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BIBLIOTHEEK UNIVERSITEIT UTRECHT
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lieber die ßinderpest-Invasion von 1863.
(Bericht der schweizer. Abgeordneten.)
An den h. schweizer. Bundesrath.
Tit.! Durch Schreiben Tom 11. April machten Sie uns die Anzeige, dass die beiden Unterzeichneten auf den Vorschlag des Departementes des Innern nach Oesterreich (besonders nach Venetien) und Italien abgeordnet seien, zur Erhebung genauer Nachrichten über die Einderpest und über die dagegen ergriffenen Massregeln,
In einer besondern Instruktion wurde der Haupt­zweck der Eeise dahin festgestellt:
a.nbsp; nbsp;Das Vorhandensein und die Verbreitung (den GJe-bietsumfang) der Rinderpest in den Nachbarstaaten der Schweiz zu konstatiren.
b.nbsp; nbsp;Die grössere oder geringere Gefahr ihres Ein­dringens in die Schweiz für die Gegenwart und nächste Zukunft zu ermitteln.
Wir haben über dasErgebniss unserer Nachforschungen dem Departement des Innern während der Eeise von Zeit zu Zeit Kenntniss gegeben und beehren uns hiemit, in einem Schlussrapport dieselben zusammengestellt dem hohen Bundesrathe vorzi^egen.
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Wir werden dabei summarisch verfahren, damit die hohe Behörde um so schneller mit dem Sachverhalte bekannt werde. Eine umfassende wissenschaftliche Be­arbeitung der sämmtlichcn auf Einderpest bezüglichen Wahrnehmungen erfordert bei unserer beschränkten Müsse längere Zeit und würde die Verspätung einer Darlegung der praktischen Quintessenz unserer Forschungen nicht rechtfertigen.
Vorerst geben wir ein übersichtliches Trace der Reise, mit Angabe der Gründe, welche uns den betreffen­den Weg führten; sodann lassen wir eine geschichtliche Üebersicht der dermaligen Einderpest-Invasion folgen; hierauf geben wir das Bild der beobachteten Krankheit,-bezeichnen dann die Massregeln, welche in den ver­schiedenen Ländern zur Tilgung und Verhütung der­selben angewendet wurden, und schliessen mit einem. Blick auf die Stellung unsers Vaterlandes zu der be­treffenden Seuche.
I. Die Eeise.
Kach einer unliebsamen Verhinderung des einen Experten während fünf Tagen verliessen wir am 23. April gemeinschaftlich Bellinzona und verfügten uns direkt nach Mailand.
Daselbst zogen wir Erkundigungen ein über das Vorkommen der Einderpest in Oberitalien. Ueberein-stimmend erfuhren wir aus verschiedenen Quellen, be­sonders von den Professoren der Thierarzneischule und von dem venetianischen Thierarzte De Tuoni, welcher #9632; auf einen amtlichen Euf die Seuche in der Provinz As-coli studirt und die Tilgungsmassregeln vorgeschlagen hatte, dass die fragliche Krankheit bis zu jener Zeit in
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der Lombardei sich nirgends gezeigt habe; auch öei nach amtlichen Mittheilungen und dem Ergebniss von Privät-erkundigungen die Seuche in den angrenzenden venetia-nischen Distrikten nicht vorgekommen. In ganz Italien herrschte nach der Ansicht competenter Personen die Seuche nur im ehemaligen Königreich Neapel, in der Umgegend von Eom, und hatte geherrscht, war aber ge­tilgt, an der Küste des adriatischen Meeres in der Pro­vinz Ancona.
quot;Wir wendeten uns nach Turin, und unter der ge­fälligen Mitwirkung des dortigen schweizerischen General­konsuls, Herrn Geiser, erhielten wir von dem Minister des Ackerbaues, der Industrie und des Handels unterin 26. April ein offenes Schreiben an die Präfekte und Unterpräfekte des Königreichs Italien, worin diese Beamten eingeladen wurden, uns alle auf die Kinderpest-Invasion bezüglichen Aktenstückp vorzulegen und — ohschon die Seuche nicht mehr herrsche — uns in der Erforschung der darauf bezüglichen Verhältnisse an die Hand zu gehen.
Die Beamten, Thierärzte, Professoren an der Thier-arzneischule und der Sekretäj der thierärztlichen allge­meinen italienischen Gesellschaft, — sie stimmten alle darin überein, Oher- und Mittelitalien haben keinen Fall von Rinderpest aufzuweisen; dagegen herrsche diese Krankheit im Eömischen und Neapolitanischen. Den amtlichen Berichterstatter über die Seuchen in den Abruz-zen, den Professor Franz Gatti, suchten wir vergebens auf; dagegen fanden wir bei dem Sekretär der italienischen thierärztlichen Gesellschaft, Professor Papa, eine Anzahl neuerer und älterer Gorrespondenzen über die Seuche aus ..den verschiedensten Gegenden Italiens. Alle stimmten überein mit dem anderwärts Erfahrenen.
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Ueber Bologna und Florenz begaben wir uns nach Eom. Die auf dem Wege eingezogenen Erkundigungen, für welche wir insbesondere in dem Professor Simon Eigoni zu Florenz einen zuverlässigen Gewährsmann fanden, bestätigten das Freisein JMittelitaliens von der Einderpest. Eine Vermuthung, die Seuche sei in Um-brien eingeschleppt worden, ward dcmentirt durch eine Proklamation der betreffenden Sanitätsbehörde, datirt Perugia den 8. April 1863 und unterzeichnet you dem Präsidenten, Sekretär und sämmtlichen sieben Mitgliedern der Behörde. Diese Kundgebung versicherte die Bevöl­kerung, von der Rinderpest sei in der ganzen Provinz kein Fall vorgekommen. Eine Spezialkommission sei im Lande umhergereist, habe alle verdächtigen Fälle unter­sucht und sich überzeugt, dass die Seuche in der ganzen Provinz nicht vorkomme. In einer angrenzenden Provinz hatte die Krankheit geherrscht, -und es kamen noch einzelne Fälle vor. Gregen diese Gegend ist aber schon unterm 7. Februar vollständige Sperre der Einfuhr von Rindvieh oder Tlieilen von solchem verhängt worden.
Am 29. April langten wir in Rom an. Hier war es hauptsächlich die Handelskammer, welche die zuver­lässigsten ISTachrichten über die Seuche hatte. Diese liess seit Anfang Januar ungefähr 3000 Stück Rindvieh und Büffel tödten. Man hielt die Krankheit für beinahe erloschen. Eine von der Handelskammer ern.'biete Impf­anstalt war am Tage vor unserer Ankunft aufgelöst wor­den. Am 1. Mai erfuhren wir auf dem Bureau der Handelskammer, es kommen noch zeitweise Erkrankungen vor auf den Gütern des Fürsten Torlonia zu P'orto. Daselbst seien etwa 300 Stück gefallen, und von der Heerde seien vor zehn Tagen 200 Kühe mit ihren Käl-
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bern aus Porto nach Campo cli Merlo in den Agro Eomano gebracht worden. Von diesem Transport seien am 30. April eine Kuh und ihr Kalb erkrankt und seit­her zu Grunde gegangen. Wir glaubten neue Erkran­kungen abwarten zu können und sorgten dafür, dass uns von solchen sofort Anzeige gemacht werde. Schon am 3. Mai sahen wir in Campo di Merlo eine todte Kuh und zwei kranke. Das Yieh dieser Heerde war aber so wild, dass von einer nahen Betrachtung, namentlich von einer Berührung der Thiere keine Rede sein konnte. Das Seziren \on Cadayern war strengstens imtersagt. Es bot sich uns also, trotzdem die Rinderpest in Campo di Merlo herrschte und voraussichtlich noch eine Reihe von Thieren ergriff, keine Gelegenheit, die Krankheit zu studiren.
Nach mehrfachen Mittheilungen war die Seuche im ehemaligen Königreich Neapel, besonders auch in der Stadt und Umgegend, sowie in Salerno mit bedeutender Heftigkeit aufgetreten. Es hatte keinen besondern Zweck, an Ort und Stelle die Tilgungsmassregeln anwenden zu sehen; blos dann, wenn uns die Gelegenheit geboten worden wäre, die Krankheitserscheinungen am lebenden und todten Thiere z;u beobachten, hätten wir unsere Reise bis nach Neapel ausgedehnt. Um solches nicht vergebens thun zu müssen, liessen wir, von der Gefälligkeit des schweizerischen Consuls, Herrn Ho tz, Gebrauch machend, bei Herrn Generalkonsul Mörikoffer in Neapel tele­graphisch anfragen, wie es sich daselbst mit der frag­lichen Krankheit verhalte. Die Antwort, welche am zweiten Tage erfolgte, sagte, seit dem 23. April sei in Neapel kein neuer Erkrankungsfall mehr aufgetreten; da­gegen herrsche die Krankheit noch auf dem Lande. Von
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einer Exkursion in die Abruzzen wurde mit Rücksicht auf das dortige Brigantenunwesen allseitig abgerathen.
