Fällen zu thun pflegt, Lymphe und Faserstoff aus, die mit einem festem, oft ziemlich harten Zellgewebe den innern Raum des Na­senganges gänzlich verschliessen, woher es geschieht, dass unter diesen Verhältnissen sich der eröffnete Thranensack gar nicht schliesst oder immer wieder durch neue Entzündung und Eiterung seinen Inhalt nach aussen entleert (Benedict). Ein Fall, der auch dann eintritt, wenn die Entzündung rheumatischen Charakters ist und vom Anfange an, ihren Sitz in den fibrösen Gebilden des Thränensackes und in dem, das Thränenbein und den Nasencanal auskleidenden Periosteum hat.
*) iinöz, trocken, und fcvy.T7](gt;, Nase.
Müller, Vclorinür-Oplithalmologie. II.
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130nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
sect;. 262.
Bleibt die Eröffiumg des Abscesses der Natur überlassen, so kann dieselbe auf zweifachem Wege erfolgen, indem er entweder nach vorn aufbricht, oder seinen Inhalt nach ein- und abwärts in das Zellgewebe zwischen Thränensack, Augapfel und unteres Augenlid ergiesst.
sect;. 263.
Im erstem Falle entleert der Abscess Schleim, Eiter und Thrä-nenflüssigkeit, wenn die Thränenpunkte nicht ganz unfähig zur Aufsaugung waren, worauf er zusammenfällt, die Köthe sich ver­liert und eine Oeffnung, die sogenannte Thränensackfistel, zu­rückbleibt, aus der Schleim und Thränenflüssigkeit entleert wird und welche, bei wieder geöffnetem Nasencanale, sich zeitig schhesst, dabei aber besondere Neigung zu neuen Entzündungen behält oder selbst wieder aufbricht, wenn die Heilung ohne Kunsthülfe geschah, also nicht zureichende Zertheilung der Entzündung Statt hatte, oder der Nasencanal unwegsam blieb. Dem letztern Zustande folgen verschiedene Desorganisationen der Weichgebilde um die Fistel, welche ihre Verwachsung mehr oder weniger stören und selbst auch Exulceration des Sackes, Senkimg des Eiters, Zerstö­rung der Beinhaut und der knöchernen Wände bedingen können.
Nicht allemal endet die Anhäufung im Sacke auf diese Art, häufiger so­gar bei den grossen Thieren, dem Pferde, Esel, Maulesel, Ochsen, welche eine dicke und feste Haut lieben, nimmt die angesammelte Flüssigkeit einen rück­gängigen Lauf durch die Thränenröhrchen und Punkte, welche häufig durch ihre reizenden Eigenschaften zerstört werden, so dass die Oeffnung der Fistel sich zwischen dem Augenlide und der Thränencarunkel findet (Leblanc).
sect;. 264.
Der zweitere Fall, Senkung des Eiters nach innen, ereignet sich dann, wenn die Augenlider und das Zellgewebe des Innern Augenwinkels stark in den entzündlichen Process verwickelt waren; hat eine solche wirklich Statt gehabt, so bildet sich eine grosse Geschwulst von ödematösem Ansehen, welche durch fernem Eiter-zufluss entzündet, an mehreren Stellen aufbricht und Fistelgänge bildet, die bald heilen, sich durch neue ersetzen, mit dem Nasen­canale communiciren und in Bezug auf Heilung oder ihren Fortbe­stand von ihm abhängig sind.
sect;. 265.
Man beobachtet diese Zustände vomämlich bei Hunden in Folge impetiginöser Dyskrasie, Erkältung oder vernachlässigter catarrha-lischer Affection der schleimhäutigen Gebilde des Auges, bei rotzigen und am Wurme leidenden Pferden, bei welchen das Leiden der Nasenschleimhaut sich der des Thränencanals und Sackes mit-
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getheilt hat und so bei den meisten Hausthieren auf ähnliche Ver­anlassungen. — Traumatische Anlässe durch Stoss und Schlag vermögen ebenfalls dieses Uebel herbei zu führen.
sect;. 266.
Die Prognose in dieser Form der Thränensackentzündung bleibt immer sehr zweifelhaft und jederzeit von dem Zustande des Thränencanals mehr, als von dem eigentlichen Leiden des Sackes selbst abhängig, da nur die Heilung des letztern dann für bleibend angesehen werden darf, sobald die Verwachsung des Nasenganges ausbleibt und zu solcher, wenn sie auch vorhanden, nicht Knochen­geschwülste Veranlassung gegeben haben; oder aber nicht etwa dyskrasisches Leiden an der Entzündung partieipirt hat und sol­ches beim geringsten Anlasse zurückzukehren droht. — Als sehr günstige Erscheinung ist zu betrachten, wenn sich durch einen massigen Druck mit dem Finger der angesammelte Schleim durch die Thränenpunkte oder den Nasencanal entleeren lässt. quot;Während im entgegengesetzten Falle, nur eine ungünstige Prognose zuläs­sig ist.
sect;. 267.
Die Behandlung dieser Form hat zunächst dahin zu wirken, dem Uebergange der Entzündung in Ausschwitzimg festerer Masse, zu entgegnen oder schon bestehende Ausschwitzung aufzuheben, in welcher Absicht auch hier, wie bei der gelindern Form, nebst reichlichen örtlichen und allgemeinen Blutentziehungen und Einlei­ten warmer Wasserdämpfe in das Nasenloch der leidenden Seite und ganz besonders der äusserliche und innere Gebrauch des Quecksilbers zu instituiren ist; durch welches Kurverfahren es le­diglich nur gelingen kann, die Verwachsung des Nasenganges zu verhüten oder zu heilen.
In Bezug auf die Anwendung des Mercurs ist noch besonders zu bemerken, dass die Einreibungen nie unmittelbar auf die ent­zündete Thränensackgeschwulst und immer in die nächste Umge­bung desselben zu machen sind, da eine Verabsäumimg dieser Vorsicht die Entzündung nur steigern würde, und dass man sich femer als Innern Mittels des versüssten Quecksilbers, täglich 3—4mal in der Mittelgabe, mit besonderer Kücksicht auf die Constitution, das Alter und Classe, zu welcher das erkrankte Thier gehört, zu be­dienen habe und beide Mittel, so lange noch entzündliche Reizung fortbesteht, in quot;Wirksamkeit halten müsse. „Denn erst bei dem Ein­tritte des Mercurialfiebers, sagt Benedict, sind wir zu schliessen berechtigt, dass die Ausschwitzungen, die der Mercur noch zu tilgen vermag, durch denselben getilgt worden sind. Um jedoch diesen Zweck zu erreichen, darf das Mittel nicht zu schnell, nicht in zu
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132nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamisclie Krankheiten des Auges.
starker Dose gebraucht, aber auch nicht zu langsam, nicht in zu Ideinen Gaben gereicht werden. Denn sonst werden wir in dem ersten Falle Gefahr laufen, dass die Resorption mit dem Eintritt des Mercurialfiebers nicht gleichen Schritt halten kann, und mithin das Exsudat übrig bleibt, während uns der Speichelfluss das Mittel auszusetzen zwingt; in dem letztern dagegen wird die Aus­schwitzung ihre vollständige Ausbildung erhalten, ehe der Mercur auf dieselbe einwirken konnte. Dieselbe bleibt dann für das Mit­tel unbezwingbar. Nach meinen Erfahrungen ist die Anwendung des Quecksilbers in jeder Periode dieses heftigen Grades der Thrä-nensackentzündung und in jedem Lebensalter angezeigt. Wo der Nasengang eine unheilbare Verwachsung eingegangen hatte, war offenbar in den meisten Fällen die Unterlassung oder der zu späte oder auch der fehlerhafte Gebrauch dieses Mittels als Ursache da­von anzunehmen.quot;
sect;. 268.
Bei dem angegebenen Verfahren gelingt es auch, in diesem ho­hem Grade der Krankheit die Entzündung zu brechen und die Function dieses Organes auf ihre Normalität zurückzuführen; ge­schieht dies übrigens nicht und schreitet das Uebel voran, hat sich wirklich schon Eiter im Thränensacke gebildet, ohne dass derselbe durch den Nasencanal abfiiessen oder sich nach oben durch die Thränenpunkte endeeren kann, so hat man ungesäumt zur künst­lichen Eröffnung des Thränensackes zu schreiten. Diese Operation nimmt man mittelst der Lancette vor, wenn die Geschwulst gross ist oder mit einem schmalen, spitzen Bistouri, falls sie keinen be­deutenden Umfang hat. Den Einstich mache man unter der Sehne des Orbicularmuskels in die Haut und in die vordere Wandung des Thränensackes, senke dann das Instrument und senke es so, dass beim Herausziehen desselben, eine gehörig grosse Oeffnung entstellt und zum freien Ausfluss des Inhaltes gehörig Raum gegeben wird. Darauf reinige man die Abscesswunde mittelst Aufträufeln lauwar­men Wassers oder mittelst einer Augenspritze vorsichtig und be­decke dieselbe mit einem lauwarmen schleimigen Foment und verordne den öfteren Gebrauch eines Dunstbades. Jede mechanische Rei­zung durch Einlegen von Wieken und dergl. ist bei einem noch nicht gänzlich erloschenen entzündlichen Reize verwerflich.
sect;. 269.
Wenn nun Anschwellung und Empfindlichkeit der Theile auf diese Behandlung geringer werden, der abgesonderte Schleim dün­ner, und weniger copiös wird, dagegen noch Aufwulstung der Schleimhaut zugegen ist, so gebe man eine leichte Sublimatauflösung mit oder ohne Opium oder den Lapis divinus auf gleiche Art zur
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Einträufelung oder vorsichtigen Einspritzung, wobei man auch für gehöriges Offenbleiben der Abscesswunde durch Einlegen einiger Charpiefäden so lange Sorge tragen muss, bis der Nasencanal da­durch wieder völlig geöffnet erscheint, dass die Nasenhälfte der lei­denden Seite wieder feucht wird und die eingespritzte Feuchtigkeit Avieder abflies st. In welchem Falle man die Wunde zur Heilung zu führen sucht, indem man die eingelegten Charpiefäden allmälig entfernt und die ßänder, wenn sie callös geworden sind und die völlige Verschliessung stören, mit einem Höllensteincylinder leicht touchirt. Gelingt es auf diese Weise nicht die Heilung der Wunde zu erwirken und bleibt dabei der Nasencanal immer noch unwegsam, so suche man durch öfters angebrachten, gelinden Druck auf den Thränensack dessen Inhalt durch die Tlu-änenröhrchen zu entleeren, und versuche die Wegsamkeit laquo;auf mechanischem Wege durch zeit­weises Einführen und allmäliges Vorschieben einer Fischbeinsonde herzustellen. Ein Verfahren, welches wir später bei der Operation der Thränenfistel näher erörtern werden.
sect;. 270.
Die Prognose in dieser Form der Thränensackentzündung ist jederzeit sehr ungewiss und zweideutig. Wohl gibt es Fälle derselben, wo die Verwachsung des Nasenganges ausbleibt, wo die Verstopfung desselben allmälig verschwindet und mithin die Hoff­nung vorhanden ist, den Durchgang der Thränen vollkommen wie­der hergestellt zu sehen. Allein theils erkennt man diesen günsti­gen Ausgang erst gegen das Ende der Krankheit, nachdem die uns zu Gebote stehenden Mittel meist auf's Ungewisse gebraucht wor­den sind; theils aber sichert uns dieses alles nicht gegen die Wie-dcrentwickelung der Krankheit, zu welcher die Anlage bei einmal entstandener Eiterung längere Zeit zurückbleibt, ja bei drüsenkran­ken Subjecten, die über die Jahre der Pubertät bereits hinaus sind, fast gar nicht gehoben werden kann. Nur die mögliche Tilgung der Gewissheit zu neuen Anfällen der Krankheit bei jüngeren und weniger dyskrasischen Subjecten kann uns neben dem voll­ständig vorhandenen Durchgang der Thräneu in die Nase zu einer günstigeren Prognose berechtigen *).
sect;.271.
c) Thränensackentzündung, mit Blennorrhöe ver­bunden, Blennorrhoea Sacci lacrymalis, Dakryocysto-Blennorrhoea. Davon gibt es zwei Arten, die ersterc ist wenig bedenklich; sie entsteht nach Augenentzündungen und Catarrhen oder auch in Folge
*) Benedict a. a. O. 1. Bd. S. 250.
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von Anhäufung verdickten Schleimes der Drüsen des Auges und der Thränenwege und es ist immer dieser Zustand mit Anschwel­lung der Schleimhäute des Thränencanals verbunden, welche stets von einer acuten oder chronischen Entzündung unterhalten wird. Bei der ersten Art ist der Thränenfluss und die Eöthe der Nasen­schleimhaut und der Bindehaut bedeutend, bei der zweiten hingegen, geht die ßöthe in Blässe und Verdickung der genannten Theile über und dauert der Thränen- und Schleimfluss fort. Junge Pferde, Zugochsen, junge Hunde und Katzen sind diesem Uebel am meisten unterworfen, erstere besonders dann, wenn sie an Druse leiden und durch unkräftige Nahrung zu sehr geschwächt worden sind.
sect;. 272.
Die zweite Art der Thränensackblennorrhöe nimmt ihren Ur­sprung aus einer, der oben beschriebenen Formen, oder aus vor­stehender Art, sobald entweder solche einen sehr hohen Grad von Heftigkeit erreicht hatten, mit Dyskrasie, namentlich der variolösen, A'erbunden, oder einer unzweckmässigen, entweder reizenden oder allzu erschlaffenden Behandlung unterworfen waren. Sie verläuft acut oder chronisch; im ersten Falle begleiten stets die Symptome des ersten Grades der Thränensackentzündung die Blennorrhöe; es zeigt sich unter andern Merkmalen starker Reizung, Anschwellung der Haut im Innern Augenwinkel, jedoch, bei einfacher Blennorrhöe, ohne die bestimmte bohnenförmige Geschwulst des Thränensackes, und man bemerkt das Ueberströmen einer eiterig-schleimig-serösen Flüssigkeit aus den Thränenpunkten und dem Nasencanale bei an­gebrachtem Drucke auf den Thränensack, — während im zweiten Falle der stärkere Reizzustand der benachbarten Theile und deren erhöhte Empfindlichkeit fehlt, die Nase weder Trockenheit, noch bei Anschwellung der Schleimhaut und dadurch bewirkter Ver-schliessung des Nasencanals, die bei der acuten Form nie fehlenden Erscheinungen des Schnupfens zeigt.
Wenn gleich im Allgemeinen die Erscheinungen der Blennor­rhöe in Bezug auf den, sie begleitenden Reizzustand das Niveau des ersten Grades der Thränensackentzündung nicht übersteigen, so können dieselbe doch auf Anlass an sich geringfügiger Schädlich­keiten in den zweiten Grad der Thränensackentzündung übergehen, bei wiederholten Anfällen Exsudation, Vereiterung der Weichge­bilde, so wie selbst cariöse Zerstörung der festen Gebilde zur Folge haben.
sect;. 273.
Die Prognose bei der Thränensackblennorrhöe gestaltet sich bei weitem in den meisten Fällen ungünstig, indem der Erfolg der Behandlung zu sehr von äusseren und schädlichen Einflüssen, denen
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das Thier für die lange Dauer der Krankheit nicht immer entzogen werden kann, abhängig ist und durch sie oft nur ein Stehenbleiben des Uebels auf einer niedern Stufe bewirkt und der Uebergang in stärkere Entzündung, Eiterung und Fistel selten vermieden werden kann; während jedoch unter günstigen Verhältnissen, von aussen einerseits, und der Constitution von der andern Seite, völlige und dauernde Heilung möglich ist. Anlangend die Beurtheilung der Ausgänge, so findet sich diese im Theile der organischen Krank­heiten speciell gewürdigt.
sect;. 274. Die Behandlung dieser speciellen Uebergangsform der Thrä-nensackentzündung hat zunächst auf sorgfältige Entfernung aller mechanischen Reizung dieser Theile ihr Augenmerk zu richten, da eine Vernachlässigung dieser Vorsicht stets Verschlimmerung des Krankheitszustandes herbeiführen würde. — Das Kurverfahren fällt in vieler Beziehung mit jenem der verschiedenen Grade der Ent­zündung zusammen und hat zuvörderst, sowohl den localen Zustand, in so weit er von Entzündung hervorgerufen, begleitet und unter­halten ist, nach den allgemeinen Regeln zu bekämpfen, sich nach den speciellen constitutionellen Verhältnissen zu richten, wie auch vorhandene Dyskrasien, in so fern sie in ursächlicher Beziehung zur Entstehung oder zum Fortbestand der Krankheit selbst stehen, zu beachten.
sect;. 275. Hat sonach die Behandlung bereits den entzündlichen Zustand der Thränenwege gebrochen, vorwaltende Dyskrasien gehoben und überhaupt das blennorrhoische Leiden auf sich selbst zurückgeführt, so ist dieselbe mit specieller Rücksicht auf dessen Charakter fortzu­setzen ; in welchem Falle es zuvörderst die Aufgabe seyn muss, die Qualität des Absonderungsproductes zu verbessern, dicken Schleim zu verflüssigen, die abnorme Secretionsthätigkeit der Conjunctiva und der Meibomisehen Drüsen zu normalisiren und ganz besonders jene der Nasenschleimhaut wieder zu wecken. — In ersterer Absicht dienen vorzüglich die speeifisch umstimmenden Mittel und unter diesen der Quecksilber - Sublimat in Verbindung des adstringirenden Opiums, und bei mehr chronischem Verlaufe und copiöser Absonderung der rothe Quecksilber-Präcipitat. Ersteren benützt man in Auflösungs­form und anpassender, in der Regel starker Verdünnung; das Opium dagegen in verhältnissmässig grösserer Quantität und unter Zusatz eines milden Schleimes. Mindert sich auf deren Gebrauch die Consistenz des Schleimes und wird selbe seröser, so greift man zu den mehr und rein adstringirenden Mitteln, dem Lapis dlvinus und dem Zincum sulphuricum, beide mit noch grösserer Quantität
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Dynamische Krankheiten des Auges.
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Opium versetzt, und setzt dem Präcipitat Tutla bei. Die Augen­wässer instillire man in den innern Augenwinkel, nachdem man durch einen gelinden Druck den Thränensack von seinem Inhalte befreit hat, um diese von den Thränenpunkten aufnehmen und in den Thränensack einführen zu lassen oder man injicire sie, bei mehr torpidem Zustande des Leidens oder grosser Verengerung der Thränenpunkte mittelst der Anei'schen Spritze. Eine leichte Salbe von rothem Präcipitat und Tutia streicht man ebenfalls in den innern Augenwinkel, um ihre Aufnahme in den Thränensack und eine directe Einwirkung auf dessen Schleimhaut zu erzwecken.
Ausserdem bedecke man den Thränensack mit aromatischen Kräutersäckchen, welche man bei schlaffen imd torpiden Subjecten, mit etwas Kampher bestreicht.
sect;. 276.
Während des Gebrauches dieser Mittel hat man ferner, wie oben angegeben, die Bethätigung der Secretion der Nasenschleim­haut noch besonders durch das Einleiten warmer und aromatischer Dämpfe in die Nase und Injectionen von Kosen- oder Gerstenwas­ser in die Thränenröhrchen zu wecken, und sich nicht bei etwa erfolgendem Thränenflusse oder sonstiger Keizung, von deren Fort­setzung abhalten zu lassen, damit, nach Leblanc's Kath, die chro­nische Entzündung wieder in eine acute übergehe und schnell ende.
sect;.277.
Hat die Blennorrhöe schon bedeutende Veränderungen in der Schleimhaut des ganzen Thränencanals hervorgerufen und wird sie durch diese noch erhalten, so muss besonders dann, wenn die Oeff-nungen unwegsam sind, die vordere Wandung des Thränensacks geöffnet werden, um mit mehr Erfolg auf sie einwirken und diese vielleicht zu ihrem natürlichen Zustande zurückführen und die Wegsamkeit des Nasencanals wieder herstellen zu können. Die hier in unmittelbare Berührung mit der Schleimhaut zu bringenden Mittel, sind die oben angegebenen umstimmenden, adstringirenden oder die stärkern Aetzmittel, wohin zunächst der rothe Präcipitat als Aetzsalbe auf Charpie gestrichen und zwischen die Wundrän­der gelegt oder in Pulverform eingestreut, der Höllenstein zum Touchiren oder aufgelöst zur Einspritzung oder, als letztes Mittel zur Zerstörung vorhandener Afterproductc und der entarteten Schleimhaut, selbst das Glüheisen, gehören.
Ableitungen auf die Haut erweisen sich bei der Entzündung sowohl, als bei der Blennorrhöe des Thränensackes stets vortheil-haft, besonders in jenen Fällen, wo das Leiden mit Dyskrasie ver­bunden ist.
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IV. Von der Entzündung der Sclerotica.
sect;. 278.
Die besondere Beziehung der Sclerotica zu den übrigen Gebilden des Auges und des ganzen Organismus sowohl, als ihre feste, derbe Structur geben bei der Entzündung derselben zu eigenthümlichen Erscheinungen Veranlassung. — Die Eöthe im Weissen des Auges besteht aus äusserst feinen Verzweigungen der Blutgefässe, die sich strahlenförmig gegen den Rand der Hornhaut fortsetzen und offen­bar tiefer liegen, wie die dickeren Gefässstränge der Conjunctiva; die Röthe ist blass, rosenfarbig. Bei diesen, dem Anscheine nach geringen Erscheinungen der Entzündung ist der Schmerz im Auge und seiner Umgebung, der Thränenfluss und die Lichtscheue sehr heftig. Die Entzündung beschränkt sich lange auf die Sclerotica, sie breitet sich mehr oder weniger auf die Conjunctiva, vorzüglich aber auf die serösen Blätter unter der Sclerotica und durch diese auf die Hornhaut (Descemet'sche Haut) und die Iris, selbst auf die Chorioidea aus. — Die Ausbreitung der Entzündung der Scle­rotica nach diesen verschiedenen Richtungen erklärt allein die verschiedenen Erscheinungen, welche in ihrem Verlaufe eintreten können. *)
sect;. 279.
Die Entzündung entwickelt sich entweder ursprünglich in der Sclerotica und verbreitet sich von da auf die innern Gebilde oder nach aussen auf die Conjunctiva, — oder die Sclerotica wird im Verlaufe einer andern Entzündung ergriffen, wie die catarrhalische Entzündung oder die Entzündung der Iris sich auf die Sclerotica fortsetzt. — Die Ursachen, welche die ursprüngliche Entzündung der Sclerotica hervorbringen, sind aussei- mechanischen Einwirkun­gen und Verletzungen, vorzüglich Erkältungen, rheumatische und Q-ichtische Affectionen. Wir betrachten nach diesen verschiedenen Beziehungen: 1) die rheumatische, 2) die catharrhalisch-x-heuma-tische und 3) die gichtischc Form. **)
sect;. 280.
1. Die rheumatische Form der Sclerotitis (Ophthalmia rheumatica, Sclerotitis rheumatica), beginnt mit dem Erscheinen sehr feiner Gefässe, von blasscarmoisinrother Farbe in der Scle­rotica, während die Conjunctiva anfangs in ihrer ganzen Ausbrci-
*) Chclius a. a. ü. Bd. 1. S. 198. sect;. 290. **) Chclius ebendas. sect;. 30ü.
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tung normal ist. Diese Gef ässe laufen alle in gerader Richtung parallel, ungefähr eine halbe Linie und weiter von einander abstehend von hin­ten nach vorn und bilden einen Kreis um die Hornhaut, der an­fangs durch gesunde Stellen der Sclerotica unterbrochen, bald aber complet ist. Das Auge ist empfindlich gegen das Licht und thränt, welche Zufälle bei stärkerer Einwirkung oder bei der Untersuchung des Auges sich vermehren. Zugleich treten Gefässe in der Con­junctiva auf, welche in derselben Richtung, wie die Gefässe der Sclerotica verlaufen, sich aber durch ihre dunklere, gelblich - zin-noberrothe Farbe, ihren grösseren Durchmesser und ihren mehr gesclJängelten Verlauf auszeichnen. Die Gefässe der Sclerotica und Conjunctiva drängen sich um den Rand der Hornhaut zu einem feinen, dichten Gefässkranz zusammen, welcher oft eine halbe Li­nie über den Rand der Hornhaut sich erstreckt, aber scharf abge­schnitten sich endigt. Die Lichtscheu vermehrt sich; öffnet man das Auge bei hellem Lichte, so stürzt ein heisser Thränenstrom über die Wangen *); der Schmerz im Auge gibt sich als einen sehr lebhaften, remittirenden, gegen Abend und im Verlaufe der Nacht heftiger werdenden zu erkennen. — Die Augenlider werden wenig afficirt und nur massig geröthet aber nicht geschwollen gefunden, ebenso sind auch die Meibomischen Drüsen nicht functionell gestört.
sect;. 281. Beim Voranschreiten der Entzündung verbreitet sich dieselbe unter Vermehrung der Lichtscheue, des Thränenflusses und unter Zunahme der Röthe in höherm Grade auf die Bindehaut, dann auch auf das seröse Blatt der Sclerotica, und von diesem auf jenes der Hornhaut, auf die Descemet'sche Haut, auf die Hornhaut selbst und auf die Iris. Daher erhebt sich die Conjunctiva in chemotische, mit serösem Exsudate gefüllte Blasen, erscheint anfänglich die Hornhaut glanzvoller, später matt, trübe und gewölbter, wird die wässrige Feuchtigkeit in der vorderen Augenkammer durch die theil-weise Störung der transudativen Thätigkeit der sich partiell trüben­den Descemet'schen Haut vermehrt und verändert sich die Farbe der, durch den lähmenden Druck der vermehrten Ansammlung der wässrigen Augenkammerfeuchtigkeit starr und expandirt werdenden, Iris. Erreicht nun die Entzündung einen noch höhern Höhepunkt, so participirt die Regenbogenhaut immer mehr, erhält eine grün­liche oder strohgelbe Farbe und verbindet durch fadenförmige pla­stische Exsudationen ihren Pupillarrand mit der vorderen Wand der Linsenkapsel. Gleichzeitig hiermit steigern sich die entzündlichen Er­scheinungen in der Sclerotical-Bindehaut, deren Gefässe sich jetzt
*) Chclius a. o. O. sect;. 301.
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auch über das Bindehautblättchen der Cornea fortsetzen, und die Substanz derselben in entzündliche Mideidenschaft versetzend, zur Verschwärung führen, welche schlimmem Falles die Hornhaut per-foriren und zu Leukomen, Vorfall der Iris u. s. w. Veranlassung geben kann.
sect;. 282.
Es tritt diese Entzündung bald mit grösserer, bald mit gerin­gerer Heftigkeit, bald mit ausgesprochener Neigung, sich auf die innersten Gebilde fortzusetzen, bald ohne diese in selbstständiser eigenthümlicher Fottn auf. Eine krankhafte, unter dyskrasischen Einwirkungen stehende Stimmung der Theile scheint den Entzün­dungsfunken lebhafter aufzufassen und das schnelle, verheerende Umsichgreifen der Flamme zu begünstigen (Beck). Im letztern, meist kräftige Subjecte treffenden Falle, ist die Sclerotitis gleich im Anfange mit am Abende exaeerbirendem und am Morgen remit-tirendem Gefässfieber und gastrischen Erscheinungen verbunden, während bei der gehndern Form das entzündliche Leiden lediglich in der Sclerotica fixirt bleibt und beinahe fieberlos verläuft.
sect;. 283.
Die Ursache der rheumatischen Entzündung der Sclerotica liegt in Erkältimg des ganzen Körpers, des Kopfes oder des Auges durch Zugwind, nasskalte Witterung, anhaltendes Waten durch kaltes Wasser u. s. w., weshalb sie bei Nordwestwinden und im Früh - und Spätjahre am häufigsten vorkommt. Oder auch es entwickelt sich dieselbe aus rheumatischen Affectionen anderer Theile, oder aus einem schnell unterdrückten heftigen Nasenschleim-flusse. Sie ergreift meist nur ein Auge, #9632;wenn übrigens auch das andere leidend wird, so entwickelt sich das Uebel dort nur als ein sympathisches, und erreicht die Höhe des erstem nicht.
sect;. 284.
Die Prognose der rheumatischen Sclerotitis hängt ab: von der Constitution des erkrankten Individuums, von dem Grade des Leidens selbst, sowie von dessen Verbreitung auf mehr oder min­der wichtige Gebilde, von dessen Ausgängen und deren Heilbarkeit. Hat die Entzündung ein sonst gesundes Individuum getroffen, so ist die Prognose eine günstige, besonders wenn sie sich noch nicht zu einem hohen Grade ausgebildet hat und Iris und Hornhaut noch nicht an ihr partlcipirt haben, während entgegengesetzten Falles bei Uebergang in Eiterung die oben angeführten organischen Fehler zurückbleiben und das Sehvermögen mehr oder weniger beeinträch­
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wird.
sect;. 285.
Bei der Behandlung dieser Entzündung ziehe man mit Um-
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Dynamische Krankheiten des Auges.
sieht und nicht im Uebermasse den antiphlogistischcn Heilapparat zu Hülfe, man leite auf Haut und Darm ab, letzteres auch, um ga­strische Reize zu entfernen. Dabei sey man eben auch auf Be-wirkung vermehrter Hautthätigkeit gehörig bedacht, in welcher Ab­sicht man sich einer Verbindung des Goklschwefels und Camphers mit Salpeter in Latwerge bedient. — Oertlich lasse man auf das Auge ausser leichten, herabhängenden Compressen nichts anwen­den, da alle andern sowohl nasse als trockene Mittel den Keizzu-stand vermehren und nur zum Nachtheil wirken, und Einreibungen in die Umgegend des Auges mit grauer Quecksilbersalbe machen, welcher man bei grossem nervösen Erethismus Opiate beigeben kann.
sect;. 286.
Bei sympathischen Entzündungen der Iris imd Hornhaut ver­ordne man nebst den Blutentziehungen starke Gaben von Calomel, deren Gebrauch aber, sobald Exsudate und Vereiterungen eintreten, abgebrochen werden muss und dafür reichliche Einreibungen mit der grauen Salbe veranstaltet und, um der grossen Neigung zur Ver­wachsung der Pupille und der Regenbogenhaut mit den naheliegen­den Theilen zu entgegnen, Auflösungen des Hyoscyamus - und Belladonnaextracts instillirt werden müssen; beginnende Verschwä-rung der Hornhaut behandle man mit feuchtwarmen schleimigen Umschlägen und ausgebildete Geschwüre mit Opiumtinctur und aromatischer Wärme.
Chronischer Entzündung der Sclerotica setze man keine strenge Antiphlogose entgegen, sondern man suche durch öfteres Anlegen von Blutegeln an die Umgegend des Auges die erhöhte Irritabilität die­ses Organtheiles herunterzusetzen und berücksichtige vorhandene Kachcxie und Dyskrasien nach ihrem Grundwesen durch innere An­wendung entsprechender Mittel, welchen man stets solche Zusätze gibt, welche die Thätigkeit des Hautlebens vermehren, namentlich die Antimonialien und Schwefelpräparate.
sect;. 287.
2. Die catarrhalisch-rheumatische Augenentzün­dung charakterisirt sich durch die gemischton Erscheinungen der Entzündung In der Bindehaut und derquot; Sclerotica. Bei Ihr treten jene der Bindehaut zuerst unter Ihren charakteristischen Erschei­nungen auf, welche sich dann auf die Sclerotica fortsetzen und In dieser den oben beschriebenen Zustand derselben hervorrufen. Beide Entzüudimgen verlaufen neben einander und erreichen unter ungün­stigen äussern und constitutionellen Verhältnissen den höchsten Grad, so dass sie zu chemotlschen Anschwellungen der Conjunc­tiva und selbst zur Blcnnorrhöe übergehen können. Es scheint, als
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wenn die Bindehaut in pathologischer Beziehung hier wäre, was dort der seröse Theil der Sclerotica ist. — In gleicher Weise, wie bei der rheumatischen Entzündung dehnt sich auch die Entzündung über die Cornea aus, unterscheidet sich aber von der rheumatischen Entzündung durch ihr Fixirtbleiben auf der Oberfläche des Aug­apfels und durch die geringere Neigung zu einer Weiterverbreitung des entzündlichen Processes auf die Centraltheile des Bulbus, wenn gleich auch hier zuweilen sich die Regenbogenhaut mit entzündet.
sect;. 288.
Die Ursachen der catarrhalisch-rheumatischen Augenentzün­dung liegen in der Kegel in atmosphärischen Einwirkungen und schnellem Wechsel der Temperatur. Der Grund, dass die catarrha-lische Augenentzündung in die rheumatische sich überbildet, liegt entweder in der ursprünglichen Einwirkung der Schädlichkeiten oder in constitutionellen Verhältnissen des Kranken oder in schlech­tem Verhalten und Vernachlässigung (CheHus).
sect;. 289.
Eine bessere Prognose bei der catarrhalisch-rheumatischen Augenentzündung ist aus dem Grunde zulässig, weil dieselbe mehr •auf der Oberfläche des Auges fixirt bleibt und sich durch den früh­zeitig eintretenden Schleimfluss der Bindehaut und der Meibomi-schen Drüsen theilweise kritisirt. Angehend den blennorrhoischen Zustand, der unter nachtheiligen Einflüssen, Ausgang oder Beglei­ter der Entzündung seyn kann, so gilt hier die allgemeine Prognose dieser eigenen Krankheitsform.
sect;. 290.
Bezüglich der Behandlung dieser Form gelten dieselben Heil­maximen, wie bei der einfach rheumatischen Scleroticalentzündung, mit dem Unterschiede, dass hier eher als dort, äussere Mittel, wie sie die catarrhalische Bindehautentzündung erfordert, anwend­bar sind.
sect;. 291.
3) Die gichtische Form der Sclerotitis oder die gich­tische Augenentzündung, Sclerotitis arthritica, ophthalmia arthritica, beginnt ursprünglich als Entzündung der Sclerotica und verbreitet sich von dieser auf einen grüssern Theil des Bulbus. Direm Charakter nach, ist sie mehr passiv als activ, indem es mehr der venöse, als arterielle Theil des Auges ist, der leidet, so dass es den Anschein hat, als wenn nicht nur der freie Blutumlauf im Auge gestört, sondern auch die Blutmasse selbst alienirt sey. Während die arteriellen Gefässe helleres Roth zeigen, erscheinen die Venen weit dunkler von Farbe, blau und strangartig ange­schwollen, auch functionell spricht sich diese Störung hauptsächlich
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Dynamische Krankheiten des Auges.
in der venösen Parthie des Auges aus und besonders ist es die Chorioidea, welche diesem pathologischem Processe unterliegt.
sect;. 292.
Unter allgemeiner Unruhe und Aeusserungen eines localen Schmerzes und catarrhalischer, mit vermehrter schäumiger, schneeiger, eiweissartiger Schleimsecretion verbundener Entzündung der bloss gerötheten und ödematös geschwollenen, strangartig mit Blutadern überzogenen Augenlider entsteht eine blasse Rosenröthe in der Scle-rotica, deren Gefässe sich einige Linien vor dem Hornhautrande in einem Gefässkranz verbinden und in gerader Richtung und pa­rallelen Aesten gegen die Hornhaut laufen, sich nach ihrem Durch­tritte durch die Sclerotica, abermals verzweigen und anastomosiren, so dass zwischen der Sclerotica und Hornhaut ein bläulicher Ring durchschimmert. Dabei überzieht die Bindehaut ein dichtes Netz varicöser, dunkler Gefässe, und scheint ebenso die Entzündung sich auf den unterliegenden serösen Theil der Sclerotica, sowie auf die Chorioidea und Ciliarnerven fortzusetzen, indem nun auch grosse Lichtscheue, scharfer Thränenfluss und lebhafterer, am Abend und in der Nacht exacerbirender, gegen Morgen remitti-render Schmerz eintritt.
sect;. 293.
Verbreitet sich die Entzündung auf die Regenbogenhaut, so steigern sich alle diese Symptome, es verschwellen die Augenlider oft bis zur gänzlichen Unbeweglichkeit und die Röthe wird lebhaf­ter, sowie auch jene der Bindehaut und Sclerotica ausgedehnter, gleichmässiger, dunkler wird und sich über das Bindehautblättchen der Cornea fortsetzt, wodurch diese ein matttrübes Ansehen be­kommt, und zuletzt mit kleinen, oberflächlichen Geschwürchen oder pannusartigen Verdunkelungen bedeckt wird. Zuweilen entsteht auch ein Abscess in derselben, der sich nach aussen öffnet und ein schmutziges zackiges, umwulstetes Geschwür hinterlässt. —#9632; Die Iris entfärbt sich, die Pupille wird starr, unbeweglich und verengt, auch verzogen, und gewinnt das Ansehen von Aufgetriebenseyn und Varicosität, dabei vermehrt sich die Lichtscheue und das Seh­vermögen schwindet allmälig bis zur völligen Blindheit; die Ent­zündung endet zuletzt in Exsudation, Verschliessung der Pupille und Verwachsung derselben mit der ebenfalls getrübten und mit varicösen Gefässen überzogenen Linsenkapsel.
sect;. 294.
Hat sich die Chorioidea in ihrer ganzen Ausbreitung an der Entzündung betheiligt, so erreicht der Schmerz seine grösste Höhe; die Secretion des Pigmentes vermindert sich oder verschwindet, die Chorioidea selbst wird entfärbt, erweicht und verdünnt, wie ma-
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cerirt und verwächst an einzelnen Stellen mit der Retina und Scle-rotica, und durch den Druck der Flüssigkeiten wird die Sclerotica an den nachgiebigem Stellen zu den bläulichen staphylomatösen Erhabenheiten ausgedehnt und erhält eine schmutzig bläuliche Fär­bung. Dieser krankhafte Zustand setzt sich ebenfalls auf die Uvea fort, woher die Eegenbogenhaut, ob des partiellen Mangels an Pig­ment, missfarbig, schmutzig, flockig und an einzelnen Stellen ver­dünnt erscheint (Chelius). Die Pupille erleidet ebenfalls die oben angegebenen Veränderungen und zeigt ausserdem die varicösen An­schwellungen der Uvea, als von ihrer innern Fläche hervorragende Wülste. Von hier aus geht die Entzündung ebenfalls auf die Lin­senkapsel über, verdunkelt und vergrössert sie, so dass sie oft als ein schmutziggrüner Körper aus der erweiterten Pupille hervor­ragt und das Sehvermögen gänzlich erlöschen macht. Ist die Um-fangszunahme der Linse sehr gross, oder ragt sie ohnehin schon im normalen Zustande, wie z.B. beim Pferde in die Pupille hinein, so reizt sie die Iris zur Vereiterung, durch welche sie später aus dem Auge gestossen wird. — Der Ausgang dieser Zustände ist Atrophie des Bulbus oder Blennorrhöe des Augapfels und der Au­genlider mit Colliquation des ganzen Auges.
sect;. 295. Die Ursachen der gichtischen Augenentzündung sind alle jene, welche Gicht hervorrufen können, vorzugsweise Störungen in den chylo- und hämapoetischen Systemen des Körpers bewirken. Als nächste Ursache kann man alle jene Anlässe nehmen, welche überhaupt Entzündungen des Auges hervorzubilden vermögen, wozu besonders Hautstörungen durch Erkältung, Stockungen im Pfortadersystem mit Congestionen nach dem Kopfe, rheumatische Affection des Körpers oder des Kopfes, gezählt werden müssen. — Die Augengicht ist eine primäre, eine secundäre oder metastatischc. Primär oder genuin ist sie, wenn ihr erstes Auftreten im Auge Statt hatte, während das gichtische Leiden schon längere Zeit im Körper wurzelte, ohne zum Ausbruche einer sichtlichen Krank­heitserscheinung zu gelangen und nur einer augenblicklichen loca-len Störung etwa durch Erkältung, mechanische Verletzung und dergl. bedurfte, um hervorzutreten. Secundär erscheint sie nach catarrhalischen oder catarrhalisch - rheumatischen Augenentzündun-gen oder auf zufällige das Auge treffende Anlässe bei schon be­stehender Gichtkrankheit in andern Körpertheilen. Metastatisch wird sie nach plötzlich geschwundenen Gichfzufällen beobachtet, wo sie in einem Male im Auge auftritt. Sowohl in Form, als Wesen unterscheidet sich Gicht von Rheumatismus, wenn gleich der Verlauf beider einander ähnelt. Die wahre Gicht ist immer
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Dynamische Krankheiten des Auges.
der Reflex eines tiefer verborgenen, inneren Leidens des Körpers, dessen lleerd im Unterleibe zu suchen ist, und unterscheidet sich wesentlich vom Rheumatismus, welcher durch aus sere, auf den Or­ganismus einwirkende Ursachen erzeugt wird; dieser entwickelt sich von aussen nach innen; die Gicht immer von innen nach nussen (Jüngken). Der Verlauf dieser Entzündimg ist entweder aeut, in einigen Tagen das Auge und Sehvermögen gänzlich zer­störend, oder chronisch mit langsamem minder gefährlichem Gange. Sie entwickelt sich oft auf einem Auge zuerst und erreicht da ihren höchsten Höhegrad, bis sie auch auf dem andern erscheint und in der Regel dort leichter verläuft.
sect;. 296. Die Prognose bei dieser Form richtet sich nach dem Um­stände, ob sie genuin oder secundär entstanden oder aus einer Me­tastase hervorgegangen ist; ob sie acut oder chronisch verläuft. Ihr genuines Auftreten bedingt stets grosse Gefahr für das Auge, eine grössere noch, sobald sich das Uebel schon zu einem erheblichen Grade gesteigert hat; bei secundärer oder metastatischer Augengicht ist schon eine günstigere Vorhersage zulässig, im Falle das con­secutive Uebel auf seine ursprüngliche Form wieder zurückgeführt werden kann oder es gelingt, die Gicht in ihrer primären Stelle wieder zu wecken. Ebenso bietet das acute Auftreten des Leidens wenig günstige Aussicht auf Heilung, wenn nicht sehr frühzeitig und kräftig eingeschritten wird, während der chronische Verlauf bei sorgfältiger Behandlung und andern vortheilhaften Verhältnissen günstigen Ausgang hoffen lässt. Einen fernem Anhaltspunkt gibt uns die Körperconstitution des erkrankten Subjectes. Hagere Körper mit straffer Faser gestatten im Allgemeinen eine bessere Prognose, als pastose, torpide, schwache und kachectische. — Entzündhchc Complicationen der Iris geringern Grades gestalten bei sonst gün­stigen Verhältnissen, reiner Säftemischung und durchgreifender Be­handlung die Prognose in so weit günstig, als durch sie meist Zer-theilung möglich wird und das Auge in Form und Function wenig oder keiner Veränderung unterliegt; heftige Entzündung der Iris geht gewöhnlich in Exsudation, Verwachsungen und dergl. über, verbindet sich noch mit Pannus und Sclerotical - Staphylom, wobei oft das Sehvermögen und die Form des Auges verloren geht. — Verbreitung der Entzündung über die ganze Fläche der Chorioidea, wie oben angegeben, wird für Sehvermögen und Form des Auges stets gefährlich. — Der Ausgang in Blennorrhöe wird dann ge­fährlich, wenn die Beseitigung des Grundleidens nicht gelingt oder sie schon zu weit vorgerückt und mit anderweitigen Dyskrasien in Verbindung getreten ist.
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sect;.297.
Die Behandlung der gichtischen Form der Augen- oder Scleroticalentzündung ist jene der rheumatischen, wobei man jedoch besonders noch auf entfernt von dem Auge angebrachte, eiternde und lange zu unterhaltende Hautreize zu halten und diese, jedoch nur als flüchtige Reize auf die ursprünglich von der Gicht befallen gewesenen Körperstellen zu appliciren hat, um eine retrograde Gicht in diesem Theile wieder zu wecken. Stockungen im Pfort­adersystem, unterdrückte und gewöhnte Secretioncn, zurückgetre­tene Impetigo und dergl. sind hier, wie anderswo, wieder zu wecken, oder falls dies nicht rasch genug oder gar nicht gelingen sollte, durch künstliche und analoge ISecretionen zu ersetzen. Haarseile, Fontanellen, bei Pferden und grösserm Hornvieh Lederstecken, sind nie /u versäumende Hülfs- und Schutzmittel gegen neues Er­kranken.
Eine örtliche Behandlung dieser Entzündungsform ist durch­aus unstatthaft und schädlich; ausser Schützen des Auges vor dem Luft- und Lichteinflusse mittelst warmer Compressen, hat unmit­telbar auf das Auge nichts zu geschehen. Auf zurückbleibende plastische Exsudationen oder Verwachsungen suche man mit ört­lichen , theils die Kesorption belebenden, theils die Contractihtät der Iris bethätigenden Mitteln zu wirken, indem man sich in ersterer Absicht der Quecksilbereinreibungen und in letzterer der Instillation von Belladonna oder Hyoscyamusextractauflösungen bedient, oder von dem Kirsclilorbeerwasser Gebrauch macht.
Der Ausgang in Blennorrhöe erfordert eine sachgemässe Be­handlung des Grundleidens und die speciellen, bei der Augenblen-norrhöe angegebenen, Mittel.
V. Von der Entzündun
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der Hornhaut.
sect;. 298. Die Entzündung der Hornhaut, Corneitis, Keratitis, haf­tet in dem serösen, äusseren Ueberzuge, dem Bindehautblättchen, in der eigentlichen oder Mittelsubstanz der Hornhaut oder in dem inneren Ueberzuge, der Dcscemet'schen Haut; nach dem ursprüng­lichen Sitze verhält sich dann die Reihenfolge der sich entwickeln­den Erscheinungen, welche im geringern Grade der Entzündung,
Müller, Veterinär-Oplithalmologie. II.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;\Q
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Dynamische Krankheiten des Auges.
ihre Selbstständigkeit während deren ganzem Verlaufe behaupten, oder beim hohem Grade des Leidens, mit einander verschmelzen.
Die einzelnen oder vereinigten Entzüudungserscheimmgen der Hornhaut unterscheidet man als reine, von äusseren oder trauma­tischen Anlässen hervorgerufene, und als genuine, im Falle die Entzündung zuerst in der Hornhaut ihren Sitz genommen hat, als consecutive, sobald dieselbe eine Folge der Ausbreitung der Entzündung von andern Gebilden ist.
sect;. 299.
Nimmt die Entzündung auf dem Bindehautblättchen ihren Ur­sprung, so zeigen sich auf dessen Oberfläche von dem Rande gegen den Mittelpunkt hinlaufende, hellrothe, kleine Blutgefässchen, welche in Punkten zusammenlaufend, sich kreuzen, dort quot;Wasserbläschen bilden, die später platzen, kleine Fagetten oder Geschwürchen hin­terlassen, die tief einfressen, die Mitfelsubstanz der Hornhaut er­greifen, mit Eiter infiltriren, durch dessen Verdichtung den soge­nannten Onyx bilden oder durch Verschwärung dieselbe durchbohren können.
sect;. 300.
Diese Erscheinungen begleitet je nach ihrer Heftigkeit, grösscre oder geringere Lichtscheue, welche dann grosser wird, wenn die Entzündung in der eigentlichen Hornhautsubstanz beginnt. In die­sem Falle trübt sich dieselbe, wird undurchsichtig, schmutziggclb, wie mit Staub bedeckt und einem matt geschliffenen Glase ähnlich; es zeigen sich dann ebenfalls in deren Substanz die Gefässverzwei-gungen mit Blut angefüllt und am Hornhautrande in ein Netz ver­zweigt. Unter entsprechender Behandlung endet diese Entzündung in Zerthcilung oder es erscheinen, als Folge vermehrter Aushau­chung und gestörter Aufsaugung, leichte Trübungen, die bei nor-mahsirtem Stoffwechsel nach einiger Zeit sich wieder lösen, oder es geht die heftigere Entzünduns; unter ungünstigem Verhältnissen in Eiterung über, die über den grössern Thcil der Hornhaut sich verbreitet, und nach aussei! oder nach innen sich eröffnende Abs-cesse bildet. — Geht jedoch die Zerstörung der Substanz der Horn­haut nur bis zu ihrer innersten häutigen Lage, der Descemet'schen Haut, so kann diese als graidichweisses Bläschen durch die andrin­gende wässrige Feuchtigkeit hervorgetrieben werden, und sich zum Hornhautbruch, Ceratocele, Hernia corneae gestalten.
Wenn mehrere Geschwüre die Hornhaut durchbohren und die Iris durch diese Oeffnungen hervorgetrieben wird, so entsteht das Staphyloma racemosum, verwächst sie in grösserem oder in ihrem ganzen Umfange mit derselben, so bildet sich partielles oder totales Staphylom der Hornhaut.
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sect;. 301.
Wo die Entzündung iln-en Ursprung in der Descemet'schen Membran nimmt, erkennt man von vom und bei seitlicher Ansiclit in der Tiefe der Hornhaut die injicirten Gefässe und später flockige Trübungen. Durch verminderte Transsudation der wässrigen Flüs­sigkeit häuft sich diese in der vordem Ausenkammer an und es tritt in Folge dessen, die Hornhaut gewölbter und gespannter her­vor, es partieipirt bei voranschreitender Entzündung der seröse Ueberzug der Iris, vie jener der Linse, ebenfalls an derselben, wodurch die wässrige Feuchtigkeit nicht allein an Masse gewinnt, sondern auch trübe und lymphatisch wird. Gleichzeitig hiermit geht ebenfalls die Entzündung von der Descemet'schen Haut auf den serösen und innern Theil der Sclerotica über, so dass dessen, neben dem Bande der Hornhaut hervortretende, Gefässe einen ge-rötheten Gcfässkreis bilden und parallel gegen die Augenwinkel hin verlaufen. — Diese Entzündung nimmt meist einen chroni­schen Verlauf, verbreitet sich selten über den spongiösen Theil der Hornhaut selbst, und bleibt mehr in den serösen inneren Parthien haften, weshalb ihre Uebergänge in Trübung dieser häufiger, als Verdunkelung oder Verschwärung jener.
sect;. 302.
Die Prognose richtet sich hier nach der Heftigkeit der Er­scheinungen und der Wichtigkeit der ursächlichen Momente, sowie nach dem Sitze der Entzündung. Die Entzündung des Bindehaut-blättchens, sowie der Mittelsubstanz der Hornhaut gewährt immerhin eine günstige Prognose, da sie fast immer zur Zerthellung geführt werden kann. Die Entzündung der Descemet'schen Haut gestattet gleichfalls eine günstige Vorhersage, im Falle sie sich nicht auf die Iris ausdehnt und dort einen hohen Grad erreicht. Bei vorhande­nen dyskrasischen Zuständen jedoch, bleiben häufig Structurverän-derungen und Trübungen der durchsichtigen Medien des Auges zurück, welche mehr oder weniger, auch gar nicht heilbar sind.
sect;. 303.
Zu den Ursachen der Homhautentzündunof gehören zunächst äussere Verletzungen durch Peitschenhiebe, Hornstösse, Dorn-, Gabel-tmd Inseetenstichc; mechanische und chemische Reize durch spitze Körper, Staub, Sand und Kalk oder andere Aetzmittel; ho­her Grad von Entzündunj' naheliejjender äusserer und innerer Or-gantheile des Auges, insbesondere seröshäutiger Gebilde; Hautstö­rungen , allgemeines rheumatisches oder gichtisches, recentes oder inveterirtes, gleichsam dyskrasisch gewordenes Leiden; Druse oder Rotzkrankheit, überhaupt alle Anlässe, welche Entzündungen der äusseren und inneren Theile des Aucres zu erregen vermögen.
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Dynamische Krankheiten des Auges. S. 304.
Die Behandlung der Hornhautentzündung sey überhaupt eine strengentzündungswidrige, in speciellen Fällen dabei eine diapho­retisch - antirheumatische oder antiarthritische und erforderlichen Falles specifische. Fremde, in die Hornhaut gedrungene und stecken gebhebene Körper, mechanische und chemische Reize müssen ent­fernt oder eingehüllt, anregende Entzündungen benachbarter Theile nach den Umständen behandelt und Ableitungen auf entferntere, auf niederer Organisations - Stufe und in geringer physiologischer Diffnität stehende Orjnme und Gebilde angebracht werden. Fs werde überhaupt die Behandlung nach allen den Grundsätzen geleitet, wie sie bei verschiedenartigen Entzündungen des Auges, vorzugsweise bei der Bindehaut- und Scleroticalentzündung speciell und allge­mein angegeben worden sind. — Hat sich bei Entzündung der Haut der wässrigen Feuchtigkeit das angegebene Missverhältniss zwischen Transsudation und Resorption gebildet und die wässrige Feuchtigkeit im Uebermasse angesammelt, so ist hier ein Verfah­ren, welches Wardrop bei gleichen Zuständen des menschlichen Auges vorgeschlagen hat, und wie es seine Landsleute und nach ihnen viele Andere mit Vortheil ausgeübt haben, nämlich die Ent­leerung der wässrigen Feuchtigkeit durch die Acupimktur, beson­ders zu empfehlen, wenn die Ansammlung zu rasch gekommen ist und die uns zu Gebote stehenden anderweitigen resorbirenden Mittel nicht ausreichen. Wenn wir uns früher gegen die Eröffnung der Hornhaut bei dem Thierauge durch den Schnitt, ausgesprochen^ und auf den Umstand des leichtmöglichen Vorfalles der Innern Au-gentheile durch die Contraction des hintern Augenmuskels, auf­merksam gemacht haben, so trifft diesen Vorwurf die Function nicht und wir halten sie hier nicht allein für ein höchst nützliches Mittel, sondern auch für unumgänglich noting.
VI.
Von der Entzündung der Aderhaut.
sect;. 305. Die Entzündung der Aderhaut, Chorioideitis, ist eine sehr häufig vorkommende Krankheitsform, die man eigentlich erst aus ihren Folgen, als da gewesen zu erkennen vermag. Sie ent-
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springt gerne aus Entzündungen anderer Gebilde, namentlich, wie oben schon gezeigt, aus jener der Sclerotica. Ihre gewöhnlichen Ausgänge sind Farbeveränderung, Avobei ihr schöner azurblauer Ueberzuff matt und fahlgelb wird.
sect;. 306. Da ihr Vorkommen eigentlich nur symptomatisch ist, so ist ihre Behandlung auch nur eine mittelbare.
VII. Von der Entzündung der Nervenhaut.
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sect;. 307.
Die Entzündung der Retina, Inflammatio retinae, Retini­tis , Amphiblestroditis *), ist von acuter und chronischer Form. Er-stere Form verläuft selten ganz als selbstständige Krankheit, indem sie sich schnell auf die übrigen Gebilde, des Auges verbreitet und zur Ophthalmitis interna sich umgestaltet. Ihre Diagnose wird durch den Umstand sehr schwierig, dass sie hauptsächlich in sub-jectlven Empfindungen sich ausspricht und nur wenige und allge­meine objective Erscheinungen bietet. Diese bestehen aus der hef­tigsten Lichtscheue und starkem Thränenflusse, krampfhaftem Schliessen der Augenlider, mangelhaftem Sehen, aufs minimum contrahirter Pupille und unbeweglicher Iris; ausserordentlicher, hef­tigen Schmerz verrathender, oft zur Wuth gesteigerter Unruhe, Fieberbewegungen und selbst Gehirnentzündung, rasendem Koller bei Pferden, Drehkrankheit bei Schaafen. Erst auf der grössten Höhe der Krankheit zeigt sich eine gleichmässig verbreitete, aus der Tiefe hervorschimmernde, matte und rosige Röthe. Bei zweck-mässigem Kurverfahren bildet sich die Entzündung wieder zurück und es kehrt das Auge wieder zu seinem integren und normalen Functionszustande zurück; im schlimmem Falle geht sie sogleich zur allgemeinen Augapfelentzündung über, oder es entsteht Amau-rose als Folge der Ausdehnung der Blutgefässe der Retina, oder als Folge der, aus Uebcrreizung herbeigeführten Paralyse.
sect;. 308.
Bei der chronischen und subacuten Form der Netzhautontzün-dung entwickeln sich die obigen Erscheinungen langsamer und in minder heftigem Grade und sind auch nicht von anhaltender Dauer,
*) (Von to apftßlrjexoov das Netz).
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Dynanusohe Krankheiten des Auges.
sondern cxaccrbircn am Abende und Morgen. Nach liingerm Be­stände dieser Form, zeigt sich, aussei- der bei der acuten vorkom­menden äussern Entzündung, im coneaven Grunde des Auges eine leichte, weissgraue, wolkige Trübung.
Die Veränderungen, welche als Folge der Entzündung in der Ketina angetroffen werden, sind: Exsudationen, Verdickungen, Varicosität, Farbeveränderung im Innern des Auges und Amaurose.
Die Entzündung der Retina kann aus der acuten Form zur chronischen und umgekehrt übergehen und im letztem Falle mit den Ausgängen der Ophthalmitis endigen.
sect;. 309.
Die veranlassende Ursache zur Entzündung der Retina ist hauptsächlich jeder, dieselbe treffende starke Reiz, namentlich durch allzu grelles oder von glänzenden Schnee- und Sandflächen reflec-tirtes Licht oder durch schnellen. Uebcrgang aus gewohnter Dun­kelheit in das Sonnenlicht. Zart organisirte Körper, Thiere mit hellem Haare und heller Iris sind mehr zu dieser Entzündung in-clinirt, als solche mit vorherrschender Piginentbildung. Thiere mit leicht erregbarem Gefässsysteme unterliegen nach starker Erhitzung gerne der primären Netzhautentzündung, sowie auch der seeun-dären, da sich bei solchen leicht jede Entzündung auf die Netzhaut fortsetzt.
sect;. 310.
Die Prognose bei dieser Entzündung gestaltet sich günstig, so lange diese noch recent ist und zweckmässiger Behandlung un­terliegt, während sie dagegen üblen Ausgang verheisst, sobald das Sehvermögen schon sehr beeinträchtigt und die Pupille sehr con-trahirt ist, und solchen ausser Zweifel setzt, wenn die Pupille völ­lig geschlossen oder die Iris gänzlich bewegungslos geworden und sohin wirkliche Amaurose eingetreten ist, weil eine auf solche or­ganische und unentfembare Veränderungen in der Textur der Re­tina begründet Entzündung dieser Membran keine Aussicht zur Wiederherstellung des Sehvermögens bietet. Den schlimmsten Aus­gang dagegen lässt der Uebcrgang in Ophthalmitis erwarten, indem es hier vielleicht nicht einmal gelingen könnte, die Form des Au­ges zu erhalten.
sect;•-311.
Die Behandlung dieser Entzündung hat eine doppelte Auf­gabe zu vollführen, nämlich gleichzeitig auf die sensible und die irritable Sphäre dieser Membran herabstimmend hinzuwirken. Bei­des geschieht durch Anwendung reichlicher Aderlässe, wiederholtes Ansetzen von Blutegeln, Umschlägen von kaltem Wasser unter Zusatz von Belladonnaextract oder einer Belladonnainfusion nebst
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Mercurialeinreibungen in die Schläfengegend, sowie durch den in-nern Gebrauch des versüssten Quecksilbers unter Zusatz von Opium oder Belladonna, bis zur Salivation oder Narcose fortgesetzt. Sind die kalten Umschläge wegen gichtischer Anlage oder Verbindung un­zulässig, so müssen die Augen mittelst Ueberhängen von Com-pressen sorgfältig gegen das Licht geschützt werden. Dabei sind nach gebrochener Heftigkeit der Entzündung Ableitungen mit lange zu unterhaltender Eiterung, sowohl in den Nacken, als an die Schläfen oder in die Gegend des nervus frontalis besonders geboten. Ausserdem bedient man sich gegen die oft nach diesen Entzün­dungen zurückbleibende grosse Empfindlichkeit des Auges, eines Belladonnawassers zum Einträufeln und auch des inneren Gebrau­ches des Schierlingsextracts in steigender Gabe.
VlII. Von der Entzündung der Regenbogenhaut im Allgemeinen *).
sect;. 312. Die Entzündung der Regenbogenhaxit, Inflammatio iri-dis. Iritis, ist derjenige pathologische Zustand des Irisgewebes, durch welchen das eigenthümliche Leben dieses Organs, namentlich das seiner Gefässe so gestört ist, und das in ihnen krankhaft an­gehäufte Blut so verändert wird, dass die Functionen der Iris mehr oder weniger gestört werden, die Ernährung des Irisgewebes lei­det, dieses in seiner Structur sich verändert und sich wohl auch gänzlich metamorphosirt. Die Iritis unterscheidet sich durchaus nicht von der Entzündung eines jeden andern Organes; wir sehen hier alle einzelne Momente des Entzündungsvorganges in den or­ganischen Gebilden überhaupt, d. h. vitale und organische Verän-
*) Wir erlauben uns bei Behandlung dieses interessanten Theiles der Ent­zündungen, Herrn v. Ainmon's gekrönte Preisschrift über Iritis, im Journale für Chirurgie und Augenheilkunde, herausgegeben von Dr. Ph. v. Walthcr und Dr. F. A. v. Ammon, Sister Bd. 4. Heft., — für uns zu benutzen. Wir sind ganz seinem Gange und seinen Worten gefolgt, insoweit sich solche auf das Thierauge anwenden Hessen und glauben darin wohlgethan zu haben, da wir es nicht wagen wollten, von dieser meisterhaften Darstellung nur im geringsten abzuweichen, indem wir dafür halten, den Wünschen unsere Publicums dadurch entsprochen, und Herrn von Ammon's Absicht, jedem Zweige der medicini-schen und Naturwissenschaften nützlich zu seyn, gefördert zu haben.
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152nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
derungen in den Gerässen, namentlich Erweiterung derselben, Ab­weichungen in der Blutcirculation und damit zusammenhängende Veränderung des Bludaufes, anfangs beschleunigte, später langsa­mere Bewegung der Blutkügelchen, selbst gänzliche Stockung der­selben (Stase), Berstung der Gefässe, blutiges Extravasat, Aus­tritt des Blutserums in das erkrankte Parenchym und andere pa­thologische Erscheinungen. Es kommen verschiedene Grade der Iritis vor, die zwischen einer leichten inflammatorischen Reizung und einer heftigen Entzündung dieses Organes liegen können.
sect;. 313.
Der Verlauf der Iritis ist gewöhnlich langsam, d. h. er ist nach Wochen, nicht nach Tagen, zu messen; im Sommer und über­haupt bei trockener Hitze meistens schneller und deshalb gefähr­licher, als im Winter und bei Kälte. lieber deren geographisches Verhalten haben wir keine nähere Kenntniss.
sect;• 314.
Die Ausgänge der Iritis sind im Allgemeinen die jeder Ent­zündung, also sehr verschieden. Die sogenannte Zertheilung der­selben oder die Kückbildung des entzündeten Irisgewebes zum Nor­malzustande, kommt nicht sehr häufig und in den verschiedensten Abstufungen vor. Sehr häufig ist der Ausgang in entzündliches Exsudat, welcher Vorgang sehr viele pathologische Variationen zeigt; minder oft wird die völlige Zerstörung des Irisgewebes durch die Entzündung beobachtet.
_ sect;. 315.
Die Ursachen der Iritis sind entweder äussere oder innere; zu den ersten gehören vorzüglich die traumatischen, z. B. Ver­wundungen des Bulbus; zu den zweiten die Dyskrasien. Wie diese Dyskrasien die Krankheit erzeugen, darüber herrscht noch grosses Dunkel. Wir kennen die Bedingungen nicht, unter wel­chen die in den Säften liegende allgemeine Krankheitsursache sich localisirt; vielleicht, dass die eine oder die andere Dyskrasie in einer gewissen Beziehung zum Irisparenchym steht. In diesen Fällen entsteht aber die Krankheit nicht von selbst, sondern nur dann, wenn Gelegenheitsursachen auf den gesammten Körper oder auf die Augen einwirken, wenn z. B. Sonnenhitze, Wind, Hauch, Staub, rauhe Witterimg u. s. w. ihre schlimmen Einflüsse ausübten. Auch hier wiederholt sich sonach das allgemeine Gesetz der Patho-genie, nach welchem alle Krankheitsprocesse in einer Veränderung der normalen Lebenserscheinungen thierischer Theile durch abnorme Einwirkungen auf sie bestehen *).
*) v. Ainmon a. a. O. S. 473.
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1S3
sect;• 316.
Die Iritis hat ihren Sitz entweder ursprünglich mir in der Iris und verharrt in ihr, oder die Entzündung ging durch Weiterverbrei­tung von andern Theilen des Auges auf die Iris über, was wegen ilirer engen Verbindung mit denselben, z.B. dem Orbiculus ciliaris, der inneren serösen Fläche der Cornea und Sclerotica leicht ge­schieht, oder sie entstand durch Metastase eines KrankheitsStoffes von einem andern Theile des Körpers auf die Regenbogenhaut. Im erstem Falle wird sie primäre oder idiopathische, in dem letztern seeundäre oder symptomatische genannt. Daraus entstehen mehrere Arten und Complicationen der Iritis. Dieselbe kann fer­ner die ganze Regenbogenhaut oder nur einen Theil der Iris, die gesunde oder eine durch Entzündung schon umgeänderte Iris er­greifen, woher dann die totale und partielle, die einfache und complicirte Iritis ihren Namen haben.
sect;•317.
Den Sitz der Iritis näher betreifend, so kann derselbe die vor­dere oder hintere seröse Haut des in Rede stehenden Organs seyn, woraus zwei Arten der serösen Iritis, die vordere und hintere, ent­stehen (Iritis serosa anterior et posterior). Es kann sich aber auch die Entzündung in dem Parenchym des Organs selbst bilden (Iritis parenehymatosa). Nicht selten entzünden sich alle Theile der Iris, ihre serösen Flächen, wie ihr Gewebe, zugleich oder rasch nach einander. Es verhält sich sonach mit der Entzündung der Iris ganz so, wie mit der Inflammation der Lungen*).
sect;•318.
Zu den pathognomonischen Zeichen der Iritis gehören vor Allem krankhafte Secretionen, welche entweder plastisch, oder plastisch-eiterig oder blutig sind. Diese pathologischen Vor­gänge erfordern eine nähere Schilderung, und lassen sich ohne Be­nutzung der Loupe nicht genau und gründlich studiren.
Die Absonderung sogenannter plastischer oder gerinn­barer Lymphe, kommt auf der vorderen und hinteren Fläche der Iris und im Parenchyme derselben vor; sie ist der Integrität der Iris sehr gefährlich; denn obgleich sie gleich nach der Ausschei­dung aus den Blutgefässen durchsichtig ist, wird sie doch bald, |nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; wenn sie nicht sogleich wieder aufgesaugt wird, dicht und undurch-
sichtig und zähe, und nimmt verschiedene Färbungen an. Hieraus entstehen mancherlei Structurvcränderungen. Beobachtet man den lymphatischen Absonderungsact genauer, so gewahrt man, dass die
*) v. Arnmou a. a. 0. S. 47G.
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Dynamische Krankheiten des Auges.
Lymphe, -welche an der vorderen Fläche der Iris abgesondert wird, bald in grösserer, bald in geringerer Menge in Form von kleinen durchsichtigen Tropfen meist nach der Lage der Blutgefässe her­vorquillt , und dass dieses bald auf der ganzen Iris, bald nur auf einem Theile derselben stattfindet. Je geringer die Menge der ab­gesonderten plastischen Lymphe ist, desto schneller nimmt sie eine zähe Beschaffenheit an, die selten durch die Aufsaugung ganz ver­schwindet; sie verliert sehr bald ihre Durchsichtigkeit, wird un­durchscheinend und bildet endlich eine weisse, oder weisslich bläu­liche Decke. Wird eine grössere Menge plastischer Lymphe aus­geschieden, so verdichtet sie sich langsamer und schwerer, und öfters beobachtete von Ammon, dass wenn solche plastische Lymphe die ganze vordere Augenkammer erfüllte, dieselbe mehrere Wochen, ja Monate hindurch einen ziemlichen Grad von Durchsichtigkeit behielt. Diese in grösserer Menge stattfindende lymphatische Aus­schwitzung unterscheidet sicli mannichfach von jener lymphatischen Flächenentzündung der Iris *).
sect;. 319.
Eine solche lymphatische, die vordere Augenkammer ausfül­lende Masse hängt nicht immer innig mit der vordem serösen Fläche der Iris zusammen, wie dieses bei den andern serösen Häu­ten, z. B. auf dem Peritonäum oder auf der Pleura beobachtet wird; höchst wahrscheinlich ist die Ursache hiervon der zwischen dem Secret und der Iris befindliche Humor aqueus, der wohl auch die Mitursache der länger anhaltenden Pellucität seyn dürfte.
Die lymphatische Ausschwitzung auf der Uvea oder zwischen ihr und der Linsenkapsel, sonach die lymphatische Ausschwitzung in der hinteren Augenkammer, verursacht beinahe immer Verwach­sung zwischen Uvea und der vorderen Linscnkapselwand (Synechia posterior), welche, wenn sie sich auf einzelne Theile des Organs beschränkt, partiell ist, bei grösserer Menge der Lymphe aber com-plet wird. Den ersten Fall erkennt man ohne künstliche Erweite­rung der Pupille selten, da diese gewöhnlich ihre regelmässige Gestalt behält; es kommen jedoch auch hier Ausnahmen vor, und das geübte oder bewaffnete Auge des Arztes kann wohl selbst die Stelle der partiellen hintern Synechie, auf der, dieser entsprechen­den, vordem Seite der Iris in der hier vorhandenen Glanzlosigkeit, oder Farbenänderung, oder parenehymatösen Verdickimg erkennen, oder doch mit ziemlicher Gewissheit vermuthen. Die complete hintere Synechie charakterisiren vorzüglich UnbeAveglichkeit der
*) v. Aimnou a. a. U. S. 484.
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Dynamisclio Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 133
Pupille, und eine auf diese Synechle erfolgende Kataract. Manch­mal erstreckt sich die Ausschwitzung der plastischen Lymphe nach den Ciliarfortsätzen und nach der Chorioidea hin und dann ist der Theil des Auges, den man die hintere Augenkammer nennt, mit dieser Masse angefüllt, v. Ammon hat öfters solche Augen secirt. Bei diesen Untersuchungen war sein Augenmerk vorzüglich auf die
onbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;onbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;o
Farbe dieses Exsudats, und auf manche andere Vorkommenheit ge­richtet. Die Farbe desselben, es mochte in grösserer oder geringer Menge vorhanden seyn, war meistens bläulich weiss, bisweilen gelblich weiss; nicht selten sah er in ihm kleine schwarze Punkte *).
sect;.320.
Der Beachtung und genaueren Prüfung werth, sind die lym­phatischen Ausschwitzungen in dem Gewebe der Iris selbst. Wenn in dem Gewebe der Iris selbst plastische Lymphe ausge­schwitzt wird, so geschieht dieses besonders in dem Ciliar- und Pupillar - Hinge, seltner in dem mittleren Kreise. Die Iris schwillt dann an, besonders nach dem Pupillarrand hin und nach dem Circulus arteriosus Iridis minor zu, und nähert sich so der hinteren Fläche der Cornea. In auffallender Weise verändert sich Form und Farbe der äusseren Fläche der Iris, ihr lebendiges und bewegliches Aussehen verschwindet, sie erscheint wie leblos; ihre Farben sind nun aus gelb, schwarz und weiss, oder aus braun und roth gemischt, und wenn man eine solche krankhafte Iris ge­nauer mit Hülfe der Loupe untersucht, so zeigt sie sich verdickt und von unregelmässiger Oberfläche. Die in das Parenchym der Iris ausgeschwitzte plastische Lymphe hat unregelmässige Gestal­tungen, bald die Form von schmutzigen Tröpfchen, bald die von Knötchen; sie bilden verschiedene Formen nach der Natur und dem Ursprung der Iritis. Was ältere Systematiker Iridauxesis nannten, bezeichnet trefflich den in Hede stehenden pathologischen Zustand der Iris.
sect;. 321.
Fälschlich wird von einigen Aerztcn behauptet, nie folge Eite­rung auf Iritis, ihre Heftigkeit und ihr Ausgang sey welcher er wolle; denn nicht selten erscheint nach Iritis eine Ausschwitzung von Eiter. Dieser Ausgang der Iritis pflegt besonders nach Wun­den der Iris und Hornhaut, so wie nach heftigen Erschütterungen des ganzen Bulbus zu entstehen. Zuweilen wird sie auch bei arthritischer Iritis beobachtet, ist aber seltner die Folge der Iritis allein, als vielmehr die einer theilweison oder coinpleten Entzündung des Bulbus. Die eiterige Ausschwitzung zeigt sich dann entweder
*) v. Ammon a. a. O. 8. 488.
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Dynamische Krauklieitcn des Auges.
I
als Hypojiyon, oder was seltner ist, als Abscess der Iris, welcher sich gewöhnlich in der vorderen Augenkammer öffnet. lieber die Art, wie Vereiterung der Iris bei Entzündung derselben vor sich geht, hat v. Ammon Folgendes beobachtet:
Die Eiterabsonderung pflegt plötzlich zu Stande zu kommen, und nicht selten gerade dann, wenn die Krankheit nachzulassen scheint; wie es v. Ammon fast immer gegen die Nacht hin beob­achtete, welche dann schlaflos, oder mit vermehrten Schmerzen hin­gebracht wurde. Irrthümlich ist die Ansicht, dass sich der Eiter sogleich von Anfang als Hypopyon darstelle, vielmehr fängt die Eiterung mit einzelnen Flocken am inneren untern Theil der Iris an, die Flocken gehen von der serösen Haut der Iris aus, und lösen sich in der Avässrigen Feuchtigkeit auf, woher diese trübe erscheint. Nimmt dann die Absonderimg des Eiters zu, so füllt er den Grund der vorderen Augenkammer in höherem oder geringerem Grade an, und es entsteht das Hypopyon. Leider kennen wenige Aerzte die Zeichen des entstehenden Hypopyon, welche nur durch eine genaue Untersuchung der entzündeten Iris vermöge der Loupe erkannt werden können. Manchmal entstehen sie zugleich mit dem Hypo­pyon, oder es folgen bald darauf Vereiterung der Cornea und Onyx. Dies ist ein sehr gefährliches Uebel, durch das die Cornea zerstört wird, so dass die Augenfeuchtigkeiten ausfliessen, und durch ein darauf folgendes Staphylom unheilbare Blindheit entsteht. Biswei­len lagert das eiterige Exsudat compact in der Augenkammer; das deutet immer etwas Schlimmes an, dass nämlich der Eiter fest an die Cornea adhärirt; es erfolgen darauf immer Synechien.
sect;. 322.
Eine andere Art von Vereiterung, welche im Verlaufe der Iritis vorkommt, ist Bildung eines Abscesses im Parcnchym der Iris (Iridoncosis). Sie wird bei der partiellen Iritis beobachtet, bald am Pupillar- bald am Ciliarrandc. Immer aber kommt sie in der Nähe der Vasa vorticosa vor, und pflegt von gelber Farbe zu seyn. Der Abscess bildet eine bald flachere, bald hervorragende Geschwulst und kann mit einer Excrescenz der Iris verwechselt werden. Man wird leicht die Natur dieses Uebels erkennen, wenn man die Gef ässe der Iris um den Absccess betrachtet. Ein solcher Abscess (Iridoncus) wird selten aufgesogen, platzt gewöhnlich und ergiesst seinen Eiter in die vordere Augenkammer, wodurch ein seeundäres Hypopyon entsteht. Die quot;Wände des geborstenen Abs­cesses flotdren gleich nach der Ruptur, wie Flocken in der vor­deren Augenkammer, hin und her, verschwinden aber allmälig durch Kesorption und Zusammenziehung. An die Stelle des Abs­cesses tritt eine gelbe, schwarze oder weisse plastische I/jmphe,
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Dynamische Krankheiten des. Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;157
wodurch zuweilen Synechia anterior entsteht, oder ein schwarzer, weissgelber oder gelber Flecken in der Iris erscheint. Solche schwarze Flecken sehen leicht der Pupille sehr ähnlich, und v. Am-mon ist der Ansicht, dass die Beobachter, welche behaupten, dass an der Stelle eines Abscesses der Iris neue Pupillen sich bilden können und dass sie dieselben selbst gesehen, einen solchen schwar­zen Fleck mit einer neuen Pupille verwechselten*).
Primäre Geschwürbildungen sah v. Ammon nie auf der serösen Fläche der Iris, dagegen secundäre Geschwüre, d. h. solche, welche auf die Ruptur des Abscesses erfolgen, die also keine wahren Ge­schwüre zu nennen sind.
sect;. 323.
Die Veränderungen der Pupille und des Pupillarrandes bei Iritis sind femer von Wichtigkeit.
Die Pupille pflegt während des Verlaufs der Iritis verschiedene Veränderungen zu erleiden, sowohl in Bezug auf ihre Form, und dann hinsichtlich der Farbe und der Beschaffenheit ihres Kandes. Ihre Form wird zuweilen wahrend der Entzündung oval, länglich oder eckig, bald leidet sie an Myosis, bald an Mydriasis; die er-stere pflegt bei der selbständigen parenehymatösen, die zweite bei der seeundären Iritis zugegen zu seyn. Diese Veränderungen hän­gen ab, von der durch die Entzündung alienirten Vitalität der Iris, von dem veränderten Zustande ihres Parenchyms, und von den Synechien, welche nicht selten zwischen Uvea und Kapsel sich bil­den ; nach seinen Beobachtungen kann v. Ammon jedoch nichts Bestimmtes darüber sagen, ob eine gewisse Art krankhafter Form der Pupille einer bestimmten Species von Irisentzündung eigen sey.
sect;. 324.
Der Pupillarrand ist ferner während des Verlaufes der Iritis gar nicht selten afficirt; er wird dann gewöhnlich dunkler als im Normalzustande und so mit schwarzem Pigmente überfüllt, dass er wie gezahnt erscheint, indem das Pigment unregelmässig abgelagert wird. Doch erleidet der Rand dabei keinen Substanzverlust. Bei jener Umwandlung der Pupille wird ein oder zwei Linien vomPu-pillarrande entfernt, die Iris eingeschnürt (Iridoperisphinxis), wo­durch kreisförmige Falten entstehen. Nicht selten aber zeigt sich der Pupillarrand, wenn man ihn genauer untersucht, ungleich, be­sonders hat v. Ammon dies bei entzündlichen Reizungen der Iris und chronischer Iritis, in blauen Augen beobachtet, avo das schwarze Pigment in geringerer Menge secernirt wird. Dann erscheint ein
*) v. Ammon a. a. O. S. 488—492.
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158nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
Thcil des Piipillarrandes fadenförmig verlängert, er ist gegen das Centrum der Pupille gerichtet und bedingt eine theilweise Synechia posterior; entstehen deren mehrere, so zeigt die Pupille eine viel­eckige Form. Bisweilen befindet sich nahe bei einer solchen Sy-nechie ein gelbes Knötchen. Es scheint beachtungswerdi, dass am inneren Theile der Cornea, #9632;welcher einer solchen Hervorragung entspricht, zuweilen grössere oder Ideinere Verdunklungen vorkom­men. Bei der seeundären Iritis, wo die Entzündung von der Chorioidea auf sie übergegangen ist, hat die Pupille einen gesägten Rand und von vorn herein eine längliche Form, welche allmälig weiter wird und endlich in Melanosis übergeht. Eine solche Iris pflegt ihre Farbe bedeutend zu ändern, mehr oder weniger schwarz zu werden. Auswüchse am Pupillarrande oder Ringe erscheinen nicht selten bei der chronischen, parenehymatösen Iritis. Sie sind gelb oder braun, von verschiedener Form und Grosse. Diese Knötchen auf dem Pupillarkreise liegen meist nach dem Rande hin und könnten mit gelben Flecken der Iris verwechselt werden; daher man die Iris von der Seite betrachten muss, wobei man die Erha­benheiten deutlich in die vordere Augenkammer hinein ragen sieht, freilich nicht hoch, da ihre Höhe kaum i/ä Linie beträgt. Noch häufiger zeigen sich diese Afterproducte auf dem Pupillarrande selbst, oder auf der Uvea, und wachsen von da durch die Pupille in die vordere Augenkammer herein. Solche Knötchen sehen wie Kondylome aus, ihre Wurzel ist dünn, ihr Kopf rund und dick*). Sie verursachen beinahe immer Verwachsung der Pupille oder voll­ständige Synechia posterior und so ganz sicher Blindheit.
sect;. 325. Der rothe Ring in der Sclerotica sitzt entweder in dem Annulus Conjunctivae, oder am Ende der Sclerotica, oder im Strah­lenbande, oder im Circulus venosus der Iris. Die innere Röthe des Auges, welche die Iritis zu begleiten pflegt, geht von der Scle­rotica aus und umgibt die Cornea wie ein rother Kreis. Dies be­merkt man besonders zu Anfang der Iritis, indem die von strotzen­den Gefässen geröthete vordere Fläche der Sclerotica durch die Conjunctiva, welche noch keine Veränderung erlitten hat, hindurch­schimmert. Die Röthe der entzündeten Sclerotica ist eigenthümlich, indem die Gefässe in grader Linie zur Cornea laufen und dort nach vielfachen Verzweigungen einen blassrothen Kranz um die­selbe bilden. Nimmt die Entzündung der Iris zu, so wird sowohl die Röthe der Sclerotica, als auch die Ausdehnung dieser Gefässe
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*) v. Auimoii a. a. O. .S. 495 u. f.
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Dynamische Krankheiten lt;les Anges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;139
vermehrt, ja in seltnen Fällen werden die Gefasse der Conjunctiva, welche durch hellere Röthe, grösseren Umfang und oberflächliche Lage von denen der Sclerotica sich unterscheiden, auf der vorderen Fläche des Auges ausgedehnt, und ihre feinen und dicht gedräng­ten Verzweigungen helfen, mit der lebhaften Röthe der Sclerotica verbunden, jenen rothen Ring um die Cornea vermehren. Manch­mal verschwinden die Gefässe, welche jenen Kranz bilden, plötzlich am Rand der Cornea und nehmen nach dem inneren Theile des Bulbus lichtere Farben an. Bei sehr heftiger Entzündung der Iris ist die Färbung dieses Kranzes dunkelroth, hat auch die übrige Oberfläche des Bulbus eine lebhaft rothe Farbe. Jenes Gefäss-kranzes Entstehen, Ausbildung, der Grad, den er erreicht, und sein Ausgang hängt von dem Verlaufe der Iritis selbst ab; erst wenn sie aufhört, fangt auch er an zu verschwinden. Der Gef äss-kranz bei Iritis kann aber auch bald von Congestionen nach dem Annulus Conjunctivae, bald nach dem Orbiculus ciliaris abhängen, auf den, wie wir oben gezeigt haben, die Entzündung der Iris sich häufig fortpflanzt.
Einen andern Ursprung hat jener bläuliche Ring, der in der Iritis manchmal die Cornea umgibt; hierbei sind die Gefässe der Conjunctiva und Sclerotica nicht erweitert, aber der an die Cornea gränzende Theil der Sclerotica zeigt den circulus Iridis venosns mit Blut überfüllt*).
sect;, 326.
Augenliderentzündung und Schnupfen begleiten, wie jede intensive Ophthalmie auch die Iritis, als Folge des von der Bindehaut auf die Sclmeidersche Membran (Nasenschleimhaut) sich fortsetzenden Reizes, so wie durch die corrodirende Eigenschaft des, die Lichtscheue stets begleitenden vermehrten Thränens.
sect;. 327.
Die Lichtscheu pflegt in allen Entzündungsstadien vorzu­kommen und dauert gewöhnlich auch dann noch in verschiedenem Grade fort, wenn die Entzündimg ihrem Ende sich nähert. Sie zeigt sich sowohl durch Schliessen der Augenlider, als durch Rol­len des Auges nach oben, welches jedesmal eintritt, wenn die Au­genlider geöffnet werden.
sect;. 328.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; _ ^ -
Der Schmerz, der bei Iritis nie fehlt, macht die Kranken sehr unruhig, raubt ihnen allen Schlaf und steigert sich nach erfolg­tem Exsudate auf's Höchste.
*) v. Airanon a. a. O. S. 498.
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160nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
sect;. 329.
Die allgemeinen Zeichen der Iritis, d. h. diejenigen, welche sich im ganzen Körper äussern, sind folgende: Fieber, voller und harter Puls; weissbelegte, trockene Zunge, Erbrechen, Appetitlosigkeit und Stuhlverstopfung. Alle diese Symptome können insgesammt oder auch einzeln vorhanden sein, oder fehlen, je nach der verschie­denen Constitution des Kranken, oder nach der Ursache und dem Grade der Iritis. Sie entstehen durch die Sympathie, welche durch denNervus sympathicus, der mit den'Ciliamerven zusammenhängt, zwischen der Iris und den Assimilationsorganen und denen der Ernährung des Körpers vermittelt wird.
sect;. 330.
Die Ausgänge der Iritis sind Structur- Farben- und Func-tionsveränderungen der Iris oder der benachbarten Gebilde und selbst des ganzen Augapfels, welche sämmdich weiter unten zur Sprache gebracht werden. — Eine bereits metamorphosirte Iris kann sich auch wieder entzünden, ist sogar dazu vorherrschend geneigt, besonders wenn die Entzündung dyskrasischen Ursprungs war. Eine solche verändert die Gestalt der Iris vollständig, geht schnell in Eiterausschwitzung über imd inclinirt sehr zur Bildung von Afterproducten, namenüich von Fungus und Varicositäten.
sect;. 331.
Behandlung der Iritis im Allgemeinen. Die Heilkraft der Natur pflegt bei der Iritis gering zu seyn, ja ganz zu fehlen. Die Kunst muss dieser Krankheit schnell und kräftig Einhalt thun, weil dieselbe sonst rasch zunimmt, das Auge zerstört und blendet. Die Heilung ist also schwierig, besonders weil jeder Ausgang ausser dem der Zertheilung, dem Auge verderblich ist, und weil jede Ausschwitzung oder Eiterung dieses edle Organ zerstört. Heilungen, wie sie in den übrigen Theilen des Körpers bei Ent­zündungen selbst nach Ausschwitzungen, Eiterung oder Verhär­tung, wohl vorkommen können, trüben oder vernichten im Auge theilweise oder gänzlich die Sehkraft. Zweifach ist also der Zweck, den die Behandlung der Iritis hat, einmal die Entzündung rasch zu heben, dann aber ihren fast immer verderblichen Folgen zuvorzu­kommen, oder dieselben, wenn sie eingetreten sind, zu beseitigen *).
Die Mittel, deren man sich zu diesem Zwecke bedient, sind die antiphlogistischen in ihrer ganzen Ausdehnung, und solche örtliche, welche die schlimmen Ausgänge durch eine eigenthümliche Wir­kimg theilweise aufzuheben, oder vorhandene flüssige Exsudate, durch Aufsaugung oder Operation zu beseitigen vermögen.
*) v. Ammon a. a. O. S. 507.
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;161
1. Von der traumatischen Iritis.
sect;. 332.
Die traumatische oder idiopathische Iritis, Iritis trau-matica vel idiopathica, entsteht leicht nach Verwundungen des Bul-bus, besonders nach Stichen, welche Cornea, Iris oder den Ring der Sclerotica nächst der Cornea oder den darunter liegenden Or-biculus ciliaris treffen; ferner erfolgt sie nach Erschütterungen des Auges oder durch fremde Körper, welche das Auge verletzen. Nach Hornhautwunden entsteht sie meistens schnell imd zeigt sich durch drückende oder stechende Schmerzen, welche den Tag über zunehmen und Abends exacerbiren. Es erfolgt Lichtscheue und der geringste Versuch zum Sehen ruft Augenschmerzen und Krampf der Augenlider hervor. Nach bestimmten Zwischenräumen scheinbarer Ruhe, besonders Nachts, fangen die Schmerzen wieder an zu wüthen und rauben allen Schlaf. Manchmal schwellen die Augenlider an, und werden durch Oedem geschlossen; gelingt es, sie zu öffnen, so sieht man die Conjunctiva der Sclerotica, welche die Cornea wie ein Wall umgibt, so dass diese wie in einer Grube hegt. Zuweilen schwellen nicht die Gefässe der Conjunctiva der Sclerotica an, son­dern die entzündete Sclerotica selbst schickt hellrothe Gefässe zur Cornea, welche dadurch leicht getrübt wird und eine genaue Be­trachtung der Iris verhindert. Die Iris wird unbeweglich und starr; die Pupille ist meistens sehr verengt, bleibt aber rund; die Farbe der Iris wird auf die gewöhnliche quot;Weise verändert, sie selbst schwillt bisweilen an, und neigt sich bald nach der Cornea, wo­durch die vordere Augenkammer verengt wird, bald wird sie nach der hintern Augenkammer gezogen. Wurde die Iris selbst ver­wundet, so zeigt sich das aus ihr ergossene Blut meistens im Grunde der vorderen Augenkammer, zuweilen bildet sich wohl auch eine Suggillation zwischen Sclerotica und Conjunctiva. An sym­pathischen Zeichen feldt es nicht. Der ganze Organismus pflegt durch die Iritis traumatica ergriffen zu werden, es stellt sich oft Würgen und Erbrechen ein, Fresslust und Schlaf fehlen und der Kranke leidet an allen Zeichen eines Entzündungsfiebers; in Folge der sehr heftigen Augenschmerzen entstandene körperliche Abspan­nung fehlt nie *).
sect;. 333.
Je heftiger die Verwundung der Iris war, desto schneller er-
*) v. Ammon a. a. O. Müller, Vctcrinür-Ophthalmologie. II.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;11
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Dynamische Krankheiten des Auges.
leidet sie an ihrem Pupillar - Ringe bemerkliche Veränderungen; dünne, gelbe, schwarze oder weisse Fäden bilden sich, welche die jetzt verzogene Pupille anfüllen; sie zeigen uns, dass Synizesis vorhanden ist, und berauben das Auge des Sehvermögens, wenn sie nach gehobener Krankheit nicht aufgesogen werden, was sehr selten geschieht. Es ereignet sich zuweilen, dass an der vorderen Fläche der Iris plastische Lymphe ausschwitzt, welche sich, da die Iris nach vorn getrieben zu seyn pflegt, mit der Innern Fläche der Cornea dann verbindet, wodurch Synechia anterior entsteht. Hat sich auf der entzündeten Iris die plastische Lymphe vom Pupil-larrand nach der vorderen Kapselwand erstreckt, so entsteht Sy­nechia posterior; keine leichte Krankheitsform. Die hier aufge­zählten Ausgänge der traumatischen Iritis hängen von dem schnellen oder langsamen Verlauf der Krankheit, von der Stärke der Ver­letzung und von der Constitution des Kranken ab *).
sect;. 334.
Es gibt aber auch noch andere Folgen der Iritis traumatica. Einige Stunden nach Beginn der Krankheit verräth das Thier durch seine grosse Unruhe die heftigsten Schmerzen. Es ist bedeutende Lichtscheue vorhanden, öffnet man die Augenlider, so stürzen heisse Thränen mit Gewalt hervor. .Nun ergreift die Krankheit mit grösserer Heftigkeit von der Iris ausgehend, die Cornea selbst und verbreitet sich auf die Haut der wässrijren Feuchtigkeit. Die ergriffene Cornea verliert ihren Glanz, und obgleich nur mit einem leichten Nebel bedeckt, erscheint sie doch gleichmässig getrübt. Ist diese Verdunkelung der Hornhaut bis zum höchsten Grade ge­diehen, so erscheint ihre innere Fläche gelb durch Vereiterung und sie selbst bekommt ein todtes Ansehen. Ebenso kann der Ciliar-körper von der Entzündung ergriffen werden, dann zeigt sich ein blauer Ring um die Sclerotica. Die Verdunklung der Cornea und der wässrigen Feuchtigkeit bewirkt, dass man über den Zustand der Iris nichts Bestimmtes sagen kann, man muss aber annehmen, dass sie noch viel mehr verändert sey, als die Cornea, wenn man den schnellen Verlauf der Krankheit bedenkt. Sectionen von ab­sichtlich und zufällig verwundeten Thieraugen lassen dieses mit grosser Wahrscheinlichkeit vermuthen **).
sect;. 335.
Das Leiden erstreckt sich hierauf immer weiter und verursacht
*) v. Ammon a. a. **) Ebendaselbst.
().
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;163
eine innere Vereiterung dea Bulbus. Die Structur der Iris selbst wird verändert, ihr eigenthüinliches Gewebe wird zu einer cellulosen Substanz, es entsteht eiterige Zersetzung, welche ihren mit Blut gemischten Eiter in beide Augenkammern ergiesst. Das Auge schwillt unförmlich an und tritt scheinbar aus seiner Höhle hervor.
sect;. 336.
Jetzt folgt Atrophia bulbi. Unter heftigen, klopfenden Schmerzen geht, ohne dass die Kunst es verhindern kann, die Ent­zündung in Eiterung über. Cornea und Iris werden zerstört, die Linse, bisweilen auch ein Theil des Glaskörpers, stürzt hervor und nach beendigter Krankheit bleibt statt des Auges nur eine atrophische Masse zurück.
sect;. 337.
Die Ursachen einer so heftigen Entzündung des ganzen Auges in Folge traumatischer Affection der Iris sind verschieden; es ge­hören hierher Erschütterungen der Augenhöhle durch äussere Ge­walt, denn manchmal folgt auf dieselben nicht allein Wunde der Iris, sondern auch Zerreissung des Ciliarkörpers, und dann sind die Ausgänge der darauf folgenden Entzündung desto gefährlicher. Die Iris, sowie der Augapfel, kann bald mit Absicht verwundet werden, wenn wegen Cataracte eine Operation nothwendig ist, bald zufällig. Wir wollen den letztern Gegenstand in's Auge fas­sen und die Wunden der Iris durch fremde Körper, wel­che den Bulbus zufällig trafen, zunächst betrachten.
sect;. 338.
Solche Körper sind Splitter von Eisen, Stein, Holz, Glas, Ge­treidekörner, Nähnadeln etc. Oft öffnen diese Körper sich einen Weg unten durch die Cornea und treffen die Iris selbst, dann ent­steht idiopathische Iritis traumatica. Die Diagnose ist zuweilen schwierig, weil den Humor aqueus das ausgetretene Blut trübt, und der Augenliderkrampf in Folge der beginnenden Entzündung die genaue Betrachtung der Iris verhindert. In diesem Falle ent­steht zuweilen Eiterung, und dann wird das fremde Körperchen durch das Hypopyon und die darauf folgende theilweise Vereiterung der Cornea aus dem Auge heraus gefördert, es bleibt dann nur eine Homhautnarbe zurück, mit der die Iris oft verwachsen ist. Zuweilen wird in der Nähe der Narbe die Farbe der Iris umgeän­dert und die Iris ist ein wenig verzogen. Doch ist dieser Ausgang nicht der gewöhnliche; fremde Körper, welche durch die Cornea hindurch die Iris getroffen haben, bewirken nicht immer Suppu­ration, sondern sie können auch durch einen gelben häutigen Sack eingeschlossen werden, worauf dann chronische Iritis folgt. Später
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Dynamische Krankheiten tics Auges.
entstehen die heftigsten Schmerzen, welche, wenn die Cornea nicht geöffnet und der fremde Körper geschickt entfernt wird, zur Himwuth sicli steigern. Die darauf folgende Iritis traumatica zerstört alhnälig das Auge selbst. Dasselbe geschieht, wenn fremde Körper nach Durchbohrung der Hornhaut in die vordere Augenkammer dringen und in der wässrigen Feuchtigkeit schwim­men. Sie reizen die Iris bis zu chronischer Entzündung und heben so das Sehvermögen auf, indem sie Verwachsung der Pupille, ja zuweilen Atrophie des Bulbus herbeiführen.
Die Erfahrung lehrte v. Ammon ferner, dass chemische Poten­zen (worunter verschiedene Aetzmittel und besonders der am häu­figsten vorkommende ungelöschte Kalk zu nennen sind) eine Ent­zündung erregen, welche, obgleich sie zunächst das organische Gefüge der Cornea und ihre Conjunctiva traf, doch von den äusse-ren Häuten des Bulbus, und zwar am meisten von der Cornea aus, durch die innere seröse Wand zu der Iris übergeht, und dort eine Iritis erzeugt, welche, zur Aussclnvitzung geneigt, nicht nur die Pupillarränder unter sich, sondern auch den serösen Ueberzug der Iris mit der hinteren Fläche der Cornea verklebt. Sie kann auch Veranlassung zu einem Staphylom der Cornea von mancherlei Form werden. Ueber die schlimmen Folgen, welche zufällige Ver­wundungen der Iris mit scharfen Werkzeugen haben, lehrt die Er­fahrung Folgendes. Die Form und Lage der Wunde selbst trägt nach v. Ammon's mit Herrn Dr. Beger in Dresden an zufällig verwundeten Thieraugen gemachten Erfahrungen zu dem entweder günstigen oder verderblichen Ausgang mehr oder weniger bei; v. Ammon ist im Stande, hierüber folgende Erfahrungssätze mitzu-theilen.
sect;. 339.