Wir verliessen Rom am 7. Mai und langten nach vierzigstündiger Fahrt mit der Diligence inAncona an. Daselbst überzeugten wir uns durch die Einsicht der amtlichen Rapport^, dass die Seuche, welche Ende Fe­bruar und Anfangs März in einigen Ortschaften geherrscht hatte, nunmehr Yollständig getilgt sei. Es lag kein Grund vor, an der Richtigkeit dieser Rapporte, die vollkom­men mit dem bisher Erfahrenen übereinstimmten, zu zweifeln.
Wir begaben uns desshalb über Rimini, Bologna, Perrara und Padua nach Venedig.
Hier verfügten wir uns in Begleitung des Consuls, Herrn Rothpletz, vorerst zu den Beamten der Provin-zialregierung. Die Verhältnisse, welche uns interessirten, erschloss uns vorzüglich Herr Medizinalrath Dr. Spongia. Schon im November vorigen Jahres wurde von der Cen-tralstelle des Commandos über das adriatische Meer zu Triest, in Folge der Ausbreitung der Rinderpest in Dal­ma tie n, aller Transport von Rindvieh auf dem adria-tischen Meere verboten. Im Monat April lief der Bericht ein, es kommen in einer begrenzten Gegend des Friaul zahlreiche Erkrankungen unter den Hausthieren vor. Man befürchtete, es sei die Rinderpest daselbst eingeschleppt worden. Dr. Spongia begab sich selbst an Ort und Stelle. Er traf unter dem Rindvieh die Maul- und Klauen­seuche und bei Schweinen den anthraxartigen Rothlauf. Die Bevölkerung fürchtete sehr, wenn auch ohne Grund, aus der genannten Rindviehkrankheit könnte sich die Rinderpest entwickeln. Dieser Furcht Rechnung tragend, liess die Medizinalbehörde der Provinz die Lokalitäten
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streng absperren und zu diesem Zwecke sogar mit einem Cordon des in Venetien zaMrcicli aiigciiäuftcn österrei-cMsohen Militärs umziehen. Schon nach ein paar Tagen wurden von höherer Stelle diese etwas ominösen Be­ruhigungsmassregeln wieder aufgehoben; aber dieselben hatten bereits dem falschen Zeitungslärm, der auch in die Schweiz gedrungen, Kahmng gegeben, die Einderpest sei bis ins Friaul vorgerückt. Mit der amtlichen Yer-sicherung stimmten auch die unter der Hand bei ein­zelnen Thierärzten eingezogenen Erkundigungen überein und überzeugten uns, dass in Venetien in jüngster Zeit nichts von der Kinderpestinvasion verspürt wurde.
Am 12. Mai gelangten wir nach Trie st. In Be­gleitung des Herrn Cloetta als Stellvertreters des ab­wesenden Consuls, verfügten wir uns auf die Landes-statthalterei. Aussei- vom Landesstatthalter, dem Herrn Hofrath C. von Eibesfeld, erhielten wir ganz besonders über die uns interessirenden Verhältnisse Aufschluss durch Herrn Medizinalrath Dr. Schrott. Nachdem vor einiger Zeit die Seuche in Istrien vollständig getilgt war, ist sie ganz neulich wieder eingeschleppt worden, und zwar in Senositsch, Wippach und Bregarie des Bezirks Caste 1-JSfuovo und zu Barka im Sesanner-Bezirk. Noch am Abend des 13. Mai begaben wir uns mit Extra­fuhrwerk nach Sesanna und in Begleitung des Bezirks­vorstehers und des Bezirksphysikus in der Frühe des 14. nach Barka. Zwei Tage vorher waren daselbst fünf kranke Stücke getödtet worden. Die Bewohner des Ortes besassen noch 186 Stück Eindvieh. 19 von den­selben wurden in drei Ställen abgesperrt gehalten. Das Uebrige musste wegen Mangel an Stallfutter auf der Waide separirt und abgesperrt werden. Es wurde nun
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durch den Landesthierarzt Krain eine Untersuchung von Stück zu Stück vorgenommen. Wir wohnten derselben, die bei der grossen Entfernung und Ausdehnung der quot;Waideplätze mühsam und langwierig war, von Anfang bis zu Ende bei. So sehr wir es den ängstlichen Land­leuten gönnen mochten, war es uns doch nicht ganz an­genehm, dass wir kein einziges krankes Stück trafen.
Der genannte Landesthierarzt war eben aus dem Bezirk Castel-J^uovo herübergekommen und versicherte uns, dass, nachdem die wenigen pestkranken Thiere ge-tödtet worden seien, daselbst sich nur noch acht Einder und eine Schafheerde in Beobachtung contumazirt be­finden. quot;Wir kehrten daher wieder nach Trie st zurück, nachdem wir das kaiserliche Hofgestüt Lipizza, eine freundliche Oase auf den unwirthlichen Steinfeldern des Karst, besucht hatten.
Von Triest führte uns die Eisenbahn in einer Tour bis quot;Wien. Am Yormittag des 16. Mai zogen wir auf der Thierarzneischule einige Erkundigungen über den Stand der Seuche ein. Herr Direktor Roll gab uns an der Hand zahlreicher thierärztlicher Eapporte die erste Kenntniss der damaligen Sachlage, und Herr Professor Müller ergänzte dieselben durch einige Privaterfahrungen. Nachmittags stellten wir uns dem schweizerischen Ge­schäftsträger, Herrn Steiger, vor, und dieser hatte die Güte, uns bei der Landesverwaltung von Mederösterreich einzuführen. In Bestätigung der auf der Thierarznei­schule eingezogenen Erkundigungen, ersahen wir aus den Tabellen und den Mittheilungen des Herrn Medizinalrath Dr. Bernth, wie desLandesthierarztes Langcnbacher, dass die Seuche in Mähren und im HerzogthumOester­reich, wo Fälle vorgekommen waren, gänzlich, in Gra-
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lizien nahezu getilgt sei, dass dagegen in Ungarn noch verseuchte Bezirke existiren.
Zuerst besuchten wir nun die Eisenbahnstation Flo­rin s d o r f, wo einerseits die Desinfektion der zum Yieh-transport Terwendeten Eisenbahn-Waggons stattfand und anderseits die aus Ungarn, Gralizien und Mähren herge­führten Viehtriebe ausgeladen und inspizirt wurden. Zu diesem Besuche wählten wir einen Markttag und befanden uns am 18. Mai in der Frühe in Plorinsdorf. Wohl wurde eine Tiehheerde als verdächtig behandelt, es waren ein paar Ochsen krank; aber es stellte die genauere Untersuchung heraus, dass keine Einderpest im Spiele war. jSTach dem Besuche des Viehmarktes und der Schlachthäuser quot;Wiens fuhren wir in der Nacht vom 18.119. Mai nach Pesth, versehen mit einem freund­lichen „Nyiltparancsquot; (höchsten Befehl) des unga­rischen Hofkanzlers Graf Forgach Antal.
In der Gegend der Hauptstadt U n g a r n s herrschte die Seuche nicht mehr. Der Comitats-Administrator er-schrack nicht wenig, als der Direktor der Veterinärschule, Herr Szabo, welcher uns bei ihm einführte, von der Rinderpest zu reden begann, weil er Anfangs glaubte, es handle sich um eine neue Einschleppung. Die neuen Eapporte, welche bei der Landesvcrwaltung in Ofen ein­gegangen waren, und aus denen uns Herr Landesthier-arzfc Heizmann in Pesth einen Auszug zu besorgen die Güte hatte, wiesen nach, dass im Pressburger-Comit at nahezu so viel Seuchenorte vorkommen, als sonst in ganz Ungarn. Selbstverständlich verfügten wir uns sofort nach Pressburg, wo wir uns am Morgen des 21. Mai dem Comitatsvorstande vorstellten.
Mit aller Zuvorkommenheit wurde uns auch hier
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Einsicht in die amtlichen Eapporte gestattet. Der Comi-tatsphysikus rieth uns, die Eoute nacli Malazka ein­zuschlagen, und versehen mit einer Empfehlung des Comitats-Administrators an den Stuhlrichter und mit einer solchen des Physikus an den Bezirkarzt von Malazka, langten wir am späten Abend des 21. Mai mittelst Extra-Fuhrwerk in letztem Orte an.
In der Frühe des 22. Mai fuhren wir in Begleit des Bezirksarztes Dr. Katser, Simon, nach Küchel, Rohrbach und Blassenstein. Auf den Gütern des Fürsten Palffi trafen wir zu Rohrhach einen schwer kranken, abgesonderten Ochsen, und auf dem Waideplatz im entlegenen Walde zeigte von den circa 40 gesunden Stücken eben eines die ersten Ercheinungen der Krankheit.
Auf dem Wege nach Blassenstein berührten wir die in Abtheilungen auf der Waide verstellten Thiere des Meierhofes gleichen ISTamens. In einer Truppe von 14 Stücken zeigten 3 die Erscheinungen der Rinderpest, eines war verdächtig. Schon am Abend des vorigen Tages hatte der Bezirksarzt in Blassenstein unsere An­kunft und unsern Zweck anzeigen lassen, mit dem An­suchen, falls in der Nacht einzelne Thiere umstehen würden, uns die Cadaver zur Sektion aufzubewahren.
Am Nachmittag trafen wir in Blassenstein selbst 4 Cadaver und 28 kranke Stücke Rindvieh, von denen in unserer Gegenwart noch eines starb.
Wir hielten uns daselbst bis gegen Abend auf, be­obachteten und untersuchten die Kranken, denen unter­dessen, inbegriffen die 4 oben bezeichneten, noch 7 neu Erkrankte beigesellt wurden; dann sezirten wir im ab­gelegenen Walde unter Beihülfo einer Zigeunerbande die gefallenen Thiere.
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Nach Malazka zurückgekehrt, beehrte uns der dor­tige Pfarrer mit einem Besuche und entwickelte seine Theorie über die Rinderpest und seine Erfahrungen über die Mittel zur Yerhütung und Heilung derselben.
Am 24. Mai erreichten wir mittelst Extrafubrwerk die Eisenbahnstation Angern, fuhren nach quot;Wien und von dort über München nach Zürich, wo wir am 26. Mai anlangten.
II. Die Ausbreitung der Seuche.
Ehemals verbreitete sich die Einderpest aus den Gegenden des schwarzen Meeres, der Donaumündungen, des Dniester und Dnieper nach dem mittlern und west­lichen Europa nur im Gefolge von Kriegsheeren, welche Eindviehheerden aus jenen Gegenden als Proviant mit­führten.
In neuerer Zeit ist es anders geworden. Durch die Eisenbahnen werden die Erzeugnisse aller Länder weit über ihre Grenzen hinaus auf den Weltmarkt geführt. In kurzer Zeit gelangt das langhörnige Tieh, das auf den grossen Steppen des südöstlichen Europa wohlfeil erzogen wird, nach Westen, um in den volkreichen Städten als Nahrungsmittel zu dienen. Damit ist die Gelegenheit zur Ausbreitung der Rinderpest täglich geboten und es darf uns nicht wundern, wenn die Seuchen-Invasion in neuerer Zeit fast alljährlich bis in die Schlachthäuser von Wien vordringt.
Wohl sucht der österreichische Staat durch ständige Yorbauungsmassregeln an seinen östlichen Grenzen die Einschleppung zu verhüten; aber gewissenlose Umgehun­gen dieser Massregeln bewirken stets neue Einschleppungen.
So ist Galizien seit dem Jahre 1861 selten mehr ganz frei von der Seuche gewesen. Immer wurde sie
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von Neuem eingesctleppt, und das Land Tordankt es den zweckmassigen und strengen Tilgungsmassregeln, die sofort zur Ausführung leommen, dass es unterdessen niclit enorme Verluste erlitten hat. Anfangs Mai befanden sich daselbst noch 12 Seuchenorte in 5 verschiedenen Kreisen.
Im Sommer 1862 breitete sich die Krankheit in Ungarn zur Seuche aus. In diesem an Naturschätzen so reichen Gebiete hat die Seuche sehr grosse Verluste an Rindvieh veranlasst. Und zur Stunde yorbreitet sie noch grossen Schaden in den an die österreichischen Erb­lande angrenzenden Comitaten. Die von Oesterreich ein­gesetzten Behörden besitzen nicht die nöthige Autorität und ein grosser Theil des Volkes nicht die nöthige Ein­sicht, um die Vorschriften zur Tilgung der Seuche und Eingrenzung derselben anzuwenden.
Bis zum 9. März dieses Jahres war die Seuche in 29 Comitaten in 383 Ortschaften ausgebrochen. Sie hatte circa 60,000 Stücke, wovon ' 38 000 gefallen sind und etwas über 1500 erschlagen wurden, ergriffen. In 9 Co­mitaten waren damals noch 28 Ortschaften verseucht.
Im Pressburg er Comitat trat die Seuche im September vorigen Jahres auf und herrschte bis zum 15. Mai dieses Jahres in 85 Ortschaften, von denen am 20. Mai noch 18 verseucht waren. Diese 85 Ortschaften hatten einen Gesaramtviehstand von 30,566 Stücken in 1642 Ställen. quot;Während der genannten Seuchenzeit sind im Ganzen erkrankt: 6773 Stück; von diesen genasen 1109, und giengen verloren 5640. indem 4205 krepirten, 829 als krank und 606 als verdächtig erschlagen wurden; 24 verblieben noch auf dem Krankenrapport. Auf dem Meierhof des Fürston Palffi in Blassenstcin befanden sich
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150 Stück Eindvieh. Bei unserm Besuch am 22. Mai waren 55 Stück meistens Jungvieh, todt beseitigt, 4 fünf­jährige Ochsen waren in der Nacht vom 21./22. gefallen, einer starb während unserer Anwesenheit und 27 waren krank; der Zuwachs an Kranken betrug an diesem Tage noch 7 Stück, 21 Stücke hatten die Krankheit überstanden.
Fast überall gelingt es bei neuen Seuchenausbrüchen, die Verschleppung des Contagiums nachzuweisen.
Die Krankheit tritt mit verschiedener Bösartigkeit auf, ohne dass mau im Stande wäre die Gründe davon mit Sicherheit zu enträthseln. So sind auf der Douau-insel Schutt in der Gemeinde Kürth von 109 erkrankten Thieren 72 genesen und nur 37 gefallen, während um dieselbe Zeit in der Nachbargemeinde Hodos auf derselben Insel, in deren Heerde die Krankheit durch einen aus der Heerde der erstem Gemeinde gestohlenen Ochsen gebracht wurde, von 458 Krauken nur 6G genasen und 392 zu Grunde giengen. Und dieser Unterschied ereignete sich bei gleichem Yieh, auf gleichem Boden, unter ganz denselben diätetischen Yerhältnissen, ohne dass derselbe einer verschiedenen Behandlung der Thiere zugeschrieben werden könnte.
Nach Mähren wurde die Seuche in den letzten Monaten von 18G2 verschleppt. Sie verbreitete sich über zahlreiche Ortschaften in fast allen Bezirken, war aber bis im Mai d. J. bis auf 4 Orte des Leipniker- und einen Ort des Seelowitzerbezirkes beschränkt. In diesen 5 Seuchenorten waren damals noch 78 Stück ab­
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esperrt. Zur Zeit unsers Aufenthaltes in Wien waren
nur noch wenige verdächtige Thiere in Contumaz.
In Nie der öst er reich verbreitete sich die Krank­heit gleichzeitig wie in Mähren. In W i en, dessen Schlacht-
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hausern aus allen Gegenden verdächtiges Yieh zugeführt #9632;wird, kommen Von Zeit zu Zeit einzelne Fälle vor, und die Verschleppung in die Umgegend der Stadt kann nicht vollständig verhütet werden, bis ein Schienenweg direkt ins Schlachthaus führt. Am 18. Mai waren nur noch 18 verdächtige Stücke in einem einzelnen Orte abge-sperrt.
Steiermark scheint von der Seuche vollständig verschont geblieben zu sein. Es verdankt dieses wahr­scheinlich und hauptsächlich den strengen Grenzüber­wachungen gegen Ungarn, wenigstens haben wir 2 Erlasse aus den Monaten Oktober und November 1861 vor uns. Nach den erstem wird von der Statthalterei in Gratz, „um die Einschleppung der Einderpest in Steiermark zu verhindernquot;, strengstens „der Eintrieb jeder Gattung Horn­viehes, welche nicht mit Gesundheitspässen versehen ist, aus Niederösterreich und Ungarn untersagtquot;. Die zweite verbietet geradezu auf der ganzen Grenze gegen Ungarn den Einlass von Schlacht- und Zugvieh und der von solchen herstammenden Eohprodukte.