Längen- und Quereinschnitte der Iris. Auf einfache Längen- und Quereinschnitte der Iris folgt beinahe immer eine massige Entzündung, es bildet sich durch schnelle Vereinigung eine Nai-be, welche das Gesicht nicht trübt und die Pupille nicht verzieht. Selten aber bleibt bei dieser durchdringenden Iriswunde die Linsenkapsel verschont und dann entsteht Cataracta traumatica mit Synechia posterior. Solche Einschnitte der Iris kommen vor, wenn bei dem Hornhautschnitte während der Staaroperation die Iris vor die Spitze oder Sclmeide des Messers kommt.
sect;. 340.
Stichwunden der Iris. Ganz anders verhalten sich die Stichwunden in der Iris, sie zerren das Parenchym derselben und veranlassen Anfangs zwar nur geringe Reaction, kurz nachher zeigt sich aber wahre Iritis mit gefährlicher Hornhautentzündung. Die
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Ciliamerven werden dabei leicht gelähmt, und daher rührt der ge­fährliche Verlauf dieser Entzündungen, welche selten durch Zer-theilung enden, sondern meistens durch Verschwärung das Auge zerstören; gewöhnlich folgt auf heftige Leiden von mehreren Mo­naten ein Staphylom der Cornea. Diese traurigen Ausgänge der traumatischen Iritis kommen um so leichter zu Stande, wenn der Stich heftig war, und wenn er den Ciliarkreis traf.
sect;. 341.
Abtrennung der Iris vom Ciliarband. Wunden der Iris, welche ihr Parenchym zerreissen, trennen bei stärkerer Ein­wirkung, entweder die Iris vom Ciliarband ab, oder sie treffen den Ciliarkörper; in jedem Falle erregen sie heftigere Entzündung, welche in Eiterung, plastische Ausschwitzung, Synechien, Blutauge oder innere Entzündungr des Aujies übergehen kann. Daher rührt die Meinung mancher Menschenaugen - Aerzte, von allen Methoden der künstlichen Pupillenbildung sey Iridodialysis die gefährlichste, v. Ammon kann im Gegensatz hiervon, nicht umhin zu erwähnen, dass auf künstliche oder zufällige Iridodialysis fast nie, weder acute, noch chronische Iritis entstehe.
sect;. 342.
Verwundung der Ir.is durch Ausschneidung ihrer Substanz. Auf diese Art der Verwundung pflegen keine heftige Zeichen der Reaction zu folgen. Auf den entzündeten Wundrändern sieht man eine geringe Ausschwitzung von plastischer Lymphe, welche bald aufzuhören pflegt. Von der Länge und Breite der Iriswunde hängen die verschiedenen Folgen ab. v. Ammon hat Verwundungen beobachtet, wo entweder die ganze Iris, oder ihr grösster Theil aus dem Auge vorfiel und verloren ging, ohne dass Iritis, selbst nur eine geringe, entstanden war. Daher ziehen die meisten Augenärzte die Iridectomie den übrigen Methoden der Pu­pillenbildung vor *).
sect;. 343.
Die Behandlung der Iritis traumatica werde mit Kückslcht auf ihi-e Heftigkeit und die Constitution des erkrankten Indivi­duums, wie bei der Ophthalmitis idiopathica, geleitet und sey theils prophylaktisch, theils radical. Die erstere besteht darin, dass so­gleich nach der Verwundung der Iris oder des Bulbus eine reich­liche Menge Blutes gelassen und kalte Umschläge auf das Auge gemacht werden. Treten nun die entzündlichen Erscheinungen in sehr heftigem Grade auf, so wiederhole man die Aderlässe und ver-
*) v. Ammou a. a. O.
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stärke ihre Wirkung durch Ansetzen von Blutegeln; wiederholen sie sich aber oder sind sie gleich anfangs unter milder, minder activer Form aufgetreten oder ist das erkrankte Thier noch zu jung, zu schwächlich oder zu weit in den Jahren vorgerückt, so be­schränke man die Blutentziehungen blos auf die örtlichen. Dabei suche man auch örtlich die erhöhte Vitalität durch Auflegen kalter Fomentationen herabzustimmen, welchen man noch bei Neigung zur Exsudation und Verwachsung der Pupille Belladonnaextract beigibt oder dieses intercurrent besonders instillirt; in welchem letztem Falle Einreibungen grosser Quantitäten der grauen Queck­silbersalbe ausserdem adhibirt werden müssen. Demzunächst hat man diluirende, auf den Darm ableitende und schwächende Mittel in Gebrauch zu ziehen, zu welchem Endzwecke die antiphlogisti-schen Salze sich besonders eignen, welche jedoch dann, wenn be­reits ein exsudativer flüssiger Erguss in die vordere Augenkammer Statt hatte, durch Calomel zu ersetzen sind.
sect;. 344.
Ist die Entzündung sehr hartnäckig und das erkrankte Indivi­duum von vollsaftiger oder kachektischer Constitution, dann sind nebstdem Ableitungsmittel auf die Haut durch Fontanelle, Haar-seile, reizende Einreibungen von Canthariden- oder Brechweinstein­salben, selbst in verzweifelten Fällen das Cauterium actuale, mit nachher zu unterhaltender Eiterung, in Gebrauch zu ziehen.
sect;. 345.
Zur Entfernung der Exsudate erweisen sich nach vollständig gebrochener Entzündung folgende Mittel als die Resorptionskraft bethätigend, sehr hülfreich: Cicuta, Arnica, Senega, Tartarus emeticus. Baryta muriatica. Hydrargyrum muriaticum mite, corro-sivum, praecipitatum rubrum, Kali oder Natrum hydrojodinicum, Terebinthina und Oleum Jecoris Aselli.
So gelingt es zuweilen, die schlimmen Nachkrankheiten der Iritis zu verhindern, oder schon ausgebildete zu heben; zuweilen ist aber auch jede Hülfe erfolglos.
2. Von der Entzündung der vordem serösen Membran der Regen­bogenhaut.
sect;. 346. Bei der Iritis serosa anterior erscheint die äussere vordere Oberfläche des Augapfels glänzend und feucht, die Iris etwas ge­schwollen und hervorgetrieben, träge in ihren Bewegungen, und die Pupille verengt.
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Dabei erkennt man auf der vorderen und serösen Oberfläche der Iris strotzende Blutgefässe, welche sich bei voranschreitender Entzündung über den übrigen Thell der wässrigen Feuchtigkeit, der Inneren Bindehaut, verbreiten, die Durchsichtigkeit der Inneren Platte der Hornhaut theilweise aufheben, ihr ein mattes Ansehen geben und sie mit dem rothen Ringe einfassen, einem Gefass-kranze, dessen feine Gefässe In dem Annulus Conjunctivae sitzen, und mit ausgedehnten Gefässen des Ciliarbandes communiciren, das zugleich mit der serösen Haut der vordem Augenkammer ent­zündlich ergriffen 1st. Alle diese Symptome nehmen zu, wenn die Krankheit in's zweite oder exsudative Stadium übergeht, wo es zur Exsudation kommt und der grösste Thell der vorderen Fläche der Iris mit lymphatischer Feuchtigkeit überzogen, davon gleichsam mit einem Schleier bedeckt und verdunkelt wird, welcher die Farbe der Iris zu erkennen verhindert. Dieses lymphatische Exsudat sammelt sich oft im Grunde der ausgedehnten vorderen Augenkam­mer und ist wohl vom Hypoplum zu unterscheiden; später hängen die verzogenen Ränder der Pupille durch ausgeschwitzte Lymphe genau zusammen, wodurch die Bewegung der Iris verhindert wird, und oft fehlt nicht viel, dass das Sehvermögen gänzlich schwindet.
sect;.347.
Bisweilen wird bei der Iritis serosa Blut in einzelnen rothen Punkten ausgeschwitzt und dadurch der Humor aqueus roth ge­färbt, oder die färbenden Bestandtheile des Blutes häufen sich am unteren Rande der vorderen Augenkammer an. Bei Sectionen fand v. Ammon sowohl die seröse Membran der Iris, als das Clliarband verdickt und verbildet, indem diese Membran an Hypertrophie litt, welche, vom orbiculus ciliaris ausgehend, mit einzelnen Fäden zur membrana humoris aquei überging. Die Iris selbst erscheint bei genauerer Betrachtung dicker, als gewöhnlich. Die Fäden, welche zur Linsenkapsel gehen, hängen hier und da genau mit ihr zusam­men, wodurch leichte, umschriebene Trübungen der Kapsel ent­stehen.
sect;. 348.
Bei zunehmender Krankheit beugt die Pupille ihren Rand ein­wärts und so entsteht Entropium der Iris. Die an den Rän­dern der Iris ausgeschwitzte Lymphe verbindet mit diesem Rande nicht nur die vordere Kapselwand auf mannichfache Weise, son­dern klebt zuweilen auch die Ränder der Pupille unter sich zu­sammen.
sect;. 349.
Die Ausgänge der Iritis serosa sind: bei nicht sehr heftigem Grade, Zertheilung, Aufsaugung des Exsudats, Wiedserhertellung
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Dynamische Krankheiten des Auges.
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normalen Ansehens und geregelter Function. — Unter minder günstigen Verhältnissen wird die seröse Membran hypertrophisch, selbst verhärtet, daher träge Bewegung der Iris und verzogene Pu­pille. — Oft geht auch die Krankheit in andere pathologische Zu­stände über und dann entstehen verschiedene Arten von Synechia anterior und Cataracta lymphatica.
sect;. 350.
Die Prognose der einfachen Entzündung dieser Membran, ist bei guter Constitution und jugendlichem Alter des erkrankten Individuums im Allgemeinen günstig, wogegen sie, wenn die Iritis schon auf eine hohe Stufe gelangt ist oder bei quot;Weiterverbreitung auf das Irisparenchym und bei schnellem Gange der Entzündung, üble Ausgänge befürchten lässt.
sect;. 351.
Die Diagnose wird nach gehöriger Vergleichung der oben angeführten Symptome leicht. Da Iritis serosa mit Entzündung der Linsenkapsel verwechselt werden kann, so muss hier angeführt werden, dass die Iris Veränderungen erleidet, welche vom äusseren Ringe der Iris ausgehen und zur Entfärbung werden, dass Schmer­zen und Lichtscheue den Kranken quälen, während die Iris keine neugebildeten Gefässe hat.
sect;. 352.
Diese Entzündung entsteht entweder idiopathisch nach Ver­letzungen des Auges und Erkältungen bei kachektischen, arthri­tischen, bei an impetiginöser oder exanthematischer Dyskrasie lei­denden Subjecten; oder sie entwickelt sich aus einer vorausge­gangenen nicht vollständig zertheilten parenchymatösen Entzündung der Iris, wie auch aus einer rheumatischen Entzündung der Scle-rotica, indem sich die Entzündung von dieser auf das unter ihr liegende seröse Blatt und von diesem auf die vordere Fläche der Iris ausbreitet.
sect;. 353.
Die Behandlung dieser Entzündung wird nach den bei der idiopathischen Iritis angegebenen Regeln geleitet. — Bei rascher Entwickelung der Entzündung muss man zur Ader lassen, reich­lich Blutegel um das Auge und hinter die Ohren setzen und küh­lende abführende Salze oder durchschlagende Dosen von Calomel anwenden. — Das Auge werde mit einer leichten Compresse be­deckt, gegen Licht gehörig geschützt und eine antiphlogistische Diät angesetzt. — In die Umgegend des Auges lässt man die graue Quecksilbersalbe mit Opium, Extractum Hyoscyami oder Bella-donnae reichlich einreiben. — Mindert sich die Entzündung, dann dienen Ableitungen durch Blasenpflaster oder Einreibung der Scharf-
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salbe hinter die Ohren, besonders wenn exanthematische oder im-petiginöse Affectionen im Spiele sind *).
Die bei der idiopathischen Iritis empfohlene Function der Horn­haut findet auch hier ihre Anwendung, sobald ein seröses Exsudat die vordere Augenkammer sehr überfüllt und die Transsudation und Resorption desselben zu langsam vor sich geht. Jedoch ist diese Operation, ob der damit verbundenen Verletzung, bei rheumati­schem Charakter der Entzündung minder zulässig.
3. Von der parenehymatösen Entzündung der ßegenbogeuhaut.
sect;. 354. _ Iritis parenehymatosa ist diejenige Entzündung, welche im eigendichen Gewebe der Iris selbst iluen Sitz hat. Es leidet also primär der Theil der Iris, welcher zwischen der Hydromeninx und der Uvea liegt, es werden demnach die das Organ bildenden Gefässe der Iris und das damit eng verbundene Bildimgsgewebe desselben von der Entzündung ergriffen.
sect;. 355. Unbeweglichkeit der Iris und Lichtscheue sind die ersten Er­scheinungen dieser Entzündung, dann Avird die Pupille eckig, mei­stens verzogen, nicht selten verengt, die Farbe der Iris ist ver­ändert, das Sehvermögen geschwächt, und Conjunctiva und Scle-rotica sind mehr oder weniger geröthet. Beim höchsten Grade der Entzündung ist Lichtscheue vorhanden, das Sehvermögen gänzlich verloren, die Fupille fast verschlossen, die angeschwollene Iris nach der Hornhaut vorgedrängt; dabei Fieber.
sect;. 356. Es kommen hier folgende Ausgänge vor: 1) Zertheilung, 2) Ausschwitzung plastischer Lymphe, 3) Vereiterung, 4) Blu­tung, 5) Verdickung der Iris. Wenn sich Eiterung bildet, was entweder an der vordem oder hintern serösen Fläche, selten an beiden zugleich geschieht, so zeigt sich die Iris dunkel gefärbt und ist die wässrige Feuchtigkeit getrübt. Schwitzt der Eiter in die Augenkammern aus, so bildet sich ein Hypopyum, das manchmal aufgesogen wird, zuweilen aber aucli die Iris mit der Cornea und Linsenkapsel krankhaft verbindet. Eiterausschwitzung in das Ge­webe der Iris kommt ebenfalls vor, und bildet dann einen Abscess. Hat plastische Ausschwitzung an der vordem Fläche der Iris Statt, so wird die natürliche Farbe des humor aqueus getrübt und die Form der Pupille geändert, indem sie alsdann eckig verzogen ist.
*) Chelius a. a. O. Bd. 1. S. 233 u. f.
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Daher bilden sich Adhäsionen der Iris mit der Linsenkapsel, durch plastische Ausschwitzung in das Gewebe der Iris selbst, entsteht Verdickung der Iris, welche sich unter den verschiedensten Formen und Farben zeigt und eine grosse Reihe pathologischer Metamor­phosen veranlasst. Im Allgemeinen ist diese Art der Iritis für das Gesicht gefährlicher, als die serösen.
sect;. 357.
Es kann diese Entzündung aus äusseren und inneren Ursachen entstehen. Zu den ersteren gehören Wunden, zu den letzteren Dys-krasien, namentlich die gichtische, welche sogar eine eigene Spe­cies, die gichtische parenehymatöse Entzündung der Iris abgibt. Sie kommt gleichzeitig mit anomaler Gicht oder nach wahrer Gelenkgicht vor. Bei Beginn der, aus einer ausgebildeten arthri­tischen Dyskrasie der Säfte entsprungenen Iritis zeigt sich eine eigenthümliche Eosenröthe der Sclerotica, auf welche bald Eöthe und eine geringe Geschwidst der Conjunctiva folgt, wobei ihre Ge-fässe eine deutliche Neigung sich zu erweitern zeigen, und am vor­deren Theile der Sclerotica von der Cornea durch einen bläulichen Ring laquo;getrennt sind. Die Farbe der Iris selbst ist, wie in jeder andern Entzündung, verändert; eine braune Iris wird röthlich, eine graue oder blaue grünlich; die Iris selbst schwillt an, besonders in der Mitte, was sich gegen die Pupille hin deutlich zeigt. Die Pupille selbst behält ihre normale Lage, wird aber enger und bei längerer Dauer der arthritischen Entzündung erscheint sie durch plastische Lymphe, welche besonders nach den Abendexacerba-tionen ausgeschwitzt zu werden pflegt, eckig und getrübt. Zu­weilen, wenn die Pupille ganz verschlossen-ist, erlischt das Seh­vermögen bis auf die geringste Lichtempfindung.
sect;. 358.
Zu bemerken ist, dass zuweilen mit der plastischen Lymphe einzelne Bluttheile ausschwitzen, welche selten aufgesogen werden, sondern in der vordem Augenkammer bleiben und dadurch die Ent­artung vermehren. Die verdickte und nach der Cornea hin vorge­drängte Iris bietet dann einen sonderbaren Anblick dar. Sie leidet nämlich entweder an allgemeiner oder partieller Hyperthrophie, wodurch ihr seröser Ueberzug und ihr eigenes Gewebe, sowie ihre Farbe verändert werden. In einer so veränderten Iris entstehen leicht neue Gefässe, welche gewöhnlich vom Ciliarbande ausgehen und nach der Pupille hin verlaufen. Allmälig nehmen sie an Zahl und Grosse so zu, dass die ganze vordere Augenkammer mit der von ihnen ausgeschwitzten Lymphe erfüllt und die Hornhaut ver­dunkelt wird. Diesen krankhaften Zustand der Iris hat v. Ammon öfters genauer nach dem Tode untersucht. Das eigenthümliche
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Gewebe der gesunden Iris ist dann schon verschwunden und man kann nichts sehen, als eine zellige, innig zusammenhängende Masse, in der sich weder einzelne Gerässe, noch einzelne Nerven unter­scheiden lassen. Zweimal hat v. Ammon bei einer solchen hyper­trophischen Iris die Linse verdunkelt gefunden, die Kapsel hing vollkommen mit der Uvea zusammen, auch Chorioidea und Glas­körper waren entartet.
Eine Abart der gichtischen Irisentzündung ist die, welche aus anomaler Gicht entspringt und den oberflächlichen Theil der Iris nebst dem serösen Ueberzuge ergreift. Diese Art geht schnell in's Hypopyum oder in eiterige Ausschwitzungen über, welche hier und da in der Hydromeninx erscheinen.
sect;. 359.
Ueber die Prognose bei der gichtischen Iritis ist Folgendes zu bemerken. quot;Wenn die Krankheit aus anomaler Gicht entstanden ist und den oberflächlichen Theil der Iris einnimmt, so wird sie leichter geheilt, als die parenchymatöse gichtische Entzündung, welche von eingewurzelter Gicht herrührt; denn leichter werden die bei der ersten stattfindenden eiterartigen Exsudationen aufge­sogen, als dass die Hypertrophie getilgt wird, welche die zweite Art von Iritis begleitet und sie dem Sehvermögen sehr gefährlich, zu Kückfällen geneigt und schwer heilbar macht. Man muss aber auf den Grad des Augenleidens und der allgemeinen Krankheit (Gicht) achten; denn ist die allgemeine Dyskrasie weniger ausge­bildet, so hat eine Augenentzündung von gleich schlimmem Aus­sehen weniger Gefahr fur das Auge, als bei vollkommen gich­tischer Diathese.
sect;. 360.
Die Behandlung ist anfänglich eine streng entzündungswi­drige und zuletzt eine specifische, antiarthritische. Zu ersterer be­dient man sich allgemeiner und örtlicher Blutentziehungen, ablei­tender Mittel auf den Darmcanal und die äussere Haut, zu letzterer dagegen, der AntimoniaUen und Mercurialpräparate, des Terpen-thinöls und des Leberthrans.
4. Von der Entzündung der Uvea oder des hinteren serösen Ueberzuges der Iris.
sect;. 361. Die Uvea, die hintere seröse Fläche der Iris, wird nicht sel­ten von Entzündung befallen, welche die Neuem Uveitis nennen. Nach v. Ammon's Beobachtungen gibt es eine Uveitis primaria und secundaria. Entzündung des Parenchyms der Iris oder ihres
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vorderen serösen Ueberzugs areht leicht auf die Uvea über, zuweilen entstellt aber die Entzündung in der Uvea primär und verharrt darin, ohne gleichzeitige Affection des Irisparenchyms oder der Wasserhaut. Die Entzündung kann aber auch von der Uvea auf die Linsenkapsel übergehen und ebenso umgekehrt; ergreift die Entzündimg beide Gebilde zugleich, so ist es Iridoperiphakitis. Nach dein verschiedenen Sitze und Ursprünge der Uveitis wechseln die Symptome dieser Krankheit.
sect;. 362. Zu Anfang der Uveitis ist der Pupillarrand dünner und schär­fer, als er im normalen Zustande ist, eigentlich ausgezackt, etwas nach hinten gewendet, so dass ein Entropium der Iris sich zeigt. Manchmal ist der Pupillarrand so mit Pigment gefärbt, dass ein schwarzer Ring daran erscheint, was nur mit bewaffnetem Auge deutlich erkannt wird. Die Bewegung der Pupille ist träge, selbst ganz aufgehoben. Zuweilen wird ein Saum von dunkelsilbergrauer Eärbung an dem Rande der runden Pupille beobachtet. Zuweilen wird die Pupille länglich, oder unregelmässig mit gezähntem Rande. Dass die vordere Fläche der Iris in diesem Stadium der Krankheit noch nicht ergriffen sey, zeigt genugsam ihre ungeänderte Farbe. Nach den, von v. Ammon angestellten anatomisch-pathologischen Untersuchungen rührt dieser eigenthümliche Saum der Iris von der vermehrten und veränderten Secretion des Pigmentes her, welche sich von der Uvea aus in die vordere Augenkammer verbreitet. Diesem Symptome gesellen sich andere bei, welche man an der vorderen Fläche des Auges und besonders bei braunen Augen wahr­nimmt. Ein blauer Ring, der wegen Ueberfüllung mit krankem Blute durch die Sclerotica hindurchschimmernde Arculus venosus Iridia umgibt Cornea und Iris, der Pupillarkreis derselben wird dicker, und ragt dadurch in die vordere Augenkammer hinein; der mittlere Kreis und der Ciliarring verschwinden, statt ihrer erschei­nen Furchen, welche speichenförmig von dem Pupillarringe bis zur Sclerotica laufen. Die Furchen sind schwarz oder dunkel gefärbt, in den zwischen ihnen liegenden und hervorragenden Theilen ist die Farbe heller, obgleich sie nicht natürlich genannt werden darf. Die Iris selbst hat kein belebtes, bewegliches, sondern ein todtes Anselien. Alle diese Symptome sind Folgen der krankhaft ver­mehrten Pigmentabsonderung im Parenchyme der Iris, auf welches die Entzündung der Uvea sich fortgepflanzt hat. Oefters bemerkt man auch, dass wegen der vermehrten Absonderung des Pigmentes im Parenchyme der Iris ihr mitderer Ring sich erhebt, daher in die vordere Augenkammer hineinragt, und wie ein auf die Iris ge­legter Kranz aussieht. Dabei ändert sich jedoch die Form der
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Pupille nicht. Eine solche Pigmentalanschwellung des Irisparen-chym's ist immer das bestimmte Zeichen einer Irisplethora und geht manchmal der Uveitis voran; v. Ammon will jedoch dies Symptom nicht etwa als pathognomonisch für die Krankheit selbst bezeichnen. Manchmal wird auch der Ciliarkreis der Iris im Ver­laufe der Uveitis hypertrophisch.
sect;. 363. Nimmt die Entzündung derUvea zu, so wird gerinnbare Lym­phe auf derselben ausgeschwitzt; sie ist hier nicht weiss, sondern gelb, in's Braune spielend und Avird durch die Auswüchse an dem durch die Ausschwitzung gezackt erscheinenden Rande der Uvca erkannt. Diese Hervorragungen vergrössern sich nach dem Pu­pillenrande hin knopfförmig, und sind meistens unbeweglich, weil ihr Körper klein bleibt. Wächst derselbe in die Länge, so flottirt wolil das ganze Gebilde, was v. Ammonjedoch nur selten beobachtet hat. Eine andere Form von Pupillarrandexcrescenzen, welche die Uveitis begleiten, ist die, dass kleine Körperchen am Pupillar-ringe der Iris an ihrem Rande erscheinen, welche von Einigen Kondylome genannt werden. Bei diesen Ausschwitzungen pflegt sowohl der Umfang, als auch die Bewegung der Pupille vermindert, und der natürliche Glanz der Iris aufgehoben zu werden. Der schwarze Pupillarrand wird bei Zunahme der Krankheit breiter und ungleich, die Iris wird dick und vollkommen unbeweglich, wobei ihre Farbe verschiedene Veränderungen erleidet.
r sect;• 364-In diesem krankhaften Zustande nimmt eine braune Iris eine
gelbgrünliche Farbe an, mit braunen eckigen Flecken untermischt, ein blaues, ein graues oder graugelbliches Colorit. Schreitet die Krankheit fort, so wird die Pupille sowohl durch die Verdickung der Iris und üvea, als auch durch Zunahme der Ausschwitzung gänzlich geschlossen und verschwindet allmälig. Auf der vorderen Fläche der Iris kommen nicht selten, während aus der Uvea gelbe Knötchen hervorkeimen und auf dem Pupillarringe erscheinen, se­röse Ausschwitzungen von dreieckiger Form vor. Sie entspringen mit breiter Basis vom Ciliarkreis der Iris und richten ihre Spitzen nach dem Centrum der Kapsel; sie haben die Form von Pterygien und v. Ammon hat sie deshalb Pterygium Iridis genannt. Diese serösen Neubildungen erscheinen bald in grösserer, bald in gerin­gerer Anzahl, doch v. Ammon hat nie mehr als acht in einem Menschen-Auge gesehen. Je heftiger die Entzündung der Uvea ist, desto stärker die Zunahme dieser Ausschwitzungen; die Linsenkapsel wird jetzt beinahe immer verdunkelt, ganz so wie die Cornea ihren Glanz verliert, wenn die Pterygienspitzen auf
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sie, sich erstrecken; nahe bei diesen dreieckigen Ausschwitzun­gen pflegen gelbe Knötchen zu erscheinen, so dass. die Pu­pille durch die Auswüchse beider Arten vollkommen ausgefüllt wird. Eine solche Iris gewährt einen eigenthümlichen Anblick, der um so mehr die Aufmerksamkeit der Aerzte erregen sollte, je dunkler der Ursprung dieser Veränderung ist. Sie scheint von der Sympathie abzuhängen, welche zwischen der vorderen und hin­teren Fläche der Iris vermöge ihrer serösen Structur besteht. Da­gegen bleibt die Verschiedenheit der Functionen beider Flächen der Iris im pathologischen Zustande unverändert, da auf der vorderen die Secretion der wässrigen Feuchtigkeit, auf der hinteren die des Pigmentes fortdauert.
sect;. 365. Durch die Aufschwellung der Uvea wird die herrliche Structur der Iris gänzlich zerstört. Nicht selten wird durch Resorption die vordere Fläche der Iris so dünn, dass man glauben sollte, die festen Fasern der Iris trennten die vorgetriebene Uvea in mehrere trau-benförmig hervorragende Knötchen ab; durch diese gegen die Cor­nea vorgedrängten Erhabenheiten wird die vordere Augenkammer verengt. Diese Entartung der ganzen Iris kommt zuweilen gegen das Ende der Uveitis vor, und stört beinahe immer das Sehver­mögen, hebt es w'ohl auch ganz auf.
sect;. 366. Während der Uveitis wird die Linsenkapsel nicht selten ge­trübt. Diese Trübung entsteht daher, dass im Verlauf der Uveitis zugleich mit der Uvea die Linsenkapsel entzündet wird, dieses er­klärt sich durch den innigen Zusammenhang zwischen Uvea und Linsenkapsel, quot;welcher durch den Orbiculus capsulociliaris vermit­telt wird; und in solchen Fällen kann man die Uveitis wohl auch Iridoperiphakitis nennen. Diese Trübung der Kapsel ist entzünd­licher Natur, die leichte wolkige Trübung wird allmälig immer un­durchsichtiger, so dass an der vorderen Kapselwand kleine Flecken von verschiedener Form und Grosse erscheinen, welche mit bewaff­netem Auge leicht unterschieden werden; sie sind von verschiedener Farbe, gewöhnlich zwar weiss, zuweilen aber auch braun, oder braunschwarz. Diejenigen irren offenbar, welche solche schwarze Flecken für Pigment halten, das von der Uvea käme und sich ab­gelöst hätte. Nach dieser Ansicht folgt auf die Iridoperiphakitis bei­nahe immer unheilbare Synechia totalis. Betrachtet man die vordere Kapselwand mit bewaffnetem Auge, so sieht man im Anfange der Krankheit feine mit Blut erfüllte Gefässe, welche der Pupille ge­genüber nach dem Centrum der Linse verlaufen und verschiedene Formen annehmen. Nicht selten sind diese Gefässe mit einer leichten
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Trübung umgeben, welche theils durch plastische Materie, welche die Gefasse absondern, gebildet wird, theils von Erweichung der Substanz der Kapsel selbst abzuhängen scheint. Diese Kapsel­entzündung wird nicht selten geheilt, geht aber doch häufiger in theilweise Cataracta capsularis über, welche dann unheilbar wird. Es ist der Mühe sehr werth, künftig genauer die Art und Weise zu beobachten, wie diese Entzündung entweder in Zertheilung, oder in Undurchsichtigkeit übergeht.
sect;. 367.
In Augen, welche an Uveal - Kapselentzündung längere Zeit gelitten haben, findet man folgende Veränderungen: das Parenchym der Iris bildet eine zellige Masse mit vielem verschiedenfarbigen und krankhaften Pigment durchsetzt; es ist keine Spur mehr übrig von der eigenthümlichen Structur dieses Organes; die Mannichfal-tigkeit der Farben, welche in dem gesunden Auge zugegen zu seyn pflegt, schwindet gänzlich in dem todten. In der Uvea sieht man schwarzes Pigment in grosser Menge; diese ist so hart, dass ein Bröckchen davon leicht zerbricht. Die Uvea erscheint unter einem solchen Pigmente gelblich - weiss und faltig. Die Linsenkapsel zeigt theilweise Verdunkelungen verschiedener Farbe und Form. Der Ciliarkranz erscheint am meisten von dem krankhaften Pijmiente gefärbt, dessen Farbe mehr braun als schwarz ist- Ein Theil der Retina, welcher dem Ciliarkranze nahe liegt, pflegt dicker als ge­wöhnlich zu seyn, die Chorioidea scheint zuweilen krankhaft, nämlich blasser als gswöhnlich, wegen der Veränderung des Pigmentes und der Farbe desselben.
Die Entzündung der Uvea besteht ihrer Natur nach in einer Ansammlung von krankhaftem Blut in den Capillargefässen, wo­durch zunächst eine Anschwellung entsteht, sodann das Pigment sowohl in grösserer Menge, als in veränderter Weise abgesondert wird, und endlich auf der Uvea plastische Stoffe hervortreten. Nicht immer wird die Uvea allein von Entzündung ergriffen, ge­wöhnlich leiden noch andere Theile der Iris und des Auges zugleich mit der hinteren Fläche der Iris, z. B. die Linsenkapsel, die Re­tina und Chorioidea, worüber uns besonders die plötzliche Abnahme und Alienation des Gesichtes belehren, wenn die Pupille noch nicht durch Ausschwitzung geschlossen ist. In Bezug auf die Ursachen erscheint ihre verschiedene Entstehungsweise veränderlich nach der verschiedenen Constitution, nach Temperament und sonstigen Le­bensverhältnissen des erkrankten Individuums; das aber scheint uns nicht zu bezweifeln, dass jeder Uveitis irgend eine Dyskrasie im Körper des Kranken, entweder spontan entstanden, oder von aussen eingebracht, zu Grunde liege. Diese Ursache äussert sich zuerst
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als Congestion nach dem Kopfe und dann nach den Augen, und erregt hier dann Uveitis. Mit Eecht wird von Manchen die impetiginöse Dyskrasie als Ursache der Uveitis angeführt. Oefter sah v. Ammon Uveitis auf einem Auge entstehen, wenn das andere verwundet worden war, dann war aher immer ein leidender krankhafter Zu­stand des Blutes in dem Subjecte vorhanden, denn v. Ammon er­scheint es kaum glaublich, dass in dem Auge eines ganz gesunden Körpers Uveitis entstehen könne.
sect;. 3G8. Die Therapie der Uveitis hat folgende Indicationen zu erfüllen; zuerst dämpfe man die locale Entzündung, hierauf bekämpfe man die allgemeine Dyskrasie, aus der die Uveitis sich entwickelt hat, dann rege man die Aufsaugung des plastischen Exsudates an, und führe die fehlerhafte Pigmentabsonderung wo möglich auf den Nor­malzustand zurück.
IX. Von der Entzündung der Linsenkapsel.
sect;. 369. Die Entzündung der Linsenkapsel, Inflammatio capsulao lentis , Capsulitis, Capsitis, kommt selten für sich allein vor, ge­wöhnlich ist sie Begleiterin der Eegenbogenhaut - und Traubenhaut­entzündung und entwickelt sich sehr langsam. Auf der vordem Fläche der Linsenkapsel bemerkt man eine grauliche Trübung und mit Blut gefüllte Gefässe, ähnlich jenen der Bindehaut. Die Kapsel selbst, erscheint aufgeschwollen und im Umfange vermehrt. Dieser Zustand reflectirt sich sowohl auf der Oberfläche, als im Innern des Auges, ganz besonders auf den seröshäutigen Gebilden; das Auge ist glanzlos, die Hornhaut trübe, die Bindehautgefässe mit Blut gefüllt, die Sclerotica scheint bläulich unter denselben hervor. Die Iris ist gewöhnlich anders gefärbt, besonders an ihrer kleinen Zone, anfänglich sind ihre Bewegungen lebhafter als gewöhnlich, werden aber später sehr träge. Die Traubenhaut lockert sich auf und schlägt sich nach aussen um und wird in der gewöhnlich verengten Pupille sichtbarer. Steigert sich diese Entzündung sehr hoch, so vergrössert sich das Gefässnetz in der Kapsel so zwar, dass ver­längerte Gefässe zur Traubenhaut gehen und femer auch auf der hintern und concaven Kapselfläche Gefässe sichtbar werden, welche die Linsensubstanz durchdringen und nach vom laufen.
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sect;. 370.
Der Ausgang dieser Entzündung ist im günstigsten Falle Zertheilung, welche bei zweckmässiger Behandlung gerne erfolgt. Kommt es nicht zu diesem Ausgange, so bleibt die Trübung der Kapsel und steigert sich zur Undurchsichtigkeit, woraus die ver­schiedenen Arten des grauen Staares entstehen.
sect;. 371.
Diese Entzündung ist die häufige Folge traumatischer Einflüsse, unterdrückter Haut- oder anderer absondernder Thätigkeiten, star­ken Blutandranges nach dem Kopfe, daher sie häufig bei Zugvieh beobachtet wird, ebenso und sehr häufig geht sie aus Dyskrasien hervor oder erfolgt auf rheiunatisch - arthritische AfFectionen des Auges.
sect;. 372.
Die Behandlung bei der Capsulitis ist örtlich und allgemein entzündungswidrig: Blutegel, kalte Umschläge, Hautreize, Calomel; bei dyskrasischen Complicationen Schwefel und Antimonialien.
X. Von der Entzündung der Glashaut.
sect;. 373.
Die Entzündung der Glashaut, Inflammatio membranae hyaloideae, Hyalitis, wird primär und secundär beobachtet. Primär entsteht sie nach Verletzungen oder Erschütterungen des Augapfels durch Operationen, Schläge oder andere Verwundungen, auch bei Gicht und bei impetiginösen Metastasen dürfte sie primär beobachtet werden; secundär geht sie aus acuten oder chronischen Entzün-dungen der Sclerotica, der Chorioidea, der Linsenkapsel oder der Retina hervor. Als seröshäutiges Gebilde und mit einer Schlag­ader, der arteria centralis retinae, versehen, ist sie sehr zu Entzün­dungen geneigt.
sect;. 374.
Nach mechanischen Verletzungen entsteht die Entzündung in der Kegel nicht sogleich, sondern erst 4 — 5 Tage darauf, und ist auch dann noch schwierig zu erkennen, da ihre Symptome ge­wöhnlich mehr subjectiv als objectiv sind, weshalb ihre Diagnose beim Menschenauge nicht so vieler Schwierigkeit unterliegt, als
Müll p r, Vclerinär-Ophlhalmologie. II.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; |2
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178nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
beim Thlerauge. Als erste Ersclieinungen bei ihrem Entstehen führt man eine, mit dunkler ßöthe verbundene Geschwulst des obern Lides, chemotische Röthung und Auftreibung der Bindehaut des betreffenden Auges und bedeutende Lichtscheue an, welchen dann nach Verlauf einiger oder mehrerer Tage eine matte, graugelbliehe Trübung in der Tiefe des Auges folge, die später noch von sicht­licher Spannung und Volle des Augapfels begleitet werde und con • sensuelle Reizung, selbst paralytischen Zustand und Entfärbimg der Regenbogenhaut, sowie lymphatisches oder eiteriges Exsudat, Ver­dunkelung der Glashaut, Glaukom, Auflösung der Glasfeuchtig­keit, Synchysis, und endlich gänzliche Erblindung herbeiführe. Auch kann sich aus deren heftigem Grade Ophthalmitis hervor­bilden.
sect;. 375.
Die Prognose bei dem, so occulten \erlaufe dieser Entzün­dung und der schwierigen Erreichbarkeit dieses,, auf niederer Stufe der Vegetation stehenden Organtheiles ist immerhin zweifelhaft, obwohl im ersten Zeiträume der Entzündung durch eine recht zweck-mässige und energische Behandlung Zertheilung gelingen kann; wäh­rend die Entzündung, sobald man die Trübung des Glaskörpers deuflich zu erkennen vermag, unaufhaltsam voranschreitet, und zur Exsudation auf der Fläche der Glashaut sowohl, als auf jener der Retina führt.
sect;. 376.
Die Behandlung der Hyalitis werde durch Anwendung einer intensiven Antiphlogose geleitet und dabei besonders noch auf eine allgemeine und örtliche Anfachimg der Resorption durch reichlichen, bis zur Salivation fortgesetzten Mercurialgebrauch hingewirkt. Aus-schwitzimgen und Verengung der Pupille sucht man durch Ein­träufeln von Belladonnaextractauflösungen zu beseitigen und un­schädlich zu machen.
#9632;
XI. Von der Entzündung der Gebilde in der Augengrube.
sect;. 377. Es kann die Entzündung in der Augengrube in verschiedenen Gebilden ursprünglich entstehen, nämlich: in den Augenmuskeln und ihren Scheiden, in dem Fettpolster und in dem Periost.
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sect;. 378.
Ausgezeichnet sind ihre Erscheinungen durch Geschwulst zwi­schen Bulbus und Augenlidern, Anschwellung der Augenlider, na­mentlich der oberen, erschwerte oder ganz gehinderte Beweglichkeit des Augapfels, Hervordrängen desselben (Exophthalmia) und Fort­pflanzung der Entzündung auf die Oberfläche oder das Innere des Augapfels. Als Ausgänge dieser Entzündung sind namhaft zu machen: Zertheilung, Verhärtung, Eiterung, Caries und Nekrose, veränderte Stellung der Augenlider (Ectropium), und Zerstörung des Bulbus.
sect;. 379.
Ihre Ursachen sind entweder traumatische oder Erkältung oder Dyskrasien, vorzugsweise impetiginöse.
1. Von der Entzündung der Augenmuskeln und ihrer Scheiden.
sect;. 380.
Ein an der Entzündung der Augenmuskeln leidendes Thier geberdet sich sehr unruhig, verräth auf diese, wie jede andere Weise lebhaften, gegen Abend und Temperaturwechsel sich steigernden, mit allgemeinen Fieberbewegungen verbundenen Schmerz und ver­mag eine freie Bewegung des Augapfels kaum auszuführen, oder die Augenlider zu schliessen. Die Sclerotica erscheint leicht ge-röthet, die Pupille verengt, die Iris träge, die Lichtempfindung krankhaft gesteigert und die Thränenabsonderung vermehrt.
Ist nur ein Muskel entzündet, so kehrt sich der Augapfel ge­gen die leidende Seite. Steigert sich bei ungünstigen Verhältnis­sen die Entzündung, so gewinnt sie eine grössere Ausbreitung, afficirt die Sclerotica in sehr hohem Grade, paralysirt endlich die Muskeln und die Ciliarnerven entsprechender Seite gibt, sonach dem Augapfel eine schiefe Stellung (Schielen, Strabismus), lässt die Pupille erweitert, imbeweglich und einseitig verzogen erschei­nen, wobei das Sehvermögen ganz oder theilweise unterdrückt ist. Auch kann statt der Paralyse Eiterung in den entzündeten Muskeln eintreten, deren Ausgang Zerstörung des Muskels, des naheliegenden Zellgewebes und selbst des Augapfels seyn kann.
sect;. 381.
Die Behandlung der Entzündung der Augenmuskeln erfor­dert die örtliche Anwendung der Kälte, sobald sie traumatischen Ursprungs ist; bei rheumatischem Anlasse ausser örtlichen Blutent­ziehungen, trockene Wärme und Ableitungen auf die Haut. — Paralysen machen vorzugsweise fliegende Vesicantien in die Um­gegend des Auges und besonders nach dem Laufe des Nervus
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Dynamische Krankheiten des Auges.
frontalis oder ein Cauterium in die Fossa mastoidea gesetzt, noth-wendig. — Ist aber die Entzündung in Abscess - und Eiterbildung übergegangen, so bat man für baldige Eröffnung des Abscesses Sorge zu tragen, die Oeffnung durch Einlegen einer Charpiewieke offen zu halten und durch Einspritzen einer schleimigen oder nach Umständen gelind adstringirenden Flüssigkeit die Heilung von innen nach aussen zu bewirken.
2. Von der Entzündung der Knochenhaut, der Angongrube.
sect;. 382.
Acuter Verlauf. Bei objeetiv wahrnehmbarem heftigem Schmerze zeigt sich die Beweglichkeit des Augapfels gehindert, und erscheint dieser starr gegen Lieht und die leiseste Berührung sehr empfindlich, wird auch die freie Beweglichkeit des oberen Augenlides erschwert und zeigt sich an dessen Rande eine dunkle Röthe und öde-matose Anschwellung. Die Bindehaut zeigt Eöthe, die Pupille Ver­engerung und Starrheit, die schleimigen Absonderungen sind unter­brochen, dagegen jene der Thränen periodisch vermehrt. Unter Zu­nahme dieser Erscheimmgen tritt der Augapfel mehr aus seiner Höhle hervor, entzündet sich auf seiner ganzen Oberfläche und erhebt sich das begleitende Fieber zu einem bedeutenden Grade. Bricht sich die Entzündung nicht früher, so geht sie unter wiederholtem Schau­der und Schüttelfroste von dieser Stufe zur Eiterbildung über, wobei die Augenlider imd die Umgegend des Auges ödematös anschwel­len , Bindehaut und Augenlider dunkelroth werden. Die den Aug­apfel umgebende Geschwulst wird darauf weicher und zeigt an verschiedenen Stellen Fluctuation.
sect;. 383.
Chronischer Verlauf. Die chronische Entzündung der Augengrubeknochenhaut verläuft oft ohne sichtliches Zeichen; ausscr einiger Lichtscheue, vermehrtem Thränen, etwas stierem Blicke, ist kaum eine Veränderung zu gewahren, bis sich endlich zwischen dem Orbitalrande und dem Bulbus eine schmerzhafte Anschwellung zeigt, die dann unter stärkern entzündlichen Affectionen des Auges und ödematöser Anschwellung der Tarsalränder der Augenlider sich erweicht und nach aussen aufbricht.
sect;. 384. _
Ursachen. Der acuten Form liegen vorzüglich mechanische Einwirkungen oder heftige Erkältungen zum Grunde, während die chronische Form innerem Leiden, krankhafter Säftemischung, durch nicht gehörig kritisirten Rheumatismus oder Gicht oder durch schnell zurückgetriebene Psora herbeigeführt, ihre Entstehung verdankt.
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sect;. 385.
Ausgänge: Zertheilung nach zweckmässiger Behandlung, sonst Eiterung, Caries und Nekrose; Verdickung und Auswüchse der Knochen und, wenn die Entzündung und Eiterung auch in die Schädelhöhle sich fortsetzt, der Tod. — Bei ausgebreiteter Entzün­dung in der Orbita bilden sich oft zahlreiche FistelöfFnungen in den Augenlidern, und an den Schläfen, der Augapfel wird meistens zerstört oder das Sehvermögen geht gänzlich verloren. Wenn die Eiterung und Caries partiell ist, so wird nach ihrem Sitze ausser dem üblen Einflüsse auf den Bulbus, zu verschiedenen Zerstörungen und Formveränderungen der Augenlider, Ectropium und Lagoph-thalmos Veranlassung gegeben, wodurch das Auge ebenfalls gefähr­det wird. Besteht die Caries an der inneren Seite der Orbita, so kann durch Zerstörung der Knochen der Eiter in die Nase oder Kieferhöhle sich ergiessen.
sect;. 386.
Bei der acuten Entzündung der AuKcnhöhlenknochenhaut ist eine streng entzündungswidrige Behandlungsweise indicirt, bei traumatischen Ursachen dienen ausserdem kalte Umschläge und bei grosser Neigung zur Suppuration, kräftige Einreibungen der grauen Salbe zur Zertheilung. Bei chronischer Form dieser Ent­zündung hat man wiederholt massige örtliche Blutentziehungen zu Hülfe zu nehmen, zertheilende, die Aufsaugung bethätigende Ein­reibungen anzuwenden und eine, den Causahnomenten und vorwal­tender Dyskrasie entsprechende, allgemeine Behandlung einzuleiten. Der Uebergang in Eiterung werde durch erweichende Umschläge befördert und der Abscess bei deutlicher Fluctuation kunstgerecht geöffnet, der freie Abflugs des Eiters möglich gemacht und etwai-crer Ueberffang der Vereiteruns in Fäide oder Brand des Knochens durch ein entsiirechendes, nach den allgemeinen Regeln der Kunst eingeleitetes, Verfahren behandelt.
3. Von der Entzündung des Zellgewebes in der Augengrube.
sect;. 387. Diese Entzündung ist in der Regel die Folge von Verletzun­gen, vorzugsweise von Stichwunden oder Erkältung. Sie charak-terisirt sich durch Anschwellung und Hervortreibung des Augen­lides, so wie durch eine gleichmässige Geschwulst zwischen dem Bulbus und dem Orbitalrande, bei deren Zunahme die Bindehaut hervorgetrieben und der Bidbus nach der, dem Sitze der Geschwulst entgegengesetzten Richtung getrieben wird. Weiter vorangeschritten.
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182nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dynamische Krankheiten des Auges.
verbreitet sich die Entzündung auch auf den Augapfel und geht in Eiterung über, in welchem Falle das obere Augenlid dann noch mehr geschwillt und die Bindehaut durch den angesammelten Eiter vorgedrängt wird, der sodann gewöhnlich durch letztere seinen Weg nach aussen nimmt. Wird der Eiter längere Zeit in der Orbita zurückgehalten, so ergreift er die Knochenhaut und die Knochen, ebenso die Augenmuskeln, wodurch Fortsetzung des Uebels auf das Gehirn, sowie fehlerhafte Stellung des Auges und Gefahr für die Erhaltung des Sehvermögens veranlasst wird.
sect;. 388.
Auch kann diese Entzündung chronisch verlaufen, wo einige Zeit nach einem muthmasslichen äusseren Anlasse, meist aber auf üble Mischung der Säfte, in Folge zurückgetretener Psora und dergl. gewöhnlich unter dem Orbitalrande eine kleine Geschwulst entsteht, die wenig schmerzt, den Bulbus aber mehr oder weniger dislocirt. Der Uebergang der Geschwulst besteht in Eiterung oder Verhärtung.
sect;. 389.
Die Behandlung dieser Entzündung macht die Anwendung kräftiger Antiphlogose nothwendig; bei traumatischen Anlässen müssen anhaltend kalte Umschläge auf das Auge und dessen be­nachbarte Umgebung gemacht, ausserdem Aderlässe, Blutegel, Ab­führmittel und nach Umständen Ableitungen auf die Haut in Wirk­samkeit gesetzt werden. Nach gebrochener Entzündung und zu­rückgebliebener Anschwellung bedient man sich mit Nutzen der grauen Quecksilbersalbe. War jedoch Eiterung der Ausgang der Entzündung, so ist der Eiter bald zur Reife zu bringen, zu ent­leeren, sowie für dessen freien Ausfluss, bis zur völligen Heilung, Sorge zu tragen.
sect;. 390.
Die chronische Entzündung suche man auf gleiche Weise durch wiederholtes Anlegen von Blutegeln, erweichende Kataplas-men, graue Quecksilbersalbe, zeitweisse Ableitungen in den Nacken oder hinter den Ohren und durch reizende Pflaster oder Salben, zur Zertheilung und Auflösung zu führen.
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XII. Von der intermittirenden oder periodischen Augenentzündung.
sect;. 391.
Die intermittirende Augenentzündung, Mondblind­heit, Ophthalmia intermittens, ophthalmia equi periodica, franz. Lunatisme, engl. Moondblindness, entwickelt sich entweder aus einem constitutionellen und erblichen Fehler oder aus einer speciel-len Anlage des Thieres oder aus einem allgemeinen Leiden des Körpers oder auch auf Einwirkung äusserer Schädlichkeiten, oder ist die Folge vorübergegangener langwieriger äusserer und innerer Entzündungen des Auges, die mit mehr oder weniger beunruhigen­den Symptomen in periodisch eintretenden Anfällen wiederkehren und eben so bestimmte Intermissionen zwischen sich lassen; zuerst die Verrichtungen der Organe, dann die Substanz derselben an­greifen , sie in ihrem Gefüge und Form der Art verändern, dass sie sogar früher oder später bemerkbar bleibender Veränderung und Untaughchkeit unterliegen.
sect;. 392.
Diese Anfälle erneuern sich in mehr oder weniger entfernten Zeiträumen, entweder alle vierzehn Tage, vier Wochen, woher die Benennung Mondblindheit, alle zwei Monate, halbjährig oder nach einem Jahre.
Bei sehr grossen Zwischenräumen ist es indessen oft zweifelhaft, ob die Anfälle Folgen der Intermittens oder neuer Schädlichkeiten sind, was bei sol­chen Ophthalmieeu, die nach langen Zwischenräumen, z. B. nach Jahresfrist sich wieder einstellen, unbedingt angenommen werden muss. — Sie sind von jenen Ophthalmiccn, welche eigentliche Wechsclfieber als Symptome begleiten, zugleich auch von den typisch eintretenden und in Remissionen übergehenden Exacer-bationen verschiedener z. B. rheumatischer, gichtischer und anderer Entzündun­gen , so wie von den Paroxismen der Ncuralgiecn des Auges wohl zu unter­scheiden. — Audi unter sich weichen sie in Ansehung der Heftigkeit der Anfälle und der Beschaffenheit der Erscheinungen oft wesentlich von einan­der ab.
sect;. 393. Die Symptome der aussetzenden Augenentzündung gleichen jenen der Augencntziindungen überhaupt; je nachdem sie zum ersten Male auftritt, schon mehrere oder wenige Anfälle von ihr dagewe­sen, die Constitution des Thieres oder die prädisponirenden und die Gclegenheitsursachen verschieden sind, gewinnen die Symptome ein mehr oder weniger drohendes Ansehen.
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184nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges
sect;. 394.
Erscheint die periodische Augenentzündung zum ersten Male oder sind ihr nur einige Anfälle vorhergegangen und nimmt sie nur einen gelinden Verlauf, so röthet sich die Bindehaut der Augen­lider wie jene des Augapfels, wobei Lichtscheue in höherm oder geringerm Grade zugegen ist und die Augenlider in letzterm Falle halb geschlossen gehalten werden und in fortwährender Agitation begriffen sind, aber nur leicht angelaufen erscheinen, während sie in ersterm Falle völlig geschlossen sind, beim Auflegen der flachen Hand vermehrte Wärme zeigen und eben bei Berührung oder Oeff-nen, Ströme von Thränen durchlassen, die oft so ätzend sind, dass dort, wo sie häufig hinfliessen, die Haare ausfallen und die Haut angeätzt wird. Die durchsichtige Hornhaut sieht matt und getrübt aus, die Blinzhaut ragt mehr, als gewöhnlich hervor und bedeckt einen grössern Theil des Augapfels am innern Augenwinkel; die wässrige Feuchtigkeit in beiden Augenkammem ist mehr oder we­niger getrübt, wodurch der Blick in die Tiefe des Auges erschwert wird, die Eegenbogenhaut oft nur undeutlich zu erkennen ist und ein eigenthümliches, in's Gelbliche oder Grauliche ziehendes An­sehen bekommt.
In der getrübten wässrigen Feuchtigkeit schwimmen wolken­artige , weisse oder grünliche Flocken, welche sich auf den Boden der vorderen Augenkammer setzen, wo sie als ein gelblicher, eiter­ähnlicher, oft auch röthlicher Satz erscheinen, bei Bewegungen des Kopfes sich wie Schlamm auf und nieder bewegen und manchmal durch das Sehloch gehen und sich auch dort zwischen die Rearen-bogenhaut und Linse legen. Diese Trübung der wässrigen Feuch­tigkeit rührt von einer plastischen Ausschwitzung auf der vorderen Fläche der Iris her, welche ausser der angegebenen Färbung noch ein unebenes, gleichsam rauhes Ansehen erhält, indem von jener flockigen, exsudirten Masse Theilchen, wie kleine kurze Piaare, an ihrer vordem Oberfläche hängen bleiben. In der fast unbeweglichen und sehr verengten Pupille zeigen sich die hervorragenden Büschel­chen der Traubenhaut so zusammengedrängt, dass jene oft ganz unwegsam wird.
Heftigere Fälle begleiten Appetitlosigkeit, Verstopfung, Stö­rung in der Blutwegung und auffallende Traurigkeit.
Diese Erscheinungen entwickeln sich in der Regel schon inner­halb 24 Stunden zu dieser Höhe; gegen das Ende des Anfalles, nach dessen 4 bis 5, meist 8 bis lOtägiger, manchmal 2 bis 3wö-chentheher Dauer der Krankheit, nehmen unter günstigen Verhält­nissen die Zufälle der Entzündung etwas ab, vermindern sich die Röthe und Geschwulst, wird die matte Hornhaut glänzender, klärt
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sich die getrübte Augenkammcrnflüssigkeit auf, und öffnet sich unter Abnahme der Lichtscheue das Auge freier; dabei vermindert sich die, obwohl noch iiir einige Tage etwas vermehrt fortdauernde Thränensecretion und es kehrt, wenn die Entzündung keine orga­nische Verbildung hervorgebracht hat, das Auge wieder zu seiner vorigen normalen Beschaffenheit und Verrichtung zurück, nur dass die Pupille des ergriffenen Auges noch durch eine Zeit von 8—14 Tagen etwas enger bleibt, als auf dem gesunden Auge.
Zuweilen reeidivirt die Entzündung sogleich wieder, macht aber dann einen weit kurzem und gelindern Verlauf.
sect;. 395.
War übrigens das Auge schon wiederholt diesen Unfällen aus­gesetzt und wurde dasselbe hierdurch für eine Ueberreizung noch empfänglicher gemacht oder wirkten die vei-anlas senden Ursachen sehr heftig ein und sind die äusseren oder die constitutionellen Ver­hältnisse des Thieres sehr ungünstig, so nimmt sie einen weit inten­sivem Charakter an und verbreitet sich auf die tiefer liegenden Gebilde des Augapfels und greift tiefer in die Organisation des Auges ein. Das Sehen wird dann matt und undeutlich, die Augen­lider sind geschwollen imd heiss, kleben an ihren mit Schleim über­zogenen Eändern zusammen, zeigen entweder wässrige oder durch Erschlaffung der Blutgefässe entstehende Geschwulst, oder werden welk, runzelich und hängen schlaff und wenig beweglich herunter; die Oberaugengruben füllen sich aus; die Bindehaut nimmt eine matt rothe oder schmutzig blasse auch bläulichte Farbe an und ist ebenfalls erschlafft und aufgelockert; die Thränencarunkel und der Nagel lockern sich auf, nehmen an Umfang zu oder schwinden nebst den andern Theilen des Auges. Die Trübuno- der Hornhaut ist bei weitem stärker und erscheint als ein schmaler, über den ganzen Umfang der Hornhaut unregelmässig verbreiteter und wol­kenartig in die Fläche der Hornhaut sich verlierender blauer Ring, oder verdunkelt sich ganz oder theilweise durch Absetzung fremd­artiger Stoffe, von welchen ihr die Färbung eines Schiefers mitge-theilt wird; an ihrem Umkreise zeigt sie eine unzählige Menge kleiner rother Gefässe, die sich unmerklich nach ihrem Centrum hin verlieren, auch zeigen sich auf ihr manchmal kleine Geschwüre; die wässrige Feuchtigkeit erleidet die oben beschriebene qualitative Veränderung und Mischung von fremdartigen Materien, vermindert oder vermehrt ihre Quantität, je nach dem obwaltenden Verhältnisse zwischen Absonderung und Aufsaugung, manchmal findet sich statt ihrer, eine ganz neue Substanz oder sie verschwindet gänzlich; die Iris partieipirt stärker an der Entzündimg, wechselt ihre Farbe, blasst ab, verliert ihre Empfindlichkeit gänzlich, sowie ihre Form,
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180nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Kninkheitcu des Auges.
expandirt sich oft bis zur Aimullirung der Pupille oder contrahirt sich bis auf einen schmalen Streifen; dabei ist die Retina höchst empfindlich, daher grosse Lichtscheue und starkes Thränen, oder man bemerkt im Hintergrunde des Auges, wenn, wie bisweilen ge­schieht, die Hornhaut einige Durchsichtigkeit behalten hat, auch die Linse noch nicht getrübt oder schon gänzlich aufgesogen ist und die Glashaut sich noch nicht verdunkelt hat, statt der dunkel­blauen, eine grünliche, matte, etwas in's Bräunliche spielende Fär­bung, wegen welcher und ob der eingetretenen Torpidität, die Eetina zu ihrer Verrichtung untüchtig wird.
Ganz neue Gebilde nehmen die Stelle der gesunden Organe ein und es wird endlich der ganze Bulbus atrophisch und zieht sich in die Augenhöhle zurück. Da in den Anfällen die Ursache der Zerstörung oder wenigstens der Verschlechterung des Auges liegt, so wird eine solche um so eher eintreten, je kürzer die Zeit­räume sind, in welchen die Anfälle wiederkehren. — Entweder werden beide Augen des nämlichen Individuums zugleich ergriffen, oder gewöhnlicher, nur eines.
sect;. 396.
Hat das Auge mehrere Anfälle erstanden, so zeigt es auch in der freien Zwischenzeit verschiedene Veränderungen. Es bleiben die Augenlider etwas angeschwollen, das untere hängt schlaff herab, das obere ist in der Mitte etwas in die Höhe gezogen und zeigt mehrere senkrecht an demselben herablaufende, häufig in zitternder Bewegung begriffene Falten; die Wimpern hängen herab und die Meibomischen Drüsen sind angeschwollen. Durch die Erschlaffung des unteren Augenlides, sowie durch eine häufig zurückgebliebene Empfindlichkeit des Auges gegen die Einwirkung der Luft oder des Lichtes, thränt das Auge leicht und es fliesst die Thränenflüs-sigkeit aus dem inneren Augenwinkel über die Nase und ätzt die Haare dort, und in der Gegend unter demselben weg. Die Augen­lidspalte verkleinert sich, woher das Auge kleiner erschemt, als das nicht erkrankt gewesene. Im ganzen Umkreise des Bandes der Hornhaut sieht man einen schmalen, bläulich nebeligen King, wel­cher gegen den Mittelpunkt des Augapfels hin, sich allmälig ver­liert oder es finden sich auch verschiedene andere Flecken oder Verdunkelungen auf oder in dem Gewebe der Hornhaut, welche das Sehvermögen ganz oder theilweise aufheben. — In den Augen­kammern bleiben in Folge der geschehenen Ergiessung und nicht zu Stande gekommenen Resorption, die genannten Massen in flüs­siger oder festerer Gestalt zurück. Es zeigen sich Verwachsungen zwischen der vorderen Flache der Regenbogenhaut und der Horn­haut , zwischen deren hintern Fläche, der Uvea, und der Linsen-
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;187
kapsel und auch zwischen den Eündern der Pupille unter sich. Die Pupille ist enger, als am gesunden Auge und bei bestehender Verwachsung mit der vorderen Fläche der Linsenkapsel, verzogen. Als Product der vorhergegangenen Entzündung bleiben undurch­sichtige Punkte und trübe Stellen in der Linsenkapsel zurück, die besonders nach einem neuen Anfalle an Umfang zunehmen und auf diese Weise zuletzt den grauen Staar bilden. Auch der sensiblen Sphäre des Auges verbleiben complete oder partielle Alienationen, wozu man partielle oder totale Amaurose zu rechnen hat. Der auf solche Weise veränderte Augapfel schwindet zu gleicher Zeit, wird kleiner, lässt mehr von der weissen Haut des Auges sehen und sinkt tiefer in die Augenhöhle zurück.
sect;. 397.
Die Ursachen, welche die intermittirende Augenentzundung hervorrufen und ihr zum Grunde liegen, sind prädisponirende, aus sere und innere.
sect;. 398.
Zahlreiche Beobachtungen thun dar, dass die Erblichkeit von den Eltern, namentlich vom Vater auf die Jungen, eine der ge­wöhnlichsten prädisponirenden Ursachen, die Anlage, zu dieser Augenkrankheit des Pferdcgeschlechtes abgibt.
Junge und alte Pferde sind dieser Augenkrankheit mehr aus­gesetzt, als die vom mittlern Lebensalter und zwar aus dem Grunde, weil in diesen äussersten Epochen des Lebens, die noch nicht völlig ausgebildeten und während der Dentitionsperiode ohnehin häufiger Reizung ausgesetzten, oder im höhern Lebensalter schon ge­schwächten Organe des Auges, nicht kräftig genug sind, den schäd­lichen Einflüssen hinlänglichen Widerstand entgegen zu setzen. Eine vorherrschende Anlage zu diesem Ucbel will man auch bei Schimmeln und Kappen beobachtet haben. Bei Melangen dieser Fär­bung fand auch Leblanc eine Inclination dazu, welche Bemerkung derselbe gerade nicht als allgemeine Regel gelten lassen will, aber dafür hält, dass zAvischen den Zeichnungen des Felles und dem Temperamente, folglich zwischen diesen Färbungen und der Anlage zur erwähnten Krankheit, ein Zusammenhang stattfinde. — Man dürfte vielleicht nebst dem, den Grund zu dieser Prädisposition in dein mindern Keichthume an schwarzem Pigmente und der, daraus hervorgehenden mangelhaften Verdunkelung des Augengrundes finden. — Pferde von schwammigem Baue, mit grossen Köpfen, kleinen tiefliegenden Augen — sogenannten Schweinsaugen —, dicken wulstigen Augenlidern und mattem Blicke, enger Brust, grossem Bauche, lymphatischer Constitution, weichem und schlaffem Faserbauc, einer Architectur und Organisation, wie sie bei Pferden
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188nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
niedriger Gegenden, wie in Holstein, Friesland, Niedersachsen, Ostpreussen, und in einigen Provinzen Oesterreichs, besonders in Böhmen vorkommt, incliniren vorzugsweise zur Mondblindheit. Selbst aber auch die englischen. Limousiner und andere gute Pferde-Ea^en incliniren oft zu dieser Ophthalmie. — Häufiger scheinen Ganzpferde, Hengste und Stuten, als Wallachen davon befallen zu werden. — Acquirirt kann ferner auch eine Anlage zu dieser Form, wie überhaupt zu Augenentzündungen, welchen eine Kachexie zum Grunde liegt, durch fehlerhafte Fütterung, Pflege und durch den Aufenthalt in dumpfigen, dunklen und unreinen Ställen und auf feuchten Wiesen, werden, dies vorzugsweise von kaum gebornen Fohlen.
sect;. 399.
Angehend die äusseren ursächlichen Momente, wie solche bisher angeführt worden sind, so können solche einzeln oder in Verbin­dung mit einer gewissen Prädisposition zur Entwickelung dieses Uebels Anlass geben, übrigens aber ist deren grössere Anzahl nur als entfernt wirkende zu betrachten.
Was man über den Einfluss des Mondwechsels und des Mond­lichtes auf die intermittirende Augenentzündung und auf die Augen der Pferde, welche die Nächte im Freien zubringen, gesagt hat, dürften wohl nur grundlose Vermuthungen seyn. Ersteren hat Leblanc niemals bestätigt gefunden, letztern hält er nur für schein­bar, da es die Nacht und die in ihr obwaltenden Verhältnisse sind, nicht aber das Mondlicht, die das Uebel hervorrufen; es hat der­selbe zwar ein Zusammentreffen des Mondwechsels mit den perio­dischen Anfällen der Krankheit bemerkt, dabei aber auch jedesmal die ungesunde Atmosphäre mit im Spiele gefunden. Nach dessen Beobachtungen ist eine Periodicität der Anfälle am gewöhnlichsten lt;gt;egen die Zeit der Ta^- und Nachtffleiche und vorzüglich um die des Frühjahres bemerkbar. Unstreitig ist aber, nach seiner Mei­nung, daran die stürmische Witterung, nicht Sonne und Mond schuld, obschon diese die Grundursache seyn möchten, indem es überhaupt schwer sey, die Einwirkungen der Gestirne genau kennen zu ler­nen, da eine unendliche Menge zufälliger Umstände der Genauig­keit, mit welcher man die Hypothese über die Entstehung der An­fälle verfolgen müsste, im Wege ständen.
Die Oertlichkeit des Aufenthaltes, vorzugsweise in Gegenden mit vielen stehenden Wässern und Moorgrund gibt häufig auch ein ursächliches Moment von Bedeutung für diese Augenkrankheit ab, da unter deren Einfluss nicht sowohl die Mischung der Luft, als auch die Qualität des Futters von ihnen bedingt ist.
Das Futter trägt zur Entwickelung dieser Krankheit nicht nur
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durch seine physischen Eigenschaften bei, in Bezug auf das Kauen und Verdauen, sondern auch durch die schlechte Beschaffenheit als Nahrungsmittel überhaupt, wodurch die Verrichtung des Speise-canais gestört und die ganze tierische Oeconomie in Mitleidenschaft gezogen wird. •— Der Einfluss der physischen Eigenschaften des Futters bezieht sich vorzüglich auf das Kauen, indem hartes Futter das Zahnfleisch und folglich auch die Organe reizt, die mit ihm in naher Verbindung stehen, um so mehr, wenn die Kinn­laden und deren Muskeln den gehörigen Grad der Ausbildung und Stärke noch nicht erlangt haben, wo es auf eine doppelte und sehr bemerkliche Weise schädlich wirkt; einmal, weil es das junge Thier durch Beraubung einer ihm von der Natur bestimmten Nah­rung schwächt und dann, weil das Futter, was gekaut werden soll, viel zu hart für die zarten Organe des Fohlens und zu schwer ver­daulich ist, daher Krankheit des Darmcanals und daraus ein allge­meines und auf das Auge reflectirtes Leiden hervorzurufen, im Stande ist. Ebenso nachtheilig ist der plötzliche Uebergang von grünem, weichem, leicht verdaulichem Futter zu trockenem und hartem bei jungen Thieren. Sowie aber Mangel und schlechte Be­schaffenheit der Nahrungsmittel als prädisponirende Ursachen zur intermittirenden Augenentzünduqg zu betrachten sind, so kann man ebenfalls auch zu reichliche und gute Nahrung, welche fett macht, unter die indirecten Ursachen derselben rechnen. Uebrigens ist die Fettheit des Körpers, welche von übermässigem, wässrigem Futter herrührt, ungleich schädlicher, als die durch trockenes und gut eingetheiltes entstehende.
Auch zeigt die tägliche Erfahrung, dass schlecht eingerichtete, feuchte und dunkle, nicht luftige und heisse Ställe eine wichtige Ur­sache der Mondblindheit abgeben, oder wo eine Anlage dazu schon vorhanden ist, neue Auf alle veranlassen; von gleich begünstigendem Einflüsse auf die Hervorbildung dieses Uebels sind schlechte War­tung, Vernachlässigung der äusseren Pflege und Reinlichkeit, beson­ders das, aus fauliger, wässriger oder urinöscr Streu sich ent­wickelnde ammoniakalische Gas.
Femer ist auch die Art der Beschäftigung der Thiere von we­sentlichem Einflüsse auf die Entstehung der intermittirenden Au-^nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;genentzündung der Pferde und Maulesel, die zum Ziehen gebraucht
werden. Es unterliegen dieselben diesem Uebel um so häufiger, je empfindlicher sie ein zartes oder je schwächer sie ein höheres Alter macht und je weniger dieselben nach ihrer Organisation zu diesen Beschäftigungen sich eignen.
Endlich gehört hierher noch der allzu häufige und rasche Wech­sel grellen Sonnenlichtes mit gänzlicher Dunkelheit, wie auch von
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190nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
weissen Wänden reflectirtes oder durch grosse Glasfenster gerade auf das Auge des Thieres fallendes Lieht. Wenn auch unter dem Einflüsse des Lichtes alle organischen Functionen lebhafter und energischer von Statten gehen, so ist es doch längst erwiesen, dass ein allzu heftiges und anhaltendes Einströmen starken Lichtes in's Auge, durch übermässigen Reiz nachtheilig wird und zu öftern Au­genentzündungen, endlich zur Erschöpfung des Sehvermögens und zur Blindheit führt; ebenso ist es bekannt und gewiss, dass bei gänzlicher Finsterniss oder zu schwachem Lichte das, des nöthigen Lichtreizes entbehrende Auge, seine Sensibilität gänzlich verliert oder doch bei plötzlichem Uebergange an's helle Tageslicht, in eine krankhafte Empfindlichkeit versetzt wird*). Wir sind geneigt, die­ses ursächliche, äussere Moment in Bezug auf die Genese dieser Ophthahnie fur ganz besonders relevant anzusehen, da die Erfah-rung lehrt, dass ein, nach vorhergegangener Entzündung durch Verdunkelung der durchsichtigen Medien, bei grauem Staare u. s. w. einmal erblindetes Auge niemals mehr von der intermit-tirenden Augenentzündung befallen wird. Einen weitern Einfluss noch auf das Auge und den ganzen Organismus übt das Licht, in­soweit dasselbe mit AVärme und Elektricität verbunden, grossen Antheil an den Veränderungen in jjer Atmosphäre hat, deren Wech­sel eine häufige excitirende Ursache der intermittirenden Ophthal­mic ist. Angehend den Wechsel in der Temperatur, so verdient derselbe, als durch Zugluft und veränderliche Witterung herbeige­führt, ebenfalls bei Ermittelung der ursächlichen Momente in Be­tracht gezogen zu werden, indem man aus dem, durch ihn bewirk­ten schnellen Wechsel der Hauttemperatur die häufigste Ursache der in Rede stehenden Augenkrankheit herzuleiten geneigt war und die Folgerung zog, dass wahrscheinlich rheumatische Dyskrasien dieser Krankheit zum Grunde lägen und dies um so mehr, da nach Anwendung der Kälte das Uebel an Heftigkeit zunimmt.
sect;. 400. Zu den inneren veranlassenden Ursachen der periodischen Au­genentzündung gehören verschiedene allgemeine und örtliche Uebel, wie ein erhöht erethischer Zustand der pereipirenden nervösen Ge­bilde des Auges, eine häufige Folge der verschiedenen Formen von Phlogosen und Neurosen; die Druse, wenn sie sich ungünstig ent­schieden hat oder unterdrückt worden ist; die Schabe und Mauke, wenn sie lange angedauert und sich weit verbreitet hatten und
*) S. Handbuch der gesammten gerichtlichen Thierarzneikunde von J. E. Veith. Wien, 183G. S. 244.
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durch zurücktreibende Mittel plötzlich unterdrückt worden sind; die gesteigerte Irritation beim Ausbruche der Backenzähne, sowie auch der Haken; Stuten, deren rege gewordener Gesclilechtstricb keine Befriedigung findet oder bei welchen das Saugen durch den Tod des Fohlens oder schnelle Hinwegnahme desselben, plötzlich unterbrochen wird, pflegen auch an heftigen Augenentzündungen zu erkranken, welche später den Charakter der Periodicität anneh­men können. Diese und andere Krankheitsanlässe wirken noch weit intensiver auf das Auge und um so begünstigender für die Entstehung periodischer Ophthalmien, wenn sie mit äusseren Schäd­lichkeiten zusammentreffen, die, auch ohne besondere Anlage, ent­weder durch die Intensität oder durch die Dauer ihrer Einwirkung, für sich allein im Stande sind, dieses Uebel zu veranlassen.
. sect;' 40.1-. Die Erkenntniss der intermittirenden Augenentzündung, mit
so wenig Schwierigkeiten sie verknüpft ist, so bald das Uebel in einem höhern Grade besteht oder nach vielfältig vorübergegangenen Anfällen bedeutende Spuren seines Daseyns zurückgelassen hat, ist sehr erschwert, wenn die Krankheit erst im Beginnen oder in einem'leichten Grade vorhanden ist und das Auge durch die frü­heren, massigen Anfälle des Uebels noch wenig gelitten hat und es wird eine solche nur dann gewiss, wenn man die pathognomischen Merkmale der Krankheit selbst, sowie ihre nachbleibenden, in sect;. 396 angegebenen, Merkmale und Veränderungen am Auge in genaue Würdigung zieht. Jedoch liefern diese, im Einzelnen be­trachtet, noch keinen hinreichenden Bewreis für die frühere Gegen­wart der Mondblindheit, weil sie auch nach gewöhnlichen Augen­entzündungen sich finden und von diesen keineswegs mit jener Sicherheit unterschieden werden können, welche die Diagnose fest begründen oder bei einer gerichtlichen Untersuchung genügen dürfte. Zu einer verlässigen Entscheidung gehört die Beobachtung des Verlaufes und der ein- oder mehrmaligen Wiederkehr des Ent­zündungsanfalles selbst und um mit vollkommener Gewissheit dar­über zu erkennen und zu bestimmen, dass es die Mondblindheit und keine andere Form der Augenentzündung sey, muss man wenig­stens zwei Perioden gesehen haben. Selbst jene Entzündimg, die von einer äusseren mechanischen Verletzung herrührt, kann in der ersten Periode, in dem Augenblicke, wo Geschwulst, Köthe, Hitze, Lichtscheue, Thränenfluss im höhern Grade zugegen sind, wo die Augenliderspalte zur Untersuchung nicht einmal gehörig eröffnet werden kann, eben so wenig mit Verlassigkeit von einer Entzün­dung anderer Art, als von der Mondblindheit unterschieden werden. Daher ist auch die Verwechslung mit Augenentzündungen anderer
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192nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamisclie Krankheiten des Auges.
Art so leicht, dass nur die grösste Vorsicht und die genaueste Prü­fung aller Umstände und oft nur die längere Beobachtung des kranken Thieres vor einem irrigen Urtheile schützen kann. Nach gänzlich vorübergegangener Entzündung können die zurückgeblie­benen Spuren ihres frühem Daseyns nur dann als Zeichen der Mondbhndheit gelten, wenn mehrere der früher angegebenen Zei­chen in Uebcreinstimmung beobachtet werden *) und dazu vielleicht noch eine prädisponirende Organisation weiter bestätigenden Beleg abgibt.
J. 402.
Da die Mondblindheit ein G e währ s fehl er ist, so gibt sie nicht selten einen Gegenstand zu gerichthcher Klage ab, deren Entscheidung von dem veterinärärztlichen Gutachten abhängig ist. — Es wird nämlich diese Krankheit aus Betrug verhehlt, aus Un­kenntnis s oder natürlichem Irrthume verkannt oder in betrügeri­scher Absicht angedichtet und nachgebildet.
Den Umstand der grossen Schwierigkeit in der Feststellung der Diagnose der Mondblindheit benützend, geben die Pferdehänd­ler diese Krankheit für eine traumatische oder rheumatisch-catarrha-lische aus und wissen absichtlich durch künstliche Eingriffe, der Krankheit das Ansehen einer leichtern Form für die schwierigere zu geben oder durch andere, etwa mittelst einer absichtlichen Ver­letzung der Augenlider, die Untersuchung des inneren Auges zu erschweren, um die Gegenwart oder die zurückgebhebenen Spuren der Mondblindheit der Untersuchung zu entziehen.
Vorgeschützt Avird die Krankheit auch, um einen gültigen Grund zur Eückklage zu erlangen; betrügerische Käufer suchen zur Erreichung ihrer Absicht mittelst scharfer Stoffe, ätzender zwi­schen oder unter die Augenlider gebrachten Flüssigkeiten und dergl. nach dem Grade der Einwirkung einen beliebigen Grad der Ent­zündung hervorzurufen oder aber es kann eine zufällig entstandene Entzündung unter begünstigenden Verhältnissen sich höher steigern und von Seite des Käufers für Mondblindlieit genommen werden.
Wo ein derartiger und zweifelhafter Fall dem Thierarzte zur Begutachtung vorkommt, ist es stets gerathen für ihn und am sichersten, das kranke Thier einstweilen unter unpartheiische Auf­sicht zu bringen, oder es auch dem Verkäufer in Verwahrung zu geben, welcher, da sein eigener Nutzen davon abhängt, die meiste Sorgfalt für die Genesung des Thieres tragen wird, damit dasselbe nach Verlauf mehrerer Tage, von Kunstverständigen zu wiederhol­ten Malen und vcrdachtlos untersucht werden kann. Bei dieser
*) J. E. Veith a. a. O. sect;. 121.
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Untersuchung muss mit aller Genauigkeit auf den Verlauf und die Wiederkehr der Mondblindheit geachtet werden; nicht leicht kann man mit Gewissheit aus den Zufällen allein, auf das Daseyn des Uebels bei einem Pferde schliessen, wenn man nicht wenigstens zwei Perioden der Entzündung an demselben beobachtet hat. Nur dadurch wird es möglich, mit einiger Sicherheit auszumitteln, ob die wahrnehmbaren krankhaften Erscheinungen in dem natürlichen Verlaufe dieses periodischen Uebels begründet sind oder von einer anderweitigen, zufälligen oder absichtlichen, Beschädigimg des Au­ges herrühren *).
sect;. 403.
Als leicht zurückkehrende, selten heilbare und gefahrvolle Au­genkrankheit, gilt die Mondblindheit für einen Hauptfehler und al­lenthalben für einen Gewährsmangel.
In Bezug auf die Gewährszeit hat man in verschiedenen Län­dern längere oder kürzere Termine, je nachdem die dortigen Beob-achtungen diese Krankheit in weltern oder engern Zeiträumen wiederkehren sahen. In Frankfurt a. M. hat der Verkäufer dem Käufer 14 Tage, in Preussen und Sachsen 28 Tage, in den ver­schiedenen Departements Frankreichs, als: in der Bigorre (hautes Pyrenees) 30 Tage, in der Gascogne (du Gers, des Landes et de l'Arriege, basses Pyrenees) in dem ganzen Languedoc und Rousil-lon, ferner in ganz Piemont 40 Tage, im Zellischen, Calenbergischen und Hildesheimischen 12 Wochen u. s. w. zu garantiren, und wer binnen dieser Zeit an einem, durch Kauf oder Tausch erworbenen, Pferde die Mondblindheit erkennt und ihre Gegenwart erweiset, kann das Recht der Wandlungsklage geltend machen und die Auf­hebung des eingegangenen Vertrages ansprechen. — Eine längere Gewährszeit als einen Monat würde den Käufer allzusehr begün­stigen und den redlichen Käufer gefährden, da während des länge­ren Zeitraumes von zwei bis drei Monaten durch die Schuld des neuen Eigenthümers so vielfache Schädlichkeiten auf das Thier wirken können, welche Augenentzündungen und darauf folgende Blindheit hervorrufen, ohnerachtet das Auge vor, während und selbst einige Zeit nach dem Verkaufe noch vollkommen gesund ge­wesen seyn mag, während bei der Bestimmung einer kurzem Ge­währszeit die Möglichkeit eines solchen Betruges und der für einen redlichen Verkäufer daraus hervorgehenden Gefähr nicht ganz auf­gehoben ist, jedoch unstreitig vermindert wird. Dagegen wird der
*) J. E. Veith a. a. O. sect;. 123. Müller, Veterinär-Ophtholmologic. 11.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;13
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19inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dyuaniische Krankheiten des Auges.
Fall nur selten auftreten, sagt weiter J. E. Velth*), dass die zu­rückgebliebenen Spuren der periodischen Augenentzündung, wenn diese wirklich vorhergegangen ist, oder ein wiederholter Anfall dieses Uebels selbst, binnen der gesetzlichen Gewährszeit von drelssig Tagen nicht zur Erkenntniss des übervortheilten Käufers kommen sollten.
sect;. 404.
Die intermittirende Augenentzündung hält gewöhnlich nach Einwirkung einiger oder mehrer der obigen Krankheitsanlässe fol­genden Symptomengang ein:
Erster Grad. Es zeigt sich anfänglich eine leichte Röthe der Bindehaut, geringe Geschwulst der Augenlidränder und einige Trübe auf der Hornhaut, nebst Lichtscheue und vermehrtem Thrä-nen; nach zwei bis drei Tagen bildet sich bei günstiger Pflege die Taraxis zurück, jedoch verbleibt noch die Hornhaut getrübt und das Bindehautblättchen etwas injicirt; gegen den siebenten Tag schreitet die Besserung immer weiter vor und es wird die Hornhaut beinahe völlig klar, bis sie unter milder und kritischer Schleimab­sonderung, sich gänzlich aufhellt und das Auge wieder vollständig gresund erscheint.
Zweiter Grad. Nicht immer ist der Anfall so leicht, wie der des ersten Grades und A'erfällt sogleich in den zweiten Grad. Dann verdunkelt sich am zweiten oder dritten Tage nach dem Ein­tritte der ersten entzündlichen Erscheinungen, die vordere Augen­kammer; in der wässrigen Feuchtigkeit schwimmen Aveissliche, ei-weissartige Flocken, die von den aushauchenden Gefässen abge­sondert werden, sich nach unten senken, und sich allmälig zu einer mehr oder weniger grossen Masse vereinigen. Zu gleicher Zeit werden in der Hornhaut zahlreiche, mit Blut erfüllte Gefässe deut­lich sichtbar. Die Bindehaut ist bläulich roth gefärbt, die Pupille zusammengezogen und die Einwirkung des Lichtes anfangs schmerz­haft. Die Ansammlung der ausgeschwitzten Masse vermehrt sich deutlich und steigt manchmal bis zur Pupille hinauf. Wenn die Krankheit nun so weit gekommen ist, was am vierten bis achten Tage nach dem Eintritte, bisweilen auch später geschieht, so erhält sie sich lange Zeit stationär und zwar um so länger, je mehr das Thier Krankheitseinflüssen hingegeben oder das Uebel nur der Natur überlassen ist. Endlich vermindert sich die Ansammlung, die Augenlider öffnen und runzeln sich, die noch immer geröthete
*) a. a. O. S. 248.
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Bindehaut wird schlaff, die Carunkel schwillt auf, der Thränenfluss, der immer, so lange der Anfall noch wächst, vorhanden ist, lässt merklich nach; die Hornhaut hellt sich auf, aber es schwinden nicht die Stockungen in den Gefässen an ihrem Umkreise und das Licht macht keine Schmerzen mehr. Vier bis sieben Tage, nachdem sich die Ansammlung gebildet hat, bleiben nur noch einige sehr ge­ringe Spuren von ihr zurück. Der Theil der Iris, welcher mit ihr in Berührung war, erhält eine röthliche und bräunlich gelbe Farbe; die Hornhaut bleibt mehr oder weniger verdunkelt und meistens verkleinert sich ein Auge oder auch beide. Sehr selten finden sich zwei Hypopya zugleich bei einem Thiere; gewöhnlich bildet sich das auf dem andern Auge erst dann aus, wenn das zuerst entstan­dene beinahe ganz vergangen ist. Ebenso ist es im Allgemeinen mit den Entzündungsanfällen; meistens leidet das eine Auge nach dem andern, auch vergeht immer eine längere oder kürzere Zeit zwischen diesem Wechsel, manchmal acht, vierzehn Tage, ein, zwei Monate, ein halbes Jahr u. s. w. Namentlich ist dies der Fall, wenn die Mondblindheit auf einem Constitutionsfehler, oder auf atmosphärischen Ursachen, die auf beide Augen zugleich wir­ken, beruht; ausserdem wird jenes Auge vorzugsweise allein befal­len, welches schon früher am meisten gelitten hatte.
Dritter Grrad. quot;Wirkt eine Gelegenheitsursache sehr ein­dringlich auf das Auge, welches schon Anfälle der Mondblindheit überstanden hat, oder ist der zweite Grad unter ungünstigen Ver­hältnissen sich selbst überlassen geblieben, oder hat derselbe bei un-zweckmässiger Behandlung lange angedauert und haben lymphatische Constitution, allgemeine Schwäche oder Vollblütigkeit den Zustand übel gestaltet, so gesellen sich am dritten oder vierten Tage nach Eintritt der Krankheit, zur heftigen Entzündung der Bindehaut, An­schwellungen aller gefässreichen Theile im Innern des Auges hinzu, tritt das Blut sogar aus seinen natürlichen Grenzen heraus und trübt die wässrige Feuchtigkeit, die nun blutig wird. Dabei leidet das Thier sehr, bei dem geringsten Geräusche sucht es dem Gegen­stande, auf welchen es zu stossen glaubt, auszuweichen und das Auge wird in den Grund seiner Höhle zurückgezogen. Nach vier oder fünf Tagen verschwindet gewöhnlich die blutige Ergiessung und es erscheint statt ihrer, eine Ansammlung eines eiter- und ei-weissartigen Gemisches, welche aus dem Blute entstanden ist, was wahrscheinlich nicht in seinem natürlichen Zustande wieder aufce-sogen, sondern in die genannte Mischung verändert wird. Ist die Ansammlung nicht zu gross, so wird sie aufgesogen und man kann dies durch tonische und reizende Mittel befördern oder es kommt im ungünstigen Falle früher oder später zu Desorganisationen ver-l
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schiedener Art, zur Atrophie und selbst zur Colliquation des gan­zen Bulbus *).
sect;. 405.
Die Behandlung der intermittirenden Augenentzündung ist im Allgemeinen eine entzündungswidrige, jedoch modificirt nach den verschiedenen Graden und Zeiträumen des Uebels.
Beim ersten Grade bedient man sich anfänglich mit zurei­chendem Erfolge, örtlicher Waschungen aus einem aromatischen und gelind reizenden Wasser und beseitigt später die beginnende Hypervegetation der äusseren Gebilde, sowie den etwa gestörten Rückfluss des Blutes vom Kopfe und vorhandene gastrische Un-reinigkeiten durch ableitende und endeerende Mittel; zu welchem Endzwecke man sich statt der, bei activen Entzündungen gewöhn­lichen Salze, des ausleerenden, gewürzhaften, die Venosität der Hinterleibsgefässe bethätigenden Aloeextractes — bei einem er­wachsenen Pferde zu zwei Loth oder nach der Vorschrift von Dietrichs unter dem Zusätze von versüsstem Quecksilber**) — bedient und dabei nach gebrochener^ erster entzündlichen Span­nung und Eintritt vermehrter Secretion, statt der kalten Umscldägc verschlagene Waschungen und selbst Bähungen instituirt, im Uebrigen aber, auf vermehrte Hautthätigkeit bedacht ist und dieselbe mittelst wärmeren Verhaltens und Application von Hautreizen zu effectuiren sucht. — Zurückbleibende Schwäche des Sehorganes, sowie auf mangelnder Cohäsion beruhende Expansion und Verdun­kelung sey man bemüht, mittelst aromatischer Wässer und geistiger Zusätze, z. B. des Brantweins oder Laudanums zu heben.
Der zweite Grad der intermittirenden Ophthalmien erfordert) dagegen schon eine kräftigere Antiphlogose. So lange noch starker Andrang des arteriellen und gestörter Bückfluss des venösen Blu­tes nach und von dem Kopfe vorhanden ist, sind reichliche Ader­lässe am Schweife, Halse oder an einer vorderen Extremität zu machen, desgleichen die örtliche Application von Blutegeln ange­zeigt und anfänglich kalte, später warme, erweichende, schmerz­stillende Umschläge und Waschungen, bis der unerträgliche Beiz vollkommen entfernt ist, zu Hülfe zu nehmen. Hat sich ein Hypo-
*) Leblanc a. a. O.
**) Soccotrinisch Aloepulver 6 bis 8 Drachmen, Mildes salzsaures Quecksil­ber ll/2 bis 2 Drachmen, Weisse Seife so viel als nothig ist, eine Pille zu ver­fertigen. Zeichne: Auf einmal des Morgens zu geben.
Man gebe dem Pferde des Tages vorher nur Kleie und dergl. als Futter und lasse dasselbe Tages darauf kleine Bewegungen machen.
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pyum gebildet oder ist es im Entstehen, so zieht man ein Haarseil oder legt zwei Fontanellen am Hinterkiefer oder hinter die Ohren, bringt solche durch reizende Salben in schnellen Eiterfluss und unterstützt diese künstliche Secretion und Ableitung noch durch den Gebrauch von auflösend - abführenden Mitteln. Ist die Ei-tcransainmlung in der Augenkammer zu gross, um auf diesem Wege völlig zur Aufsaugung gebracht werden zu können, so sticht man in den untern Theil der Hornhaut eine Lancette ein, mit der Vorsicht, den Schnitt schräg zu machen, damit Vorfälle vermieden werden können, und entleere auf diese Weise das Exsudat.
Godinc glaubt, dass nach jedem Anfalle etwas von der eite­rigen Materie (Satz) in der wässrigen Feuchtigkeit zurückbleibe, als Reiz wirke und die Wiederkehr des Anfalles veranlasse; er empfiehlt deshalb, am vierten Tage die Cornea anzustechen und den krankhaften Humor aqueus ausfliessen zu lassen.
Die ophthahnitischen Erscheinungen des dritten Grades in ihrer ersten Periode, als theilweise auf activer, exsudativor Entzün­dung, andern Theiles, als auf Mangel an Contractions vermögen und gesunkener Vitalität beruhend, indiciren ein durchgreifenderes Heilverfahren. Bei strenger Antiphlogose durch kräftige, allge­meine Blutentziehungen an entfernteren Körperstellen und reich­liche örtliche, in dem Umfange des Auges, nach H. Amand zu 50 Stück Blutegel auf ein Mal angewendet, instituirt, sey man ganz besonders bedacht, dahin zu wirken, den ßeizzustand durch Anta­gonismus und Eevulsion herabzusetzen, wie auch zugleich die Co-häsion in den erschlafften Blutgefässen und aufgetriebenen Häuten durch Anwendung adstringirender, aus serer Mittel zu heben und sohin activen und passiven Ergüssen in den Augenkammern sowohl, als Obliterationen und Auflockerungen der Häute entgegen zu treten.
Das Heilverfahren in der zweiten Periode dieses Grades ist dahin zu richten, die gesunkene Thätigkeit der Aufsaugung, Behufs der Entfernung eines serösen, sanguinolenten oder purulenten Ex­sudates wieder aufzurichten oder das letztere operativ, auf die oben erwähnte Weise, oder bei sehr flüssiger Beschaffenheit desselben, besser durch die einfache Function der Hornhaut zu entfernen und mittelst allgemein und örtlich belebender Mittel dessen Wiederbil­dung zu begegnen. Zu welchem Endzwecke wir die innere An­wendimg des Camphers, allein oder in Verbindung mit einem anti-phlogistischen Salze oder mit dem versüssten Quecksilber, sowie dessen äusseren Gebrauch als Einreibung, zugleich mit der grauen Salbe glauben empfehlen zu dürfen.
Etwaige dyskrasischfe Complicationcn, in so fern sie im Connex
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mit dem Augenleiden stehen, oder durch Metastase zu dessen Ent­stehung beigetragen haben, sind, sowie die Fusswässer, einer ganz besondern Berücksichtigung zu unterwerfen.
Bleibt grosse Erschlaffung nach verlaufener Entzündung zu­rück, werden die Augenlider welk, schwillt die Bindehaut auf und runzelt sie sich, wird der Nagel wassersüchtig und die Carunkel hypertrophisch, so bringt man, ausser Bähungen von kaltem Wasser und Brantwein oder Campherspiritus, das durch Brennglas ge­sammelte Licht, oder die verschiedenen Grade des Brennens zur directen Anwendung.
sect;. 406. „Wenn sich durch immer wiederkehrende Anfällequot;, sagt Leblanc, „das eine oder auch beide Augen verkleinern und man durch An­wendung der zweckdienlichen Mittel während der freien Perioden, keine Besserung bewerkstelligen kann, vielmehr gänzlichen Verlust des Gesichtes auf beiden Augen befürchten muss, so bleibt nichts übrig, als das eine Auge aufzuopfern, um das andere zu erhalten. Dieses Verfahren erscheint grausam aber ist meistens von gutem Erfolge. Theorie und Erfahrung empfehlen es gleichzeitig. Soll aber dieses Mittel glücken, so darf das am wenigsten kranke Auge nicht etwa der Sitz einer organischen Verletzung seyn, die an und für sich unheilbar ist; wenn z. B. beide Augen an Glaukomen, Nebelflecken, ausgebildetem schwarzem Staare u. s. w. leiden, so kann die Zerstörung des einen Auges zur Erhaltung des andern nichts beitragen. Nur dann, wenn man es blos mit einer Anlage zu dem Uebel oder mit einer einfachen Störung in den Verrichtun­gen zu thun hat, die von mangelhafter oder zu starker Ernährung des, ihnen zum Werkzeuge dienenden Organes herrühren, nur dann kann man zu diesem Mittel schreiten.quot;
„Wenn also ein Thier wiederholte Anfälle wechselsweise auf beiden Augen ausgestanden hat, wenn alle andern Mittel fehlge­schlagen sind, wenn das zur Erhaltung bestimmte Auge blos ver­dunkelt und geschwächt, die Iris aber noch empfindlich ist, über­haupt wenn das Thier noch mit diesem Auge sieht, so opfert man das kränkste andere auf, das nämlich, welches sich am meisten verkleinert und die eingreifendsten Störungen erlitten hat. Oft ist es aber nicht leicht zu bestimmen, welches das kräftigste sey. So kann z. B. ein Auge amaurotisch geworden seyn und dabei ganz hell aussehen, während das andere vielleicht trübe, schieferfarbig aussieht.quot;
Zur absichtlichen Blendimg oder Ausrottung eines Auges gibt es verschiedene Mittel: meistens entleert man das Auge durch einen Schnitt mit dem Bistouri; Leblanc dagegen zieht den Gebrauch
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leichter Aetzmittel vor, die freilich schmerzhafter sind, dafür aber keine Entstellung zurücklassen. Hierzu diente ihm das mehrmalige Einblasen von calcinirtem Alaun oder das Einbringen von Salmiak­spiritus oder ätzendem Kali; Avir möchten das Einblasen des schwe­felsauren Zinkes hierfür empfehlen. Es entwickelt sich nach den gegebenen Beobachtungen, auf den Gebrauch dieser Mittel sogleich eine heftige Entzündung, die sich meistens mit Blindheit endigt oder es entsteht eine Lähmung des Sehnerven, Glaukom, Kataracte, Nebelflecke, ja selbst Leukome, wenn die Aetzmittel breite und tiefe Wunden verursacht hatten.
Während man sich nun aber bemüht, ein Auge zu zerstören, muss man alle mögliche Mittel in Thätigkeit setzen, das andere zu stärken (Leblanc).
XIII. Von der Ansammlung des Eiters im Auge.
sect;. 407. Eiterauge, Hypopyon, Empyesis, nennt man die Ansamm­lung von Eiter oder puriformer Flüssigkeit in den beiden Augen­kammern. Sie ist das Product einer entzündlichen Thätigkeit der serösen Parthieen der Augenkammern, der Iris oder Hornhaut und unterscheidet sich nach ihrer Qualität und nach ihrem Ursprünge als unäelite oder ächte, auch wird sie nach ihrer Oertlichkeit ent­weder zum Hyopyon oder zur Empyesis.
sect;. 408. Angehend die Qualität der angesammelten Flüssigkeit, so ist diese bald lymphatisch, bald rein eiterig, je nachdem sie entweder durch Ausschwitzung von den serösen Umkleidungen der Augenkammern oder durch Abscessbildung in dem Parenchym der Iris oder Cornea entstanden ist, und heisst im ersten Falle unächt, im zweiten acht. — In Betracht der Oertlichkeit ihres Sitzes, entweder in der vorderen oder in der hinteren Augenkammer, nannte sie Mauchart „Hypo­pyon oder Empyesis oculi;quot; dagegen unterscheidet Leblanc die lymphatische Exsudation als Hypopyon, die eigentlich eiterige da­gegen, als Empyem.