In den südlichen Staaten Oesterreichs: Militär-gronze, Dalmatien und Illirien, herrscht die Seuche jetzt noch. Sie wurde daselbst aus der Türkei, vielleicht auch aus Ungarn eingeschleppt. Es liegen Thatsachen vor, die beweisen, dass im Vorsommer des Jahres 1862 die Einderpest im grössten Theil der europäischen Türkei verbreitet war. Wir treffen sie Anfangs Juli in Alba­nien, Macedonien und Serbien, im August am Balkan und im September im Distrikt von Scutari.
Am 8. Oktober wurde die Seuche eingeschleppt in Dalmatien durch Ochsen, welche aus Serbien kamen. Die ersten Eällo traten in Ragusa auf.
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Ende Oktober kam die Seuclie aus Eumänien mit einem Transport Ochsen nach Griannina.
Mitte November herrschte die Krankheit auf der ganzen Linie von der Wall ach ei durch Serbien und Bosnien bis nach Dalmatien. Sie kam imBanat, in Slavonien und Kroatien vor.
Ende November traten Fälle in I s t r i c n auf. Mehr als an einem Ort wurde sie getilgt und wieder einge­schleppt ; aber im Monat Mai war sie nach den amtlichen Bapporten aus Agram, Laibach und Triest auf wenige Ortschaften zurückgedrängt. Dieselbe scheint an der östlichen Küste des adriatischen Meeres im Februar dieses Jahres ihren höchsten Grad erreicht zu haben. In Kroatien schienen Einderpest und Milzbrand in ihren Verheerungen zu wetteifern.
In der ersten Hälfte des Januar 1863 wurde die Binderpest von Spalatro (im mittlern Dalmatien) durch einen Transport Ochsen über das adriatische Meer nach Manfredonia im ehemaligen Königreich Neapel ver­schleppt. quot;Wahrscheinlich sind früher schon anderwärts Einschleppungen von dem Dalmatischen nach der italie­nischen Küste erfolgt (in Lanciana undFoggia?). Trotzdem in Manfredonia schon am 14. Januar die nöthigen Sperrmassregeln ergriffen wurden, verbreitete sich die Seuche doch in den Abruzzen bis Chieti, Aquila, Teramo und Ascoli, und in den ehe­maligen römischen Staaten drang sie an den Küsten vor bis in die Provinz Ancona. Die Seuche über­schritt die Apeninen und breitete sich bis Salerno und Neapel aus.
Aus den Abruzzen wurde die Einderpest im Januar durch den Lieferanten für Verproviantirung der fran-
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zösischen Besatzung mit einer Heerde Ochsen nach Rom gebracht. In Cistern a mussten von dem Transporte 2 kranke Stücke zurückgelassen werden. In dem ge­nannten Orte breitete sich die Seuche am stärksten aus und veranlasste die grössten Yerluste. Zu Tre Fontane fand die erste amtliche Erhebung der Seuche statt am 31. Januar. Ein Bestand von 54 Stücken Rindvieh gieng grösstentheils zu Grunde. Die Seuche breitete sich in dem Agro Romano von Tre Fontane über andere Be­sitzungen aus und kehrte auch in einigen Milchwirth-schaften der Stadt Rom ein. Der letzte Seuchenort in den römischen Staaten war Porto, wo auf den Gütern des Fürsten Torlonia einzig 300 Stück Kälber, Rinder und Kühe krepirten. Von da gelangte die Seuche in den letzten Tagen des April mit einem Transport von 200 Kühen und ihren Kälbern auf den Waiden von Campo di Merlo, wo wir am 3. Mai Gelegenheit hatten, 2 Kranke und einen Cadaver zu sehen.
Die Rinderpest forderte von Ende Januar bis Mitte April in Rom und Umgegend ein Opfer von circa 3000 Stück Rindvieh und eine beträchtliche Anzahl Büffel. Nach den amtlichen Tabellen wären von den erkrankten Thieren etwas über 93 Ojo erlegen.
Durch 4 Ochsen, die aus Yaltopina, und 2 Kühe, welche aus Aquila (in den ehemals neapolitanischen Abruzzen) durch die Marken nach Umbrieu geführt wurden, gelangte die Seuche nach Fuligno und Nocera. Ein gewisser Nikiaus Stazio, der mit 4 Ochsen Vorspann geleistet hatte bis Nocera und daselbst erwiesener Massen sein Vieh in die Stallung gestellt hatte, in welcher eine der aus Aquila herübergekommenen Kühe verendet war, brachte die Krankheit nach Fabria no in der Provinz
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Ancona. In der Nähe trat die Krankheit noch auf in Macerata und Fermo. Die ersten Krankheitsfalle traten im Februar auf, und im Monat April war die Seuche in dieser Gegend wieder vollständig erloschen.
Zum Schlüsse sei noch erwähnt, dass während des Herrschens der beschriebenen Kinderpestseuche der Lan­des thierarzt Dr. Maresch in Prag und Professor Dr. Oalambos in Pesth die Beobachtung gemacht haben wollen, dass Schafe, welche in Ställen sich aufhalten mussten, in denen sich pestkrankes Vieh bestand, in ähn­licher Weise erkrankten. Eine Uebertragung der Ein­derpest auf Schafe wurde früher nicht beobachtet, und bei Impfungen, welche in Eoni gemacht wurden, haftete das Contagium bei Schafen nicht. Fernere Beobachtungen haben diesen Widerspruch zu lösen.
III. Krankheitsbild.
Die Rinderpest ist unzweifelhaft eine kontagiöse Krankheit. Das Contagium ist die einzige sicher be­kannte Ursache derselben. Seine Verschleppung breitet die Krankheit zur Seuche aus. Diese befällt das Rind­vieh aller Rasect;en, jeden Alters und Geschlechts. Unter den verschiedensten geographischen und klimatischen Ver­hältnissen ist sie schon als Seuche vorgekommen und breitet sich aus ohne Rücksicht auf Jahreszeit und Witterung.
Man rechnet vom Zeitpunkt der erfolgten Ansteckung bis zum Auftreten der ersten Krankheitserscheinungen ein (Inkubations-) Stadium von 4—8 Tagen.
Die ersten Krankheitserscheinungen sin'd diejenigen eines allgemeinen Unwohlseins: Mattigkeit, verminderte Fresslust und gestörtes Wiederkauen. Als-
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bald treten Fiebersymptome auf: Frost, wechselnde Körperwärme, meist kalte Hörner, Ohren und Füsse, Hitze im Maul, Durst, Sträuben der Haare, trockener Nasenspiegel, beschleunigtes Athmen, frequenter Puls, unterdrückte Milchabsonderung, brauner Harn und trok-kener Koth — Alles mit starker Depression des Ge­meingefühls, die sich ausspricht durch stieren Blick, ge­ringe Aufmerksamkeit, müde, oft schwankende Bewegung, und nur ausnahmsweise durch krankhaft gesteigerte Er­regbarkeit ersetzt wird.
Das Fieber hat gleich von Anfang an den Schwäche­charakter, oder nimmt denselben im Verlaufe sicher an. Derselbe spricht sich aus durch kleinen, schwachen, auch wohl gespannten und zitternden Puls, seltener pochenden Herzschlag, häufig Abdominalpuls, fast immer livide Schleimhäute mit klebrigem Sekret.
Ein starkes Ergriffensein des Nervensystems kenn­zeichnet sich durch Muskelzittern, besonders deutlich an den Schultern, Armen und Schenkeln, durch Zähne-knirschen und bewustloses Umherfahren.
Die charakteristischen Lokalaffektionen entwickeln sich auf den Schleimhäuten der Augen, der Athmungsorgane und der Verdauungswerkzeuge:
Starker Thränenfluss, aufgedunsene, schmutzigrothe Bindehaut; starker Schleimfluss aus der Nase, der zum Theil zu Borken vertrocknet, schwacher, kurzer Husten, rasseludes Lungengeräusch; die Symptome der Hyperämie bis Entzündung kleinerer und grösserer Lungenpartien; Eöthung der Maulschleimhaut, Erosionen, weiche weiss-gelbliche Infiltrationen, Schwellung und Lockerung des Gewebes am Zahnfleisch und an den zartem Hautpartien der Lippen und unter der Zunge, Ausfluss zähen Speichels;
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Durchfall, der sich immer steigert und mit Drang ver­bunden ist. Der Koth wird allmälig heller braungelb, enthält Schleimfetzen, Oberhaut, hie und da Blutstriemen und ist stinkend. Die oft sichtbare Mastdarmschleimhaut ist geschwollen, bläulich roth, wund und zeigt Blutflecken.
Es kommt zur vollständigen Appetitlosigkeit. Der Bauch fällt zusammen, wird hie und da meteorisch auf­getrieben. Magen- und Mastdarmgeräusch sind oft voll­ständig unterdrückt, oft lebhaft polternd; Kühen fliesst zäher Schleim aus der Scheide und Trächtige verwerfen.
Die Thiere magern auffallend rasch ab; die Kräfte schwinden schnell. Es entwickeln sich ausgebreitete Luftgeschwülste in der Haut. Die Thiere ächzen, stöh­nen, einzelne athmen durch's Maul; sie drängen, blicken ängstlich nach dem Hinterleib, liegen viel, vermögen sich nicht zu erheben, ihre sichtbaren Schleimhäute erblassen, und die Kranken gehen am 4.—12. Tage der Krankheit zu Grunde.
Einzelne seuchen durch. Ohne dass die Krankheits­erscheinungen alle auftreten oder den höchsten Grad er­reichen, nehmen dieselben wieder ab, und nach längerer Eekonvaleszenz werden die Thiere wieder vollständig gesund und haben mit dem Ueberstehen der Einderpest auch die Anlage für dieselbe eingebüsst.
Beim Pusstenvieh soll manchmal im quot;Verlaufe der Rinderpest ein schuppiger und pustulöser Ausschlag auf der Haut entstehen, dem man eine kritische Bedeutung zuschreibt. quot;Wir haben denselben nicht beobachtet.
Die Sektionserscheinun gen sind charakteristisch. Die innern Augenwinkel sind durch Schleim borken ver­unreinigt, desgleichen die Nase. Der Cadaver ist mager,
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die Haare sind struppig. Das Hintertheil ist mit flüssigem Koth besudelt, der Mastdarm häufig vorgedrängt.
Das Blut ist dunkel, schmierig und nicht geronnen; nur ausnahmsweise enthält das Herz ein dunkles, -weiches Coagulum. Bei manchen Cadavern finden sich bald da, bald dort, auch ziemlich allgemein Blutdurchsclrwitzungen. Das Fleisch ist welk. Wesentlich sind die Erscheinungen im Yerdauungsapparat. Ausser den früher genannten Läsionen auf der Schleimhaut des Maules finden wir Folgendes:
Das Lab und grössere und kleinere Darmpartien erscheinen bei äusserlicher Besichtigung geröthet. Diese JElothung hat ihren Grund in dem Zustande der Schleim­haut. In dieser sind die Blutgefäase injizirt; sie ist an­geschwollen, und auf ihr ist viel Schleim gelagert. An einzelnen Stellen ist die Oberhaut abgestossen, auf an­dern liegen mehr oder weniger erweichte Schorfe, bald fester, bald lockerer mit dem Gewebe verbunden. Da­neben finden sich kleinere und grössere Geschwürchen, das eine Mal in zusammenhängenden Flächen, das andere Mal kleinere, in die Tiefe dringende Löchelchen bildend. Viele Drüsen, insbesondere die Peier'schen Follikel, ragen aufgeschwollen hervor.
Diesen Zustand zeigt konstant die Schleimhaut im Lab, sowohl an den Blättern, als zwischen denselben, und am stärksten in der Nähe des Pförtners. Im Dünn­darm fehlt dasselbe Seklionsergebniss nie; aber es ist nicht einer bestimmten Darmpartie eigen, sondern bald mehr im Zwölffingerdarm, bald in andern Abtheilungen ausgebildet.
Die stärkste Bedeckung zeigen hier die Peier'schen Drüsenhaufen. Unter dem Gerinnsel scheinen sie sieb-
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artig durchlöchert. Die Oeffnungen ergiessen auf Druck cylindrisches Gerinnsel oder eitrige Flüssigkeit. Auch im Dickdarm kann jede Stelle der Schleimhaut den be­schriebenen ähnliche Veränderungen zeigen, weit ver­breitet oder nur auf begränzte Stellen konzentrirt.
Die Leber ist in der Eegel missfarbig, die Gallenblase stark ausgedehnt, mit einer grossen Menge Galle gefüllt.
In den Athmungsorganen ist die Schleimhaut der Nase zu unterst in der Eegel mit Borken belegt, blau-roth, geschwollen, und sie zeigt hie und da Blutflecken. Die Lungen sind entweder gesund oder einzelne Partien derselben mit Blut überfüllt, auch wohl entzündet. In der Regel enthalten die Luftröhre und die Bronchien schaumigen Schleim. In diesen Organen und im Kehl­kopf sind Extravasate und plastischer Gerinnselbeschlag kein seltener Befund.
Den im Yerdauungsapparat beschriebenen ähnliche Erscheinungen und Veränderungen werden auch in den Harnwerkzeugen beobachtet und sollen insbesondere bei Kühen, die abortirt haben, in der Gebärmutter yorkommen.
Wir konnten hierüber nichf selbst beobachten, da eämmtliche Stücke, die wir sezirten, Ochsen waren.
Das Wesen der Krankheit ist — wie bei noch so mancher wichtiger Krankheit — nicht vollständig auf­geklärt. Wir machen uns von den bezüglichen patholo­gischen Vorgängen folgende Vorstellung:
Durch die Einwirkung des Contagiums findet eine spezifische Blutentmischung statt. Diese führt zu Stö­rungen in der Nerventhätigkeit und der Ernährung. Unter den Erscheinungen eines torpiden Fiebers werden die Schleimhäute — vorzüglich diejenigen des Verdauungs­kanals — mit Blut überfüllt, und es bilden sich Aus-
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scbwitzungen sowohl in das Gewebe der Mucosa, als auch auf die Oberfläche derselben. Letztere mischen sich mit dem Inhalte des Darmrohres oder vertrocknen zu Krusten (Plaquen), erstere erweichen und brechen an die Oberfläche unter Bildung von charakteristischen Ge­schwürchen.
30—94 0/o der Patienten erliegen der Krankheit. Die Durchseuchenden sind wieder geheilt, sobald die spezifischen Fermente des Blutes ausgeschieden oder zer­stört und die Krankheitsprodukte auf den Schleimhäuten abgelöst und die erzeugten wunden und geschwürigen Stellen vernarbt sind.
quot;Wollen wir die Kinderpest mit ähnlichen Krankheiten zusammenstellen, so wüssten wir dieselbe nicht besser einzureihen, als — wie dies in neuerer Zeit von meh­reren Autoren geschehen ist — bei den Typhen.
lieben dem iSfervenfieber und dor Cholera des Menschen und dem Pferdetyphus würde sie als
Typhus boum contagiosus figuriren.
IV. Tilgungs- und Verhütungsmassregeln.
Oesterreich ist beständig mit der Einschleppung der Rinderpest bedroht. Die Länder, welche an Russland, die Moldau und Wallachei, zum Theil auch diejenigen, welche an Serbien und Bosnien grenzen, leiden häufig von Invasionen dieser Seuche aus genannten Ländern. Dieselbe hat in den österreichischen Staaten schon enorme Verluste veranlasstund die kaiserliche Regierung genothigt, einestheils beständige Sicherungsmassregela gegen die Einschleppungsgefahr zu verordnen und andern Theils die Mittel zur Tilgung der Seuche, sobald dieselbe ein-
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mal eingeschleppt ist, genau festzusetzen. Diese sämmt-lichen Bestimmungen sind enthalten in den im Jahre 1859 vom österreichischen Ministerium des Innern er­lassenen „Vorschriftenquot;, Dieselben haben sich in der Hauptsache als zweckmässig erwiesen und waren auch bei der letzten Seuche für die Behörden massgebend. Die Umgehung dieser Vorschriften oder mangelhafte Voll­ziehung derselben ermöglichte die Weiterverbreitung der Seuche, während ihrer strengen Handhabung die Tilgung überall auf dem Fusse folgte.
I. Die beständigen Sicherheitsmassregeln gegen die Einschleppungsgefahr beziehen sich auf den Grenzrerkehr mit Russland, der Moldau und Wallachei, sowie auf die Ueberwachung der Viehtriebe und Viehmärkte.
1.nbsp; nbsp; Alles aus den genannten Ländern in die öster­reichischen Staaten einzuführende Vieh muss — selbst bei Zeiten, wo von dem Herrschen der Rinderpest durch­aus nichts verlautet — an der Grenze Quarantaine halten, deren Dauer je nach der Gefahr sich von wenigen bis 2U 21 Tagen erstreckt.