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sect;. 409.
In Ansehung der Bildung des Eiters sind folgende Erschei­nungen bemerkenswerth.
Primär geschieht jene unter Symptomen der Taraxis, grosser Lichtscheue, Thränenfluss und augenblicklicher Trübung der wäss-rigen Feuchtigkeit, so wie der inneren Hornhautlamellc.
Nach vorausgegangener Entzündung des serösen äusseren Blat­tes der Iris oder des ganzen serösen Ueberzuges beider Augenkam­mern , bei Entfärbung der Iris, Verziehung der Pupille, Trübung des serösen inneren Blattes der Hornhaut und anderen Veränderun­gen geschieht seeundär die Bildung einer eiterig-lymphatischen Secretion von der entzündeten Oberfläche der Iris oder der ganzen serösen Ausbreitung der entzündeten inneren Bindehaut und sam­melt sich, je nacli der Lage des secernirenden Theiles, in der vor­deren Augcnkammer allein, oder auch, aber seltener, nur in der hinteren Augenkammer allein, oder in beiden zugleich. Das Ab-sonderungsproduet ist eine weissgelbliche, bisweilen etwas blutige Flüssigkeit, welche in der wässrigen Feuchtigkeit in Gestalt von Flocken oder Ideinen dicken Wolken schwimmen bleibt, sich aber nach kürzerer oder längerer Zeit vereinigt und zu Boden fällt, dort zu einer schmutzigen, weissgelben Zusammenhäufung gerinnt, die mit röthlichen Streifen bedeckt ist, und an der Grundfläche der Hornhaut die Form eines halben Mondes einnimmt, welcher um so grosser wird, je bedeutender die Menge der abgesonderten Flüssig­keit ist. — Nebstdem beobachtet man auch diese Form periodisch und metastatisch.
Gierl*) gibt an, class wenn Eiter durch entzündliche Affection der hintern Fläche der Hornhaut entstanden, auch nur ein Paar Tage in der vordem Au-genkammer bestanden habe, sich an der untern Augenhälfte, auf dem obern coneaven Kande der Sclerotica, wo sie mit der Cornea verbunden ist, vertical aufsteigende Gefässe erheben, die theils ihr selbst, theils der Conjunctiva ange­hören und über den untern Kand der Cornea in die Höhe steigen, jedoch nicht weiter, als bis etwas über den untern Eand des Eiters sich ausdehnen, mit der Zunahme des Eiters sich erweitern und höher erheben und eben so wieder sich vermindern und ganz verschwinden, je nachdem der Eiter entleert oder resor-birt wird. Chelius hat diese Beobachtung beinahe in allen Fällen von Hyopyon, als Folge entzündlicher Affection beim Menschenauge vollkommen bestätigt gefunden.
sect;. 410. Diese widernatürliche Absonderimg zeigt sich kürzere oder längere Zeit nach Anfang der Entzündung. Nicht selten sieht man zwanzig oder vierundzwanzig Stunden darauf die Thiere blind wer-
*) Gierl, das Hyopyum oder Eiterauge und seine Behandlung, vorzüglich durch die künstliche Entleerung des Eiters. Augsburg, 1825.
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den; gewöhnlich aber erscheinen die trüben Flocken oderHypopya viel später, vier, flinf, sechs, sieben oder acht Tage nach Anfang der inneren Ophthalmie. Nachdem das Hypopyuin seinen höchsten Grad von Wachsthum erreicht hat, wo es bisweilen einen Theil der Pupille ausfüllt, bleibt es, wenn seine Ursache beseitigt ist, stillstehen und verschwindet bald darauf durch die Aufsausrune. Die aushauchenden Gefässe, welche ihre alte Thätijrkeit wieder er-langt haben, sondern von neuem eine klare Flüssigkeit ab (Leblanc).
sect;• 411.
Diese Flüssigkeitsabsonderung imd Anhäufung kann in einem oder in beiden Augen vorkommen, in welchem Falle jedoch jene auf dem einen Auge immer beträchtlicher ist, als auf dem andern. Sie ist völlig resorbirbar, oft durch Naturthätigkcit allein, und es sind die etwa damit sich verbindenden Übeln Zustände lediglich von der Fortdauer der Entzündimg oder von obwaltendem eigenthümli-chem Zustande der benachbarten Theile abhängig. — Auf der, von der Flüssigkeit berührten Fläche zeigt die Regenbogenhaut stets eine leichte Färbung, welche erst nach mehreren Wochen verschwin­det und sogar oft für immer zugegen bleibt (Leblanc).
sect;. 412.
Ist durch Berstung eines Hornhautabsccsses nach innen, der
I nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Eiter in die vordere Augenkammer gedrungen, so verbleibt noch
eine Trübung in der Hornhaut und an der Stelle, avo sich der Abs­cess nach innen geöffnet hat, als ein weisslicher Streifen an der inneren Fläche der Hornhaut sichtbar.
So lange der Eiter noch in seiner Hülle eingeschlossen ist, und derselbe im unteren Theile der Hornhaut seinen Sitz hat, kann er leicht für wirklichen Eitererguss angesehen werden, wenn man nicht folgende unterscheidende Merkmale berücksichtigt. Im ersten Falle ist derselbe meist nach oben gewölbt, im zweiten hat er eine horizontale Fläche; im ersten Falle verändert derselbe bei Bewe­gungen des Kopfes seine Lage nicht, wie im zweiten, und gibt zu­gleich der Hornhaut einen grössern Vorsprung.
Condensirt sich der Eiter in der Augenkammer, so erkennt man dies aus der veränderten Lage, welche die angehäufte Masse annimmt, wenn der Kopf in eine seitliche Lage versetzt wird, wo sich allmälig der gelbe Streifen gegen die Seite hin verliert und nach Aufhebung dieser Stellung der Eiter nur langsam nach ab­wärts in seine vorige Stellung zurücktritt. Diese Veränderung ist dem unächten Eiterauge eigenthümlicher, als dem ächten, da der­selbe nur dann eine dichtere Beschaffenheit annimmt, wenn dessen Masse zu gross ist, um von der wässrigen Feuchtigkeit verdünnt
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Dynamische Krankheiten dos Augos.
werden zu können, oder aber, wenn die serösen Häute ihre seröse Eigenschaft verloren haben.
sect;• 414.
Wird die Eiteransammlungimmer bedeutender, so erreicht sie nach und nach unter Steigerung der Schmerzen den unteren Rand der Pupille und setzt sich mit der gleichzeitig begonnenen Ansamm­lung des Eiters in der hinteren Augenkammer in Verbindung.
Dieser Zeitpunkt des Eiterauges ist es nun, wo auch — durch die Zunahme der Entzündung sowohl, wie durch den mechanischen Heiz der Berührung des Eiters — die hintere Oberfläche der Horn­haut, anfangs nur oberflächlich, später stärker und tiefer zu exul-ceriren anfängt, und das Platzen des Auges vorbereitet wird.
sect;. 415.
Die Anhäufung der Eitermasse steigt nun über die Hälfte der vorderen Augenkammer, verdeckt zuletzt die ganze Pupille, und nun ist der Zeitpunkt vorhanden, wo, unter Zunahme der Entzün­dung, der Exulccration der Hornhaut, die letztere, und zwar ge­wöhnlich in ihrem Mittelpunkte durchbohrt, die entstandene Oeff-nung unter Einwirkung der sich vordrängenden Flüssigkeiten er­weitert wird, und nun die Erscheinung eintritt, die uns unter dem Namen des Platzens des Auges (Rhexis oculi) bekannt ist. Es entleert sich nun der mit der wässrigen Feuchtigkeit vermischte Eiter; die Kapsel der vorgedrängten Linse platzt; die Linse selbst tritt stückweise aus dem Auge und meist folgt nun auch ein TheU des Glaskörpers. Mit dem Beginnen der Entleerung des Auges nehmen die Schmerzen und Entzündungszufälle augenblicklich ab, die Wunde schliesst sich später; die Pupillenränder verwachsen mit der dichten, breiten und grossen Narbe, die die Mitte der Horn­haut deckt, und Atrophie des Auges erfolgt fast unmittelbar darauf. Andere organische Fehler der Hornhaut sehen wir nur dann nach diesem Ausgange eintreten, wenn die Hornhaut durch die Eiterimg mehr oder minder vollständig zerstört worden ist, wo dann die Sta-phylome, Hornhautbrüche, Rhytidosis und Vorfälle der Cornea nach den verschiedenen Graden der Verderbniss in derselben sich mehr oder minder gleichzeitig entwickeln. Dieser Fall tritt beson­ders dann ein, wenn eine bedeutende Verwundung der Hornhaut zur Entstehung der Iritis Gelegenheit gegeben hatte.
Allein nicht immer nimmt das Siterauge diesen vollständig un-günstigen Ausgang. Bei einer zweckmässigen Behandlung kann der Arzt bisweilen die ganze Eiterabsonderung unterdrücken; die angehäuften Eitertropfen werden aufgesogen und nur die festern Ausschwitzungen der Iris, wenn sie gleichzeitig entstanden waren, bleiben zurück. Oder das Hypopyum war bis zu einem stärkern
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Dynamische Rrankhoiten des Auges.
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Grade angewachsen, hatte die Pupille zum Theil oder ganz ver­deckt und — was freilich der seltnere Fall ist — die Entzündunjr wird auch in dieser Zeitperiode insofern unterdrückt, dass die all-malige Aufsaugung des Eiters beginnt. Der Theil derselben, welcher in der vorderen Augenkammer angehäuft war, verliert sich oft sehr schnell. Hingegen die Eitermasse, welche in der Pupille selbst liegt, und sich in die Zellen der hier entstandenen festen Ex­sudationen hineingezogen und dadurch scheinbar eine gewisse Fe­stigkeit erlangt hatte, verschwindet viel später und bleibt oft als ein gelbes Concrement in der Pupille zurück, wo der Arzt sich bei übrigens unverdorbenem Zustande des Auges bisweilen zur künst­lichen Pupillenbildung gezwungen sieht*).
sect;. 416.
Der Eitererguss wird häufig durch dieselben Ursachen, wie die Secretion der lymphatischen Feuchtigkeit herbeigeführt, nur sind sie dann gewöhnlich heftiger und die secernirte Materie der ergos­senen nicht ähnlich, sondern aus Blut oder einer damit sehr erfüllten Flüssigkeit bestehend. Er ist fast stets Folge heftiger Quetschun­gen oder tiefer Wunden, nach welchen Blut in das Auge ergossen wurde.
Beim Rinde und Schafe verbindet sich das Eiterauge mit Brand, der unvermeidlichen Folge der fortwährenden starken Zusammen­drückung, zu welcher die geringere Elasticität der Sclerotica dieser Augen Veranlassung gibt.
Diese Krankheit kommt bei sämmtlichen Hausthieren vor, sehr gewöhnlich ist sie bei den Schafen in Folge der Pocken (Leblanc).
sect;; 417.
Das Eiterauge ist immer ein bedeutendes Leiden und in vielen Fällen ist selbst die zweckmässigste Behandlung nicht im Stande, üblen Ausgängen vorzubeugen. — Die Prognose richtet sich vor­züglich nach der Quelle und Menge des Eiters und nach den con-stitutionellen Verhältnissen des Kranken. Bei Eiteransammlungen in der vorderen Augenkammer, welche durch Affection der Cornea ihren Ursprung nehmen, ist die Prognose günstiger, als wenn Entzündung der Iris dieselbe veranlasst hat. — Ansammlung in beiden Kammern ist immer am schlimmsten. — Das Eiterauge als Folge traumatischer Entzündungen gestattet eine günstigere Pro­gnose, als wenn Dyskrasien im Spiele sind, weil hier das Hypo-pyum gewöhnlich die Folge einer Affection der Hornhaut ist. Je geringer die Menge des Eiters ist, um so leichter kann er durch Resorption entfernt werden; bei bedeutender Ansammlung ist dies
*) Benedict a. a. O. Bd. 1. S. 391 u. ff.
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20inbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Dynnmisolic Kranklieiten des Auges.
weniger leiciit möglieh und meistens bleiben Trübungen der Horn-liaut, Verschliessung der Pupille u. s. w. zurüek. — Besteht die Eiteransaminlung in beiden Kammern, als Folge einer ausgebrei­teten inneren Entzündung des Auges, so ist an Erhaltung des Seh­vermögens nicht mehr zu denken und in der Kegel selbst die Form des Auges nicht zu retten *).
sect;. 418. Die Behandlung des Hypopyons muss sieh auf die doppelte Indication gründen, die Erzeugung des Eiters aufzuheben — und denselben aus dem Auge zu entfernen. — Die Erfüllung der ersten Indication richtet sich nach dem Grade und dem Charakter der Entzündung und den constitutionellen Verhältnissen des Kranken. Daher allgemeine und örtliche Antif)hlogose, Ableitungen auf Darm und äussere Haut, Beförderung der Absonderung in der Haut, den Drüsen und dem Zellgewebe durch diaphoretisches Verhalten, Ca­lomel , Einreibungen der grauen Quecksilbersalbe in die Umgegend des Auges, Fontanellen in die Ohrengrube oder Haarseile an die Hinterkiefergegend. Ist der höhere Entzündungsgrad gebrochen, der Kesorptionsprocess jedoch noch nicht gehörig diätig, um die Erfüllung der ersten Indication zu bewirken, so ist der innerliche Furtgebrauch des Calomels oder statt dessen, wenn seine Neben­wirkungen excessiv werden und die Stimmung der Constitution be­drohen, jener der Senega in grossen Gaben mit Weinstein und die ununterbrochene Anwendung flüchtiger Hautreize, angezeigt und heilbringend, so wie jene der Belladonna dann noch geboten wird, sobald starke Verengerimg der Pupille und die Gefahr deren Ver­wachsung vorhanden ist. Besteht dagegen ein mehr passiver als activer Zustand der Entzündung, sowie der Stimmung des ganzen Organismus, und ist in Folge dessen oder anderer kachektischer oder dyskrasischer Verhältnisse, eiterige Collirpiation bedrohlich, so ist der Gebrauch roborirender Mittel mit flüchtigen, die Lebens-thütigkeiten belebenden Mitteln indicirt. — Specielle örtliche Com-piieationen müssen eine sachgemässige Würdigung finden, wobei jedoch feuchte Fomentationen gänzlich vermieden werden müssen, das kranke Auge blos mit trockenen Compressen zu bedecken ist, und Opiumtinctur nur für den Fall drohender Ulceration der Horn­haut mit torpidem Charakter, adhibirt werden darf. — Ist das Atigenübel der Reflex allgemeiner Krankheitszustände oder steht es mit Eücktritt normaler Thätigkeiten oder impetiginöser Affec-tionen im Causalverhältnisse, so ist dieser Zustand zuvor, und in bedrohlichen Fällen gleichzeitig mit der Antiphlogose, specieller
1
*) Chclius a. a. O. Bd. I. sect;. 41 ü.
,
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;20E*
Würdigung zu unterziehen. Bei welcher, geleiteten Behandlung,
Aufsaugung des Eiters bewirkt und dessen Wiederbildung häufig
vermieden wird.
sect;. 419.
Wenn auf diese Behandlungsweise eine Beschränkung der Ei-tersecretion nicht gelingt oder die Masse des Eiters nicht zur Aufsau­gung gebracht werden kann, und sonach bei Zimahme jener, die Span­nung der Wände der Augenkamraern sich immer mehrt, auf's höchste steigt, diese zu sprengen droht oder auch durch ihre be­sonderen Eigenschaften reizt, ätzt, zur erneuerten Entzündung und Verschwärung fuhrt, so liegt der Grund fur den ersten Fall im Fortbestande der Entzündung und im gestörten Aufsaugungsver­mögen zugleich, bei gleichzeitig vermehrter Absonderung der wäss-rigen Feuchtigkeit; für den zweiten Fall ist entweder das Secre-tionsproduet seiner Consistenz wegen, unauflösbar, oder es liegt die Vitalität des Auges zu sehr darnieder oder aber, es ist das Leiden nicht mehr rein local, sondern die Mischung in der Vege­tation durch dyskrasische Verhältnisse ahenirt.
Diese letzteren Umstände geben die näheren Indicationcn zu einem anderweitigen Heilverfahren, der Erfüllung der zweiten Heil-indication.
In Berücksichtigung des erstem Grundes schlagen wir bei lym­phatischer Secretion, wie bei purulentem Ergüsse, zur Beseitigung der Entzündung die künstliche Reduction der wässrigen Feuchtig­keit mittelst der Function der Hornhaut in ihrem mittleren Theile, vor. Durch welche Operation die Spannung des Auges augenblick­lich vermindert und somit die paralysirte Resorptionsthätigkeit wie­der freigegeben und bei der, in der Mitte der Hornhaut vorgenom­menen Function nicht der sämmtliche Inhalt, der Augenkammern entleert wird, sohin zum Vorfalle der Regenbogenhaut, Linse U. s. w. nicht Anlass gegeben ist. Diese Operation kann ohne Nachtheil mehrmalige Wiederholung finden, auch vermag man mit­telst öfterem Einfuhren einer Fischbeinsonde die PunctionsöfFnunsr für kurze Zeit offen zu halten.
Für den zweiten Fall aber, wo das Secretionsproduct die Au­genkammern sehr ausdehnt oder allzu consistent ist oder die Vi­talität des Auges zu tief gesunken ist, um eine Aufsaugung zu efFectuiren und durch längeres Verweilen des Eiters in der Augen­kammer irgend grosser Nachtheil erwachsen dürfte, ist die Eröff­nung der Horöhaut um so dringender geboten, als sonst die etwaigen nachtheiligen Folgen dieser Operation, vielmehr noch auf eine, durch Ulceration oder Rhexis bewirkte, Entleerung eintreten.
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206nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
sect;. 420.
Die Eröffnung der Hornhaut geschieht auf verschiedene Art: durch Incision und Excision der Hornhaut. — Die Incision verrichtet man mit einer Lancette, besser aber mit einem Bistouri oder Staarmesser, indem man ein solches in den unteren Theil der Hornhaut gegen ihren Rand hin einsticht, beim Ausziehen des In­strumentes die OefFnung erweitert und zuletzt dieses so #9632;wendet, dass die Ränder der Wunde etwas von einander entfernt werden, damit der Eiter freier austreten könne. Diese Operationsweise ge­währt den Vorzug, dass bei ihr ein Vorfall der Regenbogenhaut leichter vermieden werden kann, als bei jener, nach der bisherigen Weise durch Excision eines Hornhautstückes verrichteten, zugleich aber auch letzterer dadurch nachsteht, dass sie den Flüssigkeiten, welche auslaufen sollen, nur während einer sehr kurzen Zeit den Ausfluss gestattet, indem sich, ungeachtet mehrmaligen Einführens einer Fischbeinsonde die Wundlefzen oft zu bald verschliessen und dadurch die Bildung einer neuen Ansammlung begünstigen, wie dies Leblanc öfters an Schafen beobachtete, welche in Folge der Pocken an Hypopyum litten. — Die Excision führt man durch einen kreisförmigen Ausschnitt mittelst eines Bistouris aus. Bei dieser Operation gelingt wegen Unruhe des Thieres selten ein gleich-formiger Ausschnitt, die Wundflächen werden meist uneben und ein Vorfall der Iris bleibt, ob der starken Wirkung des musculus retractor nie aus, weshalb diese Operationsweise vor einer, durch Exulceratiori zu Stande gekommenen Eröffnung, nur die frühzeitige Befreiung des Thieres von seinem heftigen Schmerze, vielleicht auch eine geringere Zerstörung der inneren Gebilde, deren Hervor­stürzen jedoch nur selten vermieden werden kann, voraus hat.
In Erwägung der Vortheile und Nachtheile beider Operations­methoden glauben wir uns demnach nur für die Incision entschei­den zu dürfen, da solche gebotenen Falles, ohne weiteren Nach­theil für das Auge, wiederholt werden kann.
Vielleicht würden alle die genannton Nachtheile der Excision dann eher vermieden werden können, wenn man sich zu ihrer Ausführung des von Dr. Steinberg zur Keratoplastik an Thieren empfohlenen, einem Trepan ähnlichen, „cyliuderförmigen Messersquot; *) bediente, indem man durch dieses eine beliebig
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*) S. die angehängten Abbildungen Fig. 12, 13, 14, 15 u. IC. Es ist das­selbe zusammengesetzt:
1) aus einem am Ende geschärften Cylinder, dessen Umfang nach dem Flächendurehmesser der Hornhaut besonders bestimmt seyn muss. In seiner Form und Anwendung hat dieses Instrument einige Aehnlichkeit mit dem Tre-pan, indem es mit seinem geschlossenen Ende an einem Stiele befestigt ist und durch Drehung um seine Axe mit gleichzeitigem Drucke einen stets kreisför­migen Lappen bildet. Fig. 14. Es besteht:
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kleine, kreisförmige, ganz gleichrandige Oeffnung zu Stande zu bringen vermag. Es verspricht dieselbe wegen ihrer möglichen Kleinheit, die Vermeidung eines bedeutenden Vorfalles der inneren Theile, sichert einen freien Äusfluss für be­liebige Zeitdauer, insofern sie nahe an der Verbindung der Cornea mit der Sclerotica 'angebracht ist und ein Eindrängen der Iris in dieselbe vermieden bleibt, und lässt eine gute, wenig deforme Vernarbung erwarten.
sect;. 421.
Nach Eröffnung der Hornhaut lässt man den, in den Augen-kammem angesammelten Eiter von selbst ausfliessen, sowie alle zerstörten Theile der inneren Häute des Auges, welche meist erst einige Tage nach Abgang der Flüssigkeiten auch nachfolgen. Zu­gleich lässt man Waschungen aus Leinsaamen -, Malven - oder Althe-abkochung machen und damit bis zur Verminderung der Entzün­dung fortfahren und das Thier auf eine schwächende Diät setzen, um die Entzündimgsgeschwulst zu massigen (Leblanc). Dabei ATernachlässige man nicht, etwaige Dyskrasien entsprechend zu be­handeln und ein wachsames Augenmerk auf den obwaltenden Kräf-tezustand und den Stand der Reproduction zu richten. Besonders bedacht muss man für die Unterhaltung eines vicariirenden Eiter­flusses in den angebrachten Fontanellen und Haarseilen seyn.
sect;. 422.
Den eingetretenen Brand bekämpft man durch aromatische Umschläge, Aufstreuen adstringirender Pulver, namentlich der China oder mit Auflegen einer verdünnten Chinatinctur, trägt die durch Brand zerstörten Theile ab und cauterisirt dann die Wunden mit Höllenstein. — Dies Verfahren ist man öfter, bei Eindvieh nach erlittenen Quetschwunden durch Hornstösse, Gabelstiche und dergl., so wie bei Schafen nach der Pockenkrankheit einzuhalten, veranlasst.
sect;. 423.
Wenn im spätem Verlaufe der Eiter in der Augenkammer verschwunden ist, Trübungen der Hornhaut #9632;— oder an einzelnen
2)nbsp; aus einem Hinge, an welchem vier Spiesse befestigt sind, die beim Auf­setzen auf die Hornhaut, ihrem Rande näher, als der Cylinder in dieselbe drin­gen und auf diese Weise den Bulbus fixiren. Fig. 15.
3)nbsp; aus einem stumpfen Cylinder, welcher nur zur Befestigung jener beiden Theile dient, indem der Ring mit seinen vier Spiessen auf diesen Cylinder, wie auf einen Finger gestreift wird, und, je nach der Dicke des Hornhaut­durchmessers entweder zurück oder vorgeschoben, und zugleich in jeder Stel­lung durch eine Schraube befestigt werden kann. Eben so, wie die Spiesse ausserhalb befestigt sind, findet das cylinderförmige Messer seine Befestigung an der inneren Fläche und kann ebenfalls durch eine Schraube nach Belieben vor- oder rückwärts gestellt und auch in jeder ihm gegebenen Stellung wieder befestigt werden. Fig. IG.
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208nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
Punkten in der Augenkammer noch einzelne Eiterflocken zurück­bleiben , so wendet man, bei einer entsprechenden allgemeinen Be­handlung , zertheilende Salben von rothein oder weissem Präcipitate oder von lodkaliura an. — Bei Verengerung der Pupille durch fadenartige Exsudationen muss man durch Instillation narkotischer Extracte oder durch den innerlichen Gebrauch von Calomel und Belladonna die Resorption zu steigern und eine stärkere Ausdeh­nung der Pupille zu bewirken suchen.
V
II.
Neurosen.
Von den Neurosen des Auges im Allgemeinen.
sect;. 424.
Die Neurosen sind abnorme Zustände des Auges, in welchen die Aeusserungen der Nerventhätigkeit, durch Verstimmung ihrer Erregbarkeit umgestaltet sind. Sie berühren zunächst die empfin­denden Nervenendigungen, die Netzhaut oder die bewegenden Ner­ven der Iris, der Augenmuskeln oder Augenlider, und werden als Neurosen der Sensibilität oder der Motilität unterschieden, wobei ihre Erregbarkeit zur Entfaltung ihrer Actioncn, dem Zu­stande der Vermehrung, Verminderung oder des gänzlichen Erlöschens unterliegt.
sect;. 425.
Bei den Sensibilitäts-Neurosen charakterisirt sich der Zustand vermehrter Erregbarkeit — Erethismus oculi — durch er­höhte Empfindlichkeit des Auges, Lichtscheue, Thränenfluss; jener der Verminderung der Erregbarkeit — Torpor — durch Herab­setzung des Sehvermögens auf eine niedere Stufe, und jener des gänzlichen Erlöschens der Erregbarkeit — Lähmung, Paralysis —-durch Blindheit.
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Begründet sind diese Zustände in qualitativer oder quantitati­ver Umänderung der Eeceptivität der Netzhaut und des Sehnerven, oder auch der Centraltheile des Nervensystems, dem Gehirne, dem Rückenmarke oder dem Gangliennervensysteme, daher gibt es idiopatische und symptomatische Neurosen.
J. 426. Ursprünglich bedingt sind die Sensibilitäts - Neurosen, durch dynamische, materiell nicht erkennbare Veränderungen in der Or­ganisation oder durch congestiven oder entzündlichen Zustand, worauf früher oder später Veränderungen in der Stmctur der Nerven fol­gen welche nach der Verschiedenartigkeit der zum Grunde liegenden Ursachen in Verkümmerung, Schwinden, Hypertrophie durch Tur-gescenz und Ueberfüllung der Blutgefässe, in Verdickung, Verhär­tung, Exsudationen, Verknöcherung, Erweichung u. s. w. sich aus­sprechen.
sect;• 427. Die Motilitäts-Neurosen beurkunden die erhöhte Thätig-keit der Bewegungsnerven durch tonische und clonische Krämpfe; die verminderte oder erloschene Thätigkeit dagegen, erkennt man aus den verschiedenen Abstufungen der Lähmung. Die ersteren scheinen vorherrschend in der peripherischen Bewegungsnervenpar-thie begründet zu seyn und auf einem, dadurch gesetzten Missver­hältnisse mit dem centralen Theile derselben zu beruhen, in Folge dessen der Willenseinfluss des letzteren auf die erstere gestört oder aufgehoben wird, oder aber, bei vernichteter Leitungsfähigkeit, jede Bewegung immöglich gemacht wird.
sect;. 428. Die occasionellen Veranlassungen zu Neurosen der Motilität sind dieselben, wie jene der Sensibilität, ebenso ist die Störimg eine dynamische, congestive oder entzündliche und sind die Aus­gänge, organische Veränderungen in der Structur der Motilitäts-nerven sowohl, als in den Bewegungsfasern.
sect;. 429. Bei Darstellung der einzelnen Formen der Neurosen des Au­ges hat man besondere Rücksicht auf die Verrichtungen der ent­sprechenden Nervenparthie und auf deren muthmassliches Thätig-keitsverhältniss zu nehmen und man wird sie demnach in folgender Reihe betrachten können:
I. Sensibilitäts-Neurosen, abnormer Zustand der Sen­sation.
1)nbsp; nbsp; Veränderte Sensation durch gesteigertes Nervenleben.
2)nbsp; nbsp; Geschwächte oder vernichtete Sensation durch Sinken der nervösen Stimmung.
Müller, Veterinär-Ophlhalmologie. II.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; i\
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210nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
II. Motilitäts-Neurosen, abnormer Zustand der bewe­genden Thätigkeit.
1)nbsp; nbsp; Steigerung der bewegenden Thätigkeit und dadurch to­nische und clonische Krämpfe.
2)nbsp; nbsp; Verminderung derselben und dadurch paralytischer Zu­stand.
I. Sensibilitäts-Neurosen des Auges.
I. Von der veränderten Sensation durch gesteigertes Nervenleben.
sect;. 430.
Diejenigen Krankheitsformen, welchen eine gesteigerte Reiz­barkeit des Nervensystems zum Grunde liegt, kommen grössten-theils nur symptomatisch vor und sind die Begleiter solcher Krank­heiten des Atiges, welchen eine übermässig gesteigerte Thätigkeit des Vegetationsprocesses zum Grunde liegt, z. B. der Entzündun­gen und Blennorrhöen.
Idiopathisch werden sie seltner beobachtet.
Ihre Prognose theilen sie mit jenen Krankheiten, welche sie begleiten. Ebenso ist ihre Behandlung nur eine mittelbare und die Wahl der dahin gehörigen Mittel wird meist in der Classe der narkotischen Mittel .getroffen.
a) Von der Lichtscheue.
sect;. 431: Die Lichtscheue, Photophobia, veranlasst das erkrankte Thier stets, beschattete und dunkle Orte aufzusuchen; dasselbe kneipt, bei directem Einfallen der Lichtstrahlen in's Auge, die Au­genlider so fest zusammen, dass man unvermögend ist, diese Ge­walt zu überwinden; dabei stürzen Ströme von Thränen periodisch hervor und eine leichte Röthe überzieht den Augapfel.
sect;.432. Ihr Vorkommen ist meist ein symptomatisches und in Beglei­tung von wichtigen Krankheitsformen des Auges, welchen mäch­tige Störungen in der Vegetation des Auges zum Grunde liegen und die mit dem vorwaltenden Charakter des Erethismus auftreten, wie z. B. exanthematische und dyskrasische Krankheiten. Idiopathisch
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;211
tritt sie selten auf, kommt jedoch nach anhaltend und heftig einwir­kendem Lichtreize, sowie nach längerer Lichtentziehung vor.
sect;. 433.
Die Prognose der Lichtscheue richtet sich nach jenen Krank­heiten , deren Symptom sie ist, bei ihrem selbstständigen Auftreten jedoch hängt sie ganz besonders von ihrer Dauer ab: günstig ist sie, wenn diese kurz ist, dagegen minder günstig, ja oft sehr trübe ist sie, wenn die Lichtscheue unter ungünstigen Verhältnissen ver­läuft, wo sie, besonders wenn eine Prädisposition zu Nervenaffec-tionen vorwaltet, sehr hartnäckig wird und in Gesichtsschwäche und Amaurose übergehen kann.
sect;. 434.
Bei Behandlung der Lichtscheue hat man zunächst, wenn sie symptomatisch ist, auf Beseitigung des Hauptleidens hinzuwir­ken oder sobald dieselbe idiopathischen Ursprungs ist, auf den Grad der Beleuchtung Rücksicht zu nehmen, wobei besonders zu beach­ten ist, dass allzu grelles Licht so viel schadet, als zu grosse Dun­kelheit und eine ungleichmässige Beleuchtung am nachtheiligsten ist. Sobald die Lichtscheue noch neu ist, werde das Auge durch eine herabhängende Compresse gegen Luft- und Lichtreiz geschützt, das Thier im Stalle so gestellt, dass das Licht gegen seinen Rücken fällt und das Thier nur bei massiger Helle in's Freie geführt und ihm massige, nicht anstrengende Bewegung gegeben.
Ausserdem sey man bedacht, durch mittelbares Einwirken auf das gesammte Nervensystem, solche Mittel in Anwendung zu brin­gen , welche dessen Reizbarkeit im Allgemeinen herabzusetzen ver­mögen und man bediene sich in dieser Absicht nach Erfordernis s bald schwächender, oder narkotischer und bald stärkender, die Le-bensthätigkeit erhebender Heilmittel.
II. Von der geschwächten oder vernichteten Sensation durch , Sinken der nervösen Stimmung.
sect;. 435. Das charakteristische Symptom aller hierher gehörigen Krank­heiten besteht in verminderter Sehkraft, die übrigen Symptome va-riiren auf eine höchst mannichfaltige Weise, je nach den verschie­denen Ursachen, welche der Krankheit zum Grunde Hegen und nach den verschiedenen Systemen und Gebilden, welche von der­selben ergriffen sind. Ihr Erscheinen ist ein idiopathisches, sym­pathisches und symptomatisches (Jüngken).
sect;. 436. Ihr primäres, idiopathisches Erscheinen ist ursächlich mit allen Störungen und Schädlichkeiten verknüpft, welche direct das Ner-
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212nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Uynaniische Krankheiten des Auges.
vensystem ergreifen; ihr secundäres Auftreten entspringt aus Krank­heiten anderer Systeme, welche sich auch durch Sympathie oder Metastase auf das Nervensystem verbreiten.
sect;. 437. Das Kurverfahren hat vor Allem eine sorgfältige Würdi­gung der ursächlichen Momente zur Aufgabe und bedingt zunächst deren Beseitigung; zurückbleibender Schwächezustand werde erst hierauf durch Anwendung örtlich belebender, die gesunkene Thä-tigkeit des Nervensystems des Auges erhebender Mittel bekämpft.
a) Von der Gesichtsscliwäehe.
sect;. 438. Dieser Zustand spricht sich durch unsicheres Sehen und mat­tes, schwimmendes Ansehen des Auges aus. Das Thier scheint bei schlechter Beleuchtung wenig oder gar nicht zu sehen. — Die veranlassenden Ursachen dieser Erscheinung sind alle jene Krank-heitszustände und schwächenden Einflüsse, welche den Gesammt-organismus oder das Sehorgan treffen können. — Die Behand­lung hat ausser Beseitigung der ursächlichen Momente noch ganz besonders die Erhebung der Lebensthätigkeiten zum Ziele.
A. Von dem schwarzen Staare.
sect;. 439.
Schwarzen Staar, Schönblindheit, Amamquot;osis, Gutta serena, nennt man jenen Zustand des gesammten Sehnervengebildes, bei welchem das Functionsvermögen desselben durch eine namhafte Schwäche oder Lähmung theilweise oder gänzlich aufgehoben ist. Derselbe erscheint in verschiedenen meist bemerkbar in einander übergehenden Abstufungen.
Diese sind: die amaurotische Gesichtsschwächc oder unvollständige Amaurose, amaurosis incompleta und die voll­ständige Amaurose, amaurosis completa.
Bei unvollständiger Amaurose liegt das Sehvermögen in hö­herem Grade darnieder, als bei der einfachen Gesichtsschwäche; bei vollständiger Amaurose ist das Unterscheidungsvermögen von Gegenständen gänzlich geschwunden und das Sehen auf Unterschei­dung von Hell und Dunkel herabgesunken oder selbst auch dieses nicht mehr zugegen, — absolute Blindheit —.
sect;. 440.
Die Erscheinungen, unter welchen sich die verschiedenen Grade der Amaurose entwickeln, sind mannichfaltig und wechseln nach den
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;213
Ursachen und der Eigenthiimlichkeit der Krankheit und des er­krankten Individuums.
Es charakterisirt sich die Amaurose in verschiedenen Theilen des Auges und durch folgende, in häufigem Wechsel und Zunahme begriffene, sich auseinander hervorbildende oder coetan auftretende Kennzeichen:
Zeichen an der Iris. Lebhafter Wechsel zwischen Con­traction und Expansion, verengte Pupille, Lichtscheue, dunkle Färbung der Iris, Verdickung und Turgescenz ihres Gewebes, conisches Hervorgedrängtseyn derselben, dadurch Verkleinerung der vorderen Augenkammer, — erethischer Zustand —; Trägheit in den Bewegungen, geringe Reaction gegen die Abstufungen des Lichtes, endlich gänzliche Unbeweglichkeit, verzogene, eckige, winkelige, erweiterte Pupille, helle Färbung der Iris, Verdünnung, Welkseyn und Schlaffheit ihres Gewebes, Zurückweichen oder Hervorgedrängtwerden des flottirenden Pupillaii-andes — torpider Zustand —.
Zeichen Im Hintergrunde des Auges. Röthlich, gelb-weisse, opalisirende, schimmernde Färbung oder rauchige, grau­liche Trübung, manchmal graugrüne, meergrüne Färbung,
Zeichen an der äusseren Oberfläche. Mit strotzenden, varicösen Gef ässen durchzogene Bindehaut; blendendweisse, manch­mal bläuliche Färbung der Sclerotica; Trübe der Hornhaut, Trocken­heit oder übermässige Nässe der Oberfläche des Auges. Vermin­derte Prallheit des Augapfels, vermehrte Härte und Grosse oder matsches, atrophisches Ansehen desselben. Unstetigkeit in den Bewegungen, Schielen des Augapfels; Blinzeln der Augenlider, krampfhaftes Zusammenziehen oder Lähmung derselben.
sect;.441.
Das Benehmen des auf beiden Augen amaurotischen Thieres ist unruhig, es wirft beständig die Ohren hin und her und beim geringsten Geräusche nach vorn, gleichsam, als wolle es die Ein­drücke , die es durch das Gesicht nicht aufzunehmen vermag, durch das Gehör empfangen; sein Gang ist ungewiss und unbestimmt. Minder sicher sind diese Kennzeichen, wenn nur ein Auge amau-rotisch ist; als wenn beide zugleich von diesem Uebel ergriffen sind. Im ersteren Falle gibt die Beschaffenheit der Iris die ver­lässigeren, aber keineswegs untrügerischen Kennzeichen ab. Bei vollständiger und schon lange bestehender Amaurose beider Augen, ist die äussere Haltung und das Verhalten gegen die Aussenwelt sehr eigenthümlich. Das auf diese Art erblindete Thier geht mit gehobenem Kopfe, weit geöffneten Augen und strauchelndem Schritte. Das amaurotische Auge selbst ist ausdruckslos, matt, abgestorben.
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stier, ohne bestimmte Richtung, manchmal etwas in seine Höhle zurückgezogen und dabei das obere Augenlid in mehrere, von oben, nach dem Bande zu laufende Falten gezogen, so dass häufig der Band desselben einen stumpfen, nach oben gezogenen Winkel in seiner Mitte bildet. Das Temperament des Thieres wird ruhig, die Fresslust bleibt unverändert und die Ernährung des Körpers nimmt zu.
Secirt man ein vom schwarzen Staaro ergriffen gewesenes Auge, so findet man gewöhnlich die Netzhaut etwas geröthet, und von äusserst geringem Zu­sammenhange; der Sehnerv ist nach längerer Dauer der Krankheit kleiner, dünner, aber fester geworden, sein Mark ist gelblich, wachsähnlich (es gleicht beim Durchschneiden einem Stängelchen Phosphor); oft ist auch der Glaskörper verflüssigt und gelblich gefärbt. Die krankhafte Veränderung der Nerven lässt sich manchmal bis zu den Sehhügeln des Gehirns verfolgen *).
sect;. 442.
Zu den ursächlichen Momenten der Amaurose gehört, wie bei der Mondblindheit, eine eigene, auch erbliche Anlage, die sich zum Theil in einem eigenthümlichen Baue des Kopfes und der Au­gen verräth — dicke, fleischige Köpfe, wulstige Augenlider, tief liegende Ideine, oder auch sehr grosse, weit hervorgedrängte Au­gen —; ebenso unterliegen nicht sowohl Thiere dieser Architectur, als auch solche, welche schon wiederholte Anfälle der intermitti-renden Augenentzündung erlitten haben, der Amaurose.
Die Ursachen der verschiedenen vorbeschriebenen und noch zu beschreibenden Grade und Formen von Amaurose sind häufig die­selben und nur in dem Grade der Wirkung verschieden. Leblanc theilt sie in solche, welche nur eine Störung in den Verrichtungen allein — dynamische — oder in dem Gewebe — organische — oder, nach fremder und eigener Erfahrung, in Veränderung der Mischung — dyskrasische — hervorbringen und zweitens in solche, welche durch Zusammendrückung und Hemmung der Fortpflanzung der Beizbarkeit wirken. Hierher gehören für die erste Beihe: Anfälle von periodischer, intermittirender Augenentzündung, die Drehkrank­heit bei Schafen, Vertrocknung, Entartung und Lähmimg der Nerven und der Netzhaut selbst, übermässiger Gebrauch oder zufälliger Genuss narkotischer Substanzen, Unterdrückimg der Hautausdün­stung , Versetzung verschiedener Krankheiten und besonders natür­licher oder gewohnter Ausleerungen oder Hautausschläge; krank­hafte Zustände in den Eingeweiden des Hinterleibes, herbeigeführt durch manche Futterstoffe, insbesondere des frischen Boggens, fri­schen Klee's, frischer Erbsen, Wicken u. dergl., wie auch durch die, in den Hinterleibseingeweiden in grosser Menge angehäuften Würmer; starke Blutflüsse durch die Hodenarterien, consensueller
*) Hering's specielle Pathologie und Therapie. Stuttgart, 1842. S. 520.
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Eeiz durch Unterbindung der Hodennerven u. s. w.; für die zweite Reihe: Exostosen, Knochenfrass, Geschwülste der Beinhaut und der Hirnhäute, Wassersucht der Hirnhäute und Ventrikel, Bluter-giessungen in Theilen, welche sich in der Nähe des Verlaufs der Nerven finden, die Bildung von Afterproducten und Hydatiden.
Auch gibt es äussere örtliche Ursachen dieses Uebels, wozu jede mechanische, quetschende Gewalt gehört, die mit grosser Hef­tigkeit auf das Auge und seine Umgebung eingewirkt haben: Er­schütterung des Augapfels, des Kopfes und seiner Nerven, nament­lich der Fröntal - und Superciliamerven, ja selbst des Rückenmarks, welche unmittelbar und plötzlich eine Art von Lähmungszustand, und gänzliche Blindheit verursachen oder den Blutandrang nach dem Auge vermehren können und die darum auch in gerichtlicher Hin­sicht besonders wichtig sind, weil sie oft zum Anhaltungspunkte dienen, wem die Schuld des kürzlich entstandenen Uebels zuzu­rechnen sey.
sect;' 443-Die Gefährlichkeit des Uebels steht, wie dies gewöhnlich der
Fall ist, mit der Art und Heftigkeit der Ursachen im Verhältnisse und es gründet sich die Prognose:
1) Auf die Natur der Ursache. Ist das Causalmoment in vorübergehender Einwirkung narkotischer Mittel, in unterdrückter Ausdünstung, in einer Versetzung unterdrückter Fusswässer oder verschiedener chronischer Exantheme, in einem beträchtlichen Blut­verluste oder in Saburralreiz aufzufinden, so verschwindet die Krankheit entweder von selbst oder auf Anwendung jener Mittel, welche die Ursache beseitigen. Ist übrigens die Beseitigung des Causalmomentes und Naturheilung unmöglich, oder hängt die Amau-rose von allgemeiner Zerrüttung des Nervensystemea, von krankhaf­ten Veränderungen der Retina oder des Gehirns ab, so ist sie un­heilbar, ebenso bei Druck durch Exostosen, Krebs und andere Ge­schwülste , welche nicht beseitigt werden können. Bei vorhandenen Abscessen verliert sich die Amblyopie oft sogleich nach Eröff­nung derselben, wenn sie nicht zu lange vorhanden gewesen sind; bei Verdickimg der Hirnhäute ist wenig zu hoffen, doch hat man, wenn noch vorhandene Entzündung als Ursache der Verdickung zu vermuthen ist, Grund zu anderen Befürchtungen ausser dem Verluste des Sehvermögens, ebenso bei traumatischen oder spon­tanen Entzündungen des Gehirns, bei Ansammlungen in den Him-höhlen und Parasiten. — Leichter erfolgt im Allgemeinen die Hei­lung bei plötzlich entstandener Amaurose, als bei allmälig aus­gebildeter. Eine bessere Vorhersage kann man stellen, wenn die Amaurose durch Vermittelung des Ciliar - Nervensystems entsteht.
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216nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
als wenn sie ursprünglich von der Retina und den Sehnerven aus­gegangen ist; übrigens gibt die noch vorhandene Beweglichkeit der Iris keinen Anhaltspunkt zu einer besseren Prognose.
2)nbsp; nbsp;Auf den Charakter der Erscheinungen. Erethische Amaurosen sind heilbarer, als torpide; entwickelt sich letztere aus der ersteren, so ist die Prognose ungünstiger, ebenso bei conges-tiven Amaurosen.
3)nbsp; nbsp;Auf den Grrad und die Dauer der Krankheit. Die ausgebildete Amaurose gibt weniger Hoffnung, als die unvollkom­mene, die inveterirte weniger, als die frisch entstandene.
4)nbsp; nbsp;Auf die Complication der Amaurose. Ist sie mit organischen Veränderungen der Chorioidea, mit Augenwassersucht, Staphylomen der Sclerotica, Atrophie des Augapfels und sogenann­ter Auflösung des Glaskörpers verbunden, so ist sie unheilbar. — Dynamische Amaurose des einen Auges verbreitet sich leicht auf das andere, traumatische minder oft. — Die gesunde Constitution des Individuums und der zuvor normale Zustand des Auges sind Umstände, welche einige Hoffnung zur Herstellung des Gesichts gewähren. Geheilte Amaurosen hinterlassen immer Gesichts­schwäche.
sect;. 444.
Der Behandlung ist zunächst die Beseitigimg der Ursachen, in so fern sie zu] ermitteln sind oder noch fortwirken, zur Aufgabe gegeben, und nach deren Entfernung oder falls solche unbekannt bleiben, ist das Heilverfahren nach dem speciellen Charakter der Krankheit, je nachdem ein erethischer, torpider, congestiver oder entzündlicher vorwaltet, besonders einzurichten.
sect;. 445.
Nicht allein Gegenstand ärztlicher Behandlung, sondern auch gerichtlicher Entscheidung wird die Staarblindheit bei Pfer­den; darum auch wird die sichere Erkenntniss dieser Krankheit häufig noch durch Betrügereien erschwert, welche bei incompleter, periodischer oder partieller Amaurose besonders Platz finden kön­nen und dies ohnehin schon, weil die Amaurose gar häufig allein in einem paralytischen Zustande der nervösen Gebilde begründet und von erkennbaren organischen Veränderungen nicht beglei­tet ist.
sect;. 446.
Wenn im Allgemeinen das Verhalten der Pupille ein sicheres Kennzeichen der Amaurose abgeben kann, so ist dieses doch dann oft unverlässig, wenn die Staarblindheit nur auf einem Auge be­steht , da die Bewegungen der Iris des gesunden Auges jener des erblindeten sich mittheilen können, wenn die Amaurose an vorüber-
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gehende Anlässe geknüpft oder endlich wenn dieselbe noch nicht völlig ausgebildet ist und das Auge ohnehin auf einer niedern Stufe der Reizempfänglichkeit steht. Dabei kann auch die Klarheit und Schwärze der Pupille mit deren Beschaffenheit im gesunden Zu­stande ganz übereinstimmen.
Angehend den plumpen, ungeschickten oder furchtsamen Gang des Pferdes, so darf man auch dieses Kennzeichen nicht immer auf Kechnung der Blindheit bringen, da diese Erscheinung so gut von Stumpfheit oder unterdrücktem und geschwächtem Empfindungs­vermögen des Gehirns, als auch von andern Krankheitszuständen abhängig seyn kann, sowie es ebenfalls Pferde gibt, die, ungeachtet ihrer Blindheit, ihre Geschäfte dennoch, gleich völlig sehenden, ver­richten.
sect;• 447.
Bei Beurtheilung und Prüfimg des Zustandes des Auges und Verhaltens der Pupille in Bezug auf die Gegenwart der Amaurose hat man verschiedene Versuche in Vorschlag gebracht, durch welche man zu einem mehr oder minder sichern Resultat gelangt.
Man bringt das Thier an einen nicht allzusehr erleuchteten Ort, wo nicht mehr Licht in's Auge fällt, als nöthig ist, um die Grosse des Sehloches genau zu erkennen, darauf wendet man des­sen Kopf plötzlich gegen helleres Licht, oder bewegt eine brennende Wachskerze rasch gegen dasselbe und achtet sorgfältig darauf, ob das Sehloch sich verengere oder unverändert bleibe, und ob das­selbe ferner beim Zurückwenden in gedämpfte Beleuchtung sich wieder erweitere. Auch gelangt man zur Erkenntniss der Keac-tionsfähigkeit oder des Mangels an derselben, wenn man das Auge zuerst im Lichte betrachtet, dann mit der vorgehaltenen flachen Hand eine Weile bedeckt oder besser nur beschattet, dieselbe dann plötzlich wieder wegzieht und dabei das Verhalten der Pupille ge­nau beachtet. Auf diese Weise verlässigt man sich des Zustandes der Pupille am besten, wobei jedoch dann eine Täuschung mög­lich ist, sobald die Amaurose auf einem Auge nur besteht; wesshalb es sehr zu empfehlen, ja nothwendig ist, ein Auge nach dem andern zu verhüllen und die Untersuchung dann an dem unbedeckten vor­zunehmen.
Obgleich diese Untersuchunjisweise in den meisten Fällen die Gegenwart oder Abwesenheit der Staarblindheit ausser Zweifel zu stellen vermag, so sichert dieselbe doch nicht gegen eine absicht­liche Täuschung von Seiten eines betrügerischen Käufers, der das erkaufte Pferd aus irgend einem^ andern Grunde an den Verkäufer wieder zurückweisen will und in dieser Absicht von der bekannten, die Pupille erweiternden Wirkung der narkotischen Stoffe, der Toll-
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kirsche, des Bilsenkrauts, des Schierling's u. s. w. Gebrauch macht. Darum gebietet in einem solch zweifelhaften Falle die Vorsicht, das Thier auf einige Tage unter unpartheiische Aufsicht zu stellen und wiederholte Untersuchungen, zur Zeit vorzunehmen, wo die blos momentane Wirkung jener Mittel erloschen ist.
Angehend das allgemeine Benehmen des Thieres, die Art sei­nes Ganges, die Haltung des Kopfes, die besondere Beweglichkeit seiner Ohren und Nasenlöcher, so sind diese allerdings ebenfalls ziemlich verlässige Zeichen, können aber nur dann für vollgültig erkannt werden, wenn sich zu ihnen das Anstossen des Thieres an die im Wege liegenden Gegenstände und das innormale und passive Verhalten der Pupille gesellt.
Die gewöhnlichen Verfahrungsweisen, welche zur Ausmitdung der Blindheit gang und gäbe sind, sind oft trügerisch und meistens unzulänglich. Hieher gehört z. B. das schnelle Vorbeifahren mit der Hand oder der Reitgerte vor dem krankscheinenden Auge; es ist dieser Versuch zugleich auch ein Hülfsmittel des Betruges, wel­chen Eosstäuscher anwenden, um den Verdacht, dass das Thier blind sey, zu widerlegen. Das Blinken mit den Augenlidern und Zurückziehen des Kopfes, welches bei dem schnellen Vorbeifahren eines nahe an das Auge gebrachten, Körpers erfolgt, wird in diesem Falle nicht blos durch die Wahrnehmung des Gesichtssinnes, son­dern auch durch das Gefühl des Thieres veranlasst, mittelst wel­chen es durch die stärkere Luftbewegung die Annäherung eines fremden Körpers empfindet.
sect;. 448.
Ob der Möglichkeit der betrügerischen Verheimlichung, dieser meist unheilbaren Krankheit, gehört die Staarblindheit in den mei­sten Ländern zu den Haupt- oder Gewährsmängeln, wofür das Recht der Rückklage besteht, für dessen Geltendmachung in Oesterreich eine Frist von 30 und in Preussen von 28 Tagen festgesetzt ist.
Gegen diese ausgedehnte Zeitfrist haben sich in der gerichtlichen Veterinär-medicin mehrere Stimmen erhoben und wollen dieselbe sehr reducirt wissen, z. B. Tscheulin auf vier Tage, indem sie die Möglichkeit einer künstlichen Hervorbildung dieser Art von Blindheit zum Nachtheile des Verkäufers in die­ser Zeitfrist für möglich halten. J. E. Veith*) erinnert dagegen mit Recht, dass bei einer kürzern Gewährszeit die entgegengesetzte Besorgniss in noch viel höherem Grade eintrete, und der unbefangene Käufer, der das wirkliche gegen­wärtige Uebel in einer so kurzen Zeit auszumitteln nicht (immer) im Stande wäre, von betrügerischen Händlern leicht übervortheilt werden könne, ohne durch das in dieser Absicht gegebene Gesetz hinreichend geschützt zu werden,
*) a. a. O. S. 235.
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welches den Verkäufer allzu sehr begünstige. Vorzüglich aber könne dies bei dem periodischen und dem beginnenden Staare der Fall seyn, wo das Uebel schwer erkennbar, zuweilen aussetzend, theils nur durch gewisse Veranlassungen, heftige Bewegung und Anstrengung, grosse Hitze, senkrecht auf den Kopf ein­wirkende Sonnenstrahlen, üeberfütterung u. s. w. erst zu dem Grade gesteigert werde, dass es ohne thierärztliche Kenntnisse bei einer gewöhnlichen Aufmerk­samkeit schon erkannt werden könne, während ohne eine solche erregende Ursache aber, die Erscheinungen entweder ganz aussetzen oder nur in einem so geringen Grade vorhanden seyn könnten, dass der Unkundige sehr leicht betrogen werden dürfte.
sect;. 449.
Behufs der richterlichen Entscheidung eines solchen Falles können dem Gerichtsarzte folgende Punkte zur Beantwortung ge­stellt werden:
Ob nämlich der Staar ein beginnender oder schon entwickelter sey, ob er auf beiden Augen bestehe oder nur auf einem, ob er isolirtes oder complicirtes Leiden sey? Aufweiche Ursachen sich der specielle Fall entwickelt habe und ob solche etwa in individuel­ler Disposition oder in den frühern oder gegenwärtigen Verhältnis­sen gegeben seyen und besonders noch, ob die Amaurose eine Folge intermittirender Augenentzündung, der sogenannten Mondblind­heit sey? u. s. w.
a. Von der erethischen Amaurose.
sect;. 450.
Die erethische Amaurose ist durch erhöhte Empfindlich­keit der Ketina bedingt und charakterisirt sich durch die Erschei­nungen der erhöhten Receptivität und des verminderten Wirkungs­vermögens.
Sie entwickelt sich in der Eegel langsam, verbleibt lange, oft für immer in dem Zustande der Amblyopie oder geht allmälig in vollkommene Amaurose über. Die Augen sind sehr empfindlich gegen das Licht, jede stärkere Einwirkung desselben, sowie jede Anstrengung des Auges scheint schmerzhaft und es hält das Thier unter krampfhaften Bewegungen das Auge geschlossen, sieht daher besser bei massiger, als bei greller Beleuchtung und hat einen ruhi­gem, weniger unsteten Blick. Schneller Wechsel der Beleuchtung ist dem erkrankten Auge unerträglich, daher am Morgen oder beim Heraustreten aus dem düstern Stalle in's Freie, die Empfindlichkeit sich sehr steigert. Die Zufälle treten häufig mit wirklichen Inter-missionen auf.
Bei fortdauerndem Einflüsse äusserer Schädlichkeiten und län­gerer Dauer des Uebels steigern sich diese Krankheitserscheinun-
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gen so, dass endlich das Sehvermögen ganz erlischt oder das Uebel einen torpiden Charakter annimmt.
Das Auge hat ein glänzendes Ansehen, die Conjunctiva der Augenlider, sowie die Sclerotica sind meistens hell geröthet; das Auge thränt und ist vollkommen trocken, die Augenlider sind in beständiger Agitation, der Augapfel in schiefer Richtung (Schielen) und die Pupille in wechselndem Zustande (Hippus) begriffen. Später blasst die Iris ab, aber es zeigt sich keine Trübung im Hin­tergrunde des Auges.
sect;. 451.
Zu den ursächlichen Momenten der erethischen Amaurose
o
ehört zunächst die Prädisposition. Diese zeigt sich besonders
vorwaltend bei zartgebauten jimgern, hellhaarigen Thieren mit blauer oder hellfarbiger Iris und prominenten, weniger gegen das Einfallen des Lichtes geschützten Augen, weiter oder zerrissener Pupille, nervöser Constitution, nach mehrmals überstandenen Oph-thaimien mit rheumatischem Charakter, nach starken Säfteverlusten, Blutungen, Saamenverlusten oder starker Lactation, besonders wenn letztere im Missverhältnisse mit der Fütterung, Körperanstrengung steht oder durch speeifisch auf die Milchsecretion wirkende Mittel, durch Reps oder durch Brantweinspülicht, bei nicht hinreichend nachhaltigem Futter, künstlich vermehrt wird, daher auch, bei der, ohnehin dem weiblichen Geschlechte vorwaltend eigenthümlichen, sensiblem Organisation dasselbe häufiger dieser Neurose unterwor­fen zu seyn scheint. — Nähere Ursachen sind immer zu heftige Einwirkung des Lichtes, besonders häufiger Wechsel des Licht­grades , Avic dazu vornehmlich durch allzu finstere Ställe und auf ausgedehnten Schnee- oder Sandflächen Gelegenheit gegeben ist, unreine, mit alkalischen Stoffen geschwängerte Luft, Vernachlässi­gung der Reinlichkeit des Körpers, zu erhitzende Fütterung, un-verhältnissinässiger Genuas des Hafers bei Pferden, starker Fleisch-genuss bei Hunden, unbefriedigter Geschlechtstrieb u. s. w.
sect;. 452.
In prognostischer Beziehung ist besonders der Grad und die Dauer der Krankheit zu beachten. Ist das Uebel noch neu, noch nicht sehr hoch gestiegen und sind die veranlassenden Ursa­chen entfembar, so ist Heilung möglich, wogegen dieselbe nicht ge­lingt, wenn diese amaurotische Form bereits einen torpiden Cha­rakter angenommen hat.
sect;. 453.
Aufgabe der Behandlung. Entfernung oder Neutralisirung der Ursachen, möglichste Schonung und Ruhe der Augen, Regu-lirung der Lebensweise, Bewegung im Freien bei nicht zu grellem
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Sonnenlichte und auf grünen Rasenflächen, reine Luft, strengste Reinlichkeit der Ställe und des Körpers sind die ersten und uner-lässlichsten Bedingungen, ohne welche jede Behandlung fruchtlos ist und durch welche allein in geringem Graden des Leidens, Hei­lung erzielt werden kann..
Specielle Heilmittel gegen diese Species von Amaurose gibt es eigentlich nicht, da nur solche von Heilerfolg sind, welche die veranlassenden Ursachen aufheben, corrigiren und ihre Folgen be­seitigen , bei deren Wahl man übrigens besonders zu beachten hat, dass Hautreize sowohl, als Blutentziehungen dabei nicht ertragen werden; dagegen zeigen sich gelind ausleerende, dann die Sensibi­lität massig herabsetzende und ziüetzt gelind tonisirende Mittel im Allgemeinen am zuträglichsten.
b. Von der torpiden Amaurose.
sect;. 454.
Die torpide Amaurose ist der erethischen gerade entgegenge­setzt; sie ist bedingt durch verminderte Receptivität und vermin­dertes Wirkungsvermögen, charakterisirt sich durch Erscheinungen der Schwäche, und endigt mit völligem Erlöschen der Receptivität und des Wirkungsvermögens, mit completer Paralyse (Chelius).
sect;. 455.
Allmälig lässt die Sehkraft nach und nur bei heller Beleuch­tung, nach eingenommenem kräftigem Futter erscheint sie stärker, während sie bei schwacher Beleuchtung, leerem Magen und Er­müdung nach anstrengenden Arbeiten mehr darnieder liegt. — Die Augenlider sind weit geöffnet und in den Bewegungen der Iris zeigt sich Trägheit, wobei die contractive Thätigkeit vermehrt, daher die Pupille sehr erweitert ist. Ein Phänomen, welches auf grossen Lichtmangel im Auge deutet und seinen Ursprung in der unwill-kührlichen Streben haben mag, die Lichstrahlen freier und reich­licher eintreten zu lassen. Durch die, zuletzt oft bis zur gänzlichen Annulirung der Regenbogenhaut erweiterte Pupille, leuchtet ^aus dem Hintergrunde des Auges eine grauliche Trübung hervor. Be­steht die Amaurose nur auf einem Auge, so treten diese Erschei­nungen erst dann deutlich hervor, wenn das gesunde Auge geschlos­sen wird. Eigentliches Schielen wird nicht bemerkt, ebenso bleiben Form und Elasticität des Auges unverändert, wodurch sich die torpide Form der Amaurose von der erethischen unterscheidet. — Der Ausgang dieser Lähmungskrankheit ist bei weitem in den mei­sten Fällen vollkommene Erblindung, wesshalb deren Prognose weit ungünstiger zu stellen ist, als jene der erethischen.
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sect;. 456.
Angehend die Ursachen der torpiden Amaurose, so sind als solche alle jene Schädlichkeiten, welche von deprimirendem Ein­flüsse auf das Auge sind, zu betrachten; dahin gehören vorzugs­weise übermässige Anstrengungen des Körpers bei weniger Kühe und schlechter Nahrung, grosse Säfteverluste, wie sie bei der ere­thischen Amaurose erwähnt worden sind, zu heftige und lange an­dauernde Einwirkung grellen Sonnenlichtes, sowie langer Aufenthalt im Dunklen. Ganz besonders ist die intermittirende Augenentzün­dung als Ursache zu der torpiden Amaurose zu erwähnen.
sect;. 457.
Zur Behandlung der torpiden Amaurose bedient man sich belebender, reizender und stärkender Mittel in vorsichtig gegriffenen kleinem, zu grössem aufsteigenden Gaben, um durch allgemeine Belebung des Nervensystems, auch allmälig die Augensensibilität zu erheben. Vor deren Anwendung es doch häufig geboten ist, die ersten Wege zu reinigen, zu welchem Endzwecke bei Pferden und Hornvieh, Abführmittel, bei Hunden dagegen Brechmittel zu adhibiren sind und sich letztere noch besonders der erschütternden Wirkung auf das Nervensystem halber empfehlen. Unter den in­nerlichen Reizmitteln sind es vorzugsweise die Arnica, Schlangen­wurzel, die Küchenschelle, das ätherische Thieröl, der Campher ganz besonders, und der Phosphor; auch bedient man sich des Brechweinsteins in gebrochenen, Uebelkeit und Ekel erregenden Gaben, bisweilen mit Erfolg. Damit ist eine, diesem Sinne ent­sprechende gelind reizende, ernährende Fütterung einzuhalten, für gehörigen Lichtreiz zu sorgen und dem erkrankten Thiere genü­gende, jedoch nicht erschöpfende Bewegung zu geben. — Unter den zahlreichen äusserlichen Mitteln, welche hier als heilsam auf­geführt werden, wollen wir als diesem Zwecke hinreichend ent­sprechend , blos der Waschungen mit Branntwein und Wasser, der Einreibungen einer flüchtigen Camphersalbe in die Umgegend des Auges, der ammoniakalischen Dämpfe *) und der Cauterisation der Bindehaut im Umfange der Cornea mittelst Höllenstein, Er­wähnung thun. — Auch Ableitungen durch Hautreize, zugleich mit Eiterung verbunden, finden nur auf jene Fälle, wo das Uebel mit unterdrückten und künstlich zu ersetzenden, Secretionen, im-petiginöser oder arthritischer Dyskrasie verbunden ist, und zwar
*) Um die Ammoniumdämpfe anzuwenden, verbindet man dem Thiere die Nase und lässt aus einem Gefässe, in welches man Ammonium oder eine Mi­schung aus Kalk und Salmiak gethan hat, die Dünste in die Augen steigen (Radius bei Leblanc).
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mit besonderer Rücksicht auf den allgemeinen Kräftezustand spe-cielle Anwendung. Man hat sich namentlich der Phosphoreinrei-bungen oder der Fontanellen hinter die Ohren und der Haarseile mit Vortheil bedient. Bei traumatischen Amaurosen nur finden zu­weilen Aderlässe ihre Stelle.
1. Von der congestiven und entzündlichen Amaurose.
sect;. 458.
Die congestive Amaurose ist bedingt durch übermässigen Andrang des Blutes zu den inneren Gebilden des Auges, der Ader­und Netzhaut, wodurch die Thätigkeitsäusserung der letzteren ver­ändert wird (Chelius).
Bei dieser Form ist das Auge sehr empfindlich gegen sehr helles Licht, jedoch ist die Lichtscheue im Allgemeinen nicht be­sonders gross und das Sehen selbst in der ersten Zeit nicht auf­fallend getrübt. — Die Augenliderbindehaut zeigt sich geröthet und selbst auf der Augapfelbindehaut nimmt man mit Blut überfüllte Gefässchen wahr; der Augapfel ist voll und strotzend; die Iris zeigt eine dunklere Färbung, starke Turgescenz und Wölbung nach vorne; die Pupille bleibt anfänglich unverändert, erweitert sich aber später gleichförmig und zeigt wenig Reaction. Bei anhaltendem Niederbeugen des Kopfes, bei Anstrengungen und solchen Veran­lassungen, welche überhaupt Congestionen nach dem Kopfe beför­dern oder den Rückfluss des Blutes stören, wird eine Zunahme der genannten Erscheinungen bemerkbar, die Pupille weiter und völlig starr, wobei später eine graugriinliche Trübung im Augengrunde sichtbar wird und das Sehvermögen völlig erlischt.
sect;. 459.
Verbindet sich diese amaurotische Form mit der erethischen, so steigert sich das Uebel, und es wird die Lichtscheue bedeuten­der, jede Anstrengung des Auges schmerzhaft, die Iris sehr be­weglich, aber doch vorherrschend zur Expansion inclinirt, ebenso die Injection der Bindehaut- und Regenbogenhautgefasse stärker. Diese Form geht noch rascher in den torpiden Zustand über, als die einfach erethische Amaurose.
sect;. 460.
Prädisponirt zu dieser Form von Amaurose sind vollblütige, pastose, gut genährte Thiere, welche bei erhitzender und kräftiger Nahrung, wenig Bewegung oder sonstige Kräfte- und Säftecon-sumtion haben. Die Veranlassungen zur Entwickelung der Amau­rose sind übermässige Anstrengungen, namenüich mit vorgebeug­tem Kopfe, daher das Ziehen mit engem Geschirre, eng anliegende
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224nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
Halsbänder bei Hunden und dergl., überhaupt alles, was den Blut-zufluss zum Kopfe vermehrt und den Rückfluss desselben stört.
sect;•461.
Prognose. Bei recenten, nicht sehr heftig aufgetretenen nicht complicirten Fällen von congestiver Amaurose ist die gegründetste Hoffimng zur Heilung vorhanden. Bei inveterirter, completer oder bei apoplektisch aufgetretener Amaurose dagegen, hat das Uebel durch Gefässüberfüllung bereits organische Veränderungen im Ge-iolge und gestattet daher minder günstige Aussichten zur Heilung, gänzliche Unmöglichkeit zur Heilung sogar dann, Avenn in Folge der Apoplexie, Blutextravasat Statt gehabt hat. Der Doppelzu­stand von erethisch-congestiver Amaurose lässt die Vorhersage weit trüber, als eine einfache Form.
sect;. 462. * Die Behandlung der congestiven Amaurose erfordert sorg­fältige Vermeidung aller reizenden Nahrung, jeder anstrengenden Körperbewegung, grellen Lichtes und alles dessen, was Congestion oder Stagnation des Blutes nach oder in dem Kopfe hervorzurufen im Stande seyn könnte. — Man sey daher für massige Bewegung, diluirende, blande Nahrung, grünes Futter und dergl. besorgt. Curativ entziehe man nach Massgabo der Constitution und des Le­bensalters des Thieres, und nach dem Grade des congestiven oder entzündlichen Zustandes, Blut durch Aderlässe, Blutegel oder Schröplköpfe; verordne kühlende Laxanze und behandle das Uebel überhaupt mit dem antiphlogistischen Apparate. Oertlich gebrauche man kalte Waschungen, Douchen und dergl.
Complication mit nervösem Erethismus oder Uebergang in Torpidität berücksichtige man unter entsprechender Antiphlogose nach den bereits ausgesprochenen Grundsätzen.
d. Von der Nachtblindheit.
sect;. 463. Die Nachtblindheit, Haemeralopia, ist ein, der Gefässamau-rose verwandter, auf verminderter Empfindlichkeit der Retina und Vascularität der Chorioidea beruhender, Zustand von Gesichts­schwäche, vermöge welcher die Thiere im Düstern gar nichts sehen, da eine massige Beleuchtung nicht hinreicht, die Gegenstände sicht­bar zu machen und nur starkes Licht im Stande ist, einen hinrei­chenden Eindruck auf die Retina auszuüben. Man findet sie sehr häufig bei Pferden, deren Augen durch mehrere Unfälle periodi­scher oder intermittirender Blindheit geschwächt worden sind, be­sonders bei an sich schwächlichen Individuen oder sie wird durch
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Schädlichkeiten, welche die Hautthätigkeit stören und unmittelbar gastrische Zufalle erzeugen, die zur Hervorbringung des Uebels thätig mitzuwirken vermögen, hervorgerufen.
sect;. 464. Unter Erscheinungen der Congestion nach dem Innern des Auges, ungewöhnlich erweiterter Pupille, geringer ßöthe der Bin­dehaut, mattem Ansehen der Hornhaut und dergl. beginnen die Zufälle der Nachtblindheit. Dieser Zustand findet sich in der Ke­gel auf beiden Augen zugleich und variirt bedeutend in Hinsicht seines Grades; nach kürzerm oder längerm, manchmal monatelan­gem , Bestände bildet sich die Nachtblindheit allmälig zurück oder geht in wirkliche Amblyopie und Amaurose über.
sect;. 465. Der Behandlung der Nachtblindheit liegt die Beseitigung der ursächlichen Verhältnisse und ihrer Folgen ob. In dieser Ab­sicht bringt man in recenten Fällen bei obwaltendem plethorischem und congestivem Zustande ableitende Aderlässe am Schweife, bei veralteten hingegen, örtliche Blutentziehungen durch Blutegel oder auch durch Schröpfköpfe in Anwendung. — Wo Unterdrückung der Hauttranspiration ein ursächliches Moment dabei abgab, ver­binde man mit der Antiplüogose diaphoretische Mittel, unter wel­chen sich der Brechweinstein in gebrochenen Gaben ganz besonders empfiehlt; und bei entzündlich-gastrischem Ursprünge oder rheu­matisch-gastrischer Complication evacuirende Mittel und bevorzuge unter diesen bei Hunden die Brechmittel; bei den übrigen Thier-gattungen wähle man dagegen Abführungen aus Calomel mit Jalappe, gebe den Schafen und dem Hornvieh reichlich Kochsalz zum Futter und sey überhaupt für sorgfältige Hautpflege und reines fri­sches Getränke sehr besorgt. — Hautreize durch Einreibungen der Scharfsalbe, Vesicantien, Haarseile und Fontanellen sind bei acu-tem, wie bei chronischem Verlaufe dieser Krankheitsform besonders indicirt und nützlich, bei impetiginösem und psorischem Ursprünge, und in Verbindung mit der alterirenden Methode, unentbehrlich. — Ist die Nachtblindheit von vorherrschend erethischem Charakter, so hat die bisherige Erfahrung den Gebrauch warmer Dämpfe an das Auge sehr wirksam gefunden, während bei torpidem Charakter örtliche Reizmittel in dampfförmiger Flüssigkeit und trockener Ge­stalt bei reizender und nährender Kost, sowie bei roborirenden in­nerlichen Mitteln sich empfahlen.
e) Von der Tagblindheit.
sect;. 466. Die Tagblindheit, Nyctalopia, Amblyopia meridiana, ist
Müller, Vclcrinar-Ophthalmologie. IF.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 15
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Dynamische Krankheiten des Auges.
eine periodisch wiederkehrende Amblyopie, bei welcher die damit behafteten Thiere am Tage undeutlich oder gar nicht, und nur bei massiger und künstlicher Beleuchtung sehen.
sect;•467. Es ist dieser Zustand eine, der erethischen Amblyopie ver­wandte , aber seltene Form und beruht auf einer Ueberreizung der Ciliarnerven oder der Netzhaut, wohl auch der Centralorgane und des Rückenmarks, welcher immer als eine Folge überstandener verschiedener Ophthalmien, rheumatischer Entzündungen der fibrö­sen Häute, des Rückenmarks, Gehirns und Auges und Dyskrasien auftritt, und eine dem ursprünglichen Leiden entsprechende Be­handlung finden muss. Hautreize mit nachunterhaltener Eite­rung, warme, indiffirende Dämpfe und zuweilen narkotische Mittel, als Einträufeluugen, Pflaster und Einreibungen gebraucht, erweisen sich zum Zwecke der Heilung besonders förderlich. Zu beachten dabei ist, dass man einem derartig ergriffenen Auge durchaus das Licht nicht entziehen darf, sondern dasselbe stufenweise damit be­freunden muss.
f) Von dem amaurotischen Katzenauge.
sect;. 468.
Das amaurotische Katzenauge ist eine Amaurose, bei welcher die verminderte Sensibilität der Retina durch die vermin­derte Thätigkeit der Chorioidea und durch den Mangel des Pig­mentes bedingt ist.
Es entwickelt sich dieser, mit diesem Namen bezeichnete amau­rotische Zustand zunächst aus chronischer und passiver Entzündung der Chorioidea und ist im Allgemeinen eine häufige Folge aller Formen von Neurose, insbesondere der Nacht- und Tagblindheit.
sect;. 469.
Das Sehvermögen ist bei dem amaurotischen Katzenauge sehr beschränkt und je nach seinem erethischen oder torpiden Charakter, bei massiger oder starker Beleuchtung besser. Anfänglich zeigt die Pupille ihre volle Reactionskraft, es befindet sich aber dabei die Iris in einem Mittelzustande zwischen Expansion und Contraction. Im Hintergrunde des Auges erscheint bei torpidem Charakter des Uebels nach einiger Zeit seines Bestandes, eine graulich weisse, weissgelbliche, bei entzündlich erethischem Charakter dagegen, eine in's Röthliche schillernde concave Färbung. Nach geschehenem Uebergange in vollständige Amaurose bemerkt man ausser den, die Amaurose charakterisirenden Merkmalen, in der Tiefe des Auges deutlich die ganze Ausbreitung der Arteria und vena centralis retinae.
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;227
wodurch bei seitlicher Betrachtung der Augengrund einen opalisi-renden Schein von sich gibt, daher die Bezeichnung „Katzenaugequot;.
sect;• 470-Es ist diese amaurotische Form nur kachektischen, schlecht
genährten, abgenützten und alten Subjecten eigenthümlich, wesshalb
dieselbe wohl selten und um so weniger einen Gegenstand ärztlicher
Behandlung abgeben dürfte, als eine Heilung dieses Uebels, schon
des niedem Standes der Lebenskraft wegen, nicht wohl bewirkt
werden kann.
II. Motilitäts-JSIeurosen des Auges.
I. Von der Steigerung der bewogenden Thätigkeit des Auges, aus­gesprochen in tonischen und clonischen Krämpfen.
sect;. 471.
In den Motilitäts-Neurosen zeigt sich dieNerventhätigkcit nicht mehr normal, vielmehr gesteigert, exaltirt, alienirt; und wie diese in jenem Zustande auch mannichfaltige Krankheitszustände im reproductiven Systeme herbeiführt, so erregt sie im irritablen Systeme normwidrige Muskularbewegungen, die, wo sie in Mus­keln, welche der willkührlichen Bewegung bestimmt sind oder auch von sensiblen Gebilden angeregt fungiren, auftreten, dann nicht mehr nach dem Willen der Seele oder auf den Einfluss der sen­siblen Gebilde, sondern nach andern Gesetzen erfolgen.
sect;• 472.
Die normale Function des Bewegungsapparates des Auges f ür sich, wie auch das gesammte Muskularsystem, unter der Form der expansiven und contractiven Thätigkeit sich äussernd, er­scheint bei den Motilitäts-Neurosen erkrankt.
Das normale Verhältniss zwischen diesen beiden Thätigkeiten ist dann in der Art gestört oder aufgehoben, dass nämlich der con­tractive Theil über den expansiven das Uebergewicht erlangt und solche Erscheinungen erregt, welche offenbar von einem gestörten Wechsel normaler Expansion und Contraction deutlich zeugen und je nachdem die erstem über die letztern oder umgekehrt obsiegen, einen Zustand beurkunden, welchen man gemeinhin tonische oder clonischen Krampf nennt.
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Dynamische Krankheiten des Auges.
sect;•473.
Die Motilitäts - Neurosen sind rein dynamische Krankheiten, welche ohne sichtbare Verletzungen in der Organisation des Ge­hirns oder der Nerven oder jener der Muskeln bestehen können und ihren Sitz entweder in den peripherischen Nerven oder in den Centraltheilen des Nervensystems haben. Später aber nach länge­rer Dauer und verschiedenen Ursachen des Uebels hinterlassen die Krämpfe fast immer organische Veränderungen in der Structur, welche Verkürzungen und Verkrümmungen der Muskeln zur Be­gleitung haben.
Sie entstehen nach mechanischen Verletzungen, besonders sol­chen , welche reizend, zerrend, mehr druckweise und quetschend auf das Auge wirken, nach Erkältungen, durch gastrische und ab-dominelle Keize, Reizungen der Gangliensysteme, Metastasen und Metaschematismen. Ihre Prognose ist günstig und hängt von der Möglichkeit der Beseitigung der ursächlichen Verhältnisse ab. Der Krankheitszustand selbst erfordert die Anwendung beruhigen­der und besänftigender Mittel.
sect;. 474.
Die Motilitäts-Neurosen haften bald an den Augenlidern, bald an den Augapfelmuskeln, bald an der, den Muskelgebilden ver­wandten Iris, bald an mehreren dieser Gebilde zugleich.
1. Von dem Augenliderkrampfe.
sect;. 475.
Der Augenliderkrampf, Spasmus palpebrarum, Blepharo-spasmus, ist entweder anhaltend, tonisch, oder wechselnd, clo-uisch und ist in beiden Formen idiopathisch oder sympathisch; erstere Form haben wir hier zum Gegenstande, letztere fand an den entsprechenden Orten ihre Stelle.
sect;. 476.
Der tonische Augenliderkrampf ist eine plötzlich eintretende, anhaltende Contraction beider Augenlider, wobei das leidende Thier, die Augenliderspalte zu öffnen, nicht im Stande ist; werden die Augenlider durch eine äussere Gewalt von einander gebracht, so begeben sie sich nach deren Nachlass, so­gleich wieder in ihre vorige Stellung. Die bedeckende Haut des oberen Augenlides erscheint gerunzelt, jene der Stirne gleichsam knotig zusammen gezogen, die Augenbraunenborsten findet man aufrecht stehen und beim Versuche zum OefFnen der Augenlid­spalte zeigen sich die Stirn- und Wangenmuskeln in convulsivischer Bewegung. — Der Krampf haftet bald am Orbicularmuskel, bald
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Dynamische Krauklieiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 229
am Aufheber des oberen Augenlides, oder an beiden zugleich. Im ersteren Falle nennt man ihn Augenlidkrampf im engern Sinne des Wortes, nach Einigen auch krampfhaften Augenlidvorfall, Blepharoptosis spastica, im zweiten krampfhaftes Hasenauge, Lagophthalmus spasticus, im dritten aber totalen Augenlid­krampf, Blepharospasmus totalis. Beim krampfhaften Augenlid­vorfalle ist die Augenlidspalte geschlossen, beim krampfhaften Hasenauge geöffnet, beim totalen Augenlidkrampfe halb offen.
Bei gewaltsamem Oeffnen der Augenlider findet man die Ober­fläche des Auges matt, manchmal auch blass geröthet, die Pupille etwas erweitert und die Bewegungen der Iris träge. — Dieser Zu­stand kann ohne Nachlass längere Zeit hindurch anhalten, oder ist bei periodischem Auftreten von kürzerer Dauer.
sect;• 477.
Der clonische Augenlidkrampf wird Nictitatio morbosa. Nystagmus genannt und spricht sich durch wechselnde Thätigkeit des Aufhebemuskels des Augenlides und des Schliessmuskels, sowie verschiedener Gesichtsmuskeln aus, wodurch ein krankhaftes Blin­zeln und Agitation des Gesichtes fortwährend besteht. In niederem Grade ist das Uebel blos auf zitternde Bewegungen beschränkt, in höherem Grade werden die Augenlider auch öfter geschlossen und geöffnet. — Dabei thränt das Auge leicht und die Conjunctiva ist zuweilen etwas geröthet.
M78.
Beide Formen zeigen sich bei allgemeinen Verstimmungen der Constitution; die tonische ist oft Folge rheumatischer Ursache oder mechanischer Verletzung, die clonische beruht vorzugsweise auf nervöser Verstimmung, wie solche häufig in Gefolge von ere­thischen Entzündungen vorkommt.
sect;. 479.
Ausser therapeutischer Beachtung der Ursachen empfehlen sich kalte Waschungen und Douche besonders; am vorzüglichsten wirken aber bei dynamischem Leiden, Ableitungen, namentlich in die Ohrengrube. Zu welchem Zwecke Fontanellen mit Höllenstein applicirt, mit günstigstem Erfolge in Gebrauch gezogen worden sind.
2. Von dem Augapfclkrampfe.
sect;. 480. Dieser ist in gleicher Weise, wie der Krampf der Lider idio-pathisch oder sympathisch, clonisch oder tonisch, einfach oder mit andern Krämpfen verbunden.
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230nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten dos Auges.
sect;. 481. Der tonische Krampf des Augapfels, Spasmus oculi tonicus, befällt sämmtliche Augenmuskeln zugleich; — indem dieselben sich gleichmässig contrahiren, spitzt sich die vordere Hemisphäre des Augapfels etwas zu, erscheint die Pupille erweitert und starr, drängt sich die Iris in die Hornhaut vor und es tritt der ganze Augapfel in die Augenhöhle zurück, Starrkrampf des Auges, Tetanus oculi, — oder es werdefl nur einzelne von ihm ergriffen, in welchem Falle der Krampf, in so fern er mit andauernder Verstellung der Sehaxe nach einer bestimmten Gegend hin verbunden ist, das krampfhafte Schiefstehen öder Schiefsehen des Auges, Luscitas seu Lusiositas spastioa, genannt wird und bald durch Verletzung, bald durch ßheuma veranlasst ist. Das auf diese Weisti schiefgestellte Auge bleibt gegen den Willen des Thieres, bei allen Bewegungen des gesunden Auges und selbst bei Anwen­dung äusserer Gewalt in dieser Lage fixirt, ist überdies lichtscheu und thränt stärker, als das gesunde. Der, dem contrahirten Mus­kel zugewendete Theil der Cornea erscheint gewölbter, Bindehaut und Sclerotica geröthet, die Augenkammern prall angefüllt und die Pupille nach der gespannten Seite verzogen. Das Verhalten dieser Erscheinungen bietet, je nachdem der Krampf traumatischen oder rheumatischen Ursprunges ist, folgende Verschiedenheiten: Im ersteren Falle sind die genannten Symptome andauernd, im letz­teren periodisch, bei jenem ist in der Regel nur der innere gerade, bei diesem sind bald der innere, bald andere Muskeln ergriffen.
sect;. 482. Der clonische Augapfelkrampf, Spasmus oculi clonicus, äussert sich gewöhnlich an beiden Augen gleichzeitig, durch ein ununterbrochenes Wechselspiel sämmtheher Augapfelmuskeln, wo­bei das Auge weder zur Kühe gelangt, noch einen Gegenstand zu fixiren im Stande ist.
sect;• 483. _ Es wird dieses Uebel als idiopathisches Leiden gewöhnlich bei Centraltrübungen der Hornhaut oder des Glaskörpers beobachtet, auch nimmt es zuweilen sympathisch von Gehirn- und Rücken­marksleiden seinen Ursprung, ebenso von gastrischen Unreinigkei-ten oder allgemeinen Krampfzufällen.
sect;. 484. Die Prognose des tonischen partiellen Augapfelkrampfes ist im Allgemeinen günstig, jedoch kann derselbe unter ungünstigen Verhältnissen und bei traumatischer Abstammung, leicht in Entzün­dung und bei rheumatischem Anlasse, in Lähmung der betreffenden Muskeln übergehen. Dagegen ist die Prognose des tonischen, trau-
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 281
inatischen, allgemeinen Augapfelkrampfes schon minder günstig, in­dem er nicht selten in heftige Augenhöhlenentzündung ausartet und der rheumatische nicht minder oft Lähmung und Vorfall des Aug­apfels zur Folge hat. Cionische Krämpfe dagegen gestatten in Bezug auf Heilung, wegen ihres von unheilbaren organischen Fehlem des Bulbus oder allgemeiner nervösen Verstimmung hergenommenen Ursprunges im Allgemeinen nur eine sehr ungünstige Prognose.
sect;. 485.
Behandlung. Beim tonischen Krämpfe einzelner oder sämmt-licher Muskeln des Auges, müssen zunächst, wenn derselbe trau­matischer Art ist, alles Fremdartige entfernt, dann aber laue Bä­hungen aus erweichenden und narkotischen Stoffen gemacht werden; liegt ein rheumatischer Anlass zum Grunde, so nützen trockene Wärme, Einreibungen der grauen Quecksilbersalbe mit Opium, ableitende Hautreize nebst diaphoretischen Mitteln und unter diesen der Campher.
Die Behandlung der clonischen Krämpfe des Augapfels ist im Allgemeinen auch jene der clonischen Krämpfe der Augenlider, dabei ist aber hier noch von Wichtigkeit, durch zeitweises Verbin­den der Augen alhnälig einige Kühe in die Beweglichkeit zu brin­gen. Hautreize erscheinen auch hier nützlich, sobald das Uebel metastatischer Natur ist, oder auf allgemeiner nervöser Verstim­mung beruht.
3. Von dem Schielen.
sect;. 486.
Das Schielen, Strabismus, unterscheidet sich von dem oben beschriebenen tonisch krampfhaften Zustande des Auges durch seine permanente Dauer, sowie durch seine besondere Form.
Das Schielen ist ein gestörter Consensus der beiderseitigen Augenmuskeln, so dass die Achsen der beiden Augen nicht gleich­zeitig auf dasselbe Object gerichtet werden können, indess jedes einzelne Auge nach allen Eichtungen hin frei bewegt werden kann.
sect;. 487.
Die Abweichung in der Correspondenz der Sehachsen kann nach allen Richtungen Statt finden: nach Innen, Strabismus con-vergens; — nach Aus sen, Str. divergens; — nach Oben, Str. ascendens; oder in Zwischenrichtungen — oder so, dass die Seh­achsen in keinem Punkte zusammentreffen, Str. parallelus, — oder class ein Augapfel nach Oben, der andere nach Unten gerichtet ist, Str. horrendus. — Die Grade des Schielens sind sehr verschieden und liegen zwischen der geringen Abweichung, die man als etwas
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Dynanusche Krankheiten Jos Auges.
schiefen Blick bezeichnet und der so schiefen Stellung, dass die Pupille nur wenig oder gar nicht sichtbar ist.
sect;. 488.
Als Ursache liegt dem Schielen ein primäres oder secundäres, entweder in übermässiger Contraction, Strabismus activus, oder in Lähmung, Strabismus passivus, bestehendes Ergriffenseyn der Mus­keln zum Grunde und ist andererseits als ein protrahirter und ver­änderter chronischer Zustand der rein spastischen Form zu betrach­ten. Es kann auch die Ursache zu dessen Bestände in einer theil-•\veisen Alienation der durchsichtigen, strahlenbrechenden Medien des Auges, der Hornhaut, Linse, des Glaskörpers, sowie in par­tieller Lähmung der Netzhaut liegen. Selten ist übrigens diese Form bei Thieren, da der Bulbus durch den musculus retractor in seiner Höhle zu sehr befestigt ist.
sect;. 489.
Zur Wiederherstellung der gleichmässigen Thätigkeit der Mus­keln hat man sich bisher der verschiedensten Mittel bedient. — So lange die Störung im Consensus der beiderseitigen Augenmus-kein als ein Nachspiel krampfhafter Affection derselben betrachtet werden muss, ist eine antispastische Behandlung nach dem oben an­gegebenen Verfahren einzuleiten; wo dagegen dasselbe schon selbst­ständig besteht oder primär aufgetreten ist, sucht man durch Ver­binden des schielenden Auges eine gleichmässige Thätigkeit der Augenmuskeln zu erzwecken und das leidende Auge zu stärken. Der Erfolg solchen Verfahrens brachte übrigens im Allgemeinen keine sichere Heilung, wesshalb wir die, bisher beim Menschen­auge mit dem glücklichsten Erfolge in Anwendung gebrachten Bc-handlungsweisen auch hierher übertragen wissen möchten.
sect;, 490.
Bei geringem Grade des Schielens nach aussen oder innen hat Dieffenbach das Aetzen der Bindehaut oder das Ausschneiden eines Stückes derselben auf der, dem Schielen entgegengesetzten Seite, als sehr wirksam empfohlen. Ein Stück Höllenstein soll beim Schielen nach innen, in den äusseren Augenwinkel und beim Schie­len nach aussen, in den inneren Augenwinkel geführt und tief ein­gedrückt, hierauf einige Tage hindurch das Auge kalt fomentirt und nach dem Verschwinden der Entzündung die Aetzung wieder­holt werden, und sofort, bis das Schielen gehoben ist, was nicht selten schon nach einmaliger Aetzung der Fall ist. Die Wirkung dieses Verfahrens besteht in der Anregung des verlängerten Mus­kels und in der Verdickimg der Conjunctiva. Die Aetzung ist in­dessen nur bei torpiden und älteren Subjeeten mit sehr blasser Con­junctiva, bei geringer Reizbarkeit und nicht vorwaltender Neigung
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Dynanusdie Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;233
zur Augenentzündung, nützlich. Bei leichteren Graden des Stra­bismus convergens soll in gleicher Weise das Ausschneiden eines Stückes der Conjunctiva heilsam seyn. Nachdem die Augenlider voneinander gezogen und fixirt sind, fas st man mit der Haken-pin^-ette eine starke Falte der Conjunctiva im äusseren Augenwinkel, hart an der Grenze zwischen Augapfel- und Augenlidconjunctiva, hebt sie in die Höhe und schneidet mit der convexen Scheere ein 2 bis 3 Linien langes Stück aus ihr und dem unterliegenden Zell­gewebe aus. Kalte lieber schlage stillen die Blutung und verhüten die Entzündung. Die Stelle eitert und vernarbt, wodurch sich das Auge gerade stellt (Chelius).
sect;. 491.
In der Menschen-Ophthalmologie hat man in neuerer Zeit viel­fach die Durchschneidung des contrahirten oder verkürzten Mus­kels geübt und die glücklichsten Erfolge dadurch erlangt, indem nach der Durchschneidung des Muskels, dessen hinteres Ende in anderer Weise an demBulbus sich inserirt oder der Zwischenraum zwischen beiden Muskelenden durch Erzeugimg von neuem Zell­gewebe ausgefüllt, somit der Muskel verlängert, seine übermässige Zusammenziehung vermindert und zugleich durch die Trennung des Muskelnerven die Irritabilität umgestimmt wird.
Es ist uns unbekannt, ob man diese Operationsmethode auch schon am Thierauge geübt hat, jedenfalls aber halten wir solche für aus­führbar und bei werthvollen Pferden und Himden für sehr schätzenswerth.
Da wir dieser Operation nur vorschlagsweise erwähnen, so halten wir deren ausführliche Exposition hier für zu weit führend und verweisen auf J. F. Dieflfenbach's Werk über das Schielen und dessen Heilung durch die Operation. Berlin, 1842.
4. Von dem Irlskrampfc.
sect;. 492. Das enge Wechselverhältniss, in welchem das Ciliar- und Ke-tinal- Nervensystem unter einander stehen, gibt sich eben auch im pathologischen Zustande zu erkennen. Wie contractive und expan­sive Thätigkeit der Iris functionell durch die Empfindung der Re­tina geleitet werden und mit den Bewegungen der Augenlider in Einklang stehen, ebenso sympathisiren krankhafte Störungen in der Function beider Organtheile unter einander, in der Art, dass krankhaft gesteigerte Sensibilität der Retina krankhaft gesteigerte Irritabilität der Iris und krampfhafte Erscheinungen in den, unter detji Einflüsse motorischer Nerven stehenden, Augenlidermus ein hervorruft und letztere, d i. die irritablen Thätigkeiten, ihre krank-
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Dynamische Krankheiton des Auges.
haften nervösen Actionen auch umgekehrt in der Retina abspiegeln: Was liier sich unter erhöhter und schmerzhafter Empfindlichkeit gegen Lichteindrücke äussert, spricht sich dort als vermehrte Ex­pansion aus, was hier gesunkene Sensibilität ist, erscheint dort als vermehrte Contraction. Daher sind die nervösen AfFectionen der Iris entweder idiopathisch oder sympathisch; erstere werden hier Gegenstand der Betrachtung, letztere waren es bei den ver­schiedenen krankhaften Zuständen der Retina.
sect;. 493.
Bleibenden extremen Zustand der Expansion der Iris nennt man in der Ophthalmo - Pathologie tonischen Krampf, Spasmus iridis tonicus, häufigen Wechsel zwischen Expansion und Contrac­tion, insofern er ki-ankhaft erscheint, clonischen Krampf, Spas­mus iridis clonicus. — Ersterer hat seinen Grund in verminderter oder aufgehobener Bewegung, letzterer aber in Schwäche und Reiz­barkeit der Iris, oder zugleich mit allgemeinen clonischen Krämpfen, in krankhafter Verstimmung der Centralorgane des Kopfes, Rück­grades oder des Unterleibs.
sect;. 494.
Die krampfhafte Pupillenverengerung, Myosis spas-tica, ist jener tonisch krampfhafte Zustand der Iris, in welchem sich die Pupille im Zustande permanenter Verengerung befindet, ohne bei abnehmender Beleuchtung, das Vermögen der Erweiterung zu besitzen, wobei das Sehvermögen im verletzt bleiben kann, meistens aber etwas geschwächt ist. Die Pupille ist klar, schwarz, weder winklieht nocli verzogen, nur erscheinen bisweilen ihre Ränder ein­wärts gekehrt, die Irisfläche convex, das Auge lichtscheu, dabei die Thränenabsondcrung kaum vermehrt, die Augenkammern strotzend voll, die Cornea prominent, in deren Umfange die Bindehaut ge-röthet, und die Augenlidspalte häufig verrengt.
sect;• ^95.
Ihre nächste Ursache liegt in einer abnorm gesteigerten Thä-tigkeit des Ciliarnervensystems. Sie ist entweder angeboren oder bedingt durch eine eigenthümliche Stimmung des Nervensystems, auch, und häufiger noch, bleibt sie nach inneren Entzündungen des Auges, insbesondere der Regenbogenhaut zurück.
Als veranlassende Ursachen der Myosis kennt man: grelles, von glänzenden Gegenständen reflectirtes Licht, Mangel an wässriger Feuchtigkeit in den Augenkammern, Mangel des Krystallkörpers, Mangel der Augenwimpern, krankhafte Kürze der Augenlider, Gespaltenseyn derselben, Verletzungen der vorderen Kugelhälfte des Bulbus; auch allgemeine Uebel, Plethora, Dyskrasieen psorischer oder impetiginöser Natur, Rheumatismus der fibrösen Gebilde u. s. w.
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Dynamisclio Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;235
sect;. 496. Die Ausgänge dieser Krampfform sind: unverändertes Fort­bestehen, Uebergang in Entzündung, Ausschwitzung und Pupillen­verwachsung oder Lähmung.
. sect;• 497-
Die Behandlung ist im Allgemeinen jene des tonischen Au­genliderkrampfes und auf Entfernung der veranlassenden Ursachen gerichtet. Bei bleibend verengertem Zustande der Pupille mit min­der erethischem Verhalten des Auges, wird man Instillationen von Auflösungen eines Belladonna- oder Bilsenkrautextracts erfolgreich veranstalten, jedoch nur mit der Vorsicht, dass statt des zu besie­genden Leidens nicht etwa Paralyse entstehe, gebrauchen dürfen.
sect;. 498.