2.nbsp; nbsp; Rinderhäute dürfen nur vollständig ausgetrocknet, Hörner und Klauen nur nach 12stündigem Einbeizen mit Salzwasser, geschmolzenes Unschlitt nur in Fässern die Grenze passiren; rohes Fleisch und ungeschmolzener Talg werden zurückgewiesen.
3.nbsp; nbsp; Viehheerden, welche die Quarantaine gehalten haben, dürfen, mit dem Quarantainczeichen und besondern Pässen versehen, nur auf bestimmten Triebstrassen und Eisenbahnen im Lande transportirt werden. Sie werden von Zeit zu Zeit einer thierärztlichen Untersuchung unterworfen.
4.nbsp; nbsp; Auf den Viehmärkten wird dem fraglichen Vieh ein abseits gelegener besonderer Ort angewiesen. Es
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wird Vorsorge getroffen, dass es weder auf der Strasse, noch in den Stallungen oder auf Weiden mit einheimi­schem Vieh in Berührung komme.
11. Die Tilgungsmassregeln und diejenigen, welche angewendet werden, um die Seuchenausbreitung zu verhüten, sind bei einem Ausbruch der Seuche in den österreichischen Staaten folgende:
1.nbsp; nbsp; „Da sichergestellt ist, dass die Einderpest eine weite Ausbreitung nicht erlangen wird, wenn anders die gegen die Verbreitung der Ansteckung erlassenen gesetz­lichen Vorschriften genau befolgt werdenquot;, so sind die Ortsvorstände „dafür verantwortlich, wenn aus Unwissen­heit oder Saumseligkeit diese Landplage in ihrem Bezirke quot;Wurzel fasst und den benachbarten Orten und Gegenden daraus Nachtheil erwächstquot;.
2.nbsp; nbsp; Bei strenger Bestrafung hat der Ortsvorsteher von dem Vorkommen eines Einderpestfalles sofort seinem Bezirksamte, resp. Stuhlrichter, Anzeige zu machen; gleichzeitig aber den Ortseinwohnern zur Kenntniss zu bringen und den Viehbesitzern einzuschärfen, ihre Stal­lungen gegen Jedermann verschlossen zu halten und die Wartung der Thiere nur einer Person anzuvertrauen, die sich vor dem Verkehr mit den übrigen Ortsbewohnern, insbesondere mit Personen, auf deren Liegenschaften Thiere erkrankt sind, zu hüten hat.
3.nbsp; nbsp; Der Bezirksvorstand zieht einen sachkundigen Arzt oder Thierarzt zu. Diese Commission erhebt im Seuchenorte alle auf die Einschleppung bezüglichen Mo­mente. Sie sucht sich d'idurch über die Existenz der Kinderpest Gewissheit zu verschaffen. Ergiebt sich aus den ersten Erhebungen mit einiger Wahrscheinlichkeit das Vorhandensein der Rinderpest, so wird durch die
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Commission vor Allem ein Verzeichniss des gesammten Viehstandes der Ortschaft, von Stall zu Stall, resp. von Weide zu Weide, aufgenommen. Dabei wer­den die Lokalitäten, in welchen verdächtige Stücke getroffen werden, genau notirt. Zuletzt werden die kranken Thiere untersucht und verschafft man sich durch genaue Erhebung der Symptome, insbesondere durch die Sektion eines Cadavers, über die Natur der Krankheit Gewissheit.
4. Ist das Yorhandensein der Rinderpest konstatirt, so wird der-Sachverhalt sofort in der ganzen Gemeinde publizirt. Den Einwohnern des verseuchten Ortes wer­den die nöthigen Belehrungen über die Bösartigkeit und Contagiositat der Krankheit ertheili. Dieselben werden bekannt gemacht mit den Wegen, auf denen sich die Krankheit ausbreitet, und den Mitteln, durch welche ihr Vieh vor Ansteckung bewahrt werden kann, sowie mit den Strafen, welche auf Yerheimlichung und Verschlep­pung gesetzr. sind.
Das kranke Vieh wird abgesperrt, das gesunde von demselben getrennt und gleichfalls abgesperrt. Jedes Haus, in welchem ein Fall von Rinderpest vorgekommen, wird durch ein auffallendes Zeichen als Seuchenort kennt­lich gemacht, und den Einwohnern desselben wird der Verkehr mit andern Viehbesitzern oder Wärtern unter­sagt und nöthigenfalls durch Gensdarmerie oder Militär verhindert, so lange bis Ställe, Geräthschaften und die Kleidungsstücke der Einwohner vorschriftsgeinäss ge­reinigt sind.
Die Ortschaft wird völlig abgesperrt und an den Eingängen werden Warnungstafeln angebracht, in welchen das Herrschen der Rinderpest bekannt gegeben wird.
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In Seuchenorton und deren Umgebung darf nur mit Pferden gefahren werden. Die Eingänge der Ortschaften #9632;werden mit zuverlässigen Wächtern oder Militärpoaten besetzt. Diese verwehren den Ein- und Ausgang allem Eindvieh, sowie solchen Stoffen, die Träger des Conta-giums sein können, und weisen auch Menschen zurück, welche mit Vieh oder von solchen abstammenden Stoffen Handel treiben. Der Verkehr der Bewohner eines ver­seuchten Ortes mit der Umgebung wird für die Seuchen­dauer eingestellt, und es ist speziell verboten der Besuch von Kirchen, Schule und Vergnügungsorten der Nach­barschaft, sowie das Führen von Getreide in benachbarte Mühlen. Auf einen Umkreis von drei Stunden ist das Abhalten von Viehmärkten, der An- und Verkauf von Hornvieh, der Verkauf von Fleisch, Milch u. dgl., sowie die Uebersiedlung der Einwohner mit ihrem Vieh ver­boten.
Die Cadaver gefallener Thiere werden unter besondern Vorsichtsmassregeln auf einem abgeschlossenen Wasen-platz verscharrt, ebenso die Abfalle, Blut, Exkremente etc. Die Häute dürfen abgeledert werden, aber erst nachdem sie 24 Stunden in Kalklauge gelegen, getrocknet und den Dämpfen der schwefeligen Säure ausgesetzt waren, in Handel kommen. Hörner und Klauen werden 12 Stunden in Salzwasser gelegt, abgewaschen und kommen getrocknet in den Handel.
Sämmtliches Vieh muss so lange in den Ställen ver­sperrt bleiben, als die Seuche herrscht. Der Verschluss der Stallungen soll derart sein, dass Hunde, Katzen, Hausgeflügel u. dgl. nicht durchschlüpfen können. Frei umhergehende Hunde werden eingefangen und einge­sperrt oder angebunden, herrenlose müssen getödtet werden.
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Die geleerten Ställe, in welchen kranke Thiere ge­standen, müssen nach speziellen und zweckentsprechen­den Vorschriften gereinigt werden.
Die ärztliche Behandlung der an der Seuche leiden­den Thiere wird nur dann gestattet, wenn in Folge des zu starken Umsichgreifens der Seuche die Tödtung der kranken nicht mehr thunlich ist und statt dessen sogen. Contumazställe (siehe unten bei Fr. 7) errichtet werden.
Die Metzger werden einer besondern Aufsicht unter­stellt. Um Verheimlichung und Verschleppung unmöglich zu machen, hat die Seuchenkommission von Zeit zu Zeit den Anfangs aufgenommenen Viehetat zu verifiziren.
5. quot;Wenn die Seuche zur Zeit, da sie zur Kenut-niss der Behörden gelangt, noch keine sehr grosse Aus­breitung erreicht hat, so findet die Tilgung derselben durch Anwendung der Keule statt, d. h. die sämmt-lichen kranken Thiere und alles gesunde Rindvieh, das mit solchen in mittel- oder unmittelbare Berührung ge­kommen ist, wird todtgeschlagen.
Die Cadaver von kranken Thieren werden verscharrt, ^ur Haut, Hörner und Fett können benutzt werden, so­fern sie auf die oben bezaichnete quot;Weise behandelt wurden.
Das noch gesunde Vieh, welches getödtet wird, darf im Seucheuort geschlachtet und ausgewogen werden.
1st die Zahl der zu vertilgenden Thiere im Verhält-niss zum Fleischkonsum des Seuchenort gross, so können solche gesunde, aber doch vermuthlich infizirte Thiere auch an benachbarte oder sogar entfernte grössere Orte zur Schlachtbank geliefert werden. Dieses muss aber unter beaondern Vorsichls- und Garantiemassregeln ge­schehen. Die Eisenbahnen und Schiff'fahrt bilden sehr geeignete Transportmittel für solche Thiere; nur in ge-
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ringe Entfernung dürfen auch entlegene Wege benutzt werden.
6.nbsp; nbsp; Die behufs Tilgung der Seuche gekeul-ten Thiere werden den betreffenden Eigen-thümern folgendermassen aus dem Staats­schatz vergütet:
a.nbsp; Die behufs Konstatirung der Krankheit geschlach­teten Thiere zum vollen Schatzungswerthe.
b.nbsp; Die kranken, bei denen die Kraukheit erst im Be­ginne ist, zu 2/3 des Schatzungswerthes.
c.nbsp; nbsp;Die pestkranken Rinder, welche sich in einem so vorgerückten Stadium der Krankheit befinden, dass ihr baldiges Ende zu erwarten steht, mit '/s des quot;Werthes.
Die Schätzung findet durch eine aus zwei Viehken­nern jeder Gemeinde gewählte Commission statt.
Verheimlichung oder Verschleppung der Seuche hebt das Recht auf Entschädigung auf.
7.nbsp; nbsp; nbsp;Bei starker Verbreitung der Rinderpest schon zur Zeit ihrer Konstatirung werden Contumazställe errichtet. In denselben lässt man kranke Thiere behan­deln, resp. durchseuchen. Die grösste Schwierigkeit be­steht jedoch darin, dass jede Kommunikation der Thiere, ihrer Wärter, Thierärate etc. mit den übrigen Bewoh­nern der Gegend, sowohl mittelbar als unmittelbar ver­hütet werden muss. Durch den leichten Transport ver­dächtiger und infizirter Thiere mittelst Eisenbahnen in die Schlachthäuser grösserer Städte wird die Nothwendig-keit von Contumazfällen seltener.
8.nbsp; nbsp; nbsp;Bei Verbreitung der Rinderpest über einen aus­gedehnteren Landstrich wird derselbe behufs strengerer
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Controllirung in Seuchenbezirke getheilt und jedem der­selben eine besondere Seuchenkommission vorgesetzt.
9.nbsp; nbsp; Die Seuchenkommissionen verfügen zur Durch­führung der Tilgungs- und Sperrmassregeln jederzeit über die nothwendige Militärmacht und Gensdarmerie. Sie haben eine beträchtliche Strafkompetenz.
10.nbsp; nbsp; In den Nachbargemeinden eines Seuchenortes wird der Ausbruch der Rinderpest publizirt und müssen die Yiehbesitzer. mit der Bösartigkeit und Ansteckungs­fähigkeit bekannt gemacht, sowie an die Strafbestimmun­gen bei Yerschleppung eindringlich gemahnt werden. Kommen noch einzelne Personen aus dem Seuchenorte zurück, oder ist für solche ein unvermeidlicher Verkehr mit jenen zu gestatten, so müssen dieselben bei der Rückkehr Schuhe und Kleider wechseln, Hände und Ge­sicht waschen und dürfen nicht mit Vieh oder Viehhirten etc. in Berührung kommen.
11.nbsp; nbsp; Den Behörden der Nachbarbezirke und nächst­gelegenen Länder wird vom Ausbruch und Verlauf der Seuche jeweilen Kenntniss gegeben. Bei grösserer Ver­breitung der Krankheit ist der Bezirk, auch wohl daa Land, abzusperren, in gleicher Weise wie oben von der Gemeinde gesagt ist.
12.nbsp; nbsp; Beim Ausbruch der Krankheit auf der Weide, namentlich auf ausgedehnten Pussten, werden den Loka­litätsverhältnissen entsprechende Massregeln angewendet.
13.nbsp; nbsp; Die Eisenbahnverwaltungen sind verpflichtet, die Waggons, in denen Rindvieh transportirt wird, daa aus einer Seuchengegend oder aus verdächtigen Ländern kommt, nach dem jedesmaligen Gebrauche nach einer besondern Vorschrift zu reinigen. Die Wägen müssen ohne Unterschied der Eigenthumabahn nach stattgefun-
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dener Ausladung von Futterstoffen, Exkrementen etc. gereiniget und diese müssen verbrannt oder verscharrt werden; darauf sollen die quot;Wägen mit Lauge gut aus­gewaschen, mit Chlorkalk behandelt und wieder ausge­lüftet werden, ehe sie ferner zum Viehtransport verwen­det werden dürfen. Aehnlich behandelt man die Auf-und Abladedrampen. Diese Reinigungen werden durch amtliche Thierärzte überwacht.
Sobald das Kommando über den Verkehr auf dem adriatischen Meere zu Triest Kenntniss von der Aus­breitung der Seuche an der dalmatischen Küste hatte, wurde der Verkehr mit Rindvieh und frischen Abfällen von solchem auf den benannten Gewässern untersagt und die sämmtlichen Küstenländer von der durch Umgehung dieses Verbotes ihnen drohenden Gefahr in Kenntniss ge­setzt. Wir haben uns durch eigene Anschauung über­zeugt, dass in Illirien die österreichischen Vorschriften zur Tilgung und Eingrenzung der Seuche streng voll­zogen werden.
In Rom scheint die Sanitätskommission Anfangs nicht mit dem rechten Ernste eingeschritten zu sein. Es trat die Handelskammer ins Mittel. Durch eine freie Ver­einigung mit den grossen Güterbesitzern in dem durch eine im höchsten Grade vernachlässigte Cultur ausgezeich­neten Agro Romano wurden Mittel herbeigeschafft zur Gründung einer Versuchs-Impfanstalt, und behufs Til­gung der Seuche strengere Vorkehrungen eingeleitet.
Das Ergebniss der Impfversuche war ein negatives für die Uebertragung der Krankheit auf Pferde, Schweine, Schafe und Ziegen. Einmal bildeten sich an der Impf­stelle einer Ziege Pusteln, deren Inhalt, auf Rindvieh und Büffel zurückgeimpft, die Krankheit wieder erzeugte.
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Die Handelskammer Hess in einigen Orten durch Anwen­dung der Keule bei gesunden und verdächtigen Thieren die Seuche tilgen; anderwärts, z. B. in Campo di Merlo, wo vollständige Absperrung auf der Weide möglich war, wurden nur kranke Thiere getödtet. Die Cadaver wur­den mit Haut und Haaren verscharrt. Das Abledern und Seziren war verboten, somit auch Verwendung irgend eines Theiles von Cadavern.
Im Königreich Italien scheinen die hostilen Zustände im ehemaligen Königreich Neapel die durchgreifende An­wendung der geeigneten Polizeimassregeln gehemmt und die weitere Verbreitung der Seuche ermöglicht zu haben. Sonst wandten die Provinzialregierungen den nöthigen Ernst an.
Es liegt z. B. vor uns das zweckmässige Dekret, welches schon am 14. Januar beim Bekanntwerden der Seucheneinschleppung zu Manfredonia in Neapel erlassen wurde. Die strenge Vollziehung desselben hätte unzwei­felhaft die grosse Ausbreitung der Seuche nicht gestattet, wenn nicht anderweitige Einschleppungen stattgefunden hätten.
Ueberall ordneten die Provinzialregierungen Mass­regeln an ganz im Geiste der weitläufiger dargelegten österreichischen Vorschriften:
Versperrung der Einfuhr von Rindvieh oder Ab­fallen von solchen aus andern Staaten, in denen die Seuche herrschte, z. B. Rom, Dalmatien; Verwenden sachkundiger Experten zur Constatirung der Krank­heit; Tödtung und Verscharren oder Verbrennen (z. B. in Nocera) der kranken Thiere; Absperrung und allmälig Tödtung der verdächtigen; Verschlies-seu der Ställe, selbst gegen den Eintritt kleinerer
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Thiere; Desinfektion der Ställe, Geräthschaften und Kleider; Absperrung der Ortschaften; Viehsperre gegen verseuchte Distrikte; Belehrung des Volkes — das Alles kam zur Anwendung und hatte da, wo die Verhältnisse Vollziehung der amtlichen An­ordnungen gastatteten, wie z. B. in der Provinz An-cona, die Tilgung der Seuche zur Folge, ohne dass dieselbe grossen Schaden zu stiften vermochte.
V. Unsere Aufgabe.
Seit der grossen Völkerwanderung im IV. Jahrhun­dert, da die Rinderpest im Gefolge der barbarischen Horden, welche aus dem Innern Asiens hervorbrachen, sich über Illirien und Oberitalien ausbreitete und lbis Prankreich und Belgien vordrang, ist diese Seuche hun­dert Mal der Schrecken Europas gewesen. Sie hat wie­derholt unsägliche Noth unter die geängstigten VöltJ' gebracht, und jede sorgfältige Regierung richtet ihfeü aufmerksamen Blick auf die Bewegung dieser Lanctquot;' kalamität.