Der clonische Iriskrampf, auch das Zucken der Iris, Ilippus genannt, präsentirt sich als ein fortwährendes Wechsel­spiel zwischen Contraction und Expansion, ohne dass das Licht in verschiedenen Abstufungen einwirkt. Er erscheint häufig in Ver­bindung mit Blinzeln und Augapfelzucken. Die Behandlung dieses Zustandes fällt mit jener der beiden begleitenden Zustände, wie sie oben angegeben wurde, zusammen.
II. Von der Verminderung der bewegenden Thätigkeit des Auges, ausgesprochen in Paralyse.
sect;. 499.
Was die Amaurose, als nervöse Apoplexie für die Netzhaut und für den Sehnerven ist, das ist die Paralyse für die Nerven des Bewegungsapparates, sie drückt sich als Mangel der Empfin­dung und Bewegung in den leidenden Nervenästen aus und unter­scheidet sich von der Apoplexie des Centralgebildes dadurch, dass sie, einzeln bestehend, die Function des letztern nicht noth-wTendig aufhebt. Sie trifft manchmal nur jene Parthie, welche blos der Bewegung vorsteht und verschont jene, welche die Empfin­dung vermittelt, ist dann eine unvollkommene Lähmimg und heisst Paresis.
sect;. 500.
Diese Paralysen entstehen entweder plötzlich und dann mei­stens in dem Momente des Eintrittes der Apoplexie des Central-theiles — der Amaurose —, gleichzeitig mit dieser, und bleiben sehr oft als Folgekrankheiten derselben zurück, oder sie bilden sich langsam aus; die Reizlosigkeit und Schwäche im leidenden Thcile schreitet allmälig vorwärts, bis endlich die Paralyse eintritt, in welchem Falle sie ihre Vorboten haben.
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236nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
Die gewöhnlichen Vorboten sind Krämpfe, Zuckungen, sogar bisweilen Schmerzen in dem leidenden Theile oder auch in anderen mit den ergriffenen Theilen in Functionsverbindung stehenden Ner-venparthieen.
Tritt nun Lähmung selbst ein, so verräth sie sich durch einen vollkommenen Mangel aller Bewegung und Empfindung (Paresis completa) oder es geht nur eine von diesen beiden Functionen ver­loren (Paresis incompleta). Geht die Bewegungsfähigkeit nur allein unter, so bleibt die Empfindung entweder ganz unverletzt oder sie Avird sogar bis zum Schmerze gesteigert oder nur bis zu einem ge­wissen Grade vermindert, ohne ganz zu erlöschen.
sect;. 501.
Zu diesen pathognomonischen Zeichen der Lähmung treten noch andere Erscheinungen, sowohl im sensiblen, als im irritablen und reproduetiven Systeme, die hier seeundär durch den paralyti­schen Zustand der Sensibilität vermittelt werden. Jene im sensiblen Systeme lassen sich beim Thiere als rein subjective nur aus diver­sen Aeusserungen und hauptsächlich aus Analogie zum Menschen unterstellen, die in dem irritablen Systeme hingegen verrathen sich durch langsame und träge Blutbewegung in den afficirten Theilen und die in dem reproduetiven Systeme sind eines Theiles entweder durch Mangel der Ernährung und allmäliger Abzehrung derselben oder anderen Theiles als Folge gesunkener Thätigkeit der resorbi-renden Gefässe, durch ödematöse Anschwellung erkennbar.
sect;. 502.
Die Dauer dieser Paralysen ist zwar nicht immer eine und dieselbe. Unvollkommne Lähmungen sind wohl sehr chronisch, doch werden sie zuweilen geheilt; dagegen sind vollkommne Para­lysen beinahe durchgängig unheilbar, und dieses um so mehr, wenn sie als Folge von Lähmunn; der Centralonmne erscheinen. Sind sie selbstständig aufgetreten, so enden sie nach langer Dauer und unter ungünstigen Verhältnissen häufig mit Lähmung der Central-theilc, mit Amaurose und eben auch mit Unterdrückung der Re­production in dem ganzen Organe, mit Atrophie.
sect;. 503.
Ihre Diagnose ist hier stets leicht, da sie zum Theile in äusseren Theilen ihren Sitz haben, oder doch an dem Mangel an Bewe­gungsfähigkeit des Organes, dem die betreffenden Nervenparthieen beigegeben sind, sich leicht erkennen lassen.
sect;. 504.
Gleiche nächste Ursache, wie den Amaurosen, liegt der Pa­ralyse der Bewegungsorgane zum Grunde, sie beruht auf dem Er­löschen der Reizbarkeit und Thätigkeit der Nerven in dem paraly-
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Dynamische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;237
tischen Theile, sie ist gleichsam eine topische Apoplexie. Erregende Ursachen sind solche, welche ihre Wirkung in der Gesammtheit des Nervensystems äussem oder solche, welche örtlich einwirken und dabei entweder das Centralorgan oder die peripherischen Ge­bilde des Nervensystemes des Auges treffen.
sect;. 505.
Ihre Prognose ist vorzüglich von der Länge der Dauer des Uebels abhängig. Die frischen Paralysen geben eine gute Prog­nose , bei den inveterirten aber ist sie übel. Ferner sind die Ursa­chen zu berücksichtigen; rheumatische Paralysen gestatten eine gute Prognose; endlich hängt sie auch von den Complicationen ab und ist günstiger zu stellen, wenn die Paralyse einfach, als wenn sie mit einer Amblyopie oder Amaurose verbunden ist.
sect;. 506.
Allgemeine Aufgabe der Behandlung ist es, 1) die erre­genden Ursachen der Paralysen aufzusuchen und zu entfernen, 2) das Erlöschen der Reizbarkeit und Thätigkeit der Nerven in dem paralytischen Theile und hierdurch sein partielles Absterben zu verhüten und 3) besondere Rücksicht auf das Organ zu nehmen, welches sich im pai-alytischen Zustande befindet.
Zur Erfüllung des zweiten Punktes bedient man sich der äus-serlichen Reizmittel verschiedenen Grades, und macht von den rei­zenden Dämpfen und weingeistigen Einreibungen, Galvanismus und Elektricität bis hinauf zur Glühhitze, Gebrauch.
1. Von der Augenlidlähmung.
sect;. 507. Die Augenlidlähmung Blepharoplegia, ist ein Zustand von Unbeweglichkeit der Augenlider, welche ihren Grund in Lähmung der Augenlidmuskeln hat, plötzlich eintritt, die Sehkraft wohl nicht aufhebt, jedoch mechanisch stört. Hebt man das obere Augenlid in die Höhe, so findet man häufig auch die Erscheinungen einer partiellen Ophthalmoplegie. Das obere Augenlid hängt erschlafft über den Augapfel herab, und ist unbeweglich, ebenso hängt auch das untere Augenlid gegen die Wange herab, da die Lähmung sich nicht allein auf die Augenlidmuskeln beschränkt, sondern sich auch in der Umgegend der Augenlider, über die der Stirn und selbst über einzelne Muskeln des Augapfels erstreckt. Die mit der Er­schlaffung der Augenlider gleichzeitig vorhandene Erschlaffung der Augenbraunen und Augenwinkel und das davon abhängige Herab­sinken dieser Theile ist ein charakteristisches Symptom derBlepharo-plegie, hauptsächlich von der Blepharoptosis, bei welcher sich
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jene Theile in ihrer natürlichen Lage befinden, die Muskelthätig-keit unter der Haut deutlich zu erkennen ist und das Herabsinken des oberen Augenlides lediglich auf einer Erschlaffung der äusseren Haut beruht.
Die Tlminenfeuchtigkeit wird, vermöge der veränderten Stel­lung der Augenlidränder, nicht gehörig nach der Nase fortgeleitet, sie sammelt sich an, und fliesst über das untere Augenlid und die Wange herab, das Auge thränt und da der Schleim aus den Mci-bomischen Drüsen nicht gehörig mit den Thränen gemischt imd von diesen hin weggespült wird, so erhalten zugleich die Augenlidrän­der ein schmieriges, schmutziges Ansehen.
Die Blepharoplegie erscheint total und partiell, bei jener ist das ganze Auge geschlossen, bei dieser nur ein Theil desselben; gewöhnlich findet man sie am äusseren Augenwinkel, welcher auch zugleich herunterhängt, wälirend der innere Augenwinkel seine na­türliche Stellung hat und an seiner Seite die Augenspalte geöffnet erscheint (Jungken).
sect;. 508.
Dieser Lähmungszustand ergreift nach der Distinction meh­rerer Ophthalmologen manchmal nur den einen oder den anderen Augenlidmuskel. Bei der Lähmung des Aufhebers, paraly tis eher Augenlid vor fall (Blepharoptosis paraly tica), ist das Aufheben des oberen Lides dem Willenseinflusse nicht untergeordnet, oder vielmehr durch eigene Kraft nicht ausführbar, und es ist die Pupille wenig oder gar nicht beweglich und einige Lichtscheue zu­gegen. Bei der Lähmung des Schliessmuskels, paralytisches Hasenauge (Lagophthalmus paralyticus), vermag der Wille des Thieres die Lider nicht vollständig zu schliessen und es bedeckt das obere Augenlid den Augapfel nur zum Theile und das untere Augenlid erscheint etwas nach abwärts gesunken und wie das obere, nach aussen umgestülpt. Zugleich wird der obere gerade Augen­muskel vermehrt thätig, um durch das Aufwärtsziehen des Bulbus denselben dem grell einfallenden Lichte zu entziehen, was ihm übri­gens nur theilweise gelingt und wesshalb das Auge in der Regel lichtscheu wird, die Hornhaut etwas abgeplattet und die Pupille verzogen erscheint.
sect;. 509.
Nach den Ursachen sind die Erscheinungen der Augenlid­lähmung mit mehreren Modificationen verknüpft. Ist die Blepharo­plegie traumatischen Ursprunges, so ist sie häufig mit Blutunter-laufung der Lider und Bindehaut, sowie mit Blutergiessungen in den Augenkammern verbunden. Hat das Uebel eine rheumatische Ursache, so entsteht es bald schnell, bald langsam, ist periodisch
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oder permanent, und in der Regel mit Schmerz, L/ichtscheu und rheumatischer Entzündung verknüpft. — Prädisponirt zu diesem Lähmungszustande sind vorzugsweise alte, schwächliche, an ner­vöser Verstimmimg leidende, oder solche Individuen, bei welchen zur Ungebühr erschlaffende Fomentationcn angewendet worden waren.
sect;. 510.
Die Prognose dieses Uebels richtet sich nach der Länge der Dauer und nach den Ursachen desselben, sowie nach dem Alter und der Constitution des erkrankten Individuums. Hat die Ble-pharoplegie noch nicht lange gedauert, sind ihre Ursachen entfern­bar und das Thier in seinen Kräften nicht erschöpft, so ist eine baldige Heilung möglich, im entgegengesetzten Falle aber ist die Prognose sehr zweifelhaft, besonders ungünstig aber, wenn ausser-dem noch Lähmungszustände in andern Muskelparthieen des Köt-pers bestehen. Bei rheumatischer Blepharoplegie ist die Prognose stets günstig, bei traumatischer dagegen, nur so lange, als sie noch nicht veraltet ist. Die syrnjitomatische Blepharoplegie ist in ihrer Prognose von dem Primärleiden abhängig, jedoch meistens übel.
sect;. 511.
Die Behandlung muss jederzeit gegen die Ursachen des Uebels gerichtet und der Krankheitscharakter sorgfältigst gewür­digt werden. Ist das Uebel localer Abkunft und beruht es auf einer, sey es durch vorausgegangene Verletzungen, oder durch Störung der Hautthätigkeit in der Augengegend, hervorgerufenen Congestion und davon abhängigen Hemmung der Nerventhätigkeit, so nützen die antiphlogistische Heilmethode, besonders die localen Blutentziehungen, bei traumatischem Anlasse, kalte Wasserum­schläge, bei rheumatischer Störung, trockene Bähungen der Augen­gegend und Opiateinreibungen in dieselbe, nebst ableitenden Haut­reizen und einem angemessenen Regimen. Spricht sich dagegen die Krankheit durch Phänomene wahrer torpider Localschwäche aus, so dienen in leichtern Fällen das Reiben der Augenlider mit erwärm­tem Flanell, oder die Waschungen und Bähungen derselben mit Wässern oder Aufgüssen des Rosmarins, der Melissa, der Mentha, der Arnica, wie weingeistige und ätherische Einreibungen und rei­zende Blasenpflaster oder Scharfsalben in der Umgegend des Auges, in Wirksamkeit gesetzt.
In hartnäckigem Fällen bedient man sich der Anwendung eines in die Ohrengrube applicirten Cauteriums actuale oder potentiale oder auch der Glühhitze; Leblanc empfiehlt Moxen in die Ober­augengruben, an die Stelle des Austritts der Frontalnerven und die
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Einreibungen von Salmiakgeist; Elektricität, Galvanismus, die Galva-nopunetur zeigten sich von verschieden günstigem Erfolge.
Allgemeine Zustände des Körpers, Plethora, Rheumatismus, Schwäche und dergl., in so weit solche in occasionellem Zusammen­hange mit dem vorliegenden Leiden stehen, müssen auf die be­kannte Weise weiterer Berücksichtigung und Beachtung unterwor­fen werden.
2. Von der Lähmung der Augapfelmuskeln.
sect;. 512. Die Lähmung des Augapfels, Ophthalmoplegia, ist ein gleicher Zustand, wie jener, bei der Lähmung der Augenlider be­handelte ; er ist total oder partiell und besteht meist nur auf einem Auge. Die totale Lähmung der Augapfelmuskeln ist eine seltene Erscheinung, der Augapfel verliert in diesem Falle seine Spannung und Elasticität, fällt gleichsam aus seiner Höhle, liegt regungslos imd ist völlig erblindet. Die partielle Lähmung kommt dagegen häufiger vor und ähnelt vollkommen dem, bei dem krampfhaften Schielen beschriebenen Zustande des Auges. Ursachen, Pro­gnose und Behandlung sind dieselben, wie bei der Augenlider­lähmung; bei dieser Form des Schielens dürfte übrigens von einer Operation mittelst Durchschneidung der paralysirten Muskeln nichts zu erwarten seyn. Totale Ophthahnoplegie, Augapfelschlag, ist unheilbar.
3. Von der Lähmung der Iris.
sect;. 513. Die Lähmung der Regenbogenhaut, Iridoplegia, ist ein auf örtlicher Erschöpfung der Ciliarnerven beruhender Lähmungs­zustand, welcher sich in einer widernatürlichen Erweiterung der Pupille und vermindertem oder gänzlich aufgehobenem Bewegungs­vermögen der Iris zu erkennen gibt und wobei ein freies und un-sehindertes Einfallen der Lichtstrahlen fortbesteht und selbst die Receptivität der Netzhaut unverletzt bleiben kann.
Sie besteht als idiopathisches Leiden oder sympathisch und symptomatisch, als Folge vorhandener Lähmung der Centralgebilde, also mit oder ohne Blindheit. Letztere Form wurde schon als Symptom bei den Amaurosen behandelt und es bleibt uns hier nur noch die idiopathische zur näheren Betrachtung.
sect;•514. Bei der idiopathischen Iridoplegie ist die Pupille schwarz
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und die in der Tiefe des Bulbus sich zeigende molkige Trübung erscheint nur als ein Lichtreflex. Sie hat verschiedene Abstufungen, welche in dem Grade der Pupillenerweiterung, Mydriasis, be­merkbar werden. Es besteht dabei manchmal noch eine Thätig-keitsäusserung in dem inneren Eing der Iris, welcher dieselbe dann nur auf einen gewissen Punkt zu expandiren vermag, oder es ist alle Thätigkeit erloschen, in welchem Falle sie sich auf ein Mini­mum zurückzieht und nur noch ein Streifen von ihr wahrgenommen werden kann, wobei das Sehvermögen noch vorhanden seyn kann, aber jedenfalls immer mehr oder minder beeinträchtigt ist, und na­mentlich bei heller Beleuchtung, wogegen es bei massiger Beleuch­tung oft unverändert erscheint. Den Pupillarrand der Iris findet man bei der paralytischen PupiUenerweiterung schlaff, herumschwan­kend, unregelmässig, wie aufgefranzt und mehr oder weniger ge­gen die Hornhaut zu, umgestülpt. — Dieser subparalytische Zu­stand der Iris kann angeboren seyn und auf beiden Augen zugleich bestehen, oder er wird, und dann nur auf einem Auge, durch Con-tusionen und Verletzungen des Auges und seiner Umgebung, durch langen Aufenthalt im Finstern, durch Einwirkung narkotischer etwa zur Pupillenerweiterung angewendeter Substanzen, durch Neur­algien in den Verzweigungen des Nervus oculomotorius und tri-geminus, durch organische Veränderungen in dem Gehirne oder in der Augengrube, oder durch Abdominalreiz, bei Würmern hervor- , gerufen, wodurch die mit dem Ganglion ophthalmicum und mit dem Ciliarnervensysteme in Verbindung stehenden Nerven functionell beeinträchtigt werden. Da die Irisbewegungen von verschiedenen Nerven in verschiedener Weise abhängen, nämlich direct vermittelt werden durch den Nervus oculomotorius, mittelbar erregt durch den Nervus trigeminus, den Nervus options und den Nervus sym-pathicus: so unterscheidet Cannstadt *): 1) die Mydriasis idiopa-thica nervi ocidomotorii, welche von der directen Functionsstö-rung des Nervus oculomotorius abhängt. 2) Mydriasis sympa-thica e neuralgia nervi trigemini. Sie soll die seeundäre Wirkimg einer in diesem Nerven bestehenden Eeizung seyn, welche zum Gehirne fortgeleitet und von diesem in den Nervus oculomotorius reflectirt werde, wodurch heftiger motorischer Reflexionskrampf in der Iris erzeugt, dadurch die Erregbarkeit ihrer motorischen Ner­ven erschöpft und nach den Schmerzparoxismen Erschlaffimg undj, Halblähmimg erzeugt werde. 3) Die Mydriasis sympathica nervi
*) Beiträge zur Pathologie der Mydriasis und anderer Neurosen des Ner­vus trigeminus und des Nervus oculomotorius; in v. Ammon's Monatschrift. Bd. II. Heft 2.
M ii 11 c r, Veterinär- Ophthalmologio. II.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; |5
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242nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Dynamische Krankheiten des Auges.
optici s, amaurotica. — Die Mydriasls abdominalis s. nervi sym-pathici.
sect;; 515.
Gleichen Ursachen, wenn sie heftiger wirken, ist auch die totale Irislähmung oder das Erlöschen ihrer erectilen Thätig-keit beizumessen, wobei sich die unthätige Kegenbogenhaut bei den Bewegungen des Auges in einer zitternden, schwankenden Bewe­gung nach der Richtung ihrer Flächen befindet (Rosas). Dieselbe ist unheilbar.
sect;. 516.
Die Prognose in der idiopathischen Mydriasis hängt ledig­lich von dem Grade der Unempfindlichkeit und selbst der Lähmung ab, welcher bei derselben zugegen ist, — daher es wold Fälle die­ser Krankheit geben kann, in welchen eine vollständige Lähmung der Iris jede anderweitigen Curversuche vereiteln wird. Nur mag ein so hoher Grad der Krankheit selten längere Zeit auf dieses ein-zelne Organ eingeschränkt bleiben, sondern meistentheils zu den übrigen Organen des Auges nach und nach sich ausbreiten und eine vollkominne Blindheit in demselben veranlassen. — Bei der nach Contusionen und Erschütterungen des Auges und seiner Umgebung entstandenen Mydriase erfolgt die Heilung, auch in den günstigsten Fällen, immer sehr langsam und gewöhnlich bleibt die Pupille das
s
anze Leben hindurch erweitert. Wenn Amaurose auf die My-
driase erfolgt, so kann dies bedingt seyn durch den vom Nerven­system auf die Retina und den Sehnerven sich ausbreitenden Torpor oder auch wohl durch die zu starke Einwirkung des Lichtes auf die Retina, wenn das Auge demselben zu sehr ausgesetzt ist.
sect;. 517.
Die Mittel, deren wir uns gegen die idiopathische Iridoplegie bedienen, bezwecken theils die Entfernung der Ursache des Uebels, thcils suchen sie die vorhandene Atonie in dem erectilen Gewebe der Iris und in den Ciliarnerven zu beseitigen. #9632;—#9632; Ist das Uebel rheumatischer Abkunft, so suche man auf Vermehrung der Haut-thätigkeit mittelst Campher und Guajak zu wirken, applicire Haut­reize und lasse die graue Quecksilbersalbe zu gleichen Theilen mit flüchtiger Salbe in die Umgegend des Auges einreiben. — Die paralytische Mydriasis von dem Missbrauche der narkotischen, die Pupille erweiternden Stoffe, verliert sich in den meisten Fällen, in denen der Gebrauch derselben zeitig ausgesetzt werden konnte, von selbst, oder wird bei ihrem Fortbestande durch spirituöse Ein­reibungen in die Stirn- und Schläfengegend und durch den inneren Gebrauch flüchtig reizender Arzneistoffe, der Valeriana, des Cam­phers u. s. w. beseitigt. — Bei Lähmungszuständen der Iris,
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welche auf den längern Aufenthalt in dunklem Kaume sich ent-Avickelt haben, lässt man ausser den angegebenen Reizmitteln, das Licht als Reiz wirken.
Bleibt aber, nachdem der causalen Indication Genüge geleistet ist, die Mydriase als Symptom eines torpiden Zustandes des Ner-vus oculomotorius zurück, so wendet man reizende, aufregende Mittel an, um die Thätigkeit des Ciliarnervensystems zu steigern und benutzt zu diesem Zwecke: scharfe Augenwässer aus Tabacks-aufguss *), welche man auch mit unterstützendem Erfolge zur In­stillation benutzt; geistige Einreibungen in die Umgegend des Au­ges und in die Augenlider; Vesicantien oder Cauterien hinter die Ohren oder nach dem Laufe des Frontalnerven; Verdunstungen von Salmiakgeist, ammoniakalische Dämpfe, wie sie bei der torpiden Amaurose von Leblanc empfohlen und von uns näher angegeben worden sind, ferner die Glühhitze, die Elektricität, der Galvanis-mus und die Acupunctur.
Weinhold empfahl zur Wiederbewirkung des Expansions­vermögens eine Auflösung von salpetersaurem Silber, Serre **) die Cauterisation der Bindehaut im Umfange der Cornea mit einem zugespitzten Höllensteincylinder. Der Erfolg dieses Verfahrens ist nach Chelius's Erfahrung jedoch kein bleibender.
Nach Versuchen an Thieren hat Serre ***) fur jene Fälle von Mydriase, wo die Cauterisation der Hornhaut keine hinreichende Zusammenziehung der Pupille hervorbringt, durch Einführung einer Nadel in das Auge Reizung der Iris und der Ciliarnerven zu bewirken vorgeschlagen. Cannstadt hat bei Kaninchen, deren Pu-jülle durch Belladonna erweitert Avar, durch das Einstechen einer feinen Nadel nahe am Rande der Hornhaut nicht die fferinffste Ver-änderung in der Weite der Pupille hervorgebracht; selbst wenn das äussere Ende einer in das Auge von Kaninchen eingeführten Nadel der Hitze einer Weingeistlampe ausgesetzt und zum Glü­hen gebracht wurde, erfolgte keine Zusammenziehung der Pupille. Dagegen will derselbe bei Entfernung der wässrigen Feuchtigkeit durch die Punction der Hornhaut nach Wardrop, bei Kaninchen immer Zusammenziehung der Pupille beobachtet haben.
*) Die objeetiven Erscheinungen nach der äussern Anwendung des Tabacks zeugen von einer auffallenden Belebung der bewegenden Thätigkeit der Ciliar­nerven und des erectilen Irisgewebes und sie manifestirt auf diese Weise eine, der Belladonna gerade entgegengesetzte Wirkung; indem jene die Expan­sion indorselben vermehrt, wahrenddiesedieContraction steigert.
**) Revue medicale. Aout, 1830. ***) Gazette des hopitaux. Dcbr. 1837.
16*
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Zweiter Abschnitt.
Organische Krankheiten des Auges.
i.
Störung des Zusammenhanges.
A. Von den durch Trennung des Zusammenhanges be­wirkten Störungen.
sect;. 518. Der Zusammenhang der Theile wird aufgehoben durch Wun­den, Geschwüre oder durch Spalten und Oeffnungen mit vernarb­ten Handflächen. Die Wunden werden auf mechanischem Wege gesetzt, und haben weder im frischen noch im eiternden Zustande innere allgemeine Säfteentmischung noch locale, auffallende Orga­nisationsveränderung zur Grundlage; während dagegen die Ge­schwüre aus den Wunden sich hervorbilden oder primär als solche erscheinen, durch allgemeine oder örtliche Ursache unterhalten Aver-dcn und mit unverkennbarer Aenderung der Organisation vergesell­schaftet sind. Veraltete Trennungen ohne Eiterung bestehen aus isolirtem Vernarben der Bänder der Spalte oder Oeflhung, und sind Folgen vorhergegangener Verletzungen oder ursprünglicher Bil­dungsfehler, daher erworben oder angeboren.
I. Von den Wunden der Augenlider und des Augapfels.
sect;. 519. Die Wichtigkeit und die Folgen der Verwundungen des Auges sind von der Art der Verwundimg selbst und ihrem Sitze abhängig.
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Keine Schnitt- oder Stielnvunden erregen am Auge nur geringe Reaction, dagegen sind gequetschte Wunden dem Auge sehr ge­fährlich, weil sie meistens von Blutextravasationen der Augen be­gleitet werden, daher starke Entzündung, häufig Eiterung zur Folge haben und meistens mit Hinterlassung entstellender Narben heilen. Am gefährlichsten werden die Wunden, wenn sie mit Erschütte­rung des Auges verknüpft sind, weil dann nicht selten unheilbare Blindheit die Folge ist. Vergiftete Wunden durch Stiche von In-secten, Scorpionen, Vipern und durch Bisse toller Hunde erzeugt, führen eine äusserst heftige, rosenartige Entzündung, welche mit bedeutender Geschwulst auftritt und schnell in Eiterung oder Brand übergeht, nach sich, und können dadurch zu wichtigen Entstellun­gen und organischen Fehlern Veranlassung geben.
In Bezug auf die Oerdichkeit der Wunden sind die, welche die Augenlider treffen, die weniger gefährlichen, dagegen sind Ver­letzungen des Augapfels meist von grosser Bedeutung, da sie häufig Erblindimg herbeiführen.
sect;. 520.
Bei Behandlung der Wunden an den Augen sey man zur Ver­meidung von Narben und von Substanzverlust immer bemüht, durch unblutigen und blutigen Verband eine schnelle Vereinigung zu Stande zu bringen, nachdem man die Blutung gestillt und die Wunde von allem Unreinen und fremden Körpern, Insectenstacheln, Dor­nen und dergl., wenn solche vorhanden sind, befreit hat.
Ausserdem gibt der Grad der Vegetation in der Wunde noch eine weitere Norm in dem Heilverfahren; denn ist der Vegetations-process in der Wunde und die Vitalität in den Wundrändern über-mässig gesteigert, so wird sich im erstem Falle in der Tiefe Eiter bilden, während die Haut sich schliesst, um wieder zu platzen; und im letztern Falle wird die Wunde sich auch nicht oberflächlich, auch nicht eher schliessen, als bis die Granulation sie völlig aus­füllt, wodurch aber eine breite und erhabene Narbe entsteht. Es ist also bei Verwundungen mit intensiver Entzündung eine mehr oder weniger strenge Antiphloguse geboten. Man bedient sich hier der localen Mittel, der kalten Umschläge und örtlichen Blutentzie­hungen, sowie bei kräftigen, plethorischen Thieren allgemeiner Blut­entziehungen und eines kühlenden Verhaltens, um den Entzün­dungsgrad herbeizuführen, welcher die Heilung begünstigt. — Be­findet sich aber der Stand der Reizung unter dem, zum adhäsiven Processe nöthigen Grade, so sey man bedacht, einen solchen durch gelind reizende, die Vitalität erhebende Mittel zu begünstigen und mache in dieser Absicht hauptsächlich von der feuchten Wärme Gebrauch.
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sect;. 521.
Eine besondere Aufmerksamkeit erfordern die gequetschten quot;Wunden an den Augen, da sie, wenn auch nicht sogleich nach der Verletzimg, doch sicher nach Verlauf einiger Tage heftige Entzün­dung nach sich ziehen, welcher man sogleich prophylaktisch durch kräftige Antiphlogose entgegenzutreten hat, da bei Versäumimg die­ser Vorsicht eine Zertheilung der Entzündung unmöglich und die Eiterung unvermeidlich wird. Grosser noch hat die Vorsorge und kräftiger die Antiphlogose zu seyn, wenn mit der Quetschung zu­gleich eine Commotion Statt hatte.
sect;. 522.
Nicht minder beachtenswerth, als von therapeutischem Interesse sind die, mit den Verwundungen des Auges vorkommenden Com-plicationen.
Extravasationen in der Umgegend der Augen begleiten sehr häufig die gequetschten Wunden und sind bei höherem Grade ganz besonders zu Eiterungen im Zellgewebe der Lider sowohl, als der Orbita geneigt. Auch blutige Extravasationen auf und in dem Augapfel kommen vor, welchen Zustand man Blutauge, liaemophthalmus externus et internus, nennt.
Der externus besteht in einer Extravasation von Blut unter der Conjunctiva Scleroticae und findet sich bei den meisten traumati­schen Verwundungen des Auges oder seiner Hülfswerkzeuge, er ist gutartig und wird leicht durch Naturhülfe beseitigt.
Der Haemophthalmus internus besteht in einer Blutansammlung in der Höhle des Augapfels selbst, und kann in den Augenkammern sowohl, als in dem Glaskörper vorkommen. Die vordere Augen­kammer ist dabei manchmal nur blass geröthet von wenigem, aus­getretenem Blute, oftmals aber ist sie ganz blutroth und stark an­gefüllt, wobei alles Sehvermögen erloschen ist; den Blutaustritt in dem Glaskörper erkennt man bei erweiterter Pupille an dem röth-lichen Scheine im Hintergrunde des Auges. Diese inneren Blut-ergiessungen entstehen gleich den äusseren, nach mit Erschütterung verbundenen, verletzenden Gewaltthätigkeiten, aber noch vorzüglich nach penetrirenden Wunden des Augapfels und besonders nach Verletzungen der Iris und des Ciliarkörpers. Sie werden, wenn sie nicht sehr bedeutend sind, oft ohne Kunsthülfe *) resorbirt;
*) Die gewöhnlichen Mittel, welche man beim Blutauge zur Resorption des Ergusses in Anwendung bringt, sind alle Antiphlogistica, reichliche Bluteutzic-hungen auf verschiedenen Wegen, die Senega und Arnica mit Salzen innerlich, äusserlich die graue Quecksilbersalbe in die Umgegend des Auges eingerieben, auf das Auge selbst anfanglich der unausgesetzte Gebrauch kalter Umschlage,
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wenn sie sehr bedeutend sind, so ist es rathsam, zur Vermeidung der Entzündung und Eiterung, die Function oder Section der Horn­haut zu machen und nach Bedürfmss zu wiederholen. Die Extra-vasationen im Glaskörper dagegen sind einer Kunshülfe weniger zugänglich und hinterlassen darum häufig unheilbare Blindheit.
Commotionen der Augen begleiten ebenfalls häufig ge­quetschte Wunden imd Quetschungen an den Augen. „Die Com-motio bulbiquot;, sagt Jüngken, „ist eine wahre Paralysis traumatica des Auges. Das Sehvermögen ist plötzlich nach der Verletzung theil-weise oder ganz geschwunden, je nachdem die Paralyse als eine partielle oder totale besteht. Häufig findet man blos einen Theil der Ketina gelähmt und dadurch das Auge auf der einen Seite er­blindet, während der Kranke mit der andern Seite desselben Auges noch die Gegenstände zu erkennen vermag. Der Blick des Auges ist stier und manchmal der Augapfel in schiefer Stellung begriffen, die Pupille erweitert und in der Hegel verzogen, die Iris starr und unbeweglich. Der Pupillarrand derselben sieht bisweilen aus, als wäre er an einzelnen Stellen umgeklappt; ja die Pupille ist biswei­len so nach der Seite hin verzogen, dass der Pupillarrand dicht am Hornhautrande Hegt und es auf den ersten Blick erscheinen möchte, als fehle die Iris dort ganz; eine Erscheinung, welche ebenfalls das Product einer partiellen Paralyse der Iris ist. Alle Erscheinungen sind unmittelbar nach der Verletzung am heftigsten; einige Zeit darauf pflegt sich wohl etwas Sehvermögen wieder einzustellen, aber nur auf kurze Zeit, dann schwindet es wieder und kehrt in der Regel, ist der Zustand nicht gleich anfangs gehoben, nie wieder zurück. Die Conjunctiva des Auges pflegt massig geröthet zu seyn und die Venen in derselben, sowie die Augenlidvenen erschei­nen stark angeschwollen. Häufig findet man die Commotionen der Augen auch mit Extravasationen und besonders mit Haemophthal-mus externus sowohl, als internus complicirt.
Die Commotionen der Augen gehören zu den wichtigsten Zu­fällen, welche bei den mechanischen Verletzungen der Augen vor­kommen können; werden sie nicht gleich auf Irischer That, unmit­telbar nach der Verwundung, in den ersten dreimal 24 Stunden gehoben, dann lassen sie in der Regel unheilbare Blindheit zurück, deren Beseitigung später auf keine Weise gelingt. Nach totaler Commotion des Auges bleibt gewöhnlich das Sehvermögen für im­mer etwas vermindert. Ferner quot;gelingt es selbst in den günstigsten
später Fomentationcn von einem weinigten Absude der Flor. Arnicae und des Rorismarini, dem man in hartnäckigen Fällen etwas Liq. Ammon. caustic, zusetzt.
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Fällen, wo das Sehvermögen vollkommen wieder hergestellt wird, nicht, der Pupille ihre gehörige Form, Beweglichkeit und Gestalt wieder zu verschaffen. Sie bleibt auf dem kranken Auge immer erweitert, verzogen und unbeweglicher und zieht sich nur bis auf einen gewissen Punkt zusammen. Auch bleibt häufig Strabismus zurück.
Besonders kommt die Commotio bulbi bei solchen Verletzun­gen der Augen vor, welche eine heftige Erschütterung oder Zerrung und Quetschung des Auges bewirken. Daher findet man sie als eine häufige Folge von Quetschungen der Augen, sowold derjenigen, welche den Augapfel selbst treffen, als derjenigen in der Umgegend der Augen. Ferner derjenigen Verletzungen, welche eine Zerrung der Nerven der Augen bewirken, als der Supra- oder Infraorbital-nerven, der Ciliarnerven.
Es ist eine eben so irrige, als in ihren Folgen höchst nachthei­lige und schädliche Ansicht, wenn man glaubt, man müsse bei der Commotion der Augen sogleich zur Anwendung reizender Mittel schreiten, weil die Commotion der Augen in einer Lähmimg der Nerven bestehe; eine solche Behandlung hat allemal den unwieder­bringlichen Verlust des Sehvermögens zur Folge. Die nächste Wirkung der Commotio bulbi ist eine Erscldaflung der quot;Wandun­gen der Gefässe im Auge, in deren Folge in ihnen ein plethori-scher Zustand, eine passive Congestion erzeugt wird, wodurch dieselben thcils durch Druck nachtheilig auf die Nerven wirken, und den leidenden Zustand der letztern vermehren, theils Veran­lassung zur Entwickelung einer schleichenden Entzündung geben, welche mit Exsudation in den serösen Häuten des Auges endet, und dadurch die Blindheit verschlimmert.
Die erste Indication, welche man bei der Behandlung der Commotio bulbi zu erfüllen hat, muss darin bestehen, den plethori-schen Zustand im Gefässsysteme des Auges zu heben und der Gefahr einer Entzündung vorzubeugen, oder diese zu heben, im Falle man zu fürchten hätte, dass sie bereits entwickelt seyn könnte; und dieser Indication entspricht man vorzüglich durch Blutentziehung. Man unterlasse es ja nicht, bei der Commotio bulbi auf der Stelle eine verhältnissmässig reichliche Blutentleerung zu instituiren, sonst wird das Sehvermögen gewiss nicht gerettet.
Bei erwachsenen Thieren muss diese durch Venäsection bewirkt werden, nach welcher auf der Stelle eine verhältnissmässig grosse Anzahl Blutegel um das Auge gesetzt werden; bei jungen Thieren müssen die Blutegel die Stelle des Aderlasses ersetzen. Gewöhn­lich stellt sich nach der ersten Blutentleerung das Sehvermögen wieder ein, schwindet aber einige Zeit darauf, theilweise oder ganz
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wieder. In diesem Falle wiederhole man die Blutendeerung so­gleich und mache sie eben so reichlich, als das erste Mal. Gleich nach der Blutendeerung wende man eiskalte Umschläge über das Auge an; sie erheben den Tonus in den Gefässwandungen, regen dieselben zu grosser Thätigkeit an, wirken auch auf das Nerven­system belebend, und heben die Entzündung, im Falle sich eine solche entwickeln sollte. Wo zu befürchten seyn möchte, dass sich ein Exsudat in der Tiefe des Auges bilden könnte, oder dieses be­reits zu Stande gekommen ist, verbinde man mit jenen Mitteln die Anwendung von Mercurialeinreibungen in die Stirn und Schläfe. Innerlich gebe man kühlende Mittel und besonders kühlende Ab­führungen und fahre mit dieser Behandlung so lange fort, bis jede Gefahr von einer Entzündung in der Tiefe des Auges vollkommen geschwunden ist. Stellt sich unter dieser Behandlung das Sehver­mögen wieder ein, so fahre man mit den genannten Mitteln so lange fort, bis das Gesicht wieder vollkommen hergestellt ist und vollende zuletzt die Cur mit der Anwendung belebender, reizender Einrei­bungen in der Umgegend der Augen. Bleibt aber jenes Heilver­fahren ohne den gewünschten Erfolg, oder bessert sich das Sehver­mögen nur theilweise, dann gehe man zu einem reizenden, beleben­den Heilverfahren über. In der Umgegend des Auges, auf die Stirn, Schläfe, Wange wende man flüchtige Blasenpflaster und wenn der Fall sehr inveterirt ist, Moxe oder Glüheisen an. Damit verbinde man warme aromatische Umschläge über das Auge, mit einem wässrichten oder weinichten Infuse der Species aromaticae, de­nen man noch einen Zusatz von Campherwein, oder Campherspi­ritus geben kann. Später veranstalte man Waschungen des Auges und seiner Umgegend mit gutem Franzbranntwein.quot;
sect;. 523.
Die Augenlider können durch Schnitt, Stich, Biss und auf ver­schiedene Art durch Quetschung verwundet werden.
Die Schnittwunden sind entweder oberflächlich oder sie trennen den Aufhebemuskel des oberen Augenlides oder den Tarsus, und sind in ihrer Richtung horizontal oder vertical; ist der Aufhebe-muskel horizontal getrennt, so fällt das Augenlid herab.
sect;. 524.
Oberflächliche, geschnittene Hautwunden der Au­genlider vereinigt man nach Wegnahme der Haare mit Heftpfla­ster Streifen, penetrirende mit der blutigen Knopfnath. Die Anlegung der Nath gebietet die Vorsicht, dass die Wundränder nur aneinander und nicht aufeinander zu liegen kommen, nicht ge­drückt werden, dass die Einstiche einige Linien von ihnen entfernt gemacht werden, damit die Fäden nicht ausreissen. . Die Zwischen-
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2öOnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Organische Krankheiten des Auges.
räume zwischen den Heften belege man mit Heftpflasterstreifen. Der erste Verband bleibe mehrere, 2—3 Tage liegen, wenn nicht etwa früher Eiterung eintritt. Nach Verlauf dieser Zeit durch­schneide man die Hefte mit der Scheere, ziehe sie aus und lasse die Pflasterstreifen liegen, falls sie noch festsitzen und überlasse ihr Abstossen den nachwachsenden Haaren, wo in der Regel bei ihrem Abfallen die Wunde geschlossen ist. Vorhandene oder zu befürch­tende starke Reaction suche man mittelst Auflegen kalter Fomente zu ermässigen; bei Mangel an gehöriger Lebensthätigkeit, Atonie, gebe man dem Wasser einen reizenden Zusatz von Branntwein oder gebrauche auch wohl statt des Wassers einen Kamillenaufguss. Zurückbleibende Geschwulst der Augenlider behandle man mit gei­stigen Fomenten oder Einreibungen, welchen man bei grosser Atonie Campherspiritus zusetzt.
sect;. 525.
Eiternde Wunden der Augenlider entstehen nach unrei­nen Trennungen und bei Substanzverlust. Es bedeckt sich ihre Oberfläche mit Blutgerinnsel, über welchem sich in den nächsten Tagen eine seröse Flüssigkeit sammelt, welche nach und nach dicker wird und am 5. bis 6. Tage sich in Eiter %'erwandelt. Bis­weilen bedecken sich auch leicht gequetschte oder in Folge kleiner Operationen entstandene Wunden mit Blutpfröpfen, durch welche eine Flüssigkeit durchschwitzt, welche statt in Eiter überzugehen, vertrocknet. Die vornehmste Sorge bei eiternden Wunden besteht in Wegtupfen des Eiters mittelst Charpie oder Werg und Reinigen mit laidichtem Wasser oder Kamillenaufguss, unter welcher Be­handlung die Naturthätigkeit gewöhnlich die Heilung vollendet. Bei den Wunden der Augenlider schadet der reizende Einfluss der Luft weniger, als bei Wunden irgend einer andern Körperstelle, weshalb man nicht noting hat, dieselben bedeckt zu halten. Soll­ten die Theile in der Nähe der Wunde während oder nach ihrer Heilung und diese selbst nicht die gehörige Thätigkeit zeigen, so hat man diese mittelst reizender Mittel zu wecken.
Oberflächliche Stiche der Augenlider kommen bei Jagdhunden und Weidvieh häufig vor und werden bei diesen durch Eindringen von Dornspitzen veranlasst, welche man nach deren Entfernung und geschehenem Reinigen der Wunde mittelst Malvenabkochung, leicht der Heilung entgegenführt.
sect;.526.
Quetschungen und gequetschte Wunden der Augen­lider. Jene sind stets mit Zerreissung des Zellgewebes der Blut-gef ässe an der getroffenen Stelle verbunden und müssen daher, Avie eine innere Wunde, ohne Oeffnung der äusseren Haut betrachtet
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Organisclie Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 281
werden. Die Stärke der Quetschungen hängt von der Stärke der Ursache und von der Form des Instrumentes ab, durch welches sie verursacht wurde. — Sie werden besonders durch ihre Complication gerdhrlich, denn man findet sie niemals ohne gleichzeitige grössere oder geringere Verletzung des Augapfels (Leblanc).
Kalte Umschläge unter Beisatz von Branntwein müssen unaus­gesetzt angewandt und der eintretenden Entzündung nach Massgabe antiphlogistisch entgegengewirkt werden. — Ist der Bluterguss zu gross oder die Eesorptionsthätigkeit verhältnissmässig zu gering, so dürfte es gerathen seyn, um der bevorstehenden Eiterung ent­gegen zu Avirken, die Hautdecke durch einen Einschnitt zu trennen und die Heilung mittelst lauwarmer, erweichender Fomente zu bethätigen.
sect;. 527.
Die gequetschten Wunden unterscheiden sich nur dadurch von einfachen Quetschungen, dass der Zusammenhang der Haut gleich­zeitig aufgehoben ist. Ihre Behandlung ist anfänglich jener der Quetschungen im Allgemeinen gleich, späterhin aber, wenn sie zu eitern beginnen, behandelt man sie wie einfache eiternde AVunden. Sie heilen oft durch alleinige Bestrebungen der Natur, indem sich auf ihnen eine schützende Blutcruste bildet, die erst nach vollende­ter Heilung abfällt, wie Leblanc bei Bisswunden an Pferden zum öftern beobachtet hat.
sect;. 528.
Vergiftete Wunden der Atigenlider entstehen häufig in Folge von Insectenstichen und bieten die oben angeführten Erschei­nungen dar. Die erste Sorge dabei sey die steckengebliebenen Stacheln der Insecten herauszuziehen, was mittelst eines kleinen Einschnittes und einer, hierauf zu Hülfe genommenen Pinzette ge­schieht. Hierauf, wie auch dann, wenn die Stacheln nicht aufge­funden werden können und die Geschwulst schon zu bedeutend ist, erweisen sich Waschungen aus Essig oder aus verdünntem Sal­miakgeist, (einen Theil auf 20 Theile Wassers oder Ocls) sehr förderlich.
sect;. 529.
Wunden und Quetschungen der Augenhöhlen. Bei penetrirenden Wunden der Augenlider wird häufig auch die Binde­haut durchbohrt und dringt das verletzende Instrument, was häufig die Gabel ist, womit das Heu in der Raufe vertheilt wird, oder womit rohe Wärter das Thier misshandeln, in die Tiefe der Augen­lider und verletzt das Zellgewebe, die Knochenhaut und sogar den Knochen, die Augenmuskeln, den Augapfel selbst, aber nur in seltenem Fällen, weil an dessen kugehcher Gestalt, glatter Ober-
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2ö2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Organische Krankheiten des Auges.
fläche, Beweglichkeit und Festigkeit, das Instrument leicht abgleitet. Einer solchen Verletzung folgt stets heftige Entzündung aller be­schädigten Theile und ihrer Umgebung, deren Ausgänge von der Verschiedenheit der Einwirkung der Ursache, sowie von der Art und Weise der Behandlung abhängig, mehr oder minder gefähr­lich für die Erhaltung des Sehvermögens und für die Erhal­tung des Organes und selbst des Lebens werden. Die in Folge solcher Verletzungen entstehende Entzündung steigert sich oftmals, ja meistens zur allgemeinen Reaction oder zu sogenanntem Wund­fieber, erkennbar in Niedergeschlagenheit, Eckel, allgemeiner Hitze, vollem Pulse u. s. w. Die Thränenabsonderung ist stets vermehrt und steht mit der obwaltenden Lichtscheue in gleichem Verhältnisse und lösst sich bei abnehmender Entzündung in Schleimfluss, wobei übrigens die Feuchtigkeiten des Auges und die Hornhaut noch trübe und die Oeffnung der Wunde noch nicht geschlossen und in Eiterung begriffen erscheint.
sect;. 530.
Die Stichwunde ist -nach Herausziehung des verletzenden In­strumentes stets buchtig, besonders, wenn es zwischen den Augen­muskeln hindurch gegangen war, welche in jedem Augenblicke ihre gegenseitige Lage veränderen; ja man ist oft sogar nur dann im Stande auf den Grund der Wunde zu kommen, wenn man Zusam­menziehung der Muskeln bewirkt, indem man die kranke Stelle mit der Sonde reizt, weil dann die verschiedenen Theile wiederum die Lage annehmen, in welcher sie sich während der Verletzung be­fanden. Leblanc fand übrigens dies Verfahren wohl zur Sicher­stellung der Diagnose nützlich, aber als den Entzündungszustand steigernd und der Heilung nachtheilig, weshalb er veranlasst ist, ein solches zu widerrathen.
sect;. 531.
Bisweilen macht die Entzündung, aller angewendeten Mittel ungeachtet, besonders dann, wenn sie den Augapfel ergriffen hat, die beunruhigendsten Fortschritte. In diesem Falle schwillt der Bulbus sehr auf und tritt sogar aus seiner Höhle hervor, sind seine verdickten und veränderten Häute nicht mehr im Stande gehörigen Widerstand zu leisten, und verlässt diese das Leben beinahe gänz­lich, so dass man Stücke derselben hinwegnehmen kann, ohne dass das Thier den geringsten Schmerz dabei empfindet. Nicht selten sieht man in den Augenkammern Eiter ergossen; diese Anhäufung ist nicht nur an sich selbst eine sehr üble Erscheinung, sondern wirkt auch noch durch den Druck und Reiz, den sie gleichsam als fremder, durch die Bestrebungen der Natur nach aussen getriebener Körper auf die Hornhaut ausübt, nachtheilig, sondern führt sie
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Organische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 283
sogar zur Vereiterung und Zerreissung und zu allen damit in Ver­bindung tretenden Uebeln, als da sind Vorfall der Regenbogenhaut, der Linse und des Glaskörpers, Entzündung oder Brand des Au­ges. Den Ausgang in Brand bemerkt man jedoch häufiger bei den Wiederkäuern, als bei den Einhufern.
Die äusseren Verletzungen haben häufig tiefer liegende Leiden in ihrem Gefolge; die Hirnhäute entzünden und verdicken sich und stören durch den, in Folge ihres gewonnenen Umfanges erzeugten Druck, die Harmonie der Verrichtungen des Gehirnes.
Wenn nach Verschwärung des Augapfels die Augenhöhlen­wände der Einwirkung der Luft und der scharfen abgesonderten Jauche ausgesetzt werden, schwillt der Knochen bisweilen sehr auf, so dass sie dann durch ihre Geschwulst oft die Hälfte der Augen­höhle ausfüllen.
Jedoch sind die Verwundungen der Augenhöhle und die Aus­gänge der erstem, vielfältigen Abweichungen unterworfen und le­diglich von der verschiedenen Richtung, von dem verschiedenen Orte und von der verschiedenen Kraft, mit welcher das verletzende Instrument eingedrungen ist, abhängig.
sect;. 532,
Im Falle der Stich nicht tief ist oder nur die äusseren Kno-chenparthien betroffen hat, so ist die Prognose in Bezug auf Her­stellung des Auges und seiner Function günstig und die Heilung nicht vielen Schwierigkeiten unterworfen. — Hat dagegen die schäd­liche Gewalt wichtige Nervengebilde verletzt, so tritt oft augen­blickliche Erblindung durch Paralyse ein oder sie entwickelt sich im Laufe der Entzündung und wird manchmal erst nach deren Be­endigung complet. — Die Prognose der Verletzimg der einzelnen Gebilde des Auges ist je nach ihrer Dignität und nach den bei ih­nen gewöhnlichen Ausgängen verschieden, für die Erhaltung der Integrität des Auges selbst und seiner Function mehr oder weniger, relativ oder absolut gefährlich.
sect;. 533.
Bei der Behandlung einer solchen Verletzung niederen Gra­des hat man zu versuchen, durch die erste Bestrebung (per pri-mam intentionem) Vemarbung herbeizuführen; welche Absicht je­doch nur selten und schwer einen gewünschten Erfolg hat, weil die Wunde fast stets eine unreine, mit Quetschung verbundene Trennung ist und die Entzündung zu lange andauert, als dass nicht Eiter gebildet werden sollte.
Die Verletzung des Knochens und der Beinhaut muss man mit der grössten Sorgfalt untersuchen und, die oben angeführte War­nung Leblanc's beachtend, alle Reizung der verletzten Theile nach
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Möglichkeit vermeiden. Uebrigens ist die Kenntniss dessen, ob die Knochenhaut oder der Knochen selbst verletzt ist, in Bezug auf die Behandlung viel zu wichtig, als dass eine nicht sehr inten­sive, durch die Untersuchung mit der Sonde hervorgerufene Rei­zung gefürchtet werden dürfte, da für den Fall einer Verletzung der Knochengebilde die erste Vereinigung höchst gefährlich werden müsste, indem hier die Heilung von innen nach aussen bewirkt und die äussere Wunde für länger offen gehalten werden muss.
Unmittelbar nach geschehener Verwundung, oder doch sobald als möglich, hat man an der Drosselader der leidenden Seite einen reichlichen Aderlass zu machen, Blutegel anzidegen, in die Oeff-nung etwas Werg zu stecken, welches man zuvor mit einem Cerat bestrichen hat, und das Auge mit einem kalten Umschlage zu be­decken, welchem man, auf Leblanc's Anrathen, Kochsalz oder Salmiak zusetzt, durch welche Mischung aber die Bindehaut, sowie die Wunde zu sehr gereizt werden, weshalb die einfachen Kalt-wasserumschlägre oder Bähungen von Bleiwasserumschlajjen weit vortheilhafter seyn dürften. Dabei gebe man milde, reizlose Nah­rung, kühlende Getränke aus Kleienwasser mit Gerstenmehl unter Zusatz von Salpeter. — Am zweiten Tage zeigt sich bei der vor­anschreitenden Entzündung eine Wiederholung des Aderlass an­gezeigt und man thut dann wohl, dieselbe an einer von dem Auge entfernten Stelle vorzunehmen, um dem Blutlauf eine andere Rich­tung zu geben und zugleich mit einer geringeren Quantität Blutes denselben Zweck zu erreichen, wodurch man den Vortheil gewinnt, das Thier nicht allzusehr zu schwächen, da ihm zur Vollendung des bevorstehenden Suppurationsprocesses die hinreichende Kraft nicht fehlen darf, Avenn der Uebergang in Brand sicher vermieden werden soll; man wäldt daher bei Pferden zur Blutentleerung gerne eine oder beide Schwanzschlagadern. Wenn sich nun auf ein sol­ches Verfahren die Heftigkeit der Entzündung gebrochen hat und die Suppuration einzutreten, im Begriffe ist, so vertausche man die kalten Fomente mit warmen schleimigen, und gebrauche durch sorg­fältiges Verstopfen und Bedecken mittelst eines Pflasters die Vor­sicht, dass nichts von der Flüssigkeit, auch keine Luft in die Wunde zu dringen vermag, da erstere zu dieser Zeit noch zu viel reizt und letztere leicht Emphysem in dem ZeUgewebe herbeiführen würde; auch sey man bedacht, den Inhalt der Wunde zum Ocffnen zu entleeren. Nimmt das Wundsecret nun eine eiterige Beschaf­fenheit an, so belege man die Wunde mit einem erweichenden, aus Roggen- und Leinmehl, Kleie oder Brod bestehenden Umschlage, welchen man bei grosser Schmerzhaftigkeit mit etwas Laudanum beträufelt, oder dem man auch Bilsenkraut oder sonst einen schmerz-
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Organische Krankheiten des Anges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;255
stillenden Beisatz geben kann. — Gewöhnlich ist der Ausfluss des Eiters unvollständig und schwierig, ob der zahlreichen Windungen, welche die verletzten beweglichen und elastischen Theile öfter dar­bieten, oder auch wegen der allzu kleinen, manchmal nach oben gekehrten Wundöffhung; weshalb es oft geboten ist, die äussere Wundöfihung nach dem Laufe der Orbicularfasem zu dilatiren, damit sich der Eiter nicht in das Zellgewebe senke, den Augapfel oder die Knochenhaut verletze oder fistulöse Gänge bilde. In die­ser Zeitperiode belasse man das Thier bei spärlicher Diät und den entsprechenden inneren und darmableitenden Mitteln.
sect;. 534.
Sind nun die Symptome der allgemeinen Reizung nach Ver­minderung der örtlichen Entzündung gewichen und ist gute Eite­rung eingetreten, wird auch bei Schwinden der Geschwulst der Augenlider der Bulbus wieder sichtbar, der Thränenfluss geringer und die eiterige Materie, welche von der Bindehaut abgesondert wurde, von einer durchsichtigen Flüssigkeit ersetzt; sind die Feuch­tigkeiten in den Augenkammern und die Hornhaut noch trübe, ist die Wundöffnung noch offen und in Eiterung, so erfordert der ge­genwärtige Zustand an die Stelle der bisherigen erweichenden Mit­tel den Gebrauch zusammenziehender, tonischer Mittel zur Erhe­bung der Lebensthätigkeit der ergriffenen Theile und Beförderimg ihrer Heilung. Dazu bedient sich Leblanc eines halben Nösels Wegbreitwassers, worin drei Quentchen weissen Vitriols aufge­löst worden sind zur täglich fünf bis sechsmaligen Waschung der Augenlider und Einträufelung in das Auge. — Bei grosser Ju­gend und lymphatischer Constitution des Thieres erscheint es un-erlässlich nothwendig, an dem oberen Theile des Halses ein Haar­seil oder Fontanell anzubringen und es bis zur völligen Herstel­lung des Auges in Eiterung zu erhalten, welches ausserdem trübe bleiben könnte.
Vorhandene Ansammlung von Eiter in der vorderen Augen­kammer macht ein baldiges Eröffnen der Hornhaut nebst dem wei­teren, beim Eiterauge näher beschriebenen, Verfahren nothwendig. Ebenso erfordert ein Weiterverbreiten der Entzündung auf die Ge­hirnhäute und auf den Bulbus eine sachgemässe antiencephalitische streng antiphlogistische Behandlung, wie wir sie bei der Ophthal-mitis in ihrer ganzen Ausdehnung angegeben haben.
sect;. 535.
Eine besondere Rücksicht verdient noch die Verletzung der Ausführungsgänge der Thränendrüse. Es können nämlich penetrirende Stichwunden die Ausführungsgänge der Thränendrü-sen in dem Grade durchschneiden, dass die Thränenfeuchtigkeit,
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statt zwischen Augenlid und Augapfel abzufliessen, sich nach aussen ergiesst und eine fistulöse Beschaffenheit der quot;Wunde erzeugt. Man erkennt diesen Zustand nach Benedict's Beobachtung an dem Menschenauge und nach unserer einmaligen, an einem Hunde ge­machten Erfahrung an dem auffallend stärkern Ausfluss einer serö­sen Feuchtigkeit aus der Wunde, der schwereren Schliessung der letzteren, sobald sie einmal in Eiterung gerathen war und an der Trockenheit der Augapfeloberfläche.
quot;Wir erzielten in unserem Falle durch das von Benedict ange­gebene Verfahren Heilung dieses Zustandes, indem wir die ge­trennte äussere Haut durch die blutige Nath vereinigten, das Au­genlid mittelst Heftpflasterstreifen und nebstdem noch mit, an den Wimpern festgeknüpften Fäden gegen den Augenbogen aufzo­gen und mit kalten Fomenten bedecken Hessen, wobei die Thränen-feuchtigkeit in die innere offengebhebene Spalte sich zu ergiessen genöthigt war. Ist die Wunde bereits in Eiterung übergegangen und fistulös geworden, so dürfte nach Benedict wiederholtes Cau-terisiren mit Höllenstein, oder wohl auch die Anwendung des Glüh­eisens, Heilung bewirken.
sect;. 536.
Die Wunden der Thränenr öhrchen sind entweder Ergeb­nisse ungeschickten Sondirens, oder sie kommen bei Schnitt -, Hieb-Stich - oder gerissenen Wunden der Augenlider in der Gegend des inneren Augenwinkels vor, die Folgen davon sind krampfhafte Ver-schliessung der Thränenpunkte, äusserlich sichtbare Verletzung der Röhrchen, Ueberfliessen der Thränen über das untere Augen­lid , Entzündung der Bindehaut, Euftaustritt aus der durch mecha­nische Einwirkung an der inneren Seite entstandenen Oeffnung, in das Zellgewebe, Luftgeschwulst des Augenlides. Wunden, durch öfteres Einlegen von Sonden oder Saiten in die Thränen-röhrchen erzeugt, sind unheilbar; reine Trennungen derselben, so lange die Ränder nicht callös sind und die Textur des Augenlides nicht zerstört ist, sind heilbar.
Die Behandlung werde durch Vereinigung der Wunde mittelst langer, über die verletzte Stelle hinausragender Heftpflasterstreifen und möglich langen Offenhaltens der Augenlider und nach Umstän­den durch Auflegen kalter Umschläge geleitet.
sect;. 537. '
Die Wunden des Thränensackes sind einfach oder mit Quetschung oder Verletzung der benachbarten Weich- oder Kno­chengebilde complicirt. Erstere heilen schnell, letztere werden in der Regel von Entzündung und Vereiterung begleitet und enden
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häufig mit partiellem Ectropium des unteren Augenlides, oder Ca­ries der Knochengebilde des inneren Augenwinkels.
Die Behandlung muss dahin abzielen, eine, schnelle Vereini­gung der Wunde zu bewirken, die Entzündung nieder und deren weitere Folgen fern zu halten.
sect;. 538.
Die Wunden der Bindehaut bestehen aus einfacher oder mit Substanzverlust verbundener Trennung. Ihre Erscheinungen bestehen in jenen der Conjunctivitis, die eine Neigung zur Verei­terung zeigt, weil sich die Bindehaut durch Granulation, gleich der Epidermis ersetzen muss. Die Behandlung ist rein entzündungs­widrig und symptomatisch. Kalte Umschläge, später schleimige Waschungen, Einträufelungen einer Solution von Lapis divinus sind hinreichend zu ihrer Heilung. Als Reste hinterlassen sie auf dem Bindehautblättchen zum öfteren Verdunkelungen, welche eine später anzugebende Behandlung finden, in der Kegel aber leicht entfernbar sind.
sect;. 539.
Die Wunden der Hornhaut zerfallen in nicht penetri-rende und penetrirende. Erstere erkennt man am sichersten bei seitlicher Betrachtung, und daran, dass die vordere Augenkammer gefüllt und die Regenbogenhaut in gehöriger Entfernung von der Hornhaut sich befindet. Dringen diese Wunden bis auf die Des-cemet'sche Haut, dann veranlassen sie häufig Hornhautbruch. Bei den in gerader Richtung penetrirenden Wunden dagegen fliesst die wässrige Feuchtigkeit aus, und fällt häufig, wenn sie gross sind, unter Einfluss der Augenmuskeln, besonders des Constric­tors , die Iris und selbst der Glaskörper vor; dringen aber die ver­letzenden Werkzeuge in schiefer Richtung durch die Hornhaut, so schliessen sich die Wundränder schnell und agglutiniren. - Ein­fache, reine Schnitt- und Stichwunden der Hornhaut heilen sehr leicht und es folgt auf sie, selbst wenn sie von grösserera Umfange sind, eine nur geringe Reaction. Entzündung und Eiterung folgt ihnen, sobald mit der Verletzung Zerrung, Quetschung oder son­stige druckweise Insultation verbunden war.
sect;. 540.
Hornhautwunden sind ihrem Sitze und Umfange nach von sehr verschiedener Wichtigkeit; sie heilen immer mit Hinterlassung einer Narbe, welche als ein trüber, grauer Fleck in der Hornhaut er­scheint, der um so dichter ist, je tiefer die Wunde in die Substanz der Hornhaut eindrang und je mehr ein Substanzverlust bei der Verletzung Statt fand. Die Heilung der Wunde gelingt am schnell­sten und schönsten, wenn die Entzündimg massig ist; die trauma-
MSIIer, Vclcriniir-Oplilhalmologic. II.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;^7
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258nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Organische Krankheiten des Auges.
tischen Entzündungen an der Hornhaut werden aber leicht heftig, da sie vorzüglich im Zellgewebe dieser Haut lagern, und aus die­sem Grunde auch leicht zur Vereiterung führen. Wunden, welche der Pupille gegenüber hegen, lassen daher eine unheilbare Störung des Sehvermögens zurück. Wunden an der Peripherie der Horn­haut sind in dieser Beziehung gefahrlos, da ihre Narben das Seh­vermögen nicht stören können.
sect;. 541.
Heilaufgaben: Entfernung stecken gebliebener fremder Kör­per; Schliessen der Augenlider mittelst Heftpflasterstreifen, bei unruhigen Thieren selbst mit der blutigen Nath; Bedecken des Auges mit kalten Umschlägen, ausserdem die weitere therapeutische Würdigung der Entzündung, wie sie bereits am entsprechenden Orte auseinander gesetzt worden ist.
sect;. 542.
Die Verwundungen der Sclerotica sind gleich denen der fibrösen Gebilde im Allgemeinen wichtig, weil die Sclerotica um so mehr zu heftigen Entzündungen geneigt ist, als die unter ihr liegende Gefäss - und Nervenhaut, sowie der Ciliarkörper leicht an der Entzündung participiren, wenn sie auch selbst nicht verletzt worden sind. Minder gefahrvoll sind bei ihr einfache, reine Stich­wunden , als Schnittwunden, die dann besonders gefahrvoll werden, wenn sie die Fasern derselben der Quere nach trennen. Im Ge­folge grösserer Verwundungen dieser Haut beobachtet man Vor­fall der Aderhaut, ist aber auch diese und die Retina gleichzeitig verwundet, so wird durch die angeregte Contraction der Augen­muskeln ein grosser Theil des Glaskörpers, selbst die Linse und die Iris vor und in die Wunde getrieben und eine heftige, äusserst schmerzhafte Entzündung ist die weitere Folge, welche alsbald und um so unfehlbarer und früher eine gänzliche Entleerung des ge-sannnten Inhaltes des Augapfels herbeiführt, MTenn dabei der Or-biculus ciliaris mit verletzt war.
sect;. 543.
Die Behandlung der Verwundung werde wie jene der Horn­haut bei VerSchliessung der Augenlider streng antiphlogistisch ge­führt und die, dabei in verschiedenen Abstufungen vorkommenden, Vorfälle der verschiedenen Theile des Auges nach dem an den entsprechenden Stellen noch anzugebenden Verfahren speciell ge­würdigt.
sect;. 544.
Verletzungen der Chorioidea und der Retina. Diese können entstehen mittelbar durch die Hornhaut oder durch die Sclerotica, auch unmittelbar durch Zerreissung nach Erschütterimg
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des Augapfels. Die ungerährlichsten Verletzungen derselben ge­schehen durch reine Stichwunden, nicht so günstig verlaufen jene durch Zerrung oder Quetschung. Schnittwunden veranlassen in der Kegel grosse Blutergüsse und haben daher häufig Haemoph-thalmos internus zur Folge, ebenso, aber minder oft, voluntäre Zerreissungen.
Es bietet die Retina bezüglich des Ortes ihrer Verletzung be­trächtliche Verschiedenheit. An ihrer Peripherie und in der Nähe des Ciliarkörpers ist diese Haut wenig vulnerabel und reagirt selbst auf bedeutende Verletzungen nur wenig. Trifft aber die Verwun­dung mehr nach dem nervus opticus hin diese Haut, dann entsteht heftige Entzündung und entzündliche Amaurosis darauf*).
Eigenthümlich ist bei Verletzungen der Netzhaut die Veren­gerung, Verziehung und Unbeweglichkeit der Pupille und die häufig, jedoch nicht immer, wie Benedict angibt, darauf erfol­gende Blindheit.
sect;. 545.
Die Behandlung ist anfänglich streng antiphlogistisch und fracta phlogosi excitirend. Die nähere Behandlungsweise der ver­schiedenen, dabei vorkommenden und folgenden Zustände findet sich bei Angabe der Behandlung der Chorioideitis und Retinitis.
sect;. 546.
Verletzungen des Körpers der Iris, sobald sie reine Schnitt- oder Stichwunden sind und den Pupillarrand nicht getrof­fen haben, und zugleich mit keinem Substanzverluste verknüpft waren, heilen gewöhnlich schnell und ohne besondere Zufälle, wäh­rend Stichwunden und Quetschungen, die den Pupillarrand treffen, die gefährlichen sind, indem sie die heftigsten Entzündungszufälle der Iris, Exsudationen, Verwachsung oder Contractionen der Pu­pille und andere allgemeine nervöse Zufälle zur Folge haben. Auch auf Druck, Schlag, Quetschung, Erschütterung und heftige Krämpfe entstehen Substanztrennungen durch Zerreissung in der Iris oder Lostrennung des grossen Randes derselben von dem Ci-liarligamente, an einer oder mehreren Stellen, wodurch eine zweite Pupille oder deren mehrere nebeneinander liegende gebildet werden.
Grössere und gequetschte Wunden der Iris, sowie deren Ab­lösung von dem Ciliarbande, sind fast durchweg ob des grossen Gefässrcichthums dieser Membran mit mehr oder minder bedeuten­den Blutungen verbunden, deren weitere Erscheinungen und Fol­gen verschieden sind, je nachdem die äussere Wunde in der Horn­haut oder Sclerotica grosser oder kleiner ist, sich im oberen Theile
*) Jüngken a. a. O. p. 799.
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260nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Organische Krankheiten des Auges.
der Hornhaut befindet oder sich bald geschlossen hat, oder die Irisverwundung ohne äussere Wunde des Auges geschah. — Im ersten Falle fliesst das ergossene Blut mit der wässrigen Feuchtig­keit aus dem Bulbus und es können mit dieser Verwundung sich Vorfall der inneren Organtheile compliciren; im zweiten Falle aber trübt sich die wässrige Feuchtigkeit blutroth, resorbirt sich zuletzt oder häuft sich bei vorhandener Varicosität der Gefässe in der Art an, dass unter heftigen Schmerzen die Vorderfläche des Augapfels zu bersten droht und wirklich berstet, wenn nicht frühzeitig die Hornhaut künstlich eröffnet wird.
Eine andere Erscheinung und Folge der Verletzung durch Quetschung oder Erschütterung ist die Ekchymose oder soge­nannte Sugillation der Iris. Es zeigt sich diese in der Gestalt grösserer oder kleinerer rother Flecken auf der Iris und gewöhnlich auf der zimächst von der Verletzung getroffenen Seite und schwin­det unter dem Gebrauche antiphlogistischer Mittel. Plötzlich ent­standene rothe Flecken deuten bei manchen Formen der Entzündung der Iris, welche sich durch festere Exsudationen durch Eiterung entscheiden und, wenn andere Theile des Augapfels gleichzeitig gelitten haben, auf eine bedeutende Zunahme der Krankheit.
Die Behandlung der mechanischen Irisverletzungen ist eine streng entzündungswidrige, wie sie die Lehre von den Entzündun­gen der Iris näher auseinandersetzt und, an sich mit der Behand­lung der Verletzungen des Auges im Allgemeinen und jener der Hornhaut insbesondere, zusammenfällt.
sect;. 547.
Verletzungen der Linsenkapsel und der Linse. Die­ser Organtheil ist als ein rein vegetativer bei Verletzungen sehr häufig der Entzündung und Störung seines vegetativen Lebens, sowie in deren Folge wesentlichen Veränderungen in seiner Struc-tur und Durchsichtigkeit unterworfen.
Die Erkenntniss der Verletzung der vorderen LinsenkajDsel wird gewöhnlich wegen vorhandener Lichtscheue und der sie beglei­tenden äusseren, mit starkem Thränenflusse verbundenen, Ophthal-mie sein- erschwert und meist erst bei Eintritt der Trübung sicher gestellt.
Beine Stich- und Schnittwunden, wenn sie nicht tief in den Krystallkörpcr eindrangen, auch in der Hornhaut keine grosse Oefthung gesetzt haben, heilen bei gut beschaffenen Augen in der Kegel schnell, hinterlassen aber undurchsichtige, weisse, selbst schwielige Narben in der vorderen Kapselwand zurück. Nach be-• deutenden Verletzungen dagegen trübt sich nicht allein die Kapsel­wand in ihrem ganzen Umfange, sondern auch der Liusenkörper
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selbst, es schrumpft die vordere, in ihrem ganzen Umfange zer­rissene Kapselwand zusammen und zieht sich nach dem Ciliarkörper zurück, wenn sie nicht in Folge der Entzündung mit der hinteren Iriswand durch adhäsiven Process verwächst, in welchem Falle die frei gewordene Linse von der wässerigen Feuchtigkeit erweicht, als wolkige Masse in die vordere Augenkammer hervortritt und dort im günstigen Falle gänzlich resorbirt wird.
sect;. 548. Die Prognose bei den Verletzungen der Linse und ihrer Kapsel ist immerhin eine ungünstige, indem selbst auf die leich­testen Verletzungen, wenn auch nicht sogleich, doch später Ver­dunkelung der Kapsel, grauer Staar, nachfolgt.
sect;. 549. Bei Behandlung dieser Verletzungen beachte man die Ent­zündung durch allgemeine und örthche Antiphlogose und adhibire zur Bethätigung der Kesorption ganz besonders Einreibungen der grauen Quecksilbersalbe und wenn die vordere Linsenkapsel in einem so bedeutenden Umfange verletzt ist, dass die Linse re­sorbirt werden kann, so träufle man einen Belladonnaaufguss oder eine Auflösung des Extractes alle 3 — 4 Tage in's Auge, um sowohl die theilweise aufgelösten Linsentheile in die vordere Augenkam­mer freier gelangen zu lassen, als auch um eine Verwachsung der Linsenkapsel mit der Iris zu verhüten.
sect;. 550. Die Verletzungen des Glaskörpers sind nicht von der grossen Bedeutung fur das Auge, als jene der Linse, weil derselbe bei Aveitem nicht den hohen Grad von Vulnerabilität besitzt, wie letzterer, und es sind die, etwa bei einer geringern Verletzung vor­kommenden, Eeactionen im Auge lediglich nur den dabei vorkom­menden Insultationen der sensiblen und irritablen Gebilde des Au­ges zuzurechnen. Nur können bedeutendere, allzu gewaltsame oder plötzliche Verletzungen dieses Augentheiles unter Einfluss des Muse, retractor zu Vorfall eines grösseren oder kleineren Theiles desselben oder zu Hyalitis führen. Im ersteren Falle wird auch für das Sehvermögen mindere Gefahr gebracht, da selbst zwei Drittheile des Glaskörpers ohne gänzliche Aufhebung des Sehver­mögens ausfliessen können. Angehend die Folgen einer hier mög­lich eintretenden Entzündung der Glashaut, so finden sich diese unter diesem Artikel bereits verzeichnet.
sect;. 551. Die Behandlung dieser Verletzungen ist weniger eine directe als indirecte und mehr gegen die dabei vorkommenden anderwei­tigen Erscheinungen von Erschütterimg und Entzündung gerichtet;
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Organische Krankheiten des Auges.
daher sie meist demgemäss mehr oder minder antiphlogistisch zu halten ist.
B. Veraltete Trennungen.
I. Von der veralteten Spalte des Augenlides.
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sect;. 552.
Ist die Continuität der Augenlider durch unterbliebene Ver­einigung einer quot;Wunde und Ueberhäutung der quot;Wundränder unter­brochen, so nennt man diesen Zustand Coloboma palpebrae acquisitum; besteht eine solche Trennung als angeborner Bil­dungsfehler, so bezeichnet man ihn als Coloboma palpebrae congenitum.
sect;. 553.
Das erworbene Colobom hat mannichfache Störungen in der Thätigkeit des Auges zur Folge, befindet sich dasselbe in der Mitte des Augenlides, so schützt dieses das Auge nicht mehr gehörig gegen die Einflüsse des Lichtes, der Luft, des Staubes und der atmosphärischen Einflüsse, wesshalb das Auge in einem fortwäh­renden Reizzustande erhalten wird, der zuletzt in gänzliche Ab­stumpfung der Nervenhaut übergeht.
sect;. 554.
Die Heilung dieses Zustandes bewirkt man durch Anfrischen der überhäuteten Wundränder mittelst einer geknöpften Scheere und deren Vereinigung durch die Knopfnath und Heftstreifen. Zur Vornahme der Abtragung des überhäuteten Randes fixire man das zu operirende Auge mit einem Haken oder der Zahnpinejette, sicherer noch mit einer durchgezogenen Fadenschlinge und effectuire dann die Abtragung. Gewöhnlich legt man das erste Heft unmittelbar oberhalb des Tarsus an, jedoch ohne denselben oder die Augenlid-conjunctiva zu durchstechen, dann erst legt man die übrigen nö-thigen Hefte nach oben an. Uebrigens kann nach Dzondi auch selbst der Tarsus geheftet weiden und wir halten daher diese Er­fahrung für sehr werthvoll, da bei unruhigen Augen ohne die Hef­tung des Tarsus leicht ein getrennter Zustand desselben zuräck-bleiben könnte. Ist dagegen der Tarsus sehr verkürzt, wie dies bei der angebornen Spaltung häufig der Fall ist, so dürfen die Hefte nur da angelegt werden, wo die Ränder ohne Spannung sich nähern. Nach geschehener Heftung ist es rathsam, die Fäden des
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Organische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 263
untersten Heftes mittelst eines Pflasters auf die Wange, und die­jenigen des obersten auf gleiche Weise an die Stirne zu befestigen, damit das Augenlid durch Bewegungen die schnelle Vereinigung so wenig, als möglich verhindern könne.
II. Von der Spalte der Iris.
sect;. 555.
Die Spaltung der Iris, Coloboma iridis, kann als Folge verschiedenartiger Verletzungen des Auges oder als Fehler ur­sprünglicher Bildung vorkommen, und ist daher eine erworbene, (Coloboma iridis acquisitum) oder eine angeborne (Coloboma iridis congenitum). Die Form der ersteren ist nach ihrem Ursprünge verschieden und von den sie bedingenden oder begleitenden Krank-heitszuständen abhängig und daher in höherem oder geringerem Grade oder gar nicht störend für das Sehen. Die Gestalt der letz­tern aber ist immer gleich, jedoch ihre Grosse und Stelle verän­derlich, wenn sie gleich meistens am untern Theile der Iris vor­kommt und immer von dem Pupillarrande ausgeht, sich in den Körper der Iris nur theilweise oder bis zum Ciliarrande erstreckt und in seltneren Fällen die Iris in ihrem ganzen Durchmesser theilt, (Coloboma iridis perfectum vel imperfectum).
Die Bewegungen der Iris sind dabei gewöhnlich etwas träge und die Spaltungen partieipiren an derselben, so class sie als Pu­pillen angesehen werden können. Die Bänder der Spaltungen sind schmäler als der übrige Theil der Iris. Das Sehvermögen bei acquirirten Spaltungen, wenn sie mehrere sind, ist minder gut, als bei einfacher oder angeborner Spaltung, immer aber ist das Auge lichtempfindlicher. Dieser Zustand findet sich, wenn er angeboren ist, meistens blos auf einem Auge, seltener auf beiden zugleich.
sect;. 556.
In Bezug auf den Grund und die Entstehungsweise des Co-loboms als Bildungsfehler sind verschiedene Meinungen aufgestellt worden.
Mehrere Anatomen und Ophthalmologen, darunter Wagner, Erdmann, Schön, Heyfelder und I. Müller, betrachten das Colobom als ein Stehenbleiben auf einer früheren Entwickelungs-stufe, welche Annahme die, von Car us an dem Auge des Katzen-und Kalbs-Embryo gemachte Beobachtung, dass sich das Auge aus zwei früher getrennten Hälften bilde, bestätigen soll. Dagegen resultirt Arnold *) aus den von ihm gegebenen Mittheilungen über die Ent-
*) A. a. O. p. 152.
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2ftinbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Organische KrankheJlen des Auges.
stehung des Augapfels und über die Bildungs - und Entstehungs­weise seiner Theile, dass dieser Bildungsfehler der Regenbogenhaut nicht in der Art und Weise der Entstehung der Iris begründet seyn kann, sondern dass dieser abnorme Zustand aller Wahrscheinlich­keit gemäss in einer abweichenden und mangelhaften Vereinigung der Blendungsgefässe zu vollständigen Bögen seinen nächsten Grund hat, dass somit die Spaltung der Iris in keiner Hemmung, sondern anf einem Mangel der Bildung beruht. Auf ähnliche Weise spricht sich Seiler *) über diesen Bildungsfehler aus. Indem er die Theorie von v. Walther widerlegt, will er das Colobom aber doch als theil-weise Hemmimgs-Bildung angesehen wissen. Die Gefässe der Iris charakterisiren sich nämlich dadurch, dass sie am äussern und Innern Rande Kreise bilden und die zwischen beiden liegenden Stämme von Aussen nach Innen geschlängelt verlaufend mit ein­ander anastomosiren, ohne netzartige Verbindungen einzugehen, wie dies die Gefässe der Aderhaut thun. Wenn nun an irgend einer Stelle ein zur Bildung eines oder einiger neben einander liegender Kreise bestimmtes Gefässstämmchen obliterire, so werde die Iris an dieser Stelle gehemmt in ihrer Entwickelung, während sich die übrigen Gefässkreise gegen den Pupillarrand hin entwickelten, und auf diese Weise werde da, wo die Bildung der Iris zurückgeblieben sey, eine Spalte entstehen. — Nur nach dieser von Arnold und Seiler aufgestellten Meinung, sagt Chelius **), lässt sich zugleich die mit dem Colobom verwandte Missbildung erklären, wo sich der kleine Kreis der Blendungsgefässe vereinigt, der grössere aber nicht, und dadurch eine doppelte Oeffnung in der Iris entsteht. Stilling hat beim Menschen einen Fall dieser Art beobachtet, wo in dem einen Auge Colobom bestand, in dem anderen eine doppelte achtförmige Oeffnung in der Iris.
sect;• 557. _ Curativ ist bei der angebornen, wie bei der erworbenen Spalte der Iris nichts zu thun; übrigens wird ein Einschreiten selten ge­fordert, da das Sehen dabei selten wesentlich gestört erscheint und nur greller Lichtreiz empfindlich wird, wesshalb ein sorgfältiges Schützen des Auges vor derlei Reiz meistens geboten ist, wenn entzündliche Reizung und Abstumpfung der Sensibilität des Au­ges verhindert werden soll.
*) Beobachtungen ursprünglicher Bildungsfehler und ganzlichen Mangels der Augen.
**) A. a. O. Bd. II. S. 19.
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Organisclic Krankheiten des Angcs.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 265
C. Widernatürliche Cohärenz. I. Von den durch widernatürliche Cohärenz bewirkten Störungen.
sect;. 558.
Die sämmtlichen hierher gehörenden Krankheitsformen erschei­nen als Verengerungen, Verwachsungen oder als völlige Verscldies-sungen. Auch zuweilen zeigt sich gänzlicher Mangel einer aus­sondernden oder aufsaugenden Mündung oder eines fortleitenden Canals.
sect;. 559.
Die durch vermehrte Cohärenz am Sehorgane erzeugten Stö­rungen, sprechen sich in ihren Folgen auf dreifache Weise aus. 1) Entweder machen sie das Sehen und das Einfallen des Lichtes durch Verwachsung der Augenlider oder durch Pupillensperre oder durch eine vordere und hintere Synechie unmöglich. 2) Oder sie behindern die Thränenleitung durch Verschliessung, Verengerung der Thränenpünktchen und Canalchen, wie beim Thränenträufeln; durch Verstopfung des Nasenganges, wie bei der Thränenfistel. 3) Oder endlich sie hemmen die Absonderung der Thränen und setzen den Xerophthalmus (Beck). — Sie sind rdas Product ent­weder äusserst heftiger Entzündungen und Augenblennorrhöen, oder mechanischer oder chemischer Verletzungen an den Augen, endlich auch eines zurückgebliebenen Bildungsprocesses. — Ihre Pro­gnose ist von dem Grade der erlittenen organischen Veränderungen abhängig und nach der Möglichkeit zur Vornahme eines operativen Eingriffes und nach dessen wahrscheinlicherem Erfolge zu bestimmen.
I. Von der Verwachsung der Augenlider.
sect;. 560.
Die Verwachsung der Augenlider besteht entweder aus einer organischen Verbindung der Tarsalränder des oberen und un­teren Augenlides — Anchyloblepharon — oder aus einer Verwach­sung eines derselben mit dem Nagel, — oder sie findet Statt zavI-schen der inneren Augenlidfläche und der Oberfläche des Bulbus — Symblepharon, — oder es sind zwei oder drei dieser Zustände mit einander verbunden.
Diese Verwachsungen sind entweder Fehler der ersten Bil­dung #9632;— angeboren — oder Producte der Ursachen, welche heftige Störungen in der Vegetation der Theile und besonders eine orga-
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26rgt;
Organische Krankheiten des Auges.
nische Veränderung der die Tarsalränder umkleidenden Haut und der Bindehaut bewirken, —- erworben, —
1. Von der Verwachsung der Augenlider unter sich.
sect;. 561.
Die Verwachsung der Augenlider unter sich ist entweder durch allgemeine, gleichmässige, unmittelbare, oder durch fadenartige, oder bandartige Verbindung der ganzen Fläche des oberen und un­teren Augenlides bedingt — Anchyloblepharon perfectum s. totale — oder sie findet nur an einzelnen Stellen und vorzüg­lich in den Augenwinkeln Statt —-Anchyloblepharon imper-fectum s. partiale. Hier ist das Oeffnen der Augenlider gänz­lich unmöglich, dort vermag das Auge nur theilweise geöffnet zu werden, während der andere Theil geschlossen bleibt, wodurch der Bulbus fortwährend nach der geöffneten Stelle gerollt wird und schielt. Erstere Form ist meistens angeboren und letztere erwor­ben. Beide können sich mit andern organischen Ver- und Miss­bildungen der Augenlider, der Tarsalränder oder des Augapfels und unter sich selbst verbinden. — Die Prognose richtet sich nach dem Grade der Verwachsung, nach deren Complication mit organischer Verbildimg u. s. W.
sect;. 562.
Die Behandlung dieser Verwachsungen wird auf operativem Wege geleitet. — Ist die Verwachsung unvollkommen und ange­boren, so fixire man zum Behufe der Operation den Körper und den Kopf des Thieres so viel als möglich, führe darauf durch die vorhandene Oeffnung eine geköpfte Hohlsonde ein und leite dieselbe bis zum entgegengesetzten Augenwinkel in der Art hin, dass sie genau unter die Grenzlinie der beiden Augenlider zu liegen kommt, welche sich durch eine Art von Einschnitt in den Wimpern oder durch eine falsche Haut zu erkennen gibt; darauf bringe man die Spitze eines geraden und dünnen Bistouris in die Kinne der mit dem Daumen, Zeige- und Mittelfinger entsprechender Seite festge­haltenen Sonde, erhebe dieselbe ein wenig, um den Einschnitt zu erleichtern und trenne sodann mit dem Messer das die Vereini­gung bewirkende Zellgewebe.
Sind die Augenlider vollständig verwachsen, so mache man zuvörderst mit einem dünnen Bistouri einen kleinen, der Verbindung entsprechenden Einschnitt, indem man eine Hautfalte bildet und dann auf die nämliche Art, wie im vorigen Falle, verfährt.
Einer von neuem entstehenden Vereinigung, wozu stets grosse Neigung da ist, beugt man dadurch vor, dass man die getrennten
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Känder anfänglich oft mit lauem Wasser wäscht, dem man später etwas Wein zusetzt, um die Vemarbung zu befördern *).
Wir hatten schon mehrere Male am Menschenauge in solchen Fällen von dem Cauterisiren der einen Fläche den erwünschtesten Erfolg. Während die eine Tarsalfläche vernarbte, war die andere mit einem Schorfe bedeckt, der alle Verwachsung unmöglich machte und sich erst dann abstiess, als bereits die Vernarbung beiderseits geschehen war.
Beim Pferde, dem Maulesel, Esel und Rinde sah Leblanc an-geborne Verwachsungen am seltensten und immer nur unvollkom­men, wobei die angegebene Behandlungsart stets ausreichend war. Beim Schafe findet man die erworbene Verwachsung am häufigsten und zwar in Folge der Pockenaugenentzündung. Bisweilen bildet nur einfache Verklebung durch schleimige Materie die Verbindung und ist dann leicht zu heilen mittelst lauer Waschungen und einer stumpfen Sonde. Auch beim Hunde ist diese letztere Abart häufig und gewöhnlich eine der traurigen Wirkungen der dem jugendli­chen Alter dieser Thiere eigcnthümlichen Krankheit. Das nämliche gilt von der Katze, welche ebenfalls beiden Arten dieser Krankheit unterworfen ist**).
2. Von der Verwachsung der Augenlider mit dem Augapfel und der Blinzhaut.
sect;. 563. Die Verwachsung der Augenlider mit dem Augapfel wird in Bezug auf ihre Entstehung, ihre Stelle und ihren Umfang, wie eben auch in Rücksicht ihrer Beschaffenheit in verschiedener Art beob­achtet und kommt daher als Symblepharon acquisitum und conge-nitum, als S. totale und partiale, als unmittelbare oder durch band-und fadenartige Verbindung vermittelte Verwachsung, als einfaches oder mit Anchyloblepharon complicirtes Symblepharon unterschie­den, vor.
sect;. 564. Selten besteht das Symblepharon als unmittelbare meistens nur als mittelbare Verwachsung; bei ersterer wird die Verbindung bei­der Bindehautstellen durch ein kurzes, dichtes Zellgewebe unter­halten, bei letzterer durch faden- oder balkenartige Massen ver­schiedener Festigkeit, wodurch übrigens nur eine lockere Vereini-
*) Leblanc a. a. O. S. 29 *) Leblanc a. a. O. S. 30.
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gung entsteht, welche die Bewegung der Augenlider und des Augapfels nicht beträchtlich stört, während sie bei jener unmög­lich ist. —
Das partielle Symblepharon kommt bei weitem häufiger, als das totale vor und erstreckt sich fast immer von dem Augenlidrande bis zum Ueberschlagepunkte der Bindehaut der Augenlider zu jener des Augapfels. — Nicht ungewöhnlich ist bei dem Symblepharon das Vorkommen einer Complication mit Anchyloblepharon, mit Verwachsung der Ausführungsgänge der Thränendrüse, wie auch der Thränenpunkte.
sect;. 565. Dieses Uebel ist Folge heftiger Entzündung und Exulceration der Bindehaut, deren Augapfel- und Augenlidflächen sich vereinigen, wie dies nach schlecht verrichteten Operationen an der Bindehaut und den unter ihr liegenden Theilen zuweilen vorkommt. Leblanc sah es am Schaafe, Kinde und Hunde, es kommt aber auch an den andern Hausthieren vor, am öftersten aber bei den Schaafen in Folge der Pocken, sodann beim Kinde, wo es oft durch Getraidespel-zen veranlas st wird, welche, wenn sie in's Auge kommen, eine fortgesetzte Entzündung unterhalten. Verbrennungen durch Feuer, Metall, ungelöschten Kalk, Aetzkalilauge, Mineralsäuren, sobald nur die dadurch entstehende Eiterung zwei einander berührende Stellen der Bindehaut einnimmt, dabei das Auge unzweckmässig behandelt oder auch nur über die Gebühr verbunden und unbewee-lieh erhalten wird, geben ebenfalls eine häufige Ursache zu dieser Verwachsung ab.
sect;. 566. Die quot;Wichtigkeit des Uebels muss nach der Stelle beurtheilt werden, an welcher die Anhängung sich befindet. Beschränkt sie sich auf die Blinzhaut (Nagel), oder auf den Theil der Binde­haut, welcher die Sclerotica bekleidet, so wird das Thier, sobald die Hornhaut unverletzt bleibt, noch sehen können, obwohl nur be­schränkt. — Findet die Verwachsung mit der ganzen Oberfläche oder einem grössern Theile der Hornhaut Statt, so ist gänzliche Blindheit die Folge. Im Allgemeinen sind Anhängungen dort am meisten zu fürchten, wo bei heftiger suppurativer oder plasti­scher Entzündung die Absonderung der Thränen am geringsten ist, daher auch die Theile des Auges, welche am wenigsten von den Thränen befeuchtet werden, am häufigsten den Verwachsungen ausgesetzt sind, die man daher am gewöhnlichsten am oberen und inneren Theile des Auges findet.
sect;. 567. Das totale Symblepharon ist absolut unheilbar. Beim partiel-
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len ist die Prognose günstig, wofern die Verwachsungen nicht von zu bedeutewiem Umfange sind.
sect;. 568.
Zur Operation bediene man sich des Leber'schen Messers, in­dem man, das Augenlid stark vom Augapfel abziehend, zwischen beiden mit dem Messer hinwegfahrt und auf diese Weise die be­stehenden Adhäsionen trennt. Sollte vielleicht eine schwielichte Narbe zwischen den Augenlidern und dem Augapfel bestehen, welche das Symblepharon bildet, dann fasse man diese mit der Pinzette und exstirpire sie an beiden Insertionspunkten mit der C o o p e r'schen Scheere. — Auch nach der Operation besteht die Hauptsache darin, die Wiederkehr der anomalen Verbindung zu verhüten, und dies geschieht am zweckmässigsten, indem man nach Jüngken die Augenlider durch Heftstreifen oder einen Faden an der Stirne und den Wangen befestigend von dem Augapfel abzieht; oder nach unserm Eathe den Bulbus an seinen wunden Stellen mit Höllenstein ätzt und selbe nicht eher wieder mit den Augenlidern bedecken lässt, bis sich ein Schorf gebildet hat.
Die Aveitere Nachbehandlung werde wie bei dem Anchyloble-pharon geleitet.
3. Von der Verwachsung der Ausführungsgänge der Thränendruse.
sect;. 569. Die Verwachsung der Ausführungsgänge der Thrä­nendruse betrifft Istens einzelne derselben oder 2tens sämmt-liche. — Symptome: Zu 1. Schwerbeweglichkeit der Augenlider, erhöhte Empfindlichkeit des Auges gegen den Wind, Staub und dcrgl. Einflüsse, und darauf folgende entzündliche ßöthe; zu 2. Trockenheit des Auges, Xerophthalmos, grosse Empfindlichkeit ja Schmerzhaftigkeit, daher auch Unbeweglichkeit des Auges; starke, über die ganze Bindehaut verbreitete Röthe, schmutzig trübe Fär­bung der Hornhaut; später Ueberhäutung der Bindehaut, Verwach­sung der Palpebral-Bindehaut mit jener des Bulbus oder Vertrock­nen, ßunzlichtwerden oder Faltigaussehen derselben. Später am oberen Augenlide, zunächst dem Schläfenwinkel, eine elastische, beim Drucke unschmerzhafte, gleichfarbige, begrenzte, anfänglich kleinere, später grössere Geschwulst, mit tiefem Sitze und mit ge­gen die Augengrube gerichteter Basis, welche sich bei genauer Prüfung als eine Ausdehnung der Thränenröhrchen zu erkennen gibt und Thränengeschwulst des oberen Augenlides, dacryops palpebrae superioris, genannt Avird.
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sect;. 570.
Aus der Thränengeschwulst des oberen Augenlides entwickelt sich die Thränendrüsenfistel, fistula glandulae lacrymalis, als selbstständige Krankheit und besteht in einer feinen, mit callösen Eändern versehenen, an dem oberen Augenlide gegen den äusseren Augenwinkel hin befindlichen Oeffnung, welche mit einem, auf ir­gend eine quot;Weise zerstörten Ausführungsgange communicirt. Bei Untersuchung der Tiefe der Geschwulst mittelst der Sonde trifft man nur auf Weichgebilde und nicht auf den Knochen, worin die Unterscheidung zwischen Thränenfistel und Caries der Orbita liegt.
sect;. 571.
Ursachen dieser Verwachsung: Verletzungen durch mecha­nische oder dynamische Einflüsse, welche mehr oder weniger heftige und anhaltende Entzündungen und organische Veränderungen der Bindehaut bewirken.
Besondere Anlässe zur Entstehung einer Thränendrüsenfistel sind Entzündung und Vereiterung der Thränendrüse, schlecht be­handelte und rosenartige Abscesse und UIcerationen im oberen Au­genlide, häufig auch die Zerstörung von Balggeschwülsten am obe­ren Augenlide nahe am äusseren Augenwinkel mittelst Aetzmittel.
sect;.572.
Behandlung. Eine Beseitigung dieses Zustandes liegt ausser dem Bereiche der Kunst, nur Milderung der lästigen Symptome kann durch zeitgemässes Instilliren schleimiger Wässer, aus Mal-vendecoct u. s. w., bewirkt wTerden.
Zur Heilung der Thränendrüsenfistel hat man sich adstringi-render, auch der Chlorwasser - Injectionen bedient, aber nur selten damit genützt. Die Eröffnung der Fistel und die Cauterisation des Grundes derselben vermittelst eines zugespitzten Höllensteincylin-ders, will man auch mit günstigem Erfolge adhibirt haben. Bei wenigen Thieren wird übrigens dieses kleine Leiden kaum beach-tenswerth seyn und darum auch selten zu einer Behandlung veran­lassen.
4. Von der Verengerung und Verschliessung der Thriinenpunkte und Thränencanälchen.
sect;. 573. Die Verengerung der Thränenpunkte und. Thränen­canälchen, Stenochoria punetorum et canaliculorum lacrymalium, beruht auf harter, callöser Verschrumpfung der Thränenpunkte und Canälchen oder auf sarkomatöser Aufwulstung ihrer inneren schleim-
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häutigen Umkleidung, und ist zuweilen mit verschiedenen Krank-heitszuständen des Thränensackes und Nasencanales verbunden; auch wird sie durch Druck der krankhaft vergrösserten Thränen-carunkel und des dritten Augenüdes hervorgerufen.
sect;. 574.
Callöser Verschrumpfung der Thränenpunkte liegen stets blen-norrhöische Entzündungen und Excoriationen der näheren Umge­bung derselben zum Grunde; bei ihr steht das ThränenWärzchen nicht vor und der Thränenpunkt saugt gar nicht oder nur sehr un­vollkommen auf, woher sich die Thränenflüssigkeit im Thräuensee ansammelt und dann über das untere Augenlid abträufelt.
sect;. 575.
Liegt der Verengerung der Thränenpunkte und Canälehen eine, durch blennorrhöische Entzündung bewirkte Aufwulstung der schleimhäutigen Umkleidung zum Grunde, so prominiren die Thrä­nenpunkte auffallend und sind auf ihren Mündungen mit einer rothen, liervorragenden Masse bedeckt.
sect;• 576.
Die Möglichkeit der Heilung ist abhängig von dem Grade der Veränderung in der Schleimhaut und von den mit der Unwegsam­keit der Thränenpunkte complicirten Krankheitszuständen des Thrä­nensackes und Nasencanals.
Bei der Behandlung dieses Zustandes erweisen sich zur He­bung nicht zu fester Aufwulstung der Schleimhaut, als Ursache der Verengerung, Einträufelung einer Quecksilbersublimat- oder Lapis divinus-Solution in Verbindung mit Opium, oder das Ein­streichen einer Quecksilberpräcipitatsalbe und dergl. nützlich; da­gegen ist aller dynamischer und mechanischer Curversuch bei feste­rer, sarkomatöser Veränderimg der Schleimhaut in Bezug auf Hei­lung erfolgles. Complication oder ursächlicher Zusammenhang mit Leiden des Thränensackes und Nasencanales macht eine besondere Berücksichtigung dieser Zustände nothwendig.
sect;.577.
Vollkommene Verschliessung der Thränenpunkte und Thränencanälchen, Atresia punetorum et canaliculorum lacrymalium, geht entweder aus Vernarbungen nach Verletzungen, Verbrennungen und ulcerativen Entzündungen hervor, oder ist ur­sprünglicher Bildungsfehler und beschränkt sich auf die Thränen­punkte oder breitet sich über die Thränencanälchen mehr oder we­niger aus.
sect;. 578._
Bei nur oberflächlicher Verschliessung des Thränenpunktes, sticht man eine runde Nadel durch und führt sodann immer dicker
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werdende Darmsaiten ein und sucht auf diese Weise die Durch­gängigkeit des Thränenpunktes sowie dessen Dilatation zu er­wirken.
Ist übrigens die Verwachsung auf die Thränencanälchen be-schränkt, so ist die Eröffnung des Thränensackes von der inneren Seite des Augenlides empfohlen, welche Oeffnung erhalten und in callösen Zustand übergeführt werden soll, um zwischen der inneren Fläche der Augenlider und dem Thränensacke, bei den Thieren, welche damit versehen sind, eine neue Verbindung herzustellen. Die Operation wird auf folgende Weise verrichtet:
Nachdem das Thier entsprechend fixirt worden ist, zieht ein über den Nacken gestellter Gehülfe die Augenlider auseinander, vermeidet aber sie nach dem äusseren Winkel hin zuziehen. Der Operateur fasst, mittelst einer in der linken Hand gehaltenen Ha-kenpin^ette, die den Thränensack im Inneren Augenwinkel bedecken­den Theile und sticht sodann ein schmales Bistouri in senkrechter Richtung zwischen der inneren Commissur des unteren Augenlides und der Stelle, wo der Thränenpunkt seyn soll, in den Thränensack selbst hinein und führt eine Fischbeinsonde durch diese Oeffnung in den Thränensack bis in die Nase, — nach vorläufiger Eröffnung des Nasencanals, wenn dieser verschlossen war, — um eine Schnur durchzuziehen, welche die Verwachsung des neuen Thränencanals verhindert. Die seidene Schnur, an deren beiderseitigen Enden man sehr leichte kupferne Ringe anbringt, um ihr Herausfallen zu verhindern, wird täglich in der Wunde bewegt, bis man versichert ist, dass die künstlich gebildete Oeffnung, um den Thränen freien Abfluss zu gestatten, gross genug, hinlänglich vernarbt und nicht mehr wund ist. — Die Eiterung, als natürliche Folge der Ope­ration, stellt sich am zweiten oder dritten Tage ein, und trägt zur Verdünnung der Wundränder bei, daher sie mittelst erweichender Applicationen zu unterstützen ist. Sind die höheren Grade der Entzündung beseitigt, so gebraucht man Waschungen aus frischem Wasser und Branntwein, dessen letztere Menge man täglich ver­mehrt *).
So einfach diese Operation scheint, so wenig entsprechend ist ihr Erfolg, indem diese Oeffnung sogar nach langwieriger Behand­lung sich wieder schliesst, und selbst, wenn sie offen bliebe, die Thränen nicht gehörig in den Thränensack abfllessen lassen würde, weil diess nicht blos nach dem Gesetze der Schwere, sondern durch eigenthümliche Resorptionsthätigkeit der ableitenden Parthie des
*) Leblanc a. a. O. S. 77 u. ä'.
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Thränenorganes geschieht*). Der Nutzen dieser Operation, sagt Dr. Radius, der Uebersetzer der Leblanc'schen Abhandlung, wird durch diese Erfahrungen sehr verringert. Hierzu kommt noch die gemachte Beobachtung, dass bei Verschliessung der Thränenwege, auch die Absonderung der Thränen geringer wird und keineswegs ein so grosses Thränenträufeln entsteht, als man nach Verscliliessung der Ableitungswege erwarten dürfte.
sect;.579. Mechanische Verstopfung der Thränenpunkte und Canälchen durch angehäuften Schleim und festsitzende Steine erkennt man durch Untersuchung mittelst der Anel'schen Sonde und behandelt diesen krankhaften Zustand nach den, bei Angabe der Behandlung der Entzündung der Thränenwege aufgestellten Ke­geln.
Bei der Sondirung der Thränenpunkte und Canälchen muss man mit der grössten Zartheit und auf folgende Weise verfahren: Man fasst die Anel'sche Sonde, wie eine Schreibfeder mit der rechten Hand, wenn man auf der linken Seite —#9632; und mit der linken Hand, wenn man auf der rechten Seite operirt, setzt den kleinen Finger zur Unterstützung auf die Wange, und indem man mit den Fingern der andern Hand das untere Augenlid, gegen den Schlaf an-und zugleich etwas vom Auge abzieht, um es zu spannen und den Thränen-punkt mehr hervortreten zu lassen, führt man die Sonde in verticaler Eichtung in denselben, senkt sie dann in horizontaler Lage und schiebt sie langsam in den Thränensack. — Sondirt man den oberen Thränenpunkt, so fixirt man das obere Augenlid in derselben W7eise, führt die Sonde in gerader Richtung von unten nach oben in den Thränenpunkt und indem man sie in horizontale Rich­tung bringt, bis zum Thränensack fort **).
sect;. 580. Unter die, diese Verschliessung begleitenden Krankheitszustände gehört vorzugsweise die Ansammlung des, in dem Thränensacke abgesonderten und durch die Thränen nicht fortgespülten Schlei­mes, welche ebenfalls durch die Eröffnung des Thränensackes von der inneren Seite des Augenlides Beseitigung findet.
5. Von der Thränensackgeschwulst, der Thränensackfistel und der Unwegsamkeit des Nasencanales.
- ^ _nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;sect;. 581.
Eine jede chronische Ausdehnung der vorderen Wandung des Thränensackes durch angehäufte Flüssigkeiten oder Aufwulstung der ihn auskleidenden Schleimhaut, belegen wir mit dem Namen
*) Chelius a. a. O. Bd. 2. S. 49. **) Ebendaselbst Bd. 2. S. 48. Müller, Veterinär-Oplithalmologie. II.
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der Thränensack-Geschwulst (Tumor sacci lacrymalis). — Bricht die Geschwulst des Thränensackes auf und entleert sich der Inhalt desselben durch diese Oeffhung, so entsteht die Thränen-sack-Fistel (Fistida sacci lacrymalis)*).
sect;. 582. Die Thränensackgeschwulst erscheint in Form und Beschaffen­heit, sowie in dem Grade ihrer Entwickelung nach der ihr zum Grunde liegenden Ursache in mannichfacher Modification. Diese beruht zunächst auf gestörter oder völlig aufgehobener Fortleitung der Thränen und des Schleimes durch den Nasencanal und ist be­dingt durch krankhaft veränderte Beschaffenheit des Schleimes, durch Erschlaffung der quot;Wandungen des Thränensackes und Mangel an fortleitender Kraft, durch Verengerung und Verschliessung des Nasencanales, durch granulöse und polypöse Degeneration der Schleimhaut. — Hiernach sind zu unterscheiden: die blennor-rhoische und atonische Geschwulst des Thränensackes, die Wassersucht des Thränensackes, der Thränensack-bruch und die granulöse und polypöse Geschwulst. — Diese Zustände stehen untereinander in der genauesten Beziehung und entwickeln sich aus einer gemeinschaftlichen Ursache, aus der Entzündung der, die ableitende Parthie des Thränenorganes aus­kleidenden Schleimhaut**).
sect;. 583. Die blennorrhoische Thränensackgeschwulst auf krankhafter Stimmung des Thränensackes beruhend, und aus einer primären oder secundären Thränensackentzündung als Blennorrhöe gewöhnlich hervorgegangen, charakterisirt sich durch eine bohnen-förmige, druck-aushaltende Anschwellung von wechselnder Grosse, welche sich ihres eiterigen Inhaltes nur bei einem, auf dieselbe aus­geübten Fingerdrucke nach oben und unten entleert, woraus hervor­geht, dass die Ursache der Nichtleitung theilweise auf Unwegsam­keit und Aufwulstung des Thränensackes und Thränencanales be­ruht, hauptsächlich aber in der Qualität des weiter zu leitenden In­haltes begründet ist. — Anlangend die nähere Beschaffenheit und Ausdehnung der Geschwulst, so hängt sie von der Masse und Qualität des angesammelten Inhaltes ab; ist diese anfänglich noch dünne, weiss und schleimig, so schwindet jene nach deren Abfluss ganz, während der, von seinem, im spätem Verlaufe an Masse ver­mehrten und nach Qualität eiterig werdenden Inhalte befreite Thrä-
*) Chelins a. a. O. Bd. 2. S. 51. **) Ebendaselbst Bd. 2. sect;. 64 n. 05.
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nensack immer noch eine härtliche Anschwellung zeigt. Weiter spiegelt sich der Zustand der Schleimhaut der Thränenwege in jenem der Bindehaut, der Blinzhaut, der Thränencarunkel und der Harder'schen Drüse ab; femer charakterisirt sich derselbe jeder Seits als Auflockerung, Fungosität, granulöse Wucherung oder als eiterige Zerstörung, als eine Veränderung, welche sich selbst überlassen oder bei unzweckmässiger Behandlung und unter dyskrasischen Verhält­nissen, bedeutender werden, die Ableitimg in die Nase, sowie die Zuleitung durch die Thränenpunkte nach und nach immer mehr stören und endlich ganz aufheben, die ulceröse Zerstörung vermeh­ren und zugleich auch eine Erschlaffung der vordem Wand des Thränensackes bewirken kann; welcher letztere und atonische Zu­stand bei Versäumniss einer öfteren, oder immöglich gewordenen, Entleerung des Thränensackes von seinem gemischten, schleimigen und thränigen Inhalte, besonders bei alten und schlaffen Subjecten von genannter Stelle auf den über ihr liegenden, sonst festen Zell­stoff übergeht, die Einwirkung der entsprechenden Parthie des Or-bicularmuskels schwächt und die Fortleitimg der Thränen, selbst nach aufgehobener Blennorrhöe organisch und mechanisch stört, oder gänzlich unterbricht undjene Anschwellung des Thränensackes setzt, welchen man als atonische Thränensackgeschwulst bezeichnet.
sect;. 584. Die atonische Thränensackgeschwulst, Tumor sacci lacrymalis atonicus, Dacryops atonicus, Hernia sacci lacrymalis, charakterisirt sich durch eine scharfbegränzte, bohnenförmige, dem natürlichen Umfange des Thränensackes entsprechende und auf ihrer äusseren Oberfläche nicht enttärbte Geschwulst, deren In­halt aus Schleim und Thränen bestehend, bei massigem Finger­drucke sich leicht entleeren lässt, ohne dass eine Geschwulst in dem Thränensacke verbhebe, jedoch sich alsbald abermals sammelt und der Geschwulst die vorige Gestalt und Grosse wieder gibt.
sect;. 585. Die Thränensackwassersucht, Hydrops sacci lacrymalis, bildet sich nach Beer aus der blennorrhoischen Thränensackge­schwulst und dann hervor, wenn der im Thränensacke und in dem Nasencanale befindliche Schleim eine vermehrte Cosistenz annimmt und darum, weder durch den Nasengang, noch durch die Thränen­punkte endeert werden kann, oder wenn nach Chelius u. A. die Textur der Schleimhaut der Thränenwege immer mehr verändert, aufgelockert und granulös wird, und durch diese Veränderungen der Thränenwege obere und untere Mündungen sich verengen oder schliessen.
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Diese Geschwulst hat keine bestimmte Begränzvmg und eine länglich runde Form, zeigt auf ihrer äusseren Bedeckung einige Eöthe, manchmal auch schon zu Anfang, .in der Eegel erst später bei Zunahme der Geschwulst, eine röthlich blaue Farbe, ist prall, empfindlich und widerstrebt dem Fingerdrucke, da sich ihr Inhalt nach keiner Eichtung entleert; nach Zunahme der Geschwulst stei­gert sich die Empfindlichkeit derselben zum Schmerze und es Avird das Bewegungsvermögen der Augenhder sehr beeinträchtigt und endlich ganz aufgehoben.
sect;. 586.
Die Ausgänge dieser Geschwulst sind Bersten derselben mit Entleerung eines dünnen, eiweissähnlichen oder eines dickem, mit Schleimflocken untermischten, manchmal gallertartigen Schleimes; oder auch bei schlechter Behandlung, Ulceration der Weichtheile und Caries in den Knochengebilden, wobei die Geschwüre sich durch den Charakter der Atonie auszeichnen, blauroth werden, mit einem Walle schwammichter Wucherungen umgeben sind, bräun-liche, übelriechende Jauche aussondern, und der Knochen rauh gefühlt wird.
sect;. 587.
Die granulöse und polypöse Geschwulst des Thrä-nensackes, entwickelt sich unter fortgesetzter und unter ungün­stigen Verhältnissen stehender Blennorrhöe, bei nicht vollständig geschlossenem Thränensacke, entweder als granulöse Wucherung der Thränensackschleimhaut oder polypöse Excrescenz auf dersel­ben. — Im ersten Falle erscheint die Geschwulst fest, hart und durch Fingerdruck in ihrer Lage unveränderbar, endeert dabei auch nur wenig oder gar keine Flüssigkeit und bleibt selbst bei deren Abfluss durch die Thränenpunkte, in ihrer Ausdehnung sich gleich, dabei ist ihre Hautbedeckung, je nach der Abwesenheit oder Ge­genwart entzündlicher Reizung oder beginnender Suppuration, in der Farbe unverändert oder geröthet. Im zweiten und seltenen Falle ist die Geschwulst von unbestimmter meist kugelichter Form, fest und ihr Inhalt etwas verschiebbar, sind die Wände des Thränen-sackes nicht gleichmässig ^ausgedehnt und entleert sich nach der einen oder andern Richtung auf ausgeübten Druck Avenig puri-former Schleim ohne Verminderung des Umfanges.
sect;. 588.
Thränensackfistel, Fistula sacci lacrymalis, nennt man ein jedes mit der Höhle des Thränensackes communicirende Geschwür. Ihre Grundursache liegt entweder ursprünglich in der Schleimhaut des Thränensackes und Nasenschlauches, oder sie setzt sich von der Conjunctiva der Augenlider oder von der Nasenschleimhaut auf
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dieselbe fort; sie ist eine Folge anhaltender Verengerung, Ver­stopfung oder wirklicher Verwachsung des häutigen Thränennasen-canals, heftiger Entzündung und Blennorrhöe des Sackes, von Abscessbildung, Aegylops oder psorisch-impetiginösen und anderen Dyskrasien, überhaupt von Zerstörung der vorderen oder hinteren quot;Wand des Thränensackes — äussere und innere Thränensackfistel. — Die Durchbohrung des Thränensackes findet auf geradem Wege Statt oder es besteht zwischen der äusseren und inneren Oeffnung ein Fistelgang; oft gibt es nur eine Oeffnung, manchmal deren mehrere und ihre Känder sind meistens mehr oder weniger callös, zusam­mengezogen, oft mit schwammichten Wucherungen besetzt. Sie charakterisift sich durch den Ausfluss des Inhaltes des Thränen­sackes nach aus sen oder durch Infiltration desselben nach innen in das Zellgewebe und, für den ersten Fall, durch die Möglichkeit der Einführung einer Sonde in den Thränensack.
sect;. 589.
Die Aufgabe bei der Behandlung der verschiedenen Krankheits-zustände des Thränensackes ist die Entzündung und abnorme Schleimsecretion zu entfernen, die Ausdehnung des Thränensackes zu verhüten und den Thränen einen freien Abfluss in die Nase zu bewerkstelligen. — Diesen Indicationen wird in den verschiedenen Krankheitszuständen des Thränensackes auf verschiedene Weise entsprochen *).
Entzündlicher oder blennorrhoischer Charakter derselben erfor­dert die, diesen Zuständen entsprechende, an den gehörigen Stellen angegebene allgemeine Behandlung, wie eben auch eine sorgfältige therapeutische Berücksichtigung constitutioneller, damit zusammen­hängender Krankheitszustände; daher in letzterer Rücksicht bald solche Mittel, welche die Thätigkeit der Secretions- bald solche, welche jene der Nutritionsorgane erhöhen, oder in ihrem Zusam­menwirken eine allgemeine Säfteum Stimmung bewirken, in Gebrauch gezogen werden müssen.
Die örtliche Behandlung ist jene der Thränensackentzündung und Blennorrhöe, bald entzündungswidrig, bald umstimmend, bald adstringirend und ätzend. Dabei ist es Haupterforderniss in der Behandlung auf häufiges Entleeren des Thränensackes bedacht zu seyn und bei atonischem Zustande der Thränensackwandungen na­mentlich, von grossem Nutzen.
sect;. 590.
Wenn im Verlaufe der verschiedenen Formen von Thränen-sackleiden sich UIceration und fistulöse Oeffhungen gebildet haben,
*) Chelius a. a. O. Bd. 2. S. GO.
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so ist die einzuleitende Behandlung nach der Beschaffenheit der Geschwürsöffnung, nach dem Zustande des Thränensackes und Nasencanals und nach den, mit diesen verschiedenen Zuständen compheirten, Knochenaffectionen, besonders zu reguliren.
Entstand das Fistelgeschwür durch Abscessbildung oder ein­fache Blennorrhöe, so stellt eine sachgemässe Behandlung die dabei nicht TÖllig imterbrochene Wegsamkeit im Nasencanal wieder frei her. — Bei sehr kleiner, sogenannter Haaröffnung oder bei nicht stattfindender directer Correspondenz der äusseren und inneren Oeffnung, hat man erstere auf einer eingeführten Sonde vorsichtig zu erweitern oder letztere zuvor zu spalten, ehe man die Thränen-sacköfihung dilatirt; ist letztere bei entleertem und zusammenge­fallenem Sacke nicht aufzufinden, so schliesse man die äussere Wunde so lange mit einem kleinen Plumasseau und Heftpflaster, bis sich derselbe wieder gefüllt hat, wo sich dann dieselbe bei Ab­nahme des Verbandes durch Ausfliessen ihres Inhaltes wird leicht erkennen lassen. Ausserdem muss eine noch vorhandene, entzünd­liche Spannung durch feucht warme, schleimige Fomente zur Er­schlaffung und Eiterung gebracht wrerden. Kleine, nach Beseiti­gung der übrigen Zufälle zurückbleibende Fistelöffnungen schliessen sich durch Betupfen mit einem Höllensteincylinder und durch Be­decken mit einem Klebepflaster vollständig.
sect;. 591.
Bei aufgelockertem Zustande der Schleimhaut des Thränen­sackes oder bei veralteten Geschwüren hat die Kunst dahin zu wir­ken, die Auflockerung durch umstimmende, gelind adstringirende und bei der Behandlung der Thränensackentzündung namhaft ge­machte Mittel zu beseitigen, welche man durch die gehörig erwei­terte Oeffnung des Thränensackes auf die Schleimhaut selbst bringt.
sect;. 592.
Ist Knochenfrass des Thränenbems zugegen, so muss man sich eben auch freiere Bahn zum Knochen durch Erweiterung der äusseren Fistelöffnung verschaffen oder aber, wenn dabei die Fistel­öffnung eine innere ist, was man aus dem übelriechenden, eiterigen Ausflusse aus dem Nasencanale, während sich aus den Thränen-punkten wenig oder gar keine Flüssigkeit entleeren lässt, erkennt, es ist durch einen Längenschnitt der Thränensack zu spalten, um dem Krankheitsheerde nahe kommen und denselben nach den allge­meinen und besondem Eegeln der Chirurgie örtlich behandeln zu können.
sect;. 593.
Gegen granulöse und polypöse Entartungen der Schleimhaut,
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wie sie sich in der festen Anschwellung und Ausdehnung des Thra-nensackes zu erkennen geben, vermögen die gewöhnlichen, zur Rückbildung der Hypervegetation gebrauchten Mittel (Blutegel, Jod- und Quecksilbersalbe, Mercurial- und Cicutapflaster) kaum etwas zu leisten und es bleibt die Geschwulst unverändert ste­hen und ein ununterbrochenes Thränenträufeln zurück. Zeigt sich aber die Wucherung für die unten liegenden Gebilde gefahrvoll oder hatte schon wirklich eine Zerstörimg der äusseren oder inne­ren Thränensackwand Statt, so dürfte eine Zerstörimg der After-production mittelst des Glüheisens am ehesten gelingen; in welchem Falle freilich auch der Thränensack durch complete Verwachsung seiner Wände, Atresia sacci lacrymalis, für seine Function auf immer verloren seyn wird.
sect;. 594.
Die verschiedenartigen Zustände des Nasencanales, welche die freie Communication in demselben stören, sind theils selbstständig und primitiv, oder von gleichem Zustande des Thränensackes ver-anlasst und consecutiv. Sie beruhen auf Verstopfung, Auflocke­rung, sarkomatöser Entartung, Knochengeschwulst oder Verwach­sung und erscheinen sohin als verschiedene darnach speciell be­nannte Arten.
sect;. 595.
Die Verengerung des Thränencanals durch Schleim, Stenochoria canalis nasalis mucosa, wird durch vermehrte Schleim-secretion im Thränencanale oder in dem Thränensacke, welche ge­wöhnlich nach subacut entzündlichen, chronisch catarrhalischen Affectionen der Bindehaut oder der Schleimhaut der Thränenwege oder der Nase vorkommen, hervorgerufen. Der Abfluss des, in der Regel aus Thränen, hellem und mildem Schleime bestehenden, In­haltes des Thränensackes in die Nase ist gänzlich aufgehoben oder nur bei starkem Niesen möglich, daher derselbe freiwillig aus den Thränenpunkten überfliesst oder nach einem gelinden Drucke auf den Thränensack hervortritt.
Es ist dies eine heilbare, wenig gefährliche, aber chronische Krankheitsform.
sect;. 596. Die einfache Verengerung, Strictur des Nasencanales, Stenochoria simplex, Strictura canalis nasalis, wird durch Auflocke­rung und Anschwellung der Schleimhaut des Nasencanals gebildet und entsteht nach Entzündungen und Blennorrhöen der Thränen­wege. Als charakteristische Merkmale derselben sind anzusehen: Trockenheit der Nase an der leidenden Seite, — starke Geschwulst des Thränensackes, deren Inhalt sich nur durch die Thränenpunkte,
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nicht aber durch die Nase entleeren lässt, — Ansammlung von Schleim im inneren, massig gerötheten Augenwinkel, — der mehr schleimige, als wässerige Gehalt der aus dem Thränensacke kom­menden Flüssigkeit — besondere Neigung zu wiederholten Anfäl­len von Entzündung der Augen, namendich der Mondblindheit. In Folge der längeren Dauer dieses veränderten Zustandes derNa-sencanal - Schleimhaut erleidet der Thränensack und die Thränen-röhrchen ebenfalls mehrfache organische Veränderungen undFunc-tionsstörungen und in Folge solcher wiederholter Anfälle von Ent­zündung wird zuletzt das Epithelium der Schleimhaut zerstört und dann geht die einfache Stenochorie in eine sarkomatöse über.
sect;. 597. Die sarkomatöse Verschliessung des Nasencanals, Stenochoria sarcomatosa, beruht auf einer sarkomatösen, üppi­gen Wucherung der Schleimhaut, und gleicht häufig, ihrer Innigkeit wegen, einer Verwachsung. Sie unterscheidet sich von der einfa­chen Form der Stenochorie durch stärkere Köthe des inneren Au­genwinkels, in welchem zäher, scharfer Schleim in grosser Masse angesammelt ist, und zeigt als ferneres Unterscheidungsmerkmal in der Qualität der abgeschiedenen Thränensackflüssigkeit die Ver­änderung, dass dieselbe einen zähen, eiterartigen Schleim bildet, dem bei seinem Ausflusse und seiner beträchtlichen Menge nur wenig Thränenfeuchtigkeit vorangeht und beigemischt ist; auch sind hier die begleitenden Zufälle mehr entzündlicher Natur und schmerzhafter, als jene der ersteren Form.
sect;. 598. Verengerung und Verschliessung des Nasencana-les, Stenochoria et Atresia canalis nasalis, herrührend von Kno­chengeschwülsten, sind nach ördichen Verletzungen durch Schläge nicht selten. Sie bestehen zuweilen nur an einem kleinen Theile, manchmal auch durch den ganzen Lauf des Canales. Man erkennt dieselbe beim Einführen einer Sonde durch die Thränenröhrchen und von unten durch den Nasencanal.
Bios häutige Verwachsung des Canals trifft man zum öfteren als eine Folge von Vereiterung.
sect;. 599. Die Stenochorien des Nasencanales sind fast immer Folge von Entzündung und Blennorrhöe der Schleimhaut und werden vor­zugsweise bei kachektischen, dyskrasischen Individuen, welche ver­möge der obwaltenden Kachexie oder Dyskrasie an und für sich zu einem Leiden der Schleimhäute geneigt sind, wahrgenommen. Daraus lässt sich eben auch die grosse Neigung zu Recidiven er­klären.
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sect;. 600.
Die Prognose ist im Allgemeinen von der Art und Ursache der Stenochorie abhängig.
Die günstigste Prognose lässt die Stenochoria mucosa zu; bei zweckmässiger Behandlung gelingt die Heilung in der Kegel gründlich, besonders wenn es durch ein zweckmässiges, allgemeines und inneres Heilverfahren gelingt, die bestehende Prädisposition zu heben. —
Bei der einfachen Stenochorie hängt die Prognose von der Länge der Dauer des Uebels und dem Grade der Schleimhaut-Auflockerung ab; ist das Uebel noch frisch und die Auflockerung noch nicht bedeutend, so steht die Prognose gut, dagegen an eine leichte und dauernde Heilunor dieser Störunjj im entejegengesetzten Falle nicht wohl zu denken ist, sobald dieselbe in der Constitution des Individuums oder in einer vorwaltenden Prädisposition theil-weise begründet ist. —
Die ungünstigste Prognose in Bezug auf Heilung bietet die sarkomatöse Stenochorie des Nasencanales, wegen der Un­möglichkeit, die Integrität des einmal verletzten Schleimhautepithe-liums wieder herzustellen, da die Wucherungen, einmal entfernt, oft um so üppiger wiederkehren und wenn dies nicht, doch solch erhabene Narben hinterlassen, die die Wegsamkeit des Canales nicht minder beeinträchtigen, als die Excrescenzen selbst. —
Die Verschliessung des Nasencanales durch Knochen-auftreibung gibt ebenfalls wenig Grund zur künstlichen Beseitigung des Uebels, da ein operatives Verfahren nur einen sehr unsichern Erfolg zu bieten vermag; durchaus ungünstig aber steht die Pro­gnose , wenn noch Entzündung in dem knöchernen Canale fortbe­steht oder aber selbst schon Caries eingetreten oder das Leiden mit allgemeinen krankhaften Zuständen complicirt und tiefer begrün­det ist. —
sect;. 601.
Die Behandlung dieser verschiedenen Zustände ist eine me-dicamentöse und operative, meistens beides zugleich. Die opera­tive bleibt bei allen Thieren dieselbe, nur das Verhältniss des Schnittes in den Sack und die Dicke der Sonde und Wieke müssen der individuellen Grosse angemessen seyn. Da beim Ochsen eine grössere Erweiterung der Thränenröhrchen, den Thränensack er­setzt, so hat die Eröffnung eben auch diese, und unter diesen vor­zugsweise das untere und ausgedehntere, zu treffen.
sect;. 602.
Die Stenochoria mucosa beseitigt man durch die Anwen­dung gelind reizender, adstringirender, tonisirender Mittel, welche
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Organische Krankheiten des Auges.
man längere Zeit auf die Schleimhaut dieses Canales direct einwir­ken lässt, indem man diese Mittel in flüssiger Form entweder durch Injection in den Nasencanal von unten oder auch durch die Thrä-nenpunkte oder in den geöffneten Thränensack injicirt, besser aber in den inneren Augenwinkel instiUirt, um dieselbe durch die Thrä-nenpunkte aufsaugen und auf diesem Wege weiterleiten zu lassen; oder man bedient sich auch aromatischer Dämpfe zu diesem Zwecke. — Hat übrigens das Uebel in Auflockerung der Schleim­haut seinen Grund oder ist es mit Verschliessung der Thränen-punkte verknüpft, so hat man die Eröffnung des Thränensackes vorzunehmen, um auf diese quot;Weise freiere Bahn zu der Schleimhaut selbst zu finden und zugleich für die Dauer längerer Zeit, dem Ausflusse freieren Lauf zu geben. Diese Operation verrichte man auf folgende Weise. Man senke ein kleines, spitzes Scalpell in perpendiculärer Richtung in den erhabensten Theil des gefüllten Thränensackes und erweitere beim Zurückziehen des Instrumentes die Oeffnung nach unten oder wenn dies nicht vollständig gelingt, auf einer eingeführten Hohlsonde mit dem Bistouri; hierauf lege man ein Bourdonnet in die Wunde, welches man später mit einem Bleidrahte vertauscht, um den Thränensack offen zu erhalten. Die Einspritzungen in den Thränensack wiederhole man täglich mehrere Male und so lange, bis alle anomale Schleimabsonderung aufhört und die Wegsamkeit des Canales wieder hergestellt ist. Die Mit­tel , deren man sich hierbei bedient, sind das Zincum sulphuricum, der Quecksilbersublimat, die Aqua Calcis und saturnina; beson­ders noch in ihrer Wirkung zu rühmen, ist eine Höllensteinauflö­sung. Nach erreichtem Zwecke entferne man den Bleidraht und bedecke die Wunde nur noch mit einem halbmondförmigen Klebe­pflaster bis zu ihrer vollständigen Vereinigung, welche bald eintritt.
Das Kurverfahren bei der einfachen Stenochorie des Nasencanales ist ein mechanisches und ein medicamentöses. Durch jenes muss die, den Nasencanal beengende Auflockerung der Schleimhaut gehoben und der Durchgang durch denselben wieder hergestellt, durch dieses die genannte Haut zu ihrer normalen Be­schaffenheit zurückgeführt und ein Eecidiv des Uebels verhindert werden. Nur das Zusammenwirken eines combinjrten Vefahrens kann hier eine gründliche Kur bewirken.
Nachdem man auf die oben angegebene Weise den Thränensack eröffnet hat, untersuche man denselben mit einer geöhrten Fisch­beinsonde, wird diese durch ein Hindemiss im Canale aufgehalten, so suche man dieses durch gehnden Druck und sanfte Drehungen zu überwinden und man bediene sich, falls dies mit der Fischbein­sonde nicht gelingen will, dazu einer Metallsonde, und führe bei
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weicher, elastischer Anwulstung der Schleimhaut, da, wo es mehr um den mechanischen Druck zu thun ist, eine silberne Hohlsonde durch den Nasencanal in die Nase und auf dieser eine Violinsaite ein und ziehe hierauf die Hohlsonde Avieder zurück. Den obem um 1Y^ Zoll hervorragenden Theil der Darmsaite drehe man sodann auf und befestige ihn an der Wunde mit Heftstreifen und setze dieses Verfahren in der Art fort, dass man an jedem 4ten oder 5ten Tage eine dickere Saite einlegt und deren neu einzule­genden Theil mit Mitteln, welche dem krankhaften Zustande der Schleimhaut angemessen sind, z. B. mit Laudanum und Präcipitat-salbe bestreicht und neben der Saite auch Injectlonen von einer Solution des Lapis divinus mit Laudanum und später, bei mehr granulöser Aufwulstung, eine solche aus Sublimat oder-einer Ver­dünnung des Acetum lythargyrii macht.
Nach kürzerer oder längerer Dauer dieser Manipulation kann man einen, mit einem breiten Knopfe versehenen Bleidraht einfüh­ren, dessen Dicke von der Weite des Nasencanales und so lang seyn muss, dass er bis in den unteren Nasengang hineinragt. Es muss derselbe täglich mehreremale herausgenommen und gereinigt werden, bis durch ein, mit diesem mechanischen Verfahren ver­bundenes dynamisches, durch obige theils umstimmende, theils ad-stringirende tonische Mittel ausgeführtes Verfahren, die Integrität der Scldeimhaut des Nasencanals und dessen Wegsamkeit wieder dauernd hergestellt ist, avovou man sich nach mehreren Tagen, bei noch offen erhaltenem Thränensacke, durch den freien Abfluss einer injicirten gefärbten Flüssigkeit überzeugt.
Ein anderes, sehr empfehlenswerthes Verfahren besteht in dem Einziehen einer Fadenschnur, welche man auf zweierlei Weise ein­führen kann; einmal, indem man das vordere Ende der Schnur mittelst der geöhrten Sonde durchführt oder besser durch eine, über dieser Sonde in den Canal hinabgeschobene Metallröhre und nach Entfernung der Sonde, mittelst einer am vorderen Ende mit einem Metallknöpfchen und an ihrem hinteren Ende geöhrten Uhr­feder hindurchleitet und den 10 —12 Ellen langen übrigen Theil der Schnur aufgewickelt an der Wange befestigt, oder aber die beiden, nur einige Zoll hervorstehenden Enden mit Ringen versieht, nachdem man zuvor die Canüle wieder zurückgezogen hat. Den eingezogenen Faden lasse man einige Tage ruhig liegen, bis sich beim Gebrauche demuleirender Umschläge die entzündliche Reaction verloren hat und Suppuration eingetreten ist, hierauf ziehe man diese Schur immer weiter vor und schneide den hervorgeleiteten Theil ab; auch zieht man später nach und nach mehrere Schnüre ein, um das Lumen des Canales immer mehr zu erweitem. Die
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Schnur eignet sicli eben auch zur Aufnahme der zur medicamen-tösen Behandlung nöthigen Mittel und sie wird deshalb öfter mit opiatisirten Präcipitatsalben imprägnirt.
sect;. 603.
In den meisten Fällen ist es geboten, mit dieser örtlichen Be­handlung ein zweckmässiges allgemeines, inneres, umstimmendes Heilverfahren zu verbinden, um ein solches, an eine allgemeine krankhafte Stimmung gebundenes, Leiden vor Recidive zu wahren. Bei allen diesen Diathesen sagen ganz besonders vicariirende Ab­sonderungen durch Haarseile oder Fontanelle zu.
Hat sich übrigens nach mehrmonatlicher Dauer eines mecha­nischen und arzneilichen Kur verfahrens die Wessamkeit des Canales Avieder hergestellt, fliesst die Thränenfeuchtigkeit klar aus dem Thränensacke aus, hat also die Schleimsecretion aufgehört und die Schleimhaut des Thränensackes wieder ein gesundes Ansehen ge­wonnen: dann bedarf es blos noch der Fortsetzung: des mecha-nischen Verfahrens, um den Heilerfolg zu sichern.
sect;. 604.
Für den Fall einer Recidive erweist sich das Einheilen einer Metallröhre in den Canal oft sehr nützlich. Man eröffne zu diesem Zwecke abermals den Thränensack und beginne wieder mit dem angegebenen mechanischen und arzneilichen Verfahren und schiebe, sobald die Integrität der Schleimhaut wieder hergestellt ist, ein nach der Stärke, Länge und Form des Bleidrahtes angefertigtes silbernes Eöhrchen, welches mit einem Bande versehen ist, damit es nicht durch den Nasencanal in die Nase schlüpfen kann, bis in den Grund des Thränensackes über einer Sonde so hinein, dass die untere Oeffnung desselben, in den unteren Nasengang ragt, und heile hierüber die Thränensackwunde zu. Das silberne Eöhrchen bleibt nun für immer im Nasencanale liegen und erhält die Oeff­nung zum Abflüsse der Thränen nach der Nase.
sect;. 605.
Im Falle einer gänzlichen Verschliessung des Thränencanals durch Verwachsung der Schleimhaut oder durch Knochengeschwülste empfiehlt Leblanc eine möglichst frühzeitige Einführung eines Sti-let's, bevor die Krankheit ihre späteren Perioden erreiche und gänz­liche Degeneration des Thränencanales eintrete, weil, wenn gar keine Spur des Canales mehr vorhanden sey, der Operateur alle Leitung zur richtigen Vollbringung der Operation verliere. In diesen künstlichen Canal, empfiehlt derselbe, nun ein Eöhrchen einzuheilen.
Bei vollständiger Annullirung des Canales empfiehlt Barthö-lemy d. ä. einen künsdichen Weg in die Nase zu bahnen, indem
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man das Thränenbein an seinem unteren Theile und den Knochen-canal mittelst eines Bohrers oder eines Trepanes perforire und darauf sogleich eine Metallcanüle einheile.
Um die Durchbohrung des Thränenbeines vorzunehmen, er­öffnet man den Thränensack so weit, dass seine hintere Wand völ­lig entblösst und zugängig wird, dann setze man einen feinen Troikart an der niedrigsten Stelle des Thränensackes an und durch­bohre in langsamer, drehender Bewegung das Thränenbein in der Richtung von oben nach unten, innen und hinten. Die vollendete Durchbohrung nimmt man an dem aufgehobenen Widerstände und an dem Ausflusse einiger Tropfen Blutes aus der Nase wahr. — Woolhouse legt dann eine Metallröhre ein, bringt die Bänder der Oeffnung zur Verschwielung und heilt erst dann eine andere, dem dasigen Zustande genau passende Bohre ein, wodurch einer Ver­rückung ihrer Lage oder dem Ausfallen der Bohre und wieder Verwachsen des Canales entgegnet wird. —
Leblanc spricht nicht für die Durchbohrung des natürlichen und die Anlegung eines künstlichen Canales, da seine Erfahrungen ihm solche nicht empfehlen, auch Chelius und die meisten Ophthal-mologen finden dies Verfahren beim Menschen grausam und nutz­los , daher Leblanc der Anlegung einer künstlichen Thränensack-fistel mit Verödung des Thränensackes und Canales den Vorzug gibt.
sect;. 606.
Eine solche künstliche Fistel lege man auf folgende Weise an: Indem man den Canal an seiner abhängigsten Stelle öffnet, sucht man hierauf mittelst des Glüheisens oder eines Cauteriums poten-tiale, die Schleimhaut des oberen Theiles des Canales zu entzün­den und seine Höhle verwachsen zu machen, erhält hierauf die künstliche Fistel mittelst einer Wicke offen und lässt diese so lange liegen, bis die Bänder der Fistel gehörig fest geworden sind und besonders die Verwachsung des Canals vollständig ist. Die künst­liche Fistel ist bei weitem nicht so nachtheilig, als die Anhäufung der eiterartigen Flüssigkeit in dem verschlossenen Canale; sie ver­hütet eine Menge Unannehmlichkeiten, wie da sind: das Wieder­aufsteigen der im Thränensacke oder den Böhrchen angehäuften Flüssigkeiten durch die Thränenpunkte, welche dadurch in einen Verschwärungszustand treten können; ^e Entzündung und Verei­terung des Thränensackes und der BöhWien, der Beinfrass u. s. w. Endlich verhütet sie, dass der Augapfel nicht stets durch eine fremdartige und reizende Flüssigkeit gebadet wird, welche seine und der Augenlider Gesundheit beeinträchtigen muss. Die Thrä-nen sammeln sich bei der künstlichen Fistel im inneren Augenwin-
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kel an und fliessen aus diesem über die Wange herab; ein Zustand, der sein: erträglich ist und der in gar keinem Vergleiche mit dem früheren, äusserst lästigen und bisweilen sehr schmerzhaften Zu­stande gestellt werden kann.
Man darf es sich aber nicht leicht denken, den Thränensack und Nasencanal so zu veröden, dass die Höhle ganz verwächst; es hält sehr schwer, Schleimhäute, selbst wenn sie sich in einem krank­haften Zustande befinden, so zu veröden, dass sie verwachsen und man sieht sich oft genöthigt, die genannten Theile zwei, auch mehrere Male cauterisiren zu müssen, bevor der Zweck vollständig erreicht wird. Der Nasencanal und der untere Theil des Thränen-sackes schliessen sich in der Regel zuerst. Der obere Theil des letzteren pflegt aber noch offen zu bleiben und in ihm dauert die anomale Schleim secretion fort, so dass der Schleim bei einem Drucke auf denselben durch die Thränenpunkte ausfliesst, sich auch bisweilen von selbst entleert und dies hört nicht eher auf, als bis man diesen Theil des Thränensackes von neuem eröffnet und nach­träglich mit dem Cauterium zerstört hat (Jüngken).
Bezüghch einer Behandlung der sarkomatösen Stenochorie des Nasencanales haben wir zwei Aufgaben, nämlich die gänz­liche Zerstörung der sarkomatösen Entartung, sowie der Schleim­haut mit Anlegung einer künstlichen Fistel nach der oben angege­benen Weise, dann aber auch eine sorgfältige Prophylaxis für das Auge; denn da das Auge während des Bestehens der sarkomatösen Stenochorie an eine anomale Secretionsstelle in der Nähe gewöhnt war, so wird dasselbe, wenn die Secretion wegfällt, leicht von Amblyopie, Amaurose von Verdickungen der durchsichtigen Me­dien und chronischer intermittirender Entzündung befallen. Woher es rathsam ist, gegen das Ende der gänzlichen Zerstörung der Afterproduction entweder in die Ohrengrube, Nacken oder an einer sonst geeigneten Stelle künstliche Secretionen durch Fontanellen, Haarseile und dergl. anzulegen und einige Zeit und so lange, oft Monate lang, zu unterhalten, bis die Natur daran gewöhnt ist, der Säftemasse eine andere Richtung zu geben.
sect;. 607.
Bei Complication der verschiedenen Arten von Stenochorieen mit Knochenfrass, suche man zuerst das letztere Uebel durch eine, nach allgemeinen Grundsäj^n, sowie mit Rücksichtnahme auf dessen Ursachen und Charakter ^geleitete Behandlung zu heben, indem man den Thränensack, wenn die Caries noch occult ist, mit einem spitzen Scalpell, wenn sie sich aber bereits nach aussen geöffnet hat und eine Thränensackfistel besteht, auf der eingeschobenen Hohlsonde der ganzen Länge nach spaltet, so dass die ganze Höhle
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desselben frei gelegt ist und die OefFnung durch eingelegte Bour-donnets bis zur Heilung des Knochenleidens offen erhält und so­dann den Thränensack mit dem Cauterium actuale oder potentiale verödet.
C. Von der Verengerung und Verschliessung der Pupille.
sect;. 608.
Die Verschliessung der Pupille ist durch verschiedene krankhafte Veränderungen der Iris bedingt und hindert das Ein­fallen der Lichtstrahlen in verschiedenen Graden.
Man unterscheidet: l)eine vollkommene Verschliessung, Verwachsung der Pupille, unmittelbare Verbindung des Pupillarrandes, — Synicesis, Occlusio pupillae —, als Folge innerer Augapfelentzündung; 2) eine unvollkommene Ver­schliessung der Pupille, — Obturatio pupillae —, vermittelst exsudirter plastischer, mehr oder minder durchsichtiger und ver­schieden gefärbter Lymphe, als Folge traumatischer oder speci-fischer Entzündungen der Iris; 3) eine partielle oder totale Verschliessung der Pupille durch partielle Verwachsung der­selben mit der theilweise oder gänzlich verdunkelten Hornhaut, — Synechia anterior—, 4) eine angeborne Verschliessung der Pupille, — Atresia, Imperforatio pupillae —, durch das Fortbe­stehen der Wachendorf'sehen Pupillarmembran; 5) eine theil­weise oder gänzliche Verwachsung des Pupillarrandes mit der vordem Linsen-Kapselfläche, Synechia posterior incompleta et completa —, und endlich 6) eine mittelbare Ver-deckung der Pupille durch undurchsichtige Trübung der Horn­haut —, oder 7) durch ein Aufgehaltenseyn der Lichtstrahlen in der Fortleitung zur Retina durch eine Verdunkelung der tellerför­migen Grube des Glaskörpers nach der operativen Entfernung der Linse.
sect;. 609.
Mit diesen verschiedenen Zuständen der Pupille compliciren sich mannichfache Veränderungen in den Gebilden des Auges, wozu hauptsächlich zu nehmen sind: Trübungen der durchsichtigen Me­dien, Structurveränderungen der Iris, der Retina, Chorioidea, Vergrösserungen, Atrophie und Hydropsie des Bulbus u. s. w.
Der Grad der Pupillenverschliessung sowohl, als die Verschie­denheit der mit ihr complicirten pathologischen Zustände der übri­gen Organtheile des Auges geben die näheren Anhaltspunkte zur Würdigung des Standes des Sehvermögens ab und bestimmen die Prognose, welche immerhin schlecht ist.
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288nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Organische Krankheiten des Auges.
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Die Behandlung kann nur in wenigen und recenten Fällen partieller Verwachsung der Pupille eine medicamentöse seyn, da fast nur immer ein operatives Verfahren, hier von einigem aber meist zweifelhaftem Nutzen ist. #9632;— Durch pharmaceutische Mittel, welche die contractive Thätigkeit der Iris vermehren, durch das Bilsenkraut und die Belladonna, als Extractauflösung in s Auge ge­träufelt, nach den unter Iritis näher angegebenen Verhältnissen und Indicationen, gelingt es zuweilen die unterbrochene Wegsamkeit der Pupille für das Einfallen der Lichtstrahlen wieder herzustellen und es ist ein solches Verfahren in allen Fällen nicht fester Verschliessung, des Versuches werth, da durch solches niemals ein Schaden ge­bracht werden kann, ja sogar bei recenten noch nicht organisch oder fibrös gewordenen, plastischen Exsudaten, sowie bei mehr auf Mangel an irritabler Thätigkeit der Iris, als auf zu derber Beschaf­fenheit der Pupillarmembran beruhender angeborner Pupillenver-schliessung und erst entstandener, noch unorganischer vorderer oder hinterer Synechie dasselbe zuweilen mit dem glücklichsten Erfolge gekrönt wird und um so mehr zu empfehlen ist, als das dahin ge­hörige operative Eingreifen, wegen der grossen Unruhe der Thiere, theilweise gar nicht ausführbar wird oder nur beschränkten Nutzen zu bringen vermag, auch darum und'des grossen Gefässreichthums der Iris wegen, gefährliche Blutungen und Entzündungen zu bewir­ken im Stande ist, wie auch ob der verschiedenen mit diesem or­ganischen Leiden in Verbindung getretenen Complicationen un­statthaft wird.
sect;. 611.
Das dahin gehörige operative Verfahren hat entweder die Trennung der, die Pupille verschliessenden Masse oder die An­legung einer künstlichen Pupille zur Aufgabe.
sect;. 612. -_ Bestehende Adhäsionen zwischen Iris und Cornea oder Lin­senkapsel lassen sich mit der Staarnad'el, welche man durch die
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Cornea oder Sclerotica, wie bei der Operation der Kataracta ein­führt , trennen, worauf man nach gebrochener entzündlicher Rei­
zung, Belladonnaextract in Auflösung instillirt, um die Wiederver­wachsung durch Lageveränderung des verwachsen gewesenen Iris-theiles zu verhindern. Nach Einführung der Staarnadel durch die Hornhaut, nahe ihrer Peripherie und mittelst Eindringen in die, die Pupille verschliessende Verbindungsmasse hebt man diesen ab­normen Zusammenhang und sichert eben auch durch Instilliren der Belladonna oder des Hyoscyamus den Operationserfolg, sowie man
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Organische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 289
eben auch zugleich durch diese, nebst dem innerlichen Gebrauche des Calomels, die Resorption der plastischen Masse bethätigt.
sect;. 613.
Angehend die Bildung einer künstlichen Pupille, For-matio pupillae artificiahs , Coremorphosis, so erfordert diese die ge-nauesten Indicationen zu ihrer Anwendung und zugleich die auf­merksamste Würdigung aller damit verbundenen anderweitigen Veränderungen der übrigen Augentheile, der allgemeinen Stimmung des Auges und insbesondere jener des irritablen und sensiblen Sy-stemes.
sect;• 614.
Indication zur Verrichtung der künstlichen Pupillenbildung geben alle oben angeführten Zustände der Pupillenverschliessung ab, insofern deren Beseitigung nicht durch pharmaceutische Mittel oder operative Trennung möglich gemacht ist, Avenn die Gegenwart noch #9632;vorhandener Lichtempfindung deutlich ausgesprochen ist, die irritablen Gebilde des Auges, die Iris und der Ciliarkörper nicht in bedeutendem Grade alienirt sind, nur die Fasern des Ideinen Ringes der Iris in Lage, Zusammenhang und Farbe alienirt, da­gegen jene des grössern Kreises natürlich beschaffen und nicht in wulstige Bündel hervorgetrieben erscheinen und es dem Augapfel nicht an seinem gehörigen Umfange, seiner Prallheit und Festig­keit gebricht, derselbe weder matsch noch atrophisch und der Glas­körper weder aufgelöst noch varicöser oder hydropischer Zustand des Augapfels zugegen ist; sobald die Pupillensperre nicht mehr mit Entzündung vereint ist und keine Dyskrasie oder Kachexie im Körper vorwaltet und mit dieser nicht etwa eine sehr grosse Vul-nerabilität der Haut complicirt ist. Modificirt wird die Indication zur Ausführung dieser Operation, wenn der krankhafte Zustand auf einem Auge besteht, wo dann, wenn die künstliche Pupille nicht in der Mitte der Iris, sondern nur seitlich angelegt werden kann, wegen der Verschiedenheit der Sehachsen das Sehen mit bei­den Augen schwer und ohne Schielen gar nicht möglich werden würde; ferner modificirt ist sie durch die Gegenwart einer Verdun­kelung der Linse oder ihrer Kapsel, indem hier die obwaltenden Verhältnisse den Ausschlag zu geben haben, ob die Operation des Staares oder einer künstlichen Pupillenbildung oder beide zugleich Platz finden müssen.
sect;. 615.
Die Prognose bei der künstlichen Pupillenbildung ist im All­gemeinen zweifelhaft zu stellen; denn die Krankheitszustände, welche ihre Anwendung nöthig machen, sind in der Regel, mit Ausnahme der Atresie, Producte heftiger Entzündungen
Müller, Veterinär-Ophthalmologie. II.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;1t)
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Organische Krankheiten des Auges.
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oder Blennorrhöen, betreffen hauptsächlich das irritabelste Ge­bilde des Auges, die Iris und ziehen sogar häufig den Centraltheil des partieipirenden Nervensystems, die Retina, in Mitleiden­schaft, so dass deren Functionsfähigkeit zweifelhaft werden muss. Dagegen lässt sich aber doch nicht selten von dieser Operation auch ein günstiger, oft überraschender Erfolg erwarten, weil auf der andern Seite die Ursachen, welche zu der Pupillensperre An-lass gegeben haben, weniger tief und heftig auf das Auge einge­wirkt und den übrigen Theil des Auges, insbesondere die durch­sichtigen Medien, sowie das Augennervensystem berührt haben kön­nen; Avesshalb auch Verdunkelungen auf der Hornhaut, wenn sie sonst entfernbar, nicht sehr ausgedehnt, dabei mehr peripherisch, als central sind und somit die Anlegung einer centralen Pupille zu­lassen, die Prognose weit günstiger gestalten, als im umgekehrten Falle.
sect;. 616.
Anlangend die Wahl des Ortes, wo die künstliche Pupille an­zulegen ist, so ist diese durch die individuellen Verhältnisse des vorliegenden Falles näher bestimmt, obgleich dafür doch auch all­gemeine Pegeln bestehen. Es ist nämlich zweckmässig, die Pu­pille in oder nahe der Mitte der Iris anzulegen, sie immer einer hellen und durchsichtigen Stelle der Hornhaut gegenüber und in eine nicht krankhaft veränderte Irisstelle zu setzen; findet sich da­her eine solche nur im Umfange der Hornhaut, und muss daher die Pupille seitlich angelegt werden, so ist es ferner rathsam, bei gegebener freier Wahl dazu, eine dem inneren oder äusseren, vor­zugsweise dem inneren Augenwinkel zugewendete, immer aber in der Augenlidspalte gelegene Stelle auszuwählen.
Bezüglich der Grosse künstlicher Pupillen, so ist zu bemerken, dass Ideine Pupillen durch adhäsiven Process oder Exsudation pla­stischer Lymphe sich früher oder später wieder schliessen, wes­halb es gebotene Pegel ist, dieselben möglichst gross zu machen, um diesem Unfälle zu begegnen — „möglichstquot; sagen wir in Kück-sicht auf den Umstand, dass allzugrosse künstliche Pupillen ein sehr geringes Contractionsvermögen besitzen und darum gewöhnlich OTosse Lichtscheue veranlassen.
Zu dieser Operation werde das Thier so gelagert und das Auge so fixirt, wie wir es bei der Operation des grauen Staares angeben werden. — Es ist uns unbekannt, ob man die Operation der künstlichen Pupille am Thierauge, ausser in der Sclerotica, schon verrichtet hat, und wir geben das Verfahren zu dieser Ope­ration nur nach den Erfahrungen am Menschenauge an und hegen dabei die feste Ueberzeugung, dass dieselbe auch bei Thieren sich
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eines guten Erfolges in sonst angezeigten Fällen erfreuen werde und dies um so mehr, als bei ihr, alle die nachtheiligen Ein­flüsse, welche man von den Wirkungen der Augenmuskeln, na­mentlich des Muse, retractor, bei der Extraction der Linse und überhaupt bei jeder mit Eröffnung der Hornhaut verbundenen Ope­ration zu befürchten hat, wegfallen. Wesshalb wir dieselbe beim Auge des Pferdes, dieses nützlichen Thieres, bei welchem selbst die Wiedererlangung eines geringen Sehvermögens oft von grossem Werthe ist, besonders empfehlen zu dürfen glauben.
sect;. 617. Die Operation der künstlichen Pupillenbildung kann auf ver­schiedene Art verrichtet werden, und zwar a) durch Einschneiden der Regenbogenhaut; b) durch Ausschneidung eines Stückes der Regenbogenhaut; c) durch Ablösen der Iris vom Ciliarkörper; d) durch Vorziehen der noch offenen Pupille; e) durch Anlegen einer künstlichen Pupille in der Sclorotica.
sect;• 618.
a)nbsp; Künstliche Pupillenbildung durch Einschneiden der Iris, Coretomia, Iridotomia. Diese unternimmt man, indem man bei völlig klarer Hornhaut mit einer Beer'schen Staarnadel etwa zwei Linien von dem Homhautrande und in deren oberem Theile, oder wenn sie getrübt ist, an dieser Stelle, durch dieselbe in die vordere Augenkammer dringt, die Spitze senkt, die Iris in der Mitte, gegen den Innern oder, wenn dies unthunlich, gegen den äussem Augenwinkel durchsticht und diese im ersten Falle perpendicular von oben nach unten, oder im zweiten Falle in schie­fer Richtung von unten nach oben und ihre Mitte hin, einschneidet. — Besteht erkennbar dabei Cataracta, so nehme man deren Depres­sion zuerst vor und durchbohre und durchschneide die Iris von der hintern Augenkammer oder man deprimire die Linse, von dem neugebildeten Spalte der Iris aus.
sect;. 619.
b)nbsp; Künstliche Pupillenbildung durch Ausschneiden eines Stückes der Regenbogenhaut, Corectomia, Iridecto-mia. Um diese zu vollführen, macht man am äussersten Umkreise einen, einige Linien langen Schnitt in die Hornhaut, lässt dann unter dem Einfluss der Augenmuskeln oder durch einen gelinden, auf den Augapfel ausgeübten Fingerdruck die Regenbogenhaut in die Hornhautwunde treten und schneidet den sogebildeten Irisvor-fall mit der Scheere vor der Hornhaut ab. Besteht Adhäsion zwi­schen der Iris und der Hornhaut, so trenne man ersterc zuvor mit einer feinen geraden oder über die Fläche gebogenen Scheere und bewirke dann den Irisvorfall durch einen auf den Augapfel aus-
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2lt;.)2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Organische Krankheiten des Auges.
geübten Fingerdruck oder ziehe dieselbe mittelst eines starken Häkchens, dessen Biegung der Spitze der Form einer Fischangel entspricht, oder mit einer feinen Pinzette hervor und trage den vor­getretenen Theil rasch mit der Scheere ab.
sect;. 620.
c)nbsp; nbsp;Künstliche Pupillenbildung durch Ablösen der Regenbogenhaut von dem Ciliarkörper, Coredialysis, Irido-dialysis. Zur Ausführung dieser Operation mache man einige Li­nien von der Irisstelle, welche von dem Ciliarkörper getrennt quot;sver-den soll, mit einem Staarmesser einen Einstich, welchen man beim Zurückziehen des Messers um einige Linien erweitert und durch diese Oeffnung ein Häkchen einführt, damit die loszutrennende Stelle fasst, in die Wunde hervorzieht und in diese einklemmt oder mit der Scheere abträgt, weil sonst der zurück- und freibleibende Irislappen gerne mit dem Ciliarkörper wieder verwächst. Das Häkchen führe man flach durch die Hornhaut bis zur Stelle der Lioslösung, kehre die Spitze gegen die Iris, senke dasselbe in sie ein, und wende es dann so, dass seine Spitze nach oben gerichtet ist, in welcher Stellung man es bei etwas gehobenem Griffe mit seiner Convexität über den untern Winkel der Hornhautwunde herausleitet.
sect;. 621.
d)nbsp; Dislocirung der Pupille durch Vorziehen der noch offenen Pupille. Diese bei Central-Leukomen indicirte Ope­ration verrichtet man ebenfalls durch Einschneiden der Hornhaut und Einführung eines Häkchens oder einer Ideinen Zange, mittelst welchen man den Pupillarrand zur Einklemmung und Verwachsung in die Hornhautwunde führt, oder besser dort so abschneidet, class die künsthche Oeffnung mit der natürlichen zusammenfällt.
sect;. 622. Die künstliche Pupillenbildung in der Sclerotica, Scleroticotomia — Sclerectomia — Chorioidectomia, eine Erfindung v. Autenrieth's d. V. *). V. Autenrieth trennte die Conjunctiva ne­ben dem Rande der Cornea durch einen senkrechten Schnitt mit dem Staarmesser, schob die Conjunctiva auf die Seite und schnitt aus der dadurch entblössten Sclerotica und der unterliegenden Cho-rioidea und Retina mittelst der Pinzette und Scheere ein grösseres oder kleineres Stück aus. — Zur Bildung einer runden Pupille hat Autenrieth einen senkrechten Schnitt in die Conjunctiva, Ver-
*) L. Schmid (Praes. J. A. T. de Autenrieth), diss. de pupilla artificiall in Sclerotica aperienda et de gravi morbillorura epidemia Gomaringensi. Tu­bing. 1SU.
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schieben derselben und Ausschneiden eines runden Stückes mit ei­nem trephinartigen Instrumente vorgeschlagen, v. Gärtner *) trennte an Thieren die Conjunctiva gleich Autenrieth und bildete dann aus der entblössten Sclerotica und den übrigen Augenhäuten durch Einstechen des Staarmessers, wie bei der Extraction des Staares in der Hornhaut, einen halbrunden Lappen nach unten, durch dessen Abschneiden an seiner Basis eine runde Oeffnung in allen Augenhäuten bewerkstelligt und mit der Conjunctiva bedeckt wurde. Rieke *'*) trennte die Conjunctiva mit einer feinen, knie-förmigen Augenscheere, vollführte die Ausschneidung der Augen­häute, wie Gärtner und befestigte die Conjunctiva mit der Knopf-nath an dem entgegengesetzten Wundrande. Vorzüglich hat Stil-ling in neuerer Zeit durch zahlreiche und sorgfältige Versuche an Thieraugen diese Operation einer genauen Prüfung unterworfen und aus seinen Versuchen das für das etwaige Gelingen der Operation wichtige Resultat aufgestellt: dass die, zur Bedeckung der Oeffnung in der Sclerotica und den übrigen Häuten zu ersparende, Con­junctiva sich immer verdickt und dadurch die Durchsichtigkeit des feinen Häutchens, welches sich an der Oeffnung bildet, beeinträch­tigt ; auf welche Beobachtung er sein Verfahren gründete, die Con­junctiva mit den übrigen Häuten zugleich hinwegzunehmen — und ferner angab, die Pupille durch Hinwegnahme eines Stückes der Sclerotica, Cornea und des betreffenden Theiles des Ciliarkörpers zu bilden.
sect;. 623.
Diese verschiedenen Operationsmethoden einzeln betrachtet, oder gegen einander gehalten, bieten mehrere Punkte der Beach­tung dar.
Jede künstliche Pupille, in dem Mittelpunkte der Iris ange­legt, gibt ein stärkeres Gesicht, als eine Lateralpupille.
Die Iridotomie begründet vor den andern Operationsmetho­den den Vortheil leichter und schneller Ausführbarkeit, wobei zu­gleich das Auge einer unbedeutenderen Verletzung ausgesetzt wird und keineswegs zu Vorfällen der inneren Augentheile Veranlassung gegeben wird. Wogegen sie aber zuweilen mit Wiederverwachsung der Iristrennung verbunden seyn kann; auch ferner eine starke Blutung im Inneren des Auges durch die Irisgef ässe entstehen kann und eine, dem Blutauge entsprechende Behandlung nöthig macht.
*) J. S. Weber, diss. sist. observationes qnasdam in coretodialysin et pu-pillara in Sclerotica aperiendara. Tübing., 1817.
**) Th. H. Moesncr, Praes. L. S. Kieke, diss. de conformatione pupillac artificialis.
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294nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Organische Kx-ankheiton des Auges.
dabei jedoch den beabsichtigten Operationserfolg hiermit gerade nicht aufhebt.
Specielle Indication zur Anwendung findet diese Operations­methode, wenn die Linse aus dem Auge oder aus der Sehachse ent-fernt, in ihrem grössern Ringe gesund und gehörig gespannt ist, wie z. B. bei Synicesis, bei partieller Synechie oder bei Atresie.
Die Iridectomie bietet dagegen der Iridotomie gegenüber, den bedeutenden Vortheil, dass bei ihr eine weitere und contrac-tilere Oeffnung gesetzt wird und etwa entstehende Blutung im Auge, als minder nachtheilig zu betrachten ist. Auf der andern Seite bringt sie aber oft Vorfall der inneren Augentheile, unwiederbring­lichen Verlust des Sehvermögens, sogar des ganzen Auges.
Angezeigt ist sie: bei Pupillensperre mit unversehrter Linse und bei, zur Vollführung der Ausschneidung in gehörigem Grade durch­sichtiger Hornhaut; bei Synicesis, wenn die Exsudation sich nicht ' ,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; über den kleinern Kreis der Iris erstreckt und mit keiner Verdun-
kelüng der zurückgebliebenen Kapsel verbunden ist, was man aus der Alienation der Farbe der Iris und der weniger deutlichen Licht-perception erkennt (Chelius).
( Die Iridodialyse gewährt nur dann einen gewissen Erfolg, wenn der hervorgezogene Iristheil in die Hornhautwunde einge­klemmt oder abgeschnitten ist.
Sie findet ihre Anzeige: bei Synicesen nach Staaroperationen mit weit über den kleinen Ring der Iris und gegen den Ciliarrand ausgedehnter Exsudation, erkennbar durch die Farbenveränderung der Iris und den geringern Grad der Lichtempfindung; bei Obtu-ratio pupillae und Synechia posterior completa.
Die Dislocation der bestehenden, natürlichen Pu­pille bietet die Vortheile, dass durch sie, die Pupille der Augen­achse möglichst nahe bleibt, der Operation keine neue Verschlies-sung folgt, imd die gesunde Linse keiner nachtheiligen Metamor­phose unterliegt. Der etwaigen Befürchtung, dass eine bedeutende Entzündung von dem eingeldemmten Stücke der Iris ausgehen und sich über die Hornhaut verbreiten könnte, wodurch die Pupille ver­engert oder verschlossen werden könnte, lässt sich der häufig gün­stige Erfolg der Iridodialyse sowohl, als die Erfahrung Himly's, des Erfinders dieser Operationsweise am Menschenauge, entgegen­stellen, wie auch derselben durch das oben angerathene Abtragen des hervorgeleiteten Pupillai-randes einer Verwachsung der Pupille und einer Fortpflanzung der Entzündung auf die Cornea entgegnet werden kann.
Seine Anwendbarkeit erhält dieses Operationsverfahren in sol­chen Fällen, wo bei durchsichtiger Hornhautperipherie durch un-
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Organische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;293
hellbare Central-Leukome die Pupille bedeckt und das directe Ein­fallen der Lichtstrahlen in dieselbe unmöglich gemacht ist und sonst das Auge zu einem solchen Eingriffe qualificirt erscheint.
Die Sclerotiectomie ist für den Fall, in welchem Iris und Hornhaut gänzlich alienirt, die übrigen Theile des Auges aber noch normal sind, vorgeschlagen. Die Operation selbst ist für die Er­haltung des Auges durchaus ungefährlich, besonders da die Er­fahrung zeigt, dass das Herausschneiden eines Scleroticalstückes fast nie bedeutende entzündliche Zufälle in dieser Membran hervor­bringt. — Anlangend aber den Erfolg für die Wiedergewinnung des Sehvermögens, so geben die bisher am Thier- und Menschen­auge gewonnenen Resultate kaum einige Hoffnung dazu; einmal, weil selten der Zustand gänzlicher Zerstörung der Iris und Cornea bei normaler Beschaffenheit der übrigen Theile des Auges besteht und das andere Mal weil, wTenn gleich die reproduchte Narbe der Beschaffenheit des Gebildes entspricht, welchem sie entsprosst, demungeachtet das anfänglich pellucide Häutchen in der Folge derbe und undurchsichtig werden wird.
sect;. 624.
Jede dieser Operationen der künstlichen Pupillenbildung er­fordert eine sorgfältige Nachbehandlung, welche dahin gerichtet seyn muss, die Entzündung in den verletzten Theilen zu verhüten, oder sie in ihrem Keime zu ersticken; man setze daher Körper und Auge in den Zustand der Unthätigkeit und bringe ein antiphlogistisches, der Constitution des Individuums entsprechendes Verfahren in An­wendung, welchem bei wirklichem Eintritte der Entzündung alle und jede bei Behandlung einer Iritis traumatica erforderliche Aus­dehnung zu geben ist. — Blutextravasat in die vordere Augen­kammer werde nach den, bei Haematophthalmus und oben ange­gebenen Regeln behandelt und dabei vorzüglich die Senega mit Salzen zu Hülfe genommen. — Plastisches Exsudat in der neuen Pupille suche man durch fortgesetzte örtliche und allgemeine Anti-phlogose, durch den inneren und äusseren Gebrauch der Mercurialien, insbesondere durch den Hyoscyamus oder die Belladonna zu besei­tigen und verbindungslos zu machen.
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Organische Krankheiten des Auges.
D.
Veränderte Lage der Theile.
(Ektopia.)
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Von den Ektopien Im Allgemeinen.
sect;. 625.
Die zu den Ektopien gehörigen Krankheitsformen sind aus­gedrückt durch fehlerhafte Richtung und Lage der Theile, ergreifen einen Organtheil theilweise oder ganz und verbreiten sich von die­sem auf andere; ursächlich beruhen sie auf dynamischen, organi­schen oder mechanischen Störungen, verbinden sich mit diesen oder gehen in solche über und verlaufen mehr chronisch als acut. Ihrem Sitze nach zerfallen sie in die Ektopien der Augenlider, des Aug­apfels und seiner einzelnen Theile.
Ihre Prognose ist abhängig von der Wichtigkeit des erkrank­ten Organtheiles, von den sie begleitenden Krankheitserscheinungen, von dem dynamischen Missverhältnisse und den organischen Ver­änderungen, welche sie bedingen, begleiten oder ihnen folgen, so wie von der grössern oder geringern Möglichkeit der Hebung der Ursachen, Verbindungen und Folgen. Dynamische Missverhält­nisse lassen als Grundleiden eine Aveit bessere Prognose zu, als organische Veränderungen.
Ihre Behandlung wird auf pharmaceutischem und operativem Wege geleitet.
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I. Fehlerhafte Lage der Augenlider.
I. Von der fehlerhaften Richtung der Wimpern.
sect;. 626.
Die bei normalem Stande des Tarsalrandes nach innen, gegen
den Augapfel gerichtete fehlerhafte Stellung der Cilien
nennt man Einwärtskehrung der Cilien, Trichiasis *). Sie besteht
entweder an einzelnen Stellen, T. partialis oder längs des ganzen
*) Von gt;7 rr)ix(ctats, die Haarkrankheit.
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Organische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 297
Augenlides, T. totalls; erstere kommt häufiger vor, als letztere. Die fehlerhaft stehenden Cilien sind gewöhnlich stärker, dicker und straffer, als die andern.
Zwei wuchs der Wimpern, Distichiasis *) nennt man jenen Zustand, wo sich ausser der natürlichen, normal stehenden Wim­pernreihe, noch eine zweite Reihe von feinen Wimpern am Augen­lidrande befindet, welche aus der inneren Tarsalkante in schiefer Richtung gegen den Augapfel hervorgewachsen ist und die man nur dann erst erkennt, wenn man das Augenlid vom Augapfel ab­zieht. Sie besteht oft nur aus einzelnen Haaren und stellenweise, D. partialis oder bildet, aber im seltnem Falle, eine ganze Reihe, D. totalis. Häufig findet man auch die Cilien an mehreren Stellen bündelweise zusammengedrängt'rmd vom Schleime verklebt dorn-förmig gegen das Auge gerichtet. Bei der Distichiasis sind die Haare der abnorm stehenden Reihe feiner und weniger gefärbt, als die andern.
Durch beide fehlerhaften Zustände in der Stellung der Cilien wird die Augapfelbindehaut sehr gereizt, entzündlich geröthet und mit Gefässen bedeckt, das Auge thränend, lichtscheu und sehr empfindlich; in Folge dessen tritt starkes Blinzeln ein, trübt sich die Hornhaut, vermehrt sich die Schleimsecretion und unter Zu­nahme der Gefässentwickelung entstehen pannusartige Verdunke­lungen, leukomatöse Flecken, Verschrumpfung der Hornhaut und durchdringende Geschwüre in derselben, Vorfall der Iris und staphylomatöse Degeneration. Bei obwaltender Dyskrasie nimmt die Entzündung deren Charakter und Verlauf an, wobei das Auge völlig zerstört oder alienirt werden kann.
sect;• 627. _
Die nächste Ursache der Trichiasis liegrt vorzugsweise in krankhafter Veränderung des Tarsalrandes, des unterliegenden Zell­gewebes , der Meibomischen Drüsen und Haarzwiebeln und Ver­wachsung der Ausführungsgänge der letztern, in der Folge hart­näckiger, mit Anschwellung der Meibomischen Drüsen verbundener Entzündungen, speeifischer, exanthematischer, impetiginöser Oph-thalmieen, andauernder heftiger Ulcerationen, Haut- und Zellge­webeverdickung und wird sonach durch schlechte Lebensverhält­nisse zunächst herbeigeführt. Wenn nun bei unverletztem Zu­stande der Haardrüsen selbst, und Verwachsung ihrer Ausfüh­rungsgänge die Cilien ausfallen, so werden die nachwachsenden von ihrer normalen Richtung abweichen, da sie des Widerstandes wegen,
*) Von /; Stanxia, die doppelte Reihe der Cilien.
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Organische Krankheiten des Auges.
den sie an ihrer naturgemässen Ausmündungsstelle finden, gezwun­gen werden, fehlerhaft auszumünden. In dem Falle krankhafter Veränderung der Haarzwiebeln erscheinen diese entartet und in einen schwarzen knolligen Knoten verwandelt, den man beim Aus­ziehen des Haares an dessen unterstem Ende findet. Die ausge­fallenen oder ausgezogenen Haare werden dann durch neue ersetzt, welche eine fehlerhafte Richtung annehmen und feine blasse Här­chen, Pseudocilien, sind. Das Emporsprossen der letztern scheint mehr aus den feinern Schleimdrüsen des inneren Augenlid­randes, als aus den Wurzeln der Wimpern selbst hervorzugehen, nur dass freilich durch einen eigenthümlichen Irrthum der Repro­duction, welcher durch die häufigen Entzündungen der Augenlider allein vermittelt zu seyn scheint, jene Organe, anstatt Schleim ab­zusondern, als die Zwiebeln dieser neuem Pseudocilien auftreten. Auch mag diese Erscheinung in der DIstichiasis den grössern, zu der Meibomischen Drüsenreihe gehörigen Gebilden, fremd bleiben und nur in jenen kleinern Schleimbälgen vor sich gehen, welche die wahren Meibomischen Drüsen umgeben, besonders zwischen denselben und den Wimpern ihren Sitz haben und während der vorangegangenen Krankheit durch die geschwollene und sammt-artig aufgelockerte Bindehaut in ihrer Lage und Function vielfältig beeinträchtigt worden sind *).
Auch angeboren beobachtet man diese regelwidrige Stellung der Cilien, besonders ist dies bei Distichiasis der Fall, wo die ver­mehrte Erzeugung der Cilien in der Mehrzahl der einzelnen, oder in einer wirklichen Doppelreihe der Haarzwiebeln, begründet ist.
sect;. 628. _
Die Prognose dieser reijelwidrigen Stelluno; und Ordnung der Wimpernhaare bestimmt sich nach der Abweichung von der natürlichen Beschaffenheit oder der Abwesenheit und Gegenwart krankhafter Veränderung der Augenlider und ihrer Ränder und Drüsen, weil die Möglichkeit einer Zurückführung jener zur nor­malen Stellung und Ordnung ganz besonders von deren ursäch­lichen Verhältnissen und Complicafionen abhängig ist.
sect;. 629.
Die Behandlung ist eine palliative oder radicale. Beim pal-liativen Heilverfahren zieht man die fehlerhaften Wimpern und die darauf folgenden Pseudocilien mit der Beer'schen Haarzange aus und wiederholt diese Manipulation so oft, als wieder neuer Reiz
*) S. Sehön's pathologische Anatomie des Auges p. 93 a. a. O. Bd. 3. p. 11. u. f.
und Benedict
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durch das Hervorsprossen der Nachkömmlinge entsteht: in manchen Fällen, da wo der Tarsalrand und die Haarzwiebeln nicht krankhaft verändert sind, gelingt es, auf diese Weise gründliche Heilung zu bewirken, indem dann die neuen Cilien in normaler Stellung her­vorwachsen und so zart werden, dass sie keinen erheblichen Reiz mehr auszuüben vermögen oder ganz ausbleiben. Das palliative Verfahren ist überall anwendbar, wo eine augenblickliche Beseiti­gung der Zufälle geboten ist und bei partieller Tri- und Distichia-sis und gesundem Tarsalrande. — Beim radicalen Heilverfahren entfernt man das Uebel durch künstliches Abwenden des Tarsal-randes vom Augapfel oder dessen gänzliche Exstirpation. Ersteres Verfahren richtet man gegen partielle Zustände dieses Uebels und bei jugendlichen Subjecten; letzteres aber findet seine Anwendung bei allgemeiner Tri- und Distichiasis oder deren Complication mit sonst unheilbaren organischen und Structurveränderungen der Tar-salknorpel, der Meibomischen Drüsen u. s. w.
sect;. 630.
Zur künstlichen Abwendung; des Augenlidrandes und der Cilien verkürze man die äussere Augenlidhaut an der Stelle, wo der Sitz des Uebels ist und zwar in einem solchen Grade, dass der Augen­lidrand an dieser Stelle von dem Augapfel so weit abgewendet wird, dass die Cilien denselben nicht mehr berühren können. Dieser Zweck wird theils durch Zerstöruns; der Haut durch Auftragen eines Aetzmittels oder Ausschneiden einer kleinern oder grössern Hautfalte, durch ein Verfahren, Avie es bei dem Entropium einge­halten wird, erreicht. Die darauf folgende Entstellung gleicht wohl der Form eines kleinen Ektropiums, ist übrigens dem Vortheil, wel­cher dadurch erzielt wird, gegenüber, nicht in Anschlag zu bringen.
sect;• 631.
Die Exstirpation des Augenlidrandes nach dem von Jäger modificirten Verfahren, wie es auch Leblanc einhielt, besteht darin, dass nur die äussere Lefze des Augenlides, ein einige Linien brei­ter Streifen der Haut und des Orbicularmuskels, mit dem Zellge­webe, in welchem die Wurzeln der Cilien sitzen, abgetragen wird, ohne den Tarsus zu beschädigen und ohne eine zu bedeutende Ver­kürzung des Augenlides zu veranlassen. Die Operation wird auf folgende Weise ausgeführt: Man bringt eine convexe, mit einer Handhabe versehene Hornplatte unter das Augenlid, so dass deren Concavität dem Bulbus und die Convexität dem Augenlide zuge­wandt ist und lässt sie von deni rückwärts stehenden Gehülfen mit der vollen Hand fassen und zugleich mit dem Nagel des Daumens derselben Hand die Cilien gegen die Hornplatte andrücken und dadurch befestigen. — Indem der Operateur mit den Fingern der
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Organische Krankheiten des Auges.
Unken Hand die Haut des Augenlides spannt, macht er mit dem kleinen, bauchigen, gutschneidenden Scalpell einen Einschnitt, wel­cher diesseits des Thränenpunktcs anfängt, bogenförmig einige Linien aufsteigt, in horizontaler Richtung und parallel mit dem Augenlidrande fortgeht und sich nahe dem äusseren Augenwinkel bogenförmig endigt. Durch diesen Schnitt trennt man die Haut, das Zellgewebe und den Orbicularmuskel bis auf den Tarsus, ohne diesen selbst zu verletzen, entweder in einem Zuge oder in wieder­holten Messerzügen, wenn der Schnitt nicht überall die gehörige Tiefe zeigte. Hierauf fasst man mit einer gezähnten Pinzette den durch diesen Schnitt umschriebenen Hautstreifen in dem einen oder dem andern Augenwinkel, zieht ihn vom Tarsus ab und trennt ihn mit flachen, langen und sichern Messerzügen oder mit einer kleinen gebogenen Scheere so los, dass alles Zellgewebe mit den Wurzeln der Cilien entfernt wird und der Tarsus rein zurückbleibt. — Hat man die Blutung durch Schwämme mit kaltem Wasser gestillt, so wird die Wunde auf's Sorgfältigste untersucht und, wenn etwas Zellgewebe mit Wurzeln der Cilien, welche sich als schwarze Punkte zu erkennen geben, zurückgeblieben wäre, dieses mit der Pinzette gefasst und mittelst des ScalpelTs oder der gebogenen Scheere abgetragen.
Zur Nachbehandlung sind die kalten Umschläge und das Schützen des Auges vor dem Lichte, hinreichend *).
Nach erfolgter Heilungr ist das Thier für immer der Cilien be-raubt und an der Stelle der Augenlidränder befinden sich die run­den, röthlichen Narben, welche jedoch theilweise durch die Spitze der hinten stehenden Fellhaare wieder bedeckt werden. Wenn gleich dadurch das Auge ein widriges Ansehen erhält, so ist doch die Erhaltung und der Gebrauch des Gesichtes wieder gesichert.
sect;. 632.
Bei partieller Trichiasis des oberen Augenlides, wenn die frü­her angegebenen Verfahrungsweisen nichts nützen, ist es am zweck-mässigsten, ein dreieckiges Stück des Augenlides sammt den Wim­pern auszuschneiden und die Wunde durch die blutige Nath zu
*)#9632;
2. Von der Einwärtsstülpung der Augenlider.
sect;. 633. Bei der Umkehrung der' Augenlider nach innen.
*) Chelius a. a. O. Bd. 2. sect;. 1GC. **) Ebendaselbst sect;. 107.
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Entropium palpebrarum, besteht eine solche fehlerhafte Richtung des :Augenlidrancles, dass die Cilien und die äussere Haut des Augenlides mit der Oberfläche des Augapfels in Berührung kom­men. Die Wirkung des Entropiums ist jener der Trichiasis ganz gleich; der Augapfel wird durch die Cilien gereizt, entzündet, un­brauchbar und kann sogar vernichtet werden, wenn das Entropium nicht gehoben wird. Es besteht dasselbe als allgemeine oder seltner als theilweise Umbeugung des Tarsalrandes, (Entrop. totale vel partiale), und erscheint einfach und complicirt, am häufigsten mit Trichiasis, und dies zwar wenn dasselbe veraltet ist, wo die Wimpern in Folge der fehlerhaften Lage des Augenlidran­des und des dadurch beschränkten Randes zuletzt in fehlerhafter Richtung hervorwachsen; auch mit Desorganisationen des Augen­lidrandes, z. B. mit Tylosia, bisweilen mit gänzlicher Verkrüppe-lung des Augenlidrandes, kommt das Entropium verbunden vor.
Das Entropium erscheint häufiger am unteren als oberen Au­genlide, kommt jedoch selten bei Thieren vor.
sect;. 634.
Die Erkenntniss des Entropiums und seiner Complicationen unterliegt keiner Schwierigkeit; wenn man die Augenlider von ein­ander und nach aussen zieht, so erkennt man dasselbe leicht, indem dann mit der äusseren Augenlidplatte der Tarsalrand wieder in seine natürliche Lage zurückgezogen wird. Werden hierdurch auch die Cilien vom Augapfel abgewendet und erscheinen sie über­haupt von normaler Stellung, wofern nur der Tarsalrand des Au­genlides seine natürliche Stellung wieder eingenommen hat, so ist blos Entropium vorhanden, während im entgegengesetzten Falle das letztere mit Trichiasis complicirt ist.
sect;. 635.
Die natürliche Richtung der Augenlider, sagt Chelius, ist be­dingt durch entsprechendes Verhältniss zwischen der äusseren und inneren Hautplatte, durch eine gehörige Beschaffenheit des Augen­lidknorpels und geregelte Thätigkeit des Ringmuskels. Störung des einen oder des andern dieser Momente kann die Einwärtsstül-pung veranlassen.
Die häufigste Ursache des Entropiums besteht in Erschlaf­fung und Verlängerung der äusseren Haut des Augen­lides, welche ihrem Antagonisten, der Augenlidconjunctiva, nicht mehr gehörig das Gleichgewicht zu halten vermag, wie sie, sowohl im Gefolge der Altersschwäche, als auch nach dem lange Zeit fort­gesetzten Gebrauch erschlaffender Arzneimittel, z. B. erweichender Umschläge, Kataplasmen, der Einreibung öliger, fetter Mittel und dergl. vorzukommen pflegt. Selten wird das Entropium durch
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Verkürzung der Augenliderconjunctiva mittelst einer Narbe hervorgerufen, welche man oft erst dann als Ursache der Verkür­zung des Augenlides entdeckt, sobald man das Augenlid nach aussen herumgewendet und untersucht hat. Dergleichen Narben können durch bedeutende Verwundungen, durch Vereiterungen und durch Zerätzungen entstanden seyn. Häufigere Ursachen des En-trojjiums sind Atrophie und Verschrumpfung des Tarsus, als Folge lange andauernder Entzündung der Augenlider mit Ex-coriationen und Blennorrhöen der Bindehaut oder Augenliddrüsen, wobei dieselben durch letztere so verkürzt werden, dass das Au­genlid nicht in seiner natürlichen Lage bleiben kann und sich nach innen herumwälzen muss- Abnorme, krampfhafte Zusam­menziehung des Orbicularmuskels sind eine sehr häufige Ursache bleibender oder vorübergehender Einwärtsstülpung der Augenlider bei erethischen, mit anhaltender Lichtscheue verbunde­nen Augenentzündungen, besonders aber bei Thieren, welche an solchen und langwierigen Augenentzündungen leidend, fortgesetzt arbeiten müssen und den nachtheiligen Einflüssen des Lichtes nicht entgehen können, wo durch diese ein krampfhaftes Zusammenziehen der Augenlider und überwiegende Thätigkeit des Orbicularmuskels hervorgerufen wird. In der übermässigen Thätigkeit des Orbicu­larmuskels liegt auch der Grund, warum das Entropium viel häufi­ger am unteren, wie am oberen Augenlide vorkommt, indem bei diesem durch den Muse, levator palpebrae sup. dem Orbicular-muskel gewissermassen entgegengewirkt und die natürliche Richtung des Augenlides erhalten wird. Endlich kann auch eine, unter der äusseren Platte des Augenlides sitzende Geschwulst das Augenlid nach innen herumwälzen und auf diese Art zur Bildung eines En-tropiums Anlass geben. — Auf diese verschiedenen Ursachen des Entropiums gründet sich die Eintheilung desselben in Entropium senile, organicum, spasticum und symptomaticum.
sect;. 63G. Die Prognose modificirt sich nach der Art und den Ursachen des Entropiums. Beim partiellen ist sie gut; günstiger bei einem einfachen, als bei einem complicirten; beim Entropium senile ist sie gut, wofern die Erschlaffung der Haut nicht zu gross und das Thier noch nicht allzu weit im Alter vorgerückt ist oder das Uebel nicht sehr lange bestanden hat; sonst kehrt es leicht zu­rück und die Heilung desselben ist nur von temporärer Dauer. Das E. organicum gibt eine üble Prognose; selten ist dessen Heilung gründheh und von Dauer, weil die Ursachen von der Art sind, dass sie schwer gehoben werden können. Beim E. spasti­cum ist sie vollkommen gut, denn dies schwindet von selbst, sobald
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die Heftigkeit der Erscheinungen nachlässt, welche dasselbe veran­lagst hatten, ebenso gibt das E. symptomaticum eine gute Pro­gnose, denn es schwindet mit der Entfernung der Geschwülste, durch welche dasselbe erzeugt wurde.
sect;. 637.
Die Kur muss beim Entropium stets gegen den pathologischen Zustand, der die Einwärtskehrung unterhält, gerichtet werden.
Beim Entropium von Erschlaffung und Verlängerung der äusseren Augenlidhaut ist es Aufgabe der Kunst, eine Verkürzung derselben zu bewirken, welche sowohl auf chemischem, als auf mechanischem Wege bewirkt werden kann. Auf jenem be­wirkt man dieselbe durch Anwendung der Cauterisation auf die äussere Augenlidwand, auf diesem mittelst Abtragung eines ent­sprechenden Hautstückes durch den Schnitt und Heilung der Wunde durch die schnelle Vereinigung.
sect;. 638.
Die Cauterisation der äusseren Haut der Augenlider bewirkt die Verkürzung derselben durch Zerstörung oder durch Bildung eines Brandschorfes. Man bedient sich dazu entweder der con-centrirten Schwefelsäure oder des glühenden Eisens und verfährt dabei auf folgende Weise.
Zum Aetzen wählt man gewöhnlich die concentrirte Schwefel­säure, wTovon man bei, durch einen mit Wasser benetzten, Bade­schwamm oder durch Klebepflaster, wohl verwahrter Augenlidspalte, einige Tropfen der Säure mittelst eines, aus weichem Holze verfer­tigten Stäbchens auf die, durch wiederholtes Oefihen und Schliessen der Augenlider aufgefundene Stelle, wo die Erschlaffung am bedeu­tendsten ist, aufträgt und nach der ganzen Länge der Einwärts-stülpung in der Breite von ungefähr einigen Linien ausbreitet.
Hat hierauf das Aetzmittel etwa 10 Minuten lang gewirkt, so trocknet man das Augenlid mit Charpie ab. Dasselbe Verfahren wird in der Folge und zwar so oft erneuert, bis der Formfehler ge­hoben ist. Der jedesmalige Brandschorf fällt stets nach einigen Tagen ab und hinterlässt eine, aber gewöhnlich erst nach wieder­holter Anwendung hinreichende, Augenlidhautverkürzung.
Die Aetzmittel verdienen besonders in denjenigen Fällen an­gewendet zu werden, wo das Entropium massig ist, noch nicht lange bestanden hat, die Erschlaffung der Haut nur gering ist oder nur partiell besteht: hier verdienen sie unbedingt der Operation durch den Schnitt vorgezogen zu werden, da sie in den genannten Fällen und bei zweckmässiger Anwendung eine vollkommen gründ­liche Heilung bewirken können. Günstigeren Erfolg sah man in der Regel von der Cauterisation beim Entropium des oberen, als
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Organische Krankheiten des Auges.
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bei jenem des unteren Augenlides. Doch ist nicht zu übersehen, dass man beim Aetzen den Hautverlust nie genau bemessen kann, und die Aetzwunde bei dyskrasischeii Subjecten leicht in ein ver­heerendes Geschwür ausartet.
Mehr in der Gewalt des Arztes steht die Anwendung des Glüheisens. Mau wendet zu solchem Zwecke, nachdem man das Augenlid über eine Hornplatte ausgespannt, an der nämlichen Gegend, wie obiges Aetzmittel, ein weiss glühendes, bohnenförmig geknöpftes Brenneisen an. Eine augenblickliche Anwendung die­ses Mittels ist hinreichend, einen Brandschorf zu erzeugen, den man in der Folge nach Art einer Brandverletzimg bis zu seinem Abfal­len behandelt.
sect;. 639.
Bei der Abtragung eines Stückes aus der äusseren Hautplatte des Augenlides fasst man, nachdem der Kopf und das Thier über­haupt, gehörig fixirt worden ist, mit der Spitze des Daumens und Zeigefingers der linken Hand und dann mit der, von Gräfe ange­gebenen Pingette an der Stelle, wo die Haut des Augenlides am meisten erschlafft ist, eine Längenfalte von solch entsprechender Grosse, dass der Augenlidrand in seine gehörige Richtung gestellt wird. Nachdem man die Augenlidränder einander genähert und sich von der angemessenen Grosse der Hautfalte dadurch versichert hat, dass das Auge sich vollständig schliessen lässt, die Ränder ihre normale Stellung erreicht haben und die freie Beweglichkeit des Lides nicht aufgehoben, also der Orbicularmuskel nicht mitge-fasst worden ist, trägt man diese mittelst einer starken geraden oder Kniescheere, am besten aber mit einer über die Fläche gebo­genen Scheere in einem Schnitte ab. Ist die Blutung durch An­drücken von Schwämmen, die in kaltes Wasser getaucht sind, ge­stillt und die Wunde vom Blutgerinsel gereinigt, so schreitet man zu deren Vereinigung durch die Knopfnath, indem man eine, der Grosse der Wunde entsprechende Anzahl Hefte anlegt und nebst-dem die Zwischenräume zur Unterstützung der Vereinigung noch mit Heftpflasterstreifen ausfüllt. Die blutigen Hefte löst man nach 48 Stunden, wo die Vereinigung complet zu Stande gekommen ist und schützt noch für einige Tage die neue Narbe durch Heftpfla­sterstreifen, wodurch zugleich das Augenlid mehr in seiner norma­len Lage erhalten wird. Sollte auch ein Theil der Wunde eitern, so wird der Zweck doch erreicht, sobald sich die Narbe zusammen­zuziehen beginnt. Im Falle der Operationserfolg kein vollständiger ist, so hat man die Operation, den gegebenen Umständen entspre­chend zu wiederholen.
Zur Belebung der Haut und Erhebung der durch die Narbe
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manchmal gestörten Resorptlonsthätigkeit in dem Zellgewebe, sowie der Contractionsfäliigkeit des Muse, levator und orbicularis bedient man sich nachträglich noch der Waschungen mit Branntwein.
sect;; 640.
Das Entropium durch Verkürzung der Augenlidconjimctiva mittelst einer Narbe, kann nur auf operativem Wege gehoben wer­den, indem man nämlich die alte Narbe exstirpirt und die Wunde durch eine so breite Narbe zu heilen sucht, dass das Augenlid in seiner natürlichen Lage bleibt. Diese Operation wird auf folgende Weise verrichtet: Man kehrt das Augenlid stark nach aussen um, und lässt es durch einen Gehülfen in dieser Lage erhalten; zuerst exstirpirt man nun die alte schwielige Narbe, und schneidet sodann die Augenlidconjimctiva nach beiden Augenmuskeln zu und von der Wunde aus in horizontaler Richtung so ein, dass das Augenlid be­quem nach aussen herumgewälzt werden kann und die Wundränder stark genug von einander entfernt werden, um eine recht breite Narbe zu erhalten. Die Hauptsache besteht darin, dass man das Augenlid, während der Heilung der Wunde, durch einen passen­den Verband so stark nach Aussen herumwendet, dass die Wund­ränder fortwährend stark von einander entfernt bleiben, damit sich eine hinreichend breite Narbe bildet. Dies kann man auf eine dop­pelte Weise bezwecken; entweder durch einen Heftpflasterverband, indem man nämlich mit stark klebenden Heftpflasterstreifen das untere Augenlid an die Wange und das obere an die Stirn so fest klebt, dass die Wundränder hinreichend von einander entfernt werden und die Conjunctiva nach Aussen entwickelt erscheint, oder wenn dies nicht ausreichen sollte, indem man mittelst einer Heft-rtadel ein oder mehrere Heftfäden ober dem Tarsalrand und nicht durch ihn, wie Jüngken wollte, quer durch das Augenlid oder dessen äussere Platte zieht, das Augenlid damit gleichsam schiin-genartig nach Aussen wälzt und die Fäden an die Stirn oder Wange mit Heftpflaster befestigt. — Die Behandlung der Wunde geschieht nach allgemeinen Grundsätzen und ihre Heilung muss auf dem Wege der Eiterung und des Granulationsprocesses bewirkt werden.
Ist es auf diese Weise aber auch wirklich gelungen, die innere Wand des Augenlides so zu verlängern, dass dasselbe seine na­türliche Stellung wieder erhält, so ist dieser Erfolg doch nur von kurzer Dauer, denn mit der Zeit zieht sich die Narbe wieder zu­sammen und dann wird das Augenlid wieder nach innen herumge­wälzt. — Sollte die Operation erfolglos verrichtet seyn, dann bleibt zur Beseitigung des Entropiums kein anderes Mittel übrig, als die äussere Wand des Augenlides durch Ausschneidung einer Hautfalte ebenfalls in einem solchen Grade zu verkürzen, dass der
Müller, Veterinär-Ophtlialmologte. 11.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 20
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Orgauisfhe Krankheiten des Auges.