Die Schweiz hat an die 50 Millionen Rinder, welef; Europa einzig im XVIII. Jahrhundert durch die Rind^ pest verloren haben soll, einen nicht geringen Tribut %r zahlt. Die Seuche richtete unter den schweizerisch Heerden ihre Verheerungen an während der grossen 1 ^i-zootie, welche von 1711 —1716 Europa durchzog; dass-gleichen, als sie von 1728—1739 Italien, Prankreich und Deutschland heimsuchte; sie zog 1744 und 1745 durch einen Theil der westlichen Schweiz, Basel, Aargau, So-lothurn, Bern etc., und 1798—1801 wurde sie aus dem Grossherzogthum Baden eingeschleppt.
Im gegenwärtigen Jahrhundert wurde die Schweiz
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nui; einmal ernstlioh bedtoht. Anno 1812 und 1813, nach dem Ruckzug der. französischen Armeen aus Rusa-land, folgte den nachdringenden verbündeten Mächten mit ihren Trieben Steppenvieh auch die Rinderpest. Die Schweiz war auf dem Punkte, zu den übrigen schweren Folgen des Aufgebens der Neutralität auch die Schrecken der Terheerungen der Rinderpest zu ernten. Eingeschleppt durch podolische Ochsen, brach die Krankheit in den Kan­tonen Aargau (besonders zu Gröslikon), Zürich und Zug aus. Der energischen Anwendung der Keule und den Sperr­massregeln verdanken wir die schnelle Tilgung der Seuche. Seit Jahrhunderten sind die verschiedensten Heil­versuche gemacht worden, ohne dass man zu irgend einem praktisch nützlichen Resultate gekommen wäre. Im Gegen-theil hat die Hoffnung auf Heilmittel und das Anpreisen on solchen da, wo ob den Erwartungen eines günstigen . jsultates der Kur die Tilgungs- und Sperrmassregeln . machlässigt wurden, grossen Schaden angerichtet. Wir haben aus diesen Gründen in unserm Berichte die neuerdings in Neapel, Rom, Illirien, Ungarn etc. achtlos angestellten Yersuche mit Kurmethoden und ! ieilmitteln nicht erwähnt.
rr; Wenn die Schweiz eine Invasion zu fürchten hat, raquo;laquo;- commt dieselbe von Osten her, durch Bayern, Tyrol odfev die Lombardei. Da aber sowohl in diesen Ländern, als auch in den unmittelbar hinter ihnen liegenden öster­reichischen Staaten die grösste Vorsorge getroffen wird, die Einschleppung der Seuche zu verhüten und dieselbe beim Erscheinen zu tilgen, so liegt für unser Vaterland keine Gefahr nahe.
Die Gefahr der Einachleppung durch Krieg wird im Falle der Noth abgewendet durch die ernstliche Yertheidigung umserer Landesgrenze.
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Es bleibt somit noch zu berücksichtigen die Ein­schleppung durch den Eisenbahnverkehr. Die Eisenbahnen können durch den Transport infizirten Viehes in oder durch unser Land die Seuche verbreiten.
Es wird daher nothwendig, den Transport von Vieh aus Ländern, welche der Seuche verdächtig sind, be­sonders zu überwachen. Nie sollte Steppenvieh auf den schweizerischen Eisenbahnen transportirt werden dürfen, ohne dass dem Eintritt in's Land eine Quarantaine von 10—14 Tagen und nachherige Untersuchung durch Sach­kundige vorausgegangen wäre.
• Sollten besondere Verhältnisse den Transit nicht an­gehaltenen Viehes nöthig machen, so müssten sichernde Vorkehrungen getroffen werden, welche die mittel- und unmittelbare Berührung jener Thiere mit hiesigen Men­schen und Thieren verhindern; überdem müssten jeder Waggon, jede Rampe und alle Geräthschaften, Avelche für jenes transitirende Vieh verwendet wur­den, unmittelbar nach jedem Gebrauche sicher des-infizirt werden.
Sollte die Seuche einmal in unser Land eingeschleppt werden, so würde dieselbe — wir zweifeln daran keinon Augenblick — mittelst strenger Durchführung der iim „Konkordat, betreffend gemeinschaftliche polizeiliche Mas s-regeln gegen Viehseuchenquot;, vorgeschriebenen Massregeln rasch getilgt werden können.
Eine sofortige und daher möglichst wenig verheerende Seuchentilgung setzt voraus:
1)nbsp; dass die Krankheit sofort erkannt werde, somit das Vorhandensein tüchtiger Thierärzte;
2)nbsp; dass die Behörden Einsicht, guten quot;Willen und Autorität besitzen;
3)nbsp; dass das Volk die seine Interessen bedrohende
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Gefahr einsehe, jeder Einzelne die zur Abwendung derselben anzuwendenden Massregeln kenne und vollziehen helfe und selber die gegen Verschlep­pung der Krankheit mögliche Vorsicht anwende.
Die bei verheerenden Viehseuchen so auffallend her­vortretende Wichtigheit t ü c h t i g e r T h i e r ä r z t e führt zu dem gerechtfertigten Wunsche, class es diesfalls bei uns vor der hereinbrechenden Gefahr mancherorts besser würde.
Die leider bis jetzt erfolglos angestrebte Centralisation der thierärztlichen Examen wäre zur Hebung der Bildung dieses Standes von grosser Bedeutung. Aber den grössten Nutzen müsste eine gemeinschaftliche, mit den nöthigen Mitteln ausgestattete schweizerische Veterinär­schule stiften. Möchten die eidgenössischen Behörden in ihrem rühmlichen Streben nach Hebung und Ver­mehrung der höhern Bildungsanstalten diesen für unsern Nationalreichthum so hochwichtigen Zweig der Wissen­schaft nicht vergessen!
Eine grosse Erleichterung bei der Seuchentilgung bietet ein gebildetes Volk, und es ist im gegebenen Falle die Belehrung der Einwohnerschaft über die Gefahr der Krankheit, die Bösartigkeit derselben, die Mittel zur Verhütung der Ausbreitung und Tilgung der Seuche ein sehr wichtiger Faktor.
Ferner ist nothwendig, dass der Viehbesitzer wisse, es werde ihm der durch die Seuche verursachteSchaden vergütet, in so weit er im all gem ei neu Interesse durch die durchgeführten Tilgungsmassregeln entstanden. Auf diese Weise verhindert man am sichersten ,die oft so folgewichtigen Verheimlichungen.
Es dürfte auch nicht iiiinöthig sein, die Kantons­regierungen an die vorsorglichen Bestimmungen des sect;. 13 des angeführten Konkordates zu erinnern.
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Zur dauernd wirksamen Bekampfong der Yiehseuchen reichen aber in unsern Tagen dje besten Massregeln eines Landes nicht mein- aus. Die Verschleppung der conta-giösen Krankheiten in weite Entfernung ist bei den heu­tigen Verkehrsmitteln nur zu leicht möglich. Die. ver­schiedenen Staaten werden durch die Verhältnisse ger zwungen werden, übereinstimmend zu handeln. Jede Verkehrshemmung widerstreitet den Interessen Aller. Sobald aber einmal die Seuchenbekämpamp;ng überall nach übereinstimmenden Grundsätzen stattfände, müssten die zwischen den einzelnen Staaten oft-durch blinden Lärm oder übertriebene Furcht diktirten Sperrplackereien schwinden.
quot;Wir begrüssen daher die von England aus angeregte Idee eines internationalen thierärztlichen Congresses, der sich am 14. Juli dieses Jahres in Hamburg versammelt und sich die Aufgabe gestellt hat, die allgemein richtigen Grundsätze festzustellen, welche den sämmtlichen euro­päischen Staaten beim Erlagii, und der Durchführung von Seuchenverordnungen empfohlen werden sollen. Hoffen wir, dass der Congress sein Ziel erfolgreich anstrebe, und unterstützen wir seine Hoffnungen nach Kräften!
Indem wir hiemit die uns vom hohen Bundesr^the übertragene Aufgabe als erledigt betrachten und; um nachsichtige Beurtheilungen nachsuchen, haben wir die Ehre, mit vollkommenster Hochachtung und Ergebenhgij; zu zeichnen
Zürich, den 18. Juni 1863.
R. Zangger. Gius. Paganini.
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