Tarsalrand seine natürliche Stellung wieder einnimmt. Es wird zwar auf diese Weise das ganze Augenlid verkürzt werden, was indess bei weitem weniger nachtheilig für das Auge ist, als der Keiz, welchen die nach innen gewandten Wimpern fortwährend am Augapfel hervorbringen *).
sect;. 641. Ein durch Verschrumpfung und Verkürzung des Tarsalrandes entstandenes Entropium kann man nach Crampton auf folgende Weise operiren: in der Gegend des äusseren und inneren Augen­winkels , einige Linien von beiden entfernt, schneide man den ver­krüppelten Tarsalrand durch zwei parallel geführte Längeschnitte so tief ein, dass man das Mittelstück bequem nach aussen umklap­pen kann. Hierauf ziehe man durch den Tarsalrand dieses Mittel­stückes (oder besser ober demselben durch das Fell) zwei Heftfä­den hindurch, wulste es damit stark nach Aussen herum, und er­halte dasselbe während der Heilung der Schnittwunden in dieser Lage, indem man die Heftfäden an die Stirn oder Wange befe­stigt. Auf diese Weise bewirkt man, dass die Schnittwunden durch sehr breite Narben heilen und dass sich der Tarsalrand des Augenlides so verlängert, dass jenes in seiner natürlichen Stellung bleibt. Bringt dieses Verfahren keinen dauernden Erfolg, so bleibt nur die Exstirpation des Augenlidrandes, wie wir sie bei der Di-stichiasis und Districhiasis angegeben haben, das letzte Mittel, um denselben auf gründliche Weise von seinen Wimpern zu befreien und um wenigstens den Augapfel und das Sehvermögen zu erhalten. Die übermässige Contraction des Orbicularmuskels ist hier als die wesent­liche Ursache des nicht dauernden Erfolges der gewöhnlichen Operationsweiso zu betrachten, indem besonders der krankhaft veränderte Knorpel der Thätijt-keit dieses Muskels nicht den gehörigen Widerstand leisten kann, vergleich­bar dem Verhalten krankhaft erweichter Knochen gegen die Wirkung der Mus­keln. — Dort kann die natürliche Richtung des Augenlides nur dadurch her­gestellt werden, wenn wir durch Trennung oder theilweise Excision der Fa­sern des Orbicularmuskels seine übermässige Zusarmnenziehung aufheben. Da­her bemerkt Langenbeck in Beziehung auf die gewöhnliche Operationsweise des Entropiums, dass die sichere Heilung grösstentheils von der Entzündung und Verwachsung des Orbicularmuskels abhängt, wodurch dessen Thätigkeit beeinträchtigt werde. Chelius hält es für wahrscheinlich, dass in vielen Fäl­len die Veränderung des Tarsus blos Folge der abnormen Thätigkeit des Or­bicularmuskels sey, gerade wie wir Verkrümmungen der Knochen bei natür­licher Festigkeit derselben durch abnorme Thätigkeit der Muskeln entstehen sähen **).
sect;. 642. Bei dem krampfhaften Entropium, wenn es in Folge einer
*) Jüngken a. a. O. S. 722 u. f. **) Chelius a. a. O. Bd. 2. S. 144 u. f.
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anhaltenden Entzündung oder Lichtscheue sich entwickelt hat, muss diese ihrem Charakter entsprechend behandelt, das Auge ge­hörig beschattet und in jeder Beziehung geschont werden. Besteht übrigens nach deren Beseitigung dasselbe noch fort, so muss man nach Entfernung aller reizenden Einflüsse vom Auge, durch Ein­reibungen narkotischer Salben auf die äussere Fläche der Augen­lider und in die Umgegend des Auges, -sowie durch narkotische Ueberschläge den krampfhaften Zustand des Orbicularmuskels zu entfernen suchen und von Zeit zu Zeit durch sanften Zug an der äussern Haut des Augenlides dieses in seine natürliche Stellung bringen. Erreicht man aber dadurch die Heilung nicht, wie es bei lange dauernden Fällen gewöhnlich ist, so muss die oben an­gegebene operative Behandlung durch Excision einer Hautfalte in Anwendung kommen.
sect;. 643. Das symptomatische Entropium heilt man durch die Exstir-patlon der Geschwulst, welche daä*Augenlid herumwälzt. Sollte diese Geschwulst gross, der Fall veraltet und die äussere Augen­lidwand sehr ausgedehnt seyn, so kann man bei der Exstirpation zugleich ein ovales Hautstück ausschneiden und auf diese Weise die nöthige Verkürzung bewirken *).
3. Von der Auswärtsstülpung der Augenlider.
sect;. 644.
Bei der Auswärtsstülpung des Augenlides, Plärr­auge, Ectropium, ist das Augenlid so nach aussen umgestülpt, dass seine innere Oberfläche, die Conjunctiva, sichtbar und die äussere Augenlidplatte theilweise oder ganz bedeckt wird.
Gewöhnlich erscheint dieser Formfehler am unteren, seltner am oberen Augenlide und erstreckt sich bald auf die ganze Länge, bald nur auf einen Theil des Augenlidrandes. Kann dabei das Auge wegen Kürze der Lider nicht geschlossen werden, so nennt man diesen Zustand Hasenauge, Lagophthahnus.
sect;. 645.
Unter die verschiedenen pathologischen Zustände, welche das Entropium zunächst begleiten, zählt man fortdauernde Reizungen, Entzündungen und Auflockerungen der, den äusseren Einflüssen und Schädlichkeiten blos gestellten Augapfel - und Augenlider-Bin­dehaut; Ueberfliessen der Thränen über das umgebeugte untere Augenlid, daher Anätzung der Wangen; Verbindung allgemeiner
*) Jiingken a. a. O. S. 723 — 24.
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Organische Kraukheilcn lies Auges.
dyskrasischer Leiden mit dem hervorgerufenen Reizzustande, da­her Desorganisationen der Bindehaut und Blennorrhöen.
sect;. 646. Die wichtigsten Arten der Ectropien sind folgende:
1)nbsp; Das Ectropium senile beruht auf einer Erschlaffung der Augenlidconjunctiva und der Ligamenta interpalpebralia, welche ih­rem Antagonisten, der äusseren Wand des Augenlides, das Gleich­gewicht nicht zu halten vermag, wovon das nach Auswärtsfallen des Augenlides die Folge ist. Es ist dem höheren Lebensalter und geschwächten Subjecten eigen. Dabei zeigt die Conjunctiva eine gelblichröthliche und schmutzige Farbe, ist von einzelnen va-ricösen Gefässen durchzogen und erscheint erschlafft und faltig, später, nach längerem Bestände und in Folge der steten Einwir­kung äusserer Schädlichkeiten findet man sie degenerirt, entzündet, aufgetrieben und selbst mit Papillarkörpern besetzt.
2)nbsp; Das Ectropium sarcomatosum, das Product einer, durch eine heftige Augenblennorrhöe Erzeugten sarkomatösen Wucherung der Conjunctiva, auf welcher die Papillen in einer solchen Ueppig-keit hervorschiessen, dass sie nicht mehr Kaum zwischen dem Aug­apfel und dem Augenlide haben und dieses nach Aussen herum wälzen. Es ist diese Form nicht selten der Begleiter oder die Folge heftiger Augenblennorrhöen und in der Regel mit anderen Krankheitserscheinungen complicirt, welche ebenfalls das Product dieser letzteren sind, als: mit Trübungen der Hornhaut, Pannus u. d. gl.
3)nbsp; nbsp;Das Ectropium organicum entsteht durch eine Verkürzung der äusseren Augenlidwand, mittelst einer Narbe in derselben, welche nach einer Wunde oder einem Geschwüre mit Substanz­verlust entstanden ist. Dabei erscheint die Augenlidconjunctiva nach Aussen gewälzt, entzündet sich, schwillt auf und geht später in sarkomatöse Entartung über; auch wird der Tarsalrand allmälig ausgedehnt, erschlafft und verlängert.
4)nbsp; nbsp;Das Ectropium symptomaticum wird durch Geschwülste gebildet, welche unter der inneren Augenlidwand oder in der Or­bita liegen und bei ihrer Vergrösserung das Augenlid nach Aussen urabeugen *).
sect;. 647. In prognostischer Beziehung gehört das Plärrauge zu den un­gefährlichen Uebeln, indem alle seine Formen, wenn auch mehr oder minder schwierig, jedoch heilbar sind, insofern die Entfernung der Causalmomente im Bereiche der Möglichkeit liegt.
*) Nach Jungken a. a. O. S. 725.
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sect;. 648.
Zur Behandlung des Ectropiums bedient man sich in Fäl­len, welche von einer chronischen Entzündung veranlasst und noch neu sind, häufig mit Vortheil und Heilerfolg adstringirender und stärkender Augenwässer in Verbindung mit Laudanum und eines übergelegten, die gerade Richtung des Augenlides unterstützenden Heftpflasters; in solchen dagegen, wo das Uebel in einem höheren Grade und seit längerer Zeit besteht, muss durch Verkürzung oder Abtragung der Conjunctiva der gehörige Aniagonismus wieder her­gestellt werden, was man durch die Anwendung der Aetzmittel oder durch die Excision erreichen kann. Beruht dagegen dieser Formfehler auf Verkürzimg der äusseren Augenlidplatte, so muss dieselbe durch eine Incision in dieselbe und Erzweckung einer brei­ten Narbe vergrössert werden.
sect;. 649.
Die specielle Behandlung des Ectropiums richtet sich nach den einzelnen Arten desselben.
Bei dem Ectropium senile sucht man eine Verkürzung der er­schlafften Augenlidconjunctiva zu bewirken, zu deren Kealisirung man von den Aetzmitteln, entweder von der Schwefelsäure oder von dem Höllenstein Gebrauch macht, indem man einige Tropfen der ersteren mit einem Pinsel auf die innere Augenlidfläche streicht, während man das Augenlid so lange nach unten zieht, oder auch nachdem man das Weiterfliessen dieses Mittels durch Einlage eines nach der Form und Breite des Augenlides zurechtgeschnittenen und abgerundeten Kartenblattes in die Conjunctivafalte zu verhin­dern sucht oder indem man diese unter gleichen Vorsichtsmass­regeln mit einem Höllensteincylinder bestreicht und dann den Schorf mit Milch abspült oder mit einem, in Oel getauchten Pinsel das, was sich von dem Höllenstein verflüssigt, entfernt. Meistentheils muss die Anwendung des Aetzmittels mehrmals wiederholt werden, wenn sie etwas fruchten soll und das wird überhaupt nur bei einem geringen Grade von Erschlaffung der Bindehaut der Fall seyn. — Unter diesen beiden Aetzmitteln bevorzugt die Erfahrung das letztere.
Besteht ein höherer Grad von Erschlaffung der Bindehaut und ist diese faltenartig aufgewulstet, so muss ein entsprechend grosses Stück derselben ausgeschnitten werden, indem man eine so grosse Falte der Conjunctiva mit der gekrümmten Entropiumpin^ette fasst, dass das Augenlid in gerade Stellung kommt und diese dann nach der ganzen Breite des Augenlides in einem Zuge abträgt, wobei man bedacht zu seyn hat, dass an der Stelle am meisten abgetra­gen werde, wo die Auswärtsstülpung des Augenlides am beträcht-
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Organische Krankheiteu Jcs Auges.
lichsten ist. Nacli vollendeter Operation und durch Auflegen kal­ter Schwämme gestillter Blutung, klebe man das eine Ende eines stark klebenden Heftpflasterstreifen der Länge nach gegen das Augenlid, ziehe dasselbe damit in seine natürliche Lage und klebe sodann das andere Ende, ist es das obere Augenlid gegen die Stirne; worauf das Auge mit einer Compresse bedeckt und diese mit einer passenden Binde befestigt werden muss. Die Conjunc-tivawunde heilt leicht und schnell.
sect;. 650. Das Ectropium sarcomatosum Avird bei mehr schwammiger Auf­lockerung der Conjunctiva durch Vermehrung der Contraction der Gefässe, Verminderung der Absonderung und unter Berücksichti­gung der speciellen Mischungsverhältnisse durch umstimmende lo­cale Mittel, unter welchen allmälig verstärkte Auflösungen von Zincum sulphuricum, Lapis divinus, Cuprum sulphuricum mit Zusatz von Laudanum und Salben von rothem und weissem Queck-silberpräcipitat mit Tutia auch Auflösungen des Argentum nitricum am zweckmässigsten sind und das alleinige Aufstreichen des Lau­danum's mittelst eines Pinsels auf die ganze wuchernde Fläche der Conjunctiva, sich vorzugsweise auszeichnen. — Die Wirkung dieser Mittel wird zum öftern, namentlich bei sehr grosser Vasculosität der Bindehaut, durch Scarificationen derselben sehr unterstützt. — Ist die quot;Wucherung bedeutender und weicht sie dem Gebrauche der angegebenen Mittel nicht, so schreitet man zur Anwendung der Aetzmittcl, unter welchen sich der Lapis infernalis vor allen auszeich­net. Wobei noch zu bemerken ist, dass dessen Anwendung eine tief eingreifende Wirkung haben muss, um einen gehörig dicken Brand­schorf zu bilden und dass die Aetzung für den Fall, als die Wuche­rung nicht vollständig zerstört seyn sollte, wiederholt werden muss; so wie dass, wenn nach Abstossung des Brandschorfes und voll­ständiger Entfemuno; der Granulation das Auffenlid nicht von selbst in seine gehörige Lage zurückgetreten seyn sollte, man dies durch gehörig angelegte Heftpflasterstreifen zu unterstützen hat. Sind jedoch die Wucherungen sehr stark, üppig und von dicker Masse, so reicht das angegebene Verfahren nicht zu, oder wird wegen no­ting werdendfer zu häufiger Wiederholung anders nachtheilig, dabei­ist die Excision der sarkomatösen Masse vorzuziehen. In solchem Falle trägt man eine mehr begrenzte und stark hervorragende Wu­cherung aus freier Hand mit einer Cooper'schen, über die Fläche gebogenen Scheere ab; oder fasst eine mehr ausgebreitete mit der gekrümmten Pipette und trägt sie dann in einem oder mehreren Zügen ab. Starke Nachblutung und entzündliche Reaction besei­tige man durch Anwendung der Kälte und etwa zurückbleibende
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Partikelchen der Wucherung oder deren neues Aufkeimen zerstöre man durch Höllenstein. Zuletzt lasse man einige Mal täglich eine starke Auflösung von Zincum sidphuricum, mit oder ohne Opium-zusatz, in das Auge träufeln, um jede neue Wucherung nieder zu halten.
sect;• 651.
Wenn dem Ectropium abnorme Festigkeit oder Verkürzung der äusseren Haut zum Grunde liegen, so bedingt der Grad der Verkürzung der Augenlidhaut, die Beschaffenheit der dieselbe be­dingenden Narbe und die im höheren oder geringeren Grade damit verbundene Aufwulstung der Conjunctiva verschiedene Behandlungs-weisen.
Bei abnormer Festigkeit der Haut nach impetiginösen Affec-tionen, oder bei ganz oberflächlichen, die Haut nicht durchdringen­den und mit den unterliegenden Theilen nicht zusammenhängenden Narben können erweichende Einreibungen, wiederholte und lange fortgesetzte Dehnungen der Haut mittelst der Finger oder ange­legter Heftpflaster, allmälige Besserung und Heilung bewirken, weil hier häufig auch die Verkürzung des Augenlides wegen der gleichzeitigen Aufwulstung der Conjunctiva bedeutender erscheint, als sie in der That ist *).
Bei einem jeden bedeutenderen Grade der Verkürzung der Haut und festerer Narbe, wo diese Mittel immer unzureichend ge­funden werden, muss zur Wiederherstellung der natürlichen liich-tung des Augenlides eine entsprechende, breite Narbe gebildet und der transversale Durchmesser des Tarsalrandes, welcher bei höhe­rem Grade des Ectropiums verlängert ist, verkürzt werden. Das zu diesem Ende einzuleitende Verfahren findet sich bei Chelius folgendermassen exponirt. — Man macht einen Schnitt nach der ganzen Breite des Augenlides und möglichst nahe am Tarsalrande durch die Haut bis in das unterliegende Zellgewebe; löst hierauf die Wunclränder von dem Zellgewebe in solchem Umfange los, dass alle Spannung der Haut aufhört und das Augenlid mit Leichtig­keit in seine natürliche Stellung gebracht werden kann, und trennt durch einige senkrechte Schnitte die Fasern des Orbicularmuskels. Wenn eine bedeutende Aufwulstung der Conjunctiva der Repo­sition des Augenlides hinderlich ist, so wird diese mit der Scheere und mit dem Messer abgetragen und die äussere Commissur der Augenlider einige Linien weit in horizontaler Richtung eingeschnit­ten. Hierauf werden in der Nähe des Tarsalrandes mittelst einer gekrümmten Nadel zwei Fadenschlingen durch die Haut einge-
*) Chelius a. a. O. S. 15G.
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Oi'gamsthe Krankheiten tics Auges.
zogen, ohne den Tarsus zu verletzen und beim oberen Augenlide auf der Wange, beim unteren Augenlide auf der Stirne mit Heft­pflaster so befestigt, dass das Augenlid in seiner natürlichen Stel­lung erhalten wird. Die Wunde des Augenlides und die Wunde im Augenwinkel werden mit Charpie bedeckt, welche man mit Heftpflasterstreifen in ihrer Lage erhält, ohne einen weiteren Ver­band anzulegen. Bei fernerer Behandlung der Augenlidwunde wende man ausser trockener,. oder mit einem milden Cerate be­strichener Charpie nichts weiter an, und vermeide vor Allem, selbst, wenn die Granulationen über die Hautränder sieh erheben; das Betupfen mit Höllenstein, weil dadurch die Fleischwärzchen am meisten zur Contraction gestimmt werden.
sect;. G52. Die Verlängerimg des Augenlides und die Verkürzung des Transversaldiirchmessers des Tarsalrandes hat Jäger *) durch ein Verfahren erzielt, wobei durch Loslösung der verwachsenen Stelle die Verziehung der Haut und die Ausschneidung eines Stückes aus dem Augenlide den angegebenen Forderungen entspricht. Vor der Operation ist man bemüht, durch ölige Mittel oder erweichende Umschläge harte Narben etwa zu erweichen, so wie man auch vor­handene Wucherungen auf der Bindehaut zuvor entfernt. Nachdem man sich von der Länge des Tarsalrandes des verkürzten Auoren-lides durch einen, als Maass gebrauchten Faden überzeugt und die Differenz mit jener des unteren zur vorläufigen Bestimmung des später auszuschneidenden Stückes vorgemerkt hat, fasst man den Band des verkürzten oberen Augenlides mit der Pinzette oder einem einfachen Haken und zieht ihn an, dass die Narbe gespannt wird und macht sodann mit einem convexen Scalpell eine tiefe In­cision zwischen dem Orbitalrande imd dem Rande des auswärts­gekehrten Augenlides, welche von der gesunden Haut des einen Augenwinkels anfangend, sich in der gesunden Haut des an­deren Augenwinkels endigt und durch die ganze Dicke des Au­genlides, selbst durch die Conjunctiva dringt. Fürchtet man hiebei die Verletzung des Bulbus, so kann man eine Hornplatte unter das Augenlid schieben. — Am Tarsalrande bezeichnet man sich nun das Maass des auszuschneidenden Stückes mit einer Farbe und schneidet es mit der Scheere aus. Nun fasst man den oberen Wundrand mit einer Pinzette, zieht ihn an, führt ein zweischnei­diges Bistouri unter denselben, zwischen die hintere Fläche des Orbicularmuskels und die vordere Fläche des Stirnbeins, und indem man es sägend von aussen nach innen bewegt, löst man die Haut
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*) J. G. Drover, nova blcpharoplasticcs methodus. Vimlobonac 1831.
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von den unterliegenden Theilen in dem Umfange los, dass sie be­weglich und zur Vorziehung geschickt wird, ohne dabei die Haut oder das Periosteum zu verletzen. Hierauf werden die senkrechten Wundränder des Augenlidrandes mit zwei Knopfnähten vereinigt, wovon jede den Tarsus durchdringen soll. Der Gehülfe drängt nun die Haut in der Supraorbital - Gegend, besonders die gegen die Augenwinkel gelegene so herab, dass die horizontalen Ränder der Wunde sich genau anlegen und mittelst der Knopfnaht verei­nigt werden können. Wenn hiebei der obere Wundrand eine Falte bildet, so schneidet man diese ein, oder nach ihrer Grosse aus, um so den Wundrand in allen Punkten genau zu vereinigen. Die Anzahl der Nähte ist nicht zu bestimmen, sie müssen alle die Haut und den Kand des Tarsus durchdringen, ohne die Conjunctiva zu verletzen.
Am unteren Augenlide misst man die Länge des Augenlid­randes im Vergleiche mit dem gesunden und bemerkt mit Farbe-punkten am Tarsalrande die Strecke der sich ergebenden Differenz; von diesen Punkten zieht man zwei Linien gegen die Wangen, wo sie sich in einem Winkel vereinigen und die das Augenlid herab­ziehende Narbe einschliessen. Auf der Bindehautfläche des aus­wärtsgekehrten Augenlides denkt man sich von zwei Punkten eben­falls zwei Linien schräg gegen den Bulbus verlaufend, die sich je­doch nicht ganz vereinigen. Nach der Richtung der zwei gegen die Wange verlaufenden Linien werden nun zwei Incisionen durch die Haut und Muskeln bis auf den Knochen gemacht, dann in der Richtung der Linien, die man sich auf der Conjunctivafläche ge­dacht, ebenfalls zwei Incisionen, welche den Tarsus durchdringen. Die dreieckigen Lappen, welche diese Incision umschreiben, wer­den mit einer Zange gefasst und theils mit dem Scalpelle, theils mit der gebogenen Scheere abgetragen. Die Haut wird hierauf, wenn es nöthig ist, eben so wie beim oberen Augenlide, von den unterliegenden Theilen nach beiden Seiten abgelöst, dass das Au­genlid gegen den Bulbus gerichtet werden kann, und die Wund­ränder der Wangenhaut, so wie die Wundränder des Tarsus sich berühren. Die Vereinigung der ganzen Wunde wird nun durch 3 — 4 umschlungene Nähte in senkrechter Richtung bewerkstelligt, ohne die Conjunctiva zu verletzen. — Am oberen, wie am unteren Augenlide wird die Vereinigung durch Streifen von Heftpflaster unterstützt, die Wunde mit beölten Plümasseau's bedeckt, eine graduirte, auf ihrer unteren Seite mit Heftpflaster bestrichene Com-presse auf die Supraorbital - Gegend oder die Infraorbital - Gegend aufgelegt und mittelst einige Fuss langen und lJi Zoll breiten Heft­pflastern , die mit ihrer Mitte im Nacken angelegt werden, in gehö-
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Organisolie Krankheiten des Auges.
riger Lage erhalten. Die Nachbehandlung isect;t eine entsprechend antiphlogistische; die Fäden entfernt man, wenn sie sich am fünf­ten oder sechsten Tage gelöst haben, und unterstützt sodann die Vereinigung mit Heftpflastern *).
Unter diesen beiden Operationsweisen gebührt der ersten Che-li us'sehen, ihrer Einfachheit und Sicherheit wegen, der Vorzug.
sect;. 653.
Das symptomatische Ectropium heilt man durch die Exstirpa-tion der Geschwülste, welche es veranlassen. ' Diese Exstirpation muss von der Conjunctiva aus verrichtet werden. Sollte die Ge­schwulst sehr gross und die Conjunctiva sehr ausgedehnt seyn, so liann man bei dieser Gelegenheit ein ovales Hautstück ausschnei­den und sie dadurch verkürzen. Nach der Operation legt man den­selben Verband, wie bei dem Ectropium senile, an**).
II. Fehlerhafte Lage der Augapfelgebilde.
1. Von dem Hornhautbrucbe.
; I
sect;. 654. Wenn in Folge einer Wunde mit Substanzverlust oder eines Geschwüres die vorderen oder hinteren Lamellen der Cornea in einem bedeutenderen Umfange zerstört werden und die hierdureb entblössten hinteren oder vorderen Blättchen, die Descemet'sche Haut oder das Bindehautblättchen, dem Drucke der wässerigen Feuchtigkeit und der Einwirkung des Muse, bulbosus nachgebend, in Form einer Blase hervorgedrängt werden, so nennt man diesen Formfehler äusseren oder inneren Hornhautbruch, Hernia corneae, Ceratocele. — Derselbe hat gewöhnlich eine kugelichte, glatte und nur in seltenen Fällen, wo nämlich das veranlassende Hornhautübel von ungleicher Tiefe war, eine beerenartige Form, und erstreckt sich bald nur auf eine kleine, bald auf eine grössere Stelle, bisweilen auf den ganzen Hornhautumfang; er ist entweder halb durchsichtig oder undurchsichtig und in jedem Falle an seiner Grundfläche mit einem weissen, durch die Exulceration oder die Vernarbung erzeugten Ringe umgeben.
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*) Chelius a. a. O. Bd. 2. sect;. 197. *) Jüngkcn a. a. O. S. 733.
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Ist der Hornhautbruch klein, neu, so weicht er oft von selbst und lässt nur eine kleine Narbe zurück, dagegen bleibt die veral­tete Ceratocele leicht zeitlebens unverändert, oder sie vergrössert sich bei neuhinzukommender Entzündung und Eiterung. #9632;— Der grössere oder selbst totale Homhautbruch nimmt allmälig zu, wächst zu einer vorne breiten und abgeplatteten, nach hinten aber schma­len Kugel heran, verdünnt sich in der Folge an einer oder an meh­reren Stellen und berstet. Ist nun der Eiss klein, so legt sich nach Abfluss des Humor aqueus ein Theil der Iris in die Wunde und verwächst mit ihr und erfolgt das Bersten öfters wieder, so wächst die Iris an mehreren Stellen mit der Cornea zusammen, womit sich allgemach die Ceratocele in ein Hornhaütstaphylom umgestaltet. War aber der Riss gleich Anfangs grosser, so entleert sich ge­wöhnlich ausser der wässrigen Feuchtigkeit auch die ohnehin schon vorläufig nebst der Iris in die Concavität der Hornhaut gedrängte Linse, wohl selbst ein Theil des Glaskörpers, und das Auge wird atrophisch *).
sect;. 655.
Bei der Prognose berücksichtige man vorzüglich den Sitz der Ceratocele. Sie ist um so günstiger zu stellen, je näher diese dem Rande der Hornhaut liegt und um so ungünstiger, je mehr sie nach der Mitte der genannten Haut erscheint, und diese wird um so dunkler, je länger das Uebel gedauert hatte und je grosser die Geschwulst yrae. Inveterirte und grosse Hornhautbrüehe sind bis­weilen schwer zu heilen. Ist die Ceratocele mit Irisvorfall ver­bunden, so gilt hier auch die Prognose des letzteren. Der äussere Hornhautbruch bietet weit mehr Schwierigkeiten zur Heilung, als der innere.
sect;. 656.
Die Ansichten über die Behandlung des Homhautbruches sind für jetzt noch so wenig vereint, als man im Allgemeinen diesen Krankheitszustand als unbezweifelt gelten lassen will, da man eine Unterscheidung desselben von einem Irisvorfall für sehr schwierig ansehen will. Leblanc war eben auch noch nicht im Klaren über Homhautbruch und Hornhaütstaphylom, daher seine Behandlung eine complicirte war.—#9632; Während Beck, Beer, Chelius, Jüng-ken u. A. zu antiphlogistischen Mitteln rathen, empfehlen andere adstringirende und ätzende. Rosas vereinigt beide Ansichten, in­dem er sagt:
Bei der Cur des partiellen Hornhautbruches muss vor Allem sowohl die Zunahme, als Berstung desselben verhütet und die
*) Rosas a. a. O. S. 583.
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Organische Krankheiten des Auges.
Bildung einer, dem Drucke der wassrigen Feuchtigkeit (und dem -Einflüsse des Muse, bulbosus) hinreichend widerstrebenden Narbe begünstigt werden. Zu solchem Zwecke dient bei noch etwa vor­handenem Entzündungs - Phänomen ein, den Umständen angemes­senes allgemeines und örtliches antiphlogistisches Verfahren. Nach gehobenen Entzündungszufällen wird das kranke Auge mit einem adstringirenden z. B. aus Zincum sulphuricum, destillirtem Wasser und Opiumtinctur, bereiteten Augenwasser öfters am Tage gebäht, und später die Bruchstelle mit reiner Opiumtinctur täglich bepin­selt, oder bei namhafterem Erschlaffungszustand mit einer weissen Präcipitatsalbe, die mit Tutia oder Bolus gepaart ist, bestrichen. — Ist der zAvar nur partielle Hornhautbruch grösseren Umfanges, und droht er zu bersten, so muss die Hornhaut an ihrer untersten Stelle mit einem Staarmesser punetirt und diese Function nach Umstän­den wiederholt werden. — Bei veralteten kleinen Homhautbrüchen, wo der callöse Band die Ueberfüllung hindert, ist derselbe mit einem fein zugespitzten Lapis infernalis zu betupfen.
2. Von dem Regenbogenhautvorfalle.
sect;. 657.
Bei dem Vorfall der Regenbogenhaut, Frolapsus seu Staphyloma iridis, Hernia uveae, tritt die, von der in der hin­teren Augenkammer befindlichen wassrigen Feuchtigkeit sowohl, als unter Einwirkung des Muse, bulbosus vorgedrängte Iris durch eine einfache Oeffhung in der Hornhaut, z. B. nach einem Ge­schwür oder Verwundung, hervor und bildet eine einzeln stehende nur einen Theil der Hornhaut einnehmende, fleischige, rundliche, knotenähnliche, im frischen Zustande mit der übrigen Iris gleich­farbige , späterhin bläulichrothe, von einem weisslichen Rande um­gebene Erhabenheit, in Gestalt eines kleinen Apfelkernes (Melon) oder Fliegenkopfs (Myocephalum) oder Nagelkopfs mit breiter har­ter Oberfläche oder kleinem Stiele (Clavus s. Helos oculi); oder es fällt die Iris an mehreren Stellen vor, so wird dies das Trauben-staphylom, Staphyloma racemosum oder der mehrfache Iris Vor­fall, Prolapsus iridis multiplex, genannt. Die Pupille ist immer gegen die Stelle des Vorfalles hin verzogen.
sect;. 658.
Einen neu entstandenen und sich selbst überlassenen Irisvorfall begleiten alsbald ein hoher Grad von Lichtscheue, scharfer Thränen-fluss. Iritis von mehr oder minder bedeutender Heftigkeit, nebst Aus­schwitzung coagulabler Lymphe, welche die Iris überzieht und sich zugleich fest an die Ränder der Hornhautöffnung anheftet; darauf folgen entweder Abplattung eines kleineren Vorfalles oder blasen-
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artige Anfüllung eines grösseren Vorfalles mit der hervorgetriebe­nen Feuchtigkeit der hinteren Augenkammer; sodann vermehrtes Anschwellen und ein- oder mehrmaliges Bersten dieser Blase mit Entleerung ihres Inhaltes und darauf folgendem Schwinden des Vorfalles, Verwachsung der Iris mit der Hornhaut und zurück­bleibende dichte Homhautnarbe. — Oder es verbleibt statt des Ber­stens und der Abplattung des Vorfalles bei dessen Fortbestand, wobei derselbe mit einer dünnen Zellplatte sich überzieht und mit der Hornhaut sich verbindet und als schwärzlichblaues unempfind­liches, mit einem dünnen Stiele versehenes, die innere Augenlid­fläche reizendes Knötchen erscheint und veralteter Irisvorfall, Irisstaphylom im engeren Sinne des Wortes genannt wird.
sect;. 659.
Die Prognose ist vorzüglich von der Lage des Vorfalles ab­hängig, und ist um so günstiger zu stellen, je näher sich dieser dem Bande befindet; sie ist dagegen um so ungünstiger, je näher er der Mitte liegt, weil im ersten Falle die Pupille frei bleibt, daher das Sehvermögen fortbesteht, während im letzteren Falle der Pupil-larrand eingeklemmt wird und der Entzündung und Verschliessung durch Exsudation unterliegt. Ausserdem ist zu berücksichtigen, ob der Vorfall reponibel oder irreponibel ist, denn darin liegt die Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer Heilung. Von weiterem Belange ist der Grad der Reizung oder Entzündung des Auges überhaupt und der Iris insbesondere — ein höherer Grad der Rei­zung und Entzündung der Regenbogenhaut vernichtet die Aussicht auf Heilung. Ueberhaupt aber bestimmt die Länge der Dauer des Vorfalles, so wie die Beschaffenheit der Iris die Prognose noch näher; günstig ist diese, wenn der Vorfall noch frisch und die Iris in Farbe und Structur unverändert ist, indem dann noch eine Re­position möglich ist, während letztere im umgekehrten Falle ausser dem Bereiche der Möglichkeit liegt.
sect;. 660.
Die Heilindicationen bei dem Irisvorfalle sind: Beseitigung oder Minderimg vorhandener Entzündung, Bewirken des Zurück-tretens des Vorfalles, Zerstören desselben oder Hervorrufung einer Verwachsung desselben mit der Cornea.
sect;. 661.
Zunächst sey man bei der Behandlung bemüht, der Entzün­dimg vorzubeugen oder einer bereits vorhandenen nach ihrem Grade und Charakter zu begegnen; man schliesse daher das gesunde Auge durch einige Heftpflasterstreifen, verdunkle den Aufenthalts­ort des Thieres und belege das kranke Auge mit eiskalten Um­schlägen, um der Entwickelung der Entzündung prophylaktisch
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318nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Olganische Krankheiten des Auges.
entgegenzutreten oder man gebrauche den vollständigen antiphlogi-stischen Heilappai'at, um eine bereits ausgebildete Entzündung zu heben.
Eine Reposition der vorliegenden Iris suche man durch die ei­gene Thätigkeit dieser Membran zu bewirken, zu welchem Ende man alsbald eine Einträufelung eines Belladonna-Aufgusses in das Auge macht, um durch eine vermehrte Contraction der Iris das Zurück­treten des noch nicht verwachsenen Iristheiles geschehen zu lassen; worauf man auch das kranke Auge verklebt und während 24 Stun­den kalt fomentiren lässt. Hat sich hierauf die Iris nicht vollkom­men in ihre normale Lage zurückbegeben und die Hornhaut wunde noch nicht geschlossen, so ist die Instillation zu wiederholen und die eingeleitete Antiphlogose fortzusetzen, wodurch mindestens der Vergrösserung des Vorfalles entgegengewirkt wird.
Ist übrigens der Vorfall noch ganz neu, etwa durch eine Ver­wundung der Hornhaut, vielleicht bei einer Staarextraction unter der Hand des Operateurs entstanden und sehr gross, so kann oder soll man ihn alsbald mit einem Spatel oder einer stumpfen Sonde zurückbringen, oder auch durch Schliessen und gelindes Reiben des Auges die Iris zur Contraction stimmen und durch plötzliches Ein­fallenlassen des Lichtes in's Auge eine plötzliche Verengerung der Pupille bewirken, um auf diese Weise das Zurücktreten der Iris und die Verheilung der Hornhautwunde zu bewirken zu suchen.
Gelang nach solchem Verfahren wegen Entzündung oder In­carceration des Vorfalles die Reposition der Iris nicht, oder fiel die­selbe auf's neue vor, dann suche man die Vergrösserung des Vor­falles dadurch zu verhindern, dass man die Schliessung der Oeff-nung in der Hornhaut durch Verwachsung der Iris mit jener Oeff-nung und die Abstossung des vorliegenden und bereits entarteten Theiles der Iris möglichst befördert, was durch Bepinselung des Vorfalles mit der Tinctura Opii crocata, mit dem Acidum muriati-cum concentratum u. dgl. oder durch Betupfen mit Argentum ni-tricum erreicht wird.-
Das Aetzen alle drei bis vier Tage wiederholt, bis der vor der Bruchöffnung liegende Theil der Iris gänzlich abgefallen ist, sagt Leblanc, hat mir stets gute Dienste geleistet, man muss aber dabei etwas über den, die Wunde umgebenden Ring der Horn­haut hinausgehen. So nöthig es ist, hinlänglich tief mit dem Aetzen zu gehen, so ist es auch von der anderen Seite nothwendig, das Werk der natürlichen Wiedererzeugungskraft nicht zu zerstören, und sobald die Wunde röthlich wird und kleine Wärzchen zeigt, mit dem Aetzen aufzuhören, an dessen Statt aber die Wunde mit Wegebreit- oder Rosenwasser rein zu erhalten.
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Verzögert sich aber nach Verheilung der Hornhaut wunde die Abstossung des vorliegenden Theiles der Iris oder war wegen all­zuhohen Grades der Entzündung die Anwendung genannter Heil­mittel unzulässig, so schneide man denselben mit einer kleinen, über die Fläche gebogenen Scheere dicht an der Oberfläche der Hornhaut hinweg.
War der Irisvorfall von zerstörender Ulceration der Hornhaut und torpidem Zustande der Entzündung begleitet und bleiben solche nach dessen Beseitigung noch zurück, so müssen adstringirende Augenwässer mit Laudanum, Einstreichen des letzteren und ti^-ckene aromatische Kräuterkisschen angewandt werden.
Beim Menschenauge rechtfertigt sich nach den Erfahrungen von Chelius das dynamische und mechanische Kepositionsverfahren nicht als nützlich wirk­sam, indem durch solches am Ende nichts weiter erzielt werde, als was die Natur bei einer einfachen und ihren Gang nicht störenden Behandlung noch besser zu Stande bringe. Daher spricht genannter Beobachter für bestimmt aus: „Der Vorfall der Iris indicirt für sich gar nicht; die Behand­lung richtet sich einzig und allein nach den, mit demselben ver­bundenen Krankheitserscheinungen.quot;
Dieser Satz dürfte jedoch auf das Thierauge eine nur sehr beschränkte Anwendung finden, weil selbes, als ein mehr produetives und minder sensibles Organ, als das Menschenauge, weit mehr zu Afterproductioncn geneigt ist und eine viel geringere Reaction gegen chemische Beize zeigt.
3. Von dem Vorfalle der Aderhaut.
sect;. 662.
Der Ad erbaut Vorfall, Prolapsus seu Staphyloma chorioi-deae, wird durch penetrirende und ausgebreitete Wunden und Ge­schwüre der Sclerotica veranlasst und erscheint in Form einer schwarzbläulichen, aus der Oeffnung der Sclerotica hervorragenden Geschwulst, welche von Erweiterung und Verziehung der Pupille, gestörtem Sehvermögen und Reizungszufallen am Auge beglei­tet wird.
Kleine Vorfälle dieser Art schwinden oft bei einer Behand­lung, gleich jener der Irisvorfälle, und hinterlassen blos bläuliche Narben, grössere Aderhautvorfälle dagegen weichen nicht und gehen leicht in varicose Entartungen oder in Atrophie des Auges über *).
Bei der Behandlung dieses Vorfalles hat man übrigens mehr noch, als bei jenem der Regenbogenhaut, den Grad der ihn beglei-
*) Rosas a. a. O. S. 588.
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Organische Krankheiten des Auges.
tcnden Entzündung zur Richtschnur zu nehmen, sich ätzender oder reizender Mittel zu enthalten und mit der Abtragung des vorgefal­lenen Theiles sehr vorsichtig zu Werke zu gehen.
4. Von dem Vorfalle der Krystalllinse.
sect;. 663. Der Linsenvorfall entsteht als Folge mechanischer Einwirkun-gen auf das Auge mit oder ohne Verwundung, durch Erschütterung dlaquo;s Auges und seiner Umgegend, nach welchen verschiedenen An­lässen man einen traumatischen oder gewaltsamen und einen spontanen Vorfall der Linse unterscheidet.
sect;. 664.
Begleitet werden die beiden Arten des Vorfalles von verschie-denen Erscheinungen, welche theils durch die anderweitigen gleich­zeitig hervorgerufenen Zustände, theils durch die dislocirte Linse selbst hervorgerufen werden und im Allgemeinen von dem Grade der Entzündung selbst abhängig sind.
Meistens ist die vordere Kapselwand durch die Gewalt der Verletzung gesprengt, und ^e Linse allein hervorgetreten; biswei­len bei spontanem Vorfalle ist sie aber auch noch von der Kapsel eingeschlossen und diese vom Glaskörper abgerissen, dabei er­scheint die Pupille sehr erweitert, die Regenbogenhaut nach hinten zurückgedrängt und der Raum der vorderen Augenkammer mit der anfangs noch klaren, später aber trübe werdenden Linse gefüllt. Durch den Vorfall der Linse selbst und den dadurch auf die Iris verursachten Druck werden immer mehr oder weniger bedeutende Entzündungszufälle hervorgebracht, welche dem geschehenen Vor­falle alsbald folgen; das Auge ist lichtscheu, schmerzhaft bei der Berührung, die Röthe der Bindehaut bedeutend, auch die Sclerotica ist zuweilen von einem feinen helleren Gef ässnetze durchzogen, die Pupille erweitert, unbeweglich und die Farbe der Regenbogenhaut wohl anfanglich nicht, aber später durch die Entzündung alienirt. Das Sehvermögen ist nach längerem Bestände des Vorfalles immer vollkommen aufgehoben.
In Bezug auf die ätiologischen Momente des spontanen Lin­senvorfalles bestehen die verschiedensten Annahmen, unter welchen v. Ammon's*) Vermuthung, dass eine Erweichung der Glashaut und des Orbiculus capsulo - ciliaris (der Verbindung zwischen Lin­senkapsel und den Ciliarfortsätzen), ohne hydropischen Zustand, —
*) Zeitschrift für Ophthalmologie Bd. 1, II. 2. S. 258.
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welchen letzteren Himly in der Glashaut bei einer Vergrösserung der enthaltenen Theile der Linsenkapsel, als wahrscheinliche Ur­sache anzusehen geneigt war, — entstehen und zwar schnell ent­stehen könne. Chelius*) fügt dieser Vermuthung die Bemerkung bei: „vielleicht dass auch aus irgend einer Ursache eine Verminde­rung der gesammten Befestigungen der Linsenkapsel entstehen könne, gleichwie bei Cataracta tremula, wodurch bei einer gering­fügigen Veranlassung schnell eine völlige Loslösung derselben, wie bei Cataracta natans, und Vorfall in die vordere Augenkammer erfolge.quot;
sect;. 665.
Die Prognose eines recenten Linsen Vorfalles ist im Allge­meinen günstig; bei längerer Dauer jedoch leidet die Retina in Folge des auf die Iris und Ciliarnerven anhaltend ausgeübten Druckes in der Art, dasa Amaurose nicht selten nachfolgt und die Pupille nach der endlichen Resorption oder Ausziehung der Linse weit und starr und das Sehvermögen völlig erloschen bleibt; ausserdem und haupt­sächlich sind es die entzündlichen Erscheinungen, welche oft von geringerer oder grösserer Gefahr für das Auge werden können.
. sect;. 666.
Bei Behandlung des Linsenvorfalles hat man die Linse gleichsam als fremden Körper zu betrachten und die consecutiven Zufälle, wenn solche schon in hohem Grade zugegen sind, noch vor dessen Entfernung zu ermässigen, oder gleichzeitig Zertheilung der Entzündung und Resorption der dislocirten Linse zu erwirken. — Das erstere Verfahren verdient vor dem letzteren bevorzugt zu werden, da das Verbleiben der Linse in der vorderen Augenkam­mer bis zu ihrer völligen Resorption immerhin für das Auge von grosser Gefahr seyn muss.
Die Entfernung der vorgefallenen Linse geschehe daher durch alsbaldige Eröffnung der Hornhaut mittelst des Schnittes mit dem Staarmesser, der wie bei einer Cataracte - Extraction geführt wird, und der hier leicht zu machen ist, indem die vorliegende Linse, die Iris zurückdrängt und vor einer Verletzung schützt.
Ausserdem hebe man die begleitenden und der Extraction fol­genden Zufälle, in sofern sie entzündlicher Natur sind, mit einer den Umständen angemessenen Antiphlogose.
3. Von dem Vorfalle des Glaskörpers.
sect;. 667. Der Vorfall des Glaskörpers, Prolapsus corporis vitrei.
*) A. a. O. Bd. II. S. 182.
Müller, Vclcrinär-Ophtlialmologie. II.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 21
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Organische Krankheiten des Auges.
entsteht nicht durch die Schwere des Glaskörpers, sondern ist gleich den Vorfällen der Eegenbogenhaut und Linse, das Product der Contraction der Augenmuskeln und Häute und sein Vorkommen hängt nicht von der Lage und Richtung der Oeffnung am Auge, sondern von dem Zustande und Grade der Reizung und Entzün­dung des Auges ab. Der Glaskörper tritt eben so leicht durch eine Oeffnung hervor, welche sich am oberen Theile des Auges befindet, als durch eine solche am unteren Theile desselben und er wird besonders dann recht stark, wenn sich das Auge in einem o-ereizten oder entzündlichen Zustande befindet. Am leichtesten tritt der Glaskörper durch Wunden in der Sclerotica hervor. Aber auch durch grosse Hornhautwunden kann der Glaskörper vorfallen und hier ist er gewöhnlich mit einem Vorfall der Linse complicirt und zwar so, dass dieser ihm vorangeht. Bisweilen entsteht er in-dess bei Hornhautwunden, auch ohne Vorfall der Linse, indem der Glaskörper diese bald nach der einen, bald nach der anderen Seite hin verdrängt, und sich über und unter der Linse hervorwälzt*).
sect;. 668.
Der Vorfall des Glaskörpers charakterisirt sich, ist er frisch; als eine helle, durchsichtige, gallertartige Masse, welche in der Wunde liegt und die Wundränder auseinanderdrängt; ist er ver­altet, als eine trübe, dem geronnenen EiwTeiss ähnliche Masse in der Wunde, welche sich in einzelnen Flocken absondert. Er ent­zündet sich auf den Hinzutritt der atmosphärischen Luft schnell, schwillt an, und drängt sich dann in noch grösseren Quantitäten hervor, bis er unter Nachlass der Erscheinungen abstirbt, und sich absondert, worauf die Wunde sich zu schliessen beginnt**).
Wenn viel Glaskörper verloren ist, so wird nach geschehener Heiluno; die Wölbung des Auffes dadurch etwas gemindert; die Lichtstrahlen werden nicht mehr so stark, als früher gebrochen und das Auge ist weitsichtig.
- sect;. 669.
Als ursächliches Moment wirken bedeutende Verwundungen des Auges, und sowohl penetrirende Wunden der Sclerotica, als die der Cornea. Besonders leicht entsteht dieser Vorfall bei ge-zerrten und gequetschten Wunden des Augapfels von bedeutendem umfange ***).
sect;. 670.
Ein massiger Verlust des Glaskörpers ist gefahrlos, und hat
*) Jimgken a. a. O. S. **) Ebendaselbst. **) Ebendaselbst.
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nicht einmal eine bedeutende Störung des Sehvermögens zur Folge. Selbst bei einem grossen Verluste des Glaskörpers kann das Sehver­mögen erhalten werden, wofern jener nicht ein Drittheil der Gesammt-inasse desselben überschreitet. Geht aber noch mehr verloren, dann ist Colliquation des Auges und Blindheit oder Atrophie des Aug­apfels die unausbleibliche Folge davon. Einen massigen Verlust des Glaskörpers ersetzt die Natur durch wässrige Feuchtigkeit, so dass weder die Form, noch die Spannung des Auges dadurch lei­det. Auf die Wunde hat jeder Vorfall des Glaskörpers die Folge, dass ihre Heilung langsamer erfolgt. Sie kann sich nicht eher schliessen, als bis der Glaskörper abgesondert ist, und hierüber geht bisweilen längere Zeit hin; die Wundränder fangen an zu eitern, lockern sich auf, schwellen an, und die Wunde heilt mit einer dicken, entstellenden, schwielichten Narbe. Ist der Glas­körper durch eine Hornhautwunde vorgefallen, dann ist er allemal mit einem Vorfalle der Iris complicirt, indem er nicht eher aus der Wunde hervortreten kann, als nachdem er die Iris durch dieselbe liervorgedrängt hat. Er hat daher zugleich alle die üblen Folgen, von denen der Vorfall der Iris begleitet ist, und hinterlässt in der Hornhaut eine sehr entstellende Narbe. Sehr viel hängt im letzteren Falle auch mit von dem Orte ab,- wo die Wunde sich befindet. Fer­ner berücksichtige man bei der Prognose den allgemeinen Zustand des Auges. Je reizbarer und empfindlicher dieses und je mehr es entzündet ist, desto ungünstiger ist die Prognose. Sehr übel wird die Prognose, wenn Augapfelkrampf vorhanden ist*).
sect;. 671. Man hat den Vorfall des Glaskörpers auf ähnliche Weise be-haudelt, wie jenen der Iris, und ihn tlieils zurückdrücken, theils ab­schneiden, theils durch Anwendung reizender, selbst ätzender Mit­tel heben wollen. Das eine ist indess so verwerflich, als das an­dere, und zwar aus denselben Gründen, wie beim Vorfalle der Iris. Je mehr das Auge auf irgend eine Weise gereizt wird, um so stärker werden sich die Augenmuskeln und die Sclerotica zusammen­ziehen , und um so mehr wird der Glaskörper hervorgedrängt. Vor allen Dingen suche man die Vergrösserung des Vorfalles dadurch zu verhüten, dass man augenblicklich jeden auf das Auge einwir­kenden Reiz entfernt, und überhaupt den Zustand gesteigerter Thä-tigkeit, in welchem sich das Auge zur Zeit befindet, vermindert. Zu dem Ende schliesse man das Auge sogleich, verklebe das ge­sunde Auge, hebe die bereits vorhandene Entzündung, oder beuge derselben vor durch kalte Umscldäge, Blutentziehnngen, und durch
*) Jüngken a. a. O. S. 74(;.
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den Gebrauch kühlender Mittel u. dgl. Die Keposition des vor­liegenden Thcilcs des Glaskörpers ist auf keine Weise möglich, und würde, selbst wenn sie ausführbar wäre, zu widerrathen seyn, indem sich der Theil des Glaskörpers, welcher einmal der atmo­sphärischen Luft exponirt war, zu schnell entzündet und trübt. Er stirbt in der Hornhautwundc ab und wird abgesondert, worauf die Schliessung der Wunde von selbst erfolgt. Hat man die Entzün­dungszufälle gemässigt, so bewirkt die Natur von selbst die Ab­sonderung des vorliegenden Glaskörpers; sollte sie sich zu sehr verzögern, dann kann man sie, wenn nämlich alle Entzündung, und jeder Zustand erhöhter Reizbarkeit des Auges geschwunden ist, durch tägliche Bepinselung des vorliegenden Theiles mit der Opiunitinctur befördern, womit man bis zur erfolgenden Schliessung der Wunde fortfährt. Man hüte sich aber wohl, die Opiumtinctur zu früh anzuwenden, sonst reizt sie das Auge, und kann dadurch
leicht Verschlimmerung des Uebels herbeiführen.
Bis zur gänz-
lichen Vernarbunff der Wunde muss das kranke Auge sjeschlossen gehalten werden, da selbst der Keiz der Augenlider beim Augenlid­schlage nachtheilig werden und eine Vergrösserung des Vorfalles bewirken kann.
0. Von dem Vorfalle des Augapfels.
sect;. (372. Bei dein Vorfalle des Augapfels, Prolapsus bulbi, Oph-thalmoptosis, tritt der Augapfel vermöge der Beeinträchtigung und Verminderung seiner natürlichen Befestigungen in verschiedenem Grade aus der Augengrube hervor, wonach man den incompleten und completen Vorfall unterscheidet. Im ersten Falle ist der Aug­apfel noch theilweise von den Augenlidern bedeckt; im zweiten Falle liegt der Augapfel ganz von den Augenlidern entblösst vor der Augengrube *).
673.
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Die Ursachen der Ophthalmoptosis beruhen auf Verletzungen und Zerreissungen der Muskeln und der übrigen Befestigungen des Augapfels durch stumpfe, mehr quetschend wirkende Körper, welche in die Augengrube dringen oder von oben unmittelbar auf das, nicht durch einen knöchernen Oberaugeubogen geschützte Auge, wie bei je­nem des Hundes, treffen. Nach der verschiedenen Einwirkung dieser Ursachen können gleichzeitig mancherlei Complicationen bestehen: Verletzung, Quetschung des Augapfels, Zerreissung, Blutextra-
*) Chclius a. a. O. Bd. 2. sect;. 226.
f ! i
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vasat im Zellgewebe und im Augapfel selbst, Verminderung und Verlust des Sehvermögens, später heftige Entzündung, Geschwulst, Eiterung u. s. w.
Nach Wesen, Charakter und Ursachen unterscheidet sich diese Form der Ophthahnoptosis von deren anderen Formen, indem beim Exophthalmos der Augapfel durch irgend eine, in der Orbita sich entwickelnde Geschwulst aus jener hervorgetrieben, dagegen bei der Exophthalmic aber durch die Vergrös-seruug des Bulbus 'sein Hervortreten aus der Orbita bedingt wird. Ebenso verschieden ist sie von dem Vorfalle des Augapfels durch Lähmung seiner Mus­keln, Ophthahnoptosis paralytica, wobei zugleich das Sehvermögen vermindert und aufgehoben ist, also eine andere Grundlage des Leidens besteht.
sect;• .674.
Bei der Prognose berücksichtige man vorzüglich die Compli-cationen und die Länge der Dauer des Uebels. Sie ist im Allge­meinen nicht so ungünstig, als man es gemeinhin zu glauben ge­neigt ist und als es auf den ersten Blick erscheinen quot;dürfte. Bei zweckmässiger Behandlung gelingt in vielen Fällen nicht allein die Erhaltung und Reposition des Augapfels, sondern es glückt selbst bisweilen, das Sehvermögen wieder herzustellen. Sehr viel hängt dabei von dem Umfange der Verwundung und von der Zerreissung der Weichgebilde in der Orbita, sowie von dem Grade der Quet­schung ab, den der Augapfel selbst erlitten hat. Nur dann ist die Prognose schlecht, und der Fall ganz hoffnungslos, wenn die Zer-reissungen in der Tiefe der Orbita bedeutend sind, und der Aug­apfel bereits anfängt zu degeneriren. — Fast immer bleibt nach der Ophthalmoptose Schielen und Schiefstehen des Auges zurück *).
sect;. 675.
Die Behandlung hat zuvörderst die Entzündung zu heben oder in ganz frischen Fällen, deren Entwickelung mit kräftiger An-tiphlogose entgegenzutreten, auf welche Weise zugleich der Vorfall häufig zurückgebracht wird. Tritt dieser nicht von selbst zurück, so versuche man ihn durch sanften Druck mit der Hand zurück­zubringen oder man sey, falls dies nicht gelingt, die Reposition durch mechanischen Druck mittelst einer, um das Auge und auf Compressen gelegten Binde, deren Wirkung man täglich etwas ver­stärkt, zu bewerkstelligen bemüht.
Den Vorfall des Augapfels, als Folge heftiger Aufregung, mit Ausdehnung und Verlängerung seiner natürlichen Befestigungen, muss man sogleich reponiren.
Nachher zurückbleibende gestörte Bewegung des Augapfels und theilweise Contraction der Augenmuskeln versuche man durch
*) Jüngkcn a. a. O. S. 737 u. f.
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Organische Krankheiten des Auges.
flüchtig belebende Mittel zu heben, was übrigens in der Hegel nur theilweise gelingt.
1st aber der vorgefallene Augapfel zerstört und in dem Grade degenerirt, dass seine Erhaltung unmöglich erscheint, so muss er
hinweggenommen werden.
II.
Veränderte! Beschaffenheit der durchsichtigen Medien des Auges hinsichtlich ihrer Qualität und
Quantität.
A. Trübungen der durchsichtigen Medien des
Auges.
sect;. 676.
Die Trübungen der durchsichtigen Medien des Au­ges, Adiaphanoses oculi, sind zwar häufig Symptome entzünd­licher oder kachektischcr Uebel oder abnehmender Lebenskraft und daher nur scheinbar vorhanden, wie z. B. beim Pigmentmangel — amaurotisches Katzenauge —; indess erscheinen sie auch als Fol­gen der ersteren und beruhen dann auf einer bleibenden Störung des organischen Stoffwechsels im kranken Thcile. — In ihrem symptomatischen Erscheinen wurden dieselben bei Beschreibung des Grundlcidens schon vorgeführt und bleiben, insofern sie als Krankhcitsproducte aucli nach dem Erloschenseyn des bedingenden Uebels fortdauern, noch zu betrachten übrig.
Diese Trübungen haben ihren Sitz in der Hornhaut, in der Krystalllinse und in dem Glaskörper.
I. Von den Verdunkelungen und Flecken der Hornhaut.
sect;. 677. Unter Verdunkelung der Hornhaut, Obscuratio corneae, verstehen wir alle Trübungen derselben, welche durch Veränderung
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ihres eigcnthümlichen Ernährungsprocesscs, Anhäufung- und Gerin­nung des ihre Zellen anfüllenden Halitus oder durch plastische Exsudationen und Verwachsungen bedingt sind. —. Die Trübun-gen der Hornhaut zeigen hinsichtlich ihres Umfanges, ihrer Dicke und ihrer anderweitigen Beschaffenheit mannigfaltige Verschieden­heiten. — Sie dehnen sich über den grössten Theil der Hornhaut aus (obscuratio corneae p. s. dicta) oder sie nehmen nur eine kleinere Stelle derselben ein, Flecken der Hornhaut (macula corneae); ihre Farbe steht im Verhältnisse zu ihrer Dichtigkeit; sie sind halb durchsichtig, von nebelichter, rauchichter, wolkenartiger, ins Dun-kelgraue spielender Farbe, Nebelflecken (Nephelium, Nebula), Wolkenflecken (Nubecula, Achlys, Aegis); undurchsichtig, weiss (Leucoma) kreideartig, Kreideflecken (Albugo, Leucoma cretaceum), perlenmutterartig, gelblichwoiss, Perlenflecken (Margarita, Leu­coma margaritaceum, Perla, Paralampsis) ; sie sind entweder ober­flächlich, haben ihren Sitz im Biudehautblättchen, oder tiefer in der Masse der Hornhaut oder selbst in der Tunica humoris aquei, sie sind gleich mit der Fläche der Hornhaut, oder sie stehen her­vor oder zeigen manchmal eine Vertiefung; sie sind in ihrer'Mitte meistens saturirter und verwischen sich gegen ihren Umfang; oft sind sie, sowie die übrige Hornhaut, frei von Blutgefässen, oft verlaufen einzelne oder mehrere Blutgefässe über die Hornhaut zum Flecken, verbreiten sich in seinem Umfange oder in ihm selbst, ersteres ist häufiger bei frischen, letzteres bei veralteten Hornhautflecken der Fall. — Ganz gleiche Verhältnisse zeigt auch die Narbe der Hornhaut (Cicatrix corneae), welche durch Ver­wachsung der Hornhautlamellen bedingt ist*).
sect;. ^78. Die nebel- und wolkenartigen Trübungen breiten sich selten über den grössten Theil oder den ganzen Umfang der Cor­nea aus, sie bilden meistens einzelne oder mehrere kleine Flecken, die getrennt sind oder zusammenhängen; sie ragen gar nicht oder kaum merklich über die Hornhaut hervor und trüben das Sehver­mögen entweder nur in bestimmter Richtung oder durchaus, je nachdem sie mehr gegen den Rand der Cornea oder der Pupille gegenüber ihren Sitz haben. Die undurchsichtigen leukoma­tösen Trübungen bestehen meistens einzeln und in grösserem Umfange, die Hornhaut ist an ihrer Stelle verdickt, fest, manch­mal knöchern, sie ragen an der äusseren oft auch an der inneren Fläche derselben hervor und sind entweder scharf begränzt oder mit einem nebeligen oder wolkigen Kreise umgeben; sie beschrän-
*) Clielius a. a. O. Bd. 2. sect;. 24(;.
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ken das Sehvermögen im hohen Grade, oder heben es, wenn sie der Pupille gegenüber stehen, bis zur Lichtempfindung auf*). Die reine Narbe. (Cicatrix) ist immer perlmutterartig glänzend oder gelblichweiss, oft mit verlängerten Gefässen durchzogen, völlig undurchsichtig, lederartig oder auffallend hart anzufühlen, rund und anders gestaltet, mit ringsum scharf abgeschnittenen Rändern, oft sehr flach, abgeplattet, oder gar etwas vertieft, sehr oft mit Synechia anterior an dieser Stelle verbunden. Die makulöse oder leukomatöse Narbe ist eine Verbindung dor Narbe mit der nebeligen oder weissen Verdunkelung, daher sind die Zeichen ge­mischt.
sect;. 079.
Die Hornliautverduiikelungen zerfallen in die einfachen, in die componirten und in die complicirten. Häufig findet man mehrere Arten von Trübungen an einer und derselben Hornhaut, z. B, Entzündung, Exsudat, Narbe. Complicirt sind sie bisweilen mit Verwachsungen zwischen Iris und Hornhaut. Man erkennt diese Complication an der undurchsichtigen Farbe der Verdun­kelung, welche da, wo die Verwachsung Statt hat, gewöhnlich et­was bläulich erscheint, an der Verzerrung der Pupille und, blickt man seitlich in's Auge, daran, dass die Iris an der Stelle der Trü­buno; dicht an der Hornhaut anliegt.
sect;. 680.
Nächste Ursache zur Entstehung von Hornhauttrübungen sind Entzündungen jeder Art, durch welche die natürliche Cohärenz des Gewebes der Hornhaut und die Beschaffenheit des, ihre Zellen an­füllenden, serösen Halitus verändert und plastische Exsudationen in derselben oder Zerstörung und Verwachsung hervorgebracht wer­den. Die geringste Veränderung des serösen Halitus, durch Sto­ckung und vermehrte Ansammlung erzeugt, und sich meistens nur auf die oberflächlichen Schichten der Hornhaut beschränkend, be­steht beim Nebel- und Wolkenflecken. Ist plastische Lymphe ergossen und in den Zellchen angehäuft, wodurch ihre Wandungen verbunden werden, so entstehen die verschiedenen Grade der Lcu-kome. Werden die Zellen und Lamellen der Hornhaut durch plastische Exsudationen mit oder ohne Entwickelung von Granu­lationen fest mit einander verbunden, wie bei Wunden und Ge­schwüren, so bilden sich Narben*).
sect;. 681.
Die Prognose bei den Hornhauttrübungen ist verschieden nach ihrem Grade und ihrer Beschaffenheit, nach ihrem Sitze, nach
*) Chelius a. a. O. JJd. 2. S, 204.
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der Dauer ihres Bestandes, nach dem Alter und der Constitution des Thiercs und nach der Ursache, welche sie veranlasste. Leichte, frisch entstandene Trübungen der Hornhaut bei gesunden, beson­ders jüngeren Individuen, verschwinden oft durch die blossen Na­turkräfte oder durch gehörige Regulirung der Lebensweise oder bei dyskrasischen Subjecten durch eine, der Dyskrasie entspre­chende Behandlung. — Je dichter, weisser, glänzender der Flecken ist, um so schlimmer ist die Prognose; je mehr der Flecken in's Grauliche fällt, je mehr sich sein Umfang verwischt, je matter er aussieht, je mehr Gefässe gegen ihn hinlaufen, ohne ihn zu errei­chen, um so leichter kann er entfernt werden. Oberflächliche Trü­bungen sind leichter zu heilen, als tiefer sitzende und Flecken an der inneren Oberfläche der Hornhaut am schwierigsten. Bei Ex-sudationen in dem Parenchym der Hornhaut ist die Prognose im­mer zweifelhaft; bei jugendlichen Individuen viel besser, wie bei älteren. Dasselbe gilt von dem Alter des Fleckens, je länger er bestanden hat, um so schwieriger ist er immer zu entfernen. Die Gegenwart allgemeiner, namentlich dyskrasischer Krankheiten macht die Cur in der Regel misslicher, weil in solchen Fällen Geneigtheit zu Recidiven der Entzündung besteht, wodurch der Flecken mei­stens vergrössert wird. Narben können nicht entfernt werden, wohl aber ziehen sie sich mit der Zeit, wie andere Narben, auf einen kleinen Umfang: zusammen, sowie auch durch Aufhellung des sie umgebenden, nebligen, wolkenartigen oder leukomatösen Randes das Sehvermögen oft bedeutend gebessert werden kann *).
sect;. 682.
Bei Behandlung der Hornhauttrübungen ist es allgemeine Regel, zunächst die veranlassende Ursache derselben zu ermitteln und dabei hauptsächlich in Betracht zu nehmen, ob diese auf einer noch obwaltenden, oder vorübergegangenen Entzündung beruht, welchen Charakter sie hat, und ob das Auge zu deren erneuertem Auftreten geneigt erscheint.
Nach Ermittelung dieser fraglichen Punkte ist das erste Ver­fahren nach den speciell vorliegenden Umständen einzuleiten und bei obwaltender Entzündung, eine entzündungswidrige Behandlung vorauszuschicken und nebst dem der Gebrauch mischungsändemder Mittel zu adhibiren, wobei gleichzeitig die Trübungen sich mindern.
Die Behandlung der einfachen Hornhautflecken unterscheidet sich nach den Stadien derselben. Andere Mittel werden in der ersten Periode der Krankheit, in welcher entweder noch ein Rest der Entzündung zugegen ist, oder wo wenigstens noch ein Reflex
*) Chelius a. a. O. sect;. 250.
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der ontzündungsartigen Reaction übriggeblieben zu seyn scheint, ihre Anwendung finden, andere dagegen in dem spätem rein chro­nischen und von aller Entzündung befreiten Verlaufe des Uebels passen. In den ersten Zeiträumen der Krankheit wird der Um­fang des Fleckens oft schon durch die einfache trockene Wärme ge­mindert. Bei eben erst entstandenen Flecken, welche die Folge dyskrasischer und impetiginöser Ophthalmie sind, zeigt sich die Sublimatauflösung ausserordentlich hülfreich, namentlich dann, wenn mit der verminderten Entzündung torpider Zustand, Erschlaffung und Ueberfüllung der Gefässe verbunden sind. Sobald jedoch die Empfindlichkeit des Auges gänzlich nachgelassen hat, und schon mehrere Monate seit der Entwickelung der Trübung verflos­sen sind, wird das genannte Mittel keine weitere Abnahme der Krankheit hervorbringen. Dasselbe findet Statt, wenn der Fleck durch eine rein örtliche Ursache veranlasst worden und aus einer veralteten chronischen Ophthalmie entstanden ist, in welchen letz­teren Fällen in der ersten Periode der Krankheit die Abnahme der­selben durch das Einstreichen der reinen Opiumtinctuiv, welches täglich oder auch alle zwei Tage einmal wiederholt wird, zu erzie­len ist. Die Tugend dieses Mittels, durch welche es eine örtlich irregeleitete Reproduction zu ihrem Normalgrade zurückzuführen im Stande ist, zeigt sich hier vorzüglich auffallend. Weniger wohl-thätig dagegen wird es in jenen Fällen wirken, gegen welche, da sie durch Einwirkung einer Dyskrasie veranlasst worden sind, die Sublimatauflösung angezeigt bleibt.
Sobald neben der Verdunkelung der Hornhaut einzelne Bün­del varicöser Gefässe auf dem Rande der letzteren beobachtet wer­den, ist die Scarification und theilweise Excision der Gefässe em­pfohlen worden. Benedict glaubt, dass bei einer örtlichen Krank­heit,' in welcher jeder Verdacht der Dyskrasie fehlt, und wo sehr grosse zahlreiche Gefässe, mit Anlage zu dem Pannus verbunden, neben der Trübung sich vorfinden, diese Scarification wohl Nutzen schaffen könne; vorausgesetzt, dass ein ganzes Stück der Binde­haut dabei ausgeschnitten werde; da bei vorhandener Dyskrasie und bei einfachen seichten Einschnitten diese Verfahrungsart wohl in vielen Fällen einen nachtheiligen Erfolg bedingen müsse *).
sect;. 683.
In der zweiten Periode des Hornhautfleckens, bei welcher alle, auch die entferntesten Erscheinungen entzündungsartiger Reactionen gänzlich verschwunden sind, wo die varicösen Gerdsse der Binde­haut, welche zufällig zugegen gewesen waren, sich zertheilt haben,
*) Benedict a. a. O. Bd. 3. S. 213 u. f.
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und, was das charakteristische Kennzeichen dieser zweiten Periode der Krankheit ist, die durch die Naturthätigkeit früher eingeleitete Minderung des Fleckens stille steht, werden allein reizende und zwar chemisch-reizende Mittel, welche, ohne Zerstörung zu veran­lassen, nur allein eine verstärkte Gefässthätigkeit und Resorption im Auge zur Folge haben, zur Minderung der Verdunklung bei­tragen. Dass die eigenthümliche mischungsändernde Kraft, welche einzelnen dieser Mittel unter anderen Verhältnissen nicht abzuspre­chen ist, bei dieser Art der Einwirkung in Betracht kommen dürfe, ist Benedict zu glauben nicht geneigt, sondern nimmt an, dass vielmehr ihre rein chemische Einwirkung, welche in dem ge­minderten Verhältnisse der Bestandtheile allein reizend auf das Auge eingreift, hier als die Trübimg vermindernd angesehen wer­den müsse; die Bestätigung dieser Behauptung gibt der Umstand, dass nicht nur die Mercurialmittel, besonders das rothe Oxyd, son­dern auch gepulvertes Glas, zerriebenes Zinn, Zucker, erdige Pulver, welchen denn doch eine mischungsändernde Kraft durchaus fremd ist, fast auf gleiche Weise das Uebel zu heilen im Stande sind, sobald nur eine hinreichende, nicht zu starke, nicht zu ge­ringe Reizung des Auges darauf-erfolgt.
Dahin gehört zunächst das rothe, sorgfältig fein geriebene Quecksilberoxyd (Hydrargyrum oxydatum rubrum vel praeeipitatum rubr.) mit irgend einem Gele zur Salbe gemacht und zwischen die Augenlider auf den Augapfel gestrichen. Anfangs ist es hinläng­lich, auf ein Loth Gel oder ungesalzene Butter zwölf bis fünfzehn Gran rothes Quecksilber zu nehmen; später steigt man mit der Dosis des letzteren, sobald das Auge an den Reiz des Mittels ge­wöhnt, minder lange nach dessen Anwendung irritirt wird. Soll übrigens die letztere hinreichend seyn, so muss sie mindestens eine halbe Stunde hindurch andauern. Gewöhnlich wird die Salbe ein­mal in 24 Stunden, und zwar des Abends, in das Auge gebracht, sowohl, damit das Thier in seinen Beschäftigungen nicht gestört, als besonders, damit der Lichtreiz nicht etwa die Irritation stei­gere und auf tiefer liegende Gebilde fortsetze. — So lange die Verdunkelung noch nicht gänzlich gehoben worden ist, wird die Verstärkung der Dosen des rothen Quecksilbers, sowie ein Wech­sel in der Form des Mittels und eine Abänderung der Zusätze, durchaus nothwendig. — Was die Verstärkung der Dosen betrifft, so kann man höchstens bis zu 3j Hydrargyr. praec. rubr. auf Butyr. steigen. In stärkerer Menge wird aber der Präcipitat als Aetzmittel wirken und eine Zunahme der Verdunkelung in den mei­sten Fällen verursachen. Indessen finden wir diese Steigerung der Dosen bei einer Jahre hindurch fortgesetzten Cur selten nöthig.
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Man setzt alsdann einige Wochen hindurch den Gebrauch des Mit­tels , um dem Auge einige Ruhe zu gönnen, aus, oder man verän­dert die Form, oder veranstaltet verschiedene Zusätze zu der ge­brauchten Mischung.
Zu den Veränderungen der Form ist auch der Gebrauch des Mittels in Pulvergestalt zu rechnen; dahin gehört z. B. eine Mi­schung von 9y rothen Quecksilbers mit 5iij bis 5vj feinen Zuckers gemischt und mittelst eines Federkiels in das Auge geblasen oder durch einen in Oel getauchten Pinsel zwischen die Augenlider ge­bracht. — Zu den Zusätzen, welche die Einwirkung des rothen Präcipitats auf das Auge verstärken, gehören sechs bis acht Gran Kampher auf ein TjOth der Salbe oder eben so viel Vitrum alcoho-lisatum auf dieselbe Quantität des Bindungsmittels zugesetzt, — das Liquamen hepatis mustellae fluviatilis (ranziges Aalraupenöl), zum (5 bis 8ten Theil mit der Salbe verbunden, andere ranzige scharfe Oele, ranziges Mandelöl, ranziges Nussöl (dies ist das empfohlenste), das ehedem sogenannte Oleum philosophorum oder Ziegelöl, ranziger Fischthran, andere scharfe Fischfette u. s. w. Die Zunahme oder Abnahme der in dem Auge nach dem Gebrauch dieser Mischungen eintretenden Schmerzen muss nun auch die Veränderung in den Dosen und in dem Gehalte der Mischung be­stimmen *). — Benedict versichert, dass er fast in allen Fällen mit dem hier angegebenen Apparate gegen die einfachen Hornhaut­trübungen allein glücklich ausgekommen sey und dass, wenn sie nicht vollkommen seinen Erwartungen entsprochen hatten, dies nicht die Schuld des Mittels, sondern die Folge anderer ungün­stiger Nebenverhältnisse war.
sect;. G84. Die übrigen, gegen Hornhautflecke empfohlenen Mittel zeichnen sich sämmtlich dadurch aus, dass sie chemisch reizend auf das Auge wirken, und die Resorption in der Hornhaut ganz auf die­selbe Weise, wie das rothe Quecksilberoxyd und die erwähnten Zusätze zu demselben vermehren.
Dahin gehören nun die zu ihrer Zeit sehr berühmten Baklin-ger'schen Pulver, aus weissem oder rothem Bolus, Zucker und Weinstein zu gleichen Theilen, — oder aus Borax 5j gt; Zucker 3Ügt; fein geriebenem Zinn 5/3 gemischt; — Pulver aus einfachem Zucker oder Zuckerkand, aus Zucker und Zinnstaub; das Boerhaa-ve'sche Pulver aus 3ij Zuckerkand, gj Zinnstaub und gr. iv Zink­vitriol zusammengesetzt; — Pulver, aus Zucker mit Bimstein, Os sepiae, fein geriebenem und geschlemmtem Glas bereitet,
*) Benedict a. a. O. Bd. 3. S. 213 u. f.
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u. dgl. mehr. Bei der Anwendung dieser Mischungen müssen übri­gens dieselben Vorschriften, sowie dieselben Vorsichtsmassregeln, wie bei dem Gebrauche des rothen Quecksilberkalks beobachtet werden.
sect;. 685.
Chemisch reizende Augenwässer, Auflösungen von Borax, Zucker, Opium, welches ohnedies in verdünnter Form wenig oder gar nicht wirksam gefunden wird, Aloe, Salmiak, Potasche u. s. w. passen entweder nur für die erste Periode der Hornhauttrübung, in welcher die Salmiakauflösung den besten Erfolg hat, oder sie kommen den schon erwähnten Mitteln in Hinsicht ihrer Einwirkung wenigstens nicht bei, sind also wohl für überflüssig und entbehr­lich zu achten.
Das Cadmium sulphuricum eignet sich hier auch ganz vor­züglich. Da wir uns früher, bei Gelegenheit der pharmakodynami-schen Beschreibung der antiphlogistischen und umstimmenden Mit­tel über dasselbe weiter verbreitet haben, weisen wir hierauf zurück.
Als ein höchst wirksames Mittel erscheint nach den bisherigen Erfahrungen, namentlich nach jenen von Chelius, das Kali hy-clrojodinicum, Jodkali; es wird in Salbenform 0j auf Fett) täglich einige Male auf die getrübte Cornea gestrichen. Niemals, sagt Chelius *), habe ich nachtheilige Wirkung davon gesehen, wohl aber leukomatöse Verdunkelungen der Hornhaut durch seine alleinige Anwendung, ganz oder grösstentheils entfernt, welche von Anderen, sowie von mir Anfangs für unheilbar gehalten wor­den waren. AYill man solche Erfolge erzielen, so muss der Ge­brauch desselben mit der grössten Ausdauer und Consequenz lange, selbst Jahre hindurch, fortgesetzt werden, sowie Geduld und Aus­dauer überhaupt die nothwendigste Bedingung eines glücklichen Erfolges in der Behanillung der Hornhautflecken ist.
sect;. (586.
Bei der Heilung des Leukoms (Lymphtrübung der Hornhaut nach Rosas) hat man der Erfüllung folgender zwei Heilanzeigen nachzukommen, es muss erstens der innerhalb der Hornhaut an­gehäufte Stoff erweicht und aufgelöst, dann zweitens die Aufsau-gungsthätigkeit zur Aufnahme desselben in den Kreislauf vermehrt Averden.
Bei Befolgung der ersten Heilanzeige bedient man sich an­fangs der oben genannten milden Gele. Verursachen diese Mittel bei längerem Gebrauche eine Auflockerung und blasenartige An-wulstung der Conjunctiva, ohne in der Trübung etwas zu ändern, oder zeigen sie sich selbst ohne Hervorrufung erstbedachten Symp-
*) A. a. O. Bd. 2. sect;. 255.
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tomes unwirksam, so gehe man zum Gebrauche auflösender Ex-traetc, z. 13. des Extr. taraxaei, calendulae, cicutae, chelidonii ma-joris, aloes aquosi, von welchen man 3/3 — 5) m 5^ Wassers auf­löst, über. — Aehnlicher Wirkung sind das Kali oder Xatrum carbouicum, zu 8 bis 10 Gran auf 3 bis 4 Drachmen Wassers; dann die reine Ochsengalle, wie auch die Fischgalle, allein oder mit den früher genannten Mitteln gemischt.
Alle die genannten Stoffe werden nach Umständen täglich 2 bis 4 mal mittelst eines Malerpinsels auf die Hornhaut aufgetra­gen und durch gelindes Reiben mit dem Finger auf die geschlos­senen Augenlider über die Oberfläche des Bulbus verbreitet. Sie müssen von Zeit zu Zeit gewechselt, und wenn sie bei grösseren (leukomatösen) Flecken ihren Dienst versagen, nicht sogleich aus­gesetzt, sondern, nach inzwischen angestellter seichter Scarifica­tion mit einer Staarnadel, wieder und zwar so lange fortgebrauoht werden, bis die Cornea an der kranken Stelle erhobener, weicher, dunkelgrauer und empfindlicher wird.
1st letzterer Zustand erreicht, so muss zur Ausführung der zweiten Heilanzeise ofeschritten werden. Diese fordert den Ge-brauch von Arzneien, welche durch Hervorrufung eines an Ent-zündung quot;•ranzenden Zustandes erst die normalen Secretionen ver-stärken, dann aber der Eesorptionskraft einen grössern Schwung ertheileu und hierdurch den organischen Stoffwechsel fordern.
Die hierher gehörigen Mittel sind: die ranzigen Oele und Fette, dann die ätherischen Oele, unter anderen das Wachholderöl, ferner die brenzlichten Oele, vorzugsweise das Papieröl *). — Die ran­zigen Oele können täglich zweimal, die ätherischen und brenz­lichten aber dürfen höchstens nur einmal in einer sehr massigen Quantität zwischen die Augenlidränder eingestrichen werden.
Zu gleichem Zwecke dienen: der Borax, der Murias barytae, das Kochsalz, der Salmiak, das Sal. cornu cervi, das Vitriolum al­bum , das schwefelsaure Cadmium, das Hydrargyr. oxydulat. nigr., der Sublimat, das Calomel, der Praecipitat, das Jodkali. — Auch verdünnte Aetzmittel, unter anderen der Lapis causticus, infer-nalis, das Butyr. antimonii, die Schwefelsäure, werden in verdünn­ter Auflösung gegen Hornhautflecke angerühmt. — Endlich zählt man auch in diese Keihe mechanisch wirkende Stoffe, unter andern den fein gepulverten Zucker, das Os sepiae pulveris., den Lapis
1
*) Dieses wird gewonnen, wenn man aus reinem Sclireibpapicr eine Düte macht, diese an der breiten Oeffnung anzündet, horizontal hält, und an die enge Mündung einen Metalllöffel anbringt, wo aus dem herausströmenden Kaueho ein scharfes Oel niedergeschlagen wird.
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pumic. pulv. (Bimstein), das fein gepulverte Glas, die Zinnfeile u. dgl. *).
Bei der Anwendung dieser Mittel sind folgende Eegeln zu beobachten:
1)nbsp; nbsp;Man fange die Cur jederzeit mit schwächeren Arzneien an, verbinde selbst anfangs erweichende und auflösende mit alterirenden Mitteln, und gehe nur allmälig zu den stärkeren, mischungsändernden Stoffen über.
2)nbsp; Eben so wähle man auch anfangs eine minder heftig wirkende Form, nämlich die flüssige, später die Salben- und endlich die Pulverform.
3)nbsp; In jeder dieser Arzneiformen müssen die wirksamen Bestandtheile gleich-massig verbreitet seyn. Daher muss bei der flüssigen Form nie weniger ^Men­struum verwendet werden, als zur vollkommenen Auflosung des wirksamen Be-standtheiles nöthig ist. Auch ist es bei Augenwässern, welche Salze, Schleim, Auflösungen von Opium u. dgl. vereinigt enthalten sollen, wichtig, dieselben so zu bereiten, dass eine Hälfte des Wassers, womit jene Ingredienzen gemischt werden sollen, mit dem Salze, die andere aber mit dem Schleime und den Tincturen gemischt wird, und erst hierauf beide Mischungen zu einer gemein­samen zusammengegossen und filtrirt werden. Bei der Salbenform sind vor­erst die beizumengenden pulverichtcn Theile sehr fein zu reiben, und mit ei­nigen Tropfen Wasser, oder, wenn sie in solchem nicht auflösbar sind, mit etwas Mandel - oder Nussöl abzureiben, ehe man sie der gewärmten Fettigkeit beimischt. Diese Beimischung muss allmälig, unter beständigem Reiben und bis zur völligen Erkaltung stattfinden. Zum Constituens wählt man Schwei­nefett, Butter oder Cacaobutter. Um dem Schweinefette mehr Consistenz zu geben, wird es mit einer hinreichenden Quantität geschmolzenen gelben Wach­ses vermischt; wogegen_ der oft zu festen Cacaobutter durch beigemengtes fri­sches Mandelöl eine weichere Consistenz verliehen wird. Dass eine Augensalbe gehörig gemischt sey, fühlt man theils durch das Reiben einer Parthie zwischen den Fingern, theils sieht man es mit Hülfe einer guten Lupe. Kie müssen Augensalben iu unreinen, uuausgewaschenen und ausgetrockneten Kraken, son­dern in porcellauenen Büchsen aufbewahrt werden. Avich Pulverformen sol­len stets gut zerrieben und, wenn mehrere Ingredienzen gebraucht werden, or­dentlich gemischt seyn.
4)nbsp; Die Zeichen, aus denen mau zum Schlüsse berechtigt ist, dass ein Mit­tel gerade die angemessene Kraft habe, sind: ein massiger Thräneniluss, eine leichte Röthe und Anschwellung der Augenlidränder, wie auch der Conjunc­tiva, eine massige Turgescenz der Augenkanmiern, eine brennende Empfindung im Auge, Lichtscheue, welche Symptome gegen eine halbe Stunde und zuwei­len länger dauern müssen. Erscheinen diese Wirkungen nicht, so ist das Mit­tel zu schwach, sind sie aber heftiger und andauernder, so ist es zu stark: es müssen im letzteren Falle also gleich kalte Wasserüberschläge an die Augen gemacht, das Mittel aber entweder seltner und iu kleinerer Quantität ange­wendet, oder die Dose dessen wirksamer Bestandtheile vermindert werden**).
sect;. G87.
Die Cauterisation des Leukomes mittelst eines Ilöllensteincy-
linders ist ebenfalls eine sehr kräftige Operation, deren Wirkung
in der Menschen - Augenheilkunde sehr vortheilhaft befunden wurde
und in gleicher Weise beim Thierauge in solchen Fällen sich
*) Rosas a. a. O. S. 460 u. f. **) Rosas a. a. O. sect;. 760.
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Organische Krankheiten des Auges.
nützlich erwies, obschon sie dort vielfache Schwierigkeit, wegen des unruhigen Verhaltens der Thiere bei dieser schmerzhaften Ope­ration darbietet. Zur Vornahme dieser Operation lege man das Thier auf den Boden und lasse dessen Kopf von einigen Personen fixiren, öffne sodann das Auge und stelle durch eine aufgelegte runde Maschine den Augapfel fest. Hierauf betupfe man nun die verdunkelte Stelle mit einem Stückchen Höllenstein so lange und so oft, bis sich auf ihrer Oberfläche ein dünner Schorf zeigt. Um die darnach folgende starke Entzündung zu beschränken, soll man sogleich etwas von der camphorirten Bleiweisssalbe in das Auge bringen. Nach der Operation werde von der Salbe alle Tage ein­mal etwas auf das Auge gestrichen, bis die ganze Wunde wieder geheilt ist. Sollte die Narbe nachher nicht ganz vergehen, so- hat man das Aetzen auf die obige Weise so oft zu wiederholen, als es für den Zustand nützlich erscheint.
Statt der Aetzung mit dem Höllensteincylinder gebraucht man auch eine concentrirte Höllensteinauflösung (ßec. Argent, nitric, crystall. gr. 4—6. solv. in Aq. destill, dr. 2.) mit gleich günstigem Erfolge als Einträufelung oder Instillation mit einem Pinsel.
sect;. G88.
In Fällen, wo Kreiden- und Perlenfleck^ der Pupille gegen­über stehen, und keinem der bisher angegebenen Mittel weichen, bleiben noch zwei Verfahrungsweisen übrig, um das Sehvermögen herzustellen: die immerhin mit Vorsicht anzuordnende Einimpfung der Ophthalmoblennorrhöe, mittelst welcher die Normalität der Cornea bisweilen grossentheils wieder hergestellt wird, oder aber die künstliche Vergrösserung der Pupille durch den Einschnitt in die Iris, Corectomia, oder durch die Verziehung der Pupille, Iridoencleisis, nach jener Gegend hin, wo die Hornhaut noch durchsichtig ist.
sect;. 689.
Narben der Hornhaut sind unheilbar; sie ziehen sich, wie Narben an andern Theilen mit der Zeit etwas zusammen und ver­kleinern sich. Nur im Falle sie von einem nebel- oder wolkenar­tigen oder leukomatösen Bande umgeben sind, kann eine Verklei­nerung der Verdunkelung und auf diese Weise Verbesserung des Sehvermögens durch die angegebene Behandlungsweise erzielt werden, oder es kann die Anlegung einer künstlichen Pupille oder deren operative Erweiterung das Sehvermögen wieder herstellen.
Gleiches Verhalten hat es mit der Verdunkelung der inneren Oberfläche der Hornhaut, weil die örtlichen gegen Flecke und Leu-kom gerichteten Mittel in viel geringerem Grade durch die gesunde Hornhaut hindurch auf die verdunkelte Stelle selbst einzugreifen
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vermögen. Auch hier vermag nur eine Dislocation der Pupille, sobald die Trübung sich gerade vor ihr befindet, einen Gewinn für das Sehvermögen zu geben.
II. Von dem grauen Staare.
sect;. 690.
Grauer Staar, Cätaracta, Suffusio, Hypochyina, Hypochy-sis, Adiaphanosis corporis crystallini, heisst eine jede Verdunkelung, welche in dem Linsensysteme ihren Sitz hat.
sect;. 691.
Die Entwickclung des grauen Staares geht bald langsam, bald rasch vor sich; Natur und Ursache desselben, so wie der ihn be^ gleitenden Erscheinungen stehen in gleichem Verhältnisse.
Untersucht man den grauen Staar in Hinsicht seiner Erschei­nungen von dem ersten Beginne an, so zeigen sich folgende, allen Gattungen und Abarten der Krankheit gemeinsame Erscheinungen:
Eine anfänglich sehr geringe, neblige, in das Graue spielende Trübung hinter der Pupille und meistens in deren Mittelpunkte; mit der Zunahme dieser Trübung schreitet die, zuerst nur im ge­ringeren Grade vorhandene Störung des Gesichts voran. Bei der weiteren Ausbildung der Trübung zeigt sich bei Augen mit heller Iris, wegen der graulichen Unterlage, der Pupillarrand als ein schwärzlicher Ring, der auf den hellen Grund einen dunklen Schat­ten, den sogenannten Schlagschatten, wirft, welcher bei Erwei­terung und Verengerung der Pupille ebenmässig seine Ausdehnung ändert, daher er auch bei sehr kleinen Cataracten viel stärker und breiter erscheint, dagegen aber bei allen grauen Staaren, welche einen sehr grossen Umfang haben und sehr hervorstehen, wie beim Pferde, gewöhnlich sehr klein ist. Das Sehen von der Seite ist minder getrübt, als jenes in gerader Kichtung, weil in den meisten Fällen die Trübung vom Mittelpunkte aus ihren Ursprung nimmt, wesshalb eben auch das Sehen bei massiger Beleuchtung, so wie bei künstlich erweiterter Pupille deutlicher ist, während bei völlig ge­trübter Linse das cataraetöse Auge bei heller Beleuchtung noch et­was besser, als in der Dämmerung sieht, weil in solchem Falle die schwächeren Lichtstrahlen nicht zur Netzhaut gelangen können, obgleich die Pupille erweitert ist, das Licht aber immer noch eini-germassen durch die getrübte Linse bis in den Hintergrund des Auges dringt.
sect;. 692.
Wenn gleich die Diagnose des grauen Staares wenig Schwie­rigkeiten unterliegt, so gibt es doch etliche Krankheitszustände,
Müllpr, Vctnrinlir-Ophlhalmolosiiv II.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;22
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Organische Krankheiten des Auges.
welche mit ihm einige Aehnlichkeit haben, und bei nicht aufmerk­samer Untersuchung zu Verwechselungen Anlass geben können. Als solche finden sich vorzugsweise: lymphatische Exsnda-tionen an der Pupille, Trübung des Glaskörpers oder des Augengrundes bei Mangel an Pigment oder bei Ver­änderung der Retina.
sect;. 693.
Die lymphatischen Exsudationen in der hinteren Augenkammcr unterscheiden sich unschwer bei aufmerksamer Untersuchung in Bezug auf Ursprung, Form und Complication von der Linsentrü­bung. Ihnen liegt meistens eine vorausgegangene idiopathische oder dyskrasische (impetiginöse, arthritische) Iritis und Uveitis zum Grunde; sie gehen immerdar von dem Pupillarrande und von der hinteren Oberfläche der Traubenhaut aus, heften sich an der vorderen Kapsel der Linse an, verbreiten sich über dieselbe und verursachen in der Folge und fast jedesmal eine, jedoch nur seeun-däre Verdunkelung derselben, wie auch zuweilen selbst des Linsen­körpers. Die Verdunkelung ist gewöhnlich ungleich, streifig, so dass man oft einzelne weisse, über die ganze Oberfläche gleich­sam ausgespannte Fäden wahrnimmt, zugleich ist sie auch um den Pupillarrand saturirter, als in der Mitte der Pupille und glänzt ferner so dicht an denselben, class dessen dunkle Färbung nicht, wie bei der Cataracte aussieht; dabei erscheint die Pupille mehr oder weniger verzogen, winklig und wenig, gar nicht oder nur theilweise beweglich. Die Farbe der Iris ist meistens verbleicht. Ausserdem finden sich mit dem Exsudate andere Entstellungen des übrigen Auges vor, die durch die vorausgegangene Ursache be­dingt sind und der gewöhnlichen Genesis der Cataracte nicht eigen-thümlich sind.
Leichter noch sind jene Ueberreste von Blut und Eiter, welche, nachdem früher diese Flüssigkeiten in den Augenkammern sich er-gössen hatten, nach Aufsaugung der flüssigen Bestandtheile, aus den festeren Ueberbleibseln derselben bestehen und die Pupille zum Theile oder gänzlich verstopfen, von den Cataracten zu unter­scheiden.
sect;. 694.
Unterscheidbar von der Trübung des Glaskörpers ist jene der Linse hauptsächlich durch die Form der Oberfläche; während sie bei der ersteren concav erscheint, zeigt sie. sich bei der letzteren convex und während jene mehr in der Tiefe des Auges sichtlich ist, befindet sich diese nahe hinter der Iris oder ragt gar in die Pupille hinein.
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sect;. 695. Der beginnende Pigmentmangel und das dadurch bedingte Sichtbarwerden der Eetina, als scheinbar grauliche Trübung im Grunde des Auges, kann von weniger Erfahrenen um so leichter mit beginnendem grauen Staare verwechselt werden, weil dieser Zustand im höheren Alter und bei Individuen eintritt, wo auch der graue Staar häufig zu entstehen pflegt. — Eine sorgfältige Be­rücksichtigung folgender Momente wird aber die Diagnose immer begründen. —. Bei dem beginnenden grauen Staare zeigt sich die Trübung nahe hinter der Pupille und steht mit der Abnahme des Sehvermögens in geradem Verhältnisse; betrachtet man das Auge von der Seite, so bemerkt man den geringen Abstand der Trübung von der Pupille am deutlichsten; beim Pigmentmangel sieht man die Trübung am besten, wenn man in gerader Richtung durch die Pupille den Boden des Auges beschaut; bei seitlicher Betrachtung des Auges scheint die Trübung beim Pigmentmangel zu schwinden, und man sieht die hintere Augenkammer ganz klar; — auch beim beginnenden grauen Staare tritt der schwarze Eing am Pupillar-rande immer deutlicher hervor, wie beim Pigmentmangel. Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal ist aber immer ein gelblich weisser Punkt an der inneren und unteren Seite des Augengrundes, den man nie bei beginnenden Trübungen der Linse wahrnehmen wird, wenn nicht Pigmentmangel zugleich besteht und der, wie es Chelius ehemals beobachtet hat, bei zum Pigmentmangel hinzu­tretender Catara^ , mit der weiteren Ausbildung dieser schwindet, indem er durch die Trübung der Linse verdeckt wird *).
Auch in Ansehung des Blickes des cataraetösen Auges findet sich eine Verschiedenheit von den übrigen mit Trübungen ver­bundenen krankhaften Zuständen des Augengrundes, wie wir dies bei der Amaurose bereits angegeben haben.
Zur bestimmteren Unterscheidung der Cataracte von Amaurose hat San-son**) ein Mittel angegeben, welches in dieser Hinsicht jeden Zweifel mit Sicherheit entfernen soll, über dessen bestimmten AVerth aber noch weitere Versuche und Beobachtungen entscheiden müssen. Wenn man nämlich vor ein gesundes Auge, dessen Medien durchsichtig sind, dessen Pupille etwas erweitert ist, ein brennendes Licht hält, so siebt man drei Bilder der Flamme, von de­nen die zwei äussersten, nämlich das vordere und hintere, gerade, das mittlere aber verkehrt ist. Sanson glaubt nach vielfältig hierüber angestellten Ver­suchen, dass das mittlere oder verkehrte Bild reflectirt ist von der hinteren Fläche der Krystalllinse; dass das hintere gerade Bild durch die vordere Fläche der Krystalllinse hervorgebracht ist und das vordere gerade Bild der Hornhaut angehört. Hieraus folgt, dass die Cörnea und die Krystalllinse hinreichen, um
*) Chelius a. a. O. Bd. 2. sect;. 2G4.
**) Lemons sur les maladies des yeux, faites ä l'hopital de la Pitie, recueil-lies et publiees par A. Bandinctt et J. B. Pigne. Paris, 1837. p. 28.
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Organische Krankheiten des Auges.
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diese, drei Bilder hervorzubringen, duss, wenn die vordere Wand der Kapsel verdunkelt ist, man nur ein gerades Bild sehen wird: — dass wenn im Gegen-theile das hintere Segment der Kapsel verdunkelt ist, man zwei gerade Bilder sehen wird, wenn es verdunkelt und hinreichend glänzend ist, drei Bilder in der oben angegebenen Ordnung erscheinen werden. Wenn also eine Störung des Sehvermögens mit der Abspiegelung eines oder zweier Bilder nur zusam­menfällt, so soll man.'nach Sanson, auf die Gegenwart einer Cataract schlies-sen können; da im Gegentheile, wenn sich drei Bilder zeigen, man Grund hat, an die Existenz einer Amaurose zn glauben. Freilich könnten sich bei einer Trübung der hinteren Linsenkapselhälfte drei Bilder zeigen; allein dann würde der zur llervorbringung des umgekehrten Bildes nothwendige, Glanz die Diag­nose nicht zweifelhaft lassen. Uebrigens erfordert es eine gewisse Uebung, um diese di-ei Bilder gut zu sehen; das mittlere und hintere, -welche blässer sind, als das vordere, sind auch schwieriger wahrzunehmen. Um diese Bilder gehö­rig zu sehen, darf man das Licht nicht unbeweglich gerade vor dem Auge las­sen, da, indem diese Bilder in der nämlichen Linie von vorne nach hinten ge­stellt sind, man sie dann nur schwer sehen kann. Wenn man aber das Licht gegen die äussere Seite des Auges führt, so folgen die beiden geraden Bilder derselben Richtung und das umgekehrte Bild beschreibt ebenfalls eine kreis­förmige Bewegung, die aber denjenigen der beiden andern Bilder entgegenge­setzt ist. Man muss daher mit dem Lichte seitliche und kreisförmige Bewe­gungen machen, um die Bilder leichter und bestimmter wahrzunehmen.
Dieses Experiment dürfte bei gerichtlich aufgegebenen Untersuchungen über die Gegenwart und Abwesenheit des schwarzen Staares von grossem Nu­tzen seyn.
sect;. 696.
Die verschiedenen Eintheilungen des grauen Staares grün­den sich auf die mannigfaltigen Verschiedenheiten in Bezug auf den Sitz und die Ausbreitung der Verdunkelung, hin­sichtlich der Consistenz und anderweitigen Beschaffen­heit der verdunkelten Gebilde und in llücksicht anderer Krankheitszustände, welche mit demselben verbunden sind, so wie bezüglich der Dauer, des Grades der Ausbil­dung und der ursächlichen Momente.
sect;. 697.
Nach dem verschiedenen Sitze der Verdunkelung hat man drei Hauptclassen der Krankheit angenommen, 1) die Verdunkelung der Linse, 2) die Verdunkelung der Kapsel, imd 3) die Verdunkelung der Morgagni'schcn Feuchtigkeit, welche separat vorkommen oder sich mit einander verbinden können.
sect;. 698.
Die Verdunkelung der Linse, der Linsenstaar, Cata-raeta lenticularis, beginnt immer im Centrum, wo im natürlichen Zustande die Dichtigkeit der Linse am jmissten ist und verbreitet sieb von da gegen die Peripherie, erscheint in dieser immer leich­ter, als im Mittelpunkte, bildet sich sehr langsam aus und besteht oft sehr lange ohne Verdunkelung der Kapsel und der Morgagni'-
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sehen Feuchtigkeit, darum liegt sie etwas entfernter von der Pu­pille und erscheint der Schlagschatten der Iris etwas breiter. Ihre Farbe ist mattgrau oder graugelblich und sieht immer trüben Wol­ken ähnlich. Der Staar ist klein und daher das Sehvermögen, be­sonders bei erweiterter Pupille, verhältnissmässig noch sehr gut und die Beweglichkeit der Pupille unverändert. — Diese Form ist dem höheren Lebensalter eigen und erscheint als Product eines Ma­rasmus der Linse.
sect;. 699. Eine andere dahin gehörige, aber seltenere Form ist der Cen-trallinsenstaar. Cat. lenticularis centralis, bei welchem die Ver­dunkelung der Krystallinse nur als ein scharf begränzter Punkt im Kerne der Linse erscheint, während der übrige Theil der Linse und die Linsenkapsel vollkommen durchsichtig sind und es häufig bis in das höhere Alter hinauf bleiben, da das Uebel nicht etwa als eine Bildungsstufe, sondern als die Folge einer gehemmten Entwickelung der Linse zu betrachten ist. — Das Sehvermögen scheint nur we-nig dadurch zu leiden; jedoch ist bei einem, mit dieser Cataracten-form behafteten Auge eine eigenthümliche, zitternde Bewegung des Augapfels, Nystagmus, bemerkbar, welche vielleicht von einem in-stinetmässigen Bemühen des Auges, eine freiere Ansicht von den Gegenständen zu gewinnen, herrühren mag.
sect;. 700. Die Verdunkelung der Kapsel, Kapselstaar, Cata-raeta capsularis, entwickelt sich von der Peripherie nach dem Cen­trum und entsteht in grauen Pyramiden, deren Basis nach aussen und Spitze nach innen gekehrt sind und eine glänzende, schillernd graue, perlemutterartige Farbe haben. Der Staar ist gross, daher ist der Raum der hinteren Augenkammer immer etwas beengt, bis­weilen, vorzugsweise bei Pferden, ganz aufgehoben, der Schlag­schatten der Iris nicht sichtbar, wohl aber der schwärzliche Ring am Pupillarrande. Bei massiger Beleuchtung ist das Sehvermögen mehr noch getrübt, als bei grellem Lichte, da die Erweiterung der Pupille, wegen der allzusehr getrübten Peripherie der Linse das Sehen nicht begünstigen kann, wohl aber durch das etwas lichtere Centrum helles Licht durchlässt und häufig noch die Unterschei­dung grösserer Gegenstände gestattet.
sect;.701. Nach dem verschiedenen Sitze der Verdunkelung in der vor­deren oder hinteren Kapselwand oder in beiden zugleich, unter­scheidet man den vorderen Kapselstaar, Cat. capsularis an­terior, — den hinteren Kapselstaar Cat. capsularis posterior, — und den vollsfändigen Kapselstaar, Cat. capsularis perfeeta. —
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Organische Krankheiten des A-ügcs.
Diese isolirten Verdunkelungen der einzelnen Kapsehvandungeu sind begründet in dem verschiedenen Ursprünge und Verlaufe der Gefässe, welche die Ernährung der Kapsel besorgen, indem diese nicht allein von den Ramificationen der Arteria centralis retinae, sondern auch von den Verbindungsgefässen mit der corona ciliaris bedingt ist*).
Der vordereKapsclstaar ist bei weitem der häufigere und seine Erscheinungen sind die oben angegebenen.
Der hintere Kapselstaar ist sehr selten, besteht aber ge­wöhnlich selbstständig, ohne Trübung der vorderen Kapselwand, wird jedoch häufig vor seiner vollständigen Entwickelung durch die später eintretende Trübung der Linse verdeckt. — Der hintere Kapselstaar erscheint als eine graulich-weisse concave Trübung, welche sehr entfernt von der Iris liegt, gleichmässig saturirt und an den Bändern scharf abgeschnitten ist. Bei erweiterter Pupille und von der Seite her ist das Sehen ganz gut, indem die Licht­strahlen neben der tellerförmigen Grube durch den Glaskörper zur Retina gelangen.
Bei dem vollkommenen Kapselstaar 1st der Umfang der Kapsel so sehr, vermehrt, dass sie den Raum der hinteren Augen-kammer ganz füllt, die vordere Fläche der Kapsel an der hinteren der Iris anliegt und sich selbst oft gleichsam in die Pupille drängt, wesshalb die Regenbogenhaut oft ihre Beweglichkeit verliert und das Sehvermögen bis auf einige Lichtempfindung reducirt ist.
In seltneren Fällen bilden sich auf beiden Kapselhälften par­tielle Verdunkelungen, während die Linse durchsichtig bleibt und unterscheiden sich dann durch tiefere und oberflächlichere Lage. — Es liegt übrigens in dem Verhältnisse, in welchem die Linse zu ihrer Kapsel hinsichtlich ihrer Ernährung steht, der Grund, dass die Verdunkelung der Kapsel nicht wohl längere Zeit für sich allein bestehen kann , sondern schneller oder langsamer eine Trübung der Linse nach sich ziehen muss.
sect;. 702.
Die Verdunkelung der Morgagni'seben F euchtigkei t, Cataracta morgagniana, gehört als Separatzustand zu den seltensten Erscheinungen, indem er alsbald in Verdunkelung des gesammten Linsensystemes übergeht und in der Regel ein Vorsymptom begin­nender Verflüssigung des Linsenkörpers ist. Er wird durch Ver­wandlung des Liquor Morgagni in eine sulzige, flockige, milchige Masse gebildet und charakterisirt sich durch ein flockiges, marmor­artiges Ansehen und milchweisse Farbe. Die in ihm bemerkbaren
*) Chelius a. a. 0. Bd. 2. sect;. 273.
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flockigen, wolkenartigen Punkte verändern bei starken Bewegungen des Kopfes oder des Auges ihre Lage und scheiden sich nach län­gerer lluhe des Auges in zwei Schichten, wovon die untere sicht­lich heller ist, als die obere.
Nach Beer's Beobachtungen am Menschenauge entsteht dieser Staar jedesmal schnell und zwar durch unmittelbare Einwirkung chemischer Schädlichkeiten auf das Auge, vorzüglich aber durch Evaporation mineralischer Säuren im Augenblicke der Oxydation irgend eines Metalles.
Bei dieser Form ist das Gesicht mehr oder weniger beschränkt und ganz aufgehoben, wenn dabei die Linse und ihre Kapsel ver­dunkelt sind.
sect;. 703.
Die Verdunkelung der Linse und Kapsel zugleich, Cataracta capsulo-lenticularis, kann entweder von der Linse zur Kapsel oder von der Kajjsel zur Linse fortschreiten, immer ist auch der Humor Morgagni dabei verdunkelt. — Sie vereinigt sämmtliche Merkmale der einzelnen Formen isolirtcr Verdunkelung in sich und charakterisirt sich aber ausserdem noch speciell durch folgende Kennzeichen: die Verdunkelung ist nicht gleichmässig gefärbt, sondern sie ist weiss und perlemutterartig, wovon man deutlich Schichten erkennt, deren erstere immer oberflächlicher, als die andere liegt; dabei nimmt die, in ihrem Umfange sehr ver­mehrte Linse und Kapsel die ganze hintere Augenkammer ein, drängt die Iris nach vorn und füllt die ganze Pupille aus, wodurch das Sehvermögen ganz aufgehoben und die Beweglichkeit der Iris sehr gehemmt wird,
sect;; 704. _
Der Krystalllinsenstaar zeigt hinsichtlich seiner äusseren Form mannigfaltige Verschiedenheiten, nach welchen man unterscheidet: 1) den mit Substanzwucher auf der vorderen Kapsel­fläche verbundenen Kapsellinsenstaar; 2) den trocken-hülsigen Staar; 3) den Balgstaar.
i sect;• 705. .
Der Substanz wucher, wie er auf der vorderen Kapselfläche bei verschiedenen Cataractenformen vorkommt, ist immer Folge eines entzündlichen Zustandes der Kapsel und erscheint entweder als Trübung der Kapsel mit zahlreichen Ramificationen der Gefässe oder mit Ablagerung plastischer Lymphe in verschiedenen Gestal­ten. Hieraus entstehen mehrere Cataractenformen, welche nach ihrer Gestalt und Figur mit verschiedenen Namen belegt werden. Daher Baumstaar, pyramidenförmiger oder kegelförmi­ger Staar, Balkenstaar, punktirter, getiegerter, mar-
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Oreauisohe Krankheiten des Auges.
luorlrter, gefleckter oder gestreifter Staar, Sternstaar, gefensterter Staar u. s. w.
sect;. 706.
Die Beschaffenheit der verdunkelten Kapsel und Linse gibt hinsichtlich ihrer Consistenz und Dicke einen weitern Grund der Ein-tbeilung der Cataracten und man theilt sie darum in folgende Arten:
sect;. 707. (
Der trockenhülsige Staar, Cataracta capsulo-lenticularis arida siliquata, besteht in einer Austrocknung der Linse, so dass sie bisweilen bei der Operation in Stücke zerspringt. Seine Farbe ist weiss-grau-gelb, gypsartig, daher auch gypsartiger Staar, Cat. gypsea, genannt. In der Form weicht er von den übrigen Cataracten darin ab, dass seine Vorderfläche nicht gewölbt, son­dern abgeplattet ist und weit von der Iris absteht. Das Gesicht ist bei diesem Staar nie völlig aufgehoben, da bei erweiterter Pu­pille seitlich Lichtstrahlen einfallen können.
sect;. 708.
Der Balgstaar, Cat. capsulo-lenticularis cystica, birgt in einer, in verdicktem Zustande hefindlichen Kapsel eine sulzartige, milchichte Flüssigkeit von schneeweisser Farbe, statt der Linse; derselbe ist vorzugsweise daran zu erkennen, dass er bei verschie­denen Stellungen des Kopfes seine Lage verändert und bei abwärts gebeugtem Kopfe gegen die Iris und in die Pupille fällt und an Wölbung zunimmt. — Ferner hat dieser Staar die Eigenthümlich-keit von den, die Linse umgebenden Theilen getrennt zu seyn und schwimmt daher frei in der hinteren Augenkammer und wird darum auch Zitterstaar, Cat. tremula, oder schwimmender Staar, Cat. natatilis, genannt.
sect;. 709.
Der Eiter staar oder faulichte Staar, Cat. purulenta, pu-trida, besteht in einer Ansammlung eiteriger Flüssigkeit innerhalb der Kapsel, wodurch die Linse nach und nach aufgelöst und in eiterige Masse umgewandelt wird. Er durchläuft hiernach zwei Grade.
Der erste Grad, von Ad. Schmidt der Kapscllinsenstaar mit dem Eiterbalge, Cat. caps.-lentic. cum bursa ichorem con-tinente, genannt, ist erkennbar an einer schmutzig citronengelben Farbe, an dem Aufgehobenseyn der hinteren und der Verengerung der vorderen Augenkammer, an der Ilervortreibung der Iris, an den trägen Bewegungen derselben und an der erweiterten Pupille und zuletzt an dem Eintritte undeutlichen Sehens.
Im zweiten Grade, bei dem eigentlichen Eiterstaare, Cat. purulenta proprie sic dicta, ist die Trübung missfarbig, gelb-
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grünlich, mitunter bräunlich, sind die Augenkammern sehr verengt, ist die Iris schmutzig bläulich, unbeweglich, die Sclerotica violett gefärbt, der Augapfel reizbar, zu Entzündungen geneigt, das Seh­vermögen meist ganz erloschen.
Diese Art der Cataracte erscheint selten im jugendlichen, ge­wöhnlich im späteren Alter und zwar bei kachektischen, vorzugs­weise gichtischen Individuen in Folge innerer Entzündungen oder Kachexien des Auges. Auch ist er kaum je für sich allein zuge­gen, sondern in der Kegel mit (ilaucom oder Amaurose'complicirt. Sein ursprünglicher Ausgangspunkt scheint die hintere Kapselwand zu seyn, von wo aus sich die Jauche in den Zwischenraum der Linse und der hinteren Kapsel ergiesst und erstere allmälig ma-cerirt.
sect;. 710.
Der feste oder harte Staar, Cataracta dura, hat eine graugelbe Farbe. Die Trübung dabei ist in der Mitte stark, nach den Kändern zu gering, der Staar klein und das Sehen nur in ge­ringem Grade geschwächt. Die Linse ist in eine knorpelartige Masse verwandelt, gleichsam mumificirt, hat aber dennoch einen schleimigen Ueberzug. — Dieser Staar gehört dem höheren Le­bensalter an und ist das Product von Marasmus; seine Bildung be­ruht auf einein Mumificationsprocesse.
sect;. 711.
Der steinharte Staar, Cat. lapidea, ist von graurother, brauner oder schwarzer Farbe und verhältnissmässig sehr klein; seine Masse ist kornartig, bisweilen fest wie Knochen; manchmal finden sich in ihr steinige Concremente, das Product gichtischer Dyskrasie, eines Ucberschusses an phosphorsaurem Kalke oder der Tendenz zum Verknöcherungsprocesse im höheren Lebensalter. Die dunkle Färbung gewinnt die Cataract durch krankhafte Ab­sonderung eines Pigmentes bei vermehrter Erzeugung des Kohlen­stoffes oder Ablagerung des colorirenden Princips des Blutes aus der varicösen Kapsel in den ganzen Krystallkörper.
Wir hatten Gelegenheit, diese Form zu verschiedenen Malen bei alten Hunden, #9632;wovon einige gut und mit Fleischkost genährt waren und einer den uachtheiligen Witterungseinflüssen anhaltend ausgesetzt gewesen war, und auch einmal bei einem alten Zugpferde, deren Augen wir zu unsern anatomischen Untersuchungen benützten, zu beobachten.
sect;. 712. Der flüssige Staar, Cat. fluida, besteht in einer völligen Verflüssigung der Linse, so dass die Kapsel von einer milchähn­lichen Flüssigkeit, Milchstaar, Cat. lactea, angefüllt und wobei gewöhnlich die Linse verdunkelt ist; sobald sie aber an einzelnen
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Organisehe Krankheiten des Auges.
Stellen noch cluvchsichtig ist, so erscheint die Verdunkelung als eine ungleiche Trübung, welche die hintere Augenkammer ganz ausfüllt, die Iris manchmal selbst an ihrem unteren Theile gegen die vordere Augenkammcr hervordrängt, was bei abwärts gesenk­tem Kopfe bedeutender wird. Diese Trübung zeigt nach längerem Ruhigverhalten des Kopfes zwei verschiedene Schichten, deren obere, dünnere bläulichgrau und deren untere, dickere kreideweiss erscheint; wobei dann das Sehen minder getrübt sich zeigt, als es später ist, wenn sich durch Bewegung die Flüssigkeit wieder ver­mengt hat. — So lange der Kern der Linse noch nicht ganz aufge­löst ist, bleibt derselbe als ein gelblich weisser Punkt in der Kapsel sichtbar. — Die Pupille befindet sich hier meist in er­weitertem Zustande und es fehlt ihr die freie Beweglichkeit manch­mal gänzlich.
sect;. 713.
Der weiche, breiartige, sulzige oder käseartige Staar, Cat. mollis, scabrosa, gelatinosa, glutinosa, caseosa, besteht aus einer breiartigen Masse, in welche die Linse umgewandelt ist, hat eine hellgraue, graulichweisse oder etwas grünliche, manchmal perlmutterartige Farbe, die aber nicht gleichmässig, sondern immer mit einzelnen, bald weissen, bald muschel- oder silberartig glän­zenden Streifen und Flecken durchzogen ist. Wenn noch nicht die ganze Linse erweicht ist, so zeigt sich deren Kern in der Mitle der Trübung unter der Form einer bräunlich gelben Wolke. Dieser Staar füllt bei seiner Ausdehnung den Raum der hinteren Augen­kammcr an, paralvsirt die Pupille und vernichtet das Sehvermögen.
sect;• 714.
Der graue Staar ist häufig mit andern Uebeln complicirt; ge­schieht dies mit Augenübeln, so nennt man die Complication local; findet es dagegen mit anderen Leiden des Organismus Statt, so heisst sie allgemein.
Zu den häufigeren Localcomplicationen sind zu zählen: Binde­hautreizung, Flügelfell, Hornhauttrübung, Verwachsung der Cornea mit der Iris, krankhafte Verengerung oder Erweiterung der Pupille, Verwachsung des Staares mit der Iris oder mit den Ciliarfort-sätzen, Glaucom, Synchysis, hintere Augenwassersucht, Amaurose.
Die Amaurose, welche bisweilen mit dem grauen Staare com­plicirt vorkommt, kann Ursache, Coeffect und Effect der Cataract oder von derselben unabhängig seyn.
sect;. 715.
Der graue Staar, welcher sich als Folge einer Amaurosis perfeeta entwickelt, wird auch Sternstaar, Cat. stellata, ge­nannt. Die Trübung ist hier Anfangs mit hellweissen Streifen
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Organische Kraukhoiton des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3i7
unordentlich durchzogen, die sowohl an der Kapsel, als auch in der Linse vorkommen, späterhin erscheint sie als ein Convolut weisslicher, zusammengedrängter Brocken, als wenn die Linse in viele einzelne Stücke zerfallen wäre. Diese Zerbröckelung der Linse erfolgt nach einiger Zeit wirklich, worauf ein mehr oder weniger bedeutender Theil derselben aufgesogen wird, so zwar, dass der Krystallköqier am Ende auf einen kleinen Umfang zu­sammenschrumpft und bisweilen nur hellweisse, am Ciliarkörper hängende Kapselflocken zurückbleiben.
Ist der graue Staar Coeffect oder Ursache der Amaurose, oder mit ihr nur zufällig verbunden, so kommt es darauf an, ob die Letz­tere vollkommen ist, oder nicht. Im ersteren Falle ist die Diagnose leicht, da der gänzliche Mangel an Lichtempfindung, welcher bei der, für sich allein bestehenden Cataractc nie Statt findet, jeden Zweifel über die Complication mit Amaurose vollkommen hebt. Desto schwieriger aber ist die Erkenntniss einer mit dem grauen Staare complicirten unvollkommenen Amaurose, und es bedarf oft in der That vielen Scharfsinnes und grosser Aufmerksamkeit von Seiten des Arztes, um diese Complication auszumitteln. Ist die Cataract vollkommen ausgebildet, so wird in jedem Falle die Diag­nose noch leichter seyn; äusserst schwer bleibt sie dagegen, wenn der graue Staar noch nicht vollends entwickelt ist, und die Amau­rose als erethische Amblyopie sich offenbart. Nur die sorgfältigste Erhebung der ganzen Entwickelunssseschichte der Krankheit, die genaue Beobachtung der Phänomene'und die strenge Vergleichung derselben mit jenen der Cataracten und Amaurosen kann hier eini­ges Licht über die Diagnose verbreiten. Zweckmässig ist es daher, bei jeder Art zweifelhafter Cataracten, die Pupille durch eine nar­kotische Einträufelung in's Auge zu erweitern, um den Zustand der inneren Gebilde desto besser erforschen zu können *).
sect;. 716.
In Ansehung der Dauer zerfällt der graue Staar in die Ca-taraeta recens und inveterata; jene ist gewöhnlich weich, diese um so härter, je länger sie gedauert hat und sobald sie nicht auf einem Verflüssigungsproccsse beruht.
sect;• 717-Dem Grade der Ausbildung nach wird der Staar in
den reifen und unreifen. Cat. matura und immatura, gctheilt,
eine alte Eintheilung desselben, welche einen acht praktischen
Werth hat.
Unreif ist jeder Staar zu nennen, bei welchem der Ki-ank-
*) Rosas a. a. O. S. 488. U. iK
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Onranisclie Krankheiten des Auges.
heitsprocess, als dessen Product der Staar erscheint, noch nicht so vollkommen verlaufen ist, dass die verdunkelte Linse als Re­siduum desselben betrachtet werden kann. Reif ist dagegen der Staar, wenn dies der Fall ist und in der Trübung der Linse die einzige am Auge vorhandene Anomalie besteht. — Ferner nennt man auch den Staar unreif, wenn dabei das Sehvermögen noch nicht ganz erloschen ist; reif dagegen, wenn das Sehvermögen so weit erloschen ist, dass das Sehen auf einer sehr niederen Stufe steht.
j. 718.
In Betracht der ursächlichen Momente zerfällt der Staar in den idiopathischen und in den sympathischen oder speeifi-schen. Jener entsteht durch örtliche, nur auf das Linsensystem wirkende Ursachen, z. B. mechanische Verletzungen; diesem lie­gen Dyskrasien und Kachexien zum Grunde. Nach ihnen pflegt man den Staar zu benennen und daher eine Cataracta rheumatica, arthritica u. s. w. anzunehmen.
sect;. 719.
Die nächste Ursache der Verdunkelung des Linsensystems hat immer ihren Grund in einem veränderten und gestörten Ernährungs-processe der Linse, welcher bedingt seyn kann durch verminderte oder aufgehobene Ernährung der Linse, durch Obliteration und Versiegung der ernährenden Gefässe der Kapsel, durch gehemmte Entwickelung des Linsensystems oder durch entzündlichen Zu­stand *)
sect;. 720.
Die entfernten Ursachen des grauen Staates sind: hohes Alter, geringe Entwickelung des Gefässsystems im Auge, Erschütterun­gen und Verletzungen des Auges, heftige Convulsioncn, grelles oder reflectirtes Licht, plötzliche Einwirkung eines starken Licht-grades, Einwirkung der Sonnenstrahlen auf die Augen und auf den Kopf, allzu erhitzende Nahrung, schlechte oder unpassende Futter­stoffe, grüner Klee, Wicken, frischer Roggen, Weitzen, Erbsen u. s. w.; Ilautstörung, dyskrasische Krankheiten, Unterdrückung gewohnter Ausleerungen, zurückgetriebene und unterdrückte exan-thematische und andere Krankheiten, als: Räude, Mauke, Druse u. dgl., heftige Augenentzündungen, vorzugsweise die intermitti-renden Blennorrhöen des Auges. Erbliche Anlage beobachtet man manchmal und der Grund der Entstehung der Cataract kann in fehlerhafter Beschaffenheit des Auges oder in der Gegenwart be-
*) Cliclins a. a. O. Bd. 2. sect;. 3u3.
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Organische Krankheiten des Auges.
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stimmter Dyskrasien von Seiten der Eltern liegen, insbesondere #9632;wenn dieselben mit der Mondblindheit behaftet waren.
sect;. 721. Die Entstehung des grauen Staares durch Obliteration der Ernährungsgef ässe der Kapsel beobachtet man vorzüglich im hohem Alter und die Verdunkelung der Krystalllinse verhält sich in dieser Lebensperiode, wie die rückgängige Metamorphose in jedem an­dern Organe, als Folge der zurücktretenden Gefässthätigkeit, ver-mindertere Ernährung und Erstarrung der Theile. — Diese Stö­rung des Nutritionsprocesses der Linse muss um so eher entstehen, je schwächer überhaupt im Auge die Gefässthätigkeit ausgespro­chen ist (und je weniger dus Auge durch mangelhafte Pigmentbil­dung gegen die Lichteinflüsse geschützt und zu entzündlichen Leiden des Auges prädisponirt erscheint). Daher beobachten wir in den Augen mit hellgefärbter Regenbogenhaut die grösste Nei­gung zum grauen Staare, weil in ihnen bei der geringern Ener­gie der Gefässthätigkeit auch die Ernährungsgef ässe der Kapsel am leichtesten obliteriren, besonders, wenn zugleich übermässige Anstrengungen des Körpers eingewirkt und nachtheilige Einflüsse die Augen selbst getroffen haben *).
. sect;. 722. Erschütterungen der Augen und des Linsensystemes, Ver­letzungen der Kapsel und der Linse, heftige Convulsionen können die Verbindungs - und Ernährungsgefässe der Kapsel beeinträch­tigen, und die dadurch gestörte Ernährung die Verdunkelung ver­anlassen. —#9632; Uebermässige Körperanstrengungen und zu helles Licht können besonders bei älteren Individuen, die Versiegung der Ernährung durch Obliteration der Gefässe der Kapsel herbeifüh­ren; häufiger scheinen sie jedoch durch congestiven Zustand und vermehrten Andrang des Blutes in die Gefässe der Kapsel oder durch wirklich entzündliche Affectionen die Ernährung der Kapsel zu stören und die Trübung der Linse und Kapsel zu veranlassen. Kachexien und Dyskrasien können den grauen Staar durch Ent­mischung und qualitative Veränderung der ernährenden Stoffe, aber auch durch entzündliche Affection der Kapsel verursachen, welches letztere bei den Dyskrasien in der liegel der Fall seyn mag **).
Hinsichtlich der Genesis der Cat. traumatica sind die Versuche höchst wichtig, welche man über das Verhalten der Kapsel und Linse bei Verletzun­gen an Thieren angestellt hat***). Es geht aus zahlreichen Versuchen hervor:
*) Chelius a. a. O. Bd. 2. sect;. 305. **) Ebendaselbst sect;. 300. ***) Dietrich, über Verwundungen des Linsensystems. Tübingen. 1824.
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Organisuhe Krankheiten des Auges.
1) Dass Uiu Verletzung der vorderen Kapselwand, selbst die grösste Zerstörung derselben, keinen Einfluss auf die Durchsichtigkeit der Linse hat, wenn nur keine. Erschütterung und Zerrung Statt fand, — dass die Kapsel selbst sich niemals verdunkelt, —#9632; einfache und besonders Querwunden vollkommen heilen, meistens nur mit sehr wenig Narbensubstanz. — Es entsteht durch Hervor­treten des Humor Morgagni aus der verletzten Kapsel, gewöhnlich nach G—12 Stunden, eine pyramidenförmige Flocke, die mit den Wundrändern der Kapsel und zum Theil mit der Linse selbst in Verbindung steht und mit ihrer Spitze in die Corneawunde befestigt ist. In 8 —14 Tagen ist gewöhnlich diese Flocke resorbirt.
2)nbsp; Dass die Verletzungen der hinteren Kapselwand hinsichtlich ihrer Trü­bung dasselbe Verhältniss, wie die vordere Kapselwand zeigen, nur dass auf dieselbe häufiger Liuseustaar folgt, was offenbar den wichtigen Einfluss der hinteren Kapsel auf die Ernährung der Linse beweist.
3)nbsp; Dass die Linse selbst bei den verschiedenartigsten Verletzungen eine geringe Verwundbarkeit besitzt, dass ihre Oberfläche weniger verwundbar ist, als ihr Kern, dass Verwundung ihrer vorderen Fläche seltner Staar erzeugt, als die der hinteren, dass die weiche Linse junger Thiere die grössten Ver­wundungen ohne Nachtheil erträgt, dass aber ein Verrücken der Linse aus ih­rer Lage fast immer ein Absterben derselben zur Folge hat, die Kapsel jedoch hell bleibt. — Es scheint überhaupt weniger die Verletzung der Kapsel und Linse an und für sich, als vielmehr die mit der Kapsel verbundene Erschüt­terung und dadurch veranlasste Beeinträchtigung der Ernährungsgefässe — oder die darauf folgende Entzündung die Ursache der Trübung in der Kapsel und Linse zu seyn. — Daraus erklärt sich einigermassen das häufige Vor­kommen des traumatischen Staares beim Menschen, da bei den zufälligen, bis in die Kapsel der Linse dringenden, Verletzimgen das Auge immer eine be­deutende Erschütterung erleidet, welche auch für sich allein ohne Verwundung des Auges oft die Cataract veranlasst. — Doch wird der Staar auch häufig nach Verletzungen beobachtet, die geringfügig sind, und nach den Resultaten der Versuche an Thieren die Trübung der Linse und Kapsel nicht veranlassen sollten, z. B. ein Stich mit einer feinen Nähnadel mitten durch die Hornhaut und Pupille in die Kapsel und Linse, wie Chelius dies öfters beobachtet hat — und es ist überhaupt wahrscheinlich, dass die Kapsel und Linse im mensch­lichen Auge sich anders verhalten, wie bei den Versuchen an Thieraugen, we­nigstens scheint dafür das häufige Vorkommen der Cat. tramnatica und die nach Operationen sieh häufig einstellende Verdunkelung der zurückbleibenden Kapsel zu sprechen. — Indessen beobachtet man auch manchmal, dass auf be­deutende Verletzung der Kapsel und Linse keine Trübung folgt. (Walther, Abhandlungen. S. 20).
sect;. 723.
Der Staai, welchem verminderte Ernährung und Obliteration der Gefässe zum Grunde liegt, beginnt in der Regel mit alleiniger Trübung der Linse, seltner mit gleichzeitiger Trübung der Kapsel; — bei dem traumatischen, entzündlichen, kachektischen oder dys-krasischen Staare entsteht im Gegentheile die Trübung der Kapsel zuerst oder gleichzeitig mit der Trübung der Linse.
Die.Cohsistenz des Staares variirt nach dieser verschiedenen
Art seiner Entstehung.
Die durch verminderte Ernährung im vor-
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Organische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;351
gerückten Alter entstehende Cataract ist immer fest; sowie die durch Kachexien und Dyskrasien bedingten Staare eine #9632;weichere Consistenz besitzen; doch ist hierin die Lebensperiode, in welcher sich die Cataract bildet, von wesentlichem Einflüsse. Die ver­schiedenen Veränderungen der Linse hinsichtlich ihrer Consistenz hat Walther, welcher zuerst die entzündliche Aflection der Kapsel als Ursache der Cataract genauer dargethan hat, den verschiedenen Ausgängen der Entzündung in anderen Organen gegenübergestellt. — Der harte Staar ist hiernach gleich dem Uebergange der Ent­zündung in Verhärtung und die flüssigen Staare bezeichnen den Uebergang der Entzündung in Transsudation einer lymphatischen, eiterigen Materie — und die Cataracta arida siliquata ist der Ue­bergang in mumienartige Verschrumpfung, in trocknen Brand. — Allein, obgleich diese Ansicht wohl für die Erklärung der verschie­denen Beschaffenheit des Staates in vielen Fällen die richtige sevn mag, so gibt es doch aussei- der, im höhern Alter als Folge der zurücktretenden Gefässthätigkeit entstehenden Cataract sehr viele graue Staare, welche sich ohne Entzündung auf dem Wege der Kachexie und einfachen Entmischung bilden, auf deren Ge­nesis die oben aufgestellte Ansicht keine Anwendung finden kann *).
sect;. 724. Die Entstehung eines harten Staares, der Uebergang der Linse in Verhärtung, ist, nach Chelius's geistreicher Erklärung, durch einen Process der Oxydation bedingt, sowie im Gegentheil die Verflüssigung derselben als Folge einer Hydrogenisation der Linse zu betrachten ist. Denn die Hydrogenthätigkeit ist überall mit einem Streben zur Verflüssigung, die Oxydation aber mit einer Gerinnung und Erstarrung der thieriseben Flüssigkeiten verbunden. — Hierin liegt, fährt Chelius fort, der Grund der verschiedenen Natur des Staares nach den verschiedenen Lebensperioden. Im ganzen jugend­lichen Alter ist der Ersatz grosser, als der Verlust der organischen Materie, die Eeproduction ist überaus thätig, die Lymphe ist in Uebermaass vorhanden und die Hydrogenthätigkeit vorherrschend. Je weniger das jugendliche Individuum in den Jahren vorgeschritten ist, um so geringer ist die Menge des Oxygens, das es zu seinem Le-bensprocesse bedarf—und während des Placentallebens im Uterus ist es am geringsten. Mit dem fortschreitenden Alter, in den Jahren der Mannbarkeit und des ausgebildeten Körpers ist der Lebensi^rocess energischer, und besteht eine grössere, innere Verzehrung, die nur durch den raschen Stoffwechsel ausgeglichen wird. Im höhern Alter wird dieser Stoffwechsel träger und der Lebensprocess wird eine
*) Chelius a. a. O. Bd. 2. sect;. 313.
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332nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Organische Krankheiten des Auges.
Combustion ohne gehörigen Ersatz, daher die Rigidität und zu­nehmende Erstarrung der Organe.
Hicinit stimmen auch die Versuche überein, welche man mit der galva­nischen Säule über die Veränderungen der Linse angestellt hat (Vergl. Che-lius's Abhandlung riber die durchsichtige Hornhaut. S. 82). Der positive Pol trübt und erhärtet die Linse — und der negative Pol trübt und erweicht sie. — Die Linse des Menschen- und Thierauges enthält nach Berzelius milchsau­res und salzsaures Aleali (Natron und Kali). Befinden sich diese Salze im Kreise der Volta'sehen Säule, so begeben sich Chlor und Milchsäure an den po­sitiven, die Alkalien an den negativen Pol. Sind daher die beiden Poldrähte in die Krystalllinsen an einem Menschen- oder Thierkopfe eingesenkt, so ver-anlasst die elektrische Strömung zwischen den beiden Linsen, dass sich das Chlor in der Linse ansammelt, zu welcher der positive Draht führt, und den EiweissstofFderselben in einen geronnenen, undurchsichtigen Zustand überführt, während das sich am negativen Drahte ansammelnde Natron und Kali die an­dere Linse erweicht und gewissermassen verflüssigt*).
sect;•725,
Diesem gemäss ist der Einfluss der verschiedenen Lebens­perioden auf die Beschaffenheit des grauen Staares nicht zu ver­kennen und es erscheint darum auch der angeborene Staar immer als ein flüssiger oder weicher, und gewinnt in den weiteren Lebens­perioden immer an verschiedenen Graden der Festigkeit, indem er die mannigfaltigen Modificationen des Staares, als glutinöser, käsiger, scabröser Staar, bis zum harten Linsenstaare, dem Eigen-thume des höheren Alters, durchläuft. Jedoch bedingt nicht allein das Lebensalter die verschiedene Consistenz des Staares, denn es können auch besondere Gelegenheitsursachen, Constitutionsver-hältnisse, kachektische, dyskrasische Krankheiten hierin Modifica­tionen veranlassen.
sect;. 726.
Die Behandlung des grauen Staares hat entweder die Auf­hellung der Trübung, oder die Beförderung der Aufsau-sunlaquo;:, oder die Entfernuno; der cataraetösen Linse aus der Sehaxe zur Aufgabe, welche durch pharmaceutische Mittel oder auf operativem Wege gelöst werden kann, um das Sehver­mögen wieder herzustellen.
sect;. 727.
Trübungen der Linsenkapsel, sobald sie durch Entzündung bedingt sind, besonders wenn diese Folge von unterdrückten im-petiginösen und exanthematischen Affectionen ist, noch fort besteht, die Trübung zum Symptome hat, ohne dieselbe schon als Ausgang zurückgelassen zu haben, gestatten die Aussicht zur Möglichkeit einer völligen oder theihveisen Zurückbildung der Cataract durch
*) Ebendaselbst sect;. 314.
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eine gehörige, antiphlogistische, und dem zum Grunde liegenden, allgemeinen und örtlichen Leiden angemessene Behandlungsweise.
sect;. 728.
Eine Zertheilung der Entzündung der Linsenkapsel und Eesorption*) der Trübung kann auf den, unter diesem Artikel näher gegebenen Wegen erreicht werden, sobald man das bedingende Grundleiden entsprechend würdigt. Wenn auch nicht geleugnet werden kann, sagt Beck sehr treffend, dass die Linse und Kapsel weniger, als jedes andere Organ mit dem Organismus in Verbindung steht, so darf doch hiebei nicht vergessen werden, dass sie noch in der Sphäre des Organismus liegt, dass nichts mehr, als krankhafte Stimmungen des Organismus die Mischungs­verhältnisse der Linse verändern können, sowie dass ferner ge­wisse arzneistoffige Einwirkungen der Linse sich mitzutheilen, und dunstige Umstimmuno-en in der Organisation derselben zu bewir-ken vermögend sind.
Man wendet, sagt Leblanc hierauf bezüglich, zu diesem Zwecke die stärksten auflösenden Mittel an, die Quecksilberpräparate, welche die Eigenschaft besitzen, die Lymphgefässe zu reizen — wohl auch hier speeifisch umzustimmen. #9632;—
Die Mercurialien wendet man äusserlich in Form von Einrei­bungen der grauen Salbe in die Umgebung des Auges und Ein­streichen der rothen Präcipitatsalbe in den inneren Augenwinkel und innerlich in Verbindung von drastischen Purganzen, der Aloe, Ja-lappe, und umstimmender Mittel, des Schwefels, der Antimonialien u. dgl. an. Ein Versuch mit den angegebenen Mitteln kann nie­mals schaden, nur darf man die drastisch wirkenden nicht zu lange fortsetzen, um nicht ein grösseres Uebel herbeizulocken. In einem vorzüglichen Grade ist diese Vorsicht bei dem Calomel geboten; man mag es immerhin kurze Zeit hindurch anwenden, allein nie sollte man dasselbe lange Zeit fortgeben, denn ruinirte man dadurch auch nicht immer die Constitution des Thieres, so könnte man doch häufig angehende Synchysis veranlassen.
Uebrigens muss man sich aller Curversuche enthalten, wo nur das hohe Alter die Cataract begründet und diese gleichsam zur Individualität gehört.
Liegen unvorsichtig abgeheilte Hautübel oder Geschwüre der Cataracta zum Grunde, dann suche man die krankhafte Thätigkeit durch Bildung eiternder Flächen auf den ursprünglichen Sitz zu­rückzuführen.
*) (Sit venia vorbo.)
Müller, Veterinär-Opluh.ilmolngie. II.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;23
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35-4nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Organische Krankheiten des Auges.
sect;. 729.
Wenn eine Beförderung der Aufsaugung der catarac-tösen Linse erfolgen soll, so muss die Linse ganz oder grossen-theils weich oder flüssig, die Kapsel dünn, geborsten, aus ihren normalen Verbindungen getreten, die übrigen Gebilde des Auges gut bestellt, das Subject jugendlich, ungeschwächt, und somit ei­nerseits der Staar leicht auflöslich und andererseits der Stand der Resorptionsthätigkeit des Auges zu diesem Geschäfte kräftig genug seyn. Das Hauptbeförderungsmittel der Schmelzung und Aufsau­gung ist ein massiger Reizungszustand des Auges; durch einen solchen wird nicht nur eine grössere Quantität wässriger Feuchtig­keit in die Augenkammern herbeigelockt, sondern auch die Re­sorptionsthätigkeit antagonistisch angeregt. — Zu diesem Zwecke sind Instillationen von Sublimat-, Zink- und Kupfervitriol - Auflö­sungen , von Laudanum, Bilsenkraut - oder ßelladonnaextract, in Aether oder Wasser aufgelöst, von Belladonna - Aufgüssen mit einem Zusatz von Salmiak, von Fomentationen mit Safran- oder Tabacksaufguss u. dgl. zu empfehlen.
sect;.730.
Gelingt es bei einem solchen Kunstverfahren nicht, eine Zer-theilung der Trübung in der Linsenkapsel oder eine Aufsaugung der getrübten und verflüssigten Linse durch Anfachung der Re­sorptionsthätigkeit zu erwirken, oder erscheint der graue Staar als Product der zunehmenden Decrepidität im Alter und hat er seine vollständige Ausbildung erreicht, so findet im Allgemeinen die Ent­fernung der cataraetösen Linse aus der Sehaxe auf chi­rurgischem Wege ihre Anzeige.
Zur Ausführung dieser Operation sind noch immer gewisse Bedingnisse erforderlich, ohne deren Gegenwart jeder technische Eingriff dieser Art nicht nur unnütz, bedenklich oder selbst offen­bar nachtheilig ausfallen würde. Diese Bedingnisse beziehen sich theils auf den Staar selbst, theils auf den Zustand der übrigen Ge­bilde des Auges, sowie des Gesammtorganismus, theils auf Neben­umstände.
sect;. 731.
Die Cataract muss, wenn sie Gegenstand eines operativen Eingriffes seyn soll, einen Umfang haben, durch welchen sie das Sehen wirklich und namhaft stört, •— sie muss vollkommen reif seyn, — sie darf endlich in keiner so festen Verbindung durch Verwachsungen, pseudoplastische Gebilde u. s. w., stehen, dass sie ohne grosse und das Sehen gefährdende Beschädigung des Auges aus der Sehaxe nicht zu entfernen wäre.
Die übrigen Gebilde des zu operirenden Auges dür-
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fen weder zu reizbar, noch durch Alter oder Anstrengung sehr ge­schwächt, noch endlich mit Krankheiten behaftet seyn, welche schon an und für sich das Sehen aufheben und unheilbar sind, (es sey denn, dass die Operation, wie dies bei Pferden häufig der Fall ist, nicht sowohl der Wiederherstellung des Sehvermögens wegen, sondern ob der Beseitigung der bestehenden Deformität verrichtet werden sollte.)
Hinsichtlich des allgemeinen Körperzustandes steht zu bemerken, dass noch allzufrühe Jugend, Zahnperiode, Geschlechts­entwickelung, Trächtigkeit und Säugungsperiode, ein hoher Grad von Decrepidität, bedeutende Körperschwäche, weit gediehene Dyskrasien, den Erfolg der Operation stets unsicher machen. — Absolute Gegenanzeigen findet die Staaroperation, wenn Auflösung des Glaskörpers oder Atrophie des Augapfels, Wassersucht, Va-ricosität der Gefässe und Glaukom als Complicationen zugegen sind, mehr als ein Drittheil der Iris mit der vorderen Kapselwand verwachsen ist oder solche unheilbare Verdunkelungen der Horn­haut da sind, die doch ein Sehen nach der Staaroperation unmög­lich machen würden.
Ferner sind auch bei vorzunehmender Operation die Neben­umstände und zwar vor allem die Lebensverhältnisse des Kranken, namentlich die Beschaffenheit des Aufenthaltsortes, dann die War­tung und Pflege, die Jahreszeit, die Witterungsverhältnisse, end­lich selbst die Tageszeit, zu welcher der operative Eingriff Statt finden soll, zu beachten.
Die Jahreszeit betreffend, so sind der Mai, Juni, September und October im Allgemeinen die geeignetesten Monate zur Vollzie­hung der Staaroperationen, wenn sonst die Witterung mild und beständig ist. — Die angemessenste Tageszeit zu demselben Zwecke bleibt immer die des Mittags *).
Leblanc dagegen empfiehlt die Morgens- oder Abendszeit, nachdem das Thier nicht gefuttert worden ist; gegen welchen Rath zu erinnern bleibt, dass die Beleuchtung gegen Mittag die beste ist und dass das Thier ganz ohne Futter gelassen, sich zu unruhig betragen würde und dadurch der Operations­erfolg mehr, denn durch die vorhergegangene Fütterung beeinträchtigt werden könnte.
Vor der Operation hat man bei dem zu operirenden Thiere sowohl allgemeine, als specielle Vorbereitungen zu treffen.
Diese bestehen in zweitägiger Entziehung von ungefähr der Hälfte der gewöhnlichen Nährung, dabei gibt man den Thieren, je nach der Klasse, welcher sie angehören, oder je nachdem sie eine verschiedene Nahrungsweise gewöhnt sind, nach Möglich-
*) Rosas a. a. O. S. 491 u. f.
2:!'
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336nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Organisclie Krankheiten des Auges.
keit grünes, statt trockenen Futters, in Ermangelung dessen Ger­sten- oder besser Roggenmehlwasser; Wassersuppen, mit Wasser verdünnte Milch, Gemüse, aber kein Fleisch und lasse das Thier keine Knochen benagen u. s. w.
Allgemeine Vorbereitungen sind nur im Falle einer Complica­tion mit einem anderweitigen Uebel, dessen Beschwichtigung voi­der Operation wünschenswerth erscheint, geboten. Darum sind allgemeine Krankheiten, besonders solche, welche früher zur Ent­stehung des Staares Veranlassung gaben, vorher nach Möglichkeit zu beseitigen oder dadurch zu beschwichtigen, dass man dieselben auf ein anderes, niederer stehendes Gebilde oder Organ des Körpers hinzuleiten sucht; daher Hautreize mit Eiterung, Fontanellen, Haar­seile u. s. f. Ebenso sind entzündliche Zustände des Augapfels oder der Lider, selbst die geringsten, zuvor sorgfältigst zu entfer­nen. — Ausser der angegebenen Beschränkung der Diät gebietet ein allgemeiner plethorischer oder localer Congestivzustand allgemeine, ableitende oder örtliche Blutentziehungen und antiphlogistische Pur­ganzen; sowie ein allgemeiner Schwächezustand nach raquo;den speciel-len Verhältnissen eine entsprechende Berücksichtigung erheischt.
sect;. 732.
Die Frage: ob, wenn beide Augen cataraetös sind, die Ope­ration an beiden Augen gleich nacheinander, oder nur an dem einen, und wenn dieses sich von der Operation vollständig erholt hat, erst auf dem andern vorgenommen werden solle, ist zu Gunsten der einen, wie der andern Verfahrungsweise zu beantworten. — Ge­gen den unmittelbar aufeinander folgenden Vollzug der Operation beider Augen ist anzuführen, dass der doppelte Eingriff eine hef­tigere Reaction veranlasse; dass, wenn irgend ein unvorhergese­hener oder vielleicht nicht zu beseitigender Zufall eintrete, dadurch für beide Augen ein unglücklicher Ausgang zu befürchten wäre; und dass man endlich aus dem Verhalten des einen Auges nach der Operation manchen Wink erhalte,, welchen man bei der Nach­behandlung des zpäter zu operirenden Auges vortheilhaft benutzen könne. — Dagegen lässt sich aber mit Recht erwidern, dass die Erfahrung keinen Unterschied der traumatischen Reaction bei der Operation auf einem oder beiden Augen zugleich zeigt; dass wenn die erste Operation einen unglücklichen Ausgang hatte, die Furcht und das Misstraucn des Thierbesitäers bei der zweiten nur um so grosser sind, während derselbe, wenn nach der Operation an bei­den Augen nur an einem Auge die Operation den erwünschten Er­folg hatte, zufrieden gestellt ist. Obwohl nicht untriftige Gründe für die Vornahme der Operation an beiden Augen unmittelbar hin­tereinander, vorhanden sind, so werden sie doch durch den einzi-
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Organische Kraukheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3ä7
gen Umstand aufgewogen, dass durch die sogleich wiederholte Operation das Thier in allzu grosse Unruhe versetzt wird und schon der Lageveränderung wegen, versetzt werden muss, und dadurch der erzielte Erfolg auf dem erstoperirten Auge vernichtet werden könnte.
Von der Operation des grauen Staates.
sect;. 733. Die Operation des grauen Staares hat zum Zwecke, die verdunkelte Linse und Kapsel aus der Sehaxe zu entfernen. Nach der Art und Weise der Erreichung dieses Zweckes theilt man die Staaroperationen folgendennassen ein:
1)nbsp; nbsp;Dislocation des grauen Staares aus dem Um­fange der Pupille durch Niederdrückung, Umleguug oder Seitwärtslagerung (Depressio, Eeclinatio Cataractae) und zwar:
a)nbsp; durch die Sclerotica (Scleroticonyxis);
b)nbsp; durch die Hornhaut (Keratonyxis).
2)nbsp; Ausziehung des grauen Staares (Extracdo cataractae) durch den Hornhautschnitt (Keratotomia).
sect;. 734.
Nächste Bedingniss zur Ausführung dieser Operation ist das Fixiren des ganzen Thieres, besonders des Kopfes und des zu operirenden Auges.
Grössere Thiere lässt man auf einem Strohlager am Boden, kleinere auf einer Bank oder einem Tische festhalten und mit Kie­men und Stricken den Umständen gemäss befestigen u. s. w. — Der Körper und Kopf werde so gelagert, dass das zu operirende Auge oben und so zu liegeu kommt, dass das Licht nur von der Seite in das Auge falle und nicht zu grell sey. Ein star­ker, geübter Gehülfe, welcher hinter dem Kopfe Platz genommen hat, hält die untere Kinnlade mit der rechten Hand und das Ohr mit der linken, wenn das linke*Auge operirt werden soll, und um­gekehrt ; er beuge den Kopf von oben nach unten und von vorne nach hinten, damit sich der Augapfel nicht hinter dem unteren Au-gculide verberge.
sect;. 735.
Die Fixirung des Augapfels und der Lider bewerkstelligt man auf verschiedene Weise. Das obere Augenlid zieht ein, hinter dem Kopfe seitlich gelagerter Gehülfe mit dem Pellier'schen Haken gegen die Stirne und der Operateur drückt das untere Augenlid
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'J'dSnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Oiganische Kraukheitfii des Auges.
mit dem Daumen der linken Hand herab oder es vollführt tlies der Gehülfe mit seiner andern Hand. Dabei kniet der Operateur ne­ben der unteren Kinnlade und führt, wenn er sich des Hakens (S. Fig. 1.) und des einfachen Speeres (S. Fig. 2.) bedient, er­stem mit der linken Hand unter den Nagel, den er auf diese Weise durch einen Gehülfen halten lässt; mit derselben Hand sticht er sodann den Speer ungefähr eine Linie von der Hornhaut entfernt, in den mittlern Theil der Sclerotica ein; hält nun das Auge so, dass der äussere Theil des Augapfels sehr hervortritt und übergibt dann dem zweiten Gehülfen das Heft zum halten.
Leblanc bediente sich bei Staaroperationen mehrere Male dieser Sicherungswerkzeuge, fand aber, dass das Auge noch im­mer schaukelnde Bewegungen von oben nach unten und nach rechts und links machen konnte; dies gab ihm Veranlassung zur Erfin­dung des dreiarmigen Instrumentes (S. Fig. 3.), dessen Benutzung folgende ist: Man fasst das Heft des Instrumentes mit dem Dau­men , Zeige - und Mittelfinger der linken Hand, sticht zuerst die beiden festen Aeste, von denen der Hauptast stets der untere seyn muss, in die Sclerotica ein, indem man mm den Nagel zurückzieht und sodann durch eine leichte am Hefte von dem inneren nach dem äusseren Winkel gemachte Bewegung, die dritte Spitze an dem angezeigten Orte einsenkt. Der Augapfel ist dann in der Gewalt des Operateurs, der jede zur Operation erforderliche Be­wegung mit ihm machen kann.
sect;. 736.
La fosse empfahl in seinen Cours d'hippiatrique, Paris 1772, die Section des Grundmuskels, sowohl gegen das Zurückziehen des Auges bei der Operation, als auch gegen das Hervordrängen des Glaskörpers aus dem Auge, und dies führte auf eine eigen-thümliche Art des Fixirens des Augapfels. Man macht nämlich hiernach beim Pferde und Esel einen zwei Zoll langen Einschnitt parallel mit und über dem Augenbogen durch die Haut der Augen-grubc, präparirt durch das Fett in derselben zum Grundmuskel des Auges hin, und nimmt, falls zu viel Fett hier angetroffen wird, und hinderlich ist, einen Theil desselben mittelst Pin9ette und Scheere weg. Auf diese Weise kann man zum Grunde des Augr-apfels gelangen, ohne Gefässe zu verletzen oder ihn zu entblössen. In diese Oeffnung der Augengrube nun führt man den Mittel- und Zeigefinger der linken Hand, gleichsam so hinter den Augapfel, dass derselbe damit vorgehalten werden kann, ohne ihn zu sehr zu quetschen und zu zerren; mit dem Daumen derselben Hand hält man das obere Augenlid gegen den Augenbogen. Ein Gehülfe senkt den Drahthaken in den inneren Augenwinkel so an dem Bul-
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bus ein, dass dadurch der Blinzknorpel an dem Vordringen gehin­dert wird*).
sect;. 737. Diese beiden Arten des Fixirens des Augapfels gegen einan­der gehalten, bieten Vortheile und Nachtheile. — Bei der ersteren können die Spitzen der Lanzen zu tief in die Selerotica eindringen und dadurch starke Entzündung bewirken oder gar die darunter liegende Aderhaut verletzen und sohin zu heftiger Ophthalmia in-tema Anlass geben; — die letztere Art kann jedoch ausser der heftigsten Entzündung des Zellgewebes aber auch Lähmungszu-stände des Auges, vorzugsweise des oberen Augenlides bewirken und somit vielleicht nicht sowohl den günstigen Erfolg der Staar-operation vernichten, als auch ein grösseres Uebel setzen, denn das ursprüngliche war. Ausserdem ist es uns unbegreiflich, wie diese Voroperation immer ausführbar seyn soll, ohne die Thränen-drüse zu verletzen. — Unter zwei Gefahren, die minder gefähr­liche wählend, entscheiden wir uns für die Leblanc'sche Fixirung mit dem dreilanzigen Instrumente, bringen aber eine derartige Ver­änderung an demselben in Vorschlag, dass wir an die Stelle der Spitze, Häkchen gesetzt wissen wollen, womit man die Binde­haut des Augapfels und jenen, den Blinzknorpel überziehenden Theil derselben fassen könnte, um auf gleiche Weise den Bulbus zu fixiren, wie es bei der Durchschneidung der Augenmuskeln von Dieffenbach empfohlen und am Menschenauge erfolgreich aus­geführt wird.
1. Von der Scleroticonyxis.
sect;. 738.
Diese Operationsmethode besteht darin, dass vermittelst einer geeigneten Nadel, welche in bestimmter Entfernung vom Eande der Hornhaut durch die Selerotica zum Staare gebracht, dieser entweder geradezu niedergedrückt, oder nach hinten umge­legt, oder zur Seite gedrückt, in jedem Falle aus der Seh-axe entfernt, die Linsenkapsel dabei eingeschnitten tmd auf diese Weise von ihrem Inhalte befreit und der Auflösung der wässrigen Feuchtigkeit Preis gegeben wird. (Depressio, Recli-natio, Depressio lateralis, Incisio Cataractae per Scleroticam).
sect;. 739.
Man verrichtet diese Operation mit der Beer'schen oder Scar-pa'schen Staarnadel (S. Fig. 9. und 10.), deren Bewegung im Auge
*) Dietrich's Akiurgic S. 236.
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3()0nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Orgiiuisclie Krankheiten des Auges.
folgende Acte durchläuft: 1) deraquo; Einstich, 2) die Fortleitung in die Pupille, 3)dieITmlegung der Linse nebst Einschnei­dung ihrer Kapsel, 4) die Herausführung aus dem Auge.
sect;•740.
Nachdem das Thier auf die obige Weise gelagert und ihm möglichst alle Körperbewegungen unmöglich gema'cht worden sind, Augenlider und Augapfel in der Gewalt der Gehülfen und des Ope­rateurs sich befinden und dieser sich neben der unteren Kinnlade in knieender Situation placirt hat, so steche derselbe die gerade Staarnadel mit nach oben und unten gerichteten Flächen, wie eine Schreibfedor mit etwas zurückgezogenem Daumen, Zeige- und Mittelfinger gefasst und bei auf die Jochleiste und Backe des Thie­ves gestütztem kleinen Finger und Ulnarrande, an der äusseren Seite, 2 bis 3 Linien von der Hornhaut entfernt, behutsam und mit Vorsicht, jedoch rasch und entschlossen in die Sclerotica und in solcher Richtung ein, als sollte die Nadel in den Mittelpunkt des Augengrundes gelangen.
Nachdem die Nadel bis zu ihrem Halse eingedrungen ist, so drehe der Operateur sie rasch um ihre Axe und neige den Griff derselben gegen die Schläfe, so dass die Flächen der Nadel nach vorn und hinten und die Spitze gegen den inneren Augenwinkel hin gerichtet sind, und schiebe sie zwischen der hinteren Fläche der Iris und vorderen Kapselwand so weit fort, bis ihre breite Fläche in die Pupille getreten ist; darauf wird das Heft der Nadel in einer diagonalen Richtung nach innen und aufwärts gegen die Nase zu gehoben, so class die breite hintere Fläche der Nadel­spitze an die vordere Fläche der cataraetösen Linse gelegt und diese sammt Kapsel behutsam und vorsichtig in den Hintergrund, d. i. in den Glaskörper gedrängt wird, und ihre hintere Fläche nach unten zu liegen kommt. In dieser Lage sucht man die Linse mit der Nadel für kurze Zeit zu fixiren und zieht jene dann langsam bis zu ihrem Halse zurück und wenn der Staar sich nicht wieder erhebt, in derselben Richtung, wie sie eingestochen wurde, aus dem Auge; während bei etwaigem Wiederaufsteigen der Linse der zweite und dritte Operationsact wiederholt werden müssen. — Will man die Linsenkapsel öffnen, so geschehe dieses durch Einschnei­dung bei leichter Drehung der Nadel, während des Actes der De­pression.
sect;• 741. - Die Beschaffenheit des Staarcs, so wie eine abnorme Befesti­gung desselben mit den ihn umgebenden Gebilden, können wichtige Modificationen nothwendig machen.
Wenn die Cataracte sehr prominirt, wie es bei der Pferdelinse
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ohnehin der Fall ist, so geschieht es bisweilen, dass man mit der Spitze der Staarnadel unter die unverdunkelte oder verdunkelte Linsenkapsel geräth, was man theils im gebundenei-en Gefühle bei der Fortbewegung wahrnehmen kann, namentlich aber daraus er­sieht, dass die Nadel in der Pupille nicht hellglänzend erscheint. Solchen Falles zieht man das Instrument zurück und führt es dichter an der hinteren Irisfläche fort, nachdem man dessen Heft etwas gegen aussen gesenkt und dadurch die Spitze nach oben gehoben hat. ßagt übrigens ein Segment der Cataracte in die Pu­pille hinein, so sey man bemüht, nach oben freiere Bahn für die Spitze der Nadel zu finden, oder, wenn auch dies nicht möglich, so dringe man in den Körper der Linse selbst ein, dislocire ihn und beendige die Operation auf die gewöhnliche Weise. Bei die­sem Manöver kann es geschehen, dass der Linsenkörper nur, und nicht seine Kapsel dislocirt werden, wo sich diese, wenn sie zu­rückgelassen wird, in der Folge und bald verdunkelt, wesshalb man auch alsbald die Pupille selbst von ihren letzten Besten rei­nigen muss.
Besteht eine Verwachsung zwischen der vorderen Fläche der Kapsel und der hinteren Fläche der Iris, so muss die Nadel im Momente ihrer Fortleitung gegen die Stelle der Verwachsung ge­führt und diese durch hebelartige Bewegungen der Nadel getrennt und hierauf die Cataract reclinirt (umgelegt) werden. Wird aber bei einer unbemerkten, fadenartigen Verwachsung zwischen diesen beiden genannten Theilen, die Cataracte deprimirt, so zeigt sich sogleich die Pupille in dieser Richtung verzogen und man muss daher die Nadel gegen die hintere Fläche der Iris richten und die Verwachsung trennen.
. sect;• 742-Wenn der Staar bei weicherer Beschaffenheit sich zerstückelt,
oder wenn bei einem flüssigen Staare die Kapsel zerreisst und die Flüssigkeit sich in die Augenkammern ergiesst, so muss man die grösseren Stücke des Staares niederdrücken, immer aber die Kap­sel im gehörigen Umfange zerschneiden, indem man die Schneide und Spitze der Nadel in verschiedenen Richtungen gegen sie wir­ken lässt, und dabei nicht versäumt, die Nadel manchmal etwas zurüclczuziehen und dicht hinter der Iris wieder vorzuschieben, damit sie bestimmt auf die vordere Kapselwand wirken kann und nicht in der Masse des Staares eingesenkt bleibt, in welchem Falle ihre, wenn gleich ausgiebigen Bewegungen, die vordere Kapsel­wand nicht gehörig trennen *).
*) Chelius a. a. Ö. Bd. 2. sect;. oll.
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3(gt;2nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Organische Krankheiten des Auges.
sect;: 743-
Nach vollendeter Dislocation der Linse ziehe man die Nadel behutsam in derselben Art, wie sie eingesenkt wurde, zurück, ent­ferne die Fixirungswerkzeuge, oder ziehe die beiden Finger aus der Wunde hinter dem Bulbus hervor, hefte diese durch die blutige Naht, lege einige Heftstreifen über beide Augenlider und bedecke das Auge mit einer weichen, aber dichten, angefeuchteten Lein-wandbandage und bringe das Thier an einen verdunkelten Aufent­haltsort. Besondere Vorkehrungen sind zu treffen, dass das Thier sich nicht an den benachbarten Gegenständen reiben oder mit den Füssen kratzen kann. Bei Pferden und Eseln geschieht dies am sichersten mittelst eines an der Decke befestigten, nur den Hals umfassenden Halfters, dessen Schnur man bei Nacht nur so weit nachlässt, dass sich das Thier legen kann. Die Compressen müs­sen, so lange vermehrte Thränenabsonderung vorhanden ist, täglich dreimal erneuert werden; man weicht die Augenlider auf, wenn sie verkleben und wäscht sie mit frischem Wasser, wenn die Entzün­dung nicht zu heftig ist, im anderen Falle mit einem schleimigen Decocte, greife nach Umständen zu allgemeinen und örtlichen Blutentziehungen und sey immerhin auf Erhaltung normaler Darm-thätigkeit bedacht. Während der ersten vierzehn Tage bestehe das Futter aus blanden und leicht zu kauenden Nahrungsstoffen, zum Getränke diene Mehlwasser, Milch u. dgl. Das Futter und Getränke bringt man durch eine hochstehende, oder an vier an der Decke befestigten Stricken hängende Krippe oder durch einen auf ähnliche Art befestigten Trog dem Kopfe des Thieres nahe, um alles Niederbeugen des Kopfes zu verhüten. — Nach Verlauf eini­ger Wochen gewöhne man das Thier wieder grad-weise an das Licht und übergebe es, anfänglich mit Schonung, seiner gewöhn­lichen Beschäftigung.
sect;. 744.
Erfolgt nach vorgenommener Zerstückelung des Staares die Ke-sorption nicht, so liegt der Grund entweder in festerer Beschaffen­heit der Staarreste, oder in trägem Stoffwechsel, oder in einem Zu­stande von Uebersättigung der wässrigen Feuchtigkeit durch aufge­löste Staarpartikel oder in nicht gehörig zerschnittener Kapsel. — In den zwei ersten Fällen kann man von Zeit zu Zeit eine Auflösung des Belladonnaextractes in das Auge instilliren, damit sich bei vor­wärtsgebeugtem Kopfe vielleicht einzelne Staarreste in die vordere Au^enkammer begeben und von der wässrigen Feuchtigkeit besser umspült werden können; oder man wendet Mittel an, welche die Rcsorptionsthätigkeit erhöhen und den Stoffwechsel beschleunigen. — Im dritten Falle zeigt sich die von Wer neck empfohlene und
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Organische Kiankbeiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 3(13
von Zeit zu Zeit wiederholte Punction der Hornhaut und Entlee­rung der wässrigen Feuchtigkeit sehr wirksam. Im vierten Falle bleiht nichts übrig, als, wenn sich das Auge vollkommen erholt hat, die Operation der Zerstückelung und vorzüglich die Zerschnei­dung der Kapsel wieder zu unternehmen. Ueberhaupt muss, so lange der Process der Auflösung und Aufsaugung der Staarreste nicht vollendet ist, das Auge sorgfältigst geschont werden *).
2. Von der Keratonyxis.
sect;. 745. Unter dieser Operation versteht man das Einführen der Nadel durch die Hornhaut, um auf diesem Wege die Linsenkapsel zu zerschneiden, und die Cataracte aus ihren Verbindungen zu lösen, damit deren Auflösung und Resorption geschehe, oder dieselbe nie­derzudrücken , um sie aus der Sehaxe zu bringen.
sect;. 746. Die gemachte Erfahrung, dass nach eingeschnittener Kapsel eine undislocirte Linse ebenfalls nach einiger Zeit durch Resorption entfernt werden kann, bestimmten Conrad! und Beer, die Zer­schneidung der Kapsel zu diesem Zwecke durch die Hornhaut zu versuchen, worauf Buchhorn nach Versuchen an Thieraugen die Entfernung der Cataract mittelst einer durch die Hornhaut einge­führten Nadel zu einer besonderen Operationsmethode erhob und die Reclination oder die Zerstückelung der Cataract auf diesem Wege bestimmte.
Zur Verrichtung dieser Operation bedient man sich einer ge­krümmten oder geraden Nadel, je nachdem man auf die eine oder die andere mehr eingeübt ist.
Das Operationsverfahren ist folgendes: wenn die Pupille durch vorläufige Instillation einer Auflösung von Belladonnaextract hin­reichend erweitert, der Körper, Kopf und Auge auf eine der oben angegebenen Weisen fixirt worden sind, sticht der Operateur in gleicher Weise, wie bei der Seleroticonyxis die gekrümmte Nadel, deren Concavität ihm zugewandt, die gerade Nadel, mit nach den Augenwinkeln gerichteten Schneiden, eine Linie von der Sclerotica, der Stelle des Einstiches bei der Seleroticonyxis entsprechend, oder auch in der Mitte durch die Cornea. Ist die Nadel bis zu ihrem Halse eingedrungen, so führe er sie zur Reclination in die Pupille nach oben, auf den Rand des Staares ein, und drücke durch Er-
*) Chelius a. a. O. sect;. 351.
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361nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Organische Krankheiten des Auges.
heben des Griffes und Senken der Spitze die Cataracte nieder, so dass ihre hintere Fläche die untere, ihre vordere die obere wird. Nun bleibe die Nadel sanft auf dem Staare etwas ruhen und dann werde sie in die Pupille zurückgezogen und aus dem Auge wieder entfernt, wenn der Staar nicht wieder aufsteigt, während im anderen Falle der Act der Depression wiederholt werden muss, bis die Ca­taract unbeweglich liegen bleibt. Wäre dies nicht der Fall, oder dränge die Nadel in die Masse des Staares wegen seiner weichen Beschaffenheit, oder wollte man bei einem erkannten weichen oder flüssigen Staare geradezu die Zerschneidung oder Zerstückelung vor­nehmen, so wende man die Schneiden, und mache vorsichtige Bewe­gungen über die vordere Kapselwand in sich kreuzender Richtung. — Wenn sich der Staar zerstückelt, so suche man die grösseren Stücke niederzudrücken — die kleineren fallen gewöhnlich von selbst in die vordere Augenkammer; ist der Staar flüssig, so wird sich sogleich beim Einschneiden der Kapsel die Flüssigkeit in die vordere Au­genkammer ergiessen und den Humor aqueus trüben. — Bei den Bewegungen zur Zerstückelung der Linse und Kapsel in ihrem Mittelpunkte hängt alles davon ab, dass die Kapsel in ihrem Mit­telpunkte in gehörigem Umfange getrennt wird,- was man oft durch kreisförmige Bewegungen der Nadel am besten erzielt, und dass man die Nadel zu wiederholten Malen in die vordere Augenkammer zurückzieht und von Neuem gegen den Staar vorführt; geschieht dies nicht, so kann sich leicht die Nadel in dem Staare spiessen, wo sodann ungeachtet ausgiebiger Bewegungen mit der Nadel die Linse nur verrückt, aber eine gehörige Zerreissung der Kapsel und Zerstückelung der Linse nicht bewirkt wird *).
sect;. 748. Die üblen Ereignisse, welche während der Operation Statt finden können, sind: Grosse Unruhe und Drehen des Auges nach oben, so, dass man die im Auge befindliche Nadel nicht sehen und folglich nicht mit Sicherheit leiten kann. Wenn es hier nicht mög­lich ist, mit dem Leblanc'schen Instrument das Auge in gehörige Richtung zu bringen, so muss man bemessen, ob es zu wagen ist, vorsichtige Bewegungen mit der Nadel zur Dislocation des Staares oder zur Zerreissung der Kapsel zu machen, oder ob es nicht ge-rathener sey, die Nadel auszuziehen und die Operation später wie­der zu versuchen. — Plötzliche Zusammenziehung der Pupille, so dass die nothwendigen Bewegungen mit der Nadel nicht gemacht werden können, ohne den Pupillarrand zu beleidigen. Wenn sich hier bei ruhiger Haltung der Nadel die Pupille nicht wieder erwei-
*) Chelius a. a. O. Bd. 2. fj. 355.
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Organische Krankheiten lies Auges.
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tert, so muss die Nadel ausgezogen und später die Operation nach einer anderen Methode vorgenommen werden. — Unerwartetes Her­ausgleiten der Nadel aus dem Auge bei grosser Unruhe desselben, ehe die Operation vollendet ist. Hier ist es gerathener, die Ope­ration zu verschieben, als von Neuem die Nadel durch die Horn­haut einzustechen, da man auf grössere Schwierigkeiten bei dem schon unruhigen Auge immer gefasst seyn muss *).
3. Von tier Ausziehung des grauen Staaros.
sect;. 749.
Die Ausziehung des grauen Staares, Extractio Cata-raetae, besteht in der Eröffnung der Hornhaut durch den Schnitt, Keratotomie, Trennung der Kapsel und Entfernung des Staares durch die Oeffnung der Hornhaut.
sect;. 750.
Zur Ausführung dieser Operation bedient man sich des drei-armigen Speers (Fig. 3.), des Pellier'schen Augenlidhalters (Fig. 2.), des Staarmessers (Fig. 11.), der geraden Staarnadel (Fig. 9.) und feiner Pinzetten.
Das von Beer für das Menschcnange bestimmte, hier für das Thieraugc aecommodirte Staarmesser zeichnet sich durch das richtige Verhältniss aus, in welchem es zn den Gebilden, welche verletzt und zur Art, wie ein regelmässi-ger Iloruhautschnitt gebildet werden muss, steht. Die Klinge ist zwei Zoll laug und hat die halbe Breite der Hälfte dos verticalen Durchmessers der Horn­haut, ist mit dem Hefte fest verbunden und der Rücken In gerader Richtung mit dem Hefte auslaufend; der Rücken muss stumpf, keinesweges breit und an seinen beiden Kauten so zugeschliflfen seyn, dass er den oberen Wundwinkcl bei der Durchführung des Messers durch die Hornhaut, gehörig ausfüllt, damit die wässrige Feuchtigkeit nicht zu frühzeitig ausfliesst; die sehr starke Schneide lauft in schräger Richtung in die zweischneidige, lanzettförmige, scharfe, aber nicht zu schwache Spitze; das Staarmesser darf nicht federn, was erreicht wird durch eine sanfte Wölbung, die sich auf beiden Seiten von dem Rücken gegen die Schneide und nach der ganzen Länge der Klinge erhebt, gegen die Schneide sich sanft verliert und bis zur Spitze ausläuft. Diese Wölbung darf nicht zu dick seyn, weil sonst das Messer nicht mit Leichtigkeit fortgeführt werden kann. Der achtseitige Griff von Ebenholz muss ungefähr 3%/-, Zoll P. M. lang seyn, dass er, wenn das Messer wie eine Schreibfeder gehalten wird, noch einen Zoll über den Rücken des Zeigefingers hinausragt.
sect;.quot;751..
Die Vorbereitungen, die gegenseitige Stellung des Operateurs und des zu operirenden Thieres, so wie die Fixirung des Auges, sind dieselben, wie bei der Depression.
Die Operation zerfällt in folgende Acte: 1) in den Hornhaut-
*) Chelius a. a. O. sect;. 55fi.
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;)fi6nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Organische Krankheiten des Auges.
schnitt, dessen einzelne Momente der Einstich, die Wendung des Messers und Fortführung durch die vordere Augenkammer, der Ausstich und die Vollendung des Schnittes sind; 2) in die Er­öffnung der Kapsel; 3) in die Ausleitung des Staares; 4) in die Entfernung abnormer Zustände, die sich nach der Ausleitung des Staares noch vorfinden und 5) in den Verband.
sect;. 752.
Den ersten Act der Operation vollführe man, nach Dietrichs, auf folgende Weise: Der Operateur erfasse das Staarmesser mit dem etwas zurückgebogenen Daumen, Zeige - und Mittelfinger wie eine Schreibfeder, stütze den kleinen Finger auf den Jochbogen und die Ulnarfläche auf die Backe, stosse des Messers Spitze, den Rücken dem Augenbogen, die Schneide der Nase zu haltend, im rechten Winkel, 1 bis 2 Linien vom Rande der Sclerotica, durch die Cornea, am äusseren Augenwinkel so ein, als ob er die Hälfte derselben abschneiden wollte. Sobald aber die Spitze oben durch die Cornea gedrungen ist, neige man das Heft des Messers zur Backe des Pferdes hin, durch welche Bewegung beim Vor­schieben des Messers, mit demselben die Regenbogenhaut zu ver­letzen, verhütet wird, vor welcher man es flach vorbei bis zum anderen Rande der Cornea verschiebt, diese hier nach aussen durch-stösst und, indem man nun das Messer nachschiebt und genau darauf achtet, dass durch die immer weiter hervortretende Spitze im in­neren Augenwinkel weder die Blinzhaut noch die Thränenkarunkel verletzt werde, gleichzeitig die ganze untere Hälfte der Cornea, in einem Schnitt, nach unten an ihrem Rande trennt.
In dem Augenblicke, wo der Hornhautschnitt vollendet wird, lässt der Gehülfe das obere Augenlid herabsinken, um dem Auge einige Ruhe zu geben, bevor man zum zweiten Acte fortschreitet.
Behufs der Eröffnung der Kapsel lasse der Operateur das obere Augenlid vorsichtig und ohne den Augapfel zu berühren oder zu drücken, wieder in die Höhe ziehen und ziehe selbst mit gelin­dem Drucke auf den unteren Theil des Augapfels das untere Au­genlid herab, um auf diese Weise die Hornhautwunde zu eröffnen, die Pupille zu erweitern und die Linse etwas hervortreten zu ma­chen und somit den gänzlichen Austritt der Linse aus dem Auge zu befördern oder, was besser ist, die Kapsel zuvor zu eröffnen. In letzterer Absicht legt man nun, wie Chelius empfiehlt, die Nadel mit ihrem laquo;Halse so gegen den unteren Rand des Hornhaut­lappens an, dass ihre Spitze im inneren Augerfwinkel frei steht, und ihre Schneide nach oben und unten gerichtet ist, schiebt den Hals unter den Hornhautlappen in die Höhe und zieht hierauf die Na­del in horizontaler Richtung so weit zurück, bis die Nadelspitze in
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Organische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 367
die Pupille zu stehen kommt. Jetzt wird die Lanze mit ihrem un­teren Rande nach der vorderen Kapselfläche und mit ihrer Spitze gerade nach aufwärts gerichtet und sodann die Kapsel durch wie­derholte, senkrechte Züge mit der Schneide der Lanze nur halb um ihre Axe gedreht und die Kapsel durch wiederholte Züge in etwas schräger Richtung eingeschnitten, so dass auf diese Weise die vordere Kapselwand in mehrere rautenähnliche Stücke getrennt wird. Die Lanze wird hierauf mit der Fläche nach vorne und hinten gerichtet, in schiefer Richtung ausgezogen; ohne den Horn-hautlappen zu lüften.
Wenn nun nicht die Cataracte unter Einwirkung der Augen­muskeln von selbst nachfolgt, so unterstütze der Operateur — dritter Operationsact — letztere Thätigkeit durch gelinden Druck auf den unteren Theil des Bulbus oder suche, wenn auch diese Manipulation erfolglos seyn sollte, oder die Cataracte in der-Pu­pille zurückblicbe, deren völligen Austritt mittelst einer einge­brachten Sonde zu fördern, indem er zugleich die, beim Durch-tritte durch die Pupille von der weicheren Oberfläche des Staares etwa abgestrichenen Parthien dem austretenden Staare nachschiebt, ohne jedoch den Hornhautlappen mehr als nöthig zu lüften. — Ist die Linscnkapsel ebenfalls verdunkelt, so zieht man sie mittelst einer Pinzette aus, oder zerreisst sie wenigstens so viel, als möglich. —- Findet man die Kapsel fest mit der Linse verwachsen und gleich­sam ossificirt, so sticht man nach Leblanc, die Nadel in die Linse ein, macht einige drehende Bewegungen, wodurch sie aus ihren Verbindungen getrennt wird und zieht beide aus.
Zum vierten und fünften Operationsacte schreitend, entfessle der Operateur das Auge, lasse dasselbe eine kurze Zeit ruhig ge­schlossen und eröffne es dann behutsam, um die Beschaffenheit der Pupille zu untersuchen. Wäre die Pupille verzogen, so mache man sanfte Reibungen mit dem oberen Augenlide auf den Bulbus; wäre etwas Luft unter den Hornhautlappen eingedrungen, die als kleines, perlenartiges Bläschen an der inneren Fläche desselben erscheint, so wird diese ebenfalls durch sanfte Reibungen des oberen Augenlides entfernt werden, oder wenn das Bläschen hierauf nicht verschwindet, so drückt man sanft mit dem Daviel'schen Löffel oder irgend einem passenden Körper auf den Hornhaudap-pen und treibt dadurch das Luftbläschen unter ihm hervor.
Hierauf werden die Augenlider geschlossen und zwar mit der sorgfältigsten Berücksichtigung, dass sich der Hornhautlappen ge­hörig anlegt; wozu man folgenden Kunstgriff mit Chelius beson­ders empfehlen kann: dass man nämlich das obere Augenlid zuvor schliesse, Avährend man das untere herabzieht und erst dann in die
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Höhe lässt, sobald der Wundlappen von dem oberen Augenlide völlig gedeckt ist. - • Die Augenlider verklebt man mit Pflaster­streifen, bedeckt den Augapfel mit Charpie und Compresse, über welche man eine Compressionsbinde legt.
sect;. 753.
Die Nachbehandlung nach der Staarextraction muss nach den­selben Grundsätzen, wie nach der Eeclination, nur strenger noch und sorgfältiger geleitet werden, theils weil die traumatische Reac­tion leicht bedeutender wird, theils weil, so lange die Ränder der Hornhautwunde nicht verklebt sind, durch unruhiges Verhalten des Thieres zu schlimmen Zufällen Veranlassung gegeben werden kann.
Wenn keine besonderen Zufälle eintreten, so öifnet man das Auge am 5ten oder 6ten Tage, bei äusserst massiger Beleuchtung, indem man überdies den Kopf des Thieres vom Lichte abwendet und mit einem, das Licht von den Seiten abhaltenden Tuche be­hängt, nachdem man mit lauwarmem Wasser die Pflasterstreifen und den die Augenlider verklebenden Schleim losgeweicht hat; so verfährt man von da täglich, bis man am 9ten bis lOten Tage die Compressen entfernt, aber den Aufenthaltsort noch massig verdun­kelt hält, das Auge Gradweise an das Licht zu gewöhnen sucht und gegen den 14ten Tag anfänglich in der Dämmerung das Thier ins Freie führen lässt.
sect;. 754.
Die Extraction des grauen Staates mit dem Hornhaut­schnitte nach oben verrichtet man in ihren einzelnen Acten nach denselben Regeln, mit denselben Instrumenten, in derselben Stel­lung des Operateurs, der Gehülfen und des zu operirenden Thie­res und leitet nach denselben Grundsätzen die darauf folgende Nach­behandlung, blos der erste Act bietet folgende Verschiedenheit.
Bei jenem wird das Messer, mit der Schneide nach oben gerichtet, im Horizontaldurchmesser der Hornhaut l/2 Linie von ihrem Rande entfernt, die Spitze tiefer, als das Heft gehalten, rechtwinkelig eingestochen, durch Wendung des Griffes gegen die Scldäfe das Messer in der vordem Augenkammer fortgeschoben und dem Einstichspunkte genau entgegengesetzt, ausgestochen und die übrigen Momente der Operation hier in der Richtung nach oben, statt dort nach unten ausgeführt.
sect;. 755.
In Betracht der Operationsweisen des grauen Staares mit dem Schnitte nach unten oder oben hat man hinsichtlich der verschie­denen Ereignisse, welche während und nach der Operation eintre­ten können, sowie in Betracht der leichtern und sicherern Erreichung
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des Zweckes der Operation verschiedene Vorzüge und Naclitheile aufgestellt und diese beruhen im Allgemeinen auf folgenden Punkten.
In Rücksicht auf ihre Ausführbarkeit sind beide Operations­weisen sich gleichzustellen; der Operationsmethode mit dem Schnitte nach oben räumt man den Voi-zug ein, dass bei ihr sowohl wäh­rend, als nach der Operation, selbst bei unruhigem Verhalten des zu operirenden Subjectes, die Iris und der Glaskörper nicht so leicht vorfalle; dass durch die gleichmässige Bedeckung der Horn­haut durch das obere Augenlid eine beständige und gleichmässige Berührung der Wundränder unterhalten, dadurch eine leichtere und schnellere Heilung bewirkt, sowie auch die Luft sicherer abgehal­ten werde, da beim Schnitte nach unten bei unruhigem Verhalten und vorzüglich bei stark hervorragenden Augen, der ßand des unteren Augenlides oder die Cilien sich in die Hornhautwunde legen und ihre Ränder verschieben können; ferner hat sich ergeben *), dass nicht wie die immer unter den Augenlidern sich ansammelnde Thränen-flüssigkeit die Wunde berühren, reizen und die Heilung stören könne; ebenso dass ein etwaiger Eitererguss aus der Iris in die Au-genkammern eine Wunde des oberen Theils der Hornhaut weit we­niger auf ätze, als eine, in deren unterem Theile gelegene; gleich­falls soll die wässrige Feuchtigkeit dort weit weniger ausfliessen, als hier, darum auch den reizenden Einfluss etwa zurückbleibender Staarreste auf die Iris vermindern, sowie schneller eine Resorption derselben herbeiführen; auch soll eine entstellende Narbe in der oberen Hälfte der Hornhaut weniger hervortreten und das Gesicht minder beeinträchtigen, als eine solche am unteren Theile dersel­ben; eben so soll, wenn die vor die Schneide des Messers fallende Iris weggeschnitten wird, die dadurch entstehende, ungemein grosse Pupille das Sehen nach dem Schnitte nach oben, nicht so sehr hindern, wie beim Schnitte nach unten, auch sey dieser Fehler weniger bemerkbar.
Auf der anderen Seite las st sich aber dem Hofnhautschnitte nach oben zum Nachtheile rechnen: dass, wenn nach dem Horn­hautschnitte das Augenlid nicht mit gehöriger Vorsicht, oder bei grosser Unruhe des Auges, oder durch Einwirkung des Augenlid­halters herabgelassen wird, die Iris sammt Glaskörper vorfallen kann, dass zugleich auch der manchmal nicht zu verhindernden Um­stülpung des flornhautlappens wegen, die Euft freier in den Bul-bus einzudringen vermag; ferner dass hier die Entwickelung der Linse mit mehr Schwierigkeiten verbunden ist, als beim Schnitte nach unten; dass die, nach Austritt der Cataracte plötzlich entste-
*) Beim Ilornhautschnitle nach oben (nicht wie) bei jenem nach unten. Müll e r . VL'terinär-OpIilhalmoIojjip. 1tnbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 24
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370nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Organische Krankheiten des Auges.
hende, mit Aufwärtsrollen des Bulbus verbundene Unruhe, die Ent­fernung der Linsenkapsel manchmal unmöglich macht u. s. w.
sect;. 756. Wenn man die verschiedenen Vorzüge und Nachtheile der Opei-ation durch Entfernung des grauen Staares aus der Sehaxe und jene der Extraction vergleichend gegeneinander hält, so ergibt sich, dass erstere Operationsweise mehr Leichtigkeit und weniger Schwierigkeit in der Ausführung bietet, mit weit weniger Gefahr in den einzelnen Operationsacten verknüpft ist vind darum gegrün­detere Ansprüche auf eine sicherere Zweckerreichimg in den mei­sten Fällen hat.
III. Von dem Nachstaare.
sect;. 757.
Nachstaar, Cataracta secundaria, nennt man eine jede Trü­bung in der hinteren Augenkammer, welche durch zurückgeblie­bene Reste der Linse, Cat. secundaria lenticularis, oder der Kap­sel, Cat. secund. capsularis s. membranacea, nach der Operation be­dingt ist. Das Sehvermögen kann dadurch in einem höheren oder geringeren Grade beeinträchtigt seyn, je nach dem Umfange und der Dichtigkeit dieser verdunkelten Eeste und nach ihrer Lage in der Pupille *).
sect;. 758.
Es kann nach jeder Staaroperation Linsennachstaar entstehen, wenn nach der Depression die Linse oder einzelne Theile derselben sich wieder erheben oder nach der Extraction Eeste zurückbleiben. Seine Dauer ist nur kurz, da die ausser organischer Verbindung gesetzten Theile durch den Process der Aufsaugung verschwinden.
Weit häufiger und von grösserer Bedeutung ist der Kapsel-nachstaar, denn er ist gewissermassen die schwache Seite einer jeden Staaroperation. Gerne entsteht er nach Operation des Lin-senstaares mit nicht verdunkelter Kapsel, selten aber folgt der Kap-selnachstaar auf die Operation einer Cataracta mit verdunkelter Kapsel, da man diese bei Vornahme der Operation leicht zu unter­scheiden vermag.
sect;. 759.
Bei Behandlung des Linsennachstaares genügt in den mehrsten Fällen einiges Schonen des Auges, und die gelinde Anregung der Kesorptionsthätigkeit; im äussersten Falle greift man zur Ex­traction, nachdem man etwa auch von einer, durch Function der
') Chelins a. a. O. Bd. 2. sect;. 409.
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Organische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;371
Hornhaut bewirkten Reduction der vvässrigen Feuchtigkeit keinen Erfolg hatte.
Beim Kapsel-Nachstaar, wenn er das Gesicht in erheblichem Grade stört, besteht die einzige Hülfe in der Entfernung der ge­trübten Kapsel aus der Sehaxe oder aus dem Auge, weil von der Einwirkung der wässrigen Feuchtigkeit und der Resorption nichts zu erwarten steht.
IV. Von dem Glaukome.
sect;. 760.
Das Glaukom, Glaucoma, ist eine durch Exsudation erzeugte Trübung des Glaskörpers, welche als Ausgang einer chronischen Glashautentzündung zu betrachten ist. Da bei einer Entzündung des Glaskörpers die Retina immer mit leidet, so erklärt sich hier­aus das gleichzeitige Erscheinen der Amaurose mit dem Glaukome. Dasselbe charakterisirt sich durch eine, in der Regel graugrün­liche, meerfarbene Trübung in der Tiefe des Auges, welche diese gleichsam austapeziert und daher gleichmässig bemerkt wird, von welcher Seite aus man auch in das Auge blickt. Die Trübung liegt entfernt von der Pupille und erscheint concav. — Die Pupille ist träge, gewöhnlich unbeweglich, erweitert und verzogen. Häufig erscheint auch die Farbe der Iris verändert, nicht selten selbst ihre Structur. Besonders wichtig für die Diagnose ist der Umstand, dass das Sehvermögen in gar keinem Verhältnisse zu der vorhan­denen Trübung steht. Während diese oft noch massig ist, zeigt sich das Sehvermögen bereits in einem hohen Grade geschwächt. Ueber die Unterscheidungsmerkmale zwischen Glaukom und Ca-taracte haben wir uns oben ausgesprochen, hier haben wir noch nachzutragen, dass das glaukomatöse Auge besser sieht, wenn die Lichtstrahlen in das Auge selbst einfallen, während gegentheils das cataractöse Auge beschattet, einen beleuchteten Gegenstand bes­ser zu unterscheiden vermag; aus welchem Grunde das erstere auch denselben starren Blick zu haben scheint, wie ein amauroti-sches Auge *) — Complicationen verschiedener Art vergesellschaf­ten sich mit diesem Leiden, namentlich sind dies Staphylome, Ca-taracte und, wie schon gesagt, Amaurose.
sect;. 761.
Bios eine Behandlung der chronischen Entzündung der Glas-
*) Nach Jiingken a. a. O. S. SGö u. f. und Leblanc S. 322 u. f.
2'i*
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372nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Organische Krankheiten des Auges.
haut, als des ursächlichen Momentes, vermag beim ersten Entstehen dieses Leidens dessen Rückbildung zu erwirken. Daher sind es entzündungswidrige Mittel, insbesondere Ableitungen auf Haut und Darm und Unterhaltung künsüicher Secretionen, welche hier in Gebrauch gezogen werden müssen.
B. Wassersuchten des Auges.
sect;. 762. _
Missverhältniss zwischen Exhalation, Absonderung und Auf­saugung der dunstförmigen und wässrigen Feuchtigkeiten in den eingeschlossenen Räumen des Auges ist die Grundursache eines Leidens, dessen nächste Folge Wassersucht ist.
Im Auge ist der Wechsel der Flüssigkeiten besonders rasch und thätig, wovon die natürliche Durchsichtigkeit der Medien, sowie der eigenthümliche Grad elastischer Spannung und die angemes­sene Wölbung der die Flüssigkeiten einschliessenden Häute ab­hängt. Jede abnorme Ansammlung der Flüssigkeiten im Auge muss daher bedeutende Störungen in den Functionen derselben her­vorbringen *).
Je nach dem Sitze der normalwidrigen Anhäufung von Flüs­sigkeiten gibt es dreierlei Arten von Augenwassersucht, nämlich: 1) Wassersucht der vorderen Augenkammer; 2) Wasser­sucht des Glaskörpers; 3) totale Wassersucht des Au­ges.
1) Von der Wassersucht der vorderen Augenkiiinmer.
sect;. 763.
Der Hydrops camerae anterioris, Hydrophthalmos anterior, charakterisirt sich durch eine ungewöhnlich starke und gleichmässige Hervorwölbung der ungetrübten Hornhaut, durch Zurückgedrängtseyn der Iris und daraus entstehende Vergrösse-rung der mit Wasser überfüHten vorderen Augenkammer.
Dabei ist das Auge mehr oder weniger empfindlich gegen das Licht, thränend und geröthet.
Der Verlauf ist acut oder chronisch; das erstere ist besonders der Fall, wenn das Leiden sich mit den Erscheinungen entzünd-
*) Chelius a. a. O. S. 334.
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lichei- Reizung entwickelt. — Gewöhnlich bleibt dasselbe, zu einer gewissen Höhe gelangt, stehen, oder es vermehrt sich die Ausdeh­nung so sehr, dass die Augenlider den Bulbus nicht mehr bedecken, die Hornhaut sich entzündet, vereitert, berstet und fistulöse Oeff-nungen bildet, und unter Hinzutritt dyskrasischer oder kachekti-scher Verhältnisse das Auge zur Degeneration führt.
Ursächlich sind die meisten Fälle auf vermehrte Absonderung der wässrigen Feuchtigkeit zurückzuführen, die wenigsten dagegen beruhen auf gestörter Aufsaugung. Im ersten Falle begründen entzündliche Zustände des Auges, namentlich exanthematische und specifische Ophthalmien das Uebel; im zweiten Falle sind es ge­wöhnlich Verwachsungen und Trübungen der Hornhaut oder Ob­literation der aufsaugenden Gefässe der vorderen Augenkammer, welche die Transsudation der wässrigen Feuchtigkeit durch erstere und die Aufsaugung durch letztere beeinträchtigen.
sect;. 766.
Die Behandlung dieser Species von Augenwassersucht richtet sich genau nach der Genesis, dem Grade und Charakter der vor­hergegangenen oder noch vorhandenen Entzündung oder Structur-veränderung. — Daher bald entzündungswidrige, bald specifische, bald erweichende und zertheilende Mittel, vorzugsweise aber all­gemeine und örtliche Ableitungen mit gesteigerten, künstlich her­vorgerufenen und unterhaltenen Secretionen ihre Stelle finden.
Wenn die vordere Augen Wassersucht schon einen bedeutenden Grad erreicht hat und die angegebenen Heilapparate das Uebel unverändert Hessen, so ist die Eröffnung der Hornhaut, Punctio Corneae, wie bei dem ITypopyum, und die Endeerung der angesammelten Flüssigkeit indicirt, welche freilich nur palliative Wirkung haben wird, wenn es nicht hinterdrein, nach Beseitigung der grossen Spannung gelingt, das Uebel auf pharmaceutischem Wege vollends und dauernd zu heben.
In der Mensehenophthalmologic empfahl Kqsas in verzweifelten Fällen ein Stück aus der Cornea zu schneiden. Dieses Verfahren, welchem beinahe im­mer eine mehr oder weniger bedeutende entzündliche Reaction folgt, soll eine so günstige Wirkung auf die Quellen des Humor aqueus ausüben, dass diesel­ben grösstentheils versiegen und hierdurch jede neue Anhäufung dieser Feuch­tigkeit vollends schwindet. — Diesem zufolge dürfte sich dann die früher von uns empfohlne Eröffnung der Hornhaut mit dem cylinderförmigen Messer, (Fig. 12.) besonders nützlich erweisen.
2. Von der Wassersucht des Glaskörpers.
sect;. 766. Der Hydrops corporis vitrei besteht in einer widernatür-
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374nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Organische Krauklitütcn des Auges.
liehen Ansaiumlung der wässrlgen Feuchtigkeit in den zellichten Räumen der Glashaut und gibt sich unter folgenden Erscheinungen kund: Vergrösserung der hinteren Hemisphäre des Augapfels, ke­gelförmiges Hervorgedrängtseyn der Iris und der Hornhaut, Ver­kleinerung der vorderen Augenkammer; Unbeweglichkeit der con-trahirten, manchmal von der vorderen Fläche der zuweilen getrübten Linse ausgefüllten Pupille, Prallheit des überfüllten Bulbus; Kurz­sichtigkeit, Lichtscheue, Xerophthalmie, Varicosität der Binde­haut; grosse Schmerzhaftigkeit und Schwerbeweglichkeit des Bul­bus u. s. AV.
Krankheitsverlauf bald rasch, bald langsam; Ausgänge ver­schieden. Stehenbleiben oder stufenweises Voranschreiten des Uebels, Uebergang in Atrophie des Bulbus, seltner Entzündung mit Ueber-gang in Eiterung, dann Rhexis oculi mit ihren Ausgängen, fungöse Excrescenzen, krebshafte Degenerationen und Geschwüre, sobald allgemeine Dyskrasie zugegen ist.
sect;. 767.
Die Ursachen sind ungefähr dieselben, wie bei der vorher­gehenden Form, vorzugsweise sind es alle jene Anlässe, welche vermehrten Blutandrang nach dem Kopfe und Zurückgehaltenwer­den des Blutes in den Venen des Auges erregen können.
Die Behandlung wird eben auch nach denselben Gesetzen, wie bei Hydrophthalmus anterior geleitet, .ist aber meist fruchtlos, in günstigem Fällen gewährt sie ein Stillstehen des Uebels; wird dies übrigens nicht erzielt und hat sich die angehäufte Flüssigkeit nicht etwa Bahn nach aussen gebrochen, so besteht die einzige Hülfe in deren künstlicher Entleerung, wodurch zugleich ein solcher Entzündungsgrad hervorgerufen wird, dass die Quellen der Feuch­tigkeiten in den Augen versiegen. Diese Operation wird verrich­tet, indem man mit dem Messer oder dem Koretom (Fig. 12.) ein Stück aus der Cornea nimmt, die vordere Augenkammer entleert, durch gelinden Druck auf das Auge die Linse austreten lässt und bei fortgesetztem Drucke, oder wenn nöthig, nach Eröffnung des Glaskörpers die angesammelte Flüssigkeit entleert und so den Bul­bus veröden lässt.
3. Von der totalen Augemvassersueht.
sect;. 768. Der Hydrophthalmus total is v. mixtus besteht aus der gleichzeitigen Ansammlung von Flüssigkeiten in den Augenkammern und in dem Glaskörper. Die Erscheinungen der beiden vorigen Ar-
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#9632;
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ten der Augenwassersucht, in so weit sie nämlich vereinbar sind, sind hier zu gleicher Zeit vorhanden und erheben sich rasch zu dem bedeutendsten Grade.
Ursächlich hervorgerufen wird dieses Doppelleiden durch die bereits angegebenen, sowie besonders durch dyskrasische und ka-chektische Verhältnisse, welche geeignet sind, einen entzündlichen Zustand zu unterhalten.
sect;. 769.
Eine Behandlung dieses Doppelzustantles, insoweit sie auf Heilung berechnet seyn soll, ist erfolglos, sogar wiederholtes Punc-tiren der Hornhaut bringt nur vorübergehende Erleichterung und es ist auch die Verödung des Augapfels nicht wohl anzurathen, weil die Ausdehnung der Häute allzu gross ist, um sich in dem erfor­derlichen Maasse wieder contrahiren zu können; daher ist in den meisten Fällen die völlige Exstirpation des ganzen Bulbus indicirt. Am Schlüsse der einzelnen Species von Augenwassersucht sind wir veran-lasst, auf ein constantes und gemeinschaftliches Symptom aufmerksam zu ina­chen, nämlich auf die auffallende Trockenheit der Bindehaut bei gänz­licher ünthätigkoit der Thränendrüse. Da nun das Feuchtscyn der Oberfläche des Auges hauptsächlich vermittelst der Transsudation der wässrigen Feuchtigkeit dor vorderen Augenkammer durch die Hornhaut, als wie vermit­telst unmittelbarer Zuleitung der Thränenflüssigkeit bewirkt und unterhalten wird, so muss dieses Symptom auch auf eine Unterbrechung dieser Function zurückgeführt werden. Die eine erklärt sich leicht darin, dass die Cornea bei ihrer grosscn oft enormen Ausdehnung sich verdünnen muss und dabei ihre Porosität verliert, während die andere, die mangelnde Thränenabsonderung nämlich, noch unerklärbar scheint. Die Ausdehnung des Bulbus, namentlich bei Hydrops anterior, ist nicht so gross, dass sie mechanisch störend auf die Thränendrüse influiren könnte, auch ist der entzündliche Zustand in seiner chronischen Form zu gering, als dass er sich in der Thränendrüse reflectiren dürfte; da sich demnach kein sympathisches Leiden auf diesem Wege eruiren lässt, so möchten wir, die Thränendrüse in ihrer physiologischen Bedeutung als Niere des Auges betrachtend, den Ursprung der Krankheit dort suchen und letztere mit Nierenstöriing und Bauchwassersucht in Vergleich bringen.
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370nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;OrganisdicKraukht'iten des Auges.
C. Von dem Staphyloihe der Hornhaut.
sect;. 770.
Wenn nach einer Entzündung die Cornea ihre Durchsichtig­keit verliert, wenn sie nacli innen und aussen aufschwillt, wenn die Iris durch die Entzündung ebenfalls angeschwollen und nach vorn gedrängt ist, wenn beide entzündete Häute mit einander verwachsen sind und wenn endlich die Entzündung die Secretion der wässrigen Feuchtigkeit nicht aufgehoben hat, so entsteht das Hornhautsta-phylom, (Traubenauge, Traubengeschwulst), Staphy-loma.
Nach dem verschiedenen Umfange der Verwachsung zwischen den beiden genannten Häuten unterscheidet man das partielle und totale Staphylom der Hornhaut, St. Corneae par­ti ale und totale, — und nach der verschiedenen Form der Her-vortreibung der Hornhaut — das runde Totalstaphylom der Hornhaut, St. Corneae totale sphaericum seu globosum — und das conische Totalstaphylom der Hornhaut, St. Corneae totale conicum, Conophthalmus *).
sect;. 771.
Das partielle Hornhautstaphylom hat das Ansehen von einer bräunlichrothen oder graulichweissen Kugel, zeigt sich gröss-tentheils am unteren Theile der Hornhaut und hat Ulcerationen, und Aposteme, der Hornhaut, Eiterauge, Irisvorfall, Blennorrhöen und überhaupt solche pathologische Zustände, welche die Hornhaut perforiren, die wässrige Feuchtigkeit abfliessen lassen und hiermit die Iris gegen die Hornhaut vortreiben, zur Entstehungsursache.
Das Sehvermögen ist bei dem partiellen Homhautstaphylomc in höherm oder geringerin Grade vermindert, oft auf blosse Licht­empfindung beschränkt, je nachdem die Pupille gedeckt oder der Pupillarrand in die Verwachsung gezogen ist. — Da die Hervor-treibung der Hornhaut meistentheils so gross ist, dass die Augen­lider an dieser Stelle sich nicht schliessen können, so wird die­selbe durch die Reibungen der Lider sowohl, als durch den Ein-,
*) Weiler a. a. O. S. 83. Clielius a. a. O. S. 371.
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Organische Kraukhuiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 377
fluss der Luft in einem andauernden Keizzustande gehalten, der sich endlich auch der ganzen Oberfläche des Auges mittheilt.
sect;. 772.
Eine zweckmässige Behandlung kann in der Regel beim par­tiellen Staphylome dem Fortschreiten der Krankheit Grenzen setzen und auf diese Weise das noch bestehende Sehvermögen erhalten; — oder wenn ein hinreichender Theil der Hornhaut frei ist, so kann man durch die Bildung einer künstlichen Pupille das Seh­vermögen Avieder herstellen *).
Erste Aufgabe der Behandlung ist's, einen noch fortdauernden Zustand der Entzündung zu beseitigen und zweite, die Wucherung der Hornhaut und Iris zu heben und eine festere Cohärenz an der Stelle des Staphyloms zu bewirken, damit sie dem Drucke der wässrigen Feuchtigkeit widerstehen könne.
Zur Erfüllung der ersten Aufgabe bedient man sich der ent­zündungswidrigen Mittel, deren Auswahl und . Stärke durch den Charakter und Grad der Entzündung näher bestimmt wird. —#9632; Zur Lösung der zweiten Aufgabe bedient man sich der. Aetzmittel und des Messers. Unter den Aetzmitteln wähle man die concen-trirte Salzsäure, insbesondere die Antimonbutter, welche man mit der Spitze eines Malerpinsels bei gehörig von einander entfernten Augenlidern auf die am meisten hervoi-ragcnde Stelle aufträgt, bis ein kleiner weisser Schorf entsteht, worauf man sogleich, ehe die Augenlider geschlossen werden, die Oberfläche des Staphylomes mit einem starken kameelhaarenen, in Oel getauchten Pinsel, über­fährt; — werden diese Mittel vergeblich angewandt, so betupfe man das Staphylom mit Höllenstein. Auf diese Weise gelingt es bisweilen das partielle Staphylom zur einfachen Synechie zu ver-wandlen, worauf sich die Hornhaut abflacht, das etwa noch beste­hende Sehvermögen namhaft verbessert und jede weitere Gefahr vom Auge abgewandt wird, — dies aber nur im Falle der Pupil-larrand der Iris nicht in die Verwachsung gezogen ist ufid keine Pupillensperre besteht.
Weit zweckmässiger und sicherer, als die Aetzmittel, bei de­ren Gebrauch sich öfters durch Ausbreitung der zu heftigen Ent-zündung die zum Theile noch freie Pupille durch Exsudation schliessen, das Staphylom zunehmen und selbst ein kegelförmiges Staphylom entstehen kann, wirkt nach Rosas das wiederholte Einschneiden der Cornea an ihrem, der kranken Stelle entspre­chenden Rande, wodurch einerseits die angehäufte wässrige Feuch-
*) Ghelfus a. a. O. Bd. 2. S. 35
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378nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Orgiiiiischc Krankheiten des Auges.
tigkeit entleert, andererseits eine Versiegung eines Theiles der Quellen der wässrigen Feuchtigkeit, wie auch der Ernährungsge-iässe der Cornea erzielt wird: ein Verfahren, welches auch Che-lius am Menschenauge mit glücklichem Erfolge angewandt hat *). Sollte dieses nicht zureichen, so ist der prominente Theil des Sta-phyloms zu eroffiien, oder ein Theil der entarteten Cornea auszu­rotten, was dadurch bewerkstelligt wird, dass man nach Eeblanc's Rath die Spitze derselben abschneidet und den Flüssigkeiten Aus­gang gestattet, wodurch auch den heftigen Schmerzen vorgebeugt wird, welche die Thiere bei fortgehender Entzündung erleiden; oder indem man, nach Scarpa und Leblanc, einige Linien von der Spitze des Staphylonu, das Staarmesser ein- und auf der ent­gegengesetzten Seite aussticht und ein halbzirkelförmiges Segment durchschneidet, während man durch Fortschieben des Messers des­sen grösste Breite eindringen lässt. Dieser Lappen wird nun so gefasst und das Messer so umgewandt, dass die Schneide nach auf­wärts gerichtet, den oberen Theil der Cornea durchschneide, wodurch dann die Spitze des Staphyloms, in der Grosse drei bis vier Li­nien haltend, abgetragen wird; hierauf wird das Auge geschlossen und nach vier Tagen, wenn es entzündet ist, mit Cataplasmen be­deckt. Nach acht bis zwölf Tagen ist die Wunde geheilt, der Augapfel abgeflacht und man beobachtet niemals ein ferneres Wachs-thum und neues Hervordrängen des gebliebenen Rudiments des Staphyloms. — Beer und Demours ziehen die totale Abtragung des Staphyloms der partiellen vor. Nach Beer wird durch die Basis der Hornhaut ein Messer, geformt wie dessen Staarmesser, durchgeschoben; wenn nun der untere Theil der Hornhaut in Form eines Halbzirkels losgetrennt ist, so wird dieser gefasst, und mit­telst einer Scheere der obere Halbzirkel ebenfalls schnell losge­schnitten. Um dem Verluste des Glaskörpers vorzubeugen, muss das Auge schnell geschlossen und erst nach Ablauf des vierten Tages geöffnet werden.
sect;. 773. Das kugelförmige Totalstaphylom der Hornhaut nimmt einen langsamen, in verschiedene Perioden zerfallenden Gang der Entwiekelung, deren charakteristische Merkmale folgende sind: Anfänglich Verdickung und Aufgelockertseyn des mit der Iris verwachsenen Gewebes der entzündeten Hornhaut, deren her­vorragender Theil dick, fest und undurchsichtig erscheint; mit dem Zurücktreten der Entzündung und Zunahme der Hervortreibung
*) Cfaelius a. a. O. Bd. i. S. 377 u. i.
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Organische Kranklieitcn des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;379
der Hornhaut, Eintritt der Resorption der in ihrem Gewebe ange­häuften Ergiessungen, Abnahme des Staphylomes an Dicke, Fe­stigkeit und Trübung, graulichweisse, perlenmutterartige, theils dunkelblaue, undurchsichtige, runde Hervorragung der Hornhaut. — Grosse: verschieden, bald stationär, bald variabel — zu enor­mer Grosse anwachsend — dann Entzündung und Anschwellung de;- Bindehaut der Augenlider und Auswärtsstülpung der letzteren, starkes Thränen, Blennorrhöen, Verdickung des Bindehautblätt-chens, geschwüriger Zustand und Perforation der Cornea oder heftige Schmerzen bei bedeutender Ausdehnung des Staphyloms, hierauf Khexis oculi mit totaler, oder seltner mit partieller, Ent­leerung der inneren Theile des Auges und Nachlass des Schmerzes; im ersten Falle Einschrumpfen, im zweiten wiederholtes Anfüllen des Auges; bei besonderer Anlage, torpider Constitution und un-zweckmässiger, reizender Behandlung: Uebergang in Scirrhus und Krebs, Varicosität und Fungosität des Auges u. s. w.
Das kegelförmige Staphylom der Hornhaut gleicht in seinen #9632;wesentlichsten Erscheinungen dem kugelförmigen, und un­terscheidet sich erst später von demselben durch eine kegelförmige Hervortreibung, deren Spitze sich meistens in der Mitte der Horn­haut und der Pupille gerade gegenüber, seltner seitwärts, häufiger jedoch etwas nach unten befindet, eine dem ganzen hinteren Theile der Hornhaut entsprechende Grundfläche hat, und gegen die Spitze hin von mehr oder weniger graulichweisser, gegen die Basis aber von dunkler und bläulicher Farbe ist. Dabei hat die Sclero-tica eine bläuliche Farbe und bläuliche Erhabenheiten und ist die Oberfläche des Auges mit varicösen Gefässen durchzogen und der ganze Augajjfel bedeutend hart. — Uebergänge in krebshafte De­generationen sind auch hier, Avie beim kugelförmigen Staphylom vorkommend; Bersten des Augapfels dagegen wurde beim Mcn-schenauge noch nicht beobachtet, ob beim Thierauge lässt sich nicht genau bestimmen, da Leblanc diese einzelnen Formen noch nicht so genau distinguirt. Wir hatten zu verschiedenen Malen das kegel­förmige Hornhautstaphylom an Hunden, ohne diesen Ausgang zu beobachten Gelegenheit.
sect;. 775. Anlangend die Ursache und das Wesen der beiden letzten For­men des Hornhautstaphyloms, so hält sie Leblanc mit Barthe-lemy d. ä. einer Seits für unbekannt, anderer Seits glaubt er be­merkt zu haben, dass diese Art (wohl die beiden letzten Arten)
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380nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Organische Krankheiten des Auges.
des Staphylomes durch Atonie der Hornhaut veranlasst werde und darum so schwer zu heilen sey. — Chelius*) spricht sich hierüber, auf das Menschenauge bezüglich, folgendermassen aus: „Die wahrscheinlichste Entstehungsweise des kegelförmigen Staphy­lomes ist, class sich dasselbe aus einem partiellen Staphylome ent­wickelt, indem bei einer dem Mittelpunkte der Hornhaut entspre­chenden oder wenig davon abweichenden Verwachsung der Iris und Cornea und dadurch entstehenden kegelförmigen Erhebung der­selben die Entzündung nicht erlischt, sondern wegen ihrer Heftig­keit oder dyskrasischen Causalverhältnisses auf die übrigen gefäss-häutigen Gebilde sich fortsetzt und die weiteren Veränderungen im Inneren des Auges hervorbringt. Man bemerkt daher während der Entwickelung des conischen Staphylomes, dass der noch freie Theil der Hornhaut einigen Glanz und Durchsichtigkeit hat, fest an der hervorgetriebenen Iris anliegt, dass sich aber als Folge der fortdauernden Entzündung, die Verwachsung auf den ganzen Um­fang dieser Gebilde fortsetzt. — Dass Verwachsung der Linsen­kapsel mit der hinteren Fläche der Iris erfolgt, ist, sowie der so­genannte varicose Zustand des Auges durch die fortdauernde Ent­zündung bedingt. — Eine Bescliränkung der Secretion der wäss-rigen Feuchtigkeit mag unter solchen Umständen wohl häufig im weiteren Verlaufe des Uebels Statt haben; — aber eine völlige Unterdrückung dieser Secretion ist schon aus dem Grunde nicht anzunehmen, weil die bläulichen Hervorragungen der Sclerotica (Folgen des sogenannten vaiücösen Zustandes des Auges) nicht, wie man gewöhnlich annimmt, durch varicose Ausdehnungen der Gcfässe, — sondern durch partielle Ausdehnungen der Sclerotica, durch die angehäufte wässrige Feuchtigkeit bedingt sind, wie man sich durch einen Einstich in dieselben immer überzeugen kann.quot;
sect;. 776. Die Behandlung der Totalstaphylome der Hornhaut ist eine dreifache, nämlich eine prophylaktische, eine r a die ale und eine palliative.
sect;. 777. Der Zweck einer prophylaktischen Behandlung des To-talstaphylomes der Hornhaut ist, die dasselbe bedingende Entzün­dung zu einem solchen Grade zu steigern, dass die Secretion der wässrigen Feuchtigkeit in der hinteren Augenkammer aufgehoben,
*) a. a. O. Bd. 2. sect;. 468.
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Organische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;381
folfflich das Hervordrängen der Hornhaut verhütet und Tabescenz der vorderen Hemisphäre des Augapfels hervorgebracht wird. — Beer hat zu diesem Ende angegeben, täglich ein, zwei und meh­rere Male, nach Verhältniss der Sensibilität des Auges, mittelst eines Pinsels am ganzen Umfange der Bindehaut, zwei bis drei Linien breit um die Hornhaut, Tinctura Opii simplex oder cro-cata einzustreichen, damit bis zum Eintritte starker Röthe, An­schwellung der Bindehaut ringsum die Hornhaut, Thränen des Auges u. s. w. fortzufahren und bei deren raschem Verschwinden-und erneuertem Auftreten des Uebels, selbst das Mittel wiederholt, öfter und mit einem Zusätze von etwas Schwefeläther und so lange in Anwendung zu bringen, bis das Auge ohne eine Spur von Eiterung an seiner vorderen Fläche kleiner und flacher gewor­den ist *).
- _nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;#9632;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; sect;. 778.
Die radicale Behandlung des Totalstaphylomes der Horn­haut besteht in dessen Abtragung an seiner Basis durch den Schnitt. — Dieselbe verrichtet man auf folgende Weise:
Nachdem das zu operirende Thier, sowie die Augenlider auf dieselbe Weise, wie bei der Staaroperation gefesselt und fixirt sind, fasse der Operateur mit der einen Hand eine scharfe Hakenpin^ette und setze sie in die Spitze des Staphylomes ein, um den Bulbus zu fixiren, sodann steche er mit der anderen Hand das Be er'sehe Messer (Fig. 11) an der ausseien Seite der staphylomatösen Her­vorragung, etwas oberhalb ihres Querdurchmessers, an ihrem Bande ein und führe dasselbe in horizontaler Richtung gegen den inneren Augenwinkel, steche es an der, dem Einstichspunkte entgegenge­setzten Stelle oder etwas höher aus und vollende den Schnitt durch den unteren Halbkreis des Staphylomes durch Fortschieben des Messers, wie bei der Staarextraction. Hierauf trage er mittelst einer, über die Fläche gekrümmten Scheere den Lappen durch Vollendung des Kreisschnittes nach oben ab, oder er wende das Staphylommesser mit der Schneide nach oben und nehme den Best des Staphylomes auf ähnliche -Weise, wie es nach unten geschehen ist, weg, indem er das Messer von aussen nach innen schiebt, oder von innen nach aussen zieht, oder, wo ein einzelner Zug nicht hin­reicht, wiederholt durch dasselbe hindurchschiebt, wobei er die Schneide des Messers allmälig vom Auge abwendet, um nicht den Tarsalrand des oberen Augenlides zu verletzen. Nach Vollendung
*) Chelius a. a. O. Bd. 2. sect;. 470 n. 471.
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382nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Organische Kvanklieiten des Auges.
des Schnittes lässt der Gehülfe das Augenlid los und das Auge darf nieht mehr geöffnet werden, wesshalb Heftpflasterstreifen auf­zulegen und ein schützender Verband anzulegen sind.
sect;. 779. Der Erfolg der Totalexcision eines Staphyloms am Thierauge ist wohl in den seltensten Fällen ein solch günstiger, wie am Men­schenauge, da durch die weit stärkere Muskelcontraction die Linse quot;und der Glaskörper meist aus dem Auge treten, daher dort nicht, wie hier, ausser der Entfernung der Hervorragung, die Erregung eines solchen Entzündungsgrades bewirkt werden kann, vermöge dessen weder die Secretion der wässrigen Feuchtigkeit in der hinteren Augenkammer aufgehoben und eben so wenig die, in der Wunde der Cornea sich bildende Narbenhaut nicht mehr hervor­gedrängt wird; noch gewiss weit seltner die Stelle der Wunde durch eine graulichweisse Membran verschlossen gefunden werden wird, durch welche Lichtstrahlen fallen können und bei noch ge­sunder Retina die Unterscheidung grösserer Gegenstände möglich scyn würde.
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Organische Krankheiten ilcs Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;383
III.
Entartung der organischen Theile des Au­ges und Production neuer Gebilde.
Von den Au
amp;
enfellen
• sect;. 780. Augen feile nennt man mehr oder weniger begrenzte Entar­tungen der Conjunctiva, welche nach ihrem Sitze in dem Hornhaut-theile oder in jenem der Sclerotica, sowie nach ihrem Wesen, in­sofern sie ihre Entstehung in überwiegender Gefässentwickelung oder gesteigerter Zellgewebebildung genommen haben, als dichtes Augenfell, Pannus, und als Fliigelfell, Pterygium, unterschie­den werden.
1. Von dem dichten Augenfello.
sect;. 781.
Das dichte Augenfell, Pannus, besteht in einer durch ver­mehrte Gefässentwickelung bedingten chemischen, sich in verschie­denem Grade und auf verschiedene Weise ausbildenden Verdickung und Trübung des Bindehautblättchens der Hornhaut.
Beim Beginne des Pannus zeigen sich vielfache, von der Scle­rotica über den Rand der Cornea laufende Gefässverzweisrungen, erscheint das Bindehautblättchen getrübt und ist die Grenze der Hornhaut und Sclerotica noch unterscheidbar, bis sie später unter allmäliger Zunahme der Gefässverzweigungen und unter dem durch diese gebildeten dichten und aufgewulsteten Netze an der erkrankten Stelle, sich dem Blicke entzieht. — Bildet sich der Pannus nur von einer Seite her und nimmt er im Anfange blos einen kleinen
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Organische Krankheiten des Aujres.
Theil der Hornhaut ein, so schreitet seine Wachsthumenhvickelung meistens nur langsam fort; entwickeln sich dagegen die Gefassver-zweigungen gleich anfangs von allen Seiten über die Hornhaut, so breitet er sich weit rascher aus. Ist die Cornea gänzlich von dem Pannus bedeckt, so bleibt erstere anfänglich noch transparent, wird aber später gänzlich undurchsichtig, sobald die Gefässverzweigun-gen in einander verschmelzen, sich in das Parenchym der Cornea selbst fortgesetzt haben, und das Bindehautblättchen in einen be­deutenden Grad von Wucherung verfallen ist *).
sect;. 782.
Schmerz, Lichtscheue, Thränenfluss und vermehrte Schleim­absonderung begleiten gewöhnlich den Pannus, bei dessen höherem Grade die Transsudation der wässrigen Feuchtigkeit durch die Hornhaut sehr gestört oder gar aufgehoben und diese conisch her­vorgetrieben wird, sowie der Bulbus bedeutend an Härte gewinnt. In zahlreiche Narben oder in Zerstörung des Gebildes übergehende Geschwüre bedecken häufig die Cornea.
sect;. 783.
Als veranlassende Ursachen zur Entstehung des Pannus sind alle jene organischen und constitutionellen Krankheitszustände zu be­trachten, welche langwierige Bindehautentzündungen, Auflockerung der Bindehaut und Stockung des Halitus in der Substanz der Cor­nea zur Folge haben, sowie eine Fortsetzung und Entwicklung neuer Gefässe in dieselbe begünstigen. Dahin gehören die Entro­pien, Narben oder Auswüchse an der inneren Augenlidfläche, La-gophthalmus und Colobom der Augenlider; vernachlässigte oder chronische und intermittirende äussere Ophthalmien, insbesondere die Mondblindheit, lange andauernde Blennorrhöen, retrograde Im­petigo, Arthritis und alle Dyskrasien, die Druse, die Laune u. s. w.
sect;• 784.
Die Vorhersage richtet sich hier nach der Dauer und dem Ausgebildetseyn des Uebels und ist besser, wenn letzteres noch nicht alt ist und die veranlassenden Ursachen beseitigbar und rein local sind. Immer aber ist der Pannus ein langwieriges und zu Recidiven geneigtes Leiden. — Partieller, nicht sehr dichter Pan­nus verschwindet oft nach gehobenen Ursachen von selbst und spurlos. Totaler Pannus hingegen, wenn er noch nicht sehr dicht oder veraltet ist, hinterlässt mindestens Trübungen des Bindehaut-blättchens und beraubt die Cornea mehr oder weniger ihrer Trans­parenz und jedenfalls ihres Glanzes; ebenso haben Gefässverzwei-
*) Clielius a. a. O. Bd. 2. sect;. lt;87.
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gunsren in der Cornea selbst Statt, und finden sich leukomatöse Flecken in derselben.
sect;• 785.
Erste Aufgabe der Behandlung ist die Beseitigung der ver­anlassenden Ursachen und Heilung der das Leiden hervorrufen­den Krankheitszustände, sowie die Hebung der allgemeinen Krank­heitsursache, zu welchem Ende man sich ausleerender, reinigender, ableitender und umstimmender Mittel zu bedienen hat.
Die locale Therapie des Pannus sucht zunächst eine perma­nente Contraction, Obliteration und Vernichtung der erweiterten, zu einem dichten Netze verschlungenen Gefässe zu bewirken, wel­ches man durch die Anwendung zusammenziehender Mittel, vor­züglich des Lapis divinus, Zinks und Kupfervitriols mit Lauda­num und vor allem durch alleiniges Einstreichen des Laudanums erreicht. Wenn diese Mittel, in flüssiger Form angewandt, den gewünschten Zweck bei dichten reizlosen Fellen nicht erfüllen, so bedient man sich dynamisch, mechanisch und chemisch wirkender Mittel in Substanzform, welche man mit einem Pinsel auf die Cor­nea aufträgt oder mittelst eines Federkiels einbläst. Zu diesen Mitteln gehören der Borax, Alaun, Calomel mit Zucker, die Zinn­feile, Baldinger's Pulver aus gleichen Theilen Cremor tartari, weissen Bolus und Zucker, oder eine schwache Auflösung von La­pis causticus oder Lapis infernalis.
Operatives Eingreifen durch Incisionen, Excisionen der Bin­dehaut oder durch gänzliches Ablösen des Felles, ist in der Aus­führung schwierig und der Heilung feindlich nach dem Urtheile und der vereinten Erfahrung der Menschen- und Thierärzte.
2. Von dem Flügclfclle.
sect;. 786. Das Flügelfell, Pterygium, ist eine einzelne oder mehr-zählige, in Folge von Entzündung und Reizung entstandene, drei­eckige, verdickte Falte der Bindehaut, meistens im Nasenwinkel, mit der Spitze nach der Mitte der Hornhaut gerichtet; sie lässt sich mit der Pipette leicht und schmerzlos aufheben und verschie­ben, zumal wenn das Auge nach der leidenden Seite steht. Sie ist entweder sehr dünn, halbdurchsichtig, mehr graulich, weiss-gelblich oder schwach ziegelroth, einem dünnen Schleier ähnlich, mit wenig oder gar keinen Blutgefässen durchzogen, Pterygium
Müller, Veterinär-Ophthalmologie. II.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; 25
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tenue, oder dick, leder- oder muskelartig, selbst knorpelig, etwas erhaben, roth, meist von sehr strotzenden Adern durchströmt, Fleisch fell, P. crassum, carnosum. quot;Wenn bei diesen Verän­derungen der Conjunctiva in ihrem Gewebe sich eine Anhäufung einer gelatinös - albuminösen Masse bildet, wodurch schmutzig­gelbe, fettähnliche Erhabenheiten oder einzelne durchsichtige Bläs­chen entstehen, so nennt man dies Fettfell, P. pingue.
sect;. 787. Das dünne Flügelfell, wenn es noch nicht lange bestanden hat, wird in der Regel schnell durch den Gebrauch adstringirender Mittel, vorzüglich des Laudanums, entfernt. Waren diese Mittel erfolglos oder ist das Pterygium ein ausgebildetes oder dickes, so ist dessen totale Excision das sicherste Mittel. — Ein Gehülfe zieht die Lider des, wie bei der Staaroperation fixirten, Auges von einander, und ein anderer Gehülfe dirigirt mit dem dreiarmigen Augenh'alter den Bulbus gegen jenen Augenwinkel, welcher der Sitz des Uebels ist, worauf der Operateur mit der Zahnjn^ette das Flügelfell in eine Falte emporhebt, dasselbe da anfassend, wo es am wenigsten fest mit den unterliesrenden Theilen zusammen-hängt; sodann durchschneidet er mit einem Staarmesser die Falte und präparirt mit Pinzette und Messer oder einer über die Fläche gebogenen Meinen Scheere das getheilte Pterygium sorgfältig vom Bulbus los und entfernt es. Nach gestillter Blutung bedecke man das Auge mit schützenden Compressen bis zum 5 — 6ten Tage. Zurückbleibende Restchen präparire man später ab, oder suche sie durch Einstreichen von Laudanum oder Application des Höllen­steins zu zerstören.
3. Von der Entartung der Thriinencarunkel.
sect;. 788. Jene Entartung der Thränencarunkel, welche eben be­trachtet werden soll, besteht in einer schmerzlosen, chronischen Anschwellung und Auflockerung sowohl ihres Parenchyms, als der sie überziehenden Bindehaut und zeigt im Anfange mei­stens eine granulöse BeschafFenheit, dunkelrothe Färbung, kommt an Grosse einer Erbse, manchmal selbst einer Haselnuss gleich, und verhindert durch ihren Umfang das Schliessen des inneren Augenwinkels, sowie die Aufnahme der Thränen durch die Thrä-nenpünktchen und verursacht dadurch Thränenträufeln, welches
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bleibend werden kann, sobald der anhaltende Druck und die durch denselben veranlasste Entzünduug der Thränenpünktchen und Thrä-nencanälchen Obliteration in denselben bewirkt.
Bei ihrer Vergrösserung bleibt sie an einzelnen Stellen noch granulös, im Uebrigen aber zeigt sie dann eine glatte Oberfläche von weisslicher oder graulicher Farbe und ist mit varicösen Ge-fässen überzogen. Die Geschwulst ist entweder gestielt oder sitzt mit einer breiten Fläche auf. Im letzteren Falle ist die ganze Ca-runkel angeschwollen und hat sich an aUen Punkten gleichzeitig vergrössert, im ersteren aber geht das Wachsthum nur von einer kleinen, bald in der Mitte, bald an der Seite gelegenen Stelle aus (Leblanc).
Gewöhnlich ist diese Entartimg der Thränencarunkel Ausgang einer Entzündung dieses Gebildes und wird zur Unterscheidunfj von der, durch Entzündung hervorgerufenen Anschwellung, der Encanthis inflammatoria, nach ihrer Eigenthümlichkeit Encanthis fungosa genannt.
. sect;• 789-Unter fortwährendem Einflüsse äusserer Schädlichkeiten oder
durch unzweckmässige Behandlung, besonders bei dyskrasischen und kachektischen Subjecten kann dieser fungös - hypertrophische Zustand der Thränencarunkel in bösartige Degeneration übergehen; sie wird alsdann schmerzhaft, der Augapfel selbst empfindlich, die Schleimsecretion an den Augenlidrändem vermehrt und sie nimmt eine dunklere, bläuliche Farbe an, blutet bei der geringsten Be­rührung und wird auf ihrer Oberfläche geschwürig.
sect;. 790. Die Encanthis kann auch schon bei ihrem Beginne einen bös­artigen Charakter zeigen und als scirrhöse Degeneration auftreten. Dann ist sie sehr hart, ungleich, blassroth, schmerzlos, E. scirr-hosa; oder hart, bläulichroth, äusserst schmerzhaft und artet in ein Krebsgeschwür aus, E. carcinomatosa, und verbreitet sich mit diesem Charakter über die Augenlider, den Augapfel und über die Gebilde der Augengrube.
sect;. 791. _ Zu Anfang setzt man dem gutartigen Anschwellen der Thrä­nencarunkel zusammenziehende, stärkende Augenwässer entgegen; Auflösungen von Bleizucker, Weissem Vitriol und Branntwein sind oft nützlich. Reicht man damit nicht aus, so greife man zu gelind-ätzenden Pulvern, z. B. Alaun, Zinkvitriol u. dgl. oder bestreiche
2ö*
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die Oberfläche der Carunkel mit Laudanum oder man bringe nach dem Rathe Leblanc's mit der Fingerspitze oder mit einem Charpiepinsel die (graue oder rothe) Mercurialsalbe auf dieselbe. Weichen die schwammigen Excrescenzen diesen Mitteln nicht, oder hat das Uebel schon einen höhern Grad erreicht, so werde die Entfernung des entarteten Theiles alsbald vorgenommen. — Man lässt zu diesem Ende die Augenlider durch einen Gehülfen öffnen, um die ganze Geschwulst bestmöglichst zu Gesicht zu be­kommen. Ist sie gestielt, so unterbinde man sie mit einem seide­nen Faden, welchen man bis zum Abfallen der Geschwulst täglich fester anzieht, oder man trage sie in einem Zuge mit dem Messer oder einer über die Fläche gebogenen Scheere ab. Ist sie auf­sitzend, so fasst man sie mit einem in der linken Hand gehaltenen Haken (Fig. 1.) oder mit einer Zahnpinejette (Fig. 6.) und schnei­det sie mit einem, auf der Fläche gebogenen, kleinen Bistouri sorgfältig aus, indem man jede Verletzung der inneren Commissur der Augenlider und der Thränencanälchen zu vermeiden, sehr bedacht ist (Leblanc).
sect;. 792. _ Bisweilen folgt auf die Operation eine heftige Entzündung oder Blutung, besonders beim Pferde und Esel, seltener beim Rindvieh. Will die Blutung nicht auf die Anwendung gewöhn­licher blutstillender Mittel stehen und dauert sie zu lange, so muss man sich des Glüheisens mit der Sorgfalt, nicht bis auf den Sack einzvidringen, bedienen. In den meisten Fällen wird es ausreichen, das Augenlid mit kaltem Wasser zu waschen, und folgt eine starke Entzündung, die erweichenden Mittel in Anwendung zu bringen. Sind dabei die Thränenröhrchen, was sehr häufig ist, mit Schleim und Eiter verstopft, so hat man sie auf die früher angegebene Art zu öffnen u. s. w. (Leblanc).
sect;. 793.
Leider erhält man nicht stets nach gemachter Operation eine feste Narbe, besonders wenn man sie mit der Scheere verrichtet hat, vielmehr folgen bisweilen, wenn die Geschwulst gross Avar und breite Basis hatte, schwammige Wucherungen aus- dem ver­wundeten Theile. Eine häufige Ursache davon sind zu lange fort­gesetzte erweichende Mittel, wodurch die Gefässe erschlafft wer­den. Man greife daher zu den oben angeführten Adstringentien und schreit ogebotenen Falles wiederholt zur Operation oder suche neue Wucherungen durch Aetzmittel zu entfernen (Leblanc).
Die Exstirpation der carcinomatösen Carunkel hat selten einen
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günstigen Ausgang; man muss sich daher mit einem palliativen Verfahren begnügen, wenn man nicht den zweideutigen Versuch zur Heilung durch Exstirpatiön des Augapfels und der in der Or­bita befindlichen verdächtigen Parthien machen will.
Man findet die Geschwülste der Thränencarunkel an allen Thieren; am schnellsten wachsen sie beim Eindviehe und haben da auch die meiste Neigung krebsartig zu werden.
4. Von den warzen-, fleisch- und fettartigeu Geschwülsten der Conjunctiva.
sect;. 794. In laquo;der Conjunctiva des Bulbus kommen verschiedene Ge­schwülste vor, die nach ihrem Ursprünge entweder als umschrie­bene Wucherungen und Veränderungen des Gewebes zu betrach­ten, oder durch Entartung des unter ihr liegenden Zellgewebes gebildet und von der Bindehaut überzogen sind. — Zu den ersten gehören die Papula bulbi, die Warzen, die sarkomatösen und polypösen Excrescenzen der Conjunctiva; — zu. den zweiten, die von der Conjunctiva sackförmig umschlossenen Ge­schwülste, welche durch Fett, steatomatöse oder cartilaginöse Masse gebildet sind*).
sect;. 795.
Die Papula bulbi sive conjunctivae ist ein rundliches, ' wenig erhabenes, ziemlich hartes, blassrothes, drüsenähnliches, nadel-kopfgrosses, immer einzeln stehendes Knötchen auf der Bindehaut, meist unweit des unteren Thränenpunktes, das ausser stetem Jucken keine Beschwerden macht, bei starkem Reiben aber sich entzündet, röthet und schmerzhaft wird, schnell heranwächst und selbst krebsartig wird (P. maligna).
Die sicherste Art, dieses Knötchen zu entfernen, Ist die Ex­stirpatiön mittelst Haken und Scheere.
sect;. 796. Die warzenartigen Excrescenzen der Bindehaut, Carunculae bulbi, corneae, sind weiche , röthliche, ganz schmerz­lose, nadelkopfgrosse, zuweilen sehr zahlreiche Knötchen; oft dys-krasischen Ursprungs, und, wenn sie auf der Hornhaut sitzen, mit einem nebeligen schmalen Reife umgeben, manchmal sind es Fett­auswüchse, die zuweilen Haare produciren. Sind sie zusammen-
*) Chelius a. a. O. Bd. 2. sect;. 581.
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390nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Organische Kranklieiten des Auges.
gedrängt, so bilden sie rundliche Geschwülste von der Grosse und Gestalt einer Erdbeere, welche meistens in der Nähe des äuseren Hornhautrandes sitzen und sich über diese selbst verbreiten. Getässverästelungen dienen meist zu ihrer Basis, sie selbst sind mit Endzündung und Blennorrhöe verknüpft, welche Zustände bei ihrer Vergrösserung, die jedoch in der Eegel sehr langsam erfolgt, sich verschlimmern und Zerstörung der Hornhaut verursachen kön­nen, so wie auch bei ungünstigen constitutionellen Verhältnissen oder unzweckmässiger Behandlung carcinomatöse Degeneration eintreten kann. — Sie sind als beschränkte sarkomatöse Wucherungen der Conjunctiva zu betrachten und nehmen ihre Entstehung in lang­wierigen und blennorrhoischen Ophthalmicn, wie sie auch bei der Druse und der Laune vorkommen.
Laudanum oder adstringirende Salben sind zur Entfernung kleiner imd localer warzenartiger einzeln stehender Excrescenzen hinreichend, grössere, zu einer Geschwulst gruppirte dagegen, müssen vorsichtig mit der Haken-Pipette und dem Scalpell ex-stirpirt, und zur Vermeidung etwaigen Wiedereintrittes local mit Laudanum oder Adstringentien und allgemein nach dem Charakter des etwa vorhandenen AJlgemeinleidens behandelt werden.
sect;. 797. Die sarkomatösen Geschwülste der Sclerotical-Bin-dehaut haben eine feste gleichmässige Beschaffenheit, glatte Oberfläche von röthlich weisser oder rother Farbe, sie sitzen mit breiter oder schmaler Basis auf, sind von verschiedener und wachsender Grosse, beweglich oder unbeweglich, je nachdem sie in der Bindehaut oder der unterliegenden Zellsubstanz entstanden sind. Das Bindehautblättchen der Cornea ist wahrscheinlich Avegen Mangel an unterliegendem Zellgewebe, diesem pathologischen Zu­stande nicht unterworfen, welchen Umstand man bei der Exstir-pation, dem einzigen Mittel ihrer Entfernung, dann zu berück­sichtigen hat, wemi sie bei sehr starker Entwickelung auch die Hornhaut bedecken.
sect;. 798. Die Fettgeschwulst der Conjunctiva, Pinguecula Conjunctivae, ist ein weiches, schmutzig gelbröthliches, genau be­grenztes, etwas erhabenes, schmerzloses Fleckchen, selten grosser, als.eine Linse, fast immer am Schlafwinkel, unmittelbar unter der Bindehaut sitzend, macht wenig Beschwerden, bleibt oft zeitlebens unverändert oder vergrössert sich auch allmälig und erstreckt sich über einen Theil der Hornhaut, ohne mit dem Bindehautblättchen
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zu verwachsen, oder daraus zu entspringen, da ihre Grundlage nur das Zellgewebe zwischen Sclerotica und Bindehaut zu seyn scheint.
Schlaffe Constitution, vorangerücktes Lebensalter, Störungen des Hinterleibs und erhitzende Nahrung, namentlich das Brannt­weingetränke u. dgl., scheinen ihre Entstehung zu begünstigen. — Sie bestehen, nach Well er, in einer Aufwulstung des Zellgewebes mit Anhäufung von Eiweiss und Gallerte und sind nur durch Ex-stirpation entfernbar.
5. Von der schwammigen Degeneration der Conjunctiva.
sect;. 799. Die fungöse Degeneration der Bindehaut ist eine gut- oder bösartige, jedoch nach dieser verschiedenen Natur durch feste Kennzeichen nicht immer genau zu sichten.
sect;. 800. Die gutartige fungöse Degeneration der Conjunc­tiva, Exophthalmia fungosa, Sarcosis bulbi, entsteht von der Sclerotical- oder auch von der Palpebral-Bindehaut unter der Form einzelner, weicher, blass'rother, unförmlicher Wülste, welche bei ihrer Vergrösserung sich vereinigen und eine unregelmässige, weiche Masse von mehr oder weniger dunkelrother, manchmal violetter Farbe bilden, welche durch den Druck der Augenlider von allen Seiten nach der Mitte gegen die Hornhaut zusammenge'drängt werden, so dass diese völlig von ihr bedeckt und nicht mehr sicht­bar ist.- — Beim ferneren Wachsthum drängt sich die fungöse Masse zwischen den Augenlidern hervor, wobei das obere Augen­lid bedeutend ausgedehnt und das untere meistens umgestülpt wird. Darauf folgen schleimige und bräunlich - blutige Absonderungen. Anfänglich sind diese Wucherungen weich, werden aber später fest, sarkomatös, endlich leidet der Bulbus quot;selbst und wird zer­stört *).
sect;. 801. Die bösartige Degeneration oder Markschwamm der Conjunctiva hat mehr eine polipöse Structur, entspringt meistens aus der Bindehautfalte; im Üebrigen gleichen die pathologischen
*) S. Celius a. a. O. Bd. 2. sect;. 591.
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Erscheinungen den obigen. Mit dem Fortschreiten des Uebels tritt hier Schmerz ein, leidet das Allgemeinbefinden sehr, wird der
Bulbus zerstört und das Leben
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fährdet.
sect;. 802. Veranlassungen dieses Uebels sind langwierige Entzündungen, stecken gebliebene fremde Körper, Blennorrhöen und eine eigene Dyskrasie.
sect;. 803. Die Behandlung hat die Aufgabe, die Entzündung zu be­seitigen, die Auflockerung zu mindern oder zu zerstören und dies durch Antiphlogistica, adstringirende Augenwässer, Aetzmittel und das Messer.
Diese Krankheitsform scheint am Thierauge selten vorzukommen, da sich in den Veterinärschriften nur eine sehr unvollkommene Andeutung davon findet. — Hier würde eben auch der Markschwamm des Augapfels eine Stelle zu finden haben, wenn er irgendwo angeführt wäre oder wir ihn aus eigener Erfahrung am Thierauge kennten; übrigens bezweifeln wir die Mög­lichkeit seines Vorkommens nicht.
C. Von dem Augapfelkrobse.
sect;. 804.
Der Krebs des Augapfels, Scirrhus et Carcinoma bulbi, entwickelt sich primär nach occulten Entzündungen des Auges, besonders nach Iblchen, welche auf, mit Commotion verbundene, Verletzungen des Auges und seiner Umgebung folgen, oder er ent­steht seeundär bei allgemeiner Krebsdyskrasie und wirklich aus­gebildetem Krebse der conglomerirten Unterkieferdrüsen.
Seine charakteristischen Merkmale sind: sehr feste, unebene, mit vielen varicösen Gefässen umgebene, äusserst schmerzhafte und empfindliche Geschwulst des Augapfels, Lichtscheue und star­kes Thränen, starke Eöthe der Hornhaut, Exulceration derselben und Ausfluss einer faulichten Jauche, heftiges Fieber, kachektisches Aussehen des Körpers, später bei Verwandlung des Auges in eine unförmliche, fleischige, warzige, mit einer schwarzen Cruste be­deckte Masse, erloschenes Sehvermögen; Anschwellung der Augen­lider, Angeätztseyn des untern Augenlides von dem Ausflusse der ätzenden Jauche. Darauf unter steter Zunahme der Schmerzen und grossem Drange zum Kratzen und Scheuern an der entzünde­ten Geschwulst, Aufbruch derselben und Uebergang des Scirrhus
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in Carcinoma, d. i. in eine destructive oder fungöse, in sehr grosser Ueppigkeit mit rothen, blumenkohlartigen Excrescenzen hervor-Avuchernde, sich bald zwischen der Augenspalte hervordrängende und diese ausfüllende geschwürige Masse (Exophthalmus fungosus) mit grosser Absonderung übelriechender, stinkender Jauche, und in Folge der andauernden heftigen Schmerzen und des Säftever­lustes, hoher Grad der Erschöpfung, übergehend in den Tod.
sect;. 805. Untersucht man einen, in der früheren Krankheitsperiode ex-stirpirten Augapfel, so findet man die Conjunctiva hart, fleischartig verdickt, die Sclerotica, besonders in der Gegend der Sehnerven, sehr dick hart, beinahfc cartilaginös. Bei der Durchschneidung die­ser, mit höckerigen und verschiedentlich gefärbten Erhabenheiten versehenen Membranen findet man im Innern des Bulbus keine Spur seiner früheren Organisation, sondern eine speckige, fibröse Substanz, welche unregelmässige Zellen bildet, die mit einer ver­schiedentlich gefärbten, bald bräunlichen oder bläulichen, bald grünlichen, weisslichen, gelblichen oder röthlichen Masse angefüllt sind. Bei weiterer Ausbildung des Augapfel-Scirrhus besteht der ganze Augapfel aus einer sehr festen, bräunlichen, speckartigen, unförmlichen Masse, in welcher jener faserige Bau deutlich, und nur theil weise eine Spur der Sclerotica zu erkennen ist.
sect;. 806.
Der Krebs führt unvermeidlich den Verlust des Ausres herbei. Die ganze Behandlung kann sich nur darauf beschränken, die Schmerzen des Thieres zu erleichtern und sobald als möglich das kranke Auge auszurotten, damit nicht die Knochenhaut der Augen­höhle mit ergriffen und Beinfrass oder Entstehung von Kotz ver-anlasst werde, wie man dies in Lyon, in Folge eines Krebses nach der Operation einer Nagelgeschwulst, beobachtet hat*).
Nützlich kann die Exstirpation des Augapfels nur dann wer­den, wenn der Krebs mehr als Folge örtlicher Schädlichkeiten sich entwickelt hat und der allgemeine Zustand des Körpers gut und nicht kachektisch ist; jedenfalls aber ist der Erfolg dieser OjDera-tion hier, wie beim Krebse überhaupt, immer sehr zweifelhaft. Geradezu contraindicirt ist die Operation wenn der Augapfel nicht mehr beweglich ist, indem hier immer die in der Augenhöhle lie­genden Gebilde ergriffen sind und man' nie die Ausbreitung des XJebels bestimmen kann, desgleichen, wenn es wegen anderweitiger
*) Barthelemy in Leblanc's Abhandlung. S. 333.
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394nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Orgaiusclic Krankheiten dos Auges.
Ausbreitung des Uebels unmöglich ist, alles Krankhafte zu ent­fernen, wenn Anschwellungen der nahe gelegenen Drüsen und die Erscheinungen der allgemeinen Krebsdyskrasie zugegen sind*).
Vou der Exstirpation des Augapfels.
sect;. 807.
Diese Operation verrichtet man mittelst eines geraden und eines über die Fläche gekrümmten Bistouris und einer ebenfalls über die Fläche gebogenen starken Scheere.
Nachdem das Thier gehörig fixirt ist, 'spaltet man die Ver­bindung der Augenlider am äusseren Augenwinkel mit einem geraden Bistouri und darauf auch die Bindehaut da, wo sie sich von den Augenlidern über den Augapfel umschlägt, nachdem man zuvor das Auge mittelst eines, in seine vordere, mittelste und oberste Stelle eingesetzten und mit der linken Hand gehalte­nen Hakens fixirt und hervorgezogen hat. Nun zieht man das untere Augenlid herab, rollt den Augapfel nach oben und senkt das über die Fläche gebogene Bistouri in den inneren oder äusseren Augenwinkel, je nachdem man am linken oder rechten Auge ope-rirt, zwischen dem Augapfel und dem Angenlide durch die Con­junctiva in die Augengrube und führt es in sägeförmigen Zügen bis zum entgegengesetzten Augenwinkel, wodurch die Conjunctiva und der untere schiefe Muskel getrennt werden. Sodann rollt man den Bulbus nach unten, setzt das Scalpell in den Anfang des er­sten Schnittes, und trennt dadurch die Conjunctiva, den Aufhebe-muskel des oberen Augenlides und die Sehne des oberen schiefen Muskels. Indem man den Angapfel in seiner nach unten gerollten Stellung hält, führt man nun eine nach der Fläche gebogene Scheere mit ihrer Concavität gegen den Bulbus gerichtet, zwischen ihm und der Orbita gehörig ein, so dass man den Sehnerven und den Musculus bulbosus gehörig trennt, worauf man den Augapfel et­was anzieht und die noch übrigen Verbinduniien durch wiederholte Schnitte mit der Scheere durchscheidet. Hierauf fasse man mit einem Häkchen oder einer gezähnten Pinzette die Thränendrüse, ziehe sie etwas an und entferne sie mit dem, sie umgebenden Zellgewebe mittelst der Scheere möglichst rein und vollständig. Man unter­suche sodann mit dem Finger und dem Gesichte, nachdem man das Blut mittelst eingespritzten kalten Wassers ausgespült hat,
*) Chelius a. a. (). Bd. 2. sect;. 624.
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Orgauisclie Krankheiten des Alices.
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alle Punkte der Augenhöhle und entferne alles Entartete oder Ver­dächtige mittelst der Pipette und der Scheere*). Sollte die Blu­tung auf den Einfluss des kalten Wassers nicht stehen, so suche man ihr durch Einstreuen von Mehl oder gepulvertem arabischem Gummi oder im Nothfalle mittelst des Glüheisens, bei dessen An­wendung man wegen der theihveise grossen Dünnlieit der umge­benden Knochenwände, sehr vorsichtig zu seyn hat,, zu begegnen.
sect;. 808. Der nach dieser Operation anzulegende Verband bestehe aus einem Werg- oder Charjoiebausche, welchen man in die Augen­grube stopft und darüber die Augenlider zieht, mit Heftpflaster­streifen befestigt, die Spalte im äusseren Augenwinkel mit Heft­pflastern vereinigt und das ganze mit einer Compresse bedeckt, die man mit einer Binde leicht befestigt. Der Verband werde nach Bcdürfniss oft erneuert, wobei man ein besonderes Augenmerk auf etwa entstehende neue Wucherungen hat, um diese mit der Scheere oder einem Aetzmittel zu entfernen. Sobald sich in der Augen­höhle Fleischwärzchen bilden, so suche man deren Wachsthum dadurch zu begünstigen, dass man die Charpiebauschc immer ver­kleinert.
Die von Bonnet in Lyon angegebene Methode zur Exstirpation des Bulbus wird (und wurde schon mehrmals) auf folgende Weise ausgeführt.
Mit Hülfe zweier gezähnter Pinzetten, deren eine, einem Gehülfen über­geben wird, hebt der Operateur die Conjunctiva bulbi nach Innen einige Milli­metres von der Cornea entfernt in die Höhe und bildet so eine horizontale Falte, welche er mit einer nach der Fläche gebogenen vorn stumpfen Scheere einschneidet. Hierauf führt- er den einen Arm der Scheere unter die Conjunc­tiva und schneidet sie rund um die Cornea, immer einige Millimetres von ihr entfernt sich haltend, ein, wobei er zugleich die G Augenmuskeln der Reihe nach , wie sie sich dem Instrumente darbieten, trennt. Hierauf führt der Ope­rateur die Scheere längs der äussern Wand der Augenhöhle bis zum hintern Theile des Augapfels und schneidet den Sehnerven so nahe, als möglich an der Sclerotica vor der hintern Insertion der fibrösen Kapsel **) durch. Zum Ver­bände in kaltes AVasser getauchte Compressen.
sect;. 809. Die Nachbehandlung sey prophylaktisch und curativ antiphlo-gistisch. Oft sind die reichlichsten Blutentziehungen geboten, um die Fortpflanzung der Entzündung auf das Gehirn abzuhalten.
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*) Chölius a. a. O. Bd. 2. sect;. 026.
**) In seinem Traite des sections tendineuses et musculaircs hat Bonnet eine fibröse Kapsel beschrieben, in welcher das Auge liegt. Diese Kapsel ist nach vorn concav, inserirt um die vordem Ende des Sehnerven, mit dessen Neurilen sie sich fortzusetzen scheint, und umgibt die zwei hintern Drittel des Augapfels, ohne lest mit ihm verbunden zu seyn.
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396nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Organische Kraukliciten des Auges.
IV.
Von den fremden Körpern im Auge.
Von den fremden, von aussen in das Auge eingedrungenen Körpern.
,, !
sect;. 810. Fremde Körper, welche von aussen in das Auge gelangen, wirken theils als meclianische, theils als chemische Reize auf das Auge. Die gewöhnlichsten derselben sind: Die Spitzen der Korn­ähren, Glas-, Holz-, Eisensplitter, Sand, Insectenflügel oder Stacheln, Kalk u. dgl. Die Zufälle, welche durch sie hervorge­rufen und unterhalten werden, sind entzündlicher Natur, deren be­sonderer Charakter von der Art des Reizes, der Empfindlichkeit und Vegetationsstufe des berührten Gebildes, von der individuellen Vulnerabilität des Hautorgans überhaupt, und von der localen und
allgemeinen Constitution insbesondere abhän
o o
ist.
sect;. 811. Die fremden Körper liegen entweder frei zwischen Augapfel und Lidern, hängen in der Bindehaut der einen oder andern Par-thie, haben Verletzung des einen oder andern Gebildes mit sich gebracht oder sind stecken geblieben. — Liegen dieselben frei und beweglich zwischen den Lidern und dem Augapfel, so erregen sie oberflächliche und allgemeine Reizung und Entzündung in der Bindehaut mit vermehrter Thränen- und Schleimabsonderung, wer­den dadurch aufgelöst oder ausgespült und können darum im er-steren Falle, wenn sie chemisch reizende Körper sind, eorrodirend wirken, während im anderen Falle die erregten Zufälle gleichfalls mit der Entfernung der Ursache zurücktreten; — sind sie in dem Körper der Bindehaut ohne Verletzung hängen geblieben, so erre-
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Organische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;397
gen sie vorzugsweise locale Entzündung, welche sie so lange unterhalten, bis sie durch vermehrte Secretion der Bindehaut weg­gespült oder vollständig aufgelöst werden; — sind sie dagegen mit Trennung der Substanz oder Perforation eingedrungen, so folgt der Entzündung der ergriffenen Theile Eiterung oder es bildet sich eine Kapsel um dieselben; im ersteren Falle stösst sie die Suppu­ration aus und es bleibt zeitlich oder immer Trübung dieser Stelle zurück, im letzten Falle entsteht bleibend Trübung. Trafen scharfe, chemisch wirkende Stoife die Cornea, so heben sie die Porosität des Bindehautblättchens auf, und verändern dieses in ein undurch­sichtiges weisses Häutchen.
sect;. 812.
Hat man von der Gegenwart und dem Sitze eines fremden Körpers im Auge Gewissheit erlangt, so muss man ihn baldigst entfernen, Ist dies wegen allzu heftiger Entzündung und krampf­hafter Verschliessung der Lider und allzu lebhafter Agitation des Bulbus vor der Hand unausführbar, so hat man eine Reduction der Entzündung auf passende Weise durch entzündungswidrige und schleimige Mittel vorerst zu erzwecken und sodann zur Ent-femung des fremden Körpers zu schreiten.
Dies vollführt man nach gehörig fixirtem Kopfe und von Ge­hülfen geöffnet gehaltenen Augenlidern, bei losen Körpern mittelst eines in Gel getauchten Pinsels oder mit einem über den Finger gezogenen feinen, in Oel getauchten Leinwandläppchen; steckt der fremde Körper nur leicht in der Bindehaut, so kann man ihn mit der Pinzette fassen und ausziehen, sitzt er dagegen fester und könnte man darum befürchten, mit der Pinzette die Bindehaut zu zerreissen, so hebe man denselben nur mit der Pinzette auf und schneide ihn mittelst der Scheerc aus. Steckt derselbe aber fest in der Corneä oder Sclerotica ohne weit genug hervorzuragen, um ihn gehörig mit der Pinzette fassen zu können, so hebe man ihn mit der Staarnadel oder der Spitze einer Lancette sorgfältig her­aus, indem man mit der Schneide zwischen ihn und die unterlie­gende Haut zu dringen sucht und das Instrument gleichsam hebel­artig benützt. Da oxydirte Eisensplitter und mürbe gewordene Holzsplitter sich leicht zerbröckeln, so sey man bedacht, alles sorgfältig zu entfernen, was man oft erst nach seichten Incisionen zu Stande bringt.
Ist der fremde Körper in die vordere Augenkammer einge­drungen, und seine Beseitigung wegen heftiger Entzündung oder Avegen Unauflösbarkeit in der wässrigen Feuchtigkeit dringend ge­boten, so geschehe seine Extraction in der von ihm eingehaltenen
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398nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Organische Krankheiten des Auges.
Richtung in der Hornhaut oder nach deren künstlichen Eröffnung, mit Hülfe einer Pinzette.
Nach der Extraction zurückbleibende entzündliche Zufälle be­handle man nach den allgemeinen Regeln.
11. Von den Läusen und Würmern im Aug
D
e
sect;. 813.
Zwischen denCilien und ihren quot;Wurzeln nisten bisweilen Platt­läuse, auch selbst in der Conjunctiva hat man sie angetroffen, wo sie ein lästiges Jucken, Entzündung mit ihren begleitenden Sym­ptomen und Folgen, wozu hier namentlich die Geschwüre gehören, erregen.
Man nennt diesen Zustand Läusesucht der Atigen, Phthi-riasis oculorum, und beseitigt ihn durch öftere Waschungen mit einer schwachen Kali- und Seifenauflösung und durch Bestreichen mit der grauen oder rothen Quecksilbersalbe. — Befinden sich aber die Läuse in der Bindehaut, so suche man sie auszuziehen oder durch Instillation einer Sublimafsolution zu tödten.
sect;. 814.
Mehrfache Beobachtungen an Menschen- und Thieraugcn haben die Gegenwart von Würmern, Entozoen, Entozoa oculorum, in der vorderen Augenkammer zwischen der Sclerotica und Ader­haut und unter der Conjunctiva nachgewiesen. Dieser Wurm ge­hört zu der Gattung Filaria (Fadenwurm, spec. F. papillosa Rud. — F. oculi canini Ges.). Man findet meistens einen, seltner 2 bis 3 derselben in einem Auge.
Nach der Analogie der Bildung der Würmer im Allgemeinen lässt sich schliessen, sagt Chelius, dass auch ihrer Bildung im Auge krankhafte Veränderungen, Entmischung der Lymphe, des Schleimes u. s. w. vorangehen. Da aber diese Erscheinungen mit denen, welche durch die Gegenwart des Entozoons hervorgebracht werden, eoineidiren, so ist es schwer, ja unmöglich, diese von jenen in der Erkenntniss zu trennen. — Klimatische Verhältnisse, der Aufenthalt in Tropenländern, Lebensweise und Nahrung haben einen wichtigen Einfluss auf die Entstehung der Würmer, wie dies namentlich das häufigere Vorkommen der Würmer im Auge von Teichfischen im Verhältnisse zu den Flussfischen u. s. w. zeigt.
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Organische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;399
Nach Chaignaud soll sich der Augenwurm in der vorderen Augenkammer aus einem röthlich-weissen Körper, von der Grosse einer Wicke oder Erbse, welcher die Hülle des Thieres vorstellt, entwickeln. Andere nehmen an, er durchbohre die Gewebe und gelange so von den, den Augapfel umgebenden Weichtheilen in das Innere desselben.
sect;. 815.
Je nach der individuellen Eeizbarkeit des Auges oder der be­sondern Liage des Wurmes, etwa an der Iris oder gar in der Pu­pille, werden durch dessen Gegemvart mehr oder weniger ent­zündliche Zustände der Tunica humoris aquei und selbst der Iris, Trübung der wässrigen Feuchtigkeit, und nach vorausgegangenen Anstrengungen des Auges eine geringe Röthe rings um die Horn­haut, oder auch manchfach andere consecutive Zufälle, wie z. B. nach Jeaffreson's in Ostindien an Pferden gemachten Beobachtun­gen, Schwäche des Auges ohne Entzündung oder Trübung, auch Betäubung, Mangel an Fresslust und eine grosse, nie fehlende Schwäche im Kreuze erregt.
Sitzt dagegen der Wurm zwischen der Aderhaut und Sclero-tica, wie dies Gurlt von einem Exemplare der Fil. papill. im Auge eines Pferdes sah, so sind die entzündlichen Erscheinungen, Trü­bung der wässrigen Feuchtigkeit und der Hornhaut ungleich stär­ker, dagegen findet man bei der unter der Conjunctiva haftenden Filaria medinensis keine Spur von Entzündung, wohl aber äussern sich die heftigsten Schmerzen.
Hering*) führt diese Erscheinungen mit Angabe der Ursache, als innere Augenentzündung von Würmern, Ophthalmia interna verminosa auf.
sect;. 816/ Man hat vorgeschlagen, den Wurm zu tödten, oder ihn aus­zuziehen. — In ersterer Absicht bediente man sich beim Menschen­auge elektrischer oder galvanischer Schläge, welche man durch das­selbe leitete, Einreibungen von Terpenthinöl in die Umgegend des Auges , kleiner Dosen dieses Mittels innerlich gegeben, so wie des anhaltenden Gebrauches bitterer Mittel, jedoch ohne den beabsich­tigten Erfolg. Chaignaud empfiehlt als sicheres Mittel, den Wurm zu tödten oder seine Entwickelung zu hemmen, mehrmals des Ta­ges ein Gemisch von Aloetinctur und Wasser, zu gleichen Theilen, zwischen die Augenlider zu giessen.
*) S. dessen speciellc Pathologie und Therapie. Stuttgart, 1842.
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400nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Organische Krankheiten des Auges.
Was die Anwendung der Elektricität und des Galvanismus angeht, so dürften diese allzu umständlich, vielleicht auch dfer Durchsichtigkeit der Linse nachtheilig werden; die übrigen Mittel sollte man aber, da bei diesem Leiden nicht Gefahr auf Verzug steht, nie unversucht lassen, bevor man zur Extraction schreitet. Diese verrichtet man durch Eröffnung der Hornhaut und Ausflies-senlassen der wässrigen Feuchtigkeit, wobei der Wurm frei heraustritt oder durch eine feine Pipette ausgezogen oder mittelst einer Sonde hervorgeleitet werden kann. Befindet sich der Wurm zwischen den Augenhäuten, so entferne man ihn durch Excision.
V.
Von dem Schwinden
und Verluste einzelner Theile und des
ganzen Auges.
.sect;. 817.
*
Das Schwinden einzelner Theile des Auges, so wie des ganzen Auges und deren völliger Verlust sind entweder die Folge voraus­gegangener Entzündungen lüceröser, brandiger Zerstörungen oder bedeutender Verletzungen, wodurch die Ernährung in hohem Grade beeinträchtigt oder ganz aufgehoben wird, oder sie sind Folge eines angenommenen Bildimgsfehlers oder vorgenommener Operationen. — Je nachdem die Verkümmerung und das Schwinden durch Ei­terung und Ulceration herbeigeführt oder ohne dieselben durch blosse Beeinträchtigung der Ernährung bedingt ist, unterscheidet man, in Beziehung auf die Hornhaut und den ganzen Augapfel, Phthisis und Atrophie. Wo diese Zustände einmal ausgebildet sind, ist keine Hülfe mehr möglich und selten gelingt es selbst im
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Orsanisctie Krankheiten des Auges.
iOl
Anfange ibrer Entwickelung durch eine gehörige, ihrer Ursache entsprechende Behandlung ihr Fortschreiten zu verhüten*).
1. Von dem Verluste der Augenwimpern.
sect;. 818-
Man beobachtet das Ausfallen der Augenwimpern sehr häufig an den Ilausthieren, besonders bei dem Schaafe in Folge der Pocken; beim Hunde und der Katze nach Krätze und Flechten, auch nach langem Triefen der Ausen. So lange die Zwiebeln der Ilaare nicht zerstört sind, sprossen sie von neuem hervor, nicht aber im Gegenfalle, wie dies häufig nach langen Leiden der Bän­der der Augenlider, besonders bei pockigen Schaafen der Fall ist**).
So lange daher die Haarzwiebeln noch nicht zerstört sind, wird es durch passende Behandlung des Grundleidens möglich, die W'iederbildung der Cilicn zu fördern, im andern Falle suche man grelle Lichtreize, Staub und jede andere starke Beizungen ferne zu halten und diese durch Beschattung des Auges und schlelmipre Waschungen der Lider zu ermässigen.
2. Von dem Mangel und .Schwinden der Thriinencarunkcl.
sect;. 81!).
Die Thränencarunkel kann durch zerstörende Eiterungen und theilweise oder gänzliche Exstirpation geschwunden seyn oder ganz fehlen. Die Folge dieses Mangels sind Störung der Aufsaugung der Thränen durch die Thränencanälchcn, Anhäufung derselben in dem Thränensee und Ueberfliessen über die Augenlider, Khyas, Aetzung des Tarsus, der Lider und Wangen.
Dies Uebel ist unheilbar und vermag nur durch öfteres Aus­trocknen des inneren Augenwinkels mit einem zarten Schwämme oder Tuche und Beinigen mit einer schleimigen Flüssigkeit ermäs-sigt zu werden.
*) Clieliiis a. a. 0. Dd. 2. sect;. 028. **) Leblanc a. a. ü. S. .r)!;.' Miillor, VctdrinSr-Opbtbalmologic. II.
2fi
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402nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Orgiinische Kranklieiten des Auges.
3. Von der Verschrumpfung der Ilornhaut.
sect;.820.
Bei der Verschrumpfung der Horphaut, Ehytldosis, Corrugatio eorneae, ist die Hornhaut zusammengefallen, runzlich, und faltig aus Mangel an wässriger Feuchtigkeit, nach deren Ab-fluss bei Wunden und Geschwüren, oder durch deren Verminderung in hitzigen Krankheiten oder im Alter, die Cornea obgleich noch durchsichtig, doch platt und viel kleiner (Atrophia s. Tabes eorneae) erscheint. Oft ist die Hornhautverschrumpfimg eine Folge schlei­chender Ophthalmien. Geschieht die Verschrumpfungung der Hornhaut durch Vereiterung, so ist es Phthisis eorneae.
Dieser Krankheitszustand ist unheilbar, nur im Anfange sei­ner Entwickelung kann durch sorgfaltige Entfernung der Ursache bei gehöriger Behandlung und Pflege des Auges, vielleicht die weitere Ausbilduno; des Uebels vereitelt werden.
1
:(.!#9632;
4. Von der Auflösung des Glaskörpers.
sect;. 821. Bei der Auflösung des Glaskörpers, Synchysis corporis vitrei, verliert der Glaskörper seine Klarheit, wird ganz dünn und braunröthlich getrübt, ist das Auge fernsichtig, schwachsichtig und später ganz erblindet. Die Pupille ist dabei gewöhnlich verengt, mehr oder weniger winklig, und wenn Iritis voranging, so zeigen sich deren Spuren in der hinteren Augenkammer und an der Iris, welche starr oder doch träge, späterhin schwankend und zitternd ist. Im Höhegrade wird auch die Linse cataraetös ohne aufzu­schwellen und ohne grünliche Trübung, mehr weich und käseartig, schmutzig weiss, klein, zitternd, dabei zeigt sich die Pupille er­weitert und ein weisslicher oder gelblicher Schein im Hintergrunde. Das Auge ist unempfindlich, nicht geschwollen, sehr weich, schlaff, so dass die Sclerotica, die rings um die Hornhaut bläulich, oft va-ricös erscheint, beim Drucke sogar Falten bildet; endlich Atrophia bulbi. — Ging ein Glaukom vorher, so erscheint die Trübung stets grünlich.
sect;. 822. Die anatomische Untersuchung solcher Augen zeigt die Zellen des Glaskörpers thcils atrophisch, theils geschwunden, die Glas-
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#9632;;V
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Organische Krankheiten des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;403
feuchtigkeit quantitativ mangelhaft und so dünn, wie Wasser, ver­schiedentlich getrübt, besonders wenn Entzündung vorhergegangen war, wo dieselbe oft braunröthlich gefärbt ist. Zugleich ist die ganze Glashaut so dünn und mürbe, dass sie äusserst leicht zerreisst, woher auch, wenn bei solchen Augen die Extraction des Staares vorgenommen wird, die Glashaut zerreisst und die Glasfeuchtig­keit ausfliesst, ehe noch die Linse und ihre Kapsel mit einem Instrumente berührt wurde; — bei einem hohen Grade ist die Glashaut zerstört*).
sect;. 823.
Das Wesen dieser Krankheit beruht auf dem Verluste der ei-weissartigen Consistenz der Glasfeuchtigkeit und deren verminder­ter Secretion, welche sich zu Wasser verdünnt, und auf Mürbheit der Membrana hyaloidea.
Den nächsten Grund dieser Krankheit findet Chelius in einem Leiden, einer verminderten Thätigkeit, des Ciliarnervensystems, welches allen Nutritions- und Secretionsprocessen im Auge vor­steht, — und vorzüglich derjenigen Nervenverzweigungen, welche die Arteria centralis retinae begleiten. Daher sähen wir auch bei jedem bedeutenderen Grade der Auflösung des Glaskörpers, Ab­nahme der übrigen Secretionen und Störung des Nutritionsprocesses im ganzen Auge auftreten, wodurch die Entmischung der Linse und die endlich eintretende Atrophie des ganzen Augapfels be­dingt sey.
sect;. 824. In geringerein Grade des Uebels vermögen zuweilen ablei­tende Mittel dessen Ausbildung aufzuhalten.
ö. Von dem Seilwinden des Augapfels.
sect;. 825. _ Das Schwinden, die Atrophie des Augapfels, Atro-phia, marasmus bulbi, entsteht, wenn das Gleichgewicht der, der Ernähi-ung vorstehenden Verrichtungen aufgehoben ist, und in die­sem Ealle sich der Umfang der Organe des Auges vermehrt oder vermindert. Vennehrung hängt ab von Schwächung der Aufsau­gung oder zu grosser Absonderung, Verminderung dagegen von zu starker Aufsaugung oder zu geringer Thätigkeit der Absonderung:
') Chelius a. a. O. Bd. 2. sect;. G84.
20quot;
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#9632;'iüinbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Organische Krankheiten des Auges.
letzteres ist am häufigsten der Fall und folgt meist auf verschie­dene Augenkrankheiten, vornemlich auf die intermittirende Angeu-entzündung *).
Diese Störungen der Secretions- und Nutritionsprocesse im Auge sind ebenfalls, wie die Synchysis, in der, durch Entzün­dung und krankhafte Veränderungen der gefässhäutigen Gebilde des Ault;jes aufeehobenen Thätiskeit des Ciliar-Nervensystems ur-sächlich begründet. Dies beweist vorzüglich die Entstehung die­ser Atrophie nach der Sclcroticonyxis, wo sie nicht einem Ver­luste der Glasfeuchtigkeit zugeschrieben werden kann, auch Ent-zündunc; in nicht hinreichend starkem Grade vorhanden war, oder ganz fehlte, sondern blos von der Verletzung der Cyliarner-ven herzuleiten ist, wodurch die Iris und die übrigen irritabelu Gebilde des Auges gelähmt, die Absonderung und Ernährung auf­gehoben und so die Verschrumpfung des Auges gesetzt wird. Ebenso verhält es sich mit der Atrophie, welche sich zuweilen bei Amaurose und Glaukom einstellt **).
sect;. 826.
Bei diesem Krankheitszustande verkleinert sich der Augapfel in seinem ganzen Umfange, während dem Auge die Merkmale seiner eigenthüinlichen Organisation, aber im verkleinerten Maass­stabe, bleiben. Während der Bulbus sich in den Grund seiner Höhle zurückzieht, scheint die Sclerotica sich am Ende ganz in die Hornhaut fortzusetzen, so dass man fast keine Hornhaut mehr sieht und schon dadurch das Seiten unmöglich würde, wenn es nicht schon früher ganz aufgehoben wäre; die umgebenden Theile wer­den ebenfalls schlaff und dünn und die Augenlider runzeln sich.
sect;. 827. Von der Atrophie des Augapfels unterscheidet sich das Zu­sammenschrumpfen des Augapfels, Phithisis, Cönsumtio bulbi, als Folge eines Eiterungsprocesses im Verlaufe heftiger Entzün­dungen und vorzüglich der blennorrhoischen, wobei das Auge ber­stet und sein Inhalt sich entleert, wie dies auch bei sehr bedeuten­den Verletzungen des Auges geschehen kann. Hier wird die ganze Organisation des Auges schnell zerstört, es bleibt blos die zusam­mengefallene Schaale, die Sclerotica zurück, welche sich als un­förmlicher Stumpf in die Augengrube zurückzieht, in dessen Mitte eine kreuzförmige Eurchc durch die Wirkung der vier geraden Augenmuskeln zu beincrkeu ist.
') Leblanc a. a. 0. S. S.'ilaquo;. **) Chelius a. a. O. sect;. ISO.
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Orgauisclie Krauklieitcn des Auges.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;403
Bei Jeu durch Atrophie und eiterige Consumtion zerstörten Augen, ver­kümmert nach und nach auch der Sehncrvc, und diese Verkümmerung setzt sich bis zum Chiasma und selbst noch weiter fort*).
sect;. 828. Diese Krankheitszustände gehören zu den unheilbaren. Jedoch muss man in solchen Fällen dem andern noch nicht erkrankten oder sympathisch gereizten Auge alle Aufmerksamkeit zuwenden, da die Erfahrung gezeigt hat, dass das ursprünglich nicht ergriffene Auge leicht in ein sympathisches gleiches Leiden verfallen kann, wesshalb für dasselbe ein, den veraidassenden Ursachen, besonders wenn sie allgemeiner sind, anpassendes prophylaktisches Verfahren ein­zuleiten ^ist. Auf längere Zeit in Wirksamkeit besetzte Ableitun-gen auf die Haut, sind es zunächst, welche für den beabsichtigten Zweck sich durchweg empfehlen.
*) Chelius a. a. O. S.6C0.
#9632;
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Register zur ersten und zweiten Abtheilung.
(Die römische Zahl zeigt die AbtheUung, die zweite die Seite an.)
Aderhant I. 34, 89.
„ Entzündung derselben II. 148. „ Vorfall derselben II. 319. Adiaphanosis oeuli II. 320. Aegilops II. 75. Amaurose, congestive II. 223. „ entzündliclie II. 223. ,, erethische II. 219. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; torpide II. 221.
Amaurotisches Katzenauge II. 22G. Anatomie der Gesichtswerkzenge I. 3. Anchyloblepharon II. 205. Anchylops inflammaloria II. 75. Anmikis conjunetivae I. 100. Arteria ccntralis retinae I. 80. Arteriae eiliares I. 38, 51, 70.
„ lentis crystallinae I. 50. Arteria lacrymalis I. 77.
,, ophtlialmiea I. 70. Atresia canalis nasalis II. 280.
„ canaliculorum et punetorum la-
cryinalium II. 271. ,, pupillae II. 287. Atrophia bulbi II. 403. Auflösung des Glaskörpers II. 402. Augapfel I. 3. 84.
,, Entzündung desselben II. 04. „ Exstirpation desselben II. 394. Augapfelgebilde, fehlerhafte Lage der­selben H. 314. Augapfelkrampf II. 229. ,, -krebs II. 392. ,, -muskeln, Entzündung ders.
II. 179. ,, -muskeln, Lähmung derselben II. 240.
Augapfel, Vorfall desselben II. 324.
„ Zusaininensclirumpfen dess. II. 304. Augenwimpern, Verlust ders. II. 401. Augenentzündung, catarrhalische II. 90.
„ catarrhalisch rheumatische II. 140.
,, impetiginöse II. 111.
,, intermittirende II. 183.
„ gichtische II. 141.
„ periodische II. 183.
„ psorisehe II. 111.
,, variolösc II. 105. Augenfell II. 333.
Augenhöhle, Quetschungen und Wun­den derselben II. 251. Augenkammer I. 53. I. 97. Augenlider I. 8. 105. Augenliderdrüsenentzündung II. 70.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;variolöse II. 108.
Augenlidercntzündung II. 71.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;variolöse II. 109.
Augenliderkrampf II. 228. Augenlider, Quetschungen und ge­quetschte Wunden derselben II. 250. ,, vergiftete Wunden derselben II. 251. Augenlidknorpel I. 9. 107. Augenlidlähmung II. 237. Augenhöhlcnmuskel I. 13. Augenmuskelnerv I. 05.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ äusserer I. 72.
Augenpulsader I. 7C. Augenstern I. 47. Augenwassersucht, totale II. 374. Augenwimpern I. 10. 107. Ausführungsgänge der Thränendrüsc
I.nbsp; nbsp;IG. Auswärtsstülpung der Augenlider
II.nbsp; nbsp;307.
.
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iü8
Kegister der ersten und zweiten Abtheiluug.
Bindehaut I. 13, Iß, IOC. Bindeliiuitblättclien I. 31. Bindehautentzündung II. 87. IOC.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ cataiTlialische II. 90.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,, cxanthematisclie II. 104.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,, idiopathische II. 92.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,, rheumatische II. 102.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,, rosenartige II. 104.
Bindehaut, Geschwulst derselben II. 389.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Schwammige Degeneration
ders. II. 391.
.,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Wunden derselben II. 257.
Blendungsarterien I. 38.
„ ' blutadern I. 38.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;knoten I. (.7.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;pulsader I. 7G.
Ulepliaradenitis catarrhalis II. 97. Blennorrhöe II. 89.
,, Tariolöse II. HO.
Blepharitis II. 70.
,, variolosa n. 109 Blephar - Conjunctivitis catarrhalis II. 9G. Blepharophthalmia glandnlösa n. 79. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; variolosa II. 108.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; psorica II. 112.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nlcerosa II. 81.
Blephoroplegia II. 237. Blepharospasmus II. 228. Blinzhaut I. 11, 100.
,, Entzündung ders. II. 110. Blutadern der Krystalllinse I. 07. Blutauge II. 240. Blntgefässc des Annes I. 70. Bruch der Hornhaut II. 311. Bulbus oculi I. 3.
c.
Camera oculi I. 63, 97. Canal, Foutana'scher I. 29, 30. Canaliculi lacryniales I. 10. Caualis Föntanae I. 30.
„ hyaloideus I. 59.
., lacrynialis I. 10.
„ Betiti I. 44. Capsulitis II. 170. Carnneula lacrvmalis I. 10. Cataracta II. 337.
,, seeundaria II. 370.
Centralvene I. 81.
Chalazion II. 78, 79.
Chemosis II. 93.
Chorioideitis II. 148.
Chorioidea, Verletzungen ders. n. 258.
Cilia I. 10.
Ciliarband I. 35.
,, -venen I. 52, 81.
,, -Schlagadern I. 61. Circulus arteriosns iridis maj. et min.
I.nbsp; nbsp;02. Clavus oculi II. 310. Cohärenz, widernatürliche II. 205. Coloboma iridis II. 203.
„ palpebrae II. 202. Connnotionen der Augen II. 247. Conjunctivitis II. 87.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; variolosa II. 100.
Cornea pellucida I. 30, 87. Corncitis II. 14ö. Corona ciliaris I. IG. Corpus vitreum I. 59.
D.
Dacryadenitis II. 119. Bacryocystitis II. 120. Dacrvops palpebrae superior. II. 209. Degeneration der Conjunctiva, schwam-michte 11. 391. 1 gt;emour,schc Haut I. 82. Depressio eataraetae II. 357. Distk-hiasis II. 297. Breiiistiger Nerve I. 07. Drüse, llarder'sehe I. 11, 107, 109. Drüsen, Meibomische I. 10, 107, 109.
E.
Ectopia II. 29G. Ectropium II. 307, 308. Eimviirtskehrung der quot;Wimpern 11.290. „ stülpung der Augenlider
II.nbsp; 300. Eiterauge II. 199.
Empyesis II. 199. Encanthis II. 387.
., iutlaminatoria II. 123.
., fhngosa II. 125. Entozoa oculorum II. 398. Eutropium palpebrgrum II. 801. Exophthalmia fungosa II. 891. Kxslirpation des Augapfels II. 395.
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Itegister ilur ersten und zweiten Abthamp;ilung.
4oy
F.
I-Vuelitigkeit, wässrige I. 50, 97.
Flecken der Hornhaut 11. 32(1.
Flügelfell 11. 385.
Flüssigkeit, morgagnischc I. üü, 99.
Fistula saed lamiualis II. 27C.
Fontana'sclicr Canal I. 92.
Foramen eentrale I. 42.
Fossa hyaloidea I. (iO.
Fremder Körper im Auge II. 39(j.
G.
Gelber Fleck I. 42. Gerstenkorn II. 78, 79. Geschwülste der Conjunctiva II. 389. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„quot;fettartige II. 390.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,, fleisehartigell. 390.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,, warzenartige 11. 389.
Gesiehtsseliwäche II. 212.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;aniaurotische 11. 212.
(ilandulae Meibonni palpebrarum I. 10. (ilasfenclitigkcit I. 09. Glashaut I. 59.
,, Entzündung ders. II. 177. Glaskörper I. öS, 101.
„ Verletzung dess. II. 2C1. ,, Vorfall dess. II. 321. Glaukom II. 371. Grauer Staar, Ausziehung dess. II. 3(;5.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Operation dess. II. 357.
(irimdmuskel des Auges I. G.
II.
Haemophthalmos II. 246.
Hagelkorn II. 78.
Harte Haut des Augapfels I. 28, 85.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,, Entzündung ders. II. 137.
„ ,, Verwiindungders.II. 258. Uasenauge II. 307. Haut der wässrigen Feuchtigkeit I. 32.
„ Jacob'sche I. 40. Hemeralopia II. 224. Hernia conieae II. 314.
„ iridis II. 3Iß.
„ saeci lacrynialis II. 275.
,, nveae II. 31G. Qippus II. 235. llordeohnn II. 7 7. Hornhaut, durchsichtige I. 30. 87. Bruch derselben II. 314. ,. Entzündung ders. II. 145.
„ Staphylom ders. U. 37G.
„ Verschruinpfüng ders. II. 402.
,, Wunden ders. II. 257. Humor aqueus I. 53, 97.
„ vitreus 59. Hvalitis II. 177. Hvpopyon II. 199.
Iris I. 45. Iridoucosis II. 15C. Iridoperiphakitis II. 172. Iridoperisphinxis II. 157. Iridoplegia II. 240. Iriskrampf II. 233.
,, Lähmung derselben II. 240. Iriskörper, Verletzungen dess. II. 259. Iritis II. 161.
,, iiliopathica II. 161. Iritis serosa anterior II. 1G7.
,, traumatica 11. 101.
Keratonyxis II. 3G3. Kieforblutadern I. 82. Knochenhaut der Augengriibe, Ent­zündung derselben II. 180. Krebs des Augapfels II. 392. Kreismuskel I. 14. Krvstalllinse I. 54, 99.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Vorfall ders. II. 32u.
L.
Liiuse und Würmer im Auge II. 398. Lagophthahnos II. 307. Leus ervstallina I. 54, 99. Liclitlochlüiutchen I. 47. Lichtscheue II. 210. Liquor Morgagni I. 55. Linsenkapsel, Entzündung ders. U. 17ii. ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Verletzung ders. II. 2C0.
Luftgeschwulst des Augenlids II. 25G. Lunatisme II. 183.
M.
Macula corneae II. 327.
Melon II. 31G.
Mcmbrona cellularis corporls vilrei
I. 50. Mcmbrana niclicans I. 11, 10G. ,, pnpillaris I. 47.
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4M)
Register der ersten und zweiten Abtheilun;
jMondblindhcit II. Ih3. Sloondblindness II. 183. Motilitäts-Neurosen U. 227. Muskeln des Augapfels I. 4, 102. Muskel, äusserer gerader I. 6. Musculus coi-rugator supercilii I. 13. Muskel, innerer gerader I. G. Musculus levator palpebrae super. I.
13, 107. Muskel, oberer gerader I. 5. ,, #9632;nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,, schiefer I. 7.
Musculus obliquus infer. I. 8. Muse, oculi rectos externus I. C.
„ „ „ inferior I. ö.
„ „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,, internus I. G.
,, „ „ superior I. 7.
„ obliquus superior I. 7. Musculus orbicularis palpebral. I. 13.
,, retractor I. 6. Muskel, unterer gerader I. 5. ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,, schiefer I. 8.
Myocephalon II. 3IG. Myosis spastica II. 234.
N.
Nachtblindheit II. 224.
Kachstaar II. 370.
Nasencanal, Umvegsamkeit dess. II.
273. Nasenwinkelgesclnvulst, entzündliche
II. 75. Nervenhaut I. 39, 92.
,, Entzündung ders. II. 149. Nervus oculomotorius s. tertius I. Cü. Nervus opticus I. C4.
,, sextus I. 72.
„ trigeminus I. G7.
„ trochlearis I. G7. Netzhautpulsader I. 80. Neurosen II. 208.
o.
Oberaugenhöhlenblutader I. 82. Obturatio pupillac II. 287. Obscuratio corneae II. 32C. Onyx II. 14G. Ophthalmia cachcctica 11. 115.
„ catarrhalis II. 9G.
„ externa II. 113.
,, intormittens II. 183.
,, variolosa II. 105.
,, psorica II. 111.
Ophthalmitis II. C4. Ophthalmoblennorrhoea variolosa
II. 110. Ophthalmoconjunctivitis catarrhalis
II. 9G. Ophthalmia equi periodica II. 183. ürbieulus ciliaris I. 35. Organa lacrymalia I. 15, 108. „ visus I. 3.
Palpebrae I. 8, 105. Palpcbra ficosa II. 81. Papula bulbi II. 389.
,, conjunetivae II. 389. Paralyse II. 235. Paresis II. 235. Peribrosis II. 81. Pctit'scher Canal 1. 44, 94. Phlogosen II. G. Phlyctenulae II. 97. Phthiriasis oculoruin II. 398. Phthisis bulbi II. 304. Physiologie der Gesichtswerkzeuge
I. 84. Photophobie II. 210. Pigment, schwarzes I. 40, 89, 91. Prolapsus bulbi II. 324. ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; chonoideae II. 319.
,.nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; corporis vitrei II. 321.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; iridis II. 3IG.
Pterygium II. 385. Puncta lacrymalia I. 17. Pupille I. 47.
„ Bildung einer künstlichen II.
289. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Verengerung ders. krampf-
hafte II. 234.
Q.
Quetschungen der Augenlider II. 250.
E.
Kegenbogenhaut I. 45, 94.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;Entzünd. ders. II. 151.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ gichtische II. 170.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ idiopathische II. IGl.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,, ihres hintern serö-
sen Ucberzuges II. 171. ,, ,, Entzündung ihrer vordem serösen Membran II. 1CG.
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Register tier ersten und zweiten Abtheilunff.
411
nogenbogenlmut, Entzündung, ders., traumatische II. 161.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Verwundung ders.
II. 104.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; Vorfall ders. II. 31C.
Retina, Verletzung ders. II. 258. Retinitis II. 149. Rliacosis II. 124. Rhyas II. 124, 401. Rhytidosis corneae 402. Rollmuskel des Auges I. 7. Rolhnuskelnerve I. 67. Reclinatio cataraetae 11. 357.
S.
Schielen II. 231. Schönblindheit II. 212. Schwinden des Augapfels II. 408. Schwinden des Auges II. 400. Scirrhus bulbi II. 392. Scleroticönyxis II. 359. Sclerotitis rheumatica II. 137.
,, arthritica II. 141. Sensibilitätsneurosen II. 210. Spalte des Augenlids, veraltete II. 262.
„ der Iris II. 263. Staar, grauer 11. 337. ,, , schwarzer 212. Staphyloma chorioidoae II. 319. Staphylom der Hornhaut II. 376. Staphyloma iridis II. 316.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; racemosum II. 316.
Stenochoria canalis nasalis inucosa II.
279.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ sarcomatosa II. 280.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,, simplex II. 279.
Stenochoria canaliculorum lacrymalium
II. 270. Stenochoria punctorum lacrymalium
II. 270. Strabismus 11. 231. Symblepharon II. 265. Synchysis corporis vitrei II. 402. Sycosis II. 81, 112. Synicesis pupillae II. 287. Synechia anterior 11. 287.
„ posterior II. 287. Saccus lacrymalis I. 16. Sclerotica I. 28. Sehe I. 47. Sehnerve I. 64. Siebblättchen I. 28.
Spinnwebenhaut I. 33, 88. Stirnmuskel I. 15. Strahlenband I. 35, 90. Strahlenblattcheu I. 44, 93. Strahlenkörper I. 36, 91.
T.
Tagblindheit II. 225.
Taraxis II. 93.
Tapetum chorioideae I. 17.
Tarsi I. 9, 107.
Thränencanal, häutiger I. 19, 109.
Thränencarunkel I. 20, 107.
„ Entartung ders. II. 386.
,, Entzündung ders. II. 123.
„ Mangel und Schwinden ders. II. 401.
„ Schwund II. 124. Thriinendrüse I. 16, 108.
„ Entzündung ders. II. 119.
,, cariöses Fistelgeschwür ders. H. 120.
„ Verletzung der Ausfüh-ruugsgänge ders. II. 255. Thränendrüsenfistel II. 270. Thräneugescliwulst des Augenlides II.
269. Thränenorgane I, 15, 108.
„ Entzündung ders. II. 118. Thränenpulsader I. 77. Thräncnpunkte I. 17, 109. Thränenröhrchen, Wunden ders. II.
256. Thriinensack I. 18, 109.
„ Blennorrhöe dess. II. 133.
,. Entzündung dess. II. 126. Thriinensack, Fistel dess. II. 276.
,, Geschwulst dess. 11. 273.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ atonischo II. 275,
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; „ blennorrhoische
II. 274.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ granulöse und po-
ly pöse II. 276. Thränensackwassersucht II. 275. Thriinensack, Wunden dess. II. 256, Traubenhaut I. 46. Traubenkörner I. 49. Traubenstaphylom II. 316. Trennungen, veraltete II. 262, Trichiasis II. 296. Triefauge II. 115.
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412
Register flcr orsiou and zweiten Abthcilung.
Trübungen der durchsiclitigen Moilicn
des Auges II. 32(i. Tumor sacei lacryniiilis II. 274.
,, ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,, atonicua II. 27quot;).
Tunica arachnoidea oculi I. 33.
,, chorioidea H. 34, 80. Tunica retina I. 39, iraquo;2.
„ sclcrotica I. 28, 8rgt;.
„ uvea I. 4ri.
Vorfall des Augapfels II. 324. „ des Glaskörpers II. 321. „ der Krystalllinse II. 320. „ der Regenbogenhaut II. 316.
W.
Wasserhaüt I. ü:!, 97. Wassersuchten des Auges II. 372. Wassersucht des Glaskörpers II. 373. Wassersucht der vordem Augenkam-
mer II. 373. Wirbelgefüsse I. 38. Wunden der Augenlider und des Aug­apfels II. 244. Wunden, gequetschte der Augenlider
II.' 250. Wunden der Augenhöhle II. 251. Wunden der Bindehaut II. 207. Wunden der Chorioidea II. 200.
,, des Glaskörpers II. 2G1.
„ der Hornhaut II. 257.
„ des Iriskörpers II. 259.
„ der Linse II. 200.
„ der Retina II. 258.
,, der Selerotica II. 258.
,, der Thränenröhrchen II. 250.
„ des Thriinensackes II. 2;quot;)(;.
,, , vergiftete der Augenlider II. 251.
X.
Xerophthalmos II. 269. Z.
Zellgewebe der Augengrube, Entzün­dung dess. II. 181. Zellhaut I. 59. Zonula ciliaris I. 40, 44, 93.
Ü.
Unteraugeuliiililenblutaderu
I. 82.
Uveitis II. 171.
V.
Vasa vorticosa I. 38. Venae ciliares I. 38. Venen des Auges I. 81. Verdunkelungen der Hornhaut II. 32 (i. Verengerung der Pupille II. 207.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,, Thranencanälchen II.
270. ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; ,, Tbräuenpuukte II.
270. Verletzung der Aust'ührungsgänge der
Thränondrüse II. 2igt;igt;. Verscbliessung der Pupille II. 287.
nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;der Thranencanälchen
II. 271. ,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ Tbräuenpunktc
U. 271. Verwachsung der Augenlider II. 2C6. „nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;,, „ unter sich 11. 2Gli.
,,nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp; nbsp;„ ,, mit dem Augapfel
II. 2G7. Verwachsung der Ausf librungsgänge der
Thranendriise II. 2CP. Vorfall der Aderhaut II. 819.
rslaquo;
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E
u t a
Seite
42 52 57 89 !raquo;9
Erste Abtlieilung.
Z. 1(1 v. o. I. gerade aussehenden, statt geradeaus sehenden. Z. 21 v. o. 1. Alienation statt Alinuation.
Z. 20 v. u. 1. Ableitende Mittel statt Alilcitcnde Mittel. Z. 2 v. o. 1. verlängern ihre etc. statt verlängern, ihre ete. Z. 14 v. u. 1. dieselben statt dieselbe. Z. 3 v. u. I. als absolut — als relativ — satt absolut — relativ.
Zweite Abtheilung.
Z. C v. u. 1. Augeuentzündungen statt Angenentziindung.
Z. 9 v. u. 1. mit der Regenbogenhaut statt mit Regenbogenhaut.
Z 8 v. u. 1. Hornhaut statt Regenbogenhaut.
Z. 1 v. o. 1. Depotenzirung statt Depotensirung.
Z. 10 v. u. 1. und dieselben bei statt und bei.
Z. 2 v. u. 1. Tarsalrande statt Torsalrande.
Z. 5 v. u. 1. Kampfers statt Camphers, ebenso pag. 231 Z. 1laquo; v. o.
u. 242 Z. 10 v. tu, u. 249 Z. 18 v. u., und S. 250 Z. 11 v. o.
Z. 14 v. u. 1. weil eine, auf etc. statt weil eine auf.
Z. 12 v. u. 1. begründete statt begründet.
Z. 14 v. u. 1. gebrachter statt gebrachten.
Z. 1 v. o. 1. Bei welcher so geleiteten statt Bei welcher, geleiteten
sect;. 4C3 1. Ilemeralopia statt Haemeralopia.
Z. 2 v. u. 1. tonischen statt tonische
Z. (i v. u. 1. zum Oeftern statt zum Oeffhen.
Z. 7 v. u. 1. Auges werden statt Auges nach.
Z. 7 v. u. I. Consistenz statt Cosistenz.
. 11 14
rgt;5
7G 119 197
150
179 205 224 227 254 258 275
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! ij
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Erklärung der Instrumenten tafeln.
Taf. I. Fig. 1. Haken zur Festhaltung des Nagels oder Augapfels hei deren Ausrottung.
„ „ Fig. 2. Pellier'scher Haken zum Aufheben des oberen Augenlides bei Operationen am Augapfel.
„ „ Fig. 3. Dreiarmiger Augenhalter, mit beweglichem drittem (a), in ein viereckiges Zapfloch (b) eingepasstem und mit einer Press­schraube (c) befestigtem Arme; die beiden anderen Aeste (d d) sind feststehend und haben die hier angegebene Entfernung.
„ „ Fig. 4. Pinzette zur Fassung einer Hautfalte bei der Operation des Entropiums oder der Ptosis palpebrae superioris.
„ „ Fig. 5 Pinzette zur Fassung und Ausziehung der Wimpern bei En-tropium und Trichiasis.
„ „ Fig. G. Hakenpincette zur Fassung kleiner Geschwülste der Binde­haut, des Nagels u. s. w. Taf. H. Fig. 7. Spritze mit gekrümmter Canüle, um Injectionen durch die untere Oeffhung des Thränen - und Nasencanals zu machen.
„ „ Pig. 8. Fischbeiusonde, in zwei Thcile (a u. b) gebrochen, zur EröfF-nung des verstopften Thränen- und Nasencanales; auch be­stimmt zur Einziehung eines seidenen Bändchens nach der Operation des verwachsenen Nasencanales u. s. w.
,, „ Fig. 9. Beers Nadel zur Operation des grauen Staares.
„ „ Fig. 10. Scarpa's Nadel zur Dislocirung der verdunkelten Linse. Sie ist in natürlicher Grosse (a) und einmal vergrossert (b) dargestellt.
#9632;„ „ Fig. 11. Messer zur Vollbringung des Hornhautschnittes bei der Aus­ziehung des grauen Staares. Taf. III. Fig. 12. Instrument zur Bildung eines stets gleichen sphärischen Horn­hautlappens , mit welchem zugleich der Bulbus fixirt wird.
„ „ Fig. 13. Durchschnitt des Instrumentes.
,, „ Fig. 14. Schneidender innerer Cylinder.
„ „ Fig. 15. Der King mit den vier Spiessen.
„ „ Fig. IG. Stumpfer Cylinder zur Handhabung und Befestigung der bei­den letzten Stücke.
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#9632;
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Taf. T.
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Tail II.
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Taf. HI.
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Fir. IG.
